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Brigitte Micheel / Iris Nieding / Monique Ratermann / Sybille Stöbe-Blossey Sprachförderung im Elementarbereich Evaluationsstudie Stand: 11. Juni 2013

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Brigitte Micheel / Iris Nieding / Monique Ratermann / Sybille Stöbe-Blossey

Sprachförderung im Elementarbereich

– Evaluationsstudie –

Stand: 11. Juni 2013

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Universität Duisburg-Essen – Institut Arbeit und Qualifikation – Forschungsabteilung „Bildung und Erziehung im Strukturwandel“ (BEST) Evaluationsstudie „Sprachförderung im Elementarbereich“

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Vorbemerkung

Sprachförderung im Elementarbereich ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Thema der Bil-dungs- und Jugendhilfepolitik sowie der Entwicklung von Kindertageseinrichtungen geworden. Kindertageseinrichtungen und ihre Träger unternehmen auf diesem Feld intensive Anstrengungen, und Bund, Land und Kommunen investieren erhebliche Ressourcen. Bislang ist aber wenig darü-ber bekannt, wie Sprachförderung in der Praxis tatsächlich aussieht und welche Faktoren aus-schlaggebend für ihren Erfolg sind. Diesen Fragen ist die Abteilung „Bildung und Erziehung im Strukturwandel“ (BEST) am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen in einer Studie nachgegangen, die vom Jugendamt der Stadt Essen, der RAA (Büro für interkultu-relle Arbeit) und dem RAA Verein NRW e.V. gefördert wurde.

Teil 1 der vorliegenden Studie enthält eine Zusammenfassung „für schnelle Leser/innen“. In Teil 2 wird das Konzept der Evaluationsstudie ausführlich dargestellt. Teil 3 gibt einen Überblick über die Auswertung der Sprachstandsdaten auf der Grundlage der Beobachtungsverfahren „SISMIK“ und „SELDAK“ sowie der Delfin-4-Tests und der Schuleingangsuntersuchungen. In Teil 4 wird die Auswertung von Daten zum Sozialprofil der Kindertageseinrichtungen zusammengefasst, wobei Zusammenhänge mit den Daten zur Sprachstandsentwicklung verdeutlicht werden. Teil 5 umfasst die Ergebnisse einer Online-Befragung aller Essener Kindertageseinrichtungen, bei der es um Sprachförderkonzepte und -aktivitäten ging. Die Ergebnisse der Befragung wurden mit den Daten zur Sprachstandsentwicklung zusammengeführt. Auf diese Weise konnten Konzepte und Aktivitä-ten identifiziert werden, die in besonderem Maße zu Erfolgen in der Sprachstandsentwicklung bei-tragen. Diese Auswertungen wurden ergänzt durch Fallstudien in acht Einrichtungen mit guten Resultaten bei der Sprachstandsentwicklung, um genauere Aussagen über die Ausgestaltung der Sprachförderung zu erhalten. Eine zusammenfassende Auswertung dieser Fallstudien findet sich in Teil 6. Teil 7 schließlich enthält einen Überblick über die zentralen Ergebnisse der Studie sowie über einige mögliche Schlussfolgerungen, die eine Grundlage für weitere Diskussionen darstellen können.

Viele Institutionen und Personen in Essen haben daran mitgewirkt, dass diese Studie durchgeführt werden konnte. Bei allen möchte sich das Projektteam an dieser Stelle für die gute Zusammenar-beit bedanken – bei den Beteiligten aus dem Jugendamt der Stadt Essen, bei der RAA (Büro für interkulturelle Arbeit) und dem RAA Verein NRW e.V., bei den Essener Trägern und nicht zuletzt bei den Kindertageseinrichtungen, ohne deren Mitwirkung bei unseren Datenerhebungen die Er-stellung dieser Studie nicht möglich gewesen wäre.

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Inhalt

1 SPRACHFÖRDERUNG IM ELEMENTARBEREICH: ZUSAMMENFASSUNG ............................................ 5

1.1 AUFBAU DER STUDIE ............................................................................................................................................. 5 1.2 ZENTRALE ERGEBNISSE ......................................................................................................................................... 8 1.2.1 ZUSAMMENHÄNGE ZWISCHEN DEM SOZIALPROFIL UND DEM SPRACHSTAND ........................................................... 8 1.2.2 ERFOLGSFAKTOREN FÜR DIE SPRACHFÖRDERUNG......................................................................................................... 9

2 DAS KONZEPT DER EVALUATIONSSTUDIE ............................................................................................... 15

2.1 HINTERGRUND DER STUDIE ................................................................................................................................ 15 2.2 DAS KONZEPT DER STUDIE ................................................................................................................................. 16 2.3 MODULE DER STUDIE .......................................................................................................................................... 17

3 DIE AUSWERTUNG DER SPRACHSTANDSDATEN .................................................................................... 20

3.1 DIE AUSWERTUNG DER SISMIK/SELDAK-DATEN ........................................................................................ 20 3.2 DER DELFIN-4-TEST UND DIE SCHULEINGANGSUNTERSUCHUNGEN ............................................................... 25 3.3 ZUSAMMENFASSENDE BETRACHTUNG ............................................................................................................... 29

4 DAS SOZIALPROFIL DER KINDERTAGESEINRICHTUNGEN .................................................................. 33

4.1 DIE VARIABLEN DES SOZIALPROFILS ................................................................................................................. 33 4.2 ZUSAMMENFASSUNG: SOZIALPROFILE UND SPRACHSTANDSENTWICKLUNG .................................................. 36

5 SPRACHFÖRDERKONZEPTE UND -AKTIVITÄTEN: ERGEBNISSE EINER BEFRAGUNG ................ 42

5.1 METHODEN DER AUSWERTUNG ......................................................................................................................... 42 5.2 DIE ERGEBNISSE DER BEFRAGUNG IM ÜBERBLICK ........................................................................................... 44 5.2.1 SCHWERPUNKTE DER SPRACHFÖRDERUNG .................................................................................................................. 45 5.2.2 STRUKTUREN ..................................................................................................................................................................... 47 5.2.3 KONZEPT DER EINRICHTUNG .......................................................................................................................................... 49 5.2.4 BÜCHER, MUSIK UND ANDERE MEDIEN ........................................................................................................................ 50 5.2.5 SPRACHFÖRDERUNG ALS THEMA VON TEAMBESPRECHUNGEN ................................................................................ 52 5.2.6 FORTBILDUNGEN ............................................................................................................................................................... 53 5.2.7 KONZEPTE DER SPRACHFÖRDERUNG ............................................................................................................................. 56 5.2.8 DIE ROLLE DER ELTERN BEI DER SPRACHFÖRDERUNG .............................................................................................. 60 5.2.9 DER ÜBERGANG IN DIE GRUNDSCHULE ......................................................................................................................... 63 5.2.10 PERSPEKTIVEN DER SPRACHFÖRDERUNG .................................................................................................................. 65 5.3 KENNZEICHEN VON EINRICHTUNGEN MIT GÜNSTIGEM UND MIT UNGÜNSTIGEM

SPRACHSTANDSENTWICKLUNGSINDEX ......................................................................................................................... 68 5.3.1 EINRICHTUNGEN MIT DEM SPRACHSTANDSENTWICKLUNGSINDEX 1 ...................................................................... 68 5.3.2 EINRICHTUNGEN MIT DEM SPRACHSTANDSENTWICKLUNGSINDEX 5 ...................................................................... 70

6 UNTERSCHIEDLICHE WEGE ZUM ZIEL: SPRACHFÖRDERKONZEPTE UND -AK-TIVITÄTEN IN AUSGEWÄHLTEN EINRICHTUNGEN .................................................................................................................... 73

6.1 ALLTAGSINTEGRIERTE SPRACHFÖRDERUNG – SELBSTVERSTÄNDNIS UND KONZEPTE ................................. 73 6.2 ZUSÄTZLICHE ANGEBOTE DER SPRACHFÖRDERUNG ........................................................................................ 75 6.3 VERFAHREN DER SPRACHSTANDSFESTSTELLUNG ............................................................................................. 76 6.4 FORTBILDUNGEN, FACHKRÄFTE UND TEAMENTWICKLUNG ............................................................................ 77 6.5 DIE EINBEZIEHUNG DER ELTERN........................................................................................................................ 78 6.6 FAZIT .................................................................................................................................................................... 79

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7 ERFOLGSFAKTOREN FÜR DIE SPRACHFÖRDERUNG ............................................................................. 80

7.1 STRUKTUREN ....................................................................................................................................................... 80 7.2 ALLTAGSINTEGRIERTE SPRACHFÖRDERUNG UND ZUSÄTZLICHE ANGEBOTE ................................................. 81 7.3 SPRACHFÖRDERUNG, FORTBILDUNG UND TEAMENTWICKLUNG ..................................................................... 83 7.4 DIE EINBEZIEHUNG DER ELTERN........................................................................................................................ 84 7.5 WEITERENTWICKLUNG DER SPRACHFÖRDERUNG ............................................................................................ 84

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1 Sprachförderung im Elementarbereich: Zusammenfassung In diesem ersten Teil der Studie werden das Konzept sowie die wesentlichen Ergebnisse zusam-mengefasst. Dabei werden Verweise auf die folgenden Kapitel 2 bis 7 angefügt, um es den Le-ser/inne/n zu erlauben, bei Bedarf in den ausführlichen Darstellungen dieser Kapitel nachzuschla-gen. Im Folgenden wird zunächst der Aufbau der Studie dargestellt (1.1). Anschließend folgt eine Übersicht über zentrale Ergebnisse (1.2).

1.1 Aufbau der Studie

Überblick

Auswertung von Daten zum Sprachstand und zu seiner Entwicklung zwischen dem Beginn und dem Ende der Kindergartenzeit

Um Effekte der Sprachförderung zu analysieren, ist es sinnvoll, auf Sekundärdaten zurückzugrei-fen (► 2.2). Primärerhebungen – also eine Testung der Kinder vor und nach einer Phase der Sprachförderung – wären vom Personaleinsatz her sehr aufwändig und würden sowohl die Kinder als auch die Einrichtungen zusätzlich belasten. An kindbezogenen Sekundärdaten zur Ermitt-lung des Sprachstands gibt es in allen Kommunen Daten aus den Schuleingangsuntersu-chungen und aus den Delfin-4-Tests, mit denen NRW-weit jedes Jahr der Sprachstand der vier-jährigen Kinder erhoben wird. Speziell in Essen besteht darüber hinaus eine Vereinbarung, dass alle Kindergartenkinder zu bestimmten Zeitpunkten mit Hilfe der Verfahren „SISMIK“ und „SELDAK“ beobachtet werden, um ihren Sprachförderbedarf einzuschätzen. Die Ergebnisse die-

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ser Beobachtungen werden von den Einrichtungen gesammelt dem Jugendamt übermittelt, so dass hier einrichtungsbezogene Daten zur Verfügung stehen.

Im Konzept der Studie (► 2.1) wird davon ausgegangen, dass der Erfolg der Sprachförderung vor allem daran zu messen ist, wie groß die Unterschiede des Anteils der Kinder mit Sprachföderbedarf zwischen dem Beginn und dem Ende der Kindergartenzeit sind. Eine günstige Entwicklung ist diesem Verständnis zufolge dann gegeben, wenn in einer Kindertagesein-richtung der Anteil der als sprachförderbedürftig eingestuften Kinder zwischen zwei Test- oder Be-obachtungszeitpunkten besonders stark gesunken ist. Deshalb wurden bei der Analyse der Se-kundärdaten für jeweils drei Jahrgänge im ersten Schritt die Anteile der Kinder mit Sprachförder-bedarf nach den SISMIK/SELDAK-Beobachtungen zum Beginn der Kindergartenzeit („Ausgangs-lage“) und zu ihrem Ende („Ergebnisse“) miteinander verglichen (► 3.1), im zweiten Schritt erfolg-te dieser Vergleich für die Anteile der Kinder mit Sprachförderbedarf bei den Delfin-4-Tests und den Schuleingangsuntersuchungen (► 3.2). Bei beiden Vergleichen wurden die Veränderungen zum einen absolut erfasst („Der Anteil der als förderbedürftig eingestuften Kinder ist von 30% auf 20%, also um 10 Prozentpunkte, gesunken.“). Dieser Wert wurde als „Differenzwert“ bezeichnet. Zum anderen wurde die prozentuale Veränderung errechnet („Der Anteil der als förderbedürftig eingestuften Kinder ist von 30% auf 20%, also um 33%, gesunken.“). Dieser Wert wurde mit dem Begriff „Veränderungsfaktor“ benannt.

Aus diesen vier Werten (Differenzwerte und Veränderungsfaktoren für SISMIK/SELDAK sowie für den Vergleich zwischen Delfin-4-Ergebnissen und Schuleingangsuntersuchungen) wurde dann für jede Einrichtung ein Gesamtwert errechnet, der „Gesamtindex Sprachstandsentwicklung“ (► 3.3). Dieser Sprachstandsentwicklungsindex wurde für die weiteren Untersuchungen zugrunde gelegt. Insgesamt konnten 241 Essener Kindertageseinrichtungen in die Analysen einbezogen werden (wobei nicht für jede Einrichtung alle Werte vorlagen). Dabei wurden die Einrichtungen in fünf Gruppen eingeteilt (Tabelle 1.1).

Gesamtindex Sprachstandsentwicklung

Veränderung des Anteils der Kinder mit Sprachförder-bedarf in der Einrichtung

Anzahl Anteil an allen Einrichtun-

gen in Prozent

(1) „weit überdurchschnittliche Entwicklung“ 36 14,9

(2) „überdurchschnittliche Entwicklung“ 49 20,3

(3) „durchschnittliche Entwicklung“ 48 19,9

(4) „unterdurchschnittliche Entwicklung“ 54 22,4

(5) „weit unterdurchschnittliche Entwicklung“ 36 14,9

0 = fehlende Werte 18 7,5

241 100,0

Tabelle 1.1

Erstellung von Sozialprofilen der Kindertageseinrichtungen

Sowohl bei Kindern mit Migrationshintergrund bzw. mit nicht-deutscher Muttersprache als auch bei Kindern, die aus Familien mit niedrigem Sozialstatus kommen, werden überdurchschnittlich häufig Sprachprobleme diagnostiziert. Der soziale Hintergrund hat somit Einfluss auf den Sprachstand und musste daher in die Analyse einbezogen werden. Fragen nach der Muttersprache, dem Mig-rationshintergrund und dem Sozialstatus werden in den Schuleingangsuntersuchungen erho-ben, so dass sie in die Sekundärdatenanalyse integriert werden konnten. Des Weiteren lag eine Statistik über die Elternbeitragsklassen vor, die aufgrund der einkommensabhängigen Gestal-tung der Elternbeiträge Aufschluss über die Sozialstruktur der Familien in einer Kindertageseinrich-tung gibt. Auf diese Weise wurde für jede Einrichtung ein Sozialprofil ermittelt, dass sich aus zwei „Sozialvariablen“ (Sozialstatus und Elternbeitrag) und zwei „Migrationsvariablen“ (Migrationshinter-grund und nicht-deutsche Muttersprache) zusammensetzt (► 4.1). Wie beim Sprachstandsent-wicklungsindex, so wurden auch hier die Einrichtungen in fünf Gruppen aufgeteilt.

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Sozialprofil der Kindertageseinrichtungen

Indikator Sozialprofil

Anzahl der Einrichtungen

Anteil der Einrichtungen in Prozent

1 (sehr gut situiert) 49 20,3%

2 (gut situiert) 45 18,7%

3 (mittel) 50 20,7%

4 (benachteiligt) 51 21,2%

5 (stark benachteiligt) 46 19,1%

Tabelle 1.2

Konzepte und Aktivitäten in der Sprachförderung: Befragung der Kindertageseinrichtungen

Um festzustellen, wie Sprachförderung in den Einrichtungen konkret praktiziert wird, war eine Pri-märerhebung erforderlich, da entsprechende Informationen in Kommunen in aller Regel nicht vor-liegen. Eine solche Bestandsaufnahme der Konzepte und Aktivitäten bildete die Basis für die Bearbeitung der Fragestellung, welche Effekte das Sprachförderkonzept und die jeweiligen Aktivi-täten für die Sprachstandsentwicklung der Kinder haben (Konzept- und Aktivitäten-Variablen). Die Bestandsaufnahme zur Sprachförderung wurde über eine online-gestützte, standardisierte Be-fragung aller Einrichtungsleitungen vorgenommen, die von November 2012 bis Januar 2013 lief (► 5). Mit einer Rücklaufquote von 86,7% wurde hier eine extrem hohe Beteiligung erreicht. Der Gesamtindex Sprachstandsentwicklung und die Variablen des Sozialprofils wurden in die Auswer-tungsdatei übernommen, um Zusammenhänge herstellen zu können.

Die Auswertung erfolgte einrichtungsbezogen, wobei die Ergebnisse der einzelnen Einrichtungen anhand von Indizes zu Gruppen zusammengefasst wurden. Verglichen wurden also nicht die Er-gebnisse der einzelnen Einrichtungen, sondern die Ergebnisse von Gruppen. Im Mittelpunkt des Interesses stand dabei vor allem der Gesamtindex zur Sprachstandsentwicklung, da er die zentra-le zusammengefasste Variable zur Erfassung des Erfolges der Sprachförderung darstellt. Als be-sonders aussagekräftig erwies sich dabei der Vergleich zwischen Einrichtungen mit besonders günstiger (Index 1) und besonders ungünstiger (Index 5) Sprachstandsentwicklung. Auf diese Wei-se lassen sich Rückschlüsse über die Auswirkungen bestimmter Konzepte und Aktivitäten auf die Sprachstandsentwicklung der Kinder ziehen.

Es ging also bei der Gesamtauswertung nicht mehr um die einzelnen Einrichtungen, sondern um die Effekte der Konzepte und Aktivitäten. Dies entspricht zum einen der Fragestellung, zum ande-ren wäre eine einrichtungsbezogene Auswertung aufgrund von geringen Fallzahlen in der einzel-nen Einrichtung nur begrenzt möglich gewesen. Diese Form der Auswertung lässt sich zugespitzt formuliert folgendermaßen zusammenfassen: Im Mittelpunkt stand nicht die Frage: „Welche Ein-richtung macht die beste Sprachförderung?“; sondern: „Welche Konzepte und Aktivitäten haben die günstigsten Effekte bei den Kindern?“

Unterschiedliche Wege zum Ziel: Sprachförderkonzepte und -aktivitäten in ausgewählten Einrich-tungen

Auf der Grundlage der durchgeführten Auswertungen zum Sprachstandsentwicklungsindex wurden acht Einrichtungen mit einer günstigen Entwicklung ausgewählt (► 6). Bei der Auswahl wurde ers-tens darauf geachtet, dass Einrichtungen unterschiedlicher Träger vertreten waren, denn bei allen Trägergruppen gibt es Einrichtungen mit sehr guter Entwicklung. Zweitens wurden Einrich-tungen mit unterschiedlichen Sozialprofilen einbezogen. Drittens schließlich wurden anhand der Ergebnisse der Online-Befragung Einrichtungen identifiziert, die in der Sprachförderung unter-schiedliche Wege gehen. In diesen Einrichtungen wurden qualitative Interviews geführt, mit deren Ergebnissen die Auswertungen der Online-Befragung ergänzt wurden. Darauf aufbauend wurden Erfolgsfaktoren für eine gelingende Sprachförderung formuliert (► 7).

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1.2 Zentrale Ergebnisse

1.2.1 Zusammenhänge zwischen dem Sozialprofil und dem Sprachstand

In unserer Analyse wurde zunächst der Frage nach Zusammenhängen zwischen dem Sozialprofil einer Einrichtung und dem Sprachstand der Kinder nachgegangen (► 4.1). Dazu wurde zunächst die Ausgangslage (gemessen an den Resultaten der Delfin-4-Tests und der SISMIK/SELDAK-Beobachtungen zu Beginn der Kindergartenzeit) betrachtet, wobei die Einrichtungen in fünf Grup-pen eingeteilt wurden (von „1 = sehr günstig bis „5 = sehr ungünstig“). Setzt man diese fünf Grup-pen nun mit den fünf Gruppen des Sozialprofils in Beziehung, so zeigt sich, dass die Ausgangs-lage sich je nach Sozialprofil sehr stark voneinander unterscheidet.

Sozialprofil und Ausgangslage der Einrichtungen

Index Sozialprofil

Durchschnittswert des Indexes zur Ausgangslage (Anteil von Kindern mit Sprachförderbe-

darf zu Beginn der Kindergartenzeit)

SISMIK/SELDAK Delfin 4

1 (sehr gut situiert) 1,8 1,6

2 (gut situiert) 2,5 2,6

3 (mittel) 2,9 3,0

4 (benachteiligt) 3,0 3,5

5 (stark benachteiligt) 3,7 4,1

Tabelle 1.3

Ein Blick auf die Tabelle bestätigt die Vermutung, dass die Werte zum Sprachstand umso günsti-ger ausfallen, je günstiger das Sozialprofil der Einrichtung ist. Nach SISMIK/SELDAK findet sich zwischen dem günstigsten Wert von 1,8 und dem ungünstigsten Wert von 3,7 eine Spreizung von 1,9 Punkten. Bei Delfin 4 fällt die Spreizung mit 2,5 Punkten noch höher aus, die Tendenz weist jedoch in dieselbe Richtung.

Betrachtet man nun die beiden Sozialvariablen und die beiden Migrationsvariablen getrennt vonei-nander, so ist bemerkenswert, dass die Spreizung der Werte wesentlich höher ausfällt, wenn man sie nach den Sozialvariablen ordnet: Bei den SISMIK/SELDAK-Ergebnissen liegen bei den Sozial-variablen zwischen dem günstigsten Wert (1,8) und dem ungünstigsten (3,9) insgesamt 2,1 Punk-te; geordnet nach den Migrationsvariablen beträgt diese Differenz nur 0,8 Punkte (bei Werten zwi-schen 2,4 und 3,2), und der ungünstigste Wert findet sich nicht in der letzten, sondern in der vor-letzten Gruppe. Von der Tendenz her zeigt sich auch hier bei den Delfin-4-Ergebnissen ein ähnli-ches Resultat: Bei den Sozialvariablen ist die Spreizung mit 2,7 Punkten wesentlich höher als bei den Migrationsvariablen mit 1,4 Punkten. Man kann aus diesen Ergebnissen die Vermutung ablei-ten, dass soziale Aspekte die Sprachkompetenz stärker beeinflussen als Migrationshinter-grund und Familiensprache.

Im Anschluss an diese Ergebnisse ist nun die Frage von Interesse, ob sich die Unterschiede im Stand der Sprachentwicklung der Kinder zwischen Einrichtungen mit unterschiedlichem Sozialprofil im Laufe der Kindergartenzeit eher verschärfen oder eher reduzieren. Zu diesem Zweck wurde für die fünf Gruppen des Sozialprofils der durchschnittliche Gesamtindex Sprachstandsentwicklung zu Beginn der Kindergartenzeit verglichen mit dem entsprechenden Wert zum Ende der Kindergar-tenzeit.

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Sozialprofil und Ergebnisse der Einrichtungen

Index Sozialprofil

Durchschnittswert des Indexes zu den Ergebnissen (Anteil von Kindern mit Sprachförderbe-

darf zum Ende der Kindergartenzeit)

SISMIK/SELDAK Schuleingangsuntersuchung

1 (sehr gut situiert) 1,7 1,8

2 (gut situiert) 2,1 2,3

3 (mittel) 2,3 2,9

4 (benachteiligt) 3,0 3,4

5 (stark benachteiligt) 3,4 4,2

Tabelle 1.4

Betrachtet man die SISMIK/SELDAK-Ergebnisse, so nimmt die Spreizung geringfügig ab; der Ab-stand zwischen den Einrichtungen mit dem Sozialprofil 1 und dem Sozialprofil 5 beträgt nicht mehr 1,9, sondern 1,7 Punkte. Auch bei dem Vergleich der Ergebnisse von Delfin 4 und aus den Schul-eingangsuntersuchungen verändert sich die Spreizung kaum; sie beträgt anfangs 2,5 und zum Ende der Kindergartenzeit 2,4 Punkte. Aus diesen geringfügigen Abweichungen lassen sich keine Schlussfolgerungen über eine Verringerung der Unterschiede ziehen. Zwei zentrale Ergebnisse lassen sich somit festhalten:

Der Einfluss der Sozialvariablen auf den durchschnittlichen Stand der Sprachentwicklung der Kinder in einer Einrichtung ist größer als der Einfluss der Migrationsvariablen. Umge-kehrt formuliert: Eine schwierige soziale Situation stellt für die Beherrschung der deutschen Sprache einen höheren Risikofaktor dar als ein Migrationshintergrund (selbst wenn dieser mit einer nicht-deutschen Familiensprache verbunden ist).

Die sozial bedingten Unterschiede zwischen den Einrichtungen werden im Durch-schnitt während der Kindergartenzeit weder verschärft noch ausgeglichen, sondern bleiben weitgehend konstant.

Die letztere Feststellung gilt selbstverständlich nicht für jede einzelne Einrichtung, sondern in der Summe. Umso interessanter ist es, Näheres über die Konzepte und Aktivitäten derjenigen Einrich-tungen zu erfahren, die von dieser durchschnittlichen Entwicklung abweichen und einen besonders günstigen Wert bei dem Index zur Sprachstandsentwicklung aufweisen.

1.2.2 Erfolgsfaktoren für die Sprachförderung

Unterschiedliche Wege führen zum Erfolg – so lässt sich ein zentrales Ergebnis der Untersu-chung zusammenfassen. Es gibt nicht den einen Königsweg in der Sprachförderung, und es gibt keine einfachen Wenn-Dann-Aussagen („Wenn eine Einrichtung eine bestimmte Aktivität durch-führt, erzielt sie einen günstigen Sprachstandsentwicklungsindex“). Nichtsdestoweniger lassen sich einige Faktoren ausmachen, die sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit günstig auf die Sprachstandsentwicklung der Kinder auswirken. Diese Faktoren sollen im Folgenden dargestellt werden (ausführlich ► Kapitel 7).

Dabei zeigt sich, dass der Erfolg – also der Unterschied zwischen dem Anteil der als sprach-förderbedürftig eingestuften Kinder zum Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit – nicht von der Ausgangslage der Einrichtung determiniert wird. Ob Einrichtungen einen günstigen Sprachstandsentwicklungsindex erreichen, hängt nicht von ihrem Sozialprofil ab. In allen fünf Stu-fen des Sozialprofils gibt es Einrichtungen mit günstiger und weniger günstiger Entwicklung.

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Sozialprofil und Sprachstandsentwicklung

Index Sozialprofil

Gesamtindex Sprachstandsentwicklung 1 2 3 4 5

1 7,9% 21,1% 26,3% 34,2% 10,5%

2 31,6% 28,9% 15,8% 15,8% 7,9%

3 28,1% 31,2% 9,4% 15,6% 15,6%

4 10,6% 23,4% 23,4% 17,0% 25,5%

5 17,1% 12,2% 22,0% 29,3% 19,5%

Tabelle 1.5

Auffällig ist, dass sowohl unter den Einrichtungen mit einem besonders günstigen als auch bei denjenigen mit einem besonders ungünstigen Sprachentwicklungsindex überproportional viele Einrichtungen mit einem hohen Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache (ab 60%) sind. Besonders schwierige Ausgangssituationen scheinen also häufig entweder zu einer beson-ders guten oder zu einer besonders ungünstigen Entwicklung zu führen.

Alltagsintegrierte Sprachförderung und zusätzliche Angebote

In den Kindertageseinrichtungen in Essen gibt es einen breiten Konsens über die Wichtigkeit alltagsintegrierter Sprachförderung. Gut 90% der Einrichtungen sprechen dieses Thema an, wenn sie nach den Schwerpunkten ihrer Sprachförderarbeit gefragt werden. Zusätzliche, gezielte Angebote der Sprachförderung werden hingegen nur von der Hälfte der Befragten (51,4%) als Schwerpunkt ihrer Arbeit genannt. Die Ergebnisse der Fallstudien deuten darauf hin, dass in Ein-richtungen, die gute Ergebnisse bei der Sprachstandsentwicklung erzielen, eine sehr bewusste Auseinandersetzung mit Konzepten und Möglichkeiten alltagsintegrierter Sprachförderung stattfindet. Hier zeigt sich, dass der Begriff „alltagsintegriert“ nicht mit „zufällig“ gleichzusetzen ist; vielmehr sind sowohl eine bewusste konzeptionelle Gestaltung als auch eine bewusste Umsetzung im Alltag notwendig. Ein Blick auf das gesamte Spektrum der Konzepte und Aktivitäten der befrag-ten Einrichtungen macht weiterhin deutlich, dass zwischen einem alltagsintegrierten Ansatz und einer Einbeziehung von zusätzlichen, gezielten Angeboten kein Widerspruch besteht.

Insgesamt machen 87,0% der Kindertageseinrichtungen Zusatzangebote zur Sprachförderung. Fast immer (bei 81,3% aller befragten Einrichtungen) betreffen diese Zusatzangebote die Förde-rung von Kindern, die nach Delfin 4 Sprachförderungsbedarf haben. Trotz aller Kritik am Verfahren werden die Ergebnisse von Delfin 4 also offenkundig genutzt, um Kinder mit Bedarf an zusätzli-cher Sprachförderung zu identifizieren. Zusammen mit der in den Fallstudien deutlich gewordenen sehr positiven Bewertung von SISMIK/SELDAK durch die Einrichtungen zeigen diese Ergebnis-se, dass es einen Bedarf an systematischen Verfahren zur Beobachtung und Begleitung der Sprachstandsentwicklung gibt.

Eine vergleichsweise geringe Rolle spielen spezielle Angebote für Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache: Deutsch-Angebote für diese Kinder gibt es in 19,7% der Einrichtungen, Angebote zur Förderung der Muttersprache in 10,6%. In Einrichtungen mit einem hohen Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache finden sich diese Angebote zwar häufiger, aber auch bei weitem nicht bei der Mehrheit der Einrichtungen. Aus diesen Ergebnissen lässt sich folgern, dass viele Einrichtungen in der Sprachförderung einen Ansatz verfolgen, der nicht nach der Muttersprache differenziert, und dass die Förderung von nicht-deutschsprachigen Kindern zusammen mit der Förderung der anderen Kinder erfolgt. Auch Zusatzangebote werden nicht unbedingt spezifisch an der Frage der Muttersprache orientiert ausgerichtet.

Einrichtungen, die über die alltagsintegrierte Sprachförderung hinaus gezielte Zusatzangebote zur Sprachförderung machen, schneiden im Hinblick auf die Sprachstandsentwicklung der Kinder besser ab als Einrichtungen, die dies nicht oder nur in geringem Maße tun. Beispielsweise erreichen Einrichtungen, die bei der Frage nach den drei wichtigsten Kennzeichen ihrer Sprachför-derarbeit zwei oder mehr Schwerpunkte aus der Rubrik „zusätzliche Angebote“ angeben, bei dem Gesamtindex Sprachstandsentwicklung einen Mittelwert von 2,12, während Einrichtungen, die zwei oder mehr Schwerpunkte im Bereich „alltagsintegriert“ nennen, einen durchschnittlichen Wert von 3,11 verzeichnen.

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64,6% der Befragten verwenden in ihren Einrichtungen veröffentlichte Konzepte (Trainings, Programme usw.) zur Sprachförderung. Bei den Einrichtungen mit einem Sprachstands-entwicklungsindex von 1 liegt dieser Anteil mit gut drei Vierteln (75,8%) höher, bei den Einrichtun-gen mit dem Index 5 beträgt er nur knapp die Hälfte (46,4%). Insgesamt ist festzustellen, dass die Nutzung von veröffentlichten Konzepten in Essen weit verbreitet ist und tendenziell positive Auswirkungen zu haben scheint.

Bücher und Musik spielen in den Kindertageseinrichtungen eine große Rolle; die Unterschiede zwischen den Einrichtungen sind bei den diesbezüglichen Fragen geringer ausgeprägt als bei den meisten anderen Themenfeldern. Unterschiede im Sprachstandsentwicklungsindex, die mit der Nutzung von Büchern und Musik zusammenhängen, lassen sich nur in geringem Maße erkennen. Tendenziell scheint sich vor allem eine sehr intensive Nutzung von Büchern positiv auszu-wirken; im Hinblick auf die Musik lässt sich dies in den Befragungsergebnissen nicht zei-gen.

Betrachtet man die Ergebnisse zu den verschiedenen Fragen aus diesem Themenfeld, so deuten sie darauf hin, dass es sich durchaus lohnt, neben der alltagsintegrierten Sprachförderung gezielte Zusatzangebote zu machen. Die Verwendung von veröffentlichten Konzepten und Programmen kann ebenso dazu gehören wie die besonders intensive Nutzung von Büchern oder ein vielfältiges Förderangebot für unterschiedliche Zielgruppen.

Fachkräfte und Strukturen

Bezüglich der Fragen, ob es in einer Einrichtung mehrsprachige Fachkräfte oder Multiplika-tor/inn/en für Sprachförderung gibt, lassen sich keine positiven Auswirkungen im Hinblick auf die Sprachstandsentwicklung identifizieren. Einrichtungen hingegen, die über zusätzliche interkul-turelle Fachkräfte verfügen, verzeichnen relativ günstige Werte bei der Sprachstandsentwicklung; gut die Hälfte dieser Einrichtungen (7 von 13) erreichen bei der Sprachstandsentwicklung den günstigsten Indexwert 1. Überproportional hoch ist bei den Einrichtungen mit dem Index 1 mit 36,1% auch der Anteil derjenigen, die Mitarbeiter/innen mit akademischer Ausbildung beschäftigen (Durchschnitt: 23,2%). Beide Ergebnisse zusammengenommen legen die Überlegung nahe, dass sich das Vorhandensein spezifischer bzw. höherer Qualifikationen in der Einrichtung positiv auswirken kann; die Anzahl der Einrichtungen mit interkulturellen Fachkräften auf der einen Seite und die Unterschiede in den Ergebnissen zwischen Einrichtungen mit und ohne Personal mit aka-demischer Ausbildung auf der anderen Seite sind jedoch zu gering, um diesbezügliche Schlussfol-gerungen zu ziehen; von Interesse wäre es aber, dieser Frage nachzugehen. Des Weiteren wird in den Fallstudien-Einrichtungen sehr häufig die Vorbild-Funktion der Erzieher/innen hervorgeho-ben. Auch dieser Aspekt hängt mit Fragen der Qualifikation – hier: der eigenen Sprachkompetenz – zusammen.

Für die vielfach geäußerte Vermutung, dass sich lange Betreuungszeiten günstig auf die Sprachstandsentwicklung auswirken, lassen sich in der Befragung keine Belege finden. Vielmehr gibt es eine leicht negative Tendenz. Beispielsweise haben nur 8,3% der Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 einen sehr hohen Anteil (ab 75%) an Ganztagsplätzen; insgesamt befinden sich 16,8% der Einrichtungen in dieser Gruppe; bei den Einrichtungen mit dem Index 5 sind es 25,0%.

Sprachförderung, Fortbildung und Teamentwicklung

Einrichtungen, in denen die Sprache sehr häufig (mindestens zweimal monatlich) Teamthema ist, weisen eine günstigere Entwicklung im Sprachstand auf: Der Sprachstandsentwicklungsindex liegt bei ihnen im Mittel bei 2,45; bei Einrichtungen, die das Thema monatlich bis alle drei Monate im Team aufgreifen, erreicht der Index durchschnittlich den Wert von 2,97, in Einrichtungen, in denen die Sprache seltener thematisiert wird, beträgt er 3,2.

In fast allen Kitas haben Mitarbeiter/innen in den letzten fünf Kindergartenjahren an Fortbildungen zum Thema Sprachförderung teilgenommen, allerdings mit großen Unterschieden in Qualität, Form und Inhalten. Tendenziell scheint sich eine intensive Fortbildungsarbeit positiv auszuwir-ken: Bei Einrichtungen mit sehr hoher Fortbildungsintensität liegt der durchschnittliche Mittelwert

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des Sprachstandsentwicklungsindexes bei 2,67, bei Einrichtungen mit sehr geringer Aktivität bei 3,16. Von Bedeutung scheinen insbesondere Teamfortbildungen zu sein. Einrichtungen, die vier und mehr Teamfortbildungen aufweisen, erreichen bei der Sprachstandsentwicklung einen Mittel-wert von 2,30 (gegenüber 3,06 bei Einrichtungen ohne Teamfortbildung). Auch die Fallstudien-Einrichtungen legen einen besonders großen Wert auf Teamfortbildungen. Zusammen mit den Ergebnissen zu der Bedeutung von Sprachförderung als Teamthema deutet dies darauf hin, dass insbesondere die Auseinandersetzung mit Sprachförderung im Team positive Auswirkun-gen hat.

Die Einbeziehung der Eltern

Die meisten Einrichtungen beziehen die Eltern in die Sprachförderung ein. Drei Viertel der Befragten nennen bestimmte Formen der Einbeziehung; 13,0% geben an, dass Eltern einbezogen werden, jedoch der Einbezug nicht genau festgelegt sei; 4,3% verneinen den Einbezug und 7,7% machen keine Angabe. Wenn die soziale Situation der Familien schwierig ist, bemühen sich die Einrichtungen tendenziell stärker um eine Einbeziehung der Eltern. Bei Einrichtungen mit dem So-zialindex 1 erreicht der Index für den Elterneinbezug einen durchschnittlichen Wert von 3,61, bei Einrichtungen mit dem Sozialindex 5 liegt er bei 2,44.

Fast alle Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 geben an, dass sie die Eltern in die Sprachförderung einbeziehen; 91,2% der Einrichtungen mit besonders günstiger Entwicklung beschreiben, wie der Elterneinbezug geschieht bei den Einrichtungen mit dem Sprachstands-entwicklungsindex 5 liegt dieser Anteil nur für 65,6%. Inhaltlich hervorzuheben ist hier zum Beispiel das Rucksack-Programm, das in Einrichtungen mit günstiger Entwicklung besonders häufig an-geboten wird (in 30,6% der Fälle gegenüber 19,5% im Durchschnitt). Insgesamt sind 33,3% der Einrichtungen mit besonders günstiger Entwicklung der Gruppe mit einem sehr hohen Elterneinbe-zug zuzurechnen (gegenüber 20,5% im Durchschnitt). Bei den Einrichtungen mit einem Sprachstandsentwicklungsindex von 5 sind es nur 6,3%. Wenn der Einbeziehung von Eltern eine hohe Bedeutung zugemessen wird, sind also positive Zusammenhänge mit dem Sprachstandsentwicklungsindex zu verzeichnen.

Maßnahmen und Projekte der Elternbildung werden von 82,4% der Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 durchgeführt, bei den Einrichtungen mit dem Index 5 sind es nur 61,3%. Weitergehende Zusammenhänge zwischen der Elternbildungsarbeit und dem Sprach-standsentwicklungsindex sind jedoch kaum festzustellen. Dies mag damit zusammenhängen, dass die meisten Programme allgemein auf den elterlichen Erziehungsauftrag ausgerichtet sind und nicht speziell die Sprachförderung in den Blick nehmen.

Einschätzungen zur Zusammenarbeit mit Eltern kommen zum einen in der Online-Befragung im Kontext der offenen Frage zur Weiterentwicklung der Sprachförderung zum Ausdruck, zum ande-ren werden sie in den Fallstudien angesprochen. Dabei zeigt sich, dass die Einbeziehung der Eltern – sowohl allgemein als auch speziell bezogen auf die Sprachförderung – in den Ein-richtungen unterschiedlich gut gelingt. Von Interesse wären hier weiterführende Untersuchun-gen darüber, wie sich im Allgemeinen eine gute Zusammenarbeit mit Eltern entwickeln lässt und wie im Besonderen die Einbeziehung der Eltern in die Sprachförderung gestärkt werden kann.

Weiterentwicklung der Sprachförderung

Um die Sprachförderung weiterzuentwickeln, sind nach Einschätzung der Einrichtungen in erster Linie zusätzliche Ressourcen erforderlich. Wie allerdings diese Ressourcen eingesetzt werden sollten, darüber gibt es kein einheitliches Meinungsbild – allgemeine Stundenaufstockungen wer-den in der diesbezüglichen offenen Frage in der Online-Befragung ebenso angesprochen wie der Einsatz spezialisierter Kräfte. Bedeutung wird in diesem Konzept des Weiteren vor allem der Qua-lifikation und hier insbesondere der Fortbildung im Allgemeinen und der Teamfortbildung im Be-sonderen zugemessen. Oft thematisiert wird schließlich die Rolle der Eltern, wobei die Stärkung dieser Rolle nur von einer Minderheit als Aufgabe der Einrichtungen betrachtet wird. Verwiesen wird hier eher auf unterschiedliche Ansätze des „Förderns und Forderns“ sowie vor allem auf eine früh einsetzende Unterstützung der Familien.

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Fasst man die Ergebnisse der Analysen zusammen, so lässt sich Diskussionsbedarf vor allem auf den folgenden Feldern erkennen:

Verknüpfung zwischen einer alltagsintegrierten Sprachförderung und gezielten Zusatzangebo-ten

Wie wird das Leitbild einer alltagsintegrierten Sprachförderung in der Praxis der Einrichtungen um-gesetzt, und wie lässt sich die bewusste Auseinandersetzung mit dem Leitbild und seiner Umset-zung stärken? Wie lassen sich Zusatzangebote sinnvoll mit der alltagsintegrierten Sprachförderung verknüpfen? Bei diesen Fragen geht es zum einen um eine genauere Beobachtung des Alltags, zum anderen um Fragen der Teamentwicklung: Aus der Studie geht hervor, dass sich eine inten-sive Auseinandersetzung mit Fragen der Sprachförderung im Team positiv auf die Sprach-standsentwicklung auswirkt. Letztlich ist es für jedes Team wichtig, diese Auseinandersetzung be-wusst zu führen und seinen eigenen Weg zu gestalten. Diese Wege können unterschiedlich sein, aber sie müssen bewusst gegangen werden. Im Hinblick auf die Organisationsentwicklung ist zu fragen, wie die Einrichtungen dabei auf ihrem weiteren Weg unterstützt werden können.

Teamentwicklung

Bezüglich der Fortbildung dürfte es sinnvoll sein, vor allem in Teamfortbildungen zu investieren. Diese scheinen eine höhere Verbindlichkeit für die Umsetzung des Gelernten im Alltag mit sich zu bringen und bieten auch eine Möglichkeit für die soeben angesprochene Organisationsentwick-lung. Demzufolge ist zu überlegen, inwieweit Ressourcen für die Fortbildungen auf Teamfortbil-dungen konzentriert werden können und welche Möglichkeiten der Erweiterung bestehen.

Qualifikation und Personalressourcen

Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich einige Hinweise auf die Bedeutung von Qualifikation und Personalressourcen entnehmen, die weitere Fragen aufwerfen. Im Hinblick auf die Weiterent-wicklung der Ausbildung von Fachkräften für die Kindertageseinrichtungen ist näher zu untersu-chen, welche Qualifikationen sich in besonderem Maße günstig auf die Sprachförderung auswirken. Angesichts der Betonung der Vorbildfunktion, die an einigen Stellen der Studie zum Ausdruck kommt, ist hier auch die eigene Sprachkompetenz der Fachkräfte zu beachten. Mehr-sprachigkeit erweist sich zwar als sinnvoll für den Aufbau von Kontakten zu Eltern und Kindern, scheint aber für sich allein keine Qualifikation zu sein, die per se positiv für die Sprachförderung ist. Näher zu untersuchen wäre auch, welche Rolle die Qualifikation interkultureller Fachkräfte, von auf die Sprachförderung spezialisierten Zusatzkräften und von Sprachtherapeut/inn/en und Logopäd/inn/en spielt. Geht es hier in erster Linie um zusätzliche Personalressourcen, mit denen angesichts einer dünnen Personaldecke vor allem mehr Zeit für die Sprachförderung geschaffen wird, oder sind es vor allem die speziellen Qualifikationen, die einen positiven Einfluss haben?

Verfahren zur Feststellung und Beobachtung der Sprachentwicklung

Wie lassen sich Verfahren der Sprachstandsfeststellung und der Beobachtung der Sprach-entwicklung nachhaltig in den Einrichtungen verankern? Welche Verfahren und welche Ele-mente erweisen sich als sinnvoll? Hier sind Diskussionen auf kommunaler Ebene, aber nicht zu-letzt mit der Landesebene erforderlich. In der Debatte um die Weiterentwicklung bzw. Verände-rung des Delfin-4-Verfahrens muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass der Anteil der unter Dreijährigen in den Einrichtungen wächst. Wenn bereits im frühen Alter eine gute Sprachförderung geleistet wird, ist ein Test im Alter von vier Jahren ein ungeeignetes Instrument, um die Höhe der Finanzmittel für die einzelne Einrichtung zu bestimmen, weil auf diese Weise Einrichtungen finan-ziell schlechter gestellt werden, die bereits vor dem Testzeitpunkt eine gute Arbeit geleistet haben. Hier ist über geeignete organisatorische Regelungen nachzudenken.

Zusammenarbeit mit Eltern

Bezüglich der Zusammenarbeit mit Eltern zeigt sich zum einen, dass eine Einbeziehung in die Sprachförderung günstige Effekte für die Sprachstandsentwicklung hat; für Elternbildung im Allgemeinen lassen sich solche Hinweise nicht identifizieren. Beide Aspekte lassen sich jedoch nicht voneinander trennen, da eine gute Zusammenarbeit mit Eltern auch eine gute Grundlage für deren Einbeziehung in die Sprachförderung bieten dürfte. Angesichts der unterschiedlichen Erfah-rungen der Einrichtungen stellt sich hier einerseits die Frage, welche Faktoren ausschlaggebend dafür sind, dass sich eine gute Zusammenarbeit mit Eltern entwickelt, und wie eine Einbezie-

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hung in die Sprachförderung am besten gestaltet werden kann. Zum anderen werden Gesamtsys-teme früher Hilfen angesprochen: Hier geht es darum, Familien schon vor dem Beginn der Kin-dergartenzeit zu erreichen und für Fragen der Sprachförderung zu sensibilisieren.

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2 Das Konzept der Evaluationsstudie Die Abteilung „Bildung und Erziehung im Strukturwandel“ (BEST) am Institut Arbeit und Qualifikati-on (IAQ) der Universität Duisburg-Essen führte von September 2012 bis Juni 2013 mit Förderung des Jugendamtes der Stadt Essen, der RAA (Büro für interkulturelle Arbeit) und dem RAA Verein NRW e.V. eine Studie zur Evaluation der Sprachförderung im Elementarbereich durch. In diesem Kapitel werden zunächst einige Erläuterungen zum Hintergrund der Studie gegeben (2.1); im An-schluss werden das Design der Studie (2.2) und die einzelnen Module (2.3) dargestellt.

2.1 Hintergrund der Studie

Sprachförderung im Elementarbereich ist in den letzten Jahren zu einem zentralen Thema der Bil-dungs- und Jugendhilfepolitik sowie der Entwicklung von Kindertageseinrichtungen geworden. Die Notwendigkeit einer gezielten, umfassenden und nachhaltigen Sprachförderung hat eine individu-elle und eine gesellschaftliche Komponente. Eines der zentralen Ergebnisse von PISA und IGLU ist die Bestätigung der Abhängigkeit einer erfolgreichen Schulkarriere von der sozialen Herkunft. Die Beherrschung der deutschen Sprache als Schlüsselkompetenz für eine erfolgreiche Bildungs-laufbahn gewinnt in diesem Kontext zunehmend an Bedeutung. In der Fachdiskussion besteht Einigkeit darüber, dass diese Förderung so früh wie möglich beginnen muss. Insofern nimmt die Kindertageseinrichtung in dieser Diskussion eine zentrale Rolle ein.

Wie groß die Bedeutung dieser Frage ist, wird schon allein deutlich, wenn man sich vergegenwär-tigt, dass inzwischen ein gutes Drittel der Kinder in nordrhein-westfälischen Tageseinrichtungen einen Migrationshintergrund hat, das heißt, mindestens ein Elternteil ist ausländischer Herkunft. Gut ein Fünftel der Kinder kommt aus Familien, in denen vorrangig eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird. In zunehmendem Maße wird außerdem deutlich, dass auch Kinder mit deutscher Muttersprache Sprachförderbedarf haben, der sich zwar nicht auf Deutsch als Zweit-sprache, dafür aber umso mehr auf Schwierigkeiten in der Sprachentwicklung bezieht.

Seit 2007 wird deshalb in Nordrhein-Westfalen die Sprachkompetenz aller Kinder zwei Jahre vor der Einschulung überprüft, damit rechtzeitig Fördermaßnahmen eingeleitet werden können. Um möglichst alle Kinder zu erreichen, ist diese Überprüfung in § 26 II des Schulgesetzes rechtlich festgeschrieben. Mit Hilfe des so genannten Delfin-4-Tests, einem zweistufigen Testverfahren, überprüfen Lehrerinnen und Lehrer zusammen mit Erzieherinnen und Erziehern in der Kinderta-geseinrichtung die Sprachentwicklung aller Kinder. Für jedes Kind, bei dem zusätzlicher Sprach-förderbedarf festgestellt wird, stellt das Land dem zuständigen Jugendamt nach § 21 II des Kin-derbildungsgesetzes zusätzliche finanzielle Mittel in Höhe von 340 € pro Jahr bereit (ab 2010/11: 345 €). Somit ist nicht nur die Sprachstandsfeststellung als solche, sondern auch die Finanzierung der Sprachförderung gesetzlich geregelt. Stattfinden soll die zusätzliche Sprachförderung in den Kindertageseinrichtungen, als ergänzende Maßnahme zur allgemeinen Sprachbildung, die sowie-so Bestandteil des Bildungsauftrages für alle Kinder ist.

Neben dieser Grundförderung des Landes gibt es im Bereich der Sprachförderung zahlreiche Pro-jekte der Kommunen, anderer Institutionen (wie beispielsweise der RAA) sowie der Träger von Kindertageseinrichtungen. Des Weiteren existieren verschiedene Sprachförderprogramme, die jeweils auf sehr unterschiedlichen lerntheoretischen Grundlagen basieren. Und schließlich gibt es eine breite Fachdiskussion darüber, welchen Stellenwert spezifische Aktivitäten der Sprachförde-rung (Programme und Kurse) einerseits und die Integration der Sprachförderung in den Alltag der Kindertageseinrichtung andererseits haben.

Wie die Sprachförderung im Einzelnen ausgestaltet wird, ist letztlich Sache der einzelnen Tages-einrichtung bzw. ihres Trägers. Welche Konzepte die Einrichtungen konkret verfolgen und welche Aktivitäten der Sprachförderung sie umsetzen, darüber ist im Allgemeinen wenig bekannt. Ebenso wenig erforscht sind die Effekte der Sprachförderung. Abgesehen von der wissenschaftlichen Be-gleitung einzelner spezifischer Sprachförderprogramme gibt es wenige Erkenntnisse darüber, wel-che Auswirkungen die Sprachförderung für die Kinder hat. Zusammenfassend lässt sich die Situa-tion somit folgendermaßen kennzeichnen:

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Der Sprachförderung wird eine erhebliche Bedeutung für die weitere Entwicklung der Kinder und ihre Bildungslaufbahn zugemessen. Vor diesem Hintergrund werden erhebliche Mittel in die Sprachförderung investiert. Es gibt jedoch nur wenig Wissen darüber, wie diese Mittel genutzt werden und welche Effekte damit erzielt werden. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Studie zu sehen.

2.2 Das Konzept der Studie

Ziel der Evaluation war es, Informationen zu generieren, die von Jugendämtern, Trägern sowie den einzelnen Einrichtungen zur weiteren Verbesserung der Sprachförderung genutzt werden können. Das im Folgenden skizzierte Verfahren stellt sicher, dass die Ergebnisse der Studie über die Stadt Essen hinaus von Interesse sein werden und als exemplarisch für andere Kommunen betrachtet werden können.

Um Effekte der Sprachförderung zu analysieren, ist es sinnvoll, auf Sekundärdaten zurückzugrei-fen. Primärerhebungen – also eine Testung der Kinder vor und nach einer Phase der Sprachförde-rung – wären vom Personaleinsatz her sehr aufwändig und würden sowohl die Kinder als auch die Einrichtungen zusätzlich belasten. An kindbezogenen Sekundärdaten zur Ermittlung des Sprach-stands stehen vor allem die Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen, die Auswertung der Delfin-4-Tests sowie – speziell in Essen – auch Auswertungen der SISMIK/SELDAK-Beobachtungen zur Verfügung (Sprachstand-Variablen).

Sowohl bei Kindern mit Migrationshintergrund bzw. mit nicht-deutscher Muttersprache als auch bei Kindern, die aus Familien mit niedrigem Sozialstatus kommen, werden bei der Schuleingangsun-tersuchung überdurchschnittlich häufig Sprachprobleme diagnostiziert. Die entsprechenden Vari-ablen haben somit Einfluss auf die Sprachstand-Variablen und müssen als intervenierende Variab-len in die Analyse einbezogen werden. Fragen nach der Muttersprache, dem Migrationshinter-grund und dem Sozialstatus werden in den Schuleingangsuntersuchungen erhoben, so dass sie in die Sekundärdatenanalyse integriert werden können. Des Weiteren liegt eine Statistik über die Elternbeitragsklassen vor, die aufgrund der einkommensabhängigen Gestaltung der Elternbeiträge Aufschluss über die Sozialstruktur der Familien in einer Kindertageseinrichtung gibt (Sozialprofil).

Um festzustellen, wie Sprachförderung in den Einrichtungen konkret praktiziert wird (bspw. darü-ber, wie Fortbildungen in Anspruch genommen und umgesetzt werden, ob und ggf. welche Sprachförderprogramme genutzt werden, wie Sprachförderung in den Alltag integriert wird), war eine Primärerhebung erforderlich, da entsprechende Informationen in Kommunen in aller Regel nicht vorliegen. Eine solche Bestandsaufnahme der Aktivitäten bildete die Basis für die Bearbei-tung der Fragestellung, welche Effekte das Sprachförderkonzept und die jeweiligen Aktivitäten für die Kinder haben (Konzept- und Aktivitäten-Variablen).

Wenn es darum geht, die Auswirkungen des Konzepts und der Aktivitäten der Einrichtungen auf die Kinder einzuschätzen, müssen die Konzept- und Aktivitäten-Variablen und die Sprachstand-Variablen miteinander in Zusammenhang gebracht werden. Für die Evaluation waren somit Ver-fahren der deskriptiven Statistik erforderlich, die es ermöglichen, die Ergebnisse der empirischen Erhebungen (Primärdaten) und der Analysen der Sekundärdaten miteinander zu verknüpfen. Da sich die Konzept- und Aktivitäten-Variablen auf die Einrichtungen beziehen und somit einrich-tungsbezogen gemessen werden, war es notwendig, auch die kindbezogenen Sekundärdaten ein-richtungsbezogen zu analysieren. Anhand von statistischen Verfahren wurden dann Zusammen-hänge ermittelt, um festzustellen, inwieweit die Variablen der Primär- und Sekundärdaten mitei-nander in Beziehung stehen.

Die Vorgehensweise in der Evaluation lässt sich vor dem Hintergrund der dargestellten Prämissen folgendermaßen zusammenfassen: Die Bestandsaufnahme zur Sprachförderung wurde über eine schriftliche, standardisierte Befragung aller Einrichtungsleitungen vorgenommen. Dabei wurden Angaben über Konzept und Aktivitäten der Einrichtung erhoben. Kindbezogene Sekundärdaten (mit oder ohne Probleme im Bereich der Sprachentwicklung) wurden anhand der Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen und der Delfin-4-Tests sowie anhand der SISMIK/SELDAK-Beobachtungen zu Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit ausgewertet. Die Sozialprofile wur-den als kontrollierende Variablen einbezogen.

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Die Auswertung erfolgte also einrichtungsbezogen, wobei die Ergebnisse der einzelnen Einrich-tungen mit Hilfe von Indizes zusammengefasst wurden. Für die einzelnen Variablen wurden jeweils 5 Stufen gebildet – bspw. Sprachstandsentwicklungsindex = 1 (sehr günstig), 2 (günstig), 3 (mit-tel), 4 (ungünstig), 5 (sehr ungünstig). Verglichen wurden also nicht die Ergebnisse der einzelnen Einrichtungen, sondern die Ergebnisse von fünf Gruppen. Auf diese Weise lassen sich Rück-schlüsse über die Auswirkungen bestimmter Konzepte und Aktivitäten auf die Sprachstands-entwicklung der Kinder ziehen.

Es ging also bei der Gesamtauswertung nicht mehr um die einzelnen Einrichtungen, sondern um die Effekte der Konzepte und Aktivitäten. Dies entspricht zum einen der Fragestellung, zum ande-ren wäre eine einrichtungsbezogene Auswertung aufgrund von geringen Fallzahlen in der einzel-nen Einrichtung nur begrenzt möglich gewesen. Diese Form der Auswertung lässt sich zugespitzt formuliert folgendermaßen zusammenfassen: Im Mittelpunkt stand also nicht die Frage: „Welche Einrichtung macht die beste Sprachförderung?“; sondern: „Welche Konzepte und Aktivitäten haben die größten Effekte bei den Kindern?“ Die einzelnen Module der Studie werden im Folgenden be-schrieben.

2.3 Module der Studie

Modul 1: Information

Transparenz über eine Studie ist wichtig, weil Erhebungen bei den Einrichtungen nur durchführbar sind, wenn sie von den Beteiligten akzeptiert und unterstützt werden. Zu Beginn fand daher am 25.09.2012 in Essen eine Informationsveranstaltung statt, bei der Zielsetzungen und Konzept der Evaluation vorgestellt wurden und die Teilnehmer/innen die Möglichkeit hatten, Rückfragen zu stel-len und Anregungen zu geben. Eingeladen wurden alle Kindertageseinrichtungen sowie die Fach-berater/innen der städtischen und freien Träger. Die Veranstaltung war mit 120 Teilnehmer/inne/n sehr gut besucht und durch ein hohes Interesse am Thema sowie lebhafte Diskussionen gekenn-zeichnet.

Modul 2: Bereitstellung von Daten für eine Sekundärdatenanalyse

Folgende Daten für eine Sekundäranalyse wurden durch die Stadt Essen bereit gestellt:

a) Schuleingangsuntersuchungen Die Stadt Essen stellte folgende Daten aus den Jahren 2009 bis 2011 kindbezogen zur Verfügung:

- Sprachstand bei der Schuleingangsuntersuchung (fehlerfrei, leichte Fehler, erhebliche Feh-ler, radebrechend, kein Deutsch)

- Sozialstrukturelle Faktoren „deutsche/nicht-deutsche Muttersprache“, „mit/ohne Migrations-hintergrund“ und „hoher/mittlerer/niedriger Sozialstatus“.

Auf der Grundlage der kindbezogenen Daten wurde ein einrichtungsbezogener Datensatz erstellt. Die laufenden Nummern der Einrichtungen wurden mit den in den weiteren Datensätzen verwen-deten Kennzeichnungen vereinheitlicht, so dass jeder Einrichtung eine für alle Datensätze sowie für die Befragung identische Nummer zugeordnet wurde. Eine Auswertung der sozialstrukturellen Faktoren wurde vorgenommen und zusammen mit der Auswertung der Elternbeitragsstatistik für die Erstellung des Sozialprofils genutzt (vgl. 4.1). Die Sprachstandsdaten wurden zusammen mit den Delfin-4-Daten ausgewertet (vgl. b).

b) Delfin 4

Die Delfin-4-Untersuchungen (4-jährige Kinder) werden jährlich durchgeführt. Daten zum Anteil der Kinder mit und ohne sprachliche Auffälligkeit nach Einrichtungen 2007 bis 2009 wurden von der Stadt Essen einrichtungsbezogen zur Verfügung gestellt. Von Interesse war die Frage, inwieweit sich der Anteil der Kinder, die bei dem Delfin-4-Test (zwei Jahre vor der Einschulung) als förder-bedürftig eingestuft werden, bis zur Schuleingangsuntersuchung verändert und inwieweit eine sol-che Veränderung mit den Konzept- und Aktivitäten-Variablen zusammenhängt. Zwar sind beide Test- bzw. Diagnose-Verfahren unterschiedlich und damit im Ergebnis nicht unmittelbar vergleich-bar; da aber in jeder Einrichtung und für jedes Kind zum jeweiligen Zeitpunkt dasselbe Verfahren angewandt wird, hat der Vergleich der Unterschiede in den Ergebnissen dennoch eine Aussage-

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kraft im Hinblick auf die (durchschnittliche) Entwicklung des Sprachstandes. Daher wurde ein Ab-gleich mit den Ergebnissen der Schuleingangsuntersuchungen vorgenommen.

c) Sprachstandseinschätzungen nach SISMIK/SELDAK

In Essen werden die Kinder in allen Kindertageseinrichtungen regelmäßig nach den Verfahren SISMIK/SELDAK beobachtet. Aus den Veränderungen des Sprachstandes zwischen zwei Test-zeitpunkten (also zu Beginn der Kindergartenzeit und bei der Entlassung aus der Kita) lassen sich Rückschlüsse über die Entwicklung in der Zwischenzeit ziehen. Hier war die Frage von Interesse, ob bestimmte Konzepte und Aktivitäten der Sprachförderung mit einer besonders positiven Ent-wicklung des Anteils der Kinder mit Sprachförderbedarf zusammenhängen. Die SISMIK/SELDAK-Daten wurden von der Stadt Essen einrichtungsbezogen zur Verfügung gestellt. In die Auswertung einbezogen wurden nur die Daten der Beobachtungen zu Beginn und zum Ende der Kindergarten-zeit; die Daten, die zwischen diesen beiden Zeitpunkten erhoben wurden, wurden nicht verarbeitet.

d) Anteil der Kinder in den verschiedenen Elternbeitragsstufen nach Einrichtungen

Die Stadt Essen stellte eine Datei zur Verfügung, in der die Anzahl der Kinder in den unterschiedli-chen Beitragsstufen je Einrichtung enthalten war. Die Auswertung dieser Daten ermöglicht eine Zuordnung der Einrichtungen zu einem bestimmten Sozialprofil. Sie wurden ergänzend zu den Sozialvariablen aus der Schuleingangsuntersuchung für die Erstellung des Sozialprofils der Ein-richtungen genutzt.

Modul 3: Sprachförderpraxis: Erhebung zum Ist-Stand

Für die Erhebung zum Ist-Stand der Sprachförderung wurde zunächst am 07.08.2012 eine Exper-tenrunde mit den Fachberatungen und Vertreter/inne/n der Einrichtungen durchgeführt. Die Ergeb-nisse flossen in die Konzipierung eines Fragebogens ein, der für eine Totalerhebung bei den Ein-richtungen (das heißt, bei den jeweiligen Einrichtungsleitungen) genutzt wurde. Die Befragung wurde in Online-Form durchgeführt. Der Fragebogen wurde am 09.11.2012 per E-Mail versandt; am 26.11.2012 erfolgte eine Erinnerung, am 10.12.2012 eine zweite Erinnerung. Mitte Januar 2013 wurde zusätzlich allen Einrichtungen, die bis dahin noch nicht geantwortet hatten, ein Frage-bogen in Papierform zugestellt. Dieser wurde bis zum 08.02.2013 von 11 Einrichtungen genutzt. Zusammen mit den bis zu diesem Zeitpunkt ausgefüllten Online-Fragebögen ergab sich ein Rück-lauf von ca. 85%. Die Auswertung erfolgte mit Hilfe des Statistik-Programms SPSS.

Modul 4: Analyse von Zusammenhängen zwischen Sprachförderung und Veränderungen im Sprachstand

Die Ergebnisse aus der Ist-Stand-Erhebung (Modul 3) wurden mit den Ergebnissen der Sekundär-datenanalysen (Modul 4) zusammengeführt. Dabei wurden verschiedene Tabellen erstellt, die vor allem die Zusammenhänge zwischen den ermittelten Veränderungsraten (Delfin 4 / Schulein-gangsuntersuchung; SISMIK/SELDAK zu unterschiedlichen Testzeitpunkten) einerseits und Sprachförderkonzepten und -aktivitäten der Einrichtungen und bestimmten Merkmalen anderer-seits erstellt. Des Weiteren wurden die Sozialprofile der Einrichtungen einbezogen.

Modul 5: Erfolgsfaktoren für eine gelingende Sprachförderung

Auf der Grundlage der durchgeführten Auswertungen wurden 8 Einrichtungen mit günstigen Ver-änderungsraten und unterschiedlichen Konzepten und Aktivitäten der Sprachförderung ausge-wählt. In diesen Einrichtungen wurden qualitative Interviews geführt, mit deren Ergebnissen die Auswertungen aus Modul 4 ergänzt wurden. Auf dieser Basis wurden Erfolgsfaktoren für eine ge-lingende Sprachförderung formuliert.

Modul 6: Abschlussbericht

Die Ergebnisse der Analysen wurden im vorliegenden Abschlussbericht zusammengefasst. Am Anfang steht eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse (Teil 1); in den folgenden Kapiteln werden die einzelnen Auswertungen ausführlich und verbunden mit Tabellen dargestellt, damit nachvollziehbar ist, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind.

Modul 7: Abschlussveranstaltung

Die Ergebnisse der Evaluation werden im Juli präsentiert und zur Diskussion gestellt. Zunächst findet am 09.07.2013 eine Präsentation im Jugendhilfeausschuss statt; eine Woche später

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(16.07.2013) erfolgt eine Veranstaltung, die sich insbesondere an die beteiligten Kindertagesein-richtungen richtet.

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3 Die Auswertung der Sprachstandsdaten In diesem Kapitel werden zunächst getrennt voneinander die Auswertung der SISMIK/SELDAK-Daten (3.1.) sowie die Auswertung der Daten aus den Delfin-4-Tests und den Schuleingangsunter-suchungen (3.2) dargestellt. Anschließend erfolgt eine zusammenfassende Darstellung der Daten aus den beiden Quellen (3.3).

3.1 Die Auswertung der SISMIK/SELDAK-Daten

In Essen gibt es einen trägerübergreifenden Ansatz in der Beobachtung der Sprach-standsentwicklung: Die Fachberatungen aller Spitzenverbände haben sich im Facharbeitskreis „Kinderbetreuung“ darauf verständigt, dass die Sprachstandsbeobachtungsbogen „SISMIK“ und „SELDAK“ flächendeckend in allen Essener Kindertageseinrichtungen eingesetzt werden. Be-obachtungen finden bei Eintritt in die Kindertageseinrichtung, vor der Schulanmeldung und zum Ende der Kindergartenzeit statt, so dass Daten zu drei Zeitpunkten zur Verfügung stehen. Alle Ki-tas melden die Ergebnisse der Sprachstandsbeobachtung in ihrer Einrichtung zum 31.07. eines Jahres in anonymisierter Form an das Jugendamt.

Die Instrumente „SISMIK“ („Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen“; Ulich/Mayr 20031) und „SELDAK“ (Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden Kindern; Ulich/Mayr 20062) wurden im bayrischen Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP; www.ifp.bayern.de) entwickelt. Der Beobachtungsbogen SISMIK wird für die Beobachtung, Einschätzung und Begleitung der Sprachentwicklung von Kindern mit Migrati-onshintergrund in der Altersspanne von etwa dreieinhalb Jahren bis zum Schuleintritt eingesetzt; SELDAK bietet ein analoges Instrumentarium für deutschsprachige Kinder. Die Ergebnisse der Beobachtungen dienen zum einen den Erzieher/inne/n als Grundlage für die individuelle Sprach-förderung, weil die Beobachtungskriterien der Bogen eine Beschreibung von Stärken und Schwä-chen der Kinder in unterschiedlichen Teilbereichen der Sprachentwicklung erlauben. Zum anderen liegt ein standardisiertes Bewertungsschema vor, mit dem der Sprachstand der Kinder einer be-stimmten Altersgruppe auf einer Skala von 1 bis 6 eingestuft wird. Die Stufe 1 bezeichnet dabei eine sehr gute Entwicklung im Vergleich zur jeweiligen Altersgruppe; in die Stufen 5 und 6 werden Kinder eingestuft, bei denen Förderbedarf festgestellt wird, um einen altersgemäßen Sprachstand zu erreichen. Dieses standardisierte Bewertungsschema bietet die Möglichkeit, die Daten für eine vergleichende Analyse der Situation in den Kindertageseinrichtungen zu nutzen.

Für die folgenden Analysen wurden die Daten aus den SISMIK/SELDAK-Beobachtungen aus den Kindergartenjahren 2009/10, 2010/11 und 2011/12 ausgewertet. Berücksichtigt wurden dabei die Beobachtungsergebnisse im ersten Kindergartenjahr und zum Abschluss der Kindergartenzeit, weil diese Aufschluss darüber geben, mit welchem Sprachstand die Kinder in die Einrichtung kommen und welchen Sprachstand sie in ihrer Zeit dort erreichen. Im Hinblick auf die SISMIK/SELDAK-Einstufung der einzelnen Kinder wurden die Stufen 5 und 6 zu einer Variable „Sprachförderbedarf“ zusammengefasst.

Betrachtet man zunächst den Anteil der Kinder, bei denen zu Beginn ihrer Zeit in einer Essener Kindertageseinrichtung Sprachförderbedarf festgestellt wird, so liegt dieser in den drei berücksich-tigten Kindergartenjahren relativ konstant bei einem guten Viertel; bis zur Entlassung aus der Kin-dertageseinrichtung sinkt er deutlich ab. Festzuhalten ist, dass dieser Vergleich nichts über die Entwicklung der einzelnen Kinder oder einer bestimmten Alterskohorte aussagt. Ein solcher Ver-gleich würde voraussetzen, dass (zumindest weitgehend) dieselben Kinder im ersten Kindergar-tenjahr und zwei Jahre später bei der Entlassung beobachtet würden; dann könnte man bspw. die

1 Ulich, M. / Mayr, T., 2003: Sismik. Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in Kin-

dertageseinrichtungen (Beobachtungsbogen und Begleitheft). Freiburg. 2 Ulich, M. / Mayr, T., 2006: Seldak. Sprachentwicklung und Literacy bei deutschsprachig aufwachsenden

Kindern (Beobachtungsbogen und Begleitheft). Freiburg.

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Entwicklung der Alterskohorte derjenigen Kinder erfassen, die 2009 in den Kindergarten und 2012 in die Schule gekommen sind (Beobachtung im ersten Kindergartenjahr im Jahr 2009/10, bei Ent-lassung im Jahr 2011/12). Ein Blick auf die Gesamtzahlen, die sich in den einzelnen Einrichtungen zu diesen beiden Beobachtungszeitpunkten deutlich unterscheiden, zeigt jedoch, dass dieser Ver-gleich aufgrund von Fluktuation und unterschiedlichen Terminen des Kindergartenstarts und teil-weise auch der Einschulung nicht möglich ist. Daher wurde der Weg gewählt, die durchschnittli-chen Anteile der Kinder mit Förderbedarf in den drei ausgewählten Kindergartenjahren zugrunde zu legen und diese Anteile zu den zwei Zeitpunkten (1. Kindergartenjahr/Entlassung) zu betrach-ten.

Kinder mit Sprachförderbedarf

Kinder mit Sprachförderbedarf (Anteil der in Stufe 5/6 eingestuften Kinder an der Gesamtzahl der

Kinder der beobachteten Altersgruppe in %)

1. Kindergartenjahr Entlassung

Kindergartenjahr 2009/10 24,20% 6,81%

Kindergartenjahr 2010/11 24,17% 7,09%

Kindergartenjahr 2011/12 24,36% 6,67%

Durchschnitt der 3 Jahre 24,24% 6,86%

Tabelle 3.1

In den einzelnen Kindertageseinrichtungen weichen die Ergebnisse im Vergleich der drei Kinder-gartenjahre oft erheblich voneinander ab, was angesichts der geringen Zahlen pro Altersgruppe in der einzelnen Einrichtung nicht verwunderlich ist – jedes einzelne Kind führt hier schon zu einer Differenz von mehreren Prozentpunkten. In der Gesamtsumme der Essener Einrichtungen neutra-lisiert sich dieser Effekt. Dass die Ergebnisse in der Gesamtsumme in den einzelnen Jahren relativ ähnlich ausfallen, spricht dafür, dass, wie im Verfahren vorgesehen, nach einem konstanten Mus-ter beobachtet wird und die Ergebnisse somit valide und für eine Einschätzung der Entwicklung in den Einrichtungen nutzbar sind.

An der Auswertung der Daten im ersten Kindergartenjahr zeigt sich, dass sich die Ausgangslage in den einzelnen Stadtbezirken sehr unterschiedlich darstellt. Tabelle 3.2 gibt den durchschnittlichen Anteil der Kinder wieder, bei denen in den drei Kindergartenjahren im jeweiligen Stadtbezirk beim Eintritt in den Kindergarten Sprachförderbedarf festgestellt wurde. Zum Vergleich werden ebenfalls die Anteile der zum Ende der Kindergartenzeit als förderungsbedürftig eingestuften Kinder darge-stellt, ebenso wie der Faktor der Veränderung zwischen beiden Beobachtungszeitpunkten. Je hö-her der Faktor, desto stärker ist der Anteil der Kinder mit Förderbedarf zurückgegangen.

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Kinder mit Sprachförderbedarf nach Stadtteilen

Nummer des

Stadtbe-zirks

Stadtteile in Essen

Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf im 1. Kindergarten-jahr (Durchschnitt

2009/10 bis 2011/12)

Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf

bei Entlassung (Durchschnitt

2009/10 bis 2011/12)

Diffe-renzwert

Verände-rungsfaktor

1

Nord-/Ost-/Süd-/Westviertel, Frillendorf,

Huttrop, Stadt-kern

28,68% 10,63% 18,05 2,7

2

Bergerhausen, Rellinghausen, Rüttenscheid,

Stadtwald

13,19% 2,90% 10,29 4,5

3

Altendorf, Frohnhausen,

Haarzopf, Holsterhausen,

Margaretenhöhe

28,05% 6,67% 21,38 4,2

4

Bedingrade, Bochold, Bor-

beck-Mitte, Dell-wig, Frintrop, Gerschede, Schönebeck

25,74% 5,67% 20,07 4,5

5 Altenessen-

Nord/-Süd, Kar-nap, Vogelheim

28,56% 10,98% 17,58 2,6

6 Katernberg,

Schonnebeck, Stoppenberg

28,83% 9,06% 19,77 3,2

7 Freisenbruch, Horst, Kray,

Leithe, Steele, 25,77% 7,58% 18,19 3,4

8

Burgaltendorf, Byfang, Heisin-

gen, Kupfer-dreh, Überruhr-

Hinsel/-Holt-hausen,

15,58% 1,30% 14,28 12,0

9

Bredeney, Fischlaken, Heidhausen,

Kettwig, Werden

14,32% 3,43% 10,89 4,2

Gesamt 24,24% 6,86% 17,38 3,5

Tabelle 3.2

Tabelle 3.2 zeigt, dass der Anteil an Kindern mit Förderbedarf zu Beginn der Kindergartenzeit in den einzelnen Stadtbezirken bei zwischen 13,19% und 28,83% liegt. In allen Stadtbezirken gelingt es, diesen Anteil bis zur Einschulung deutlich zu reduzieren; eine Angleichung findet jedoch nicht statt. In den drei Stadtbezirken mit günstiger Ausgangslage (Bezirk 2, 8, 9; jeweils unter 15% zu Beginn der Kindergartenzeit) finden sich zum Schulbeginn kaum noch Kinder mit Förderbedarf; die Veränderungsfaktoren liegen in diesen drei Bezirken über dem Durchschnitt. Das bedeutet einer-seits, dass bei einer günstigeren Ausgangslage auch eine günstigere Entwicklung stattfindet und die Unterschiede sich somit eher verstärken als reduzieren. Andererseits zeigt ein Blick auf die Differenzwerte, dass es auch in den Stadtbezirken mit eher ungünstiger Ausgangslage gelingt, den Anteil der Kinder mit Förderbedarf bis zum Ende der Kindergartenzeit deutlich zu reduzieren; die

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absoluten Zahlen der Kinder, deren Sprachstand sich im Laufe der Kindergartenzeit verbessert, liegen dort demnach höher.

In der Auswertung der SISMIK/SELDAK-Daten wurden bei den verschiedenen Auswertungsschrit-ten Indizes gebildet, wobei der Wert „1“ jeweils für eine günstige, der Wert „5“ für eine ungünstige Situation oder Entwicklung steht. Auf diese Weise wurden jeder Einrichtung mehrere Indizes zuge-ordnet, und zwar zu folgenden Merkmalen:

a) Ausgangssituation: Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf im ersten Kindergartenjahr; b) Ergebnisse: Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf bei der Entlassung aus der Kita; c) Differenzwert: Differenz zwischen a) und b) in Prozentpunkten; je höher der Differenzwert, des-

to höher ist, gemessen an der Gesamtzahl der Kinder einer Einrichtung, der Anteil derjenigen Kinder, die mit Sprachförderbedarf in das erste Kindergartenjahr kamen und zum Ende der Kin-dergartenzeit nicht mehr als förderbedürftig eingestuft wurden;

d) Veränderungsfaktor: Quotient zwischen a) und b); je höher der Veränderungsfaktor, desto hö-her ist, gemessen am Anteil der zu Beginn der Kindergartenzeit als förderbedürftig eingestuften Kinder, der Anteil derjenigen, die am Ende der Kindergartenzeit keinen Förderbedarf aufweisen;

e) Entwicklungsindex: Durchschnitt zwischen Differenzwert c) und dem Veränderungsfaktor d); sowohl der Differenzwert als auch der Veränderungsfaktor beschreiben die Entwicklung des An-teils der Kinder mit Sprachförderbedarf zwischen Beginn und Ende der Kindergartenzeit; daher wurden beide Werte in dem Entwicklungsindex zusammengefasst.

Erläuterungen zu den fünf Merkmalen und den Indizes

Die Merkmale „Ausgangssituation“ (a) und „Ergebnisse“ (b) beschreiben die Situation einer Kin-dertageseinrichtung, nämlich den Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf zu Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit. Diese Situation kann sich je nach Einrichtung sehr unterschiedlich darstellen und wird sehr stark vom sozialen Umfeld geprägt. Wenn es nun darum geht, den „Er-folg“ der Sprachförderung zu messen, ist vor allem die Entwicklung zwischen den beiden Zeit-punkten von Interesse. Wenn bspw. in zwei Einrichtungen mit ähnlicher Ausgangssituation die Ergebnisse zum Ende der Kindergartenzeit sehr unterschiedlich sind, kann dies durch unter-schiedliche Konzepte und Aktivitäten in der Sprachförderung beeinflusst sein.

Um die Entwicklung zwischen den beiden Zeitpunkten in der einzelnen Einrichtung zu messen, wird zum einen errechnet, wie sich die Veränderung absolut darstellt (Differenzwert c): Hier geht es um den Unterschied zwischen dem zu Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit ermittelten Prozentanteil an Kindern mit Förderbedarf. Zum anderen wird ermittelt, wie viel Prozent der an-fangs als förderbedürftig eingestuften Kinder auch zum Ende der Kindergartenzeit noch Förder-bedarf aufweisen (Veränderungsfaktor d). Differenzwert und Veränderungsfaktor werden zum Entwicklungsindex (e) zusammengefasst, der für die späteren Untersuchungsschritte als Mess-zahl für die Sprachstandsentwicklung in einer Einrichtung gilt. Je nach den Ergebnissen werden die Einrichtungen fünf Gruppen zugeordnet, wobei der Entwicklungsindex 1 für eine sehr günsti-ge, der Entwicklungsindex 5 für eine sehr ungünstige Entwicklung steht.

Beispiele

In Einrichtung A liegt bei der SISMIK/SELDAK-Beobachtung der Anteil der Kinder mit Sprachför-derbedarf im ersten Kindergartenjahr in den drei einbezogenen Jahren bei durchschnittlich 16%. Die Ausgangssituation (a) stellt sich somit relativ günstig dar; der Einrichtung wird hier der Index-Wert 2 zugeordnet. Bei der Entlassung aus dem Kindergarten (Ergebnisse; b) liegt der Anteil der als förderbedürftig eingestuften Kinder im Durchschnitt der drei Jahre nur noch bei 2%. Auch dies ist eine recht günstige Situation, der der Index 2 zugeordnet wird. Der Differenzwert (c) zwischen 16% und 2% liegt bei 14; der Anteil der als förderbedürftig eingestuften Kinder verringert sich also im Laufe der Kindergartenzeit um durchschnittlich 14 Prozentpunkte. Im Vergleich zu anderen Einrichtungen ist dies ein mittlerer Wert, dem der Index 3 zugeordnet wird. Eine zweite Messzahl für die Entwicklung ist der Veränderungsfaktor (d): Der Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf beträgt am Ende der Kindergartenzeit durchschnittlich nur noch ein Achtel des Anteils zu Beginn; der Veränderungsfaktor liegt somit bei 8,0 – ein recht hoher Wert, dem der Index 2 zugeordnet

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wird. Das Gesamtbild über die Sprachstandsentwicklung der Kinder in Einrichtung A ergibt sich, wenn man den Differenzwert und den Veränderungsfaktor zu einem Entwicklungsindex (e) zu-sammenführt: Addiert man den Index für den Differenzwert (3) und den Veränderungsfaktor (2), so ergibt sich die Summe 5. Der Einrichtung wird also der Entwicklungsindex 3 zugeordnet, so dass sie insgesamt eine mittlere Entwicklung im Sprachstand aufweist.

Ein zweites Beispiel: Einrichtung B stellt im Durchschnitt zu Beginn der Kindergartenzeit (a) bei 56% der Kinder Sprachförderbedarf fest. Bei dieser schwierigen Ausgangssituation wird der Index 5 vergeben. Am Ende der Kindergartenzeit (b) beträgt der Anteil der Kinder mit Sprachförderbe-darf durchschnittlich nur noch 16%. Gemessen an anderen Einrichtungen ist dies immer noch ein relativ hoher Anteil, so dass der Index 4 vergeben wird. Die Differenz (c) zwischen beiden Werten ist mit 40 Punkten sehr hoch, so dass der Index 1 zugeordnet wird. Prozentual betrachtet liegt der Veränderungsfaktor (d) zwischen beiden Werten bei 3,5, was einem mittleren Wert entspricht und den Index 3 erhält. Aus dem Index für den Differenzwert und demjenigen für den Veränderungs-faktor ergibt sich eine Summe von 4, so dass der Entwicklungsindex (e) den Wert 2 erreicht. Die-se Einrichtung weist also im Hinblick auf den Sprachstand eine relativ günstige Entwicklung auf.

Die folgenden Tabellen zeigen jeweils die Anzahl und die Anteile der Einrichtungen in den ver-schiedenen Gruppen der Merkmale a) bis e).

a) Ausgangssituation: Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf im ersten Kindergartenjahr (Durchschnitts-

werte 2009/10 bis 2011/12)

Anzahl Anteil an allen Einrichtungen in Prozent

(1) unter 10% 45 18,99%

(2) 10% bis unter 20% 63 26,58%

(3) 20% bis unter 30% 58 24,47%

(4) 30% bis unter 40% 43 18,14%

(5) ab 40% 28 11,81%

Gesamt 237 100,00%

Tabelle 3.3

b) Ergebnisse: Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf bei der Entlassung aus der Kita (Durchschnittswerte 2009/10 bis 2011/12)

Anzahl Anteil an allen Einrichtungen in Prozent

(1) keine 75 31,65%

(2) unter 5% 52 21,94%

(3) 5% bis unter 10% 43 18,14%

(4) 10% bis unter 20% 50 21,10%

(5) ab 20% 17 7,17%

Gesamt 237 100,00%

Tabelle 3.4

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c) Differenzwert: Differenz zwischen dem Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf zu Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit (Durchschnittswerte 2009/10 bis 2011/12)

Anzahl Anteil an allen Einrichtungen

in Prozent

(1) 30 und mehr Punkte 29 12,24%

(2) 20 bis unter 30 Punkte 55 23,21%

(3) 10 bis unter 20 Punkte 80 33,76%

(4) 0 bis 10 Punkte 52 21,94%

(5) negative Entwicklung 13 5,49%

(0) keine Wertung, da Eingangs- und Ausgangswert gleich Null

8 3,38%

237 100,00%

Tabelle 3.5

d) Veränderungsfaktor: Quotient (prozentuale Veränderung) zwischen dem Anteil der Kinder mit Sprachför-derbedarf zu Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit (Durchschnittswerte 2009/10 bis 2011/12)

Anzahl Anteil an allen Einrichtungen

in Prozent

(1) Null erreicht 67 28,27%

(2) über 6,0 41 17,30%

(3) über 3,0 bis 6,0 41 17,30%

(4) bis 3,0 67 28,27%

(5) negative Entwicklung 13 5,49%

(0) keine Wertung, da Eingangs- und Ausgangswert gleich Null

8 3,38%

237 100,00%

Tabelle 3.6

e) Entwicklungsindex: Durchschnitt zwischen Differenzwert und Veränderungsfaktor (Durchschnittswerte 2009/10 bis 2011/12)

Anzahl Anteil an allen Einrichtungen in Prozent

(1) Summe bis 3: „weit überdurchschnittliche Entwick-lung“

26 10,97%

(2) Summe 4: „überdurchschnittliche Entwicklung“ 59 24,89%

(3) Summe 5 bis 6: „durchschnittliche Entwicklung“ 75 31,65%

(4) Summe 7 bis 8: „unterdurchschnittliche Entwicklung“ 56 23,63%

(5) negative Entwicklung: „weit unterdurchschnittliche Entwicklung“

13 5,49%

0 = keine Wertung, da Eingangs- und Ausgangswert gleich Null

8 3,38%

237 100,00%

Tabelle 3.7

3.2 Der Delfin-4-Test und die Schuleingangsuntersuchungen

In Nordrhein-Westfalen wird die Sprachkompetenz aller Kinder zwei Jahre vor der Einschulung überprüft. Mit Hilfe des so genannten Delfin-4-Tests, eines zweistufigen Testverfahrens, überprü-fen Lehrerinnen und Lehrer zusammen mit Erzieherinnen und Erziehern in der Kindertageseinrich-tung die Sprachentwicklung aller Kinder. Daher liegen seit dem Kindergartenjahr 2006/2007 Daten über den auf dieser Grundlage gemessenen Sprachstand der Kinder vor. Ebenfalls für alle Kinder gilt die Schuleingangsuntersuchung, die im Kindergartenjahr vor der Einschulung stattfindet. Ideal-typisch – wenn man, wie in den letzten Jahren weithin üblich, davon ausgeht, dass ein Kind mit

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drei Jahren in den Kindergarten kommt und drei Jahre später im Alter von sechs Jahren einge-schult wird – gibt es somit eine Sprachstandsfeststellung im ersten und eine im dritten Kindergar-tenjahr. Dieser Zeitrahmen dürfte also im Regelfall demjenigen bei den SISMIK/SELDAK-Beobachtungen im ersten Kindergartenjahr und vor der Einschulung entsprechen (wobei allerdings die Zeitpunkte, an denen Tests bzw. Beobachtungen durchgeführt werden, innerhalb des Kinder-gartenjahres unterschiedlich sind).

Bei den Delfin-4-Untersuchungen gibt es lediglich die Einstufungen „Förderbedarf“ oder „kein För-derbedarf“. Bei der Schuleingangsuntersuchung hingegen wird der Sprachstand in fünf Stufen ge-messen: „Kein Deutsch“, „radebrechend“, „erhebliche Fehler“, „leichte Fehler“ und „fehlerfrei“. Für unsere Untersuchung wurden die ersten drei Items zur Variable „Sprachprobleme“ zusammenge-fasst, die letzten beiden Kategorien zur Variable „guter Sprachstand“.

Für die folgenden Analysen wurden die Daten aus den Delfin-4-Untersuchungen von 2007, 2008 und 2009 sowie die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen zwei Jahre später, also 2009, 2010 und 2011, ausgewertet. Ursprünglich war beabsichtigt, die Ergebnisse der Delfin-4-Untersuchungen eines Kindergarten-Jahrgangs mit denjenigen desselben Jahrgangs in den Schuleingangsuntersuchungen zwei Jahre später zu vergleichen (also bspw. „Delfin 4 2007 – Schuleingangsuntersuchung 2009“). Dazu sind jedoch die Abweichungen der Anzahlen der getes-teten Kinder in jeder Alterskohorte zu hoch. Wie bei der SISMIK/SELDAK-Auswertung, so wurde daher auch hier der Weg gewählt, die durchschnittlichen Anteile der Kinder mit Förderbedarf bzw. Sprachproblemen in den drei ausgewählten Kindergartenjahren zugrunde zu legen und diese durchschnittlichen Anteile zu den zwei Zeitpunkten (Delfin 4 / Schuleingangsuntersuchung) zu be-trachten.

Ergebnisse der Delfin-4-Tests und der Schuleingangsuntersuchungen

Delfin 4 Schuleingangsuntersuchung3

Jahr Anzahl der

Kinder davon mit

Förderbedarf Jahr

Anzahl der Kinder

davon mit Sprachproblemen

2007 5084 41,44% 2009 4806 21,16%

2008 4656 29,38% 2010 4521 24,24%

2009 5044 29,44% 2011 4766 18,78%

Tabelle 3.8

Im Vergleich zu den SISMIK/SELDAK-Ergebnissen sind sowohl bei den Schuleingangsuntersu-chungen als auch bei den Delfin-4-Tests die Abweichungen zwischen den einzelnen Jahrgängen deutlich größer. Ob man daraus schließen kann, dass es hier mehr Veränderungen in den Verfah-ren oder in der Wahrnehmung gab als bei SISMIK/SELDAK, kann hier nicht entschieden werden. Für den weiteren Verlauf der Analysen ist noch zu beachten, dass einige der Einrichtungen, deren Ergebnisse in die Delfin-4-Untersuchungen eingingen, zwischenzeitlich geschlossen wurden. Für die Analyse wurden nur Einrichtungen berücksichtigt, von denen für mindestens einen Jahrgang auch Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen vorlagen. Hinzu kommen vier weitere, im Lau-fe des Untersuchungszeitraumes neu gegründete Einrichtungen, für die zwar teilweise Delfin-4- und SISMIK/SELDAK-Daten, aber noch keine Ergebnisse von Schuleingangsuntersuchungen ver-fügbar sind. Damit wurden insgesamt 241 Einrichtungen erfasst.

An der Auswertung der Daten im ersten Kindergartenjahr zeigt sich, dass sich die Ausgangslage in den einzelnen Stadtbezirken sehr unterschiedlich darstellt. Tabelle 3.9 gibt den durchschnittlichen Anteil der Kinder wieder, bei denen in den drei Kindergartenjahren im jeweiligen Stadtbezirk beim Eintritt in den Kindergarten Sprachförderbedarf festgestellt wurde. Zum Vergleich werden ebenfalls die Anteile der zum Ende der Kindergartenzeit als förderungsbedürftig eingestuften Kinder darge-

3 Die Gesamtzahlen der Kinder, die in den Dateien zur Schuleingangsuntersuchung ausgewiesen werden,

weichen teilweise leicht voneinander ab. Dies hängt damit zusammen, dass bei einigen Fällen Werte fehlen (bspw. die Zuordnung zu einer Kita, der Sprachstand oder die Angabe zum Migrationshintergrund). Dadurch ergeben sich teilweise Unterschiede in den Summen, die jedoch angesichts der einrichtungsbezogenen Auswertung für den weiteren Verlauf unserer Untersuchungen nicht von Bedeutung sind.

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stellt, ebenso wie der Faktor der Veränderung zwischen beiden Beobachtungszeitpunkten. Je hö-her der Faktor, desto stärker ist der Anteil der Kinder mit Förderbedarf zurückgegangen.

Kinder mit Sprachförderbedarf/Sprachproblemen nach Stadtteilen

Nummer des

Stadtbe-zirks

Stadtteile

Anteil der Kinder mit Sprachförder-bedarf nach der

Delfin-4-Test (Durchschnitt 2007 bis 2009)

Anteil der Kinder mit Sprachproblemen bei der Schuleingangs-

untersuchung (Durchschnitt 2009

bis 2011)

Differenz-wert

Verände-rungsfaktor

1 Nord-/Ost-/Süd-/Westviertel, Frillendorf,

Huttrop, Stadt-kern

42,75% 34,40% 8,35 1,2

2 Bergerhausen, Rellinghausen, Rüttenscheid,

Stadtwald

14,08% 8,63% 5,45 1,6

3 Altendorf, Frohnhausen,

Haarzopf, Holsterhausen,

Margaretenhöhe

34,67% 29,05% 5,62 1,2

4 Bedingrade, Bochold, Bor-

beck-Mitte, Dell-wig, Frintrop, Gerschede, Schönebeck

32,84% 18,66% 14,18 1,8

5 Altenessen-Nord/-Süd,

Karnap, Vogel-heim

48,87% 29,01% 19,86 1,7

6 Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg

44,38% 24,42% 19,96 1,8

7 Freisenbruch, Horst, Kray,

Leithe, Steele, 35,85% 14,84% 21,01 2,4

8 Burgaltendorf, Byfang, Heisin-

gen, Kupfer-dreh, Überruhr-

Hinsel/-Holt-hausen,

16,91% 5,29% 11,62 3,2

9 Bredeney, Fischlaken, Heidhausen,

Kettwig, Werden

10,14% 2,44% 7,70 4,2

Gesamt 33,22% 20,49% 12,73 1,6

Tabelle 3.9

Hier zeigt sich, dass es drei Stadtteile mit einer eher günstigen Ausgangssituation gibt (Nr. 3, 8 und 9). Zwei dieser Stadtteile weisen zudem einen besonders hohen Veränderungsfaktor auf (8 und 9). Das heißt, der Anteil der Kinder mit Förderbedarf geht im Laufe der Kindergartenzeit be-sonders stark zurück. Der Unterschied zwischen der Ausgangslage und der Situation kurz vor

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Schulbeginn (also der Differenzwert) ist hingegen in anderen Stadtteilen höher – so gelingt es in den Stadtteilen 5, 6 und 7, den Anteil der Kinder mit Förderbedarf im Laufe der Kindergartenzeit um etwa 20 Prozentpunkte zu reduzieren.

Wie bei der Auswertung der SISMIK/SELDAK-Daten wurden im nächsten Schritt für die Zuordnung der Ergebnisse der Delfin-4-Tests und der Schuleingangsuntersuchungen Indizes gebildet, wobei der Wert „1“ jeweils für eine günstige, der Wert „5“ für eine ungünstige Situation oder Entwicklung steht. Auf diese Weise wurden jeder Einrichtung mehrere Indizes zugeordnet, und zwar zu folgen-den Merkmalen (zur Erläuterung der Merkmale vgl. 3.1):

a) Ausgangssituation: Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf bei der Delfin-4-Untersuchung; b) Ergebnisse: Anteil der Kinder mit Sprachproblemen bei der Schuleingangsuntersuchung; c) Differenzwert: Differenz zwischen a) und b) in Prozentpunkten; je höher der Differenzwert, des-

to höher ist, gemessen an der Gesamtzahl der Kinder einer Einrichtung, der Anteil derjenigen Kinder, bei denen zwar bei dem Delfin-4-Test, aber nicht mehr bei der Schuleingangsuntersu-chung Sprachförderbedarf konstatiert wurde;

d) Veränderungsfaktor: Quotient zwischen a) und b); je höher der Veränderungsfaktor, desto hö-her ist, gemessen am Anteil der beim Delfin-4-Test als förderbedürftig eingestuften Kinder, der Anteil derjenigen, die bei der Schuleingangsuntersuchung keine Sprachprobleme aufweisen;

e) Entwicklungsindex: Durchschnitt zwischen Differenzwert c) und dem Veränderungsfaktor d); sowohl der Differenzwert als auch der Veränderungsfaktor beschreiben die Entwicklung des An-teils der Kinder mit Sprachförderbedarf zwischen beiden Testzeitpunkten; daher wurden beide Werte in dem Entwicklungsindex zusammengefasst.

Die folgenden Tabellen zeigen jeweils die Anzahl und die Anteile der Einrichtungen in den ver-schiedenen Gruppen der Merkmale a) bis e).

a) Ausgangssituation: Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf bei der Delfin-4-Untersuchung (Durch-schnittswerte 2007 bis 2009)

Anzahl Anteil an allen Einrichtungen in Prozent

(1) unter 10% 40 16,60%

(2) 10% bis unter 20% 44 18,26%

(3) 20% bis unter 40% 67 27,80%

(4) 40% bis unter 60 % 65 26,97%

(5) ab 60% 24 9,96%

k.a. 1 0,41%

Gesamt 241 100,00%

Tabelle 3.10

b) Ergebnisse: Anteil der Kinder mit Sprachproblemen bei der Schuleingangsuntersuchung (Durchschnitts-werte 2009 bis 2011)

Anzahl Anteil an allen Einrichtungen in Prozent

(1) keine 25 10,37%

(2) unter 15% 81 33,61%

(3) 15% bis unter 25% 50 20,75%

(4) 25% bis unter 40% 52 21,58%

(5) ab 40% 29 12,03%

k.A. 4 1,66%

Gesamt 241 100,00%

Tabelle 3.11

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c) Differenzwert: Differenz zwischen dem Anteil der Kinder mit Sprachförderbedarf beim Delfin-4-Test und bei der Schuleingangsuntersuchung (Durchschnittswerte 2007 bis 2009 bzw. 2009 bis 2011)

Anzahl Anteil an allen Einrich-

tungen in Prozent

(1) 25 und mehr Punkte 46 19,09%

(2) 15 bis unter 25 Punkte 45 18,67%

(3) 8 bis unter 15 Punkte 56 23,24%

(4) 0 bis unter 8 Punkte 53 21,99%

(5) negative Entwicklung 33 13,69%

(0) keine Wertung, da Eingangs- und Ausgangswert gleich Null oder bei einem Item k.A.

8 3,32%

241 100,00%

Tabelle 3.12

d) Veränderungsfaktor: Quotient (prozentuale Veränderung) zwischen dem Anteil der Kinder mit Sprachför-derbedarf beim Delfin-4-Test und bei der Schuleingangsuntersuchung (Durchschnittswerte 2007-09 bzw.

2009-11)

Anzahl Anteil an allen Einrich-

tungen in Prozent

(1) Null erreicht 21 8,71%

(2) über 2,5 50 20,75%

(3) über 1,5 bis 2,5 72 29,88%

(4) bis 1,5 57 23,65%

(5) negative Entwicklung 33 13,69%

(0) keine Wertung, da Eingangs- und Ausgangswert gleich Null oder bei einem Item k.A.

8 3,32%

241 100,00%

Tabelle 3.13

e) Entwicklungsindex: Durchschnitt zwischen Differenzwert und Veränderungsfaktor (Durchschnittswerte 2007 bis 2009 bzw. 2009 bis 2011)

Anzahl Anteil an allen Einrich-tungen in Prozent

(1) Summe bis 3: „weit überdurchschnittliche Entwicklung“ 24 9,96%

(2) Summe 4: „überdurchschnittliche Entwicklung“ 43 17,84%

(3) Summe 5 bis 6: „durchschnittliche Entwicklung“ 75 31,12%

(4) Summe 7 bis 8: „unterdurchschnittliche Entwicklung“ 58 24,07%

(5) negative Entwicklung: „weit unterdurchschnittliche Entwicklung“ 33 13,69%

0 = keine Wertung, da Eingangs- und Ausgangswert gleich Null oder bei einem Item k.A.

8 3,32%

241 100,00%

Tabelle 3.14

3.3 Zusammenfassende Betrachtung

Im Folgenden werden die Auswertungen der SISMIK/SELDAK-Daten einerseits und der Delfin-4- und Schuleingangsuntersuchungsdaten andererseits zusammengeführt. Für einen ersten Über-blick erfolgt zunächst eine Gegenüberstellung der bisher analysierten Daten nach Stadtteilen.

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Kinder mit Sprachförderbedarf/Sprachproblemen nach Stadtteilen

Nummer des

Stadtbe-zirks

Stadtteile SISMIK/SELDAK 1. Kindergarten-

jahr (Durchschnitt 2009/10 bis

2011/12)

Delfin-4-Test (Durchschnitt

2007 bis 2009)

SISMIK/SELDAK bei Entlassung (Durchschnitt

2009/10 bis 2011/12)

Schulein-gangs-

untersuchung (Durchschnitt 2009 bis 2011)

1 Nord-/Ost-/Süd-/Westviertel, Frillen-dorf,

Huttrop, Stadt-kern

28,68% 42,75% 10,63% 34,40%

2 Bergerhausen, Rellinghausen, Rüttenscheid,

Stadtwald

13,19% 14,08% 2,90% 8,63%

3 Altendorf, Frohnhausen, Haarzopf, Hol-

sterhausen, Margaretenhöhe

28,05% 34,67% 6,67% 29,05%

4 Bedingrade, Bochold, Bor-

beck-Mitte, Dell-wig, Frintrop, Gerschede, Schönebeck

25,74% 32,84% 5,67% 18,66%

5 Altenessen-Nord/-Süd,

Karnap, Vogel-heim

28,56% 48,87% 10,98% 29,01%

6 Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg

28,83% 44,38% 9,06% 24,42%

7 Freisenbruch, Horst, Kray,

Leithe, Steele, 25,77% 35,85% 7,58% 14,84%

8 Burgaltendorf, Byfang, Hei-

singen, Kupfer-dreh, Überruhr-

Hinsel/-Holt-hausen,

15,58% 16,91% 1,30% 5,29%

9 Bredeney, Fischlaken, Heidhausen,

Kettwig, Werden

14,32% 10,14% 3,43% 2,44%

Gesamt 24,24% 33,22% 6,86% 20,49%

Tabelle 3.15

Die Werte stellen sich sowohl zwischen den einzelnen Stadtbezirken als auch zwischen den ein-zelnen Untersuchungen sehr unterschiedlich dar. Ersteres liegt an den Unterschieden in der Sozi-alstruktur, Letzteres ist zum einen durch die unterschiedlichen Erhebungszeitpunkte bedingt, zum anderen dadurch, dass unterschiedliche Messverfahren angewandt werden und die Grenze, mit der Sprachförderbedarf definiert wird, unterschiedlich angesetzt wird.

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Reihenfolge der Stadtbezirke

Num-mer des Stadt-

bezirks

Stadtteile SISMIK/ SELDAK 1. Kindergarten-

jahr (Durchschnitt 2009/10 bis

2011/12)

Delfin-4-Test (Durchschnitt 2007 bis 2009)

SISMIK/ SELDAK bei Entlassung (Durchschnitt

2009/10 bis 2011/12)

Schuleingangs-untersuchung (Durchschnitt 2009 bis 2011)

1 Nord-/Ost-/Süd-/Westviertel, Frillendorf,

Huttrop, Stadt-kern

8 7 8 9

2 Bergerhausen, Rellinghausen, Rüttenscheid,

Stadtwald

1 2 2 3

3 Altendorf, Frohnhausen,

Haarzopf, Holsterhausen,

Margaretenhöhe

6 5 5 8

4 Bedingrade, Bochold, Bor-

beck-Mitte, Dell-wig, Frintrop, Gerschede, Schönebeck

4 4 4 5

5 Altenessen-Nord/-Süd,

Karnap, Vogel-heim

7 9 9 7

6 Katernberg, Schonnebeck, Stoppenberg

9 8 7 6

7 Freisenbruch, Horst, Kray,

Leithe, Steele, 5 6 6 4

8 Burgaltendorf, Byfang, Hei-

singen, Kupfer-dreh, Überruhr-

Hinsel/-Holt-hausen,

3 3 1 2

9 Bredeney, Fischlaken, Heidhausen,

Kettwig, Werden

2 1 3 1

Tabelle 3.16

Unterschiede zwischen den vier Erhebungen ergeben sich auch in der Reihenfolge der Stadtbezir-ke. Allerdings lassen sich drei relativ konstante Gruppen ausmachen: Drei Stadtbezirke (2, 8 und 9) weisen durchgängig die drei günstigsten Werte auf; drei weitere (3, 4 und 7) belegen weitestge-hend die mittleren Werte, drei weitestgehend die ungünstigsten (1, 5 und 6). Lediglich bei den Schuleingangsuntersuchungen gibt es einen einzelnen „Tausch“ der Gruppen: Bezirk 6 erzielt ei-nen mittleren Wert, Bezirk 3 einen ungünstigen. Aus diesen Vergleichen lässt sich schließen, dass die einzelnen Verfahren zwar zu höchst unterschiedlichen Resultaten im Detail kommen, aber im Hinblick auf die Reihenfolge verschiedener Untersuchungsgruppen in der Tendenz zu ähnlichen Ergebnissen führen.

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Um nun die Sprachstandsentwicklung in den einzelnen Kindertageseinrichtungen einzuordnen, werden der Entwicklungsindex aus der SISMIK/SELDAK-Analyse und der Entwicklungsindex aus der Analyse der Delfin-4- und Schuleingangsuntersuchungsdaten zusammengefasst. Dieser neue Index wird bezeichnet als „Gesamtindex Sprachstandsentwicklung“ (oder kurz: „Sprachstands-entwicklungsindex“).

Gesamtindex Sprachstandsentwicklung (Zusammenfassung der Entwicklungsindizes SISMIK/SELDAK und Delfin-4/Schuleingangsuntersuchung)

Veränderung des Anteils der Kinder mit Sprachför-derbedarf in der Einrichtung

Anzahl Anteil an allen Einrichtungen in Prozent

(1) Indexsumme bis 4: „weit überdurchschnittliche Ent-wicklung“

36 14,9

(2) Indexsumme 5: „überdurchschnittliche Entwicklung“ 49 20,3

(3) Indexsumme 6: „durchschnittliche Entwicklung“ 48 19,9

(4) Indexsumme 7: „unterdurchschnittliche Entwicklung“ 54 22,4

(5) Indexsumme 8 und größer: „weit unterdurchschnittli-che Entwicklung“

36 14,9

0 = bei einem der beiden Entwicklungsindizes keine Wertung

18 7,5

241 100,0

Tabelle 3.17

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4 Das Sozialprofil der Kindertageseinrichtungen Der Sprachentwicklungsstand von Kindern stellt sich sehr unterschiedlich dar. Wesentliche Fakto-ren sind zum einen die soziale Herkunft und das Umfeld, in dem ein Kind aufwächst. Zum anderen können ein eventueller Migrationshintergrund und die hauptsächlich genutzte Familiensprache die Kompetenzen eines Kindes in der deutschen Sprache beeinflussen. Aus den verschiedenen Fak-toren ergeben sich sehr unterschiedliche Bedarfe in der Sprachförderung. Vor allem aber weist die Ausgangslage, auf die die Kindertageseinrichtungen bei ihrer Arbeit treffen, große Differenzen auf, und die Ergebnisse, die bei der Entwicklung des Sprachstandes erreicht werden, sind je nach Ausgangslage sehr unterschiedlich zu bewerten. Für eine Evaluationsstudie zur Sprachförderung im Elementarbereich ist es daher unerlässlich, ein Sozialprofil für die beteiligten Einrichtungen zu erstellen, das sowohl Angaben zum sozialen Umfeld als auch zum Anteil von Kindern mit Migrati-onshintergrund bzw. nicht-deutscher Muttersprache enthält. In diesem Kapitel werden zunächst die Variablen des Sozialprofils dargestellt (4.1). Im Anschluss erfolgt eine Auswertung, bei der die So-zialprofile mit den in Kapitel 3 dargestellten Daten zur Sprachstandsentwicklung in Beziehung ge-setzt werden (4.2).

4.1 Die Variablen des Sozialprofils

Da die Elternbeiträge für den Besuch einer Kindertageseinrichtung einkommensabhängig gestaltet sind, liefert die Einstufung der Eltern in die unterschiedlichen Beitragsklassen einen ersten Einblick in die Sozialstruktur. In den Schuleingangsuntersuchungen werden weitere Angaben zum Sozial-status erhoben; des Weiteren sind hier differenzierte Angaben zum Migrationshintergrund und zur überwiegend genutzten Familiensprache vorhanden. Die dafür benötigten Daten wurden von der Stadt Essen als Sekundärdaten zum einen in Form der Schuleingangsuntersuchungen 2009 bis 2011 als SPSS-Dateien (kindbezogen) oder in Form der Listen für die Elternbeiträge 2009 bis 2011 (Anteile der unterschiedlichen Beitragsstufen) als Excel-Dateien (einrichtungsbezogen) zur Verfügung gestellt. Da die Daten der Schuleingangsuntersuchungen kindbezogen als Individualda-ten erhoben wurden, mussten sie in einem ersten Schritt den Einrichtungen zugeordnet werden. Um in einer späteren Analyse Gruppen von Einrichtungen anhand ihres Sozialprofils bilden zu können, wurden alle Variablen mit einem Index versehen, der eine Einteilung in fünf Stufen ermög-licht. Im Folgenden wird die Vorgehensweise für insgesamt vier Variablen dargestellt.

1. Elternbeiträge

Nach § 23 KiBiz (Kinderbildungsgesetz NRW) können die örtlichen Jugendämter für die Kinderta-geseinrichtungen Elternbeiträge festlegen. Diese Beiträge sollen eine soziale Staffelung je nach Einkommen der Eltern enthalten. Die Stadt Essen hat die in der folgenden Tabelle dargestellte Staffelung festgelegt, wobei in unserer Analyse für die Erstellung des Sozialprofils jeder Einkom-mensgruppe für jede Ausprägung eine Ordnungsnummer (von 1 bis 9) zugeordnet wurde:

Elternbeitragsklassen der Stadt Essen

Ausprägung (Ordnungsnummer) Einkommensgruppe (Jahreseinkommen)

1 bis 13.000 €

2 bis 25.000 €

3 bis 37.000 €

4 bis 49.000 €

5 bis 61.000 €

6 bis 73.000 €

7 bis 85.000 €

8 bis 97.000 €

9 über 97.000 €

Tabelle 4.1

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Für die Erstellung des Sozialprofils wurden die Elternbeitragsstatistiken von Mai 2009 und Mai 2011 zugrunde gelegt. Die Einführung des beitragsfreien dritten Kindergartenjahres, die zum 01.08.2011 erfolgte, ist somit noch nicht berücksichtigt, so dass in der Statistik alle Kinder der je-weiligen Einrichtung erfasst sind. Zur Bildung des Elternbeitragsindexes wurde für jede Einrichtung die Anzahl der Kinder jeder Beitragsstufe mit der Ordnungsnummer der Stufe multipliziert: Wenn es bspw. in einer Einrichtung 10 Kinder gibt, deren Eltern der Beitragsstufe 3 zugeordnet sind, ergibt sich ein Stufenwert von 30 (10 mal 3). Die neun Werte wurden für jede Einrichtung addiert und durch die Anzahl der Kinder dividiert, so dass sich ein Durchschnittswert für jede Einrichtung ergab, der theoretisch zwischen 1,0 (alle Familien in Beitragsstufe 1) und 9,0 (alle Familien in Bei-tragsstufe 9) liegen konnte. Je höher also der Durchschnittswert, desto höher der Anteil von Kin-dern, deren Eltern einer höheren Einkommensstufe angehören. Für die Durchschnittswerte wurde ein Index gebildet, dessen Wert zwischen 1 (hoher Durchschnittswert) und 5 (niedriger Durch-schnittswert) liegen kann. Kriterium der Ausprägungsbildung war, eine ungefähre Gleichverteilung in den einzelnen Stufen zu erreichen (ca. ein Anteil von 20% der Einrichtungen pro Ausprägung).

2. Sozialstatus

Der Sozialstatus, der in der Schuleingangsuntersuchung erhoben wird, liegt in aggregierter Form kindbezogen vor und umfasst drei Indikatoren wie die Stellung im Beruf, das Einkommen und den Ausbildungsstatus der Eltern. Das Gesundheitsamt der Stadt Essen hat sich bei der Aggregation an den Empfehlungen der DAE, der GMDS und der DGSMP zur Ermittlung der „Sozialen Schicht“ orientiert. In seinen Ausprägungen wurde der Sozialstatus in den Auswertungen der Stadt Essen in drei Gruppen eingeteilt.

Sozialstatus – Anzahl der Kinder (Schuleingangsuntersuchung)

Sozialstatus Anzahl Kinder 2009 Anzahl Kinder 2010 Anzahl Kinder 2011

1 (niedriger Sozialstatus) 396 (8,2%) 328 (7,0%) 366 (7,3%)

2 (mittlerer Sozialstatus) 2355 (48,6%) 2249 (47,9%) 2430 (48,7%)

3 (hoher Sozialstatus) 1233 (25,4%) 1186 (25,2%) 1281 (25,7%)

k. A. 866 (17,9%) 936 (19,9%) 908 (18,2%)

Gesamt 4850 (100%) 4699 (100%) 4985 (100%)

Tabelle 4.2

Für die Analyse wurden die Werte aus den Schuleingangsuntersuchungen der Jahre 2009 bis 2011 genutzt. Analog zum Vorgehen bei dem Elternbeitragsindex wurde der Sozialstatusindex gebildet, indem für jede Einrichtung die Anzahl der Kinder pro Ausprägung mit der Nummer der Ausprägung (1, 2 oder 3) multipliziert und das Ergebnis durch die Gesamtzahl der Kinder geteilt wurde. Auch hier wurde dann den 20% der Einrichtungen mit dem höchsten Durchschnittswert der Indexwert 1 zugeordnet und dementsprechend eine Fünferskala gebildet.

Sozialstatus – Anteil der Einrichtungen (Schuleingangsuntersuchung)

Sozialstatus Anzahl der Einrichtungen Anteil der Einrichtungen in Prozent

1 (sehr hoher Sozialstatus) 45 18,7%

2 (eher hoher Sozialstatus) 49 20,3%

3 (mittlerer Sozialstatus) 49 20,3%

4 (eher niedriger Sozialstatus) 51 21,2%

5 (niedriger Sozialstatus) 47 19,5%

Gesamt 241 100%

Tabelle 4.3

3. Migrationshintergrund

In den von der Stadt Essen zur Verfügung gestellten Daten der Schuleingangsuntersuchungen existieren mehrere Migrationsvariablen, die Daten zur Herkunft der Kinder beinhalten. Für unsere Analyse wurde zunächst eine Variable zum Migrationshintergrund genutzt, die nach Empfehlungen

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der Arbeitsgruppe „Epidemologische Methoden“ der DAE, GMDS und DGSMP4 in Form einer Un-terscheidung der Nationalitäten nach Länder- bzw. ethnischen Gruppen definiert wurde. In diesem Datensatz wurde eine Dimensionsreduktion vorgenommen, indem die zuerst neun Ausprägungen für den Migrationshintergrund in zwei Ausprägungen zusammengefasst wurden (Migrationshinter-grund ja/nein). Eine weitere Differenzierung – etwa nach unterschiedlichen Herkunftsländern oder nach Unterschieden in der Herkunft der beiden Elternteile – hätte zu für die weitere Analyse zu kleinen Zahlen geführt.

Migrationshintergrund – Anzahl der Kinder (Schuleingangsuntersuchung)

Migrationshintergrund Anzahl Kinder 2009 Anzahl Kinder 2010 Anzahl Kinder 2011

1 (kein Migrationshintergrund) 2859 (58,9%) 2616 (55,7%) 2791 (56,0%)

2 (Migrationshintergrund) 1977 (40,8%) 1934 (41,2%) 2121 (42,5%)

k. A. 14 (0,3%) 149 (3,2%) 73 (1,5%)

Gesamt 4850 (100%) 4699 (100%) 4985 (100%)

Tabelle 4.4

Auch hier wurden die Daten aus den Schuleingangsuntersuchungen von 2009 bis 2011 zugrunde gelegt. Dabei wurde der durchschnittliche Anteil der einzuschulenden Kinder mit Migrationshinter-grund über drei Jahre ermittelt. Wie im Hinblick auf die beiden Sozialvariablen, so wurden auch hier die Einrichtungen in fünf Stufen aufgeteilt (1 = sehr geringer Anteil an Kindern mit Migrations-hintergrund, 5 = sehr hoher Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund).

Migrationshintergrund – Anteil der Einrichtungen (Schuleingangsuntersuchung)

Migrationshintergrund der Kinder in den Kitas

Anzahl der Einrichtungen Anteil der Einrichtungen

in Prozent

1 (sehr niedriger Anteil von Kindern mit Migrati-onshintergrund)

50 20,7%

2 (eher niedriger Anteil von Kindern mit Migrati-onshintergrund)

49 20,3%

3 (mittlerer Anteil von Kindern mit Migrationshin-tergrund)

50 20,7%

4 (eher hoher Anteil von Kindern mit Migrati-onshintergrund)

45 18,7%

5 (sehr hoher Anteil von Kindern mit Migrations-hintergrund)

47 19,5%

Gesamt 241 100%

Tabelle 4.5

4. Familiensprache

Die Muttersprache ist ebenfalls relevant für den Sprachstand bei der Schuleingangsuntersuchung. Sie wird erhoben, indem danach gefragt wird, welche Sprache in den ersten vier Lebensjahren zu Hause überwiegend mit dem Kind gesprochen wurde. Daraus ergibt sich folgende Unterscheidung:

4 DAE: Deutsche Arbeitsgemeinschaft Epidemologie; GMDS: Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und

Prävention; DGSMP: Deutsche Region der Internationalen Biometrischen Gesellschaft.

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Familiensprache – Anzahl der Kinder (Schuleingangsuntersuchung)

Familiensprache Anzahl Kinder 2009 Anzahl Kinder 2010 Anzahl Kinder 2011

1 (überwiegend deutsch) 3269 (67,4%) 3005 (63,9%) 3184 (63,9%)

2 (andere Sprache) 1579 (32,6%) 1584 (33,7%) 1675 (33,6%)

k. A. 2 (0%) 110 (2,3%) 126 (2,5%)

Gesamt 4850 (100%) 4699 (100%) 4985 (100%)

Tabelle 4.6

Auch hier wurden die Daten aus den Jahren 2009 bis 2011 zugrunde gelegt und fünf Ausprägun-gen mit einer relativen Gleichverteilung vergeben, so dass jede Ausprägung einen Anteil von ca. 20% der Einrichtungen widerspiegelt (1 = sehr niedriger Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache, 5 = sehr hoher Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache).

Familiensprache – Anteil der Einrichtungen (Schuleingangsuntersuchung)

Familiensprache der Kinder in den Kitas Anzahl der Ein-

richtungen Anteil der Einrichtungen

in Prozent

1 (sehr niedriger Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache)

50 20,7%

2 ( eher niedriger Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache)

48 19,9%

3 (mittlerer Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache)

49 20,3%

4 (eher hoher Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache)

47 19,5%

5 (sehr hoher Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache)

47 19,5%

Gesamt 241 100%

Tabelle 4.7

4.2 Zusammenfassung: Sozialprofile und Sprachstandsentwicklung

Das Sozialprofil setzt sich somit aus vier Variablen zusammen – aus zwei Sozialvariablen (Eltern-beitrag und Sozialstatus) und aus zwei Migrationsvariablen (Migrationshintergrund und Familien-sprache). Jede dieser vier Variablen wurde mit fünf Ausprägungen versehen. Wenn diese fünf Ausprägungen addiert werden, ergibt sich für jede Einrichtung ein Gesamtindex, der zwischen 4 und 20 liegen kann. Anzumerken ist dabei, dass für vier der 241 in den Schuleingangsuntersu-chungen erfassten Einrichtungen aus unterschiedlichen Gründen keine Daten zu den Elternbeiträ-gen vorlagen. In diesen Fällen wurde der Sozialstatusindex doppelt gewichtet, um eine Zuordnung vornehmen zu können.

Auf der Grundlage des Gesamtindexes wurden die Einrichtungen erneut in fünf Gruppen eingeteilt und jede Gruppe mit einer Kennzahl zwischen 1 und 5 versehen. Diese Einteilung wird für die wei-teren Arbeiten mit dem Sozialprofil maßgeblich sein.

Sozialprofil der Kindertageseinrichtungen nach den Indexwerten 1 bis 5

Index Sozialprofil

Gesamtindex (Summe aus den vier Variablen)

Anzahl der Einrich-tungen

Anteil der Einrichtungen in Prozent

1 (sehr gut situiert) 4 - 7 49 20,3%

2 (gut situiert) 8 - 10 45 18,7%

3 (mittel) 11 - 13 50 20,7%

4 (benachteiligt) 14 - 16 51 21,2%

5 (stark benachteiligt) 17 - 20 46 19,1%

Tabelle 4.8

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Um festzustellen, wie stark der Zusammenhang zwischen den Sozialvariablen einerseits und den Migrationsvariablen andererseits ist, wurden diese beiden Variablengruppen in einem weiteren Schritt getrennt voneinander ausgewertet. Dazu wurden jeweils die beiden Indizes addiert, so dass sich für beide Variablengruppen Werte zwischen 2 und 10 ergaben. In der Auswertung zeigt sich, dass bei zwei Dritteln der Einrichtungen (66,80%) die Werte für die Summe der Sozialvariablen und die Summe der Migrationsvariablen etwa gleich hohe Werte aufweisen (Abweichungen von bis zu zwei Punkten); ein eher ungünstiger Wert bei den Sozialvariablen geht also tendenziell mit ei-nem hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund bzw. nicht-deutscher Familiensprache ein-her. Dies lässt sich jedoch nicht durchgängig feststellen: Bei einem Drittel der Einrichtungen gibt es Abweichungen von 3 und mehr Punkten. Bei 17,43% der Einrichtungen weisen die Sozialvariablen günstigere Werte auf (bspw.: Summe der beiden Sozialindizes 4, Summe der beiden Migrationsin-dizes 8), bei 15,77% ist es umgekehrt.

Da bereits Auswertungen der SISMIK/SELDAK-Beobachtungen vorgenommen wurden (vgl. 2.1.1, Tabelle 3), ist es von Interesse, die dort festgestellte Ausgangslage, also den Sprachstand der Kinder bei Eintritt in den Kindergarten, mit der Zuordnung der Einrichtungen im Sozialprofil zu ver-gleichen. Auch bei der Auswertung der SISMIK/SELDAK-Beobachtungen wurden den Einrichtun-gen Indexwerte von 1 bis 5 zugeordnet, so dass sich für jede Gruppe von Einrichtungen Durch-schnittswerte von 1,0 (sehr niedriger Anteil von Kindern mit Sprachförderbedarf bei Eintritt in den Kindergarten) und 5,0 (sehr hoher Anteil von Kindern mit Sprachförderbedarf bei Eintritt in den Kindergarten) ergeben.

Sozialprofil und Sprachförderbedarf nach SISMIK/SELDAK

Index Sozialprofil

Durchschnittswert des Indexes zum Sprachförderbedarf bei Eintritt in den Kindergarten (Ausgangslage a)

1 (sehr gut situiert) 1,8

2 (gut situiert) 2,5

3 (mittel) 2,9

4 (benachteiligt) 3,0

5 (stark benachteiligt) 3,7

Tabelle 4.9

Ein Blick auf die Tabelle bestätigt die Vermutung, dass die Werte zum Sprachstand umso günsti-ger ausfallen, je höher das Sozialprofil der Einrichtung ist. Auffällig sind vor allem die Abweichun-gen sowohl der Gruppe der sehr gut situierten als auch der stark benachteiligten Einrichtungen vom Durchschnitt, während die drei mittleren Gruppen relativ nahe beieinander liegen. In jedem Falle zeigt die Tabelle deutlich, dass Einrichtungen mit einem eher ungünstigen Wert beim Sozial-profil in der Sprachförderung vor deutlich höheren Herausforderungen stehen als besser situierte Einrichtungen.

Von Interesse ist des Weiteren die Frage, ob es eher die Sozialvariablen oder eher die Migrations-variablen sind, die die Ausgangssituation beim Sprachstand beeinflussen. In einer weiteren Tabel-le wurden daher die Einrichtungen einmal nach den beiden Sozialvariablen und einmal nach den beiden Migrationsvariablen in fünf Gruppen eingeteilt und die Werte für die Ausgangssituation beim Sprachstand einander gegenübergestellt.

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Sprachförderbedarf nach Sozial- und Migrationsvariablen (SISMIK/SELDAK)

Index Sozialvariablen

Durchschnittswert des Indexes zum Sprachförderbedarf

bei Eintritt in den Kindergarten (a)

Index Migrationsvariablen

1 (sehr gut situiert) 1,8 2,4 1 (sehr niedriger Anteil)

2 (gut situiert) 2,0 2,7 2 (niedriger Anteil)

3 (mittel) 2,9 2,8 3 (mittlerer Anteil)

4 (benachteiligt) 3,4 3,2 4 (hoher Anteil)

5 (stark benachteiligt) 3,9 3,0 5 (sehr hoher Anteil)

Tabelle 4.10

Hier ist bemerkenswert, dass die Spreizung der Werte wesentlich höher ausfällt, wenn man sie nach den Sozialvariablen ordnet: Zwischen dem günstigsten Wert (1,8) und dem ungünstigsten (3,9) liegen 2,1 Punkte. Geordnet nach den Migrationsvariablen beträgt diese Differenz nur 0,8 Punkte (bei Werten zwischen 2,4 und 3,2), und der ungünstigste Wert findet sich nicht in der letz-ten, sondern in der vorletzten Gruppe. Man könnte aus diesen Ergebnissen die Vermutung ablei-ten, dass soziale Aspekte die Sprachkompetenz stärker beeinflussen als Migrationshintergrund und Familiensprache. Dabei wäre allerdings zu klären, ob das hier dargestellte Ergebnis mögli-cherweise auch dadurch beeinflusst wird, dass bei SISMIK/SELDAK-Beobachtungen für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund unterschiedliche Verfahren angewandt werden. Für den weiteren Verlauf der Untersuchungen werden also im Folgenden zunächst die hier dargestellten Werte mit den Ergebnissen der Auswertungen von anderen Sprachstandsvariablen (Schuleingangsuntersu-chungen, Delfin 4) abgeglichen.

Auch für die Delfin-4-Untersuchungen wird zunächst dargestellt, welchen Durchschnittswert der Index zum Sprachförderbedarf bei der Ausgangslage erreicht. Auch hier zeigt sich eine eindeutige Reihenfolge je nach Sozialprofil, wobei die Differenzen noch stärker ausgeprägt sind als bei den SISMIK/SELDAK-Beobachtungen. Der Abstand zwischen den sehr gut situierten Einrichtungen (1,6) und den stark benachteiligten Einrichtungen (4,1) beträgt hier 2,6 Punkte.

Sozialprofil und Sprachförderbedarf nach Delfin 4

Index Sozialprofil

Durchschnittswert des Indexes zum Sprachförderbedarf bei Eintritt in den Kindergarten (Ausgangslage a)

1 (sehr gut situiert) 1,6

2 (gut situiert) 2,6

3 (mittel) 3,0

4 (benachteiligt) 3,5

5 (stark benachteiligt) 4,1

Tabelle 4.11

Im Weiteren werden auch hier die Sozial- und die Migrationsvariablen getrennt voneinander be-trachtet. Von der Tendenz her zeigt sich ein ähnliches Ergebnis wie bei den SISMIK/SELDAK-Beobachtungen: Bei den Sozialvariablen ist die Spreizung mit 2,7 Punkten wesentlich höher als bei den Migrationsvariablen mit 1,4 Punkten. Die Hypothese, dass die bei SISMIK/SELDAK fest-gestellten Unterschiede etwas mit den Beobachtungsverfahren zu tun haben könnten, kann also verworfen werden; offenkundig beeinflussen in der Tat die Sozialvariablen die Ausgangslage zum Sprachstand in einer Einrichtung stärker als die Migrationsvariablen.

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Sprachförderbedarf nach Sozial- und Migrationsvariablen (Delfin 4)

Index Sozialvariablen

Durchschnittswert des Indexes zum Sprachförderbedarf

bei Eintritt in den Kindergarten (a)

Index Migrationsvariablen

1 1,5 2,1 1

2 2,4 3,0 2

3 3,3 3,2 3

4 3,9 3,2 4

5 4,2 3,5 5

Tabelle 4.12

Im Anschluss an diese Ergebnisse ist nun die Frage von Interesse, ob sich die Unterschiede im Stand der Sprachentwicklung der Kinder zwischen Einrichtungen mit unterschiedlichem Sozialprofil im Laufe der Kindergartenzeit eher verschärfen oder eher reduzieren. Zu diesem Zweck wird im Folgenden der soeben dargestellte durchschnittliche Index zum Sprachförderbedarf zu Beginn der Kindergartenzeit verglichen mit dem entsprechenden Wert zum Ende der Kindergartenzeit.

Sozialprofil und Sprachförderbedarf nach SISMIK/SELDAK zu Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit

Index Sozialprofil

Durchschnittswert des Indexes zum Sprachförderbedarf

bei Eintritt in den Kindergarten (Aus-gangslage a)

zum Ende der Kindergartenzeit (Er-gebnisse b)

1 1,8 1,7

2 2,5 2,1

3 2,9 2,3

4 3,0 3,0

5 3,7 3,4

Tabelle 4.13

Betrachtet man den Gesamt-Sozialindex, nimmt die Spreizung geringfügig ab; der Abstand zwi-schen den Einrichtungen mit dem Sozialprofil 1 und dem Sozialprofil 5 beträgt nicht mehr 1,9, son-dern 1,7 Punkte. Aus diesen geringfügigen Abweichungen lassen sich jedoch keine Schlussfolge-rungen über eine Reduzierung der Spreizung ziehen.

Sprachförderbedarf nach Sozial- und Migrationsvariablen (SISMIK/SELDAK) zu Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit

Index Sozialvariablen

Durchschnittswert des Indexes zum Sprachförderbedarf

Index Migrationsvariablen

bei Eintritt in den Kin-dergarten

(a)

zum Ende der Kinder-gartenzeit

(b)

bei Eintritt in den Kin-dergarten

(a)

zum Ende der Kinder-gartenzeit

(b)

1 1,8 1,5 2,4 2,1 1

2 2,0 1,9 2,7 2,3 2

2 2,9 2,6 2,8 2,7 3

4 3,4 3,5 3,2 2,9 4

5 3,9 3,6 3,0 2,7 5

Tabelle 4.14

Wenn man Sozial- und Migrationsvariablen getrennt voneinander betrachtet, zeigt sich bei beiden eine exakt gleich bleibende Spreizung (2,1 zu Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit bei den Sozialvariablen, 0,8 bei den Migrationsvariablen, wobei auch hier wieder der ungünstigste Wert bei den Einrichtungen mit dem Sozialprofil 4 zu verzeichnen ist). Unterschiede, die sich aus der Zu-sammensetzung der Familien in der Einrichtung ergeben, werden demnach während der Kinder-

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gartenzeit weder ausgeglichen noch verschärft. Im nächsten Schritt wird überprüft, ob diese Aus-sage durch die Analysen der Delfin-4-Daten und der Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchun-gen bestätigt wird.

Sozialprofil und Sprachförderbedarf nach Delfin 4 und in der Schuleingangsuntersuchung

Index Sozialprofil

Durchschnittswert des Indexes zum Sprachförderbedarf

bei Eintritt in den Kindergarten (Del-fin 4; Ausgangslage a)

zum Ende der Kindergartenzeit (Schul-eingangsuntersuchung; Ergebnisse b)

1 1,6 1,8

2 2,6 2,3

3 3,0 2,9

4 3,5 3,4

5 4,1 4,2

Tabelle 4.15

Auch bei dem Vergleich der Ergebnisse von Delfin 4 und aus den Schuleingangsuntersuchungen verändert sich die Spreizung kaum; sie beträgt anfangs 2,5 und zum Ende der Kindergartenzeit 2,4 Punkte.

Sozialprofil und Sprachförderbedarf nach Delfin 4 und in der Schuleingangsuntersuchung zu Beginn und zum Ende der Kindergartenzeit

Index Sozialvariablen

Durchschnittswert des Indexes zum Sprachförderbedarf Index

Migrationsvariablen Delfin 4

Schuleingangs-untersuchung

Delfin 4 Schuleingangs-untersuchung

1 1,5 1,7 2,1 2,2 1

2 2,4 2,2 3,0 2,7 2

2 3,3 3,1 3,2 3,0 3

4 3,9 3,7 3,2 3,4 4

5 4,2 4,4 3,5 3,6 5

Tabelle 4.16

Bei den Sozialvariablen bleibt die hohe Spreizung exakt gleich (2,7); dasselbe gilt für die Migrati-onsvariablen (1,4). Das Bild, das sich aus den Analysen der SISMIK/SELDAK-Daten ergibt, bestä-tigt sich somit. Zwei zentrale Ergebnisse lassen sich somit festhalten:

Der Einfluss der Sozialvariablen auf den durchschnittlichen Stand der Sprachentwicklung der Kinder in einer Einrichtung ist größer als der Einfluss der Migrationsvariablen. Umge-kehrt formuliert: Eine schwierige soziale Situation stellt für die Beherrschung der deutschen Sprache einen höheren Risikofaktor dar als ein Migrationshintergrund (selbst wenn dieser mit einer nicht-deutschen Familiensprache verbunden ist).

Die sozial bedingten Unterschiede zwischen den Einrichtungen werden im Durchschnitt während der Kindergartenzeit weder verschärft noch ausgeglichen, sondern bleiben weit-gehend konstant.

Die letztere Feststellung gilt selbstverständlich nicht für jede einzelne Einrichtung, sondern in der Summe. Umso interessanter wird es sein, Näheres über die Konzepte und Aktivitäten derjenigen Einrichtungen zu erfahren, die von dieser durchschnittlichen Entwicklung abweichen. Es lässt sich nämlich feststellen, dass es in allen Kategorien des Sozialprofils Einrichtungen mit einer sehr günstigen (also weit überdurchschnittlichen) und mit einer sehr ungünstigen (also weit unterdurch-schnittlichen) Entwicklung gibt.

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Sozialprofil und Sprachstandsentwicklung

Index Sozialprofil

Gesamtindex Sprachstandsentwicklung 1 2 3 4 5

1 7,9% 21,1% 26,3% 34,2% 10,5%

2 31,6% 28,9% 15,8% 15,8% 7,9%

3 28,1% 31,2% 9,4% 15,6% 15,6%

4 10,6% 23,4% 23,4% 17,0% 25,5%

5 17,1% 12,2% 22,0% 29,3% 19,5%

Tabelle 4.17

Die Tabelle zeigt eine gemischte Verteilung; so gelingt es beispielsweise in 17,1% der Einrichtun-gen mit einem stark benachteiligten Sozialprofil (5), eine weit überdurchschnittliche Entwicklung beim Sprachstand der Kinder zu erreichen (1). Von den besonders gut situierten Einrichtungen trifft dies nur auf 7,9% zu; allerdings ist hier auch der Anteil mit einer sehr ungünstigen Entwicklung mit 10,5% recht gering, während diese Einrichtungen in den mittleren Entwicklungskategorien häufiger vertreten sind. Insgesamt lassen sich der Tabelle keine Zusammenhänge zwischen dem Sozial-profil und der Entwicklung des Sprachstandes entnehmen; sowohl unter den benachteiligten als auch unter den gut situierten Einrichtungen gibt es somit Beispiele für eine gelingende Sprachför-derung.

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5 Sprachförderkonzepte und -aktivitäten: Ergebnisse einer Befragung

Im November 2012 erhielten 240 Essener Kindertageseinrichtungen in Online-Form einen Frage-bogen, in dem sie nach ihren Aktivitäten, Konzepten und Einschätzungen zur Sprachförderung befragt wurden. Nach mehreren Nachfassaktionen in elektronischer Form wurde allen Einrichtun-gen, die bis zum 10.01.2013 noch nicht geantwortet hatten, ein Fragebogen in Papierform zuge-schickt. Von dieser Möglichkeit, den Fragebogen handschriftlich auszufüllen, machten 11 Einrich-tungen Gebrauch. Bis zum 15.02.2013 wurden damit insgesamt 208 Fragebogen zurückgeschickt; dies entspricht einer Rücklaufquote von 86,7%. Mit dieser hohen Rücklaufquote kann man davon ausgehen, dass die hier vorgelegten Ergebnisse einen guten Einblick in die Sprachförderpraxis der Kindertageseinrichtungen in Essen geben.

In der folgenden Darstellung werden zunächst die Auswertungsmethoden dargestellt (5.1). An-schließend wird ein Überblick über die Ergebnisse gegeben, der der Struktur des Fragebogens folgt (5.2). Dabei wird zu den einzelnen Fragekomplexen jeweils auf eventuelle Zusammenhänge mit sozialstrukturellen Faktoren und vor allem mit der Sprachstandsentwicklung verwiesen. Das folgende Kapitel (5.3) baut auf dieser Auswertung auf und fasst zunächst die Besonderheiten von Einrichtungen mit einer besonders günstigen, dann von Einrichtungen mit einer besonders ungüns-tigen Sprachstandsentwicklung zusammen.

5.1 Methoden der Auswertung

Die Daten aus der Befragung wurden mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS ausgewertet. Um Zusammenhänge mit den Daten aus den Sprachstandsanalysen und aus dem Sozialprofil herstel-len zu können, wurden diese einrichtungsbezogen in die SPSS-Datei übernommen. Jeder einzel-nen Einrichtung können somit sowohl ihre Angaben in der Befragung als auch ihre Daten aus dem Sozialprofil und der Sprachstandsanalyse zugeordnet werden. Auf diese Weise wird die angestreb-te Analyse von Zusammenhängen ermöglicht.

Aus den vor der Befragung durchgeführten Analysen der Sekundärdaten wurden dabei vor allem zwei zentrale Variablen verwendet:

a) Gesamtindex Sprachstandsentwicklung (Sprachstandsentwicklungsindex; vgl. 3.3): Dieser In-dex gibt den Unterschied zwischen den Anteilen von Kindern mit Sprachförderbedarf zu Beginn der Kindergartenzeit (im Alter von 3-4 Jahren) und zum Ende der Kindergartenzeit in einer Ein-richtung wieder. Er wurde auf der Grundlage der SISMIK/SELDAK-Analysen und der verglei-chenden Analysen der Ergebnisse der Delfin-4- und Schuleingangsuntersuchungen ermittelt und liegt in fünf Ausprägungen vor (1 = sehr günstige Entwicklung, 2 = günstige Entwicklung, 3 = mittlere Entwicklung, 4 = ungünstige Entwicklung, 5 = sehr ungünstige Entwicklung).

b) Sozialindex (Sozialprofil; vgl. 4): Der Sozialindex beschreibt das Sozialprofil einer Einrichtung und wurde aus vier Faktoren ermittelt: Herangezogen wurden zum einen die Höhe der einkom-mensabhängigen Elternbeiträge und der nach einem bestimmten Verfahren in der Schulein-gangsuntersuchung ermittelte Sozialstatus (Sozialvariablen), zum anderen die Anteile der Kin-der mit Migrationshintergrund und mit nicht-deutscher Familiensprache (Migrationsvariablen). Auch hier wurden fünf Kategorien gebildet (1 = sehr gut situiert, 2 = gut situiert, 3 = mittel, 4 = benachteiligt, 5 = stark benachteiligt).

Der Gesamtindex Sprachstandsentwicklung geht zum einen als abhängige Variable in die Auswer-tung der Befragung ein. Im Mittelpunkt des Interesses steht die Frage, welche in der Befragung ermittelten Faktoren (beispielsweise: „Anzahl der Fortbildungen“ oder „Häufigkeit der Nutzung von Büchern“) einen Zusammenhang mit dem Sprachstandsentwicklungsindex aufweisen. Zum ande-ren wird der Sprachstandsentwicklungsindex als Instrument verwendet, um Gruppen von Einrich-tungen zu bilden und deren Konzepte und Aktivitäten miteinander zu vergleichen.

Der Sozialindex wird vor allem als unabhängige Variable verwendet: Hier geht es um die Frage, ob und inwieweit bestimmte Konzepte und Aktivitäten bei den Einrichtungen je nach Sozialprofil eine unterschiedlich große Rolle spielen.

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Für die Auswertung ist zu berücksichtigen, dass mit 208 Fragebogen und einer Rücklaufquote von 87,7% zwar eine sehr gute Erschließung des Feldes gelungen ist, aber dennoch eine für statisti-sche Analysen relativ geringe Fallzahl vorliegt. Arbeitet man beispielsweise mit fünf Kategorien des Sprachstandsentwicklungsindexes oder des Sozialprofils, so sind in jeder Kategorie durchschnitt-lich gut 40 Fälle vertreten. Setzt man diese Kategorien nun in einer Kreuztabelle mit einer Frage mit beispielsweise 4 Antwortmöglichkeiten in Beziehung, so sind rechnerisch in jedem Feld der Tabelle durchschnittlich 10 Fälle zu erwarten. Bei einer solchen Fallzahl ist die Wahrscheinlichkeit gering, mit statistischen Verfahren – wie beispielsweise mit Hilfe von Korrelationsanalysen – zu Ergebnissen zu kommen, die strikten Signifikanzkriterien genügen würden. Würde man die Anzahl der Kategorien reduzieren (beispielsweise auf drei statt fünf), würde dies das Problem nicht grund-sätzlich lösen, aber auf Kosten der Differenzierung der Ergebnisse gehen. Daher wurde die Ent-scheidung getroffen, sowohl bei den Sozial- als auch bei den Sprachstandsvariablen fünf Katego-rien beizubehalten und mit Verfahren zu arbeiten, die auch bei kleinen Fallzahlen eine Beschrei-bung der Ergebnisse und Tendenzaussagen über Zusammenhänge ermöglichen.

Dabei kamen insbesondere die folgenden Verfahren zum Einsatz:

Häufigkeitsauszählungen: In einem ersten Schritt wurden für alle Fragen die Häufigkeiten ausge-zählt. Es wurde also ermittelt, wie viel Prozent der Befragten sich bei einer Frage für welche Ant-wortmöglichkeit entschieden haben. Bei den offenen Fragen (also bei Fragen ohne ankreuzbare Antwortvorgaben und mit der Möglichkeit, freien Text zu schreiben), wurden die Nennungen zu-nächst bestimmten inhaltlichen Kategorien zugeordnet und dann ausgezählt, wie viel Prozent der Befragten sich für eine Kategorie entschieden haben. Die Häufigkeitsauszählungen ermöglichen einen Überblick über den Stand der Sprachförderung in den Essener Kindertageseinrichtungen; sie schaffen Transparenz über Konzepte und Aktivitäten. Sie bilden die Grundlage für weitere Ana-lyseschritte, aus denen sich dann Schlussfolgerungen über mögliche Zusammenhänge mit der Sprachstandsentwicklung ableiten lassen.

Indexbildung: Ähnlich wie bei der Analyse des Sozialprofils und der Daten zur Sprachstands-entwicklung wurden auch in der Auswertung der Befragung an vielen Stellen Indizes gebildet, um bestimmte Kriterien messen und vergleichen zu können und um für die Analyse Gruppen von Ein-richtungen zu bilden. Beispielsweise wurden bei der Frage nach den Fortbildungen für jedes Fort-bildungsprogramm oder -thema, zu dem es eine Teamfortbildung gab, 4 Punkte vergeben, für jede Kategorie, zu der sich mindestens 50% der Mitarbeiter/innen fortgebildet haben, 3 Punkte, bei ei-nem Anteil von zwischen 25% und 50% 2 Punkte und bei einer Teilnahme von weniger als 25% der Beschäftigten 1 Punkt. Auf diese Weise konnte für jede Einrichtung eine Summe der Fortbil-dungspunkte und somit eine Messzahl für ihre Fortbildungsintensität errechnet werden. Diese Summen wurden dann in fünf Gruppen eingeteilt (von „sehr hoch“ bis „sehr niedrig“) und mit den Indexwerten 1 bis 5 versehen. Auf diese Weise wurde eine Grundlage geschaffen, um bspw. den durchschnittlichen Sprachstandsentwicklungsindex von Einrichtungen mit sehr hoher Fortbildungs-intensität (Fortbildungsindex = 1) mit demjenigen von Einrichtungen mit sehr geringer Fortbildungs-intensität (Fortbildungsindex = 5) zu vergleichen.

Kreuztabellen: Mit Hilfe einer Kreuztabelle werden zwei Variablen miteinander in Beziehung ge-setzt. So lassen sich zum Beispiel zahlenmäßige Zusammenhänge zwischen der Variable „Ge-samtindex Sprachstandsentwicklung“ und der Variable „Sprache als Thema von Teambespre-chungen“ erkennen. Aus den Feldern der Tabelle lässt sich dann bspw. ablesen, dass das Thema Sprachförderung in 32,4% der Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 mindes-tens zweimal monatlich Gegenstand von Teambesprechungen ist, während das Thema in Einrich-tungen mit dem Index 5 nur in 9,4% der Fälle in dieser Häufigkeit besprochen wird. Auf diese Wei-se wird ein Vergleich zwischen den Daten unterschiedlicher Gruppen möglich.

Vergleich von Mittelwerten: Da es sich bei dem Sprachstands- und bei dem Sozialindex jeweils um Skalen mit je fünf Werten (1, 2, 3, 4, 5) handelt, können Mittelwerte errechnet werden. Die Skalen-werte aller Einrichtungen, die ein bestimmtes Kriterium erfüllen, werden addiert und durch die An-zahl dieser Einrichtungen dividiert. Wenn beispielsweise vier Einrichtungen Sprachentwicklungsin-dizes von 1, 2, 4 und 5 erreichen, beträgt der Mittelwert 3,0. Auf diese Weise lassen sich die durchschnittlichen Indexwerte verschiedener Gruppen von Einrichtungen miteinander vergleichen. Um das Beispiel aus den Kreuztabellen aufzugreifen: Die Gruppe der Einrichtungen, in denen das

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Thema Sprachförderung mindestens zweimal monatlich auf der Tagesordnung des Teams steht, erreicht einen durchschnittlichen Sprachstandsentwicklungsindex von 2,45; bei der Gruppe der Einrichtungen, die das Thema seltener als alle drei Monate im Team aufgreifen, beträgt der Mittel-wert 3,2. Damit wird deutlich, dass die erstgenannte Gruppe im Durchschnitt einen günstigeren Sprachstandsentwicklungsindex zu verzeichnen hat.

Das Beispiel über die Bedeutung von Sprache als Thema von Teambesprechungen zeigt zweier-lei: Zum einen wird deutlich, dass sich anhand der Kreuztabellen und Mittelwertvergleiche Unter-schiede zwischen Einrichtungen sichtbar machen lassen: Einrichtungen mit einer bestimmten Akti-vität – hier: mit der häufigen Thematisierung von Sprache im Team – erreichen günstigere Werte in der Sprachentwicklung als andere. Man kann also die Schlussfolgerung ziehen, dass eine be-stimmte Aktivität sich günstig auf die Sprachstandsentwicklung auswirkt. Zweitens zeigen sich aber auch die Grenzen, denen diese Schlussfolgerungen unterliegen: Es ist nicht möglich, Wenn-Dann-Aussagen zu treffen, also etwa folgende Feststellung zu treffen: „Wenn eine Einrichtung das The-ma Sprache häufig im Team thematisiert, erreicht sie günstige Werte in der Sprachentwicklung.“ Gegen eine solche einfache Feststellung spricht schon die Tatsache, dass immerhin 9,4% der Ein-richtungen mit dem ungünstigsten Sprachstandsentwicklungsindex (5) das Thema häufig bespre-chen.

Dass derart einfache Feststellungen nicht möglich sind (und demzufolge bei statistischen Analysen auch größtenteils keine hohen Korrelationen oder Signifikanzwerte erreicht werden), hat im We-sentlichen drei Gründe: Erstens ist die Sprachförderung ein komplexes Thema. Man kann davon ausgehen, dass der Erfolg der Sprachförderung nicht von einer einzelnen Aktivität, sondern von einem Bündel an Aktivitäten und ihrem Zusammenspiel beeinflusst wird. Zweitens spielen dabei zweifellos auch Faktoren mit, die in einer Befragung nicht gemessen werden können. So kann man zwar durch die Antworten erfahren, ob man in der Einrichtung davon ausgeht, dass Mitarbei-ter/innen eine Vorbildfunktion im Umgang mit Sprache einnehmen – ob jede einzelne Fachkraft diese Funktion im Alltag tatsächlich ausfüllt, wäre hingegen nur durch Beobachtung zu ermitteln. Drittens schließlich ist zu vermuten, dass es in der Sprachförderung nicht nur den einen Königs-weg gibt, sondern unterschiedliche Wege zum Erfolg führen können. Vor diesem Hintergrund wird es im weiteren Verlauf von besonderem Interesse sein, Näheres über Einrichtungen mit guten Er-folgen, aber unterschiedlichen Wegen zu erfahren (vgl. 6).

Im Konzept der Evaluationsstudie war des Weiteren die Frage enthalten, ob sich bestimmte Typen von Einrichtungen ermitteln lassen: Gibt es Gruppen von Einrichtungen, die in ihren Sprachförder-konzepten und -aktivitäten ein hohes Maß an Gemeinsamkeiten untereinander und deutliche Un-terschiede zu anderen Gruppen von Einrichtungen aufweisen? Dieser Frage wurde mit Hilfe von Cluster-Analysen nachgegangen, also mit Hilfe von statistischen Verfahren, die eine solche Ty-penbildung ermöglichen. Dabei stellte sich heraus, dass bestimmte Typen nicht mit einer hinrei-chenden Deutlichkeit identifizierbar sind. Konzepte und Aktivitäten der einzelnen Einrichtungen sind sehr heterogen und im Einzelfall in jeweils sehr unterschiedlicher Weise miteinander kombi-niert. Eine inhaltlich sinnvolle und einigermaßen trennscharfe Typenbildung hat sich damit als nicht realisierbar erwiesen. Auf die Zusammenfassung von Variablen zu bestimmten Typen musste da-her verzichtet werden. Die folgende Auswertung basiert somit auf der Analyse von einzelnen Kon-zepten und Aktivitäten, also von einzelnen Variablen.

Die folgende Auswertung gibt somit Tendenzaussagen wieder, die auf die einzelnen Konzepte und Aktivitäten bezogen sind. Anhand der Kreuztabellen und Mittelwertvergleiche lässt sich ermitteln, welche Konzepte und Aktivitäten sich tendenziell günstig auf die Entwicklung des Sprachstandes der Kinder auswirken – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

5.2 Die Ergebnisse der Befragung im Überblick

Der folgende Überblick geht zunächst von Häufigkeitsauszählungen zu den zehn inhaltlichen Komplexen der Befragung aus und ermöglicht somit in jedem Abschnitt einen ersten Überblick. Anhand von Kreuztabellen und Mittelwertvergleichen werden dann Zusammenhänge zwischen verschiedenen Konzepten und Aktivitäten einerseits und dem Sprachstandsentwicklungsindex

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andererseits sichtbar gemacht. Darüber hinaus werden an einigen Stellen auch Zusammenhänge der Variablen untereinander sowie mit dem Sozialprofil diskutiert. Diese Gesamtauswertung bildet eine Basis, auf der die weiteren Auswertungen aufbauen.

5.2.1 Schwerpunkte der Sprachförderung

Zu Beginn der Befragung wurde in einer offenen Frage gefragt, wie Sprachförderung in der jeweili-gen Einrichtung gestaltet wird. Dazu wurden die Befragten gebeten, drei Stichpunkte oder kurze Sätze zu notieren, die die Sprachförderung der Einrichtung kennzeichnen und die ihnen bei der Sprachförderung wichtig sind. In der Auswertung wurden die Nennungen drei Bereichen zugeord-net, die jeweils mehrere Kategorien enthalten. Die drei Bereiche umfassen erstens Kategorien, die die erstens Sprachförderung im Alltag, zweitens besondere Angebote der Sprachförderung und drittens weitere Schwerpunkte betreffen.

Angesichts der Fragestellung geben die Kategorien, die die jeweilige Einrichtung genannt hat, ei-nen Einblick darüber, worin sie die Schwerpunkte ihrer Sprachförderarbeit sieht. Wenn eine Kate-gorie nicht genannt wird, heißt dies nicht, dass sie in der Einrichtung keine Rolle spielen würde; da die Anzahl der Nennungen auf drei Stichpunkte beschränkt war, bedeutet eine Nicht-Erwähnung lediglich, dass die Kategorie aus der Sicht der Einrichtungen nicht zu den wichtigsten Schwerpunk-ten gehört.

Ein erster Überblick über die Antworten verweist auf die hohe Bedeutung, die die Einrichtungen der alltagsintegrierten Sprachförderung zumessen. 90,9% der Befragten haben mindestens eine Kategorie genannt, die diesem Bereich zuzuordnen ist. Das Bewusstsein für die Bedeutung der alltagsintegrierten Sprachförderung ist somit als sehr hoch einzuschätzen. Ein Teil der Befragten beschränkt sich dabei auf eine allgemeine Nennung (Kategorie A.1 in Tabelle 5.1), andere Befrag-te machen ergänzend oder stattdessen genauere Angaben (Kategorien A.2 bis A.5). Zusätzliche, gezielte Angebote der Sprachförderung werden hingegen nur von der Hälfte der Befragten (51,4%) als Schwerpunkt ihrer Arbeit genannt. Tabelle 5.1 gibt einen Überblick über die Bereiche, verbun-den mit beispielhaften Nennungen zu den einzelnen Kategorien und Angaben über die Häufigkeit.

Tabelle 5.1: Schwerpunkte der Sprachförderung (in Klammern zu jeder Kategorie der Anteil der Einrichtungen, die die Kategorie genannt haben)

A. Sprachförderung im Kita-Alltag

1. alltagsintegriert/ganzheitlich (allgemein) (45,7%) „immer gegenwärtig“, „in das alltägliche Spiel integriert“, „im Alltagsgeschehen eingebunden“, „Sprachförderung findet zu jeder Tageszeit in unserer Kita statt“ 2. Funktion der Mitarbeiter/innen (Vorbild, bewusste Nutzung von Sprache) (41,3%) „bewusste sprachliche Begleitung in Alltagssituationen“, „Erzieher sollen auf eine richtige Aus-drucksweise im Gespräch mit den Kindern achten (Wortwahl, Satzbau, Grammatik etc.)“, „ständi-ger Dialog mit den Kindern, Erzieher als Vorbild“, „Sprachvorbilder zu sein, zuhören und nicht zu unterbrechen“, „Das Team spricht viel mit den Kindern! Ermuntert die Kinder zu sprechen: ihre Er-lebnisse zu erzählen; Geschichten erfinden oder Konflikte verbal untereinander selbst zu lösen.“ 3. Beziehungsebene (5,3%) „Die Beziehungsebene ist die Grundlage für gelungene Sprachförderung.“, „Sprachentwicklung findet in kooperativen Beziehungen statt.“, „Positiver emotionaler Bezug zum Kind ist für uns die Grundlage.“ 4. Anreize schaffen (Bücher, Lieder, Rollenspiele, ...) (42,8%) „Lesen, Vorlesen, Bildbetrachtung, Singen, Rollenspiel“, „sprachanregende Materialien wie Memo-ry, Bilderbücher“, „Sprachförderung durch gezielten Einsatz von Geschichten, Liedern/Musik, Fin-ger- und Rollenspielen und bewussten Einsatz von Forschen mit Kindern“, „Impulse schaffen zur Sprechanregung: Bücher, Lieder, Spiele, Diskussionen, ‚Dienste’ übernehmen, Bildbetrachtungen (PC, Tageszeitung)“, „Theaterspielen“ 5. Gesprächskreise / Morgenkreise / Kinderkonferenzen (16,8%) „themenbezogene Gesprächskreise“, „Morgenrunde (freies Sprechen und Erzählen)“, „Kinderkon-ferenzen, Erzählkreise“

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B. Zusätzliche Angebote zur Sprachförderung

1. gezielte Sprachangebote in der Gruppe (10,6%) „regelmäßig und zeitlich festgelegt“, „Sprachspiele im Kreis für alle“, „gezielte Sprachförderung 2 x wöchentlich“ 2. Kleingruppenförderung (25,0%) „Kleingruppen Delfin 4“, „Sprachförderung durch gezielte Kleingruppenarbeit“, „gezielte Förderung in kleinen Gruppen“, „Sprachförderung in einer homogenen Gruppe“ 3. individuelle Förderung (12,5%) „jedes Kind individuell fördern“, „gezielte Einzelförderung“, „individuell auf das Kind abgestimmt“, „meist Einzelförderung, je nach Thema hin und wieder auch in Kleingruppen (max. 3 Kinder)“ 4. konzeptorientierte Förderung (9,6%) „gezielte Sprachförderung nach KONLAB“, „Sprachförderung Max-Programm“, „BISC und Würz-burger Trainingsprogramm für alle Vorschulkinder“ 5. besondere Fachkräfte/Honorarkräfte (2,9%) „Unterstützung durch Sprachtherapeutin“, „angestellte Person auf Honorarbasis für Sprachförde-rung“ 6. Förderung der Muttersprache (1,9%) „Zweisprachigkeit bewusst unterstützen“, „Zweitspracherwerb – Muttersprache / Deutsch“ 7. therapeutische Angebote (1,0%) „logomotopädische Förderung mit Diagnostik und entsprechende Elterngespräche“, „heilpädago-gische Sprachförderung“

C. Weitere Schwerpunkte (nicht eindeutig A oder B zuzuordnen)

1. Projektarbeit (5,8%) „eingebettet in Projektarbeit“, „Projektarbeit mit wichtigen Themen der Kinder“ 2. Bewegung als Schwerpunkt (12,0%) „tägliche Bewegungsangebote“, „bewegungsorientierte Sprachförderung“, „Logo-Motopädie“, „Be-wegungsmöglichkeiten mit Sprache verbinden“ 3. Mitarbeiterfortbildung (1,4%) „Alle Mitarbeiterinnen haben an Fortbildungen für die Sprachförderung teilgenommen.“ 4. Musik als Schwerpunkt (9,6%) „Musik als Schwerpunkt, tägliches Singen, Rhythmik“, „Regelmäßige, wöchentliche musisch-rhythmische Angebote“, „einmal wöchentlich Kindergartenchor für alle Kinder“ 5. Beobachtung/Dokumentation (2,4%) „regelmäßige Dokumentation der sprachlichen Entwicklungsschritte“ 6. Elterneinbezug (3,8%) „Transparenz für Eltern, um diesen die Möglichkeit zu geben, Dinge auch zu Hause aufzugreifen“, „Sprachförderkurs für Eltern mit ihren Kindern in Kombination mit Bewegung“ 7. Verschiedenes (9,2%) „gruppenübergreifendes Arbeiten“, „Kindergarten ohne Spielzeug – dadurch viel Kommunikation im und über das Spiel“, „bilinguales Konzept Deutsch-Englisch“

Betrachtet man die Häufigkeiten der Nennungen bei den einzelnen Kategorien, so fällt auf, dass bei den besonderen Angeboten die Kleingruppenarbeit die größte Rolle spielt. Bewegung und Mu-sik werden zum einen sehr häufig in der Kategorie A4 als Möglichkeit erwähnt, Sprechanlässe und -anreize im Alltag zu bieten; zum anderen gehen nicht wenige Einrichtungen darüber hinaus und setzen einen besonderen Schwerpunkt bei der Verbindung Bewegung bzw. Musik mit Sprache. Betrachtet man die allgemeine Debatte zur Sprachförderung im Vergleich zu den Schwerpunkt-Nennungen, so fallen einige Aspekte auf. Drei Themen, die in der allgemeinen Diskussion eine wichtige Rolle spielen, werden als Schwerpunkte kaum genannt:

Erstens wird das Thema „Deutsch als Zweitsprache“ kaum angesprochen; lediglich vereinzelt fin-det es sich in Kombination mit der Förderung der Muttersprache. Eine gezielte Förderung von Kin-dern mit Migrationshintergrund bzw. mit nicht-deutscher Muttersprache wird somit nicht als Schwerpunkt betrachtet; die Förderung der Zweitsprache wird offenkundig als Element der allge-meinen Sprachförderung und der alltagsintegrierten Arbeit angesehen. Zweitens werden Fortbil-

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dungen kaum erwähnt. Angesichts dessen, dass bei der Mehrzahl der Einrichtungen Fortbildungen der Mitarbeiter/innen (teilweise auch sehr häufig; vgl. 5.2.6) durchgeführt werden, ist dies auf den ersten Blick erstaunlich. Man kann daraus schließen, dass die Einrichtungen die Fortbildung als unterstützendes Element, aber nicht als Kern der Sprachförderung ansehen. Drittens schließlich spielt das Thema „Elterneinbezug“ kaum eine Rolle. Auf diese Frage wird im weiteren Verlauf (vgl. 5.2.8) noch zurückzukommen sein.

Fragt man nun nach den Zusammenhängen der genannten Schwerpunktsetzungen mit der Sprachstandsentwicklung der Kinder, so stellt sich heraus, dass Einrichtungen mit Zusatzangebo-ten etwas besser abschneiden als solche, die ihren Arbeitsschwerpunkt sehr stark oder aus-schließlich in der alltagsintegrierten Sprachförderung sehen. Einrichtungen, die zwei oder mehr Schwerpunkte aus der Rubrik „zusätzlich“ (B) angeben, erreichen bei der Sprachstands-entwicklung einen Mittelwert von 2,12, während Einrichtungen, die zwei oder mehr Schwerpunkte im Bereich „alltagsintegriert“ nennen, einen Wert von 3,11 verzeichnen.

Einrichtungen, in denen ein hoher Anteil der Familien sozial benachteiligt ist, sehen häufiger den Schwerpunkt ihrer Arbeit in einer zusätzlichen Sprachförderung. 31,0% der Einrichtungen mit dem Gesamt-Sozialindex 1 (sehr gut situiert) nennen mindestens einen Schwerpunkt aus dem Bereich der zusätzlichen Angebote; bei den Einrichtungen mit dem Sozialindex 5 sind es hingegen 53,7%. Dementsprechend nennen 31,7% der letzteren und 59,5% der ersteren Einrichtungen zwei oder mehr Schwerpunkte im Bereich der alltagsintegrierten Sprachförderung. Die Unterschiede ergeben sich vorrangig aus dem Teilindex „Soziale Lage“; betrachtet man den Teilindex „Migration“, lassen sich keine Tendenzen in die eine oder andere Richtung feststellen. Bei einer schwierigen sozialen Lage sehen demnach die Einrichtungen offenkundig häufiger die Notwendigkeit zusätzlicher An-gebote der Sprachförderung.

5.2.2 Strukturen Tabelle 5.2 gibt einen Überblick über die vorgefundenen Größenklassen. Die kleinste Einrichtung wird von nur 8 Kindern besucht, die größte von 160. Der Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache liegt zwischen 0 und fast 100 %; die Verteilung ist aus Tabelle 5.3 ersichtlich.

Tabelle 5.2: Gesamtzahl der Kinder in der Einrichtung (Größenklassen)

Häufigkeit Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente

Gültig ab 90 Kinder 35 16,8 17,0 17,0

70-89 Kinder 48 23,1 23,3 40,3

60-69 Kinder 43 20,7 20,9 61,2

46-59 Kinder 34 16,3 16,5 77,7

bis 45 Kinder 46 22,1 22,3 100,0

Gesamt 206 99,0 100,0

Fehlend Keine Angabe 2 1,0

Gesamt 208 100,0

Tabelle 5.3: Anteile von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache

Häufigkeit Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente

Gültig bis 10% 44 21,2 21,4 21,4

10% - unter 25% 38 18,3 18,4 39,8

25% - unter 40% 37 17,8 18,0 57,8

40% - unter 60% 42 20,2 20,4 78,2

ab 60% 45 21,6 21,8 100,0

Gesamt 206 99,0 100,0

Fehlend Keine Angabe 2 1,0

Gesamt 208 100,0

69,2% der Einrichtungen verfügen über Plätze für unter Dreijährige; in knapp zwei Dritteln dieser Fälle gibt es diese Plätze schon seit längerem (vor 2009). Plätze für Schulkinder gibt es nur noch

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in 8,2% der befragten Einrichtungen. Für die 0-6-jährigen Kinder verfügen inzwischen 96,2% der Einrichtungen über Ganztagsplätze (45 Stunden). Bei einzelnen Einrichtungen liegt der Anteil die-ser Plätze bei unter 10%; umgekehrt geben 7,7% der Einrichtungen an, ausschließlich Ganztags-plätze anzubieten.

Tabelle 5.4: Index Ganztagsanteil

Häufigkeit Prozent Kumulierte Prozente

Keine Angabe 5 2,4 2,4

(1) ab 75% 40 19,2 21,6

(2) 55 bis unter 75% 47 22,6 44,2

(3) 40 bis unter 55% 49 23,6 67,8

(4) 25% bis unter 40% 40 19,2 87,0

(5) unter 25% 27 13,0 100,0

Gesamt 208 100,0

Einrichtungen mit einem sehr geringen Anteil an Ganztagsplätzen (5) erreichen etwas günstigere Werte bei dem Sprachstandsentwicklungsindex: Hier liegt der durchschnittliche Mittelwert bei 2,65; bei Einrichtungen mit einem sehr hohen Anteil an Ganztagsplätzen (1) beträgt er 3,36. In den drei mittleren Gruppen liegen die Werte dazwischen (hoher Anteil (2): 3,02; mittlerer Anteil (3): 2,77; geringer Anteil (4): 3,00). Von Interesse ist in diesem Kontext, dass es in Essen keine Über- oder Unterversorgung mit Ganztagsplätzen zu geben scheint, die mit der Sozialsituation des Einzugs-gebiets zusammenhängen würde: Die Ganztagsplätze sind über Einrichtungen mit unterschiedli-chem Sozialprofil weitgehend gleich verteilt, wie ein Mittelwertvergleich des Indexes zum Ganz-tagsanteil zwischen Einrichtungen mit unterschiedlichem Sozialprofil zeigt: Der Index liegt in allen fünf Kategorien des Sozialprofils zwischen 2,59 und 2,89; die Differenzen sind also sehr gering, und eine Rangfolge ist nicht identifizierbar.

Entsprechend der Größe der Einrichtungen variiert auch die Anzahl der Mitarbeiter/innen; sie liegt zwischen 2 und 28. Auch die Arbeitszeitstrukturen unterscheiden sich erheblich. 8,8% der Einrich-tungen beschäftigen ausschließlich Vollzeitkräfte, bei 3,9% liegt der Vollzeitanteil unter 30%. Die Anteile der staatlich anerkannten Erzieher/innen unter den Mitarbeiter/inne/n liegen zwischen ei-nem knappen Viertel und 100%; zu mehr als 90% ist diese Berufsgruppe in 17,2% der Einrichtun-gen vorzufinden; in nur 4,9% der Einrichtungen liegt sie bei weniger als der Hälfte. Akademisch ausgebildete Mitarbeiter/innen gibt es in einem Viertel der Einrichtungen. In der Hälfte dieser Ein-richtungen liegt der Anteil der akademisch ausgebildeten Mitarbeiter/innen bei maximal 10%; deut-lich höhere Werte gibt es nur in Einzelfällen. Über Stammkräfte mit heilpädagogischer und ähnli-cher Qualifikation verfügen 15,5% der Einrichtungen. In zwei Dritteln der Einrichtungen sind Kin-derpfleger/innen beschäftigt; in insgesamt knapp 10% der Einrichtungen liegt der Anteil der Kin-derpfleger/innen bei 30% oder höher. Als weitere Berufsgruppen werden vor allem Berufsprakti-kant/inn/en und darüber hinaus in einzelnen Fällen ungelernte bzw. berufsfremde Kräfte, Haus-meister und Hauswirtschafter/innen, Kinderkrankenschwestern sowie einzelne Spezialkräfte wie Entspannungs- oder Musikpädagog/inn/en genannt.

54,8% der Einrichtungen geben an, dass sie Mitarbeiter/innen beschäftigen, die selbst einen Mig-rationshintergrund haben und zwei- oder mehrsprachig sind. In 55,3% dieser Einrichtungen han-delt es sich dabei um eine/n einzelne/n Mitarbeiter/in, in einem weiteren Viertel um zwei Personen. Über eine interkulturelle Fachkraft verfügen nur 6,3% der Einrichtungen.5 In 34,6% der Einrichtun-gen hat ein/e Mitarbeiter/in die Funktion als Multiplikator/in für Sprachförderung. Was die Aufgaben dieser Fachkraft betrifft, so werden unterschiedliche Inhalte genannt:

In vielen Fällen sind die Multiplikator/inn/en unmittelbar mit der Sprachförderung befasst (22 Nen-nungen) – als Beispiele für die Aufgabenbeschreibung lassen sich anführen: „Sprachförderung in Kleingruppen“, „Gruppe Delfin 4“, „Sprachförderung am Nachmittag“, „gruppenübergreifende An-

5 Als „interkulturelle Fachkraft“ werden Mitarbeiter/innen bezeichnet, die erstens speziell für Aufgaben im

Bereich „Interkulturelle Arbeit und Sprachförderung“ zuständig sind und zweitens – bspw. im Rahmen eines Förderprogramms – zusätzlich über den „normalen“ Personalschlüssel hinaus eingestellt sind.

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gebote im Alltag“, „zusätzliches Sprachförderangebot in Klein- und Aktionsgruppen“. Hier geht es also um Zusatzangebote über die alltagsintegrierte Sprachförderung hinaus. Nahezu ebenso häu-fig werden Funktionen der Teamqualifizierung und der Informationsweitergabe an Mitarbeiter/innen genannt (17): „Weitergabe der Fortbildungsinhalte“, „Kollegiale Beratung“, „Vermittlerin von Kon-Lab“, „Anfertigen von Videosequenzen zu Fortbildungszwecken“. Im Zusammenhang damit steht die Koordinierung der Sprachförderaktivitäten (5): „Koordination der Sprachförderung / Konzeptio-nelle Darstellung“, „Planung von Sprachförderangeboten“. Auch die Elternarbeit gehört teilweise zu den Aufgaben (10): „Beratung zum Thema Sprachförderung für die Eltern“, „Elterneinbindung“. Einzelne Einrichtungen benennen darüber hinaus speziell die Sprachförderung für U3-Kinder (4) sowie therapeutische Aufgaben (4). Angesprochen werden des Weiteren Projekte (5): „Frühe Chancen“, „Implementierung des DJI-Konzeptes innerhalb der Qualifizierungsoffensive im Bun-desprojekt Sprache und Integration“. In vielen der hier skizzierten Fälle werden mehrere dieser Aufgaben miteinander kombiniert, wie dies beispielsweise in der Nennung „pädagogische Arbeit mit Kindern, Elternarbeit und Teamqualifikation“ zum Ausdruck kommt.

Wenn Einrichtungen über eine interkulturelle Fachkraft verfügen, scheint es einen positiven Zu-sammenhang mit der Sprachstandsentwicklung zu geben. Die 13 Einrichtungen, in denen es eine solche Kraft gibt, erreichen einen Mittelwert von 2,38 (gegenüber einem Wert von 2,99 bei den anderen Einrichtungen); gut die Hälfte dieser Einrichtungen (7 von 13) wird bei der Sprachstands-entwicklung dem Indexwert 1 zugeordnet, das heißt, sie haben eine besonders günstige Entwick-lung zu verzeichnen. Angesichts der geringen Anzahl von 13 ist bei der Interpretation dieses Er-gebnisses allerdings besondere Vorsicht geboten. Bezüglich der Fragen, ob es in einer Einrichtung mehrsprachige Fachkräfte oder Multiplikator/inn/en für Sprachförderung gibt, lassen sich keine Unterschiede im Hinblick auf die Sprachstandsentwicklung feststellen.

29,8% der beteiligten Einrichtungen sind nach dem Gütesiegel „Familienzentrum NRW“6 zertifizier-te Familienzentren, in weiteren 4,3% wird die Zertifizierung aktuell angestrebt. 13,9% der Einrich-tungen sind an der Bundesoffensive „Frühe Chancen – Schwerpunkt-Kita Sprache & Integration“7 beteiligt.

Familienzentren wurden in Essen offenkundig häufiger dort eingerichtet, wo die soziale Situation eher schwierig ist. Von den Einrichtungen mit einem Sozialindex von 1 arbeiten nur 19,0% als Fa-milienzentrum, von denjenigen mit einem Index von 5 sind es 51,2% (2: 20,05; 3: 30,6%; 4: 28,6%). Auch die Beteiligung an der Bundesoffensive „Frühe Chancen“ ist von der sozialen Situa-tion geprägt: 22 der 29 beteiligten Einrichtungen sind einem Sozialindex von 4 oder 5 zuzuordnen.

Auswirkungen der Arbeit als Familienzentrum auf die Sprachstandsentwicklung lassen sich nicht erkennen. Bezüglich der Bundesoffensive lässt sich ein leicht positiver Zusammenhang mit der Sprachstandsentwicklung feststellen; ein Drittel der beteiligten Einrichtungen (10) erreicht den In-dexwert 1, die anderen verteilen sich relativ gleichmäßig auf die übrigen Indexwerte.

5.2.3 Konzept der Einrichtung

In einer offenen Frage wurden die Einrichtungen darum gebeten, in drei Stichpunkten oder kurzen Sätzen zu beschreiben, nach welchem pädagogischen Ansatz sie arbeiten. Hier ergibt sich ein sehr vielfältiges Bild mit sehr unterschiedlichen Formen der Beschreibung, so dass an dieser Stelle nur auf die quantitativ wichtigsten Aspekte eingegangen werden kann. Mit weitem Abstand am häufigsten wird auf den situationsorientierten Ansatz Bezug genommen, 37% der Einrichtungen geben an, dass sie nach diesem Konzept arbeiten. 21,2% nennen das Thema „Bewegung“ als Schwerpunkt ihrer pädagogischen Arbeit, oft verbunden mit Stichpunkten wie „gesunde Ernäh-rung“ oder „Naturerfahrungen“. 17,3% geben an, dass Sprache für sie ein besonders wichtiges Thema ist, wobei im Einzelnen sehr unterschiedliche Aspekte genannt werden – von der Sprach-förderung im Alltag über bestimmte Sprachförderprogramme bis hin zum bilingualen Kindergarten. 15,9% verweisen auf eine religiöse Erziehung oder auf christliche Werte. 10,8% betonen die För-derung der Sozialkompetenz.

6 Vgl. www.familienzentrum.nrw.de

7 Vgl. www.fruehe-chancen.de/allgemein/dok/6.php

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50

Das letztgenannte Beispiel zeigt besonders deutlich, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass nicht genannte Punkte in der pädagogischen Arbeit keine Rolle spielen; anzunehmen ist, dass jede Kindertageseinrichtung an der Entwicklung der Sozialkompetenz der Kinder interessiert ist. Wenn derartige Punkte im Zusammenhang mit der Frage nach den wichtigsten Elementen des pädagogischen Konzeptes genannt werden, heißt dies lediglich, dass ihnen eine besonders hohe Bedeutung zugemessen wird – nicht mehr und nicht weniger.

Alle weiteren Stichpunkte werden von weniger als 10% aller Einrichtungen angesprochen. Ge-nannt seien an dieser Stelle noch die offene Arbeit (8,2%), die Betonung einer kindzentrierten Ar-beit („Das Kind steht im Mittelpunkt“; 7,2%), ein musikalischer Schwerpunkt (5,8%) sowie interkul-turelle Arbeit und individuelle Förderung (jeweils 4,8%). Insgesamt bietet die Auswertung der Fra-ge nach den pädagogischen Konzepten einen Eindruck in die Vielfalt der Ansätze und über unter-schiedliche Schwerpunktsetzungen; statistische Zusammenhänge mit dem Sprachstandsent-wicklungsindex lassen sich nicht identifizieren.

5.2.4 Bücher, Musik und andere Medien

Bücher spielen in nahezu allen Einrichtungen eine wichtige Rolle. In fast zwei Dritteln der Einrich-tungen (63,9%) wird täglich in der Gruppe vorgelesen, in den meisten anderen mindestens einmal in der Woche. Bilderbuchbetrachtungen in Kleingruppen (mit bis zu 5 Kindern) gibt es in 44,2% der Einrichtungen fast täglich, in den meisten übrigen ebenfalls mindestens einmal pro Woche. 82,2% der Einrichtungen setzen „Vorlesepaten“ (bspw. Senior/inn/en, Schüler/innen usw.) ein; in der Mehrheit der Fälle geschieht dies etwa einmal wöchentlich, in anderen Fällen teils öfter, teils nur punktuell. In knapp 90% der Einrichtungen werden Bibliotheken besucht. Hierbei handelt es sich eher um ein punktuelles Angebot, das aber doch in etwa der Hälfte der Einrichtungen regelmäßig (mindestens alle zwei bis drei Monate) durchgeführt wird. In nahezu allen Einrichtungen können sich die Kinder jederzeit ohne Hilfe von Erwachsenen Bücher nehmen. Bücher in mehreren Spra-chen stehen in knapp drei Vierteln der Fälle (73,1%) zur Verfügung, wobei diese Bücher nur in 20,7% der Einrichtungen jederzeit zugänglich sind.

Auch Musik ist von hoher Bedeutung. In den meisten Einrichtungen (89,4%) wird täglich gesungen. Angebote mit Musikinstrumenten gibt es in fast allen Einrichtungen, wobei die Häufigkeit deutlich variiert. In einem guten Drittel der Einrichtungen (35,1%) gibt es ein derartiges Angebot einmal wöchentlich, in einem weiteren Drittel (33,2%) öfter. Noch etwas häufiger werden Angebote mit Musik und Bewegung durchgeführt; in etwa drei Vierteln der Einrichtungen (75,9%) geschieht dies mindestens einmal pro Woche. In den meisten Einrichtungen können sich die Kinder auch selbst Musikinstrumente nehmen und Musik machen; jedoch gibt es diese Möglichkeit nur in einem knappen Drittel der Einrichtungen (32,2%) jederzeit, in einem knappen Viertel (24,0%) hingegen nur selten.

In der Hälfte der Einrichtungen können sich die Kinder jederzeit CDs oder Kassetten nehmen, um Hörspiele zu hören. In jeder fünften Einrichtung hingegen gibt es dieses Angebot nicht oder nur selten. Mit Kassettenrecordern eigene Texte aufnehmen können die Kinder in zwei Dritteln der Einrichtungen (66,8%), jedoch steht diese Möglichkeit meistens nur selten zu Verfügung und ist nur bei in 8,2% der Einrichtungen immer nutzbar. Einen Computer können die Kinder in 41,8% der Einrichtungen nutzen, allerdings in der Mehrheit der Fälle nur selten. In 7,7% der Fälle steht dieses Angebot immer zur Verfügung.

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51

Tabelle 5.5: Welche Angebote gibt es in Ihrer Einrichtung? (Nennungen in %)

Fast täglich

ca. 2mal pro Wo-

che

1mal pro Wo-

che

1 bis 2mal pro Monat

alle 2 bis 3

Monate

seltener nie

Wir lesen in der gesamten Gruppe Bücher vor.

63,9 14,9 11,1 2,9 1,4 2,9 2,9

Wir gestalten Bilderbuch-betrachtungen in Klein-

gruppen (mit bis zu 5 Kin-dern).

44,2 29,8 18,3 2,9 0,0 2,4 2,4

In unsere Einrichtung kommen „Vorlesepaten“

(bspw. Senior/inn/en, Schüler/innen usw.).

4,8 5,8 50,5 7,2 1,4 12,5 17,8

Wir singen mit der Gruppe. 89,4 5,3 1,4 0,0 0,0 0,5 3,4

Wir machen Angebote mit Musikinstrumenten.

14,4 18,8 35,1 18,3 3,8 5,8 3,8

Wir machen Angebote mit Musik und Bewegung.

38,5 27,4 24,0 6,7 0,0 1,0 2,4

Wir besuchen Bibliotheken. 1,0 1,0 7,2 22,6 19,2 37,5 11,5

Tabelle 5.6: Welche Möglichkeiten können die Kinder in Ihrer Einrichtung nutzen?

(Nennungen in %)

immer meistens selten nie

Kinder können sich ohne Hilfe von Erwachsenen Bücher nehmen.

98,2 2,4 0,0 1,4

Kinder können sich mit Büchern in mehreren Sprachen (z. B. ihren Muttersprachen) beschäftigen.

20,7 11,5 40,9 26,9

Die Kinder können sich CDs/Kassetten nehmen, um Hör-spiele zu hören.

51,0 29,8 16,8 2,4

Die Kinder können mit Kassettenrecordern eigene Texte aufnehmen.

8,2 7,7 51,0 33,2

Die Kinder können sich Musikinstrumente nehmen und selbst Musik machen.

32,7 37,0 24,0 6,3

Die Kinder können in der Einrichtung einen Computer nutzen

7,7 8,2 26,0 58,2

Um die Intensität der Nutzung von Büchern, von Musik und von Medien vergleichbar zu machen, wurden in einem ersten Schritt drei Bereiche gebildet: a) Bücher (mit den Items „Wir lesen in der gesamten Gruppe Bücher vor“, „Wir gestalten Bilder-

buchbetrachtungen in Kleingruppen“, „In unsere Einrichtung kommen Vorlesepaten“, „Wir besu-chen Bibliotheken“, „Kinder können sich ohne Hilfe von Erwachsenen Bücher nehmen“, „Kinder können sich mit Büchern in mehreren Sprachen (z. B. ihren Muttersprachen) beschäftigen“;

b) Musik: „Wir singen mit der Gruppe“, „Wir machen Angebote mit Musikinstrumenten“, „Wir ma-chen Angebote mit Musik und Bewegung“, „Die Kinder können sich Musikinstrumente nehmen und selbst Musik machen“;

c) Medien: „Die Kinder können sich CDs/Kassetten nehmen, um Hörspiele zu hören“, „Die Kinder können mit Kassettenrecordern eigene Texte aufnehmen“, „Die Kinder können in der Einrich-tung einen Computer nutzen“.

Anschließend wurden für die Ausprägungen Punkte vergeben:

Tabelle 5.5: „fast täglich“ = 6; „ca. 2mal pro Woche“ = 5; „1mal pro Woche“ = 4; „1 bis 2mal pro Monat“ = 3; „alle 2 bis 3 Monate“ = 2; „seltener“ = 1; „nie“ = 0;

Tabelle 5.6: „immer“ = 6; „meistens“ = 4; „selten“ = 2; „nie“ = 0. Im Bereich „Bücher“ waren damit theoretisch maximal 36 Punkte zu erreichen, im Bereich „Musik“ 24 Punkte und im Bereich „Medien“ 18 Punkte. Tabelle 5.7 gibt einen Überblick über die Verteilung

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der Einrichtungen. Hier zeigt sich, dass die Spreizung nicht sehr groß ist; im Bereich „Bücher“ er-reichen knapp zwei Drittel der Einrichtungen relativ eng beieinander liegende Werte von zwischen 21 und 27 Punkten; im Bereich „Musik“ ist eine ähnlich hohe Anzahl mit Werten zwischen 16 und 22 Punkten zu verzeichnen; im Bereich „Medien“ liegt ein großer Teil der Werte bei 6 bis 10 Punk-ten.

Tabelle 5.7: Nutzung von Büchern, Musik und Medien

Index Bücher Index Musik Index Medien

Punkte Prozent Prozent Prozent

0 k.A. 1,4 k.A. 1,4 k.A. 1,4

1 (sehr hoch) ab 28 Punkte 16,3 ab 23 Punkte 12,5 ab 12 Punkte 16,3

2 (hoch) 26-27 Punkte 17,3 20-22 Punkte 28,8 10 Punkte 13,5

3 (mittel) 23-25 Punkte 26,4 18-19 Punkte 22,6 8 Punkte 24,0

4 (niedrig) 21-22 Punkte 15,9 16-17 Punkte 14,9 6 Punkte 24,5

5 (sehr niedrig) bis 20 Punkte 22,6 bis 15 Punkte 19,7 bis 4 Punkte 20,2

Gesamt 100 Gesamt 100 Gesamt 100

Vergleicht man nun die durchschnittlichen Mittelwerte der Sprachstandsentwicklung in den soeben definierten Kategorien der Nutzung von Büchern, Musik und Medien, so lassen sich keine eindeu-tigen Schlussfolgerungen ziehen. Zunächst fällt auf, dass sich die durchschnittlichen Mittelwerte in den Kategorien mit sehr hoher und sehr niedriger Nutzung jeweils deutlich unterscheiden: Bei sehr hoher Nutzung von Büchern liegt der durchschnittliche Mittelwert bei der Sprachstandsentwicklung bei 2,73, während er bei sehr niedriger Nutzung nur 3,38 erreicht; bei der Nutzung von Medien sieht das Bild ähnlich aus (2,85 und 3,23). Bei der Nutzung von Musik hingegen entsteht das um-gekehrte Bild: Bei sehr geringer Nutzung wird der Mittelwert 2,62 erzielt, bei sehr hoher Nutzung nur der Wert 3,12. Auf den ersten Blick könnte man daraus folgern, dass sich die intensive Nut-zung von Büchern und Medien positiv auf die Sprachstandsentwicklung auswirkt, die Nutzung von Musik hingegen nicht. Hinter eine solche Schlussfolgerung ist jedoch allein schon angesichts der letztlich nur geringen Differenz zwischen den Mittelwerten ein Fragezeichen zu setzen. Hinzu kommt, dass es zwar jeweils die Unterschiede zwischen den Gruppen mit der niedrigsten und höchsten Nutzung gibt, jedoch keine eindeutige Tendenz beim Vergleich der drei Gruppen mit ho-her, mittlerer und niedriger Nutzungsintensität. Dieses wiederum kann damit zusammenhängen, dass die ermittelten Punktzahlen, wie soeben angesprochen, relativ nah beieinander liegen. Dass sehr geringe Unterschiede in der Nutzungsintensität keine deutlichen Unterschiede in der Sprachstandsentwicklung produzieren, ist naheliegend.

5.2.5 Sprachförderung als Thema von Teambesprechungen

Das Thema „Sprachentwicklung und Sprachförderung“ ist häufig Thema von Teambesprechungen. In 21,0% der Einrichtungen wird das Thema sogar mindestens zweimal monatlich behandelt, in nur 13,1% der Fälle einmal im Halbjahr oder seltener. In der Mehrzahl der Einrichtungen steht das Thema einmal monatlich (30,2%) oder alle ein bis drei Monate (31,7%) auf der Tagesordnung.

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Abbildung 5.1: Sprache als Teamthema (Angaben in Prozent)

Einrichtungen, in denen die Sprache sehr häufig (mindestens zweimal monatlich) Teamthema ist, weisen eine günstigere Entwicklung im Sprachstand auf: Der Sprachstandsentwicklungsindex liegt bei ihnen mit Mittel bei 2,45; bei Einrichtungen, die das Thema monatlich bis alle drei Monate im Team aufgreifen, erreicht der Index 2,97, in Einrichtungen, in denen die Sprache seltener themati-siert wird, erreicht er 3,2.

5.2.6 Fortbildungen In fast allen Kitas haben Mitarbeiter/innen in den letzten fünf Kindergartenjahren an Fortbildungen zum Thema Sprachförderung teilgenommen. Nur 3,6% nennen keine Fortbildungen. Der Anteil der Mitarbeiter/innen, die an Fortbildungen teilgenommen haben, fällt hingegen höchst unterschiedlich aus. 14,0% der Befragten geben an, dass er bei 100% liegt; in einem Viertel der Einrichtungen erreicht dieser Anteil hingegen maximal 30%. Tabelle 5.8 gibt einen Überblick über die Verteilung.

Tabelle 5.8: Index Fortbildungsanteil

Häufigkeit Prozent Gültige Prozente Kumulierte Pro-zente

Gültig (1) über 80% 37 17,8 20,1 20,1

(2) über 60% bis 80% 28 13,5 15,2 35,3

(3) über 40% bis 60% 39 18,8 21,2 56,5

(4) über 25% bis 40% 42 20,2 22,8 79,3

(5) bis 25% 38 18,3 20,7 100,0

Gesamt 184 88,5 100,0

Fehlend Keine Angabe 24 11,5

Gesamt 208 100,0

Sowohl die Inhalte der Fortbildungen als auch die Form (Teamqualifizierung oder Teilnahme eines Teils der Mitarbeiter/innen an – in der Regel externen – Angeboten) und der Anteil der fortgebilde-ten Mitarbeiter/innen stellen sich sehr unterschiedlich dar. Tabelle 5.9 gibt einen Überblick darüber.

21

30,2

31,7

3,9

10,2

2,9

0

5

10

15

20

25

30

35

Sprache als Teamthema

2 mal im Monat oder öfter

1 mal im Monat

alle 1 bis 3 Monate

alle 4 bis 5 Monate

1 mal pro Halbjahr

seltener als 1 mal pro Halbjahr

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Tabelle 5.9: Fortbildungen: Inhalte und Anteil der Mitarbeiter/innen (Angaben in % der Nennungen)

a) Programm in Essen

Teamfort-bildung

mehr als 50% der Mitarbei-ter/innen

zwischen 25% und 50% der Mitarbei-

ter/innen

bis zu 25% der

Mitarbei-ter/innen

Nicht ge-nannt

Gemeinsame Fortbildungen der Essener Träger

Kommunikation im sozialen Raum

5,3 9,1 10,6 19,2 55,8

Didaktik und Methodik der Sprachförderung

6,3 14,4 14,9 21,2 43,3

Sprachbildung und Sprachför-derung in Kita und Grundschu-

le

5,8 13,9 12,5 23,1 44,7

RAA/Jugendamt Essen

Interkulturelle Sprachförde-rung und Elternbildung im

Elementarbereich

15,4 10,1 8,7 16,8 49,1

DJI

Sprachliche Förderung in der Kita

6,7 6,3 5,3 20,2 61,6

b) Themen

Sprachentwicklung 18,8 17,3 16,8 22,6 24,6

Interkulturelle Pädagogik 13,0 5,8 10,6 21,2 49,5

Zweitsprachenerwerb 7,7 6,3 8,2 19,2 58,7

Sprachförderung U3 7,7 7,2 8,7 26,9 49,6

Zusammenarbeit mit Eltern 8,7 11,1 12,0 17,3 51,0

Sprache und Bewegung 10,4 14,9 30,8 26,4 29,3

Sprache und Musik 5,3 14,9 11,1 27,4 44,8

Sehr schön deutlich wird die unterschiedliche Nutzung von Fortbildungen und Themen in den fol-genden Abbildungen. Sowohl bei den Fortbildungsarten als auch bei den Fortbildungsthemen hat ein sehr großer Anteil der Einrichtungen „nicht genannt“ bzw. „keine Teilnahme“ angegeben.

Abbildung 5.2: Beteiligung an Fortbildungen (1) (Angaben in %)

5,3

6,3

5,8

15,4

6,7

9,1

14,4

13,9

10,1

6,3

10,6

14,9

12,5

8,7

5,3

19,2

21,2

23,1

16,8

20,2

55,8

43,3

44,7

49,1

61,6

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Kommunikation im soz. Raum

Didaktik u. Methodik d. Sprachför.

Sprachbil. u. Sprachför. in Ki. u. Gr.

Interkult. Sprachför. u. Elternbil.

Sprachliche Förderung in der Kita

Teamfortbildung

mehr als 50 % der MitarbeiterInnen

zw. 25% und 50 % der MitarbeiterInnen

bis zu 25% der MitarbeiterInnen

nicht genannt

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55

Abbildung 5.3: Beteiligung an Fortbildungen (2) (Angaben in %)

Um einen Überblick über die Intensität der Fortbildungsaktivitäten zu gewinnen, wurden für jede Nennung der Kategorie „Teamfortbildung“ 4 Punkte vergeben, für mehr als 50% der Mitarbei-ter/innen 3 Punkte, für zwischen 25% und 50% 2 Punkte und für bis zu 25% 1 Punkt. Bei insge-samt 12 abgefragten Kategorien in der Fortbildung waren also theoretisch maximal 48 Punkte zu erzielen. Tabelle 5.10 gibt einen Überblick über die Verteilung der Einrichtungen und verdeutlicht, dass die Unterschiede in der Menge der Fortbildungsaktivitäten recht groß sind..

Tabelle 5.10: Fortbildungsindex

Häufigkeit Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente

Gültig ab 24 Punkte 37 17,8 18,6 18,6

17-23 Punkte 41 19,7 20,6 39,2

11-16 Punkte 38 18,3 19,1 58,3

5-10 Punkte 49 23,6 24,6 82,9

bis 4 Punkte 34 16,3 17,1 100,0

Gesamt 199 95,7 100,0

Fehlend Keine Angabe 9 4,3

Gesamt 208 100,0

Beeinflusst wird die Fortbildungsintensität anscheinend von der sozialen Situation der Familien in der Einrichtung. Bei einem Sozialindex von 1 liegt der Index für die Fortbildungsintensität bei durchschnittlich 3,31, bei einem Sozialindex von 5 bei 2,45. Bei den mittleren Gruppen gibt es kei-ne eindeutige Rangfolge (2: 2,97; 3: 3,31; 4: 3,02). Ein hoher Problemdruck in der sozialen Situati-on scheint demnach zu steigenden Aktivitäten in der Fortbildung zu führen.

Zusammenhänge zwischen den Anteilen der fortgebildeten Mitarbeiter/innen, der Menge der Fort-bildungsaktivitäten oder den einzelnen Inhalten mit der Sprachstandsentwicklung sind kaum er-kennbar. Bei Einrichtungen mit sehr hohen Fortbildungsaktivitäten liegt der durchschnittliche Mit-telwert der Sprachstandsentwicklung bei 2,67, bei Einrichtungen mit sehr geringer Aktivität bei 3,16, bei den mittleren Gruppen gibt es geringfügige Unterschiede (2: 2,96; 3: 2,92; 4: 3,16).

Von Bedeutung scheinen Teamfortbildungen zu sein. Prüft man bei den einzelnen Inhalten, inwie-weit Fortbildungen stattgefunden haben, lassen sich nur geringe Zusammenhänge mit der Sprachstandsentwicklung identifizieren. Fragt man jedoch speziell nach Teamfortbildungen, so ergibt sich bei allen Inhalten ein günstigerer Mittelwert bei der Sprachstandsentwicklung, als wenn

18,8

13

7,7

7,7

8,7

10,4

5,3

17,3

5,8

6,3

7,2

11,1

14,9

14,9

16,8

10,6

8,2

8,7

12

30,8

11,1

22,6

21,2

19,2

26,9

17,3

26,4

27,4

24,6

49,5

58,7

49,6

51

29,3

44,8

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Sprachentwicklung

Interkulturelle Pädagogik

Zweitsprachenerwerb

Sprachförderung U3

Zusammenarbeit mit Eltern

Sprache und Bewegung

Sprache und Musik

Teamfortbildung

mehr als 50 % der MitarbeiterInnen

zw. 25% und 50 % der MitarbeiterInnen

bis zu 25% der MitarbeiterInnen

nicht genannt

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56

dies nicht der Fall war. Da die Anzahl der Einrichtungen, in denen Teamfortbildungen stattfanden, bei jedem der angesprochenen Inhalte relativ klein ist, ist diese Aussage mit Vorsicht zu betrach-ten; in der Summe kommt ihr jedoch Bedeutung zu: Einrichtungen, die vier und mehr Teamfortbil-dungen aufweisen, erreichen bei der Sprachstandsentwicklung einen Mittelwert von 2,30 (gegen-über 2,95 im Durchschnitt und gegenüber 3,06 bei Einrichtungen ohne Teamfortbildung). Zusam-men mit den Ergebnissen zu der Bedeutung von Sprachförderung als Teamthema kann man da-raus folgern, dass insbesondere die Auseinandersetzung mit Sprachförderung im Team positive Auswirkungen hat.

5.2.7 Konzepte der Sprachförderung Die Sprachentwicklung aller Kinder wird durch den Alltag in der Kita gefördert. Im Zusammenhang mit Konzepten der Sprachförderung wurden die Einrichtungen danach gefragt, ob sie darüber hin-aus zusätzliche Angebote der Sprachförderung machen. In der Mehrzahl der Fälle – nämlich bei 87,0% – wird dies bejaht. Dabei kommen unterschiedliche Formen von Zusatzangeboten zum Ein-satz:

Abbildung 5.4: Zusatzangebote zur Sprachförderung (Angaben in %)

Fast immer betreffen diese Zusatzangebote die Förderung von Kindern, die nach Delfin 4 Sprach-förderungsbedarf haben (81,3% aller Befragungseinrichtungen); für Kinder, die nach SISMIK/SELDAK oder anderen Verfahren Sprachförderbedarf haben, gibt es in 61,5% der Kitas besondere Angebote. In 44,7% der Fälle richten sich die Angebote an alle Kinder, die Spaß daran haben. 40,4% der Einrichtungen benennen Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen Sprachför-derbedarf haben, als Zielgruppe; des Weiteren werden in 39,9% der Einrichtungen Kinder ange-sprochen, die aus anderen pädagogischen Gründen teilnehmen sollten. In einem knappen Drittel der Einrichtungen bezieht die zusätzliche Sprachförderung als Regelprogramm alle Kinder ein (32,7%). Eine vergleichsweise geringe Rolle spielen spezielle Angebote für Kinder mit nicht-

32,7

44,7

81,3

61,5

19,7

10,6

40,4 39,9

67,3

55,3

18,7

38,5

80,3 80,4

59,6 60,1

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

genannt

nicht genannt

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57

deutscher Muttersprache: Deutsch-Angebote für diese Kinder gibt es in 19,7% der Einrichtungen, Angebote zur Förderung der Muttersprache in 10,6%.

Deutsch-Angebote und Angebote zur Förderung der Muttersprache für nicht-deutschsprachige Kinder gibt es tendenziell häufiger in Einrichtungen mit einem hohen Anteil dieser Kinder; eindeuti-ge Zusammenhänge bestehen dabei jedoch nicht. Auch bei Einrichtungen mit einem Anteil von über 60% an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache sind solche Angebote keine Selbstver-ständlichkeit; umgekehrt gibt es auch bei einzelnen Einrichtungen mit nur geringem Anteil eine besondere Förderung (Abbildung 5.5 und 5.6).

Abbildung 5.5: Deutsch-Angebote für Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache (Angaben in %)

Abbildung 5.6: Angebote zur Förderung der Erstsprache für Kinder mit nicht-deutscher Mutterspra-che (Angaben in %)

93,2

84,2

75,773,8 73,3

6,8

15,8

24,326,2 26,7

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

bis 10 % 10 % bis unter 25 % 25 % bis unter 40 % 40 % bis unter 60 % ab 60 %

keine Deutsch-Angebote für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache

Deutsch-Angebote für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache

Anteile von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache in den Kitas

100

92,194,6

78,682,2

0

7,95,4

21,417,8

0

20

40

60

80

100

120

bis 10 % 10 % bis unter 25 % 25 % bis unter 40 % 40 % bis unter 60 % ab 60 %

keine Angebote zur Förderung der Erstsprache für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache

Angebote zur Förderung der Erstsprache für Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache

Anteile von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache in den Kitas

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Die Anzahl der Zusatzangebote bzw. der angesprochenen Zielgruppen ist in den Einrichtungen höchst unterschiedlich. Manchmal wird nur eine einzelne Zielgruppe angesprochen, manchmal gibt es ein breites Spektrum (Tabelle 5.11). Einrichtungen, die bei Frage 1 Zusatzangebote als Schwerpunkte ihres Sprachförderungskonzeptes angegeben haben, machen tendenziell mehr Angebote als Einrichtungen, die dies nicht getan haben (Korrelation 0,235).

Tabelle 5.11: Index Zusatzangebote

Häufigkeit Prozent Kumulierte Prozente

6-8 Angebote 31 14,9 14,9

4-5 Angebote 70 33,7 48,6

3 Angebote 37 17,8 66,3

1-2 Angebote 43 20,7 87,0

keine Angebote 27 13,0 100,0

Gesamt 208 100,0

Die Existenz eines breiten Spektrums von Zusatzangeboten und einer Vielfalt von einbezogenen Zielgruppen wirkt sich positiv auf die Sprachentwicklung aus. Einrichtungen, die 6 bis 8 der abge-fragten Formen von Zusatzangeboten nutzen, erreichen einen durchschnittlichen Sprach-standsentwicklungsindex von 2,48 (gegenüber 2,95 insgesamt). Dieser Befund deckt sich mit ei-nem Ergebnis aus der Analyse der Schwerpunkte (vgl. 5.2.1): Wenn mindestens zwei Nennungen von Zusatzangeboten (bspw. „Kleingruppen“ und „individuelle Förderung“) vorliegen, erreicht der Sprachstandsentwicklungsindex einen durchschnittlichen Wert von 2,12. Unterschiede für einzelne Angebotsformen lassen sich hingegen nicht identifizieren.

Einrichtungen, die mit einer schwierigen sozialen Situation konfrontiert sind, machen tendenziell mehr Zusatzangebote. Bei Einrichtungen mit dem Sozialindex 5 beträgt der durchschnittliche Index der Zusatzangebote 2,63; bei Einrichtungen mit dem Sozialindex 1 3,05. Wie schon mehrfach be-obachtet, sind die Rangfolgen zwischen den mittleren Gruppen allerdings nicht eindeutig (2: 2,83; 3: 3,11; 4: 2,61).

Aufgrund der Delfin-4-Ergebnisse erhalten die Einrichtungen Gelder für die Sprachförderung. Nur bei 6,7% der Einrichtungen ist dies nicht der Fall. Von denjenigen Einrichtungen, die Gelder erhal-ten, beschaffen 81,8% aus diesem Budget Materialien und Medien. Je etwa ein Drittel investiert in die Fortbildung von Erzieher/inne/n (34,3%) und/oder in die Beschäftigung zusätzlicher Kräfte zur Entlastung der Erzieher/innen (33,2%). Externe Sprachförderkräfte werden in einem knappen Vier-tel der Fälle (24,0%) finanziert. Nur in 5,3% der Fälle findet sich eine Aufstockung des Stundende-putats der Erzieher/innen.

Abbildung 5.7: Einsatz von Geldern für die Sprachförderung (Angaben in %)

24

5,3

33,2

81,8

34,3

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

Einsatz von Geldern für die Sprachförderung

Externe Sprachförderkräfte

Aufstockung des Stundendeputats der ErzieherInnen

zusätzliche Kräfte zur Entlastung der ErzieherInnen

Materialien,Medien

Fortbildung der ErzieherInnen

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59

In etwa der Hälfte der Einrichtungen (50,8%) ist das Sprachförderkonzept schriftlich fixiert. Hier lassen sich keinerlei Zusammenhänge mit der Sprachstandsentwicklung feststellen; der Anteil von etwa 50% findet sich in allen Kategorien des Gesamtindexes Sprachstandsentwicklung. Unter-schiede gibt es allerdings je nach Sozialstruktur: Je schwieriger die soziale Situation, desto häufi-ger haben die Einrichtungen ein schriftliches Konzept: Während ein solches Konzept nur in 35,9% der Einrichtungen mit dem Sozialindex 1 vorzufinden ist, existiert es in 61,0% der Einrichtungen mit dem Soziaindex 5 (2: 44,7%; 3: 57,6%; 4: 54,3%).

64,4% der Befragten geben an, dass in ihren Einrichtungen auch veröffentlichte Konzepte (Trai-nings, Programme usw.) zur Sprachförderung benutzt werden. Dabei gibt es erhebliche Unter-schiede in Bezug auf die Frage, welche Konzepte eingesetzt werden und wie der Einsatz gehand-habt wird.

Tabelle 5.12: Einsatz von Konzepten zur Sprachförderung

in Einzelfällen

regelmäßig / für Kleingruppen

mit allen Kindern nein

Kon Lab von Zvi Penner 7,7 10,6 1,0 80,8

„Wir verstehen uns gut“/ Elke Schlösser

9,1 8,7 1,9 80,3

Würzburger Trainingspro-gramm

4,3 5,8 0,5 89,4

Hören Lauschen Lernen 12,6 12,6 5,8 69,3

Hocus und Lotus 0,0 0,5 1,0 98,6

Des Weiteren werden insgesamt etwa 30 weitere Programme genannt (die meisten davon nur einmal), mehr als einmal (maximal in vier Fällen) werden „Das bin ich“, „Wuppi“ und „Max“ ange-sprochen. Tabelle 5.12 zeigt, dass der Einsatz der Programme nur in wenigen Einrichtungen flä-chendeckend erfolgt; in der Regel werden sie für die Förderung in Einzelfällen und/oder in Klein-gruppen genutzt. Im Gegensatz zur Existenz von Zusatzangeboten oder eines schriftlichen Kon-zeptes lassen sich hier keine Unterschiede je nach Sozialstruktur feststellen.

Einrichtungen, die solche Konzepte nutzen, erreichen einen geringfügig besseren durchschnittli-chen Mittelwert bei der Sprachstandsentwicklung (2,79) als solche, die dies nicht tun (3,17). Die günstigsten Werte werden bei allen Programmen dann erreicht, wenn sie für alle Kinder genutzt werden; hier liegen die Mittelwerte zwischen 2,0 und 2,5. Allerdings ist dieses Ergebnis angesichts der sehr geringen Anzahl der Einrichtungen mit flächendeckendem Einsatz nur mit großer Vorsicht zu betrachten. Unterschiede zwischen den Einrichtungen, die mit der Nutzung eines bestimmten Konzeptes verbunden wären, lassen sich nicht feststellen.

35,1% der Einrichtungen geben an, dass sie (außer SISMIK/SELDAK und Delfin 4) weitere Beo-bachtungs- oder Diagnoseverfahren anwenden, um den Sprachförderbedarf zu erkennen. Bei der Frage, welche Verfahren zum Einsatz kommen, wird teilweise allgemein auf „Beobachtungsbogen“ oder „selbstentwickeltes Konzept“ verwiesen; außerdem werden einige Instrumente mehrfach ge-nannt, so zum Beispiel der Gelsenkirchener Entwicklungsbegleiter (8), das „Entwicklungsgitter“ nach Kiphard (10) die Leuvener Engagiertheitsskala (2) oder das Bielefelder Screening (2). Nach Erfahrungen aus der Praxis ist davon auszugehen, dass diese hier genannten Instrumente in deut-lich mehr Kitas genutzt werden, als dies aus der Befragung ersichtlich ist; viele Einrichtungen ord-nen sie jedoch wahrscheinlich nicht speziell der Sprachförderung zu und haben sie daher in die-sem Zusammenhang nicht genannt. Insofern ist der Aussagewert der Antworten auf diese Frage sehr begrenzt.

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5.2.8 Die Rolle der Eltern bei der Sprachförderung

Allgemein wird vermutet, dass die Einbeziehung der Eltern in die Sprachförderung eine große Rol-le spielt. 75,0% der Befragten nennen bestimmte Formen der Einbeziehung; 13,0% geben an, dass Eltern einbezogen werden, jedoch der Einbezug nicht genau festgelegt sei; 4,3% verneinen den Einbezug und 7,7% machen keine Angabe. Die Art und Weise, wie die Eltern einbezogen werden, sowie die Intensität unterscheiden sich zwischen den einzelnen Einrichtungen erheblich (Tabelle 5.13).

Tabelle 5.13: Formen des Elterneinbezugs (in % aller Befragten)

regelmäßig manchmal nicht genannt

Informationen über die Sprachförderung in der Einrichtung

52,9 16,3 30,8

Beratung über die Sprachförderung allge-mein

41,3 25,0 33,7

Anleitung zur häuslichen Sprachförderung allgemein

28,8 32,7 38,5

Anleitung zur häuslichen Sprachförderung in der Muttersprache

14,4 23,1 62,5

Elterngespräche über den Verlauf/Erfolg der Sprachförderung

64,4 8,7 26,9

Teilnahme der Eltern an der Sprachförde-rung ihres Kindes in der Einrichtung

6,3 20,7 73,1

Elterntraining 2,9 9,1 88,0

Eltern-Kind-Training 2,9 4,3 92,8

Rucksack-Programm mit Müttergruppen 14,9 3,4 81,8

Um die Intensität des Elterneinbezugs zu vergleichen, wurden für jede Ankreuzung der Kategorie „regelmäßig“ zwei Punkte, für die Kategorie „manchmal“ ein Punkt vergeben. Theoretisch waren damit für eine Einrichtung also maximal 18 Punkte zu erreichen. Tabelle 5.14 gibt einen Überblick über die Verteilung.

Tabelle 5.14: Index Elterneinbezug

Häufigkeit Prozent Gültige Prozente Kumulierte Prozente

Gültig ab 12 Punkte 40 19,2 19,3 19,3

10-11 Punkte 40 19,2 19,3 38,6

8-9 Punkte 38 18,3 18,4 57,0

2-7 Punkte 43 20,7 20,8 77,8

0-1 Punkt 46 22,1 22,2 100,0

Gesamt 207 99,5 100,0

Fehlend Keine Angabe 1 0,5

Gesamt 208 100,0

Bei einem Vergleich der Mittelwerte des Sprachstandsentwicklungsindexes zeigt sich, dass die Einrichtungen, die Eltern besonders stark einbeziehen (ab 12 Punkte), einen leicht günstigeren Wert aufweisen (2,67 gegenüber 3,03 im Durchschnitt); im Vergleich der vier anderen Gruppen (0-1 Punkt bis 10-11 Punkte) zeigt sich diese Tendenz nicht, hier sind keine relevanten Unterschiede im Mittelwert zu verzeichnen.

Wenn die soziale Situation der Familien schwierig ist, bemühen sich die Einrichtungen tendenziell stärker um eine Einbeziehung der Eltern. Bei Einrichtungen mit dem Sozialindex 1 erreicht der Index für den Elterneinbezug einen durchschnittlichen Wert von 3,61, bei Einrichtungen mit dem Sozialindex 5 liegt er bei 2,44. Die Werte zwischen den drei mittleren Gruppen weisen keine ein-deutige Reihenfolge auf (2: 3,04; 3: 3,31; 4: 3,00).

67,3% der Einrichtungen geben an, dass sie Maßnahmen und Projekte zur Elternbildung durchfüh-ren (zur Sprachförderung und/oder zu anderen Themen). 41,4% der Befragten berichten, dass ihre Einrichtung seit 2008 Elternbildungsmaßnahmen im Rahmen der „Präventionsoffensive“ („Ange-

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botsoffensive Elternbildung“) der Stadt Essen beantragt und durchgeführt hat. In mehr als der Hälf-te dieser Fälle (24,5% der Einrichtungen insgesamt) wurde diese Möglichkeit schon mindestens dreimal genutzt; 8,2% der Einrichtungen hatten bislang zwei Angebote, 8,7% ein Angebot. Fast alle Einrichtungen, die die Präventionsoffensive nutzen, haben in der vorhergehenden Frage an-gekreuzt, dass sie Maßnahmen und Projekte der Elternbildung durchführen. Dies bedeutet, dass 62,0% der Einrichtungen, die Maßnahmen und Projekte der Elternbildung anbieten, dafür zumin-dest teilweise Mittel aus der Präventionsoffensive einsetzen.

In Tabelle 5.15 wird deutlich, welche Inhalte die Programme und Maßnahmen haben und wie häu-fig sie angeboten werden. Dabei zeigt sich, dass das Elterncafé – ein sehr niedrigschwelliges An-gebot – von knapp 40% der Einrichtungen mehrmals im Jahr angeboten wird. Das Rucksack-Projekt, das ausschließlich für Einrichtungen mit einem relativ hohen Anteil an Kindern mit Migrati-onshintergrund bedarfsgerecht ist, wird von 12,5% der Einrichtungen mehrfach jährlich durchge-führt. Einen hohen Stellenwert hat der Kurs „Starke Eltern – starke Kinder“; er steht in fast einem Viertel der Einrichtungen regelmäßig auf dem Programm (5,8% mehrmals jährlich, 17,3% einmal im Jahr); hinzu kommen 8,7% der Einrichtungen, die dieses Angebot bislang einmal gemacht ha-ben. Alle weiteren Kurskonzepte werden offenkundig eher punktuell und nur von einzelnen Einrich-tungen eingesetzt. Bei der offenen Frage nach weiteren Angeboten werden vor allem thematische Elternabende, -nachmittage und -frühstücke genannt, darüber hinaus diverse Eltern-Kind-Aktionen wie beispielsweise Spielenachmittage oder ein Eltern-Kind-Chor.

Tabelle 5.15: Welche Programme/Maßnahmen setzen Sie für die Elternbildung ein?

(in Prozent der Einrichtungen)

nicht ge-nannt

erstmals in Planung

bisher einmal

ein Angebot pro Jahr

mehrmals im Jahr

Elterncafé (offenes Angebot) 53,4 5,3 1,0 1,4 38,9

Rucksack 84,6 0,5 1,0 1,4 12,5

TAFF („Training, Anleitung, Förde-rung von und für Familien“)

86,1 2,4 2,9 5,8 2,9

FuN („Familie und Nachbarschaft“) 94,7 0,0 1,4 1,9 1,9

FuN Baby 97,1 1,0 0,0 0,5 1,4

SiS („Sprache im Spiel“) 95,2 0,5 1,0 1,0 2,4

KiTa-MOVE („Motivierende Kurzin-tervention bei Eltern im Elementar-

bereich“)

96,2 1,4 1,0 1,4 0,0

PEKiP („Prager-Eltern-Kind-Programm“)

95,7 1,0 1,4 0,5 1,4

STEP („Systematisches Training für Eltern und Pädagogen“)

96,2 0,5 2,4 1,0 0,0

Starke Eltern – Starke Kinder 65,9 2,4 8,7 17,3 5,8

Marte Meo 95,7 0,0 1,9 1,0 1,4

Efa („Essen fit + aktiv“) 92,3 1,0 0,5 1,9 4,3

Familientraining „EFFEKT“ 87,0 1,0 3,4 6,3 2,4

Tonis Liedergarten 93,8 1,4 1,4 0,5 2,9

Um einen Überblick über die Menge der Angebote in den einzelnen Einrichtungen zu erhalten, wurde für jedes in Planung befindliche Angebot 1 Punkt vergeben, bereits einmal durchgeführte Maßnahmen und Projekte erhielten 38 Punkte, ein jährliches Angebot 4 und ein mehrmals im Jahr stattfindendes Angebot 5 Punkte. Bei 14 abgefragten Elternbildungskonzepten waren also theore-tisch bis zu 70 Punkte zu erzielen, eine Zahl, die natürlich keine Einrichtung erreicht hat, denn viel-fach stehen die einzelnen Konzepte alternativ zueinander. Der Höchstwert liegt bei 49 Punkten, der zweite bei 43 und der dritte bei 35.

8 Die Punktzahl 2 wurde ausgespart, um einen hinreichenden Abstand in der Bewertung von nur geplanten

oder bereits vorhandenen Angeboten zu erreichen.

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62

Deutlich wird bei der Familienbildung auch der Unterschied zwischen Einrichtungen, die Familien-zentrum sind, und anderen Kitas. In 80,6% der Familienzentren gibt es ein Elterncafé, jedoch nur in 32,2% der anderen Einrichtungen. Tabelle 5.16 zeigt, dass Familienbildung auch darüber hinaus ein Kennzeichen von Familienzentren ist. 40,3% der Familienzentren (gegenüber 4,8% der ande-ren Einrichtungen) befinden sich in der Gruppe mit dem größten Umfang an Elternbildungsangebo-ten. Aber auch unter den Familienzentren gibt es einzelne Einrichtungen, die keinerlei derartige Angebote machen.

Tabelle 5.16: Elternbildung in Familienzentren und anderen Einrichtungen

Familienzentrum Gesamt

nein ja

Index Elternbildung ab 19 Punkte

Anzahl 7 25 32

% von Familienzentrum ja/nein

4,8% 40,3% 15,4%

12-18 Punkte

Anzahl 14 15 29

% von Familienzentrum ja/nein

9,6% 24,2% 13,9%

7-11 Punkte

Anzahl 22 10 32

% von Familienzentrum ja/nein

15,1% 16,1% 15,4%

2-6 Punkte

Anzahl 34 4 38

% von Familienzentrum ja/nein

23,3% 6,5% 18,3%

0-1 Punkt

Anzahl 69 8 77

% von Familienzentrum ja/nein

47,3% 12,9% 37,0%

Gesamt Anzahl 146 62 208

% von Familienzentrum ja/nein

100,0% 100,0% 100,0%

Zusammenhänge zwischen der Intensität der Elternbildungsarbeit und dem Sprachstands-entwicklungsindex sind nicht festzustellen. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Program-me allgemein auf den elterlichen Erziehungsauftrag ausgerichtet sind und nicht speziell die Sprachförderung in den Blick nehmen.

Die Intensität der Elternbildungsarbeit ist allerdings deutlich von der sozialen Situation der Einrich-tung beeinflusst. Bei Einrichtungen mit dem Sozialindex 1 beträgt der durchschnittliche Index der Elternbildung 4,0, bei Einrichtungen mit dem Sozialindex 5 liegt er bei 2,71. Die Werte in den drei mittleren Gruppen liegen dazwischen (2: 3,53; 3: 3,75; 4: 3,43).

Ein gutes Viertel der Befragten (26,9%) berichtet von Eltern-Kind-Gruppen für Familien mit unter dreijährigen Kindern, die noch keine Einrichtung besuchen. Informationen und Angebote zur Sprachförderung, die sich an Familien richten, deren Kind (noch) keine Kita besucht, werden von 38,5% der Einrichtungen genannt. Tabelle 5.17 zeigt, um welche Angebote es sich dabei handelt. Zusammenhänge zwischen diesen Angeboten vor der Kita-Zeit einerseits und der Sprachentwick-lung während der Kita-Zeit andererseits sind nicht zu erkennen.

Tabelle 5.17: Angebote für Familien, deren Kinder noch keine Kita besuchen (in % aller Einrichtungen)

regelmäßig manchmal nicht genannt

Wir führen Eltern-Kind-Gruppen durch und bezie-hen dabei die Sprachförderung ein.

11,5 3,4 85,1

Wir informieren Eltern bei der Anmeldung über Fragen der Sprachförderung.

28,8 5,8 66,4

Wir führen Sprachförderangebote für Kinder durch, die keine Kita besuchen.

6,3 7,7 86,0

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5.2.9 Der Übergang in die Grundschule

Die Frage „Wie gestalten Sie den Übergang in die Grundschule im Hinblick auf die Sprachförde-rung“ wurde offen gestellt und konnte ohne Vorgaben beantwortet werden. Die Antworten beinhal-ten somit die Einschätzung der Leitungskräfte zur Übergangsgestaltung im Hinblick auf die Sprachförderung. An der Beantwortung der Frage hat sich mit 80,2% ein sehr hoher Anteil der Einrichtungen beteiligt. Das zeigt, dass der Übergang Kita-Grundschule einen wichtigen Stellen-wert bei der Arbeit einnimmt und eine große Rolle bei der Sprachförderung spielt. Bei der folgen-den Kategorisierung haben sich vier Themenschwerpunkte ergeben: A. Entwicklung des Sprach- und Erfahrungshorizonts; B. Gezieltes Übergangsmanagement Kita-Grundschule; C. Zusätzliche Förderung, D. Elternarbeit.

Beim Themenfeld A „Entwicklung des Sprach- und Erfahrungshorizont“ wird die Unterstützung bei der Stärkung der phonologischen Bewusstheit und der Auseinandersetzung durch spezielle Trai-ningsprogramme, Wortschatzerweiterung und Rollen- bzw. Sprachspiele mit 22,0% am häufigsten genannt.

„Wir üben mit den Kindern freies Sprechen, rhythmisches Sprechen, Silben klatschen usw.“

„Bereits Erlerntes festigen; Vertrauen in die eigene Sprachfähigkeit“

„spielerischer Umgang mit Buchstaben und Zahlen, Rollenspiele, Sprachspiele, u.v.m.“

„Analyse des Sprachverhaltens“

„Besonderes Augenmerk auf Grammatik und das Nacherzählen bei den Schulanfängern“

„Spiele mit viel Sprache-Sprachdeutlichkeit-Konzentration-Bewegung“

„Kinderzeitung, Geschichtenwerkstatt“.

Der Erfahrungshorizont wird in 16,1% der Kitas durch verschiedene Aktivitäten und Ausflüge in Zusammenarbeit mit anderen städtischen Einrichtungen vor dem Übergang in die Grundschule gefördert. Besonders wichtig ist hierbei, dass die Kinder neben dem Kita-Alltag neue Erfahrungen in anderen sozialen Kontexten und im lebensnahen Umfeld machen können:

„Die zauberhafte Theaterwelt"

„Ausflüge: Feuerwehr, Polizei, Museum, Theater, etc.“

„Wortschatzerweiterung und Rücksichtnahme in Gesprächen bei Ausflügen in lebensnahem Umfeld (z.B. Bäckerei, Post, Feuerwehr, ...)“

„gezielte Angebote: Museumsbesuche, Ausflüge mit Besichtigungen, Theaterbesuche, Zahlen-land“

„Themen der letzten Jahre: Kunst in der Gruga, Kunst in Essen, Handwerker. Über jeden Aus-flug werden Protokolle der Kinder angelegt, wir unterhalten uns über das Gesehene.“

Beim gezielten Übergangsmanagement von der Kita in die Grundschule (Themenfeld B) gibt mit 62,3% ein sehr hoher Anteil der Einrichtungen an, dass eine intensive Zusammenarbeit mit der Grundschule beispielsweise durch aktive Gremienarbeit bzw. Kooperationsverträge besteht. Die Entbindung von der Schweigepflicht spielt ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Kooperation. Vor-schulprogramme werden bei der Sprachförderung gezielt eingesetzt. Regelmäßige Besuche in den Grundschulen oder Besuche der Lehrer/innen in den Kitas sind ebenfalls ein wichtiger Be-standteil der Zusammenarbeit. Zum Teil werden sogar Honorarkräfte eingestellt, die zur Vorberei-tung auf die Grundschule eingesetzt werden.

„Darüber hinaus machen wir mit den Kindern Vorschulaufgaben, meist auf freiwilliger Basis.“

„Intensive Zusammenarbeit seit Jahren mit den ansässigen Grundschulen (regelmäßige Tref-fen, Besuch der Schule, Besuch der Lehrer in der Kita, Auswertung SISMIK/SELDAK)“

„mit den Kindern gezielt freies Sprechen üben – durch gezielte Angebote 1x in der Woche –, die einen längeren Zeitraum benötigen, durch den Besuch in einer Schulklasse“

„das Kind mit seinen Stärken sehen; Austausch mit z.B. der Grundschule“

„Innerhalb des Begegnungsjahres Spielenachmittag mit zukünftigen Schulanfängern und Erzie-herinnen und LehrerInnen, Übergabegespräche mit Eltern, ErzieherInnen und zukünftige Klas-senlehrerInnen, Schnuppertage in der Schule, Elterninformationsnachmittag unter Beteiligung

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64

der Schulleitung, Klassenlehrer und ErzieherInnen des Ganztages, thematische, übergreifende Vorschulprojekte an den Bedarfen der Kinder orientiert“

„Wir gestalten Lesetage in der Kita und in einer Grundschule mit.“

Des Weiteren wird von 19,6% der Einrichtungen eine konzeptorientierte Förderung durch spezifi-sche Projektarbeit und Programme genannt. Hierzu zählen Projekte wie Hören-Lauschen-Lernen, Fit für Schule und Projekte mit Grundschulen.

„Sprachprojekt für Kinder vor der Einschulung“; “Vorschulgruppen Lernwelt Essen“

„Fit für die Schule ,…, Kids go mint Vorschulprogramm“

„Förderung durch BISC-Programm: Hören-Lauschen-Lernen“

„Projekt Mini-Schule“

„Durch die Testung im Bielefelder Screening können Kinder im letzten Jahr vor der Einschulung gezielt gefördert werden.“

„Sprachfördergruppe (von der Grundschule finanziert) mit Honorarkraft in unserer Einrichtung = Fit für die Schule“

„Zusätzlich zur angebotenen Sprachförderung bieten wir für Vorschulkinder das Pepino Pro-gramm an“

„AG im Jahr vor der Einschulung, einmal wöchentlich Klipp-und-Klar-Programm gemeinsam mit der Grundschule“

„Zwei Jahre vor der Einschulung beginnt unser Sprachförderprogramm nach Konlab“

Ein ebenfalls relevanter Punkt beim Übergangsmanagement ist für die Einrichtungen eine spezielle Förderung der Kinder in Gruppen (15,5% der Einrichtungen). Die Vorgehensweise kann dabei un-terschiedlich sein. Die Kinder werden sowohl in altershomogenen Gruppen – den so genannten Maxi-Gruppen – als auch in altersgemischten Gruppen gezielt gefördert und auf die Grundschule vorbereitet.

“Maxigruppe“

“Maxigruppe für Kinder im letzten Kindergartenjahr 1x/Wo. in Kleingruppe“

“Maxi Gruppe trifft sich 1-2mal die Woche. (päd. Ansatz Schulfähigkeit fordern)“

“mit der MAXI-Gruppe (Vorschulgruppe) kommt der Sprachförderung eine besondere Bedeu-tung zu“

“Gruppenübergreifende Zusammenführung der Vorschulkinder in eine Arbeitsgruppe, dort wer-den Textverständnis, Erzählkompetenz, mathematische Zahlen und Mengenerfassung sowie naturwissenschaftliche Erfahrungen spielerisch ganzheitlich gefördert, verstärkt und ausge-baut.“

Die Dokumentation der Sprachentwicklung auch für die spätere Arbeit der Lehrer/innen mit den Kindern, damit die weitere Förderung gewährleistet werden kann, wird von einem eher geringen Anteil (14,3%) der Kita-Einrichtungen als wichtiger Aspekt beim Übergangsmanagement genannt:

„Auswertungen SISMIK/SELDAK gehen an die Schule“

„Ergebnisse von SISMIK/SELDAK werden über die Eltern weitergegeben“

„Bildungsdokumentationen: Rücksprache mit Grundschule“

Einige Kitas geben noch zusätzliche Förderungen (Themenfeld C) als Arbeitsschwerpunkte für die Gestaltung des Übergangs im Hinblick auf die Sprachförderung an. Unter zusätzlicher Förderung werden hier hauptsächlich die musikalische und bewegungsorientierte Sprachförderung, die ma-thematisch-naturwissenschaftliche Förderung, die Förderung von Schlüsselkompetenzen und die individuelle Sprachförderung verstanden (13,7%).

„Bei uns findet eine individuelle Förderung nicht in festen Formen statt, sondern wird im tägli-chen Leben und Spiel berücksichtigt, der emotionale, soziale, kognitive und motorische Persön-lichkeitsbereich jedes einzelnen Kindes wird intensiv gefördert.“

„Vorschularbeit beginnt mit dem ersten Tag im Kindergarten (Sozialverhalten, Umgang mit un-terschiedlichen Materialien, Kennenlernen der Farben, naturwissenschaftliche Angebote, Musik, Bewegung, usw.)“

„Förderung der Selbständigkeit (auch in Bezug auf Kommunikation)“

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Der Anteil der Einrichtungen, der Elternarbeit (Themenfeld D) als besonderen Punkt bei der Sprachförderung als Vorbereitung auf die Grundschule nennt, liegt mit 10,1% relativ niedrig. In besonderem Maße werden hier die Elternsprechtage bzw. Elterngespräche zum Sprachstand und Elterninformationstage genannt. Wichtig ist hierbei, die Eltern darüber zu informieren, wie der Sprachstand des eigenen Kindes aussieht und welche Maßnahmen zur Verbesserung der Sprach-entwicklung zu Hause geübt werden können:

„Elterngespräche“

„Bei besonderer Auffälligkeit eines Kindes finden Gespräche in Rahmen des runden Tisches statt. Dort wird gemeinsam mit den Eltern überlegt, was für ihr Kind wichtig bis zur Einschulung ist.“

„Elternbildungsangebote für Kiga-Eltern und Grundschuleltern“

„Elterngespräche, wie Sprachförderung weitergeführt werden kann, wenn das Kind in die Schu-le kommt“.

5.2.10 Perspektiven der Sprachförderung

Zum Abschluss der Erhebung wurde gefragt, was aus der Sicht der Einrichtungen die Sprachförde-rung zentral weiterbringen würde. 70,7% der Befragungsteilnehmer/innen haben die Möglichkeit genutzt, diese Frage (teilweise auch ausführlich) zu beantworten. Mit weitem Abstand am häufigs-ten genannt wird hier die Forderung nach mehr Personal. 35,9% der befragten Leiter/innen spre-chen dieses Thema an; das heißt, die Hälfte derjenigen, die die offene Frage beantwortet haben, hält diesen Punkt für einen wesentlichen Faktor. Begründet wird dies vor allem mit der Zeit für indi-viduelle Zuwendung, die für eine in den Alltag integrierte Sprachförderung erforderlich ist:

„Kinder sprechen, um sich mitzuteilen, hierfür brauchen sie ein Gegenüber, das die nötige Zeit auch für Einzelgespräche hat.“

„Sprachentwicklung benötigt intensive Zeit für den Austausch und die Auseinandersetzung mit dem Kind. Hier geht es meiner Meinung nach nur über ausreichendes Personal, welches sich Zeit nehmen kann, Sprachanlässe zu geben, sie wieder aufzugreifen, und so die Möglichkeit bietet, eine differenzierte Sprache zu entwickeln.“

Meistens wird nur allgemein die Forderung nach mehr Personal formuliert; in einigen Fällen finden sich Ergänzungen und Konkretisierungen. Insbesondere betont ein gutes Drittel derjenigen, die mehr Personal für notwendig halten, dass es kleinere Gruppen geben müsse. Mehrfach genannt wird hier die Zahl von 15 Kindern als die optimale Gruppengröße. Aus dieser Perspektive geht es somit nicht nur um den Personal-Kind-Schlüssel im Allgemeinen, sondern auch um die Aufteilung der Gruppen: „Kleinere Gruppen (15 Kinder optimale Lerngruppe!)“. Auch die räumlichen Bedin-gungen werden in diesem Zusammenhang mehrfach angesprochen: „Kleinere Gruppen und eine ruhigere Atmosphäre (z.B. mehr Nebenräume), um gezielt individuelle Angebote durchführen zu können“.

Des Weiteren gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die Aufstockung des Personals konkret ausgestaltet sein sollte. Einige Befragte betonen, dass vor allem zusätzliches fest ange-stelltes Fachpersonal erforderlich sei („mehr Personal – festeingestellt, keine Honorarkräfte)“, und verweist allgemein auf eine Verbesserung des Personalschlüssels im KiBiz (Kinderbildungsgesetz NRW) und eine Erhöhung der Fachkraftstunden. Andere wünschen demgegenüber gezielt zusätz-liches, spezialisiertes Personal, wobei dessen Funktion – mit unterschiedlichen Schwerpunkset-zungen – sowohl in der Durchführung der Sprachförderung als auch in der Unterstützung des Teams gesehen wird

„Speziell geschulte Kräfte, die nur zur Sprachförderung eingesetzt werden.“

„Eine zusätzliche fest angestellte Kraft, die auf Sprachförderung spezialisiert ist.“

„Gut ausgebildete zusätzliche Sprachförder-Kräfte, die regelmäßig zusätzlich in die Kita kom-men und die Sprachförderung durchführen.“

„Zusätzlich einzusetzende qualifizierte Fachkräfte; Unterstützung durch Fachkräfte mit Schwer-punkt Integration und Elternbildung (Pädagogische Begleitung für die Mitarbeiter).“

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12,9% der Befragten sprechen das Thema der Qualifikation und Qualifizierung der Erzieher/innen an. Meistens geht es dabei um mehr bzw. bessere Fortbildungen. Dabei wird mehrfach die beson-dere Bedeutung von Teamfortbildungen betont:

„Es müsste mehr Möglichkeiten geben, mit dem gesamten Team an Fortbildungsmaßnamen zur Sprachförderung teilzunehmen.“

Einigen Äußerungen ist darüber hinaus eine implizite Kritik am Status quo zu entnehmen. Zum einen bezieht sich diese Kritik auf den gegenwärtigen Stand der Ausbildung; so schreibt eine Be-fragte, man müsse die „sprachliche Förderung bereits bei der Erzieherausbildung stärker berück-sichtigen“. Zum anderen geht es um die Rolle der einzelnen Erzieher/innen: Eine Befragte sieht es als wichtig an, „wenn darauf geachtet wird, dass bei den Erzieherinnen ein korrekter Sprachge-brauch selbstverständlich ist“, eine andere meint, man brauche „Erzieher, die sichtlich viel Spaß am Umgang mit Sprache und Literatur haben“.

Sechs Befragte sprechen das Thema „Testverfahren“ an. Hier steht die Kritik am Delfin-4-Test im Mittelpunkt. Unterschiedlich sind dabei die Auffassungen über die Konsequenzen aus dieser Kritik: Während einige Befragte ein „besseres Testverfahren“ fordern, halten andere ein solches Verfah-ren für Kita-Kinder für überflüssig und fordern, stattdessen auf Kompetenz und Erfahrungen der Erzieher/innen sowie auf eigene Dokumentationen bzw. auf die Verfahren SISMIK/SELDAK zu setzen:

„Delfin-4-Tests nur für Kinder, die keine Einrichtung besuchen, ansonsten Rückgriff auf Dokus der Gruppen.“

„Kein Delfin 4, sondern die Beobachtungen und Empfehlung der Erzieher ernst nehmen.“

„Die Ergebnisse von SISMIK/SELDAK sind wesentlich umfangreicher, aussagekräftiger und auch hilfreich für die Planung der anstehenden Fördermaßnahmen und sie basieren auf den tatsächlichen Fähigkeiten eines Kindes und nicht auf einer Momentaufnahme.“

Einige Befragte weisen darüber hinaus darauf hin, dass die für den Test eingesetzten Ressourcen ihrer Auffassung nach besser auf andere Weise genutzt werden könnten: „Wir benötigen nicht den Delfin-Test, um festzustellen, welche Kinder eine Sprachförderung brauchen. Dies ist Zeit, die alle Beteiligten anders/sinnvoller einsetzen könnten.“

Ein bedeutender Teil der Aussagen betrifft die Rolle der Eltern, die von 13,9% der Befragten the-matisiert wird. Einerseits wird hier mehrfach eine Verstärkung der Elternbildung und eine umfas-sende Information der Eltern gefordert:

„Elternschulungen!“

„Veröffentlichung über die Wichtigkeit der Sprache in allen gesellschaftlichen Schichten und Hilfe für die Eltern schon sehr früh. Aufklärung über die Wichtigkeit von Liedern, Geschichten und Reimen und die Ansprache der Kinder im Allgemeinen“

„Mehr Fachpersonal, im Besonderen zur Verbesserung der Elternarbeit, Förderung der Sprach-kompetenz der Eltern.“

Andererseits lässt sich aus vielen Äußerungen ablesen, dass die Befragten Defizite in der Haltung der Eltern sehen; hier werden Anforderungen formuliert, die die Eltern aus der Sicht der Befragten erfüllen sollten:

„Wenn Eltern pädagogische Inputs zuhause umsetzen, Einschränkung von TV-Konsum, Orga-nisation eines geregelten kindlichen Tagesablaufs, Gewährleistung regelmäßiger Sprachanläs-se.“

„Die Sprachentwicklung beginnt in der Familie, direkt nach der Geburt. Hier ist eine gute Aufklä-rungsarbeit bei Eltern und Familie notwendig, zumal viele Eltern in ihrer eigenen Kindheit dafür kein Vorbildverhalten aufgezeigt bekommen haben. In der Verbindung muss auch die Medien-erziehung ein wichtiger Teil der Elternbildung werden.“

Besonders hervorgehoben wird dabei von einigen Befragten das Anliegen, Eltern mit Migrations-hintergrund davon zu überzeugen, Kindern von Anfang an auch die deutsche Sprache zu vermit-teln:

„Eltern bereits von Anfang an über die Wichtigkeit der Mehrsprachigkeit aufzuklären. Eltern müssen die Notwendigkeit erkennen, die deutsche Sprache ihrem Kind näher zu bringen.“

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„Zweisprachige Entwicklung der Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache schon vor der Kiga-Zeit (Muttersprache u. deutsche Sprache)“

„Eine Einbindung der Eltern, ihre Kinder von Geburt an mit der deutschen Sprache aufwachsen zu lassen und diese vorrangig zu üben.“

Einige Befragte halten offenkundig die Elternbildung und eine offene Ansprache der Eltern nicht für ausreichend, sondern halten Verpflichtungen für notwendig:

„Elterninformationen und -veranstaltungen besonders im Bereich Migrationskinder, die verpflich-tend sind.“

„Wenn Eltern von einzuschulenden Kindern, die einen besonderen Bedarf haben, verpflichtet würden, mit den Kindern gemeinsam Kurse zur Sprachförderung zu besuchen.“

Nun könnte man vermuten, dass Einrichtungsleitungen, die in der Förderung (und Forderung) der aktiven Rolle der Eltern einen entscheidenden Ansatzpunkt sehen, um die Sprachförderung zentral weiterzubringen, in ihrer Einrichtung einen besonders großen Wert auf die Einbeziehung der Eltern legen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Betrachtet man bspw. den Index zum Elterneinbezug (vgl. 5.2.8), so lassen sich keine Unterschiede feststellen zwischen den Einrichtungen, deren Leitungen die Rolle der Eltern als zentral für die Weiterentwicklung der Sprachförderung thematisiert haben, und solchen, die dies nicht getan haben. Auffällig ist weiterhin, dass kaum eine Einrichtung die Einbeziehung der Eltern als besonders wichtig erwähnt, wenn sie nach den Schwerpunkten ihrer Sprachförderarbeit gefragt wird (vgl. 5.2.1).

Diese auf den ersten Blick erstaunlichen Ergebnisse könnten unter anderem damit zusammen-hängen, dass die Einrichtungen nicht unbedingt die Möglichkeit sehen, die Rolle der Eltern durch eigene Maßnahmen zu stärken: Zum einen lässt sich die Forderung nach einem verpflichtenden Charakter von Bildungsangeboten dahingehend interpretieren, dass Zweifel (oder schlechte Erfah-rungen) im Hinblick auf die Frage bestehen, inwieweit Eltern sich auf freiwilliger Basis für solche Angebote motivieren lassen. Zum anderen betonen einige Befragte, dass die Sprachbildung mit der Geburt beginnt und früh ansetzen muss. Einzelne Befragte ziehen daraus die Schlussfolge-rung, dass frühe Unterstützungsangebote notwendig sind:

„Weiterführung des Hebammenkonzeptes in sogenannten sozialen Brennpunkten. Erweiterung des Kleinst-Kind-Programms. (Denn Sprache beginnt nicht erst im Kindergartenalter).“

Statt die Rolle der Eltern zu thematisieren, leiten einige Befragte aus der Notwendigkeit früher För-derung die Forderung ab, Kinder möglichst frühzeitig in die Kita aufzunehmen, und berichten von positiven Erfahrungen in ihren U3-Gruppen:

„Die Sprachförderung muss früher begonnen werden. Deshalb ist es wichtig, dass alle zweijäh-rigen Kinder bereits einen Kita-Platz bekommen. Die Erfahrung mit unserer U3-Gruppe lehrt uns, dass die U3-Kinder Sprache schnell durch die Kommunikation mit den anderen Kindern lernen. Die U3-Gruppe sollte zur Regelgruppe werden!!!“

Einige Befragte würden gern weitere Akteure zum Thema „Sprachförderung“ in die Pflicht nehmen. Insbesondere formulieren einige Befragte hier eine Kritik an Kinderärztinnen und Kinderärzten:

„Ärzte im Stadtteil vermitteln immer noch den Eindruck bei Eltern, dass sich die Dinge von allein regeln.(‚das wächst sich aus‘).“

„Auch Kinderärzte dazu verpflichten, sich im Bereich Sprache und Kinder weiterzubilden.“

Zusammenfassend lässt sich aus den Antworten auf die Frage nach zentralen Faktoren für die Weiterentwicklung der Sprachförderung feststellen, dass dafür aus Sicht der Einrichtungen in ers-ter Linie zusätzliche Ressourcen erforderlich sind. Wie allerdings diese Ressourcen eingesetzt werden sollten, darüber gibt es kein einheitliches Meinungsbild – allgemeine Stundenaufstockun-gen werden ebenso angesprochen wie der Einsatz spezialisierter Kräfte. Bedeutung wird in die-sem Konzept des Weiteren vor allem der Qualifizierung und hier vor allem der Fortbildung im All-gemeinen und der Teamfortbildung im Besonderen zugemessen. Oft thematisiert wird schließlich die Rolle der Eltern, wobei die Stärkung dieser Rolle nur von einer Minderheit als Aufgabe der Ein-richtungen betrachtet wird. Verwiesen wird hier eher auf unterschiedliche Ansätze des „Förderns und Forderns“ sowie vor allem auf eine früh einsetzende Unterstützung.

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5.3 Kennzeichen von Einrichtungen mit günstigem und mit ungünstigem

Sprachstandsentwicklungsindex

In der folgenden Auswertung stehen zunächst diejenigen Einrichtungen im Mittelpunkt, die bei der Analyse der Daten zur Sprachstandsentwicklung einen Index von 1 erreicht haben, also eine be-sonders günstige Entwicklung zu verzeichnen haben. Was zeichnet diese Einrichtungen aus? Welche Abweichungen in Konzepten und Aktivitäten gegenüber der Gesamtheit der Einrichtungen lassen sich feststellen? Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Einrichtungen gibt es? Im Anschluss wird eine analoge Analyse der Ergebnisse der Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5 durchgeführt, um die beiden „Extremgruppen“ vergleichen zu können.

Erfreulich ist hier zunächst, dass sich von den 36 Einrichtungen, die bei dem Sprachstands-entwicklungsindex auf der Stufe 1 eingeordnet wurden, 34 an der Befragung beteiligt haben, so dass sich ein relativ vollständiges Bild ergibt. Auch die Einrichtungen mit dem Index 5 sind gut ver-treten; hier sind es 32 von 36 Einrichtungen, die sich an der Befragung beteiligt haben.

Bei den folgenden Angaben wird zu den einzelnen Fragen jeweils der Wert der Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 benannt; in Klammern wird als Vergleich der Durch-schnittswert angegeben, abgekürzt als „D=x%“. Bei der Darstellung der Ergebnisse der Einrichtun-gen mit dem Index 5 wird analog verfahren. Anzumerken ist noch, dass die in diesem Abschnitt angegebenen Durchschnittswerte manchmal geringfügig von den in Teil 5.2 angegebenen Ge-samtwerten abweichen; dies liegt daran, dass in die folgende Auswertung nur Einrichtungen ein-bezogen werden konnten, denen ein Sprachstandsentwicklungsindex zugeordnet werden kann (vgl. Tabelle 3.17 unter 3.3.; in der Befragung sind 13 Einrichtungen ohne Sprachstands-entwicklungsindex vertreten).

5.3.1 Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1

Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 haben eine ebenso unterschiedliche So-zialstruktur wie der Durchschnitt der Einrichtungen. Ihr Sozialindex erreicht einen Mittelwert von 3,03, was nahezu exakt dem Gesamtdurchschnitt von 3,08 entspricht. Sehr gut situierte Einrich-tungen sind vergleichsweise selten vertreten (8,3% gegenüber D=19,4%), dafür liegt der Anteil der gut situierten Einrichtungen höher (33,3% gegenüber D=19,4%). Relativ stark vertreten ist die mitt-lere Gruppe (25,0% gegenüber D=16,3%). Etwas geringer ist der Anteil in der Gruppe der Einrich-tungen mit benachteiligter Sozialsituation (13,9% gegenüber D=24,0%), etwa durchschnittlich der Anteil von Einrichtungen mit stark benachteiligten Familien (19,4% gegenüber D=20,9%9). Es ist somit offensichtlich, dass es eine Reihe von Einrichtungen mit benachteiligter oder sogar stark benachteiligter Sozialsituation gibt, in denen gute Ergebnisse in der Sprachstandsentwicklung zu verzeichnen sind.

38,9% der Einrichtungen nennen als Schwerpunkte ihrer Sprachförderung zwei oder mehr Katego-rien aus dem Bereich der alltagsintegrierten Sprachförderung (D=50,0%). 27,8% nennen zwei oder mehr Schwerpunkte aus dem Bereich der zusätzlichen Sprachförderung (D=13,3%).

Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 gibt es in allen Größenklassen. Größere Einrichtungen sind allerdings überproportional vertreten (30,6% gegenüber D=18,0%). Häufiger als im Durchschnitt gibt es in diesen Einrichtungen einen besonders hohen Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache: Er liegt in 36,1% der Einrichtungen über 60% (D=23,2%).

36,1% der Einrichtungen beschäftigen Mitarbeiter/innen mit akademischer Ausbildung (D=23,2%). Mehrsprachige Mitarbeiter/innen gibt es in 47,2% der Einrichtungen (D=55,6%); trotz des hohen Anteils an Einrichtungen mit vielen Kindern mit nicht-deutscher Familiensprache ist der Anteil an Einrichtungen mit mehrsprachigen Fachkräften also geringer. 19,4% verfügen über eine interkultu-

9 Bei der Einteilung der Einrichtungen nach Sozialstatus wurde eine möglichst weitgehende Gleichverteilung

zwischen den fünf Kategorien angestrebt. Dass sich diese Gleichverteilung in der Befragung nicht vollstän-dig widerspiegelt (Werte zwischen 16,3% in Gruppe 3 und 24,0% in Gruppe 4), liegt daran, dass die Rück-laufquoten in den fünf Gruppen unterschiedlich waren.

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relle Fachkraft (D=6,6%). In 44,4% der Einrichtungen hat ein/e Mitarbeiter/in die Aufgabe eines/r Multiplikators/in für Sprachförderung (D=35,2%). Der Anteil an Einrichtungen, die als Familienzent-rum zertifiziert sind, liegt mit 30,6% ziemlich genau im Durchschnitt (D=31,6%); der Anteil, der an der Bundesoffensive „Frühe Chancen“ beteiligt ist, ist mit 27,8% etwa doppelt so hoch wie im Durchschnitt (D=14,3%).10

Nur 8,3% der Einrichtungen haben einen sehr hohen Anteil (ab 75%) an Ganztagsplätzen (D=16,8%). Überproportional vertreten sind die Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwick-lungsindex 1 jedoch nicht bei den Einrichtungen mit geringen oder sehr geringen Anteilen, sondern im mittleren Bereich: 38,9% der Einrichtungen haben einen Ganztagsanteil von 40 bis unter 55% (D=24,5%).

In 25,0% der Einrichtungen (D=16,8%) hat die Beschäftigung mit Büchern einen sehr hohen Stel-lenwert (ab 28 Punkte); in nur 13,9% (D=23,5%) erreicht diese Aktivität nicht die 20-Punkte-Marke. Bei der Beschäftigung mit Medien unterscheiden sich die Einrichtungen nur geringfügig vom Durchschnitt; sie sind sowohl bei den Einrichtungen mit besonders intensiver Mediennutzung (13,9% gegenüber D=16,8%) als auch bei denjenigen mit besonders geringer Mediennutzung (13,9% gegenüber D=19,9%) leicht unterproportional vertreten und sind somit mehrheitlich eher in den mittleren Kategorien angesiedelt. Die Beschäftigung mit Musik hat in diesen Einrichtungen einen vergleichsweise eher geringen Stellenwert: Mehr als ein Viertel (27,8% gegenüber D=18,9%) befindet sich in der Kategorie mit sehr geringer Beschäftigung mit Musik; nur 8,3% (D=13,3%) sind in der Kategorie mit einer sehr starken Beschäftigung mit Musik angesiedelt.

In 32,4% der Einrichtungen (D=20,7%) ist Sprache zweimal im Monat oder öfter Gegenstand von Teambesprechungen; seltener als alle 3 Monate steht das Thema in 11,7% (D=15,5%) der Einrich-tungen auf der Tagesordnung. In Einrichtungen mit günstiger Entwicklung wird demnach häufiger als anderswo über Sprache gesprochen.

Mehr als die Hälfte der Einrichtungen gehören zu den Gruppen mit hohen oder sehr hohen Fortbil-dungsaktivitäten für die Mitarbeiter/innen: 24,2% erreichen 24 Punkte oder mehr (D=19,0%), 27,3% erhalten 17 bis 23 Punkte (D=21,2%). In 23,5% der Fälle gab es vier oder mehr Teamfort-bildungen (D=12,1%).

91,7% der Einrichtungen machen über die Sprachförderung im Alltag hinaus zusätzliche Angebote. Dies entspricht etwa dem Durchschnitt (D=89,3%). Die Einrichtungen mit dem Sprachstandsent-wicklungsindex 1 machen derartige Angebote aber häufiger als Regelprogramm für alle Kinder (41,7% gegenüber D=32,1%), für alle Kinder, die Spaß daran haben (61,1% gegenüber D=45,4%), zur Förderung der Erstsprache für nicht deutschsprachige Kinder (19,4% gegenüber D=11,2%) und für alle anderen Kinder, die aus pädagogischen Gründen daran teilnehmen sollten (47,2% gegenüber D=40,3%). Auch alle anderen Angebotsformen gibt es in den Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 häufiger als anderswo, jedoch liegen die Unterschiede im Be-reich von unter 5 Prozentpunkten. Insofern verwundert es nicht, dass diese Einrichtungen auch in der Gruppe derjenigen mit einem sehr breiten Spektrum an Zusatzangeboten (6-8 Punkte) häufiger vertreten sind (25,0% gegenüber D=15,8%).

Schriftliche Konzepte für die Sprachförderung findet man in den Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 nicht häufiger als im Allgemeinen (55,9% gegenüber D=53,0%).

Die Einrichtungen nutzen häufiger als andere veröffentlichte Konzepte und Programme für die Sprachförderung (75,8% gegenüber D=64,6%). Genannt wird vor allem das Programm „Hören-Lauschen-Lernen“ (39,9% gegenüber D=32,5%), bei allen anderen Programmen liegt der Nut-zungsanteil bei den Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 etwa im Durchschnitt oder leicht darunter.

Fast alle Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 (98,1%; die übrigen machen keine Angabe) geben an, dass sie die Eltern in die Sprachförderung einbeziehen (D=88,3%).

10

Die Bundesoffensive „Frühe Chancen“ ist eine neue Initiative, die somit noch keine Auswirkungen auf die Sprachstandsdaten der letzten Jahre gehabt haben kann. Hier zeigt sich also umgekehrt, dass Einrichtun-gen, in denen bereits eine gute Sprachstandsentwicklung zu verzeichnen ist, offenkundig überproportional häufig an der Beteiligung an der Bundesoffensive interessiert waren bzw. dafür ausgewählt wurden.

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86,1% beschreiben, wie der Elterneinbezug geschieht (D=75,5%). Informationen über die Sprach-förderung in der Einrichtung gibt es (manchmal oder regelmäßig) in 80,6% der Fälle (D=71,3%), Beratung zur Sprachförderung allgemein ebenfalls bei 80,6% (D=68,8%), Beratung zur häuslichen Sprachförderung bei 72,2% (D=63,6%), Anleitung zur häuslichen Sprachförderung in der Mutter-sprache bei 52,8% (D=39,0%), die Teilnahme von Eltern an der Sprachförderung ihres Kindes bei 38,1% (D=27,7%) und das Rucksack-Programm mit Müttergruppen bei 30,6% (D=19,5%). Bei den meisten abgefragten Items liegt somit der Anteil der Einrichtungen mit dem Index 1 über dem durchschnittlichen Anteil. Wenig Abweichungen gibt es hingegen bei Elterngesprächen zur Sprach-förderung (77,3% gegenüber D=74,4%), Elterntrainings (11,1% gegenüber D=12,8%) und Eltern-Kind-Trainings (5,6% gegenüber D=7,7%). Insgesamt sind 33,3% der Einrichtungen der Gruppe mit einem sehr hohen Elterneinbezug zuzurechnen (D=20,5%).

Maßnahmen und Projekte der Elternbildung werden von 82,4% der Einrichtungen durchgeführt (D=71,3%). Die Präventionsoffensive wird durchschnittlich oft genutzt (63,0% gegenüber D=64,2%). Ein Elterncafé gibt es in 58,3% der Fälle (D=43,9%). Bei einzelnen Bildungsangeboten lassen sich vor allem bei dem bereits im Zusammenhang mit dem Elterneinbezug erwähnten Rucksack-Projekt Unterschiede erkennen. In der Gruppe mit größten Angebot an Elternbildung finden sich 16,7% der Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1, was ziemlich exakt dem Durchschnitt entspricht (D=16,3%).

5.3.2 Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5

Auch Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5 sind in allen fünf Kategorien des Sozialindexes vertreten. Im Durchschnitt erreicht ihr Index allerdings 3,53 (gegenüber D=3,08), woran sich zeigt, dass Einrichtungen mit einer schwierigen Sozialsituation überproportional vertre-ten sind. Sehr gut situierte Einrichtungen befinden sich eher selten in dieser Gruppe (12,5% ge-genüber D=19,4%), noch stärker gilt dies für den Anteil der gut situierten Einrichtungen (9,4% ge-genüber D=19,4%). Der Anteil der mittleren Gruppe liegt etwa im Durchschnitt (15,6% gegenüber D=16,3%). Deutlich höher ist der Anteil in der Gruppe der Einrichtungen mit benachteiliger Sozial-situation (37,5% gegenüber D=24,0%), nicht ganz so deutlich fällt der überproportional hohe Anteil an Einrichtungen mit stark benachteiligten Familien auf (25,0% gegenüber D=20,9%11). Wenn bei der Analyse der Einrichtungen mit dem Index 1 festgestellt wurde, dass es eine Reihe von Einrich-tungen mit benachteiligter oder sogar stark benachteiligter Sozialsituation gibt, in denen gute Er-gebnisse in der Sprachstandsentwicklung zu verzeichnen sind, so muss hier hinzugefügt werden, dass es auch einen relevanten Teil an Einrichtungen gibt, in denen dies nicht gelingt.

59,4% der Einrichtungen nennen als Schwerpunkte ihrer Sprachförderung zwei oder mehr Katego-rien aus dem Bereich der alltagsintegrierten Sprachförderung (D=50,0%). Keine Einrichtung nennt zwei oder mehr Schwerpunkte aus dem Bereich der zusätzlichen Sprachförderung (D=13,3%).

Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5 gibt es in allen Größenklassen. Sehr kleine Einrichtungen sind allerdings überproportional vertreten (31,3% gegenüber D=19,1%). Häu-figer als im Durchschnitt gibt es in diesen Einrichtungen einen besonders hohen Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache: Er liegt in 34,4% der Einrichtungen bei über 60% (D=23,2%). Hier zeigt sich, dass Einrichtungen mit einem sehr hohen Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache mehrheitlich entweder einen sehr guten oder aber einen sehr ungünstigen Wert bei der Sprachstandsentwicklung erreichen; in den drei Gruppen mit mittleren Werten bei der Sprachstandsentwicklung sind diese Einrichtungen deutlich unterproportional vertreten.

Der Anteil von Einrichtungen, die Mitarbeiter/innen mit akademischer Ausbildung beschäftigen, liegt mit 22,6% etwa im Durchschnitt (D=23,2%). Mehrsprachige Mitarbeiter/innen gibt es relativ häufig, nämlich in 65,6% Einrichtungen (D=55,6%). Eine interkulturelle Fachkraft gibt es in 6,3%

11

Bei der Einteilung der Einrichtungen nach Sozialstatus wurde eine möglichst weitgehende Gleichverteilung zwischen den fünf Kategorien angestrebt. Dass sich diese Gleichverteilung in der Befragung nicht vollstän-dig widerspiegelt (Werte zwischen 16,3% in Gruppe 3 und 24,0% in Gruppe 4), liegt daran, dass die Rück-laufquoten in den fünf Gruppen unterschiedlich waren.

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der Einrichtungen, also ebenso selten wie im Durchschnitt (D=6,6%). Auch der Anteil von Einrich-tungen, in denen ein/e Mitarbeiter/in die Aufgabe eines/r Multiplikators/in für Sprachförderung übernommen hat, entspricht mit 37,5 % etwa dem Durchschnitt (D=35,2%). Der Anteil an Einrich-tungen, die als Familienzentrum zertifiziert sind, liegt mit 37,5% leicht über dem Durchschnitt (D=31,6%); der Anteil, der an der Bundesoffensive „Frühe Chancen“ beteiligt ist, ist mit 12,5% et-wa durchschnittlich hoch (D=14,3%).

Mit 25,0% liegt der Anteil der Einrichtungen mit einem sehr hohen Anteil (ab 75%) an Ganztags-plätzen über dem Durchschnitt (D=16,8%). Auch der Anteil von Einrichtungen mit zwischen 55% und 75% Ganztagsanteil ist mit 28,1% überrepräsentiert (D=23,5%). Ziemlich genau durchschnitt-lich vertreten sind die Einrichtungen mit einem Sprachstandsentwicklungsindex von 5 mit 25,0% im mittleren Bereich (D=24,5%). Etwas geringer ist ihr Anteil bei den Einrichtungen mit geringem Ganztagsanteil (15,6% gegenüber D=19,9%), deutlich geringer bei den Einrichtungen mit sehr wenigen Ganztagsplätzen (6,3% gegenüber D=13,3%).

In nur 13,9% der Einrichtungen (D=16,8%) hat die Beschäftigung mit Büchern einen sehr hohen Stellenwert (ab 28 Punkte); in fast der Hälfte der Einrichtungen (43,8% gegenüber D=23,5%) er-reicht diese Aktivität nicht die 20-Punkte-Marke. Bei der Beschäftigung mit Medien sind die Unter-schiede geringer; es gibt kaum Unterschiede bei den Einrichtungen mit besonders intensiver Me-diennutzung (15,6% gegenüber D=16,8%); in der Gruppe mit besonders geringer Mediennutzung sind die Einrichtungen mit einem Sprachstandsentwicklungsindex von 5 jedoch überproportional häufig vertreten (28,1% gegenüber D=19,9%). In der Kategorie mit einer sehr geringen Beschäfti-gung mit Musik entspricht ihr Anteil ziemlich exakt dem Durchschnitt (18,8% gegenüber D=18,9%); in der Kategorie mit sehr starker Beschäftigung mit Musik ist er etwas geringer ausgeprägt (9,4% gegenüber D=13,3%). „Auffällige“ Ergebnisse gibt es somit nur im Hinblick auf die unterdurch-schnittlich ausgeprägte Büchernutzung.

In fast einem Drittel der Einrichtungen (31,2%) steht das Thema Sprachförderung (D=15,5%) der Einrichtungen seltener als alle 3 Monate auf der Tagesordnung. Nur in 9,4% der Fälle (D=20,7%) ist Sprache zweimal im Monat oder öfter Gegenstand von Teambesprechungen.

Die Fortbildungsaktivitäten sind leicht unterdurchschnittlich ausgeprägt. Nur ein Drittel der Einrich-tungen gehört zu den Gruppen mit hohen oder sehr hohen Fortbildungsaktivitäten: 16,1% errei-chen 24 Punkte oder mehr (D=19,0%), ebenfalls 16,1% erhalten 17 bis 23 Punkte (D=21,2%). In der Gruppe mit sehr niedrigem Fortbildungsindex (unter 4 Punkte) sind die Einrichtungen mit un-günstiger Sprachstandsentwicklung leicht unterdurchschnittlich vertreten (12,9% gegenüber D=16,4%); umso höher ist aber ihr Anteil in der Gruppe mit dem zweitniedrigsten Fortbildungsin-dex (5-10 Punkte); er beträgt 38,7% (gegenüber D=24,3%), so dass die Hälfte der Einrichtungen ein eher niedriges Niveau an Fortbildungen aufweist. Die Anzahl der Teamfortbildungen liegt etwa im Durchschnitt; in 64,5% der Einrichtungen gab es eine derartige Aktivität noch nicht (D=63,2%).

90,6% der Einrichtungen machen über die Sprachförderung im Alltag hinaus zusätzliche Angebote. Dies entspricht etwa dem Durchschnitt (D=89,3%). Die Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5 machen derartige Angebote aber seltener als Regelprogramm für alle Kinder (15,6% gegenüber D=32,1%), für Kinder, die nach SISMIK/SELDAK zusätzlichen Sprachförderbedarf haben (53,1% gegenüber D=63,8%), für andere Kinder mit Sprachförderbedarf (31,3% gegenüber D=42,3%) und gar nicht zur Förderung der Erstsprache für nicht deutschspra-chige Kinder (0,0% gegenüber D=11,2%). Bei allen anderen Angebotsformen gibt es in den Ein-richtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5 kaum Unterschiede zum Durchschnitt. Ins-gesamt liegen die Einrichtungen bei dem Index der Zusatzangebote unter dem Durchschnitt: In der Gruppe derjenigen Einrichtungen mit einem sehr breiten Spektrum an Zusatzangeboten (6-8 Punk-te) sind sie seltener vertreten (9,4% gegenüber D=15,8%); gut 40% sind in den beiden Kategorien mit geringen Zusatzangeboten angesiedelt (1-2 Punkte: 31,3% gegenüber D=21,4%; 0 Punkte: 9,4% gegenüber D=10,7%).

Schriftliche Konzepte für die Sprachförderung findet man in den Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5 nicht häufiger als im Allgemeinen (55,2% gegenüber D=53,0%).

Die Einrichtungen nutzen deutlich seltener als andere veröffentlichte Konzepte und Programme für die Sprachförderung (46,4% gegenüber D=64,6%). Mit Ausnahme des Würzburger Trainingspro-

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gramms (12,9% gegenüber D=10,8%) werden alle abgefragten Programme seltener genannt als im Durchschnitt; dies gilt vor allem für das Programm „Hören-Lauschen-Lernen“ (19,4% gegenüber D=32,5%). Keines der Programme wird als Regelprogramm mit allen Kindern durchgeführt.

87,5% der Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5 geben an, dass sie die Eltern in die Sprachförderung einbeziehen (D=88,3%). Jedoch beschreiben nur 65,6%, wie der Elternein-bezug geschieht (D=75,5%). Informationen über die Sprachförderung in der Einrichtung gibt es (manchmal oder regelmäßig) in 62,2% der Fälle (D=71,3%), eine Anleitung zur häuslichen Sprach-förderung in der Muttersprache bei 25,1% (D=39,0%) und Elterngespräche zur Sprachförderung bei 65,6% (D=74,4%). Bei diesen Items liegt somit der Anteil der Einrichtungen mit dem Index 5 unter dem durchschnittlichen Anteil. Wenig Abweichungen gibt es hingegen bei der Beratung zur Sprachförderung allgemein (62,6% gegenüber D=68,8%), bei der Beratung zur häuslichen Sprach-förderung (62,6% gegenüber D=63,6%), bei der Teilnahme von Eltern an der Sprachförderung ihres Kindes (25,0% gegenüber D=27,7%), bei Elterntrainings (9,4% gegenüber D=12,8%), bei Eltern-Kind-Trainings (9,4% gegenüber D=7,7%) und bei dem Rucksack-Programm mit Mütter-gruppen (21,9% gegenüber D=19,5%). Insgesamt sind nur 6,3% der Einrichtungen der Gruppe mit einem sehr hohen Elterneinbezug zuzurechnen (D=20,5%).

Maßnahmen und Projekte der Elternbildung werden nur von 61,3% der Einrichtungen durchgeführt (D=71,3%). Die Präventionsoffensive wird durchschnittlich oft genutzt (68,4% gegenüber D=64,2%). Ein Elterncafé gibt es in 28,1% der Fälle (D=43,9%). Bei einzelnen Bildungsangeboten lassen sich darüber hinaus kaum Unterschiede erkennen. Insgesamt zeigt sich jedoch beim El-ternbildungsindex ein eher geringer Stellenwert der Elternbildung. 46,9% der Einrichtungen befin-den sich in der Gruppe mit dem niedrigsten Index (0-1 Punkt; D=35,2%); in der Gruppe mit größten Angebot an Elternbildungsangeboten finden sich 9,4% der Einrichtungen mit dem Sprachstands-entwicklungsindex 5, was leicht unter dem Durchschnitt liegt (D=16,3%).

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6 Unterschiedliche Wege zum Ziel: Sprachförderkonzepte und -ak-tivitäten in ausgewählten Einrichtungen

Auf der Grundlage der durchgeführten Auswertungen zum Sprachstandsentwicklungsindex wurden acht Einrichtungen mit einer günstigen Entwicklung ausgewählt, um dort vertiefende Fallstudien durchzuführen. Bei der Auswahl wurde erstens darauf geachtet, dass Einrichtungen unterschiedli-cher Träger vertreten waren – Einrichtungen mit guter Sprachstandsentwicklung gibt es in allen Trägergruppen. Zweitens wurden Einrichtungen mit unterschiedlichen Sozialprofilen einbezogen. Drittens schließlich wurden anhand der Ergebnisse der Online-Befragung (vgl. 5) Einrichtungen identifiziert, die in der Sprachförderung unterschiedliche Wege gehen. In diesen Einrichtungen wurden qualitative Interviews geführt, mit deren Ergebnissen die Auswertungen der Online-Befragung ergänzt wurden. Die Auswertung der acht Fallstudien in den Einrichtungen, wird im Fol-genden zusammenfassend dargestellt, um die Anonymität der beteiligten Einrichtungen zu wah-ren.

6.1 Alltagsintegrierte Sprachförderung – Selbstverständnis und Konzepte

Wie bereits in der Online-Befragung, so zeigt sich auch in den Fallstudien ein breiter Konsens da-rüber, wie wichtig es ist, Sprachförderung in die gesamte pädagogische Arbeit und in den gesam-ten Alltag ihrer Einrichtung zu integrieren. Genauer als dies in der standardisierten Befragung mög-lich war, konnten die befragten Leiterinnen in den Interviews beschreiben, was sie unter alltagsin-tegrierter Sprachförderung verstehen. Bei der Auswertung wird deutlich, dass es dabei Gemein-samkeiten, aber auch unterschiedliche Konzepte gibt. Vor allem aber zeigt sich, dass alltagsinte-grierte Sprachförderung kein „Selbstläufer“ ist; sie „passiert“ nicht von selbst, quasi nebenbei und automatisch; vielmehr stehen eine bewusste Auseinandersetzung mit den Themen Sprache, Sprachentwicklung und Sprachförderung sowie konzeptionelle Überlegungen zur Umsetzung da-hinter.

Alle Befragten betonen, dass es im Alltag wichtig ist, Alltagssituationen zum Sprechen mit den Kindern zu nutzen und zusätzlich immer wieder (neue) Anlässe zu schaffen, die die Kinder zum Sprechen animieren. Dazu werden vielfältige Beispiele angeführt. Fast alle Leiterinnen benennen die gemeinsamen Mahlzeiten sowie die Morgen- und Schlusskreise als wesentliche Situationen, in denen Kommunikation stattfindet und gefördert wird. Dazu werden diese Situationen oft mit Ritua-len verknüpft. In einigen Fällen werden darüber hinaus besondere Elemente eingebunden. So darf in einer Einrichtung jeden Morgen ein Kind den Speiseplan auf ein Aufnahmegerät sprechen, damit alle Kinder ihn abhören können.

Hervorgehoben wird, wie wichtig es ist, sich Zeit für Gespräche mit den Kindern zu nehmen („Da kann auch mal etwas anderes liegen bleiben.“) und nicht zuletzt auch über Konflikte zu sprechen, sowohl individuell mit einzelnen Kindern als auch in der Gruppe. Einige Leiterinnen legen Wert darauf, dem Gespräch für die Kinder selbst eine wirkliche Bedeutung, eine Sinnhaftigkeit zu ge-ben. Sie sollen erfahren, dass sie durch die Gespräche selbst etwas für sich bewirken (können). Die Hälfte der befragten Leiterinnen betont, dass man gezielt solche Gesprächssituationen schafft, in denen die Kinder eigene Ideen äußern können und müssen. Dazu gibt es beispielsweise Kin-derkonferenzen oder auch Wahlen von Gruppensprecher/inne/n – einschließlich eines „Wahlkamp-fes“. Die Stärkung der Eigenverantwortung der Kinder wird hier in einem unmittelbaren Zusam-menhang mit der Stärkung ihrer Kommunikationsfähigkeiten gesehen.

Das Stichwort „Eigenverantwortung“ spielt auch im Kontext der Arbeit mit (teil)offenen Konzepten eine Rolle. Drei der befragten Einrichtungen arbeiten nach einem offenen Konzept. Dies wird im Hinblick auf die Sprachförderung insofern als ein positives Element bewertet, weil es für die Kinder zusätzlichen Handlungsspielraum und damit auch zusätzliche Kommunikationsanforderungen schafft: „Die Kinder müssen mit der Erzieherin in der Gruppe besprechen, wohin sie gehen möch-ten.“ Verschiedene Funktionsräume bieten außerdem Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Themenfeldern, über die ebenfalls kommuniziert werden muss: „Solche Angebo-te erfordern den gezielten Einsatz der Sprache durch die Kinder selbst, erfordern die Kommunika-tion der Kinder untereinander.“ Die Öffnung der Gruppen erfordert und fördert Absprachen der Kinder mit den Erzieher/innen, ermöglicht jedem Kind eigene Planungen für den Tag, über die es

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erzählen kann, bietet also vielfältige und sinnhafte, bedeutungsvolle Sprechanlässe. Spiel-, Bewe-gungs-, Musik-, Mal- und Bastelangebote werden vermehrt so gestaltet, dass die Kinder selbst Vorschläge machen können, die Kinder nach ihren Meinungen gefragt werden, sie einen Partner suchen oder etwas vorführen müssen.

Rollenspielen wird eine hohe Bedeutung für die Sprachentwicklung zugemessen, weil die Kinder dabei untereinander kommunizieren müssen. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung vieler Befragter auch das Freispiel ein wichtiges Element der Sprachförderung, In einer Einrichtung gibt es einmal wöchentlich einen spielzeugfreien Tag, der dazu beiträgt, dass die Kinder sich unterei-nander absprechen, wie sie diesen Tag gestalten wollen, und durch das Freispiel die Kinder zur Kommunikation untereinander anregt. In mehreren Einrichtungen werden Handpuppen für die Sprachförderung eingesetzt, weil mit ihrer Hilfe viele Kinder leichter zum Reden motiviert werden können. In einer Einrichtung gibt es bspw. „Gruppenkobolde“, mit denen die Kinder zum Sprechen animiert werden: „Die Puppen ‚leben‘ quasi in der Gruppe und sind Bestandteil des Alltags.“

Projektorientierte Arbeit wird von einigen Einrichtungen als besonderer Schwerpunkt hervorgeho-ben. Wenn es zum Beispiel in einem Projekt um das Thema „Frühling“ geht, wird nicht nur diese Wortfamilie eingeübt, sondern gleichzeitig wird der Wortschatz um Wortfamilien etwa zu den Wort-feldern „Blumen“ oder „Garten“ erweitert. Aktuell berichtet eine Leiterin von einem Projekt zum Thema „Märchen“: Das Thema werde „mit allen Sinnen begriffen“; Märchen werden erzählt, Filme geschaut, CDs gehört, eigene Spiele zum Thema gebastelt und Theateraufführungen besucht. In einer anderen Einrichtung wird regelmäßig ein Hörspielprojekt durchgeführt. Ein Bilderbuch, ein Kasperle-Theater-Stück oder auch eine selbst erfundene Geschichte wird gemeinsam zu einem Hörspiel umstrukturiert. Sprechrollen werden verteilt und das Hörspiel aufgenommen. Das Ergeb-nis sei immer ein fertiges Hörspiel auf einer CD, und alle seien immer wieder erstaunt, wie gut die Kinder es schaffen, die Rollen aufzusprechen.

Besondere inhaltliche Schwerpunkte von Einrichtungen werden ebenfalls für die Sprachförderung genutzt. Eine Leiterin berichtet bspw., dass ihre Einrichtung „Haus der kleinen Forscher“ die na-turwissenschaftliche Grundbildung fördert und sie dies als ein wichtiges Element der Sprachförde-rung ansieht: „Experimentieren erfordert Kommunikation“, so die Leiterin. Insofern entstehen im „Haus der kleinen Forscher“ zahlreiche Anlässe zum Sprechen und Verstehen. Eine andere Ein-richtung betont die Bedeutung von künstlerischen Aktivitäten. Kunst sei seit jeher ein Schwerpunkt der Einrichtung, und künstlerische Aktivitäten seien nicht zuletzt deshalb für die Sprachförderung geeignet, weil Handlungsanweisungen umgesetzt und bspw. Farben benannt werden müssen.

In allen Einrichtungen wird viel gesungen, oft auch regelmäßig mit allen Kindern; vielfach werden Musikinstrumente bereitgestellt und verschiedene Formen musikalischer Früherziehung umge-setzt. Dabei wird davon ausgegangen, dass Musik allgemein das Rhythmusgefühl und damit auch das Sprachgefühl stärkt und dass das Singen sich günstig auf die Entwicklung der Mundmotorik auswirkt. Musik wird jedoch in der Regel nicht nach einem bestimmten Konzept gezielt zur Sprach-förderung genutzt. Einige Leiterinnen betonen aber, dass auch bei der Befassung mit Musik gezielt Sprechanlässe geschaffen werden: So berichtet eine Leiterin, dass beim Umgang mit Musikin-strumenten darauf geachtet wird, dass die Kinder die Bezeichnungen lernen. Eine Einrichtung ar-beitet zusätzlich nach dem Programm von Prof. Tomatis, das musiktherapeutische Angebote zur Verbesserung des Gleichgewichts, des Hörens und der Kommunikationsfähigkeit beinhaltet. Zwei Einrichtungen berichten, dass regelmäßig kleine Musikstücke eingeübt und aufgeführt werden.

Ähnlich stellt sich die Situation bei dem Thema „Bewegung“ dar: Hier wird mit Blick auf den Zu-sammenhang zur Sprachförderung von einer Interviewpartnerin vor allem auf die neurobiologi-schen Zusammenhänge zum Spracherwerb hingewiesen. Des Weiteren, so eine Leiterin, sei Be-wegung vor allem deshalb wichtig, weil sie das Selbstbewusstsein und die Persönlichkeit und da-mit letztlich auch die Kommunikationsfähigkeit stärke. Bezogen auf die Sprachförderung im enge-ren Sinne geht es aus der Sicht einiger Leiterinnen bei Bewegungsangeboten vor allem darum, dass die Kinder die Anleitungen verstehen. Deshalb wird darauf geachtet, Anweisungen zu geben, die mit Kommunikation verbunden sind, und bspw. mit Farben gearbeitet („Alle laufen jetzt zu der roten Matte!“). Ein anderes Element sind Partnerübungen, bei denen die Kinder miteinander kom-munizieren müssen. In einer Einrichtung haben Mitarbeiter/innen an einem Workshop „Bewegte Sprachförderung für Kinder“ teilgenommen und setzen nun eine CD ein, mit der sie dort gearbeitet

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haben. Dabei geht es um eine gezielte Verknüpfung von Musik, Bewegung und Sprachförderung („mit Bewegung sprechen“).

Wie schon in der Online-Befragung deutlich wurde, werden Bücher in allen Einrichtungen intensiv genutzt. Über das Vorlesen in Gesamt- und Kleingruppen und die Bereitstellung von Bilderbüchern hinaus haben sich verschiedene Formen zur Förderung der Lesekultur entwickelt. Lesepaten gibt es in den meisten der befragten Einrichtungen. Genannt werden außerdem eine Elternbücherei und die Durchführung von Buchausstellungen und Bücherflohmärkten. Den Eltern werden päda-gogische Empfehlungen gegeben, und insbesondere Einrichtungen in einem sozial benachteiligten Umfeld legen Wert darauf, auch Eltern zum Lesen anzuregen. In einer Einrichtung gibt es eine Lesekiste, wo die die Familien ausrangierte Bücher für Kinder und Erwachsene deponieren und mitnehmen können. In den meisten Einrichtungen können Bücher von zuhause mitgebracht und für zuhause ausgeliehen werden. Eine Einrichtung arbeitet mit einer benachbarten Stadtbücherei zusammen, in der die Kinder mit ihrem Kita-Ausweis Bücher ausleihen können. Wert wird auch auf die Vermittlung von Regeln im Umgang mit Büchern gelegt („nur mit sauberen Händen anfas-sen“).Die Befassung mit den Verfahren SISMIK und SELDAK, in denen Kriterien zur Beobachtung des Umgangs der Kinder mit Büchern enthalten sind, hat zusätzliche Impulse für die Einbeziehung von Büchern in die tägliche Arbeit gegeben. Eine Leiterin weist darauf hin, dass die Beschäftigung mit Büchern in dieser Intensität nicht immer selbstverständlich war, sondern in den letzten Jahren gezielt weiterentwickelt wurde. Diese Bemerkung verweist auf die Feststellung zu Beginn dieses Abschnitts: Verschiedene Formen alltagsintegrierter Sprachförderung werden immer wieder neu diskutiert und weiter ausgearbeitet.

6.2 Zusätzliche Angebote der Sprachförderung

Zusätzliche, gezielte Angebote der Sprachförderung werden von allen befragten Leiterinnen be-schrieben. Mit welchem Stellenwert und auf welche Weise diese Angebote eingesetzt werden, dies stellt sich jedoch in den einzelnen Fallstudien-Einrichtungen sehr unterschiedlich dar. In den meis-ten Einrichtungen werden sowohl Kleingruppen als auch eine individuelle Förderung von Kindern mit besonderem Sprachförderbedarf durchgeführt.

Während einige Einrichtungen den Schwerpunkt ihrer Aktivitäten bei der Kleingruppenarbeit se-hen, betonen andere eher die Bedeutung der individuellen Förderung. Vorteile der individuellen Förderung werden darin gesehen, dass sie innerhalb der Gruppe erfolgen kann; ein/e Erzieher/in befasst sich mit dem Kind, ohne es aus der Gruppe herauszuziehen. In einer Einrichtung wird ge-rade zu diesem Zweck die aus Delfin-4-Mitteln finanzierte zusätzliche Sprachförderkraft in die Gruppe einbezogen und initiiert mit einzelnen Kindern geeignete Sprachfördersituationen, in denen zum Beispiel Spiele gespielt werden, die mehr Zeit benötigen und darum im Alltag nicht so häufig angeboten werden können.

Die Funktion von Kleingruppen wird vor allem darin gesehen, dass ein/e Erzieher/in – oder auch (in zwei Einrichtungen) eine zusätzliche spezialisierte Fachkraft – sich intensiv mit den Kindern beschäftigen kann. Berücksichtigt wird dabei das unterschiedliche Verhalten der Kinder. So fällt es insbesondere schüchternen Kindern oft leichter, sich in einer kleinen Gruppe zu öffnen und zu sprechen. Zwei Leiterinnen berichten, dass die Kleingruppen von externen, speziell geschulten Fachkräften durchgeführt werden. Zum Teil werden in den Kleingruppen – komplett oder teilweise – bestimmte Programme wie bspw. KonLab genutzt.

Einige Leiterinnen bewerten die Kleingruppen sehr positiv: „Die Kinder fühlen sich durch die Arbeit in der Kleingruppe nicht ausgegrenzt; sie sind eher stolz, dass sie mitmachen dürfen.“ In einer anderen Einrichtung hingegen wird prinzipiell nicht mit Kleingruppen gearbeitet, um die „Förderkin-der“ nicht in eine Sondersituation zu bringen. Nur in Einzelfällen werden spezielle Gruppen gebil-det, etwa auf der Grundlage der Delfin-4-Ergebnisse. In diesen Fällen entscheiden die „Förderkin-der“, wer noch mitmachen darf, und die Kleingruppe bleibt im Gruppenraum, während die anderen Kinder den Raum verlassen. In dieser Einrichtung wird generell großer Wert darauf gelegt, sich möglichst ausschließlich am Leitbild der alltagsintegrierten Sprachförderung zu orientieren und keinerlei Sondersituationen zu schaffen.

Mehrere Einrichtungen bieten spezielle Projekte für Vorschulkinder an. Auch das oben genannte Hörspielprojekt richtet sich an die Kinder, die vor dem Übergang in die Grundschule stehen. Teil-

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weise werden die Angebote gemeinsam mit Lehrer/inne/n durchgeführt: „Die Kinder werden in den letzten neun Monaten gezielt, auch lesekompetenzorientiert, auf die Schule vorbereitet.“ Eine an-dere Einrichtung nutzt im Vorfeld der Einschulung das Bielefelder Screening, um eventuelle Defizi-te in den letzten Monaten gezielt aufarbeiten zu können. Diese Einrichtung arbeitet, wenn beim Bielefelder Screening Auffälligkeiten festgestellt werden, täglich etwa 15 Minuten mit den betroffe-nen Kindern nach dem Programm Hören-Lauschen-Lernen. Eine Leiterin berichtet, dass man die Kinder im letzten Jahr vor der Einschulung aus den altersgemischten Gruppen herausnimmt und in Gruppen für Drei- bis Sechsjährige integriert, um ihnen besser altersangemessene Bildungsange-bote machen zu können, als dies in einer Gruppe mit U3-Kindern möglich ist.

Programme oder bestimmte Materialien zur Sprachförderung werden in allen Einrichtungen ver-wendet, aber nur in einem sehr kleinen Teil der Einrichtungen exakt gemäß den Vorgaben des Programms durchgeführt. Meistens werden diese Programme punktuell und situationsbezogen eingesetzt: „Das Team ist für mehrere Programme fortgebildet, und die Materialien sind bei uns vorhanden. Genutzt werden einzelnen Elemente, dann, wenn es passt.“ In dieser Weise werden bspw. Materialien des Programms Hören-Lauschen-Lernen in einigen Einrichtungen genutzt. Meis-tens geschieht dies in Kleingruppen, manchmal auch nur punktuell für einzelne Kinder. Genannt werden außerdem die Spiele von Antje Suur sowie die Programme KonLab und Peppino. Insge-samt scheint die Arbeit mit solchen professionellen Programmen in einigen Einrichtungen ein Teil-element der Sprachförderung darzustellen, ohne eine zentrale Bedeutung einzunehmen. Fortbil-dungen zu den einzelnen Programmen werden von einigen vor allem als nützlich angesehen, weil sie generell die Auseinandersetzung mit dem Thema Sprachförderung fördern und die Erzie-her/innen in die Lage versetzen, geeignete Elemente aus den Programmen situationsangemessen einzusetzen.

Insgesamt ist festzustellen, dass alle Einrichtungen in der Sprachförderung einen Ansatz verfol-gen, der nicht danach unterscheidet, ob deutschsprachige Kinder Sprachprobleme oder ob Kinder mit Migrationshintergrund mangelnde Deutschkenntnisse haben. In der Sprachförderung wird – mit welchen Schwerpunktsetzungen auch immer – offenkundig ein integrierter Ansatz verfolgt, der nicht nach Herkunftsgruppen unterscheidet.

6.3 Verfahren der Sprachstandsfeststellung

In allen Einrichtungen werden nach den Landesvorgaben Delfin-4-Tests und entsprechend der Vereinbarung zwischen den Trägern der Stadt Essen die Verfahren SISMIK/SELDAK durchge-führt. Fast alle Einrichtungen nutzen darüber hinaus weitere Wege für die Beobachtung der Sprachentwicklung. Dabei handelt es sich teilweise um Verfahren wie das Bielefelder Screening, häufiger aber um eigene Formen der Dokumentation. Zum Teil wird mit Portfolios gearbeitet, zum Teil gibt es Unterschiede von Gruppe zu Gruppe, weil jede einzelne Erzieherin ihr eigenes System nutzt.

Bis auf eine Einrichtung berücksichtigen alle den im Rahmen des Delfin-4-Tests ermittelten Sprachförderbedarf, um diese Kinder zusätzlich in Kleingruppen und/oder individuell gezielt zu fördern. Dies gilt auch dann, wenn die Leiterin dem Delfin-4-Test skeptisch gegenübersteht und ihn entweder für gar nicht aussagekräftig oder zumindest für weniger nützlich als die eigenen Ein-schätzungen der Erzieher/innen hält. Drei Leiterinnen äußern die Auffassung, dass sie auf den Delfin-Test im Hinblick auf die Identifizierung des Sprachförderbedarfs durchaus verzichten könn-ten, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie die zusätzlichen Finanzmittel für die Sprach-förderung auf einer anderen Grundalge bekommen könnten.

In der Hälfte der Einrichtungen werden die Ergebnisse als Grundlage für Elterngespräche verwen-det. Die Erzieherinnen in den Gruppen werden in einigen Einrichtungen über die Ergebnisse infor-miert, um die Kinder gezielt fördern zu können. Als positiv bewertet eine Leiterin die gute Zusam-menarbeit mit Grundschullehrer/inne/n, die sich durch das Delfin-4-Verfahren entwickelt habe. Eine Leiterin berichtet, dass der Anteil der bei Delfin 4 als sprachförderbedürftig eingestuften Kinder inzwischen in ihrer Einrichtung stark rückläufig sei, was sie auf den pädagogischen Ansatz der Einrichtung und die Sprachförderung für unter Dreijährige zurückführt. Da Delfin 4 die Grundlage für die Bereitstellung von Finanzmitteln für die Sprachförderung bildet, führt eine solche Entwick-

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lung faktisch dazu, dass eine Einrichtung, die eine gute U3-Sprachförderung betreibt, weniger Geld bekommt.

Drei Leiterinnen sind der Auffassung, dass das Delfin-4-Verfahren bei Eltern Ängste auslöse. El-tern machen sich Sorgen, ob ihr Kind auch „gut genug“ ist; sie werten die Ergebnisse quasi wie Schulnoten. Eine dieser drei Befragten sieht diese Gefahr auch im Hinblick auf SISMIK/SELDAK; eine andere Leiterin hingegen sieht gerade einen Vorteil von SISMIK/SELDAK darin, dass man mit den Eltern darüber ins Gespräch kommen könne, „wo das Kind steht“.

SISMIK und SELDAK werden in den Einrichtungen genutzt, seit es die diesbezügliche Vereinba-rung in der Stadt Essen gibt. Der Sinn dieses Verfahrens wird von keiner der Befragten in Frage gestellt. Positiv vermerkt wird vor allem, dass durch den Einsatz dieses Beobachtungsverfahrens „gezielter hingeschaut“ und „differenzierter beobachtet“ wird; es sei eine „gute Unterstützung zur Begleitung der Sprachentwicklung“ und helfe, „für jedes Kind das gesamte Spektrum der Sprach-entwicklung im Blick zu behalten“. Sinnvoll sei das Verfahren auch, um Stärken der Kinder zu ent-decken, an die man für die Förderung anknüpfen könne, und um zu vermeiden, dass Kinder „im Alltag untergehen“. In allen Fällen wird SISMIK/SELDAK auch als Grundlage für Elterngespräche genutzt.

Die Verpflichtung zur Nutzung des Verfahrens wird mehrheitlich positiv bewertet. Mehrere Leiterin-nen sind der Meinung, dass das Verfahren zwar viel Arbeit mache, dass sich der Aufwand aber angesichts der zusätzlichen Hilfestellung für die Kinder lohne. Im Übrigen hat sich nach Meinung der meisten der Aufwand nach einer Einarbeitungsphase deutlich reduziert. „Am Anfang haben alle – wie bei der Einführung solcher Neuerungen eher üblich – geschimpft, aber im Grundsatz und nachdem die Verfahren nun eingeübt und fester Bestandteil der Arbeit sind, sind sie sehr hilfreich für die Sprachförderung der Kinder.“ Eine andere Leiterin fasst zusammen, dass das „heute flott von der Hand läuft“.

6.4 Fortbildungen, Fachkräfte und Teamentwicklung

Vielfach betont wird die Vorbildfunktion der Erzieher/innen für den Gebrauch der Sprache. Diese Einschätzung kommt mehr oder weniger deutlich in allen Interviews zum Ausdruck. Von besonde-rer Bedeutung sind gerade in einem alltagsintegrierten Konzept die Erzieher/innen, ihre Haltung gegenüber jedem Kind und seinen Eltern, ihr Bewusstsein für gutes und richtiges Sprechen, ihr Wissen über eine gute und altersangemessene Sprachentwicklung und ihre Rolle als Vorbild und Motivator für die Kinder. Die Haltung der Mitarbeiter/innen, wie wichtig Sprache ist, ist Grundvo-raussetzung für eine gute Sprachentwicklung der Kinder. Es wird grundsätzlich nicht in der Kinder-sprache gesprochen, sondern das Sprechen wird sehr ernst genommen. Auch Fachbegriffe, Fach-vokabular wird genutzt. Die Erzieher/innen sollen die Kinder immer wieder und in unterschiedlichen Formen zum Sprechen anregen, den Kindern Raum für sprachliche Ausdrucksformen geben. Sie sollen sie zum Sprechen aktivieren. Die Erzieher/innen sind auch darauf bedacht, beim Sprechen eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Alle achten darauf, wie miteinander gesprochen wird: Nicht nur die richtige Aussprache und Grammatik sind wichtig, sondern es kommt immer auch auf den Sinnzusammenhang an. Betont wird von vielen Befragten auch, dass das Interesse des Kindes grundsätzlich wichtige Voraussetzung für eine gute Sprachentwicklung sei. „Sprache bildet sich da, wo Kinder Interesse an Sprache zeigen.“ Die Erzieher/innen arbeiten darum immer an den Bedürf-nissen und Erlebnissen des Kindes orientiert, an dem, was sie tun oder mitteilen. Es ist Aufgabe der Erzieherin, dabei auf dem vorhandenen Sprachstand anzusetzen, die Kinder zu fordern, aber nicht zu überfordern. Sie sollen situations- und entwicklungsangemessen reagieren, dazu den Wortgebrauch der Kinder aufgreifen und angemessen erweitern. Wichtig ist dabei, dass die Erzie-herin selbst möglichst sprachlich differenziert reagiert, auch Anregungen gibt. Hauptaufgabe der Erzieher/innen im Konzept der alltagsintegrierten Sprachförderung ist es also zusammenfassend, für eine gute und offene Gesprächskultur in der Einrichtung zu sorgen, die Kinder immer wieder zum Sprechen anzuregen und dazu individuell an den aktuellen Interessen und Vorlieben jedes Kindes anzusetzen. All diese Anforderungen werden von allen Befragten (wenn auch mit unter-schiedlichen Akzenten im Einzelnen) formuliert; Differenzen gibt es teilweise in der Einschätzung darüber, wie gut die Fachkräfte in der eigenen Einrichtung diese Anforderungen erfüllen.

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Angesichts der wichtigen Funktion, die der einzelnen Fachkraft zugeschrieben wird, kommt Fort-bildungen eine wichtige Rolle zu. Alle befragten Einrichtungen nutzen regelmäßig Fortbildungen, allerdings in unterschiedlicher Form. In den Interviews wird ein breites Spektrum von Themen an-gesprochen. Auch das Interesse der Mitarbeiterinnen wird von den Leitungen unterschiedlich ein-geschätzt. Während eine Leiterin berichtet, dass ihre Mitarbeiter/innen sich ihre Fortbildungen je nach Interesse selbst auswählen („Da ist für jeden etwas dabei!“), weist eine andere darauf hin, dass Fortbildung zur Sprachförderung in ihrer Einrichtung Pflicht sei („Ansonsten wäre das Interes-se vermutlich rar“). Es gebe interessierte Mitarbeiter/innen und solche, die immer einen kleinen Anschub bräuchten. Eine andere Leiterin beschreibt, dass manche Mitarbeiter/innen ihre eigenen Grenzen haben und vor unbekannten Themen eigene Ängste entwickeln würden. „Experimentie-ren ist etwa ein Feld, das bei Frauen eher nicht so ausgeprägt ist.“ Sie wünscht sich deshalb, dass die Kolleginnen auch schon mal „ihren inneren Schweinehund überwinden“ und mit den Kindern auch Dinge machen, die ihnen selbst nicht von Anfang liegen.

Teilnehmer/innen von Fortbildungen übernehmen in den meisten Fällen eine Multiplikatorenfunktion für das Team. Als wichtig wird erachtet, dass Fortbildungen Anstöße für die Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit liefern, neue Ideen bringen und zur Reflexion anre-gen. Besonders hervorgehoben wird allgemein die Bedeutung von Teamfortbildungen. „Teamfort-bildungen sind am effektivsten“, meint eine Leiterin; andere sind der Meinung, dass Teamfortbil-dungen dazu führen, dass alle „an einem Strang ziehen“, dass das Team verlässlicher wird und dass nach gemeinsamen Grundsätzen gearbeitet wird. Teamfortbildungen werden daher regelmä-ßig (bspw. einmal im Jahr) für sinnvoll gehalten. Eine Einrichtung hat bisher noch keine Teamfort-bildung gemacht, plant dies aber: „Überhaupt wäre es schön, einmal im Jahr eine Teamfortbildung machen zu können, am besten verbunden mit einer Supervision von außen.“

Zum Team gehören in sechs der befragten Einrichtungen Mitarbeiter/innen mit Migrationshinter-grund bzw. nicht-deutscher Muttersprache. In zwei Fällen gibt es je eine Mitarbeiterin aus dieser Gruppe, in weiteren zwei Fällen je zwei. Eine weitere Kita verfügt über mehrere Mitarbeiter/innen ausländischer Herkunft, in einer Kita gibt es eine quasi paritätische Besetzung des Teams. Spezi-elle Aufgaben bei der Sprachförderung oder eine besondere Funktion in diesem Zusammenhang übernehmen diese Mitarbeiter/innen jedoch nicht. Wichtig ist aus der Sicht der Leitungen vor al-lem, dass diese Mitarbeiter/innen einen leichteren Zugang zu den Kindern und den Eltern finden, deren Muttersprache sie sprechen. Drei Kitas weisen darauf hin, dass diese Mitarbeiter/innen den-jenigen Kindern, die zu Beginn ihrer Kita-Zeit nicht oder nur wenig Deutsch sprechen, den Start durch eine Ansprache in ihrer Muttersprache erleichtern können. Dabei betont eine Leiterin aber auch, dass es vor allem darum gehe, am Anfang Brücken zu bauen; im Laufe der Zeit sei es dann wichtig, dass die Mitarbeiter/innen sich im Hinblick auf die Nutzung der Muttersprache nach und nach wieder zurück nehmen und mit den Kindern Deutsch sprechen. Hier gehe es um eine Vor-bildfunktion im Sinne des interkulturellen Zusammenlebens.

Besonders hervorgehoben wird von drei Leiterinnen die Zusammenarbeit mit Logopäd/inn/en bzw. Sprachtherapeut/inn/en, die Mitglieder des Teams von integrativen Einrichtungen sind. Drei Aspek-te werden dabei angesprochen: Logopäd/inn/en und Sprachtherapeut/inn/en können gezielte Maßnahmen in der Sprachförderung einzelner Kinder durchführen; sie können Eltern beraten und sie unterstützen mit ihrer Fachkompetenz das Team. Die speziellen Qualifikationen, die hier zur Verfügung stehen, werden von den Leiterinnen als extrem nützlich eingeschätzt.

6.5 Die Einbeziehung der Eltern

Die Einbeziehung der Eltern wird allgemein als wichtig erachtet, wobei die Akzente im Einzelnen unterschiedlich sind. Eine Leiterin ist der Auffassung, dass eine unmittelbare Einbeziehung der Eltern in die Sprachförderung nicht sinnvoll sei, weil viele Eltern selbst ein zu großes Maß an Sprachschwierigkeiten habe. Der Schwerpunkt liege vor diesem Hintergrund eher auf einer allge-meinen Bindung der Eltern an die Einrichtung. Andere Leiterinnen nennen vielfältige Formen der Anregung, die sie den Eltern für die Sprachförderung zuhause geben. Einige sprechen dabei eher Vorschläge für Aktivitäten an – Vorlesen, Einschlafrituale, Einsatz von Fingerspielen. Andere stel-len Verhaltensregeln in den Vordergrund – ausreden lassen, keine Kindersprache benutzen usw.

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Angesprochen werden des Weiteren Elternabende zum Thema Sprachförderung oder die Einla-dung von Logopäd/inn/en und anderen spezialisierten Fachkräften in Elterncafés.

Mehrere Leiterinnen heben die besondere Bedeutung des Anmeldegesprächs hervor. Auf der Grundlage des Gesprächs versuchen sie einzuschätzen, wie sich der Umgang mit Sprache in der Familie gestaltet, und geben erste Hinweise zur Vorbereitung auf den Kindergarten. Die Leiterin einer Einrichtung weist Eltern mit Migrationshintergrund im Anmeldegespräch gezielt darauf hin, vor dem Beginn der Kindergartenzeit darauf hinzuwirken, dass ihre Kinder zumindest einige wich-tige Begriffe in der deutschen Sprache lernen, damit sie sich zumindest ein wenig verständigen können und sich im Kindergarten zu Beginn „nicht völlig verloren vorkommen“.

Dies bedeutet nicht, dass die Nutzung der Muttersprache abgewertet würde. Im Gegenteil betonen mehrere Leiterinnen, dass sie die Eltern darin bestärken, mit ihren Kindern in der Muttersprache zu reden. Zum einen sei die Beherrschung der Muttersprache eine gute Voraussetzung für das Erler-nen einer weiteren Sprache, zum anderen sei es wichtig, eine Wertschätzung der Muttersprache zum Ausdruck zu bringen, damit Eltern und Kinder sich in der Einrichtung willkommen fühlen. In Verbindung mit dieser positiven Haltung gegenüber der Muttersprache hält es die Leiterin einer Einrichtung mit einem sehr hohen Anteil an Familien mit Migrationshintergrund aber auch für wich-tig, die Eltern für Mehrsprachigkeit zu sensibilisieren. So hatte man sich in der Einrichtung früher um mehrsprachige Aushänge bemüht; inzwischen wird dies nicht mehr praktiziert, vielmehr werden deutschsprachige Aushänge dazu genutzt, mit Eltern ins Gespräch zu kommen. Im Rahmen von Vorleseprojekten fungieren Eltern als Lesepaten und lesen auch in ihrer Muttersprache vor. Je-doch berichtet die Leiterin, dass inzwischen viele Eltern mit Migrationshintergrund nicht nur in ihrer Muttersprache, sondern auch auf Deutsch vorlesen und auf diese Weise für ihre Kinder eine Vor-bildfunktion bei der Nutzung der deutschen Sprache wahrnehmen.

Die Erfahrungen in der Arbeit mit Eltern beschreiben die meisten Einrichtungen als durchweg oder überwiegend positiv: „Die Eltern sind dankbar für die Unterstützung.“ Teilweise machen die Leite-rinnen die Erfahrung, dass Eltern mit Migrationshintergrund oft mehr Interesse am Thema Sprach-förderung haben als deutschstämmige Eltern. Diese seien bei Sprachproblemen oft eher der Auf-fassung, das werde sich schon „auswachsen“, während Eltern mit Migrationshintergrund Unter-stützungsangebote im Hinblick auf die deutsche Sprache aufgreifen würden. Einige Leiterinnen weisen allgemein darauf hin, dass es manchmal schwierig sei, die Eltern zu erreichen; dies sei „ein mühseliges Geschäft“, das den Leiterinnen oft auch eine gewisse Hartnäckigkeit abfordert. Eine Leiterin fasst ihre Erfahrungen folgendermaßen zusammen: „Manchmal ist das schwierig, aber notfalls besuchen wir die Eltern auch zu Hause – letztlich erreichen wir doch jeden für ein Eltern-gespräch.“

6.6 Fazit

„Viele Wege führen nach Rom“, so könnte man die Ergebnisse der Auswertung der Fallstudien überschreiben. Alle in die Befragung einbezogenen Einrichtungen sind durch gute Ergebnisse im Sprachstandsentwicklungsindex gekennzeichnet; ihre Einstellungen, Konzepte und Aktivitäten unterscheiden sich jedoch erheblich voneinander. Deutlich wird aber auch, dass in jedem einzel-nen Fall eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Sprachförderung stattfindet. Zum einen ist alltagsintegrierte Sprachförderung offenkundig nicht gleichzusetzen mit einem eher zufäl-ligen „Das machen wir sowieso“; vielmehr geht es um eine bewusste Schaffung und Nutzung von Sprechanlässen und um eine konzeptionelle Einbindung der alltagsintegrierten Aktivitäten. Zum anderen wird alltagsintegrierte Sprachförderung in den meisten Fällen mehr oder weniger intensiv mit zusätzlichen, gezielten Angeboten verknüpft.

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7 Erfolgsfaktoren für die Sprachförderung In diesem abschließenden Kapitel werden die zentralen Ergebnisse der empirischen Erhebungen im Rahmen der Studie zusammengefasst, um auf dieser Basis Aussagen über Erfolgsfaktoren für die Sprachförderung abzuleiten. Dabei werden die Resultate der verschiedenen Auswertungs-schritte zusammengeführt und mögliche Schlussfolgerungen und weitere Fragen formuliert.

7.1 Strukturen

Einrichtungen mit besonders guten Ergebnissen in der Sprachstandsentwicklung (Index 1) haben eine ebenso unterschiedliche Sozialstruktur wie der Durchschnitt der Einrichtungen. Es ist somit offensichtlich, dass es eine Reihe von Einrichtungen mit benachteiligter oder sogar stark benach-teiligter Sozialsituation gibt, in denen gute Ergebnisse in der Sprachstandsentwicklung zu ver-zeichnen sind. Allerdings gibt es auch einen relevanten Teil an Einrichtungen, in denen dies nicht gelingt: In der Gruppe der Einrichtungen mit einem Sprachstandsentwicklungsindex von 5 ist die Sozialstruktur ebenso gemischt (mit einem leicht überproportional hohen Anteil an Einrichtungen mit sozial benachteiligtem Einzugsgebiet).

Jeweils ein gutes Drittel (36,1%) der Einrichtungen mit besonders guten und mit besonders un-günstigen Ergebnissen bei der Sprachstandsentwicklung (36,1% der ersteren, 34,4% der letzeren) verzeichnet einen besonders hohen Anteil von Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache (ab 60%): Im Durchschnitt liegt dieser Anteil nur bei einem knappen Viertel (23,2%), in den drei mittle-ren Gruppen (Sprachstandsentwicklungsindex 2, 3 oder 4) sogar deutlich darunter. Es zeigt sich also, dass Einrichtungen mit einem sehr hohen Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Mutterspra-che häufig entweder einen sehr guten oder aber einen sehr ungünstigen Wert bei der Sprachstandsentwicklung erreichen. Als exemplarisch für die erstere Gruppe können einige der in den Fallstudien befragten Einrichtungen gelten: In diesen Einrichtungen wird offensichtlich, dass sich die Leitungen und das Team intensiv mit den Anforderungen einer durch Mehrsprachigkeit geprägten Einrichtung auseinandergesetzt und angemessene Konzepte entwickelt haben.

Angesichts dessen, dass Einrichtungen mit einem sehr hohen Anteil an Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache in der Sprachförderung besonderen Herausforderungen gegenüberstehen, könnte man daraus, ein wenig zugespitzt formuliert, folgende Schlussfolgerung ziehen: Wenn die Heraus-forderungen besonders groß sind, entwickelt ein Teil der Einrichtungen in besonderem Maße gute Wege, um mit diesen Herausforderungen umzugehen – ein anderer Teil der Einrichtungen ist da-mit anscheinend überfordert. Da die Rahmenbedingungen der Einrichtungen im Hinblick auf die vom Kinderbildungsgesetz vorgegebenen Strukturen und die Personalausstattung relativ ähnlich sind, stellt sich die Frage, welche Faktoren ausschlaggebend dafür sind, wie gut die einzelnen Ein-richtungen mit besonderen Herausforderungen umgehen können.

Einrichtungen, die über zusätzliche interkulturelle Fachkräfte verfügen, verzeichnen relativ günsti-ge Werte bei der Sprachstandsentwicklung: Sie erreichen im Durchschnitt einen Sprachstandsent-wicklungsindex von 2,38 (gegenüber einem Wert von 2,99 bei den anderen Einrichtungen); gut die Hälfte dieser Einrichtungen (7 von 13) erzielen bei der Sprachstandsentwicklung den günstigsten Indexwert 1. Angesichts der geringen Anzahl von 13 ist bei der Interpretation dieses Ergebnisses allerdings besondere Vorsicht geboten. Überproportional hoch ist bei den Einrichtungen mit dem Index 1 mit 36,1% auch der Anteil derjenigen, die Mitarbeiter/innen mit akademischer Ausbildung beschäftigen; im Durchschnitt ist dies nur bei 23,2% der Fall. Beide Ergebnisse zusammenge-nommen – günstige Werte bei der Beschäftigung von interkulturellen Fachkräften und bei akade-misch ausgebildetem Personal – legen die Überlegung nahe, dass sich das Vorhandensein spezi-fischer bzw. höherer Qualifikationen in der Einrichtung positiv auswirken kann; die Anzahl der Ein-richtungen mit interkulturellen Fachkräften auf der einen Seite und die Unterschiede in den Ergeb-nissen zwischen Einrichtungen mit und ohne Personal mit akademischer Ausbildung auf der ande-ren Seite sind jedoch zu gering, um diesbezügliche Schlussfolgerungen zu ziehen; von Interesse wäre es aber, dieser Frage nachzugehen. Auch die hohe Wertschätzung von logopädischen und sprachtherapeutischen Kompetenzen, die in den Fallstudien zum Ausdruck kommt, spricht dafür, die Frage nach der Bedeutung spezifischer Qualifikationen zu vertiefen.

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Bezüglich der Fragen, ob es in einer Einrichtung mehrsprachige Fachkräfte oder Multiplika-tor/inn/en für Sprachförderung gibt, lassen sich keine positiven Auswirkungen im Hinblick auf die Sprachstandsentwicklung identifizieren. Bezogen auf die Beschäftigung von mehrsprachigen Mit-arbeiter/inne/n zeigt sich sogar eine leicht gegenteilige Tendenz: Mehrsprachige Mitarbeiter/innen gibt es in Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5 relativ häufig, nämlich in 65,6% der Fälle; der Durchschnitt liegt bei 55,6%; unter den Einrichtungen mit dem Index 1 beschäftigten (trotz des hohen Anteils an Kindern mit Migrationshintergrund) nur 47,2% mehrsprachiges Perso-nal. In den Fallstudien zeigt sich, dass mehrsprachiges Personal nicht gezielt für die Sprachförde-rung eingesetzt wird; seine Funktion liegt eher im Aufbau von Kontakten insbesondere mit den Eltern. Insofern sprechen die Befragungsergebnisse selbstverständlich keineswegs gegen den Einsatz von mehrsprachigem Personal; die Bedeutung speziell für die Sprachförderung sollte je-doch nicht überschätzt werden.

Auch im Hinblick auf die Arbeit als Familienzentrum und auf den Anteil der Ganztagsplätze sind sich aus der Befragung keine positiven Zusammenhänge mit der Sprachstandsentwicklung abzu-lesen. Bezüglich des Anteils der Ganztagsplätze lassen sich ähnliche Resultate verzeichnen, wie sie soeben bezogen auf die mehrsprachigen Mitarbeiter/innen angesprochen wurden: Es gibt eine leicht negative Tendenz. Nur 8,3% der Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 haben einen sehr hohen Anteil (ab 75%) an Ganztagsplätzen; insgesamt befinden sich 16,8% der Einrichtungen in dieser Gruppe; bei den Einrichtungen mit dem Index 5 sind es 25,0%. Auch bei den Einrichtungen mit zwischen 55% und 75% Ganztagsanteil sind die Einrichtungen mit ungüns-tiger Sprachstandsentwicklung mit 28,1% überrepräsentiert (Durchschnitt 23,5%). Leicht unterpro-portional vertreten sind diese Einrichtungen hingegen in der Gruppe mit geringem Ganztagsanteil (15,6% gegenüber 19,9% im Durchschnitt), deutlich unterproportional bei den Einrichtungen mit sehr wenigen Ganztagsplätzen (6,3% gegenüber 13,3% im Durchschnitt). Für die vielfach geäu-ßerte Vermutung, dass sich lange Betreuungszeiten günstig auf die Sprachstandsentwicklung auswirken, lassen sich somit in der Befragung keine Belege finden.

7.2 Alltagsintegrierte Sprachförderung und zusätzliche Angebote

In den Kindertageseinrichtungen in Essen gibt es einen breiten Konsens über die hohe Bedeutung alltagsintegrierter Sprachförderung. Gut 90% der Einrichtungen sprechen dieses Thema an, wenn sie nach den Schwerpunkten ihrer Sprachförderarbeit gefragt werden. Zusätzliche, gezielte Ange-bote der Sprachförderung werden hingegen nur von der Hälfte der Befragten (51,4%) als Schwer-punkt ihrer Arbeit genannt.

Die Ergebnisse der Fallstudien deuten darauf hin, dass in Einrichtungen, die gute Ergebnisse bei der Sprachstandsentwicklung erzielen, eine sehr bewusste Auseinandersetzung mit Konzepten und Möglichkeiten alltagsintegrierter Sprachförderung stattfindet. Hier zeigt sich, dass der Begriff „alltagsintegriert“ nicht mit „zufällig“ gleichzusetzen ist; vielmehr sind sowohl eine bewusste kon-zeptionelle Gestaltung als auch eine bewusste Umsetzung im Alltag notwendig. Ein Blick auf das gesamte Spektrum der Konzepte und Aktivitäten der befragten Einrichtungen macht weiterhin deutlich, dass zwischen einem alltagsintegrierten Ansatz und einer Einbeziehung von zusätzlichen, gezielten Angeboten kein Widerspruch besteht. Von Interesse wäre es, mehr darüber zu erfahren, wie eine „gute“ alltagsintegrierte Sprachförderung in der Praxis umgesetzt wird. Dies ist nicht über Befragungen möglich, sondern erfordert systematisierte, nicht-teilnehmende Beobachtungen in den Einrichtungen. Auf diesem Wege wäre dann auch festzustellen, warum und wie eine alltagsin-tegrierte Sprachförderung in einigen Einrichtungen zu deutlich besseren Ergebnissen führt als in anderen.

Neben der alltagsintegrierten Sprachförderung machen den Ergebnissen der Online-Befragung zufolge insgesamt 87,0% der Kindertageseinrichtungen gezielte Zusatzangebote in der Sprachför-derung. Fast immer (bei 81,3% aller befragten Einrichtungen) betreffen diese Zusatzangebote die Förderung von Kindern, für die in Delfin 4 Sprachförderungsbedarf festgestellt wird; für Kinder, die nach SISMIK/SELDAK oder anderen Verfahren Sprachförderbedarf haben, gibt es in 61,5% der Kitas besondere Angebote. Die Ergebnisse von Delfin 4 werden also offenkundig besonders inten-siv genutzt, um Kinder mit Bedarf an zusätzlicher Sprachförderung zu identifizieren. Angesichts der von den Einrichtungen immer wieder geäußerten Kritik am Delfin-4-Test ist dieses Ergebnis durch-

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aus erstaunlich. Diese ambivalente Haltung zu Delfin 4 bestätigt sich in den Fallstudien: Ein Teil der Einrichtungen kritisiert das Verfahren und hält andere Wege der Sprachstandsfeststellung für aussagekräftiger, jedoch setzen sich (fast) alle mit den Ergebnissen auseinander und legen Wert auf eine Förderung der Kinder, bei denen der Bedarf identifiziert wurde. Zusammen mit der in den Fallstudien deutlich gewordenen sehr positiven Bewertung von SISMIK/SELDAK durch die Einrich-tungen zeigen diese Ergebnisse, dass es einen Bedarf an systematischen Verfahren zur Beobach-tung und Begleitung der Sprachstandsentwicklung gibt.

Eine vergleichsweise geringe Rolle spielen spezielle Angebote für Kinder mit nicht-deutscher Mut-tersprache: Deutsch-Angebote für diese Kinder gibt es in 19,7% der Einrichtungen, Angebote zur Förderung der Muttersprache in 10,6%. In Einrichtungen mit einem hohen Anteil an Kindern mit nicht-deutscher Muttersprache finden sich diese Angebote zwar häufiger, aber auch bei weitem nicht bei der Mehrheit der Einrichtungen. Auch bei der offenen Frage nach den Schwerpunkten der Sprachförderung wurden besondere Maßnahmen oder Konzepte für Kinder mit nicht-deutscher Muttersprache nur selten genannt; gleiches gilt für die in den Fallstudien befragten Einrichtungen. Aus diesen Ergebnissen lässt sich folgern, dass viele Einrichtungen in der Sprachförderung einen Ansatz verfolgen, der nicht nach der Muttersprache differenziert, und dass die Förderung von nicht-deutschsprachigen Kindern zusammen mit der Förderung der anderen Kinder erfolgt. Auch Zusatzangebote werden nicht unbedingt spezifisch an der Frage der Muttersprache orientiert aus-gerichtet.

Einrichtungen, die über die alltagsintegrierte Sprachförderung hinaus gezielte Zusatzangebote zur Sprachförderung machen, schneiden im Hinblick auf die Sprachstandsentwicklung der Kinder bes-ser ab als Einrichtungen, die dies nicht oder nur in geringem Maße tun:

Einrichtungen, die bei der Frage nach den drei wichtigsten Kennzeichen ihrer Sprachförderar-beit zwei oder mehr Schwerpunkte aus der Rubrik „zusätzliche Angebote“ angeben, erreichen bei dem Gesamtindex Sprachstandsentwicklung einen Mittelwert von 2,12, während Einrichtun-gen, die zwei oder mehr Schwerpunkte im Bereich „alltagsintegriert“ nennen, einen durch-schnittlichen Wert von 3,11 verzeichnen.

Von den Einrichtungen, die besonders gute Ergebnisse bei der Sprachstandsentwicklung erzie-len (Index 1), nennen besonders viele (27,8%) zwei oder mehr Schwerpunkte aus dem Bereich der zusätzlichen Sprachförderung. Im Durchschnitt ist dies nur bei 13,3% der Einrichtungen der Fall; darunter befindet sich keine Einrichtung mit einem Sprachstandsentwicklungsindex von 5.

Einrichtungen mit Zusatzangeboten für viele unterschiedliche Zielgruppen erreichen etwas bes-sere Werte beim Sprachstandsentwicklungsindex als der Durchschnitt (2,48 gegenüber 2,95).

Ein vergleichsweise hoher Anteil der Einrichtungen mit einem Sprachstandsentwicklungsindex von 1 verfügt über ein sehr breites Spektrum an Zusatzangeboten: 25,0% dieser Einrichtungen nutzen sechs bis acht der in der Befragung angesprochenen Formen von Zusatzangeboten; im Durchschnitt sind es 15,8% und in der Gruppe derjenigen Einrichtungen mit einem Sprachstandsentwicklungsindex von 5 nur 9,4%.

64,6% der Befragten verwenden in ihren Einrichtungen veröffentlichte Konzepte (Trainings, Pro-gramme usw.) zur Sprachförderung. Bei den Einrichtungen mit einem Sprachstandsent-wicklungsindex von 1 liegt dieser Anteil mit gut drei Vierteln (75,8%) höher, bei den Einrichtungen mit dem Index 5 beträgt er nur knapp die Hälfte (46,4%). Einrichtungen, die solche Konzepte nut-zen, erreichen einen geringfügig besseren durchschnittlichen Mittelwert bei der Sprachstands-entwicklung (2,79) als solche, die dies nicht tun (3,17). Insgesamt ist somit festzustellen, dass die Nutzung von veröffentlichten Konzepten in Essen weit verbreitet ist und tendenziell positive Aus-wirkungen zu haben scheint. Dabei ist die Art der Nutzung durchaus unterschiedlich; wie die Fall-studien zeigen, arbeiten einige Einrichtungen mit kompletten Programmpaketen, andere nutzen situationsbezogen einzelne Elemente.

Bücher und Musik spielen in den Kindertageseinrichtungen eine große Rolle; die Unterschiede zwischen den Einrichtungen sind bei den diesbezüglichen Fragen geringer ausgeprägt als bei den meisten anderen Themenfeldern. Bei der Nutzung anderer Medien (bspw. Kassettenrecorder und Computer) sind die Differenzen etwas größer. Unterschiede im Sprachstandsentwicklungsindex, die mit der Nutzung von Büchern, Musik und Medien zusammenhängen, zeigen sich nur in gerin-gem Maße. Tendenziell scheint sich vor allem eine besonders intensive Nutzung von Büchern po-

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sitiv auszuwirken; im Hinblick auf die Musik zeigt sich dies nicht. So weisen bspw. 25,0% der Ein-richtungen mit einem Sprachstandsentwicklungsindex von 1 (gegenüber 16,8% im Durchschnitt) einen besonders hohen Wert bei der Beschäftigung mit Büchern auf; in der Kategorie mit einer sehr starken Beschäftigung mit Musik sind hingegen nur 8,3% (gegenüber 13,3% im Durchschnitt) angesiedelt. Umgekehrt ist fast die Hälfte der Einrichtungen mit einem Sprachstandsent-wicklungsindex von 5 (43,8% gegenüber einem Durchschnitt von 23,5%) der Kategorie mit der geringsten Intensität in der Beschäftigung mit Büchern zuzuordnen; bezüglich der Beschäftigung mit Musik unterscheiden sie sich nur unwesentlich von anderen Einrichtungen.

Zusammenfassend ergibt sich, dass der vielfach diskutierte positive Einfluss der Beschäftigung mit Musik im Rahmen dieser Studie nicht festgestellt werden konnte. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass der Einsatz von Musik anscheinend in der Mehrheit der Einrichtung nicht gezielt unter dem Blickwinkel erfolgt, diesen wichtigen Bestandteil des Kindergartenalltags bewusst in das alltagsintegrierte Konzept der Sprachförderung einzubeziehen. Ähnliches scheint für den Einsatz von Bewegung zu gelten.

Bücher gehören in allen Einrichtungen mehr oder weniger stark ausgeprägt zum Alltag. Wenn die-ses Feld aber eine besondere Schwerpunktsetzung erfährt, scheinen sich positive Effekte einzu-stellen. In den Fallstudien ist darüber hinaus ersichtlich, dass es über das Vorlesen und die Bereit-stellung von Büchern hinaus vielfältige Formen der Leseförderung gibt, wobei insbesondere die Berücksichtigung der häuslichen Umgebung (bspw. durch das Ausleihen) eine wichtige Rolle spielt. Auch die Leseförderung ist nicht automatisch im Alltag vorhanden, sondern wurde in einigen dieser Einrichtungen gezielt weiter entwickelt.

Betrachtet man die Ergebnisse zu den verschiedenen Fragen aus diesem Themenfeld, so deuten sie darauf hin, dass es sich lohnt, wenn Einrichtungen sich erstens intensiv und bewusst mit der Gestaltung der alltagsintegrierten Sprachförderung auseinandersetzen und wenn sie zweitens ge-zielte Zusatzangebote machen. Die Verwendung von Materialien aus veröffentlichten Konzepten und Programmen kann ebenso dazu gehören wie die besonders intensive Nutzung von Büchern oder ein vielfältiges Förderangebot für unterschiedliche Zielgruppen.

7.3 Sprachförderung, Fortbildung und Teamentwicklung

Einrichtungen, in denen die Sprache sehr häufig (mindestens zweimal monatlich) Teamthema ist, weisen eine günstigere Entwicklung im Sprachstand auf: Der Sprachstandsentwicklungsindex liegt bei ihnen im Mittel bei 2,45; bei Einrichtungen, die das Thema monatlich bis alle drei Monate im Team aufgreifen, erreicht der Index durchschnittlich den Wert von 2,97, in Einrichtungen, in denen die Sprache seltener thematisiert wird, beträgt er 3,2.

In fast allen Kitas haben Mitarbeiter/innen in den letzten fünf Kindergartenjahren an Fortbildungen zum Thema Sprachförderung teilgenommen, allerdings mit großen Unterschieden in Qualität, Form und Inhalten. Zusammenhänge zwischen den Anteilen der fortgebildeten Mitarbeiter/innen, der Menge der Fortbildungsaktivitäten oder den einzelnen Inhalten mit der Sprachstands-entwicklung sind nur teilweise erkennbar. Tendenziell scheint sich eine intensive Fortbildungsarbeit positiv auszuwirken: Bei Einrichtungen mit sehr hoher Fortbildungsintensität liegt der durchschnitt-liche Mittelwert des Sprachstandsentwicklungsindexes bei 2,67, bei Einrichtungen mit sehr gerin-ger Aktivität bei 3,16.

Sowohl in den offenen Fragen der Online-Befragung als auch in den Fallstudien kommen teilweise ambivalente Einschätzungen der Rolle der Mitarbeiter/innen zum Ausdruck. Insbesondere in den Fallstudien-Einrichtungen wird die Vorbildfunktion der Mitarbeiter/innen sehr stark hervorgehoben. Demzufolge dürfte die eigene Sprachkompetenz der Mitarbeiter/innen sehr wichtig sein. Einige Aussagen sowohl in den Fallstudien als auch in der Online-Befragung deuten darauf hin, dass ei-nige Leitungen einen Bedarf nach einer Weiterentwicklung der Qualifikationen sehen. Berücksich-tigt man des Weiteren die Ergebnisse, die auf eine positive Auswirkung höherer Qualifikationen hindeuten, dürfte es sich lohnen, das Thema „Qualifikation“ künftig näher zu betrachten.

Von besonderer Bedeutung scheinen Teamfortbildungen zu sein. Einrichtungen, die vier und mehr Teamfortbildungen aufweisen, erreichen bei dem Sprachstandsentwicklungsindex einen Mittelwert von 2,30 (gegenüber 3,06 bei Einrichtungen ohne Teamfortbildung). In 23,5% der Einrichtungen,

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die einen Sprachstandsentwicklungsindex von 1 erreichen, gab es vier oder mehr Teamfortbildun-gen; im Durchschnitt war dies bei 12,1% der Einrichtungen der Fall. Die positive Bewertung von Teamfortbildungen bestätigt sich in den Fallstudien. Zusammen mit den Ergebnissen zu der Be-deutung von Sprachförderung als Teamthema deutet dies darauf hin, dass insbesondere die Aus-einandersetzung mit Sprachförderung im Team günstige Auswirkungen hat. Bei der Weiterentwick-lung von Fortbildungskonzepten sollte dieser Aspekt berücksichtigt werden.

7.4 Die Einbeziehung der Eltern

Die meisten Einrichtungen beziehen die Eltern in die Sprachförderung ein. Drei Viertel der Befrag-ten nennen bestimmte Formen der Einbeziehung; 13,0% geben an, dass Eltern einbezogen wer-den, jedoch der Einbezug nicht genau festgelegt sei; 4,3% verneinen den Einbezug und 7,7% ma-chen keine Angabe. Wenn die soziale Situation der Familien schwierig ist, bemühen sich die Ein-richtungen tendenziell stärker um eine Einbeziehung der Eltern. Bei Einrichtungen mit dem Sozial-index 1 erreicht der Index für den Elterneinbezug einen durchschnittlichen Wert von 3,61, bei Ein-richtungen mit dem Sozialindex 5 liegt er bei 2,44.

Fast alle Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 geben an, dass sie die Eltern in die Sprachförderung einbeziehen; der Durchschnitt liegt bei 88,3%. 91,2% der Einrichtungen mit besonders günstiger Entwicklung beschreiben, wie der Elterneinbezug geschieht; im Durchschnitt gilt dies für 75,5% und bei den Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 5 nur für 65,6%. Inhaltlich hervorzuheben ist hier zum Beispiel das Rucksack-Programm, das in Einrichtun-gen mit günstiger Entwicklung besonders häufig angeboten wird (in 30,6% der Fälle gegenüber 19,5% im Durchschnitt). Insgesamt sind 33,3% der Einrichtungen mit besonders günstiger Ent-wicklung der Gruppe mit einem sehr hohen Elterneinbezug zuzurechnen (gegenüber 20,5% im Durchschnitt). Bei den Einrichtungen mit einem Sprachstandsentwicklungsindex von 5 sind es nur 6,3%. Wenn der Einbeziehung von Eltern eine hohe Bedeutung zugemessen wird, sind also positi-ve Zusammenhänge mit dem Sprachstandsentwicklungsindex zu verzeichnen.

Etwa zwei Drittel der Kindertageseinrichtungen machen Angebote der Elternbildung (bei den Fami-lienzentren liegt dieser Anteil bei 83%). Die Intensität der Elternbildungsarbeit wird deutlich von der sozialen Situation der Einrichtung beeinflusst. Bei Einrichtungen mit dem Sozialindex 1 beträgt der durchschnittliche Index der Elternbildung 4,0, bei Einrichtungen mit dem Sozialindex 5 liegt er bei 2,71. Maßnahmen und Projekte der Elternbildung werden von 82,4% der Einrichtungen mit dem Sprachstandsentwicklungsindex 1 durchgeführt, bei den Einrichtungen mit dem Index 5 sind es nur 61,3%. Weitergehende Zusammenhänge zwischen der Elternbildungsarbeit und dem Sprach-standsentwicklungsindex sind jedoch kaum festzustellen. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Programme allgemein auf den elterlichen Erziehungsauftrag ausgerichtet sind und nicht spezi-ell die Sprachförderung in den Blick nehmen.

Einschätzungen zur Zusammenarbeit mit Eltern kommen zum einen in der Online-Befragung im Kontext der offenen Frage zur Weiterentwicklung der Sprachförderung zum Ausdruck, zum ande-ren werden sie in den Fallstudien angesprochen. Dabei zeigt sich, dass die Einbeziehung der El-tern – sowohl allgemein als auch speziell bezogen auf die Sprachförderung – in den Einrichtungen unterschiedlich gut gelingt. Während einige Leitungen hervorheben, dass die Eltern für die Unter-stützung dankbar sind und sich gern an Aktivitäten in der Kita beteiligen, sehen andere erhebliche Schwierigkeiten darin, die Eltern zu erreichen. Viele Aussagen bewegen sich zwischen diesen bei-den Polen, indem beispielsweise Unterschiede zwischen unterschiedlichen Zielgruppen angespro-chen werden oder darauf verwiesen wird, dass es zwar in einigen Fällen schwierig sei, einen guten Kontakt mit den Eltern aufzubauen, aber bei entsprechendem Engagement in den meisten Fällen gelinge. Von Interesse wären hier weiterführende Untersuchungen darüber, wie sich im Allgemei-nen eine gute Zusammenarbeit mit Eltern entwickeln lässt und wie im Besonderen die Einbezie-hung der Eltern in die Sprachförderung gestärkt werden kann.

7.5 Weiterentwicklung der Sprachförderung

Um die Sprachförderung weiterzuentwickeln, sind nach Einschätzung der Einrichtungen in erster Linie zusätzliche Ressourcen erforderlich. Wie allerdings diese Ressourcen eingesetzt werden sollten, darüber gibt es kein einheitliches Meinungsbild – allgemeine Stundenaufstockungen wer-

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den in der diesbezüglichen offenen Frage in der Online-Befragung ebenso angesprochen wie der Einsatz spezialisierter Kräfte. Bedeutung wird in diesem Konzept des Weiteren vor allem der Quali-fikation und hier vor allem der Fortbildung im Allgemeinen und der Teamfortbildung im Besonderen zugemessen. Oft thematisiert wird schließlich die Rolle der Eltern, wobei die Stärkung dieser Rolle nur von einer Minderheit als Aufgabe der Einrichtungen betrachtet wird. Verwiesen wird hier eher auf unterschiedliche Ansätze des „Förderns und Forderns“ sowie vor allem auf eine früh einset-zende Unterstützung der Familien.

Fasst man die Ergebnisse der Analysen zusammen, so lässt sich Diskussionsbedarf vor allem auf den folgenden Feldern erkennen:

Verknüpfung zwischen einer alltagsintegrierten Sprachförderung und gezielten Zusatzangebo-ten

Wie wird das Leitbild einer alltagsintegrierten Sprachförderung in der Praxis der Einrichtungen um-gesetzt, und wie lässt sich die bewusste Auseinandersetzung mit dem Leitbild und seiner Umset-zung stärken? Wie lassen sich Zusatzangebote sinnvoll mit der alltagsintegrierten Sprachförderung verknüpfen? Bei diesen Fragen geht es zum einen um eine genauere Beobachtung des Alltags, zum anderen um Fragen der Teamentwicklung: Aus der Studie geht hervor, dass sich eine intensi-ve Auseinandersetzung mit Fragen der Sprachförderung im Team positiv auf die Sprachstands-entwicklung auswirkt. Letztlich ist es für jedes Team wichtig, diese Auseinandersetzung bewusst zu führen und seinen eigenen Weg zu gestalten. Diese Wege können unterschiedlich sein, aber sie müssen bewusst gegangen werden. Im Hinblick auf die Organisationsentwicklung ist zu fragen, wie die Einrichtungen dabei auf ihrem weiteren Weg unterstützt werden können.

Teamentwicklung

Bezüglich der Fortbildung dürfte es sinnvoll sein, vor allem in Teamfortbildungen zu investieren. Diese scheinen eine höhere Verbindlichkeit für die Umsetzung des Gelernten im Alltag mit sich zu bringen und bieten auch eine Möglichkeit für die soeben angesprochene Organisationsentwick-lung. Demzufolge ist zu überlegen, inwieweit Ressourcen für die Fortbildungen auf Teamfortbil-dungen konzentriert werden können und welche Möglichkeiten der Erweiterung bestehen.

Qualifikation und Personalressourcen

Aus den Ergebnissen der Studie lassen sich einige Hinweise auf die Bedeutung von Qualifikation und Personalressourcen entnehmen, die weitere Fragen aufwerfen. Im Hinblick auf die Weiterent-wicklung der Ausbildung von Fachkräften für die Kindertageseinrichtungen ist näher zu untersu-chen, welche Qualifikationen sich in besonderem Maße günstig auf die Sprachförderung auswir-ken. Angesichts der Betonung der Vorbildfunktion, die an einigen Stellen der Studie zum Ausdruck kommt, ist hier auch die eigene Sprachkompetenz der Fachkräfte zu beachten. Mehrsprachigkeit erweist sich zwar als sinnvoll für den Aufbau von Kontakten zu Eltern und Kindern, scheint aber für sich allein keine Qualifikation zu sein, die per se positiv für die Sprachförderung ist. Näher zu un-tersuchen wäre auch, welche Rolle die Qualifikation interkultureller Fachkräfte, von auf die Sprach-förderung spezialisierten Zusatzkräften und von Sprachtherapeut/inn/en und Logopäd/inn/en spielt. Geht es hier in erster Linie um zusätzliche Personalressourcen, mit denen angesichts einer dün-nen Personaldecke vor allem mehr Zeit für die Sprachförderung geschaffen wird, oder sind es vor allem die speziellen Qualifikationen, die einen positiven Einfluss haben?

Verfahren zur Feststellung und Beobachtung der Sprachentwicklung

Wie lassen sich Verfahren der Sprachstandsfeststellung und der Beobachtung der Sprachentwick-lung nachhaltig in den Einrichtungen verankern? Welche Verfahren und welche Elemente erweisen sich als sinnvoll? Hier sind Diskussionen auf kommunaler Ebene, aber nicht zuletzt mit der Lan-desebene erforderlich. In der Debatte um die Weiterentwicklung bzw. Veränderung des Delfin-4-Verfahrens muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass der Anteil der unter Dreijährigen in den Einrichtungen wächst. Wenn bereits im frühen Alter eine gute Sprachförderung geleistet wird, ist ein Test im Alter von vier Jahren ein ungeeignetes Instrument, um die Höhe der Finanzmittel für die einzelne Einrichtung zu bestimmen, weil auf diese Weise Einrichtungen finanziell schlechter gestellt werden, die bereits vor dem Testzeitpunkt eine gute Arbeit geleistet haben. Hier ist über geeignete organisatorische Regelungen nachzudenken.

Zusammenarbeit mit Eltern

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Bezüglich der Zusammenarbeit mit Eltern zeigt sich zum einen, dass eine Einbeziehung in die Sprachförderung günstige Effekte für die Sprachstandsentwicklung hat; für Elternbildung im Allge-meinen lassen sich solche Hinweise nicht identifizieren. Beide Aspekte lassen sich jedoch nicht voneinander trennen, da eine gute Zusammenarbeit mit Eltern auch eine gute Grundlage für deren Einbeziehung in die Sprachförderung bieten dürfte. Angesichts der unterschiedlichen Erfahrungen der Einrichtungen stellt sich hier einerseits die Frage, welche Faktoren ausschlaggebend dafür sind, dass sich eine gute Zusammenarbeit mit Eltern entwickelt, und wie eine Einbeziehung in die Sprachförderung am besten gestaltet werden kann. Zum anderen werden Gesamtsysteme früher Hilfen angesprochen: Hier geht es darum, Familien schon vor dem Beginn der Kindergartenzeit zu erreichen und für Fragen der Sprachförderung zu sensibilisieren.