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VO Sprachgeschichte Sprachgeschichte des Deutschen 1. Stunde Die deutsche Sprache geht auf frühere Formen zurück, die selbst wieder aus früheren Sprachstufen abgeleitet sind. Wie Sprache verändert wird, weiß man nicht. Es gibt nicht DAS Deutsche, sondern es gibt verschiedene Schichten. Die Sprachwissenschaft gibt der gesprochenen Sprache den Vorzug gegenüber der geschriebenen. Jede natürliche Sprache ist heterogen, sie hat also unterschiedliche Ausprägungen, Varietäten genannt. Diese sind entweder nach räumlicher Ausdehnung (Dialekte) oder gesellschaftlicher Verwendungsweise (Soziolekt) bestimmt. Zur Zeit Jakob Grimms wurde festgestellt, dass die „normale“ Sprachform nicht die Schriftsprache ist und das Gesprochene nur Dialekte davon. Die Dialekte sind das Ursprünglichere, das Verschriftlichte ist erst später dazugekommen. SPRACHLICHES SCHICHTENMODELL (S 14): Standardsprachen (es gibt mehrere, keine einheitliche) Umgangssprachen (gehen meistens von großen Städten aus) Verkehrsdialekte (größere räumliche Ausdehnung, zB Wiener Becken) Basisdialekte (geographisch beschränkt) Diese Schichten bezeichnet man als Varietäten. Es gibt keine einheitliche Standardsprache. Das Deutsche kennt 4 Standardsprachen. Auch heute gibt es keine einheitliche Standardsprache. Die Unterschiede sind stark regional geprägt. Bis Anfang des 20. Jhdts. gab es überhaupt keine Norm, erst 1901 gab es eine Norm der deutschen Schreibung, die aber nicht die gesprochene Sprache betraf und nur im amtlichen Bereich gültig war, privat durfte man schreiben was man wollte. Die Grammatik ist nicht geregelt, auch wenn wir das annehmen, weil es durch den Unterricht in der Schule suggeriert wird. Das ist aber keine amtliche Norm sondern geht von den Schulen aus. Je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, desto größere Probleme haben wir mit der Varianz. Die Umgangssprache wurde Ende des 19. Jhts. entdeckt, wie alt sie ist weiß man aber nicht. Es wird angenommen, dass sie durch die Industrialisierung in den Städten durch Ansammlung der Menschen neu entstanden ist. Die Standardsprache ist erst im Laufe des Frühneuhochdeutschen entstanden, also zwischen dem 16. und dem 18. Jhdt., und zwar über den – bis ins Mittelalter real existierenden – Dialekten. Dialekte sind das Ursprüngliche. Über ihnen bildete sich die Standardsprache, zuerst durch die schriftliche Norm. - 1 -

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VO Sprachgeschichte

Sprachgeschichte des Deutschen

1. Stunde

Die deutsche Sprache geht auf frühere Formen zurück, die selbst wieder aus früheren Sprachstufen abgeleitet sind.Wie Sprache verändert wird, weiß man nicht. Es gibt nicht DAS Deutsche, sondern es gibt verschiedene Schichten. Die Sprachwissenschaft gibt der gesprochenen Sprache den Vorzug gegenüber der geschriebenen.Jede natürliche Sprache ist heterogen, sie hat also unterschiedliche Ausprägungen, Varietäten genannt. Diese sind entweder nach räumlicher Ausdehnung (Dialekte) oder gesellschaftlicher Verwendungsweise (Soziolekt) bestimmt.Zur Zeit Jakob Grimms wurde festgestellt, dass die „normale“ Sprachform nicht die Schriftsprache ist und das Gesprochene nur Dialekte davon. Die Dialekte sind das Ursprünglichere, das Verschriftlichte ist erst später dazugekommen.

SPRACHLICHES SCHICHTENMODELL (S 14):

•• Standardsprachen (es gibt mehrere, keine einheitliche)

•• Umgangssprachen (gehen meistens von großen Städten aus)

•• Verkehrsdialekte (größere räumliche Ausdehnung, zB Wiener Becken)

•• Basisdialekte (geographisch beschränkt)

Diese Schichten bezeichnet man als Varietäten.Es gibt keine einheitliche Standardsprache. Das Deutsche kennt 4 Standardsprachen.

Auch heute gibt es keine einheitliche Standardsprache. Die Unterschiede sind stark regional geprägt. Bis Anfang des 20. Jhdts. gab es überhaupt keine Norm, erst 1901 gab es eine Norm der deutschen Schreibung, die aber nicht die gesprochene Sprache betraf und nur im amtlichen Bereich gültig war, privat durfte man schreiben was man wollte.Die Grammatik ist nicht geregelt, auch wenn wir das annehmen, weil es durch den Unterricht in der Schule suggeriert wird. Das ist aber keine amtliche Norm sondern geht von den Schulen aus.

Je weiter wir in der Geschichte zurückgehen, desto größere Probleme haben wir mit der Varianz.

Die Umgangssprache wurde Ende des 19. Jhts. entdeckt, wie alt sie ist weiß man aber nicht. Es wird angenommen, dass sie durch die Industrialisierung in den Städten durch Ansammlung der Menschen neu entstanden ist.

Die Standardsprache ist erst im Laufe des Frühneuhochdeutschen entstanden, also zwischen dem 16. und dem 18. Jhdt., und zwar über den – bis ins Mittelalter real existierenden – Dialekten.

Dialekte sind das Ursprüngliche. Über ihnen bildete sich die Standardsprache, zuerst durch die schriftliche Norm.

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Im Mittelalter gab es zwei Sprachformen:

•• Oberschichtige Sprachform: diese ist uns in Quellen erhalten, sie wurde von der sozial begüterten Schicht gesprochen.Beispiele für Quellen wären Verkaufsurkunden, schon daraus dass man etwas zu verkaufen hat, merkt man, dass das reichere Menschen waren, es ist nichts von Tagelöhnern an Quellen erhalten.

•• Unterschichtige Sprachform: Mangels Belegen ist diese nicht sehr bekannt, je früher desto weniger.

Bis ins 17./18. Jhdt. hinein war Lesen ja ein Privileg.

Durch Verschreibungen bei Abschriften kann man auf gesprochene Sprache schließen.Besonders bei Reimformen ist das auch zu sehen. Früher wurden nur „reine“ Reime akzeptiert, das zeigt uns, was die Gebiete jeweils unter einem reinen Reim verstanden.

„Evangelienharmonie“ von Otfried von Weißenburg

Er versuchte, eine zusammenhängende Geschichte aus den Evangelien zu erzählen. Besonders ist, dass eine Handschrift des Autors erhalten ist, in denen man Anmerkungen und Korrekturen von ihm sieht.

Das Hildebrandslied

Das Hildebrandslied ist als einziges noch erhalten. Es wurde in einem Kloster aufgeschrieben, von einem Mönch Anfang des 9. Jhdts. Man fand es auf der Rückseite eines Pergaments, das als Einband gefunden wurde. Das Lied bricht eigenartigerweise plötzlich ab. Eine berühmte Theorie sagt, dass ein Mönch es bewahren wollte und deshalb heimlich aufschrieb, da es aber ein heidnischer Text war, durfte er, als er erwischt wurde, nicht weiterschreiben.

Es geht im Lied um das Zusammentreffen von Vater und Sohn. Der Sohn glaubt dem Vater nicht und sie rüsten sich zum Kampf, in dem der Vater vermutlich den Sohn dann erschlägt.Der Text ist langobardischen Ursprungs, wurde ins bairische übersetzt und dann ins altniederhochdeutsche. Man findet auch fränkische Spuren. Es gab damals also verschiedene sprachliche Fassungen, erhalten ist eine gemischte.

Laut am besten erforscht in der SprachforschungWort relativ gut erforscht, es geht um morphologische BesonderheitenSatz nicht so gut untersuchtText wenig untersucht, die Textlinguistik ist noch ziemlich jung

Unser Hauptaugenmerk der Vorlesung liegt auf der Herausbildung der Neuhochdeutschen Schrift.

Gliederung der SprachgeschichteEine Gliederung ist ein Problem, da sich jede natürliche Sprache verändert. Jeder Versuch der Periodisierung ist nur ein Vorschlag.

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Man kann unterschiedliche Merkmale der Sprachepochenfindung anwenden, aufgrund deren man dann in Epochen einteilt. Beispiele dafür ist zB lautliche Kriterien (Lautverschiebung zB), kulturgeschichtliche (Buchdruck zB) etc.Es kommt nun darauf an, welche Merkmale man heranzieht, um auf eine Periodisierung zu kommen.

ST A MMB A UMT HEOR IE (S21)

Eine wichtige ist die Schematisierung nach Lauten, also die phonetisch-nonverbale.Man sieht das Indogermanische als eine Epoche an. Diese Sprache wurde im 19. Jhdt. für homogen gehalten, man hatte die Vorstellung eines indogermanischen Volkes, von dem sich Teile abspalteten und woanders hinzogen, sich dort mit neuen Völkern vermischten und ihre Sprache veränderten. Diese Vorstellung ist leicht naiv. Man bezeichnet diese Methode als Stammbaumtheorie.Man denkt nationalistisch, es gibt also e in Volk, das e ine Sprache hat. Dieses einheitliche Volk der Indogermanen und diese einheitliche Sprache gab es aber nicht. Das Indogermanische ist eine reine Rekonstruktion, es ist nirgends belegt, man fand es nur durch Vergleichen der Sprachformen als gemeinsame Grundlage.

Beispiel:

Die Stammbaumtheorie geht also davon aus, dass Sprachen genauso Vorfahren und Nachkommen haben wie Menschen, und dass man für sie genauso Stammbäume erstellen kann. Es gibt eine Ursprache, alle Abspaltungen sind durch die geographische Abwanderung von Angehörigen der Ursprache entstanden. Die Ursprache war natürlich einheitlich.

Probleme (S22) :•• Die Rekonstrukion kann nicht mehr gehalten werden, man sieht

Unterschiede, es gab also kein einheitliches Volk. •• Diese Theorie setzt eine einheitliche Ursprache voraus, die es nicht gibt.•• Man kann nicht sagen, wann eine ältere Sprache aufhört und wann eine

neue beginnt.•• Wie „Verwandtschaft“ zu definieren ist, ist unklar.

KLA SS ISCHE PER IOD IS IER UNG (S18)

Als Arbeitshypothese wird aber davon ausgegangen, dass es ein einheitliches „Indogermanisch“ gab.Ab etwa 3000 zerbrach diese Sprache, ob es nun eine Einheit war oder nicht, Teile wanderten ab.

Indogermanisch (als Spracheinheit) ca. 4000-3000Auseinanderbrechen des indogerm. Sprachraums ca. 3000-2000Vorgermanisch ca. 2000-1000

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Latein: P Germanisch: Fbelegt belegt

*pnicht belegt

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Ur- oder Gemeingermanisch ca. 1000-300Frühgermanisch ab ca. 300Das Vorgermanische ist nicht belegt.Aus dem Ur- oder Gemeingermanischen gibt es erste Zeugnisse. Va Namen sind erhalten. „Gemein“ bezieht sich aber bei den Germanen auf eine gemeinsame Sprachform.

In den Jahrhunderten v. Chr. werden die germanischen Wörter immer mehr belegt. Als Beispiel dafür seinen Caesar und die „Germania“ des Tacitus genannt.

Ostgermanisch starb aus. Unser Deutsch geht vom Westgermanischen aus, gemeinsam mit dem Friesischen und dem Englischen.Aus dem Kreis des Westgermanischen beginnen dann die Variationen, u.a. Althochdeutsch.

Germanische Großgruppen ab etwa 2./3. Jhdt.Althochdeutsch ca. 600/750-1050Mittelhochdeutsch ca. 1050-1350Frühneuhochdeutsch ca. 1350-1650Neuhochdeutsch ca. 1650-heute

Es sind immer Schritte von 300 Jahren. Jede Periode dauert also nur 3000 Jahre.Diese Schrittweite geht auf den Germanisten Karl Mühlenhof und seinen Schüler Wilhelm Scherer zurück, in der 2. Hälfte des 19. Jhdts.Es gibt immer Anfang, Blüte und Niedergang einer Schicht, die jeweils ein Jahr dauern und somit 300 umfassen.Das Problem ist, dass Forscher immer zuerst eine Theorie formulieren und diese dann belegen möchten.

Altniederdeutsch/Altsächsisch ca. 800-1200Mittelniederdeutsch ca. 1200-1650

Frühmittelniederdeutsch 1200-1370Mittelniederdeutsche Schriftsprache 1370-1530Spätmittelniederdeutsch 1530-1650

Danach Übergang zur hochdeutschen Schriftsprache

Nach 1650 geht die niederdeutsche Sprache unter. Das ist mit dem Hanse-System gekoppelt. Die Niederdeutsche Schriftsprache wird nicht mehr verwendet. Die Oberschicht übernimmt Hochdeutsch und schafft so eine einheitliche Schriftsprache.

Die aktuelle Epoche wird oft als „Gegenwartsdeutsch“ bezeichnet, was aber problematisch ist, weil in 200 Jahren wohl immer noch Gegenwartsdeutsch gesagt werden kann, aber vermutlich etwas anderes gemeint ist. Ernst schlägt den Begriff „Normdeutsch“ vor.

2. Stunde

Die Forschungsgeschichte kann in dieser Vorlesung nicht ausreichend behandelt werden, und ist daher im Buch „Germanistische Sprachwissenschaft“ von Peter Ernst nachzulesen. Auch dieses Thema ist Stoff für die Prüfung.

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Die moderne Sprachwissenschaft beginnt in den ersten Jahrzehnten des 19. Jhdts. Man verglich die Sprachen und fand Übereinstimmungen. Da es zu viele waren, um zufällig zu sein, nahm man eine gemeinsame Ursprache an.William Jones hat das als erster wissenschaftlich betrachtet. 1785 hielt er einen Vortrag, in dem er die These aufstellte, dass all diese Sprachen auf einen gemeinsamen Ursprung zurückzuführen sind, was aber nicht belegt ist.

X(Ursprache)

indisch persisch germanisch

Die Sprache wurde als indogermanisch bezeichnet, nach ihrem nördlichsten und südlichsten Zweig.Man stellte sich diese Verbindung wie einen Stammbaum vor.Die Rekonstruktion war zuerst sprachlich, man sah sich auffällige Übereinstimmungen an, und durch diese sprachliche Konstruktion kam es dann zu Stammbäumen.

1. Stufe: sprachliche RekonstruktionDabei wird die Methode des Sprachvergleichs angewandt. Man sucht zuerst möglichst alte Belege, und dann sind massenhafte Vergleiche nötig. Man darf keine Behauptungen aufstellen, sondern muss alles belegen können.

2. Stufe: Rekonstruktion der Völker

ST A M MB A U M

So kam man auf den Stammbaum.

Über das „Volk“ der Indogermanen und ihre „Heimat“ gibt es viele Diskussionen. Es ist nicht gelungen, das zu rekonstruieren. Dadurch, dass es keine Bezeichnungen für bestimmte Dinge gab, wie Bäume, nimmt man an, dass es in der Heimat der Indogermanen keine Bäume gab und sie sie daher nicht bezeichnen mussten. Das würde auf Steppe hindeuten.Nutztiere hatten einheitliche Bezeichnungen, aber keine für Esel und Katzen. Man nahm daher an, dass die Indogermanen sesshaft waren und Ackerbau und Viehzucht betrieben. Über die Pflanzennamen versuchte man den Ort zu rekonstruieren, aber jeder Forscher fand eine andere „Heimat“ für die Indogermanen. Anerkannt war die Theorie einer Heimat zwischen dem Kaspischen und dem Schwarzen Meer.

Kentum und Satem UnterscheidungMan wies den Kentumsprachen den Westen zu und den Satemsprachen den Osten.Das ist aber widerlegt worden. Indogermansich ist nicht einheitlich, es gab viele Dialekte, die sich weiterentwickelten, zumindest wäre das möglich.Das Germanische ist dann tatsächlich belegt.

METHODEN DER SPRACHGESCHICHTSSCHREIBUNG

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Es gibt verschiedene Methoden und Blickpunkte der Sprachgeschichtsschreibung: Sprache als Organismus, Stammbaumtheorie, Wellentheorie, Sutbstrattheorie, Strukturalismus, Entfaltungstheorie, Pragmatik.

Sprache als Organismus (S 20)Sprache entsteht, hat eine Blütezeit und stirbt dann. Daher kommt die Periodisierung der 300 Jahre.Englisch und Deutsch sind verwandte Sprachen, sie haben übereinstimmende Strukturmerkmale.

Stammbaum theorie (S 21) Diese Theorie wurde von August Schleicher aufgestellt.Die einzigen Merkmale, auf die natürliche Sprachen zurückgehen, sind vererbte, entlehnte oder neuerfundene:

•• Vererbung

•• Entlehnung (ergänzen sich, sprachliche Merkmale werden übernommen)

•• Neuschreibung

Das ist eine diachrone Methode.

Diachron EntwicklungSynchron Zeitpunkte vergleichen

Wellentheorie (S 23) Der Schüler von Schleicher, Johannes Schmidt, hat die Wellentheorie im 19. Jdht. formuliert. Diese Theorie geht synchron vor.

Sprachliche Zusammenhänge werden nicht als Form einer genetischen „Verwandtschaft“ gesehen, sondern als Kontaktphänomene gesehen. Zu vergleichen ist das mit den Wellenbewegungen, die entstehen, wenn man einen Stein ins Wasser wirft. Treffen zwei Wellen von zwei benachbarten Steinen aufeinander, kommt es zu Überlagerungen, die mit sprachlichen Interferenzen verglichen werden können. Man kann auch sehen, dass räumlich näher beisammen liegende, miteinander verwandte Einzelsprachen mehr Übereinstimmungen aufweisen als geographisch weit entfernte.

Die Wellentheorie erfasst die Entwicklung also nicht mit Baumdiagrammen, sondern flächenhaft in Form von Gebieten, die von Isoglossen begrenzt werden. Ein e Isoglosse ist die Grenzlinie zwischen der unterschiedlichen Realisierung zweier Sprach- oder Dialektformen.

Dieser synchrone Schnitt bestätigt die diachrone Theorie des Stammbaums.

Sprachen in synchroner Schrift verhalten sich also wie zwei Steine, die man ins Wasser wirft. Diese Theorie wurde in einer Zeit formuliert, in der es noch keine Dialektologie gab und wo man noch keinen Sprachüberblick hatte.

Substrattheorie (S 24) Sprachen können sich überlappen. Diese Theorie wurde von Hermann Hirt überlegt, einem Junggrammatiker.

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Er ist der Meinung, dass sich Sprachen beeinflussen, durch Kriege, Eroberungen, usw.

Es gibt ein Substrat einer Sprache, das ist die untere Schichte, die sprachliche Grundschicht.Das Superstrat einer Sprache ist die darüberliegende, dominierende Schicht.Ein Beispiel dafür ist die Entstehung der romanischen Sprachen. Die Römer trugen Latein in verschiedene Länder, die nicht Latein sprachen. Durch Substrate wurden die heutigen Sprachen daraus, wie spanisch zB. Das kann man schriftlich verfolgen.

Strukturalismus (S 25)Diese Theorie stammt von Ferdinand de Saussure.

Er kümmerte sich nicht um außersprachliche Ursachen sondern arbeitete nur mit innersprachlichen Ursachen, es war ihm also gleichgültig wer was erobert hatte.

Die Strukturalisten gehen von einem sprachlichen System aus und von einer Symmetrie dieses Systems.

Das Dreieck der Laute soll den Mund nachbilden, also das Vokaltrapez. Es zeigt die Anordnung der Laute im Mundraum und ist ein symmetrisches System. Nach der Theorie der Strukturalisten wäre es so, dass wenn das „o“ verloren geht, das System nicht mehr symmetrisch ist. Jedes System hat aber den Drang, symmetrisch zu sein und wird sich daher selbst ausgleichen. Aus einem „a“ wird daher ein „o“ usw.

Es ist also die strukturelle Disponiertheit, ein aus der Symmetrie gebrachtes System, das wieder symmetrisch werden will.

DER SPRACHWANDEL (S 28)Dieser ist wieder selbst nachzulesen.

Die Ursachen des Sprachwandels sind oft nicht erkennbar, es ist aber erkennbar, wenn es eine Laut-Erleichterung ist, also durch die Veränderung leichter zu sprechen ist. Sprecherleichterungen sind also nachvollziehbar. Spontane Lautveränderungen sind allerdings nicht erklärbar.

VOR- UND FRÜHGESCHICHTE DES DEUTSCHEN

INDOGERMANISCH

Was dachte man über die Indogermanen? (S 44)

−− Die mütterliche Verwandtschaft wurde sprachlich besonders gekennzeichnet, also zB der Mutterbruder Oheim. Die Gesellschaftsordnung könnte daher ein Matriarchat gewesen sein. Heutzutage ist das keine akzeptable Ansicht mehr.

−− Das Wort „Pflug“ ist umstritten, es kann indogermanischer Herkunft sein, aber auch nicht-indogermanischen Ursprungs.

−− Die Indogermanen kannten das Rad und Erz, dafür gab es Begriffe.

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−− Die Zeiteinteilung der Indogermanen erfolgte nach den Mondphasen. Die Nacht war sehr wichtig, das sehen wir noch in Worten wie WeichNACHTen.

−− Es gab keine einheitliche Bezeichnung für Bäume. Daraus schloss man, dass ihre Heimat in einem Steppen- oder Savanngebiet lag.

−− Sie hatten das Dezimalsystem.

Die indogermanische Sprachstruktur (S 47, 48)

Das Sprachsystem der Indogermanen ist durchaus komplex.

Die Merkmale siehe S 48.

Es gab einen systematischen Wechsel des Vokals in den Stammsilben, die zusammengehörig sind.

Beispiele:

binden / band / gebunden

das Band / der Bund

engl. and / dt. und / mhdt. anti/enti/unti

Ablaute

Ein Ablaut ist ein systematischer Wechsel der Stammsilbenvokale in grammatikalisch oder etymologisch verwandten Wörtern.

Der Grundvokal ist e, Abtönung o.

Die Reduktion des e ist die Schwundstufe von e

Die Reduktion des o ist die Schwundstufe von o

Das lange e gekürzt wird NICHT zum kurzen e sondern zum Murmellaut oder „Schwa“.

Das konnten sich die Forscher nicht erklären. Saussure begann mit seiner Laryngaltheorie (S 49), es geht um Kehlkopflaute.

Das lange e wird also nicht als kurzes e sondern als Schwa überliefert.

Das Prinzips des Ablauts ist sehr wichtig.

Kentum- und Satemsprachen (S 49)

Wichtig sind die Obergruppen, also was gehört zu welcher Sprache?

Satem-Sprachen:

−− Indische Sprachen

−− Iranische Sprachen

−− Armenisch

−− Albanisch

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−− Baltische Sprachen

−− Slawische Sprachen

Kentum-Sprachen:

−− Anatolische Sprachen (augestorben)

−− Tocharisch (ausgestorben)

−− Griechisch

−− Italische Sprachen

−− Keltisch

−− Germanisch

3. Stunde

GERMANISCH

Germanisch ist eine Kentumsprache.

Gegen Ende des 2. Jahrtausends vor Chr. entstand rund um die Ostseeküste eine neue Kultur, durch Vermischung von zwei unterschiedlichen Kulturen und Völkern, die sich verschmolzen. Diese sind nicht sicher bekannt. Vermutlich bildete sich dort bereits ein Volk und ein Teil der Indogermanen zog hin. Zuerst gab es Kämpfe, dann aber wurde Frieden geschlossen und es kam zur Verschmelzung, was aus der Mythologie der Germanen bekannt ist. (S 54)

Der Vorgang ist in der germanischen Mythologie in der Vorstellung der Göttergruppen Asen und Wanen wiedergespiegelt. Aufgrund der Beschreibung ist anzunehmen, dass die einen eine Wandergruppe sind, die andren Viehzüchter. Die ansässige Bauernkultur bildet hier das Substrat, während die einwandernden indogermanischen Viehzüchter das Superstrat sind.

Ein Drittel des Wortschatzes der Germanen ist NICHT indogermanisch. Auch das ist ein Hinweis auf Mischung. Dazu gehören folgende Bereiche:

−− Schifffahrt: zB Mast, Anker, Ebbe

−− Gesellschaft: Volk, König

−− Kriegswesen: Krieg, Friede, Schwert

Entweder es wurden völlig neue und fremde Wörter übernommen, oder es gab durch Vermischung eine neue Lexik.

Die Germanen entstanden so. Sie haben sich gut entwickelt und die Bevölkerung ist gewachsen, weshalb sie neuen Lebensraum suchten. Sie schwärmten daher nach Süden aus. Der Grund für Süden war, dass sie dort näher am Römischen Imperium waren, das damals eine enorme Anziehungskraft hatte.

Bei der Verlagerung differenzierten sich die Germanen und verschiedene Stämme haben sich gebildet. Diese Stämme sind ethnisch oft sehr in harmonisch. Sie nahmen auf, wen sie zum Kämpfen verwenden konnten.

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Die „Germania“ von Tacitus schildert das Leben der Germanen und den Raum. Er spricht von drei germanischen Stämmen:

−− Ingwäonen

−− Irminonen

−− Istwäonen

Sie sollen von den drei Söhnen des Stammesvaters Mannes abstammen.

Tacitus verfasste aber mit diesem Werk eine Propagandaschrift. Er wollte, dass die Römer sich die Germanen als Vorbild nehmen, um die Römische Republik wieder zu installieren. Daher lobte er die „gesunden Naturburschen“ als den Römern überlegen, er stellte sie also verzerrt dar.

Diese drei Stämme werden dann mit einem geographischen Siedlungsgebiet verknüpft:

−− Nordseegermanen

−− Weser-Rhein-Gemranen

−− Elbegermanen

Die drei Stämme auf dem Festland sind nur ein Teil, entstanden waren sie ja an der Ostsee.

Es gab also sozusagen eine Nordgruppe und eine Südgruppe. Auf dem Kontinent differenzierte sich dann die Südgruppe immer mehr und verbreitete sich nach Osten. Die Südgermanen wurden daher aufgeteilt auf West- und Ostgermanen. Die Westgermanen bestanden aus den drei Gruppen Ingwäonen, Istwäonen und Irminonen. Das alles sind aber nur spekulative annahmen.

Beispiel Baiern (S 58)

Es gibt 2 Theorien der Entstehung. Eine davon ist heute anerkannt, sie besagt, dass die Männer aus dem heutigen Böhmen kommen.

Mit Baiern ist die Sprache gemeint, die Bayern sind die politische Einheit Bayern in Deutschland.

Das entstandene Germanisch ist in der ältesten Form zu uns gekommen in einer Bibelübersetzung, dem Codex Argentus (s. S 55) Es ist eine gotische Bibelübersetzung, angefertigt von Bischof Wulfila. Sie wurde um 520 in Ravenna aufgezeichnet und ist eine Prachtschrift.

Sonst sind nur Runen-Texte an Aufzeichnungen vorhanden, die alle sehr kurz sind und aus dem Zeitraum von 3. bis 6. Jhdt. n. Chr. stammen. Es sind 20 sehr kurze Texte im 3. Jhdt. und 40 aus der Völkerwanderungszeit vorhanden.

Das Wort „Rune“ ist heute noch in unserem Wort „raunen“ (flüstern) vorhanden. Es ist aber keine Schrift sondern magische Kultzeichen, die die Runenzauberer verwendeten. Nicht alle konnten damals lesen und schreiben. Runen wurden nicht geschrieben, sondern man ritzte sie in Gegenstände. Das englische Wort „write“ ist verwandt mit dem Wort „ritzen“, also bis heute ist im englischen Wort für „schreiben“ eine Erinnerung an die Ritzung der Runen.

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VO Sprachgeschichte

Man musste die Runen von rechts nach links lesen. Die Speerspitze von Kowel zeigt solche Zeichen. Die ältere Form des Runenalphabets besteht aus 24 Zeichen und heißt „Futhark“. Später wurde das System vereinfacht und enthielt nur mehr 16 Zeichen, das wurde dann das „jüngere Futhark“ genannt. (S 64).

Die Runen entstanden nicht direkt aus dem lateinischen und griechischen Alphabet, sondern die Germanen übernahmen die Runen vermutlich von den Etruskern.

Auf S 62 sieht man den Helm von Negau und das Horn von Gallelhus.

Sprachliche Seite

Ist germanisch als einheitliche Sprachform direkt aus der indogermanischen Sprache entstanden?

Also die Stammbaumtheorie passt nicht zu der Sprache Germanisch. Sie ist also sicher nicht direkt aus dem Indogermanischen heraus entstanden, nicht in direkter Linie.

Es ist anzunehmen, dass die früheste Form des Germanischen schon in verschiedene Dialekte gegliedert war, es gab also kein einheitliches Germanisch, sondern mehrere Varianten, die den Oberbegriff „Germanisch“ bekamen.

Indizien dafür sind Gemeinsamkeiten zwischen West- Ost und Nord-West und Ost-Nordgermanisch. Es gibt Überlagerungen, die sich gegenseitig beeinflussten, ganz im Sinne der Wellentheorie.

Ostergermanisch (gotische) und nordgermanische Gemeinsamkeiten waren zb Endung t und Endung i (siehe S 61)

Es gab auf jeden Fall Ähnlichkeiten in jede Richtung zwischen den Gruppen, die dann in anderen Gruppen nicht da waren. Das zeigt die Überlagerungen nach der Wellentheorie.

Westgermanisch wird uns später noch mehr interessieren, ostgermanisch ist ausgestorben. Nordgermanisch wurde weiterentwickelt zu den skandinavischen Sprachen.

Aus den westgermanischen Sprachen entstand u.a. die heutige deutsche Sprache. Die westgermanische Sprache ist auch die Vorstufe zur einer Reihe anderer Sprachen, wie dem Englischen, dem Niederländischen und dem Friesischen. (S 60)

Beim Deutschen ist zu beobachten, dass ein Teil des heutigen Deutschland die zweite Lautverschiebung nicht aufweist, die haben Niederdeutsch. Sonst entstand das Germanische aus der zweiten Lautverschiebung.

Merkmale der germanischen Sprachen (S 64)

Die germanischen Sprachen unterscheiden sich in folgenden Punkten von allen anderen indogermanischen Sprachen:

1. Der Akzent wurde verändert, das ist die wichtigste Veränderung.Im Indogermanischen war der Akzent frei, er konnte sowohl auf die Stammsilbe fallen, als auch auf die Endsilbe (erste/letzte).

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Im Germanischen ist der Akzent nicht frei, der Wortakzent liegt auf der ersten Silbe, er ist also auf die Stammsilbe festgelegt. Wenn der Akzent auf dem Wortanfang liegt, dann werden die Enden abgeschwächt und fallen oft ganz weg. Man geht also weg vom synthetischen Sprachbau hin zum analytischen. Es bildet sich daher auch ein Artikelsystem, weil der Fall nicht mehr am Ende erkannt werden kann.Der Prozess geht bis heute weiter.

2. Erste oder germanische Lautverschiebung. Diese betrifft die Konsonanten

3. Vokalische Veränderungen

Grammatische Erscheinungen:

4. der Ablaut der starken Verben wird weiter ausgebaut in Ablautreihen

5. schwache Deklination im Nomen („n-Deklination“)

6. Ausbau einer schwachen Adjektivreflexion

7. Ausbau eines schwachen Präteritums mit t-Suffix (sage – sagte)

Zu den vokalischen Veränderungen (S 65):

−− Indogermanisches kurzes o + a + Schwa-laut urgermanisches a

−− Langes a + langes o urgermanisches langes o

−− ai + oi aia + ou auei i

−− Silbische Liquide (können Silben übernehmen) und Nasale entwickeln ein phonemisches “u” (ul, ur, um, un)

Zur ersten Lautverschiebung (S 66)

Verschiebungsphasen:

1. Veränderung der indogermanischen Tenues und Tenues aspiratae (gehaucht) zu den urgermanischen stimmlosen Reibelauten (Die Artikulationsart wird verändert. Es gibt aber immer wieder Ausnahmen, zB wenn ein s davor ist, dann gibt es keine Verschiebung.)

2. Indogermanische Mediae werden zu urgermanischen Tenues (Die Mediae verloren ihre Stimmhaftigkeit und sind jetzt stimmlos. Die indogermanischen stimmhaften Mediaes werden also im urgermanischen stimmlose Tenues.)

3. Indogermanische Mediae aspiratae werden zu stimmhaften Plosiven

Wann war die Lautverschiebung, wie ging sie vor sich?

Ein Lehnwort aus dem Griechischen gibt uns einen Hinweis: „Hanf“. Das Wort für Hanf (griechisch kannabis) stellt ein Lehnwort aus dem Skythischen dar, das die Griechen im 5. Jhdt. übernommen haben. Daher können es die Germanen erst danach kennengelernt haben. Es wurde aber nach der Lautverschiebung

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angepasst, also muss die Lautverschiebung im Gang gewesen sein. (Hanf-Argument)

Im 2. und 3. Jhdt. sieht man an lateinischen Lehnwörtern, dass die Lautverschiebungen da nicht mehr angewandt wurden.

Die Lautverschiebung muss also zwischen dem 5. und dem 2./3. Jhdt. v. Chr. vollendet gewesen sein.

Veränderungen im Germanischen

Die Sprachstufe blieb aber nicht so stehen, sondern veränderte sich weiter. (S68)

Welche Veränderungen gab es noch?

1. Umlaut

Hier gibt es eine Assimilationserscheinung. Umlaute entstanden im Germanischen, weil

bestimmte Laute eine vokalische Assimilation bewirken. Meist sind diese am Ende angesiedelt. In der Stammsilbe ist dann der Laut, der verändert wird.

zB i-Umlaut des e i am Ende der Wortform verändert den e-Laut im Stamm

urgermanisch nemis wird zu germanisch nimis

Laute, die Umlaute bewirken können, sind j, i und Nasallaute. Sie alle bewirken diese Hebung, also dass ein e zu einem i wird. Hebung nennt man es deswegen, weil das i im Vokaltrapez, das den artikulierenden Mund darstellt, höher ist.

Es gibt aber auch eine Senkung, und zwar von einem u zum o. Das ist im Vokaltrapez tiefer als das u. Bewirkt wird diese Senkung durch ein a. Dieser Vorgang wird von Jacob Grimm auch als „Brechung“ bezeichnet.

2. Ersatzdehnung

Der Nasal vor dem urgermanischen Laut schwindet bei gleichzeitiger Dehnung des vorausgehenden Vokals.

Im Urgermanischen wird der Vokal der Kombination gedehnt, dann fällt er aus.

5. Stunde

Germanisch ist wirklich belegt, nicht so wie das indogermanische. Der beste Beleg für das Gotische ist die Prunkschrift von Wulfinger. Es ist aber kein direkter Vorläufer des Deutschen.

Das Problem ist das zuordnen von Artefakten und sprachlichen Zeugnissen.

Die West/Ost-Teilung ist belegt. Es gibt eine weitere Teilung des Westens, die rein sprachlich ist. Wir haben eine Ahnung davon durch Tacitus „Germania“.

Das Problem ist, dass die Germanen von Anfang an zersplittert waren, kein einheitliches Volk. Es gab sofort Stämme. Man weiß nicht, ob sie für sich selbst eine Bezeichnung hatten, aber sie empfanden sich definitiv als zusammengehörig.

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VO Sprachgeschichte

URGERMANISCH

GEMEINGERMANISCH

Ostgermanisch Westgermanisch Nordgermanisch

Nordseegermanisch Weser-Rheingermanisch Elbgermanisch

Es scheint, dass es eine gemeinsame Grundlage gibt, das ist aber nicht belegt. Die archäologisch belegte Gemeinsamkeit ist die Ostseeküste. Um 1200 bildete sich dort eine eigene Kultur heraus, die man mit Germanen gleichsetzte. Sprachlich bestand sie ca. zwischen 500 v. – 700 n. Chr.

Goldhorn von Gallehus: Das existiert nicht mehr, es wurde gestohlen und eingeschmolzen, aber die Inschrift ist überliefert und eindeutig germanisch, im Stabreim.

1. Lautverschiebung

Alle germanischen Sprachen machten die erste Lautverschiebung mit, ohne Ausnahme. Es ist ein Musterbeispiel für einen spontanen Lautwandel, d. h. wir wissen nicht warum das passiert ist.

Die Lautverschiebung hat sich in 3 Phasen abgespielt.

Es gibt auch Ausnahmen, die sind aber klar definiert.

sp, st, sk, usw. Also wenn ein s vor dem Laut steht, dann wird er nicht verschoben. Dafür gibt es vermutlich artikulatorische Gründe.

Bei der Verbindung der Mediae mit anderen Lauten gibt es nur eine Teilverschiebung.

Siehe dazu S 66/67. Diese Lautverschiebungen und Ausnahmen sind auswendig zu lernen, und zu jedem ein Beispiel dazu, also ein Musterwort.

Systematisch beschrieben wurde die 1. Lautverschiebung von Jakob Grimm, man nannte das im englischen Raum „Grimm’s Law“. 1819 hielt er sein Wissen im 1. Band der Dt. Grammatik fest, in dem er einen Sprachvergleich durchführte.

Jakob Grimm fielen Inkonsequenzen auf (S 69).

Ein Beispiel dafür ist pater Vater

pharter Bruder

Ungefähr 30 % entwickeln sich nicht wie man erwarten sollte. Das stellte Grimm fest. Bei diesen 30 % wird nicht verschoben. Ein Drittel ist zu viel um zufällig zu sein.

Auch Grimm konnte sich das nicht erklären, er sprach nur von „Ausnahmen“.

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NICHT BELEGT

BELEGT

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VO Sprachgeschichte

Die Junggrammatiker waren der Meinung, dass Sprache Gesetzen folgt. Sie prägten auch den Begriff „Lautgesetz“. Ein Laut ist danach an einem Ort eine zeitlang gültig und dann nicht mehr. Er ist also zuerst produktiv und dann nicht mehr produktiv.

Alle sprachlichen Erscheinungen einer Sprache beruhen auf einem von drei Prinzipien:

−− Lautgesetze

−− Analogie: Etwas wird von etwas anderem übernommen, „analog“ quasi.

−− Entlehnung

Der Versuch einer Erklärung der Ausnahmen kommt von Karl Verner. Es wird das „Verner’sche Gesetz“ genannt (S 70/71).

Er erklärt die Ausnahmen und wird als Musterbeispiel für junggrammatisches Vorgehen betont.

Er betrachtete die Intonation, also die Betonung.

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VO Sprachgeschichte

ZUR ABBILDUNG S 71:

VG bedeutet Verners Gesetz

p wird zu f – es wird f, wenn die indogermanische Betonung genau davor war!

Die Betonung kann entweder auf der Silbe davor oder danach sein, oder zwei Silben davor oder danach. Wenn der Akzent nicht direkt davor lag, dann wurde das f zu einem b.

Wenn also der Akzent genau davor liegt, dann bleibt der Laut stimmlos, ansonsten wird er nach Verners Gesetz stimmhaft.

ALLGEMEINES

Der Grammatische Wechsel ist der synchrone Wechsel, während das Verner’sche Gesetz diachron gilt.

In stimmhafter Umgebung, also zwischen Vokalen, ist der Laut stimmhaft. Wenn der Akzent nicht unmittelbar davor liegt, dann stimmlos.

Auch diese Gesetze müssen auswendig gelernt werden.

Der Grammatische Wechsel ist wichtig, weil wir ihn immer noch haben. Er ist die Folge des Verner’schen Gesetzes.

Die Akzentfestlegung erfolgt erst nach dem Gesetz von Verner.

Es gibt drei Veränderungen (S 72), die nur in den Westgermanischen Gruppen stattfanden, nicht in den skandinavischen oder ostgotischen Sprachen, und die man sich merken muss:

−− Ein germanisches langes e wird zu einem langen a.

−− Es gibt eine westgermanische Konsonantengemination vor i und j.

−− r-Rhotazismus: Das stimmhafte z wird zum r.

Die Konsonantengemination ist eine Doppelung, die haben wir heute NICHT mehr. Die heutige Doppelschreibung zeigt nur, dass der Vokal vorher kurz ist, mehr nicht. Die Silbengrenze wurde durch Gemination verschoben.

Deutsch wird immer mehr von einer analytischen Sprache zu einer synthetischen. Analytisch bedeutet, dass aus einer Wortform alle wichtigen Informationen (zeit, Zahl, Numerus, usw) abzulesen sind. Synthetisch bedeutet, dass erst aus der Synthese mehrer Wortformen diese Informationen zu sehen sind.

6. Stunde

Vortrag der Gastrednerin Prof. Dr. Claudia Wich-Reif

D E U T S C H E B E N E D I K T I N E R R E G E L N I M Ö S T E R R E I C H I S C H E N S P R A C H R A U M :T E X T G E S C H I C H T E U N D W O R T G E S C H I C H T E

Dieser Vortrag wird nächstes Mal noch besprochen. Die Folien zum Vortrag stehen online auf der Website des Professors.

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VO Sprachgeschichte

7. Stunde

Der Vortrag ist NICHT prüfungsrelevant.

ALTHOCHDEUTSCH

Der Begriff „Althochdeutsch“ bezeichnet keine Sprache, schon gar keine einheitliche Sprache, wie der Begriff impliziert. Es ist ein Sammelbegriff für verschiedene Dialekte und Mundarten.

Dazu gehören:

−− Bairisch

−− Alemannisch

−− Fränkische Dialekte

Ostfränkisch (das hat eine Sonderstellung, es hat Merkmale beider Sprachen, sowohl Oberdeutsch, als auch Mitteldeutsch)

Kulturgeschichtlich gibt es zu der Zeit die Gebiete nach der Völkerwanderung. Es entsteht das Fränkische Reich unter Chlodwig. Karl der Große erweitert es noch, er annektiert Baiern, die Alemannen und Sachsen. Unter Karl dem Großen entsteht in der 2. Hälfte des 8. Jhdts. ein vereintes Reich. Auch der Nordosten Frankreichs gehört dazu. Dann kommt 843 die Aufteilung durch den Verduner Vertrag.

Mit „Deutsch“ war damals die Volkssprache gemeint, im Unterschied zu Latein.

Die Überlieferung der Sprache lag in den Händen der Kirchen und Klöster. Nur Geistliche konnten damals lesen und schreiben, und nur sie bewahrten Texte. Chlodwig wurde Christ, weil er die Kirche als Organisation brauchte, auch zur Verwaltung, die von Geistlichen erledigt wurde. Die Verwaltung schrieb Latein.

Warum wurde dann auf Deutsch gewechselt? Karl der Große hatte die weite Verbreitung des Glaubens und des Lesens und Schreibens im Auge. Daher gab er den Auftrag, Texte zu sammeln und in eine Volkssprache zu übersetzen. Diese Sammlung ist nicht erhalten, man weiß also nicht sicher, ob sie durchgeführt wurde.

Das einzige, das erhalten ist, ist das Hildebrandslied.

Erst im Hochmittelalter kommt der Begriff „Deutschland“ auf, aus „deutsche Land“.

Beachte:Baiern = Sprache, Bayrisch = das Land betreffend

Die Benrather Linie ist ein Isoglossenbündel. Sie markiert den nördlichen Bereich der 2. Lautverschiebung.

Das Oberdeutsche und das Niederdeutsche werden zusammen das Hochdeutsche.

D I E WICHTIGSTEN SCHREIBORTE (S 79 FF . )

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Oberdeutsch

Mitteldeutsch

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VO Sprachgeschichte

Es gibt nur 25, es war also keineswegs flächendeckend.

Wichtig ist Weißenburg (S 81).Berühmt ist sie durch Otfrids Evangelienbuch, das um 860 geschrieben wurde. Es ist eine Zusammenfassung aller vier Evangelien in einen Text. Besonders ist, dass in der Handschrift auch Korrekturen sind, die mit größter Wahrscheinlichkeit vom Autor selbst stammen. Das Exemplar-Unikat ist in Wien, in der Nationalbibliothek.

Augsburg und Salzburg sind im bairischen Raum relevant.

Wien war unwichtig.

Die Bezeichnungen für die Dialekte sind aus dem 19. Jhdt. Die Verbindung von Alemannisch mit den Germanen ist problematisch.

WOCHENTAGSBEZE ICHNUNGEN (S 85)

Die Wochentage wurden beibehalten, aber die heidnische Einflüsse in den Namen zurückgedrängt.

Wichtig ist, dass der Mittwoch in Mittel- und Norddeutschland mit Wotan, dem germanischen Hauptgott in Verbindung gebracht wurde, daher wurde er dann nur mehr „Mittwoch“, also Tag in der Mitte genannt. Es gibt vorher drei Tage und nachher drei Tage.

SPRACHLICHE ENTWICKLUNGEN (S 87)

Diese Entwicklungen sind wieder auswendig zu lernen für die Prüfung. Für die veränderten Buchstaben und Beispiele siehe Buch.

Es gibt einige Veränderungen, die wichtigste ist natürlich die zweite Lautverschiebung. Aber nicht nur die Konsonanten werden verschoben, sondern auch Vokale.

Vokalische Veränderungen vom Germanischen zum Althochdeutschen

1. Althochdeutsche Monophtongierung

Aus einem Diphtong wird ein Monophtong, also ein Langvokal.

Im weiteren Verlauf werden frühalthochdeutsche „au“ zu „ou“ gehoben und „ai“ zu „ei“.

2. Althochdeutsche Diphtongierung

Das ist das Gegenteil von 1., ein langer Monophtong wird zu einem Diphtong, einem Zwielaut.

S 88., 4. das germanische eu muss NICHT gelernt werden.

Althochdeutscher Umlaut

Primärumlaut: i-Umlaut des a

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VO Sprachgeschichte

Das i bewirkt eine Umlautung. Der Laut, der betroffen ist, ist das a. Also ist es eigentlich ein i-Umlaut des a.

Das a gab es in der Position vor dem i, das muss aber nicht direkt davor sein.

Bsp. Slagi slegi (Schläge)

Sekundärumlaut

Es gibt Ausnahmen vom Primärumlaut aufgrund schwerer Konsonanten. Statt dem i kommt ein e. Das wird zwar nicht geschrieben, aber gesagt vermutlich schon.

Neben- und Vorsilben werden alle zu einem e abgeschwächt, in der Schrift wird das dann gekennzeichnet.

Die Bezeichnungen Primärumlaut und Sekundärumlaut sind keine Chronologie, vermutlich sind sie gleichzeitig abgelaufen. Der Primärumlaut war aber in der Schrift schon durch die Setzung des e gekennzeichnet, der Sekundärumlaut nicht.

Diese Umlautungen betreffen aber nur das a.

Restumlaut

Das betrifft alle anderen umlautfähigen Vokale, außer das kurze a, also den „Rest“.

Die Umlautungen auf S 90 unten sind alle zu lernen.

Konsonantische Veränderungen vom Germanischen zum Althochdeutschen

Diese trennt hochdeutsche Dialekte von niederdeutschen und anderen germanischen Sprachen.

1.

2. Die zweite oder hochdeutsche Lautverschiebung

Es gibt zwei Phasen:

Tenuesverschiebung

Betroffen sind die germanischen Laute p, t, k

Diese werden verschoben:

−− Einerseits zu Affrikaten : pf, ts, kχ

Es ist die Verbindung von stimmlosen Plosiven mit stimmlosen Frikativen. Sie müssen an benachbarter oder gleicher Stelle gebildet werden.

Bedingung: Sie werden zu Affrikaten, wenn p, t und k im Anlaut stehen, oder im In- und Auslaut nach einem Konsonanten in der Gemination (Verdopplung)

−− Andererseits zu Frikativen : p f, t (Laut siehe Buch S 91), k χ

In allen anderen Positionen werden sie zu Frikativen im In- und Auslaut nach Vokalen.

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d

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VO Sprachgeschichte

Nach Langvokalen oder einem Diphtong gibt es einen Einfachfrikativ, nach einem kurzen Vokal wird es zum Doppelfrikativ (Fortisfrikativ = ff, χχ)

Medienverschiebung

Davon sind mediale Laute berührt: b, d, g

b p

d t

g k

Sie entwickeln sich im Neuhochdeutschen oder Spätalthochdeutschen wieder zurück, der einzige Unterschied ist das d, das zum t wird.

Die Gemination ist auch wieder betroffen: bb, dd, gg pp, tt, kk

Tabelle S 92

Die Zahlen bei den Dialekten sind die Nummerierungen, die im Buch zu finden sind.

pf- (im Anlaut also) nur bei den Dialekten 1-3, also nur der Süden

-pf (im Auslaut also)1-5 ist betroffen, also schon weiter in den N

Je weiter nördlich, desto weniger hat sich die p-Verschiebung durchgesetzt. Es ergaben sich regelrechte Staffelungen (Reichnische Fälle)

Bei alemannisch und bairisch wird alles verschoben.

Alles ist zu lernen, aber beim p ist es nur wichtig, zu wissen, dass es diese Staffellandschaft des Fächers gibt, man muss sich aber nicht unbedingt alles merken.

8. Stunde

Für die Prüfung muss man sich anmelden. Der zweite Termin findet noch schriftlich statt, der 3. und 4. werden ersetzt durch mündliche Prüfungen in der Sprechstunde, die jederzeit absolviert werden können.Der Stoff der Prüfung ist das Buch, alles was auf der Homepage steht und die Essays aus der Sprachwissenschaft, die noch genauer bezeichnet werden.

Hörbeispiele

1. Benediktinerregel (Althochdeutsch)

Lautliche Veränderungen setzen sich erst nach einiger Zeit in der Schrift durch. Es gibt auch Schreibgewohnheiten in Konzilien usw.

2. Altsächsisch

Das hat nicht die 2. Lautverschiebung durchgemacht.

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p

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VO Sprachgeschichte

Probleme der Verschriftlichung

Oft fehlen für die Übersetzung Buchstaben, Begriffe und Wörter.

Quellen für Aussprache:

−− deutsche Sprachinseln, zB in Italien und Slowenien. Die Mundarten dieser Sprachinseln haben einige Sprachformen erhalten. Diese erlauben uns Rückschlüsse.

−− Verschiebungen sind auch Hinweise

−− das Reimverhalten mittelhochdeutscher Dichtung erlaubt uns Rückschlüsse, denn der Standard war es, nur reine Reime zu verwenden

Vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen

−− Als wichtigste Veränderung vom Ahd. zum Mhd. Ist die Neben- und Endsilbenabschwächung: Alle althochdeutschen Vokale der Neben- und Endsilben werden zu e abgeschwächt.

−− Die Auslautverhärtung ist ebenfalls wichtig.

−− Die Verbindung sk wird zu sch.

M ITTELHOCHDEUTSCH

Für das Mittelhochdeutsche gilt auch, dass es keine einheitliche Standardsprache gibt, sie besteht aus einzelnen Dialekten.

Im Hochmittelalter wird man sich bewusst, dass man zusammengehört, das drücken Begriffe wie „deutsche Mann“ und „Deutsche Land“ aus.

DAS R I TTERTUM

Die Herausbildung des Rittertums ist ein wichtiger Punkt.

Die gepanzerte Reiterei gewinnt an Bedeutung. Ein Pferd und Rüstung sind sehr teuer und daher der Oberschicht vorbehalten. Der Ritterstand entwickelt sich zu einem wichtigen Standesbewusstsein.

Das Zusammengehörigkeitsgefühl drückt sich in eigenen Gattungen aus, dem Minnesang und dem höfischen Epos. In den Werken wird nicht die Wirklichkeit geschildert. Es wurde Wunschdenken wiedergegeben.

Die Zusammengehörigkeit äußerte sich auch in gemeinsamer Sprache.

Es gab Berufssänger, die für ihre Kunst bezahlt wurden, zB Walther von der Vogelweide. Dichter waren gezwungen zu wandern, sie mussten verschiedene Brotgeber finden.

NORMALIS IERTE SPRACHE

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VO Sprachgeschichte

Heute wissen wir, dass es keine mittelhochdeutsche Einheitssprache gab, das war nur Wunschdenken. Die Dichter bemühten sich aber, Regionalismen in ihren Werken zu vermeiden.

Normalisierte Textwiedergabe entstand. Die Menschen, die Handschriften wiedergaben, bemühten sich, Texte zu vereinheitlichen, also auf eine einheitliche Schreibweise zub ringen.

1. Vereinheitlichung

2. Etymolisierung der Schreibung lange Vokale werden als lang zu markieren, ohne Circumflex ist es ein kurzer Vokal

Diese Vereinheitlichung erleichtert uns die Arbeit, Texte lassen sich leichter vergleichen.

Zum Teil gab es massive Eingriffe der Schreiber. Ein Beispiel dafür ist „Gudrun“. Das war ein frühneuhochdeutscher Text, der aber, um ihn zu normalisieren, in ein normalisiertes Mittelhochdeutsch rückversetzt wurde, also in eine um 300 Jahre ältere Sprache.

Heute wird versucht, Faksimile zu verwenden, also eine gute Handschrift auszuwählen und sich daran zu halten.

TEXTKRIT IK

Die Annahme ist, dass ein Dichter ein Werk schreibt, das Original O.

Dieses Original gefällt den Leuten so gut, dass die Abschrift A gemacht wird.

Jahre später wird die Abschrift B gemacht.

Die Handschriften verbreiten sich wieder und reiche Leute lassen sich Handschriften kopieren.

Abschriften können beeinflusst sein, zB wenn sie ins Bairische übersetzt werden. Oder der Schreiber kann etwas verändert haben.

O

A B

Α β γ δ

Forscher suchten nach Handschriften und versuchten, diese Handschriften in Beziehung zu setzen und zu ordnen, welche früher war, wo sie herkommt, welche sie abgeschrieben hat.

Die Textkritik möchte Ordnung machen, sie untersucht dafür Wasserzeichen, Schriftformen, Tinte, die Buchmalereien und andere Dinge, die Merkmale sein können.

Merkmale

−− Schreibstoff

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VO Sprachgeschichte

−− Textgestaltung (fehlende Verse, Auslassungen, usw)

−− Sprachliche Dinge (Fehleranalyse = Es existiert dafür die Annahme, dass sich beim Abschreiben immer Fehler ereignen)

Man versucht, aus Handschriften das Original zu rekonstruieren. Beim Parzival zB hat man aber keine Ahnung, ob es eins gab.

Man muss unterscheiden zwischen dem Original und der ältesten rekonstruierbaren Fassung (X).

Eine Weise der Rekonstruktion ist die lectio difficilio. Das bedeutet, dass die schwierigere Version die ältere ist, weil man es nur einfacher macht beim Abschreiben, nicht komplizierter.

Der Archetypus ist die älteste rekonstruierbare Fassung. Im Idealfall wäre diese mit dem Original identisch. Das ist aber kaum möglich, man kann zB fehlende Verse nicht selbst rekonstruieren, sie fehlen also auch in der ältesten rekonstruierbaren Fassung.

Die grundlegende Annahme ist also, dass es ein Original gibt und der Archetypus die älteste rekonstruierbare Fassung ist, die dem Original am nächsten kommen soll und im Idealfall das Original ist.

Das wissen wir aber nicht, denn es könnte eine noch ältere geben, die nicht erhalten ist. Der Archetypus soll die BESTE Fassung eines Textes sein. Die Sprache eines Archetypus ist normalisiert, also vereinheitlicht nach den erwähnten Kriterien.

Heute wird das nicht mehr in dem Ausmaß praktiziert. Ein Grund dafür ist, dass man den Glauben an ein Original verloren hat. Keiner kann garantieren, dass nur ein Original geschrieben wurde, oder es gar kein Original gab, da es ja mündlich vorgetragen wurde.

Das Lachmann’sche Prinzip glaubte noch an ein Original.

Heute werden Handschriften so wiedergegeben wie sie sind.

Ein Text hierzu wird dann auf der Homepage sein. Weitere Entwicklungen sind genauer im Buch nachzulesen.

WE ITERE ENTWICKLUNGEN

Wichtig war die Entwicklung der Städte, weil viele Menschen da auf engem Raum lebten.

Durch das Aufkommen bürgerlicher Berufe und Wachsen des Kaufmannsstandes werden Bücher nötig, auch die Nicht-Geistlichen lernen lesen. Die Schriftlichkeit geht von der Kirche auf die nicht-geistliche Bevölkerung über.

Die Lesestoffe werden erweitert, sie orientieren sich an den Interessen der Oberschicht.

Ein Berufsbeamtentum entsteht. Früher waren die Kleriker die Verwaltungsleute, jetzt werden die Beamten bezahlt und sind nicht-geistlich, sie werden extra ausgebildet. Im Spätmittelalter werden Universitäten gegründet.

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VO Sprachgeschichte

In den Städten wird es nötig, Personen zu unterscheiden, daher bekommen die Menschen Beinamen, also Familiennamen.

Eine mögliche Prüfungsfrage wäre zB Nennen Sie 5 etymologische Möglichkeiten des Familiennamens.

Die Ostbesiedlung ist ebenfalls wichtig. Die Gebiete östlich der Elbe werden im Hochmittelalter besiedelt. Obersächsisch, Thüringisch und das Schlesische kommen dazu. Die Ostsiedlung ist friedlich verlaufen.

Obersächsisch galt als besonders rein und schön. Gottsched wirkte in Leipzig, und die Habsburger schrieben seine Werke als Schulbücher vor, verordneten also sozusagen Mitteldeutsch.

Die Standardsprache heute geht aber NICHT auf einen einzelnen Dialekt zurück.

9. Stunde

Heute ist Professor Ernst nicht da und wird von einem Kollegen vertreten, der sich detailgenau an das Buch hält und die lautlichen Veränderungen des Frühneuhochdeutschen durchgeht. Das ist im Buch so nachzulesen.

10. Stunde

FRÜHNEUHOCHDEUTSCH

Zu beachten ist, dass ab dem Frühneuhochdeutschen die Faustregel nicht mehr gilt, dass die Quantität bei sprachlichen Veränderungen erhalten bleibt. Bisher war es so, dass kurz kurz bleiben muss und lang lang. Jetzt gilt das nicht mehr.

Die wichtigsten Unterschiede zum Mittelhochdeutschen sind:

o Monophtongierung

o Diphtongierung

o Dehnung

Die Änderungen sind landschaftlich gebunden. Die Monophtongierung geht vom mitteldeutschen Raum aus, er ist aus Dialekten in die Schriftsprache übernommen worden.

ENTSTEHUNG DER NEUHOCHDEUTSCHEN SCHRIFTSPRACHE

Es gibt kein politisches Zentrum, das Sprache entwickelte. Um 1650 entwickelte sie sich, über der Entwicklung der frühneuhochdeutschen Dialekte.

Die Schriftsprache ist aufgebaut worden und beruht auf keinem tatsächlich gesprochenen Dialekt.

Die Schriftsprache ist für uns nur schriftlich zugängig. (S 139)

Ab dieser Zeit ungefähr können immer mehr Leute lesen und schreiben. Der Berufsbeamtenstand entwickelt sich, die müssen natürlich lesen und schreiben können. Immer mehr Leute wollen das auch können und in ihrer Freizeit ebenfalls anwenden, daher kommt das Verlangen nach umfangreicherem Lesestoff auf.

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VO Sprachgeschichte

In dieser Zeit entwickeln sich außerdem Stadtbibliotheken und Schulbibliotheken.

Der Buchdruck ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, da Bücher so immer billiger werden und einer breiteren Masse zugängig sind.

Die neuhochdeutsche Schriftsprache setzt sich wie ein Mosaik aus mehreren Punkten zusammen:

o Lautliche Besonderheiten

o Morphologische Besonderheiten (lernen für Prüfung)

o Änderungen in der Lexik (Wortschatz)

o Syntaktische Veränderungen (Satzaufbau, wichtig ist hier der Ausbau der Satzklammer, die Besonderheit ist hier, dass zwischen einzelne Teile des Verbs Satzglieder treten können)

o Entwicklung neuer Textsorten (mit dem Buchdruck entstanden einige, zB das Flugblatt, Vorläufer der Massenkommunikation entstehen)

Aus folgenden Faktoren konstituiert sich die Schriftsprache:

Geltungsareal: Das sind größere und kleinere Dialektgebiete. Je größer das räumliche Geltungsareal ist, desto größere Chancen hat die Spracheform, sich durchzusetzen.

Landschaftskombinatorik: Das ist die Kombination von Landschaften, die besonders potent sind. Ein Beispiel dafür ist die Kombination von Ostmitteldeutsch und Bairisch, diese Kombination ist sehr stark und setzt sich besonders gut durch.

Strukturelle Disponiertheit: Das ist die Entfaltungstheorie, in einem bestimmten System gibt es bestimmte Entwicklungsmöglichkeiten. Das ist eine Theorie aus dem Strukturalismus.

Geltungshöhe: Das sind sprachliche Formen, die als besonders „schick“ oder „in“ gelten und daher nachgeahmt werden, meist sind es die Formen der Oberschicht.

Weitere Vorraussetzungen für die Entstehung der Schriftsprache:

o Kulturell, politisch, gesellschaftlich usw.

o Einzelpersonen

o Einzelne Grammatika

o Martin Luther (er war bedeutend, ist aber nicht der Schöpfer, was oft fälschlicherweise angenommen wird)

EXKURS AUF ANFRAGE : Verner’sches Gesetz

Das Gesetz beschreibt einen Wandel, eine Entwicklung, keinen Zustand. Es hängt mit einer anderen Entwicklung zusammen, und zwar mit der 1. Lautverschiebung

Die Folge des Gesetzes ist der grammatische Wechsel.

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Bei den Buchstaben achte man bei den stimmhaften Reibelauten auf die kleinen Querstriche (siehe Buch).

KURZ ZU LAUTL ICHEN ENTWICKLUNGEN

Mitteldeutsche Vokalsenkung (S 147)

Daran erkennt man mitteldeutsche Texte gut, während die Dehnung in offenen Silben in der Schrift nicht gut zu erkennen ist.

MORPHOLOGISCHE ENTWICKLUNGEN

Wichtig ist hier die e-Apokope. Das ist er Ausfall vom auslaufenden e, zB am Tische – am Tisch.

Einigung der Substantivreflexion

Das ist die Grammatikalisierung der Numerus-Kennzeichnung. Am Wort soll man die Zahl erkennen, die ist wichtiger genommen worden als der Kasus.

Die Ablautreihen wurden ausgeglichen. Es reich für uns, zu wissen, dass eine Vereinheitlichung stattgefunden hat. Heute kann man sie nicht mehr den mittelhochdeutschen Ablautreihen zuordnen. Heute entstehende Verben werden nur mehr schwach dekliniert. Ein Beispiel dafür ist faxen. Laut Ablautreihe müsste das heißen „faxen – fux“.

Die neuhochdeutschen Ablautreihen müssen nicht zur Prüfung gelernt werden.

SYNTAKTISCHE ENTWICKLUNGEN

Es bildet sich die Satzklammer heraus. Diese ist sehr fest und besteht noch. Das Verb wird mehrteilig.

Die Textsorten sind aus dem Buch zu lernen. Wichtig ist ihm das Textschema, S 155-158, häufige Prüfungsfrage.

Buchdruck und Bedeutung Luthers ebenfalls im Buch lernen. Er meinte, dass das Kapitel über Luther eher ein Essay ist und wer interessiert ist kann daraus viel lernen, ausdrücklich von der Prüfung ausgeschlossen hat er es nicht.

11. Stunde

S 120-123 (Ablautreihen) sind NICHT Prüfungsstoff!

E INFLUSS DER HANSE -STÄDTE

Im Bereich der nhdt. Städte, wie die zusammengebrochenen Hanse-Städte, gab es eine eigene Schriftsprache auf niederdeutscher Basis. Ab dem 15./16. Jhdt. ist diese dann wieder verschwunden.

Das Niederdeutsche ist fortschrittlicher als das Hochdeutsche. Im Frühneuhochdeutschen hat der niederdeutsche Raum die hochdeutsche Schriftsprache übernommen, gesprochen wurde aber weiter Niederdeutsch. Die

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VO Sprachgeschichte

Unterschiede waren den Leuten dort daher besonders bewusst. Die niederdeutsche Aussprache galt als besonders vornehm und schön.

E INFLUSS DES BUCHDRUCKS

Die Drucker hatten nicht nur Druck- sondern auch Verleger-Funktion. Ein „Verleger“ kommt von „Vorleger“, also einem, der Geld vorstreckt, hier für den Druck. Warum sich das Wort gerade für diesen Beruf erhalten hat und für andere nicht, weiß man nicht.

Die Verleger hatten natürlich Interesse am Verkauf der Drucke, da sie so ihr Geld verdienten. Regionale Hindernisse waren schädlich für den Verkauf. Die Drucker hatten ein Interesse daran, die Produkte überregional zu präsentieren. Also wollten sie, dass sprachliche Kennzeichen und Dialektworte vermieden werden. Um das sprachlich sicher zu tun, muss man sich in den Unterschieden gut auskennen.

Zur Grafik S 141

Diese Grafik zeigt die Annahme, wie die soziale Sprachschichtung in der frühen Neuzeit und im Spätmittelalter gewesen sein könnte.

Es kam natürlich immer drauf an, wer was aufschreibt. Solange die Mittel zur Schrifterzeugung so teuer waren, musste man gut überlegen, was man aufschreibt.

Anfangs wurden ausschließlich religiöse Texte überliefert, andere eher zufällig, wenn wir an das Hildebrandslied denken.

Im Mittelalter änderte sich das, weil die Lese- und Schreibfähigkeit der Leute steigt, besonders natürlich bei denen, die es für ihren Beruf brauchten. Dazu gehörten Kaufleute, Beamte und Gelehrte. Erste Universitäten entstehen (14. Jhdt., Wien 1365). Es bildet sich ein Gelehrtenstand aus, der nicht geistlich ist. Hauptsächlich wurden Juristen ausgebildet. Auch die Germanistik war eigentlich das deutsche Recht.

Der Schreibstoff ändert sich auch, Ende des 14. Jhdts. gibt es die erste Papiermühle. Papier ist zwar immer noch relativ teuer, aber viel billiger als Pergament.

Die Buchdruck-Erfindung hat ebenfalls enorme Auswirkungen. Die ersten Drucke waren immer noch relativ teuer, aber mit steigender Nachfrage wurde mehr gedruckt und es wurde billiger. Das ging Hand in Hand mit der Reformation. Besonders Luther nutzte den Druck aus. Bis ins 15. Jhdt. wurden Drucke als Inkunabel oder Wiegendruck bezeichnet.

Gutenbergs Absicht war es, durch Drucke perfekte Handschriften zu erhalten, alle identisch und lesbar und natürlich billiger. Der erste Druck ist bezeichnenderweise ein Ablassbrief, was die Verschränkung von Religion und Massen zeigt.

Mit der Überlieferung ist auch die Tatsache verbunden, dass Alltägliches erst spät überliefert wird.

Zur Grafik selbst:

Die Oberschicht ist landschaftsübergreifend, weil sie es sich leisten konnten, auf reisen zu gehen, während die Unterschicht das nicht konnte und wollte und daher örtlich und kleinlandschaftlich blieb. Die Obersprache hatten die Gemeinsprache und die Umgangssprache. Die Gemeinsprache war die Sprache bei offiziellen

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Anlässen, also zB Festigkeiten. Die Umgangssprache ist die Sprache im Umgang im Alltag.

Die Schriftsprache ist das, was später zur neuhochdeutschen Schriftsprache wird, daher steht es in Klammer. Die gesprochene Sprache kennen wir nicht so gut.

Die Schreibsprache ist die Sprache, die uns in Urkunden tatsächlich entgegentritt. Sie gab es in verschiedenen Ausprägungen. Zum Beispiel wird der Stil in einer Urkunde anders sein als in einem höfischen Epos, das zur selben Zeit entstanden ist. Das ist die Unterscheidung Stil und Verwendung in der letzten Spalte.

Drucker ließen Texte oft umschreiben, wenn sie sie woanders veröffentlichen wollten. Natürlich gab es auch viele Raubdrucke, weil Erfolgreiches einfach nachgedruckt werden konnte, das war damals erlaubt. Natürlich war der Autor nicht immer einverstanden, weil oft Wörter einfach geändert wurden, und zwar nicht immer im Sinne des Verfassers. Erst Ende des 18. Jdhts. kommt das Urheberrecht auf.

S 150 muss nicht gelernt werden, genausowenig S 151. Wichtig ist es nur, zu wissen, das es zu Vereinheitlichungen kam, zB einem Ausgleich der Ablautreihen.

S 153 muss aber gelernt werden, die ist wichtig!

Syntaktische Entwicklung: Verbstellung und verbaler Rahmen (S 153)

Die Verbklammer bildet sich aus, wie in letzter Stunde schon erwähnt, Wörter können zwischen dem mehrteiligen Verb stehen. Das hängt zusammen mit der Entwicklung des mehrteiligen Verbes.

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VO Sprachgeschichte

E INFLUSS VON MARTIN LUTHER

Wichtig ist, dass er nicht Schöpfer der nhdt. Schriftsprache war, wie oft behauptet wird.

Durch das Übersetzen geht natürlich auch etwas verloren, aber Luther fand es wichtig, dass die Leute die Gebete verstehen und das Wort Gottes kennen. Er will, dass sein Text von möglichst vielen verstanden wird, daher nimmt er meist die mitteldeutschen, statt den oberdeutschen Wörtern und die niederdeutschen statt den hochdeutschen. Reine Dialektwörter des Ostmitteldeutschen kamen bei ihm vor, da er sie selbst gut kannte und daher verwendete. Diese gingen in die Schriftsprache ein. Er verwendete auch bewusst Fremdwörter. Luther prägte oft die Wörter semantisch, er verwendet ein Wort in einem anderen Kontext und mit einer anderen Bedeutung. Er selbst hat auch neue Wörter geschaffen, wenn er der Meinung war, dass kein vorhandenes passte. Wichtig ist auch der Punkt 8 auf S 169, er hat eine Fülle von Sprichwörtern und sprachlichen Bildern geschaffen.

Luthers Einfluss auf die Lexik:

o Mitteldeutsche Wörter verwendet statt oberdeutsche (Bsp. freien statt heiraten)

o Niederdeutsche statt hochdeutsche Wörter (Bsp. fett statt feist)

o dialektale ostmitteldeutsche Wörter in Schriftsprache eingeführt (zB Peitsche statt Geißel)

o Fremdwörter aufgegriffen (Apostel statt Zwölfbote)

o Formveränderungen (Odem statt Atem)

o Wortinhalt neu geprägt (Amt statt Berufung)

o neue Wörter geschaffen (Kleingläubiger)

o Sprichwörter (sein Licht unter einen Scheffel stellen)

Es setzt sich auch durch, dass nur Substantiva großgeschrieben werden. Gründe dafür sind natürlich die erleichterte Lesbarkeit bei gleichen Satzanfängen, semantisch wichtige Begriffe werden so herausgestrichen und die Ehrerbietung wird ausgedrückt.

Luthers Einfluss auf die Großschreibung:

o Lesbarkeit

o wichtige Begriffe

o Ehrbarkeit

Luther arbeitet das ganze Leben an seinen Texten. Wichtig war ihm natürlich besonders die Übersetzung der Bibel.

Wichtige Daten:

1922 erscheint die Übersetzung des Neuen Testaments, und zwar im September. Die Verkaufszahlen sind super, daher wird im Dezember eine weitere Anzahl gedruckt. Es gibt also ein Septembertestament und ein Dezembertestament. Man sieht, was für einen gewaltigen Einfluss Luther damit hatte.

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1934 erscheint die gesamte Bibel. Sie wird in Wittenberg gedruckt.

1945 erscheint die Ausgabe letzter Hand von Luther. Das beweist, dass er sein Leben lang an den Übersetzungen gearbeitet hat, er hat sie immer wieder verbessert und verändert.

Einfluss Luthers auf lautliche Merkmale (173)

Luther setzt einige lautliche Merkmale in seinen Texten durch. Er verwendet besonders mittel- und oberdeutsche Merkmale.

Die Wirkung der Bibel ist gewaltig, nicht nur inhaltlich, also in der Religion, sondern auch sprachlich. Es gab natürlich viele Raubdrucke. Im katholischen Raum versuchte man seine Übersetzungen nachzuahmen mit einem Nachdruck, indem man lediglich sprachliche Merkmale eliminierte. Oft kann man aber durchaus beweisen, dass diese Übersetzungen bloße Raubdrucke waren, in denen nur die Dialektwörter ersetzt wurden.

Luther war nicht der einzige Schöpfer auf die Schriftsprache, weil sein Einfluss zwar gewaltig war, aber nicht unendlich. Er beschränkte sich auf seinen sprachlichen und besonders religiösen Wirkungsraum. Im Lauf der Gegenreformation wurde sein Einfluss noch weiter eingedämmt.

Die Luther-Bibel wurde aus Baiern wieder verdrängt.

Die Habsburger und somit die Kaiser des Hl. Röm. Reiches waren gegen Luthers Bibel.

Die Sprache der Bibel war nicht als mündliches Konzept gedacht, also als eine Sprache mit der man sich unterhielt, sondern nur als Sprache, die verstanden werden sollte.

Luther hat aber den Weg gewiesen, er hat gezeigt, dass es eine Ausgleichssprache gibt. Für die weitere Sprachgeschichte sind die Gebiete, die er vereinte, wesentlich wichtiger als andere. Das waren Ostmitteldeutsch und Oberdeutsch.

12. Stunde

NEUHOCHDEUTSCH

Ca. 1650 entstand diese Sprache.

D I E SPRACHGESELLSCHAFTEN

Hier ist wichtig, wann sie gegründet wurden und wer die Mitglieder waren.

Die wichtigste Gesellschaft war die "Fruchtbringende Gesellschaft", auch "Palmenorden" genannt. Sie wurde schon vor dem Ausbruch des 30-jährigen Krieges gegründet.

Die Gesellschaften damals waren ungenau, sie trugen Fantasienamen und bezeichneten sich selbst eher nicht als Sprachgesellschaft. Sie verstanden sich als

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elitärer Verein, in dem v.a. Fragen der Kunst und der Wissenschaft diskutiert wurden. Sie betrachteten Regeln und dachten, wenn man die beherrscht, kann jeder Künstler werden. Auch politische Fragen wurden behandelt, Fragen der Rhetorik und der Kulturtheorie, und auch der Sprache.

Es gab noch keine konkrete Schriftsprache, das Vorbild war die Niederländische. Es ging also auch um die Schaffung einer deutschen Literatursprache, also nicht eine Sprache für den Alltag, sondern für die Literatur.

Finanziert wurden die Vereine von Fürsten oder reichen Mitgliedern. In erster Linie wurde der Druck der Bücher finanziert. Jeder Verein hat einen eigenen Verlag und Druck. Durch die Vereine wurden zum ersten Mal in der Geschichte auch auf das Urheberrecht geachtet.

Viele Grammatiken wurden geschrieben. Es gab in dieser Hinsicht zwei Richtungen der Gesellschaften:

• Gesellschaften, denen es wichtig war, Grammatiken zu liefern für die deutsche Literatur. Sie richten sich an die Oberschicht und die Elite. Oft wurden Wörterbücher den Grammatiken beigegeben oder umgekehrt. Die Grammatiken waren damals in erster Linie präskriptiv. Es waren v.a. Vorschriften, wie man eine reine, vornehme Sprache erringen kann. Das Vorbild war hauptsächlich die ostmitteldeutsche Sprachlandschaft.

• Gesellschaften, die dachten, eine reine deutsche Sprache kann nicht auf einem bestehenden Dialekt beruhen. Sie machen Vorschriften, indem sie sie frei erfinden. Das "ä" in "Bär" ist so eine frei erfundene Regel, die uns erhalten geblieben ist.

WÖRTERBÜCHER UND GRAMMATIKEN

Ein wichtiger Name ist Kaspar Stieler, außerdem Justus Georg Schottel. Man ging damals von der Vorstellung aus, dass es einen Grundstock an Erbwörtern gibt. Stieler übernahm in seinem Wörterbuch die Stammwörter von Schottel. (S 190)

Die ältesten Sprachen waren Hebräisch, Latein und Griechisch. Es wird nun behauptet, dass Deutsch auch eine der ältesten Sprachen ist.

Die Wörterbücher damals waren noch nicht alphabetisch geordnet. Oft war es so, dass wenn Wörter konsonantisch übereinstimmten, sie hintereinander angeführt wurden. Das führte unbewusst dazu, dass in dem Ordnungssystem etymologisch zusammengehörige Wörter beieinanderstanden.

Das letzte Wörterbuch in diesem Verfahren war das bayrische Wörterbuch, von Schmeller. Die letzte Ausgabe stammt aus dem Jahr 1837. Andere wichtige Wörterbücher zu der Zeit waren von Kampe, Adelung und Grimm. Grimm schrieb an seinem Wörterbuch von 1854 bis 1961, erst da schloss er es. Die Buchstaben A bis D wurden von den Grimmbrüdern geschrieben, der Rest von Nachfahren. Ihre Artikel in den Wörterbüchern gelten als Musterartikel für Wörterbücher. Die Artikel sind teilweise mehrere 100 Spalten lang. Es ist aber ein historisches Wörterbuch und nicht für den gegenwärtigen Sprachgebrauch gedacht. Die Geschichte soll gezeigt werden.

Im Laufe des 17. und 18. Jhdts. gab es verschiedene Versuche, auf die Schriftsprache normierend einzuwirken. Das waren aber Einzelpersonen, eine wichtige war natürlich Gottsched. Er trug den Literaturstreit mit aus und wirkte

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auf die Sprache ein. Gottsched war ein Aufklärer, ihm war also alles zuwider, was emotional war. Er versuchte auch in diesem Sinn auf die Literatur einzuwirken. Er hat alles abgelehnt, was gegen die Einheit von Aristoteles wirkt und war auch gegen Shakespeare. Die Vorstellung, dass man Dichtkunst lernen und lehren kann war natürlich gegeben. Das Thema einer Dichtung hat edel zu sein, vom Pöbel ist Abstand z u nehmen, auch Komik wird abgelehnt und der Hanswurst wird symbolisch von der Bühne verbannt. Seine Prinzipien hat er auch auf die Sprache übertragen. Gottsched hat mehrere Werke verfasst und sich an den ostmitteldeutschen Prinzipien orientiert. Seine Bücher wurden sozusagen Bestseller, er wurde in der Schule Vorschrift, und auch Maria Theresia führte sie als verpflichtend ein. Seine Vorstellungen wurden für die Habsburger verpflichtend.

Felburger und Popovich traten für das Süddeutsche ein, für eine österreichische Variante davon. Sie wurden abgelehnt und als schlecht verworfen. Ihr Vorschlag wurde als verdorben angesehen.

Die Vorstellung war also, dass es eine Standardsprache gibt. Am besten und am reinsten wäre das Ostmitteldeutsche, das aber in den Dialekten vom Pöbel verdorben würde. Die Aufgabe der Grammatika ist es, den reinen Zustand wieder herzustellen.

Heute wissen wir, dass Dialekte das ursprüngliche sind, darüber entwickelte sich die Schriftsprache.

Das Wirken Gottscheds war ein entscheidender Grund, dass unsere Schriftsprache vom ostmitteldeutschen geprägt ist. Wir haben also die mitteldeutsche Diphtongierung und die mitteldeutsche Senkung, usw.

Erst gegen Ende des 18. Jhdts. entwickelte sich eine allgemein anerkannte Schriftsprache, die auch verstanden wurde. Ab der Mitte der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. und Anfang des 19. Jhdts wurden Schriftsteller das erste Mal als sprachliches Vorbild gesehen und zum Teil auch in Grammatiken zitiert.

DAS 19. JAHRHUNDERT

Es ereignen sich in diesem Jahrhundert Dinge, die auch für die Sprache entscheidend werden.

Die Konzentration in Städten und das Anwachsen des Zeitungswesens sind die ersten großen Veränderungen des Jahrhunderts.

Von 1879 bis 1918 war ja das sogenannte "lange 19. Jhdt.", in geisteswissenschaftlicher Hinsicht.

Die Zeit des Zeitungswesens und des Buchdrucks ist nun, es entstehen Vorläufer unserer Tageszeitungen. Anfangs gab es wöchentliche Zeitungen und nicht sehr umfangreiche. Der Anfang wurde vor allem durch die Französische Revolution gesetzt. Wie beim Buchdruck ist auch beim Zeitungswesen der Prozess so, je mehr Zeitungen produziert werden, desto mehr Leser gibt es und desto mehr Leser, desto mehr Lesestoff wird verlangt.

Die Alphabetisierung erfolgte ja erst in der zweiten Hälfte des 18. Jhdts. Eng verbunden ist die Alphabetisierung mit dem Anwachsen der Städte und der Industrialisierung. Die Industrialisierung ist ein allgemeiner europäischer Prozess,

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der zu einer neuen Schicht von Proletariern in den Städten führt. Ein Proletarier ist jemand, der Geld mit eigener Hände Arbeit verdient.

Beim Zeitungswesen gab es laufend Verbesserungen. Der Zeitungsdruck wird verändert. Man setzt jetzt nicht mehr eine ganze Seite sondern Zeile für Zeile, weil man so auch eine Zeile verbessern kann, ohne alles rausnehmen zu müssen, man kann eine Zeile einzeln entfernen und ändern. Es kommt dann auch der Rotationsdruck. Bisher waren viele Handgriffe für eine Korrektur nötig. Jetzt muss man nicht mehr jedes Blatt einzeln drucken, sondern druckt mit Rollen. Zeit und Kosten werden dadurch verringert. Die Druckquantität und die Qualität werden erhöht.

Mit den Auflagen der Zeitung, die erhöht werden, werden auch Format und Textsorten geändert. Das untere Drittel der Seite wurde meist für einen geistreichen Aufsatz zu den Zuständen freigehalten, das war ein Trick, um die Zensur zu umgehen. Auch ein Impressum entwickelte sich und der Umstand, dass Berichte und Kommentare getrennt werden.

1848 entsteht in Wien die "Freie Presse" nach Pariser Vorbild. Dass Zeitungen gedruckt und gelesen werden, fördert natürlich auch die Lesefähigkeit. Im 19. Jhdt. wurden viele Romane auch in der Zeitung zuerst gedruckt.

Der zweite große Punkt, also die nächste wichtige Veränderung ist die politische Entwicklung.

Mit der französischen Revolution gab es auch in Deutschland Hoffnung auf eine nationale Einigung. Die napoleonischen Kriege sind natürlich ein Schock. Das Heilige Römische Reich wird zerschlagen. Napoleon wird schließlich besiegt und 1815 wird mit dem Wiener Kongress die Ordnung wiederhergestellt. Die Hoffnung auf eine staatliche Einigung Deutschlands in einem deutschen Reich wird nicht erfüllt.

Die restaurativen Kräfte werden gestärkt, das deutsche Reich bleibt ein Traum. Was sind die sprachlichen Konsequenzen daraus? Man versucht, in den Zeitungen die Zusammengehörigkeit herzuträumen.

Bismarck schafft 1871 die Vereinigung eines deutschen Reiches, aber ohne Österreich. Das Jahr 1871 ist wichtig, weil nationale Gefühle bedient werden, jetzt kann es auch eine einheitliche deutsche Schriftsprache, Aussprache, Grammatik, usw. geben.

Das Projekt des deutschen Sprachatlasses, und zwar alle Dialekte im Reich zu erfassen, ist kaiserlich genehmigt worden.

Die Rechtschreibung ist kompliziert. Erst 1901 gibt es eine trilaterale Einigung zwischen Österreich, Deutschland und der Schweiz. Sehr spät also. Nur die Rechtschreibung ist in der deutschen Sprache normiert, und auch das nur im amtlichen Bereich, das bedeutet aber auch Schule. Die deutsche Grammatik ist NICHT geeint. Wörter sind auch nicht normiert, nur die Regeln für die Wörter (wann kommt ß, wann s), aber es gibt KEIN normiertes Wörterbuch.

Eine einheitliche Aussprache wird natürlich gewünscht, v.a. auch auf der Bühne. Die Vorstellung war, dass es Bildungsbürgern ein Gräuel wäre, Werke wie Schiller mit Dialekt zu hören. V.a. Gelehrte forderten eine einheitliche Bühnenaussprache.

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Der Germanist Theodor Siebs machte sich auf die Suche, vor allem unter Einbezug von Theaterfachleuten. Erst 1898 gab es also von Siebs das Werk "Deutsche Bühnenaussprache". Siebs war das einzige Werk zu diesem Thema, also verbreitet. Es gab aber nie so die Zustimmung zu diesem Werk wie zur Rechtschreibung von Konrad Duden. Seine Bücher waren aufgrund der Einfachheit so beliebt.

Es gibt drei wichtige Punkte, die die Aussprache zwischen norddeutsch und süddeutsch unterscheiden:

1. Endsilbe "-ig" (heilig) – im norddeutschen -ich (heilich)

2. schemen – schämen

3. Aussprache des "s"

Lange Zeit war Siebs das einzige Werk. Es gibt mittlerweile aber drei große Werke zur Aussprache:

• EWDA (20er)

• Duden (50er)

• Siebs

Den Siebs gibt es heute jedoch nicht mehr, es wird ersetzt durch das Aussprachewörterbuch im Reuter-Verlag. Dieses Werk scheint eine neue Norm zu werden.

Zu Beginn des 19. Jhdts. kommt außerdem die Entstehung der modernen Sprachwissenschaft dazu. "Modern" weil eine Behauptung erste bewiesen werden muss und die Wissenschaft objektiv zu sein hat.

Es entsteht ein Zustand, in dem Sprache über sich selbst reflektiert. Dadurch entsteht eine wissenschaftliche Grammatik und ein Wörterbuch.

Sehr charakteristisch ist, dass die "Umgangssprache" entdeckt wird. Bis Mitte des 19. Jhdts. gab es nur die Trennung zwischen Dialekt und Hochsprache. Jetzt bemerkt man eine Sprache, die mehr mittig ist und auch in der Literatur auftritt. Man weiß nicht, ob die Umgangssprache ein Produkt des 19. Jhdts. ist, als Ausgleich zwischen der Schriftsprache und dem Dialekt in den Städten, oder ob sie länger existiert. Da uns die Quellen fehlen, haben wir keine Ahnung.

Die Umgangssprache hat zwei Erscheinungen, und zwar lässt sie sich nicht genau beschreiben und variiert von Ort zu Ort. Bis heute gibt es keine genaue Beschreibung der deutschen Umgangssprache, der Begriff wird daher in der modernen Forschung vermieden und durch "Alltagssprache" ersetzt.

Alltagssprache ist die Sprache, die im halböffentlichen Bereich gesprochen wird, im öffentlichen Bereich wird Standardsprache gesprochen, zB bei einer Rede. Dialekt spricht man mit Freunden und der Familie, es ist also eine intime Sprachform.

Die Alltagssprache ist der Übergang von Dialekt- und Umgangssprache. vom reinen Dialekt, dem Basisdialekt, wird sie unterschieden.

Wann ungefähr beginnt diese moderne Wissenschaft? Im 2. Jahrzehnt des 19. Jhdts.

1816 schreibt Popp eine vergleichende Grammatik.

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1819 veröffentlicht Jakob Grimm den ersten Band der deutschen Grammatik, der historisch vergleichend ist. Zum ersten mal wird auch die erste Lautverschiebung durch ihn formuliert.

Die gesamte Wissenschaft im 19. Jhdt. ist aber historisch, erst im 20. Jhdt. beginnt mit Saussure die synchrone Forschung.

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