63
Vorlesung Experimentelle Physik IV: Atome, Molek ¨ ule Festk ¨ orper Prof. Dr. Heinrich Stolz SS 2003 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakult¨ at der Universit¨ at Rostock Rostock, April 2003

SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Atomphysik

Citation preview

Page 1: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

Vorlesung Experimentelle Physik IV:

Atome, Molekule Festkorper

Prof. Dr. Heinrich Stolz

SS 2003

Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultatder Universitat Rostock

Rostock, April 2003

Page 2: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

Inhaltsverzeichnis

1.2 Wasserstoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2.1 Eigenschaften der Atome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2.2 Das Planetenmodell der Atome . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.2.3 Schrodinger-Theorie des Wasserstoffatoms . . . . . . . . . . . 7

1.3 Wasserstoff-Orbitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161.4 Der Zeeman-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

1.4.1 H-Atom im Magnetfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181.4.2 Der Stern-Gerlach Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221.4.3 Experimentelle Uberprufung durch Spektroskopie am Wasser-

stoffatom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261.4.4 Relativistische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281.4.5 Die Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291.4.6 Die Hyperfeinstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301.4.7 Effekte der Quantenelektrodynamik . . . . . . . . . . . . . . 311.4.8 Der Spin als Drehimpuls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

1.5 Das Aufbauprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381.5.1 Schalenmodell und Periodensystem . . . . . . . . . . . . . . . 381.5.2 Abschirmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

1.6 Die Alkali-Metalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441.7 Der Elektronenspin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

1.7.1 Eigenschaften des Spins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451.7.2 Mehrere Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

1.8 Die Mehrelektronensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531.9 Die optischen Ubergange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591.10 Atome mit vielen Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

2

Page 3: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.2. WASSERSTOFFATOM 3

1.2 Wasserstoffatom

1.2.1 Eigenschaften der Atome

Bereits lange vor unserer Zeitrechnung vertrat der griechische Philosph Demokrit(geb. um 460, gest. um 371 v.u.Z) die Meinung, daß die Materie aus kleinsten Teil-chen zusammengebaut ist, die nicht weiter zerteilbar sind. Die Chemie des 18. Jahr-hunderts nahm diese Ansicht auf: Gleiche Teile reagieren mit gleichen Teilen, d.h. esgibt Atome, die die Materie bilden. Im Jahre 1905 schließlich war es Albert Einstein,der mit der Atom-Hypothese die Brownsche Molekularbewegung erklarte.

Was sind nun die Eigenschaften der Atome:• Periodisches System der Elemente, auch PSE genannt; zur Zeit bis zum Element114 untersucht• endliche Große mit einem Durchmesser von typischerweise 0.1 nm = 10−10 m = 1 A• Wechselwirkung in charakteristischer Weise mit Licht

Atome emittieren oder absorbieren Licht in einem charakteristischen Spektrum. Die-ses Verhalten haben im 19. Jahrhundert Robert Wilhelm Bunsen und Gustav RobertKirchhoff ausgenutzt, um Apparate zur Spektralanalyse zu konstruieren. Fur die Ab-sorptionsspektroskopie nimmt man weißes Licht, zum Beispiel eine Halogenlampe,und beobachtet, wieviel Licht von der Kuvette mit den Atomen oder Molekulen ab-sorbiert wird.

UV

IR

Prisma

LinseLinse

Spalt

Licht-quelle

Küvette

Linse

Photo-platte

Page 4: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

4 INHALTSVERZEICHNIS

λ

I

mit Küvette

ohne Küvette

Joseph von Fraunhofer (1787-1826) betrachtete das Sonnenspektrum und stellte fest,daß es schwarze Absorptionslinien im Sonnenspektrum gab. Die Absorptionslinienwurden dem Wasserstoff und dem Helium zugeordnet. Im Jahre 1885 gab JohannJakob Balmer (1825-1898), ein Lehrer aus Basel, der von sich behauptete, fur jedenempirisch gegebenen Datensatz ein Bildungsgesetz angeben zu konnnen, erstmalseine quantitative Beziehung fur die damals bekannten Emissionslinien des Wasser-stoffatoms an: Die Frequenzen νk im Bereich von 1015 Hz, bzw. die Wellenzahl νkentsprach der Formel

νk = νkc = Ry

(

14 − 1

n2

)

,

wobei n2 = 3, 4, 5, . . . bedeutet und Ry = 109737 cm−1 ist. Theodore Lyman (1874-1954) entdeckte eine weitere Serie von Absorptionslinien des Wasserstoffatom:

νk = νkc = Ry

(

1 − 1n2

)

,

wobei n2 = 2, 3, 4, . . . ist. Friedrich Paschen (1865-1947) schließlich untersuchte nocheine weitere Serie von Absorptionslinien bei den Wellenzahlen

νk = νkc = Ry

(

19 − 1

n2

)

,

wobei n2 = 4, 5, 6, . . . darstellt. Heutzutage wissen wir, daß alle diese Serien von Ab-sorptionslinien des Wasserstoffsatoms aus einer Formel hergeleitet werden konnen,namlich

νk = νkc = Ry

(

1n1

− 1n2

)

,

wobei n1 = 1, 2, 3, . . . und n2 = n1 + 1, n1 + 2, n1 + 3, . . . bedeuten.

Page 5: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.2. WASSERSTOFFATOM 5

1.2.2 Das Planetenmodell der Atome

Nach den Untersuchungen von Rutherford (Streuung von α-Teilchen an Goldato-men) war schnell klar, das das Atom ahnlich dem Planetensystem aufgebaut seinmußte, im Zentrum der Atomkern, der die Masse des Atoms vereinigt. Der Kernist umgeben von Elektronen, die aufgrund der Coulombanziehung um ihn kreisenmussen. Das Problem dieser Vorastellung ist jedoch, daß wegen des Dipolcharaktersder kreisenden Elektronen elektromagentische Energie in Form einer Welle abge-strahlt wird. Dadurch lebt ein Atom nur einige Nanosekunden bevor die Elektronenin den Kern sturzen. Diesen effekt gibt es auch bei Planetensystemen, jedoch ist erdort sehr viel geringer. Niels Bohr wollte jedoch im Jahre 1913 verstehen, weshalbdas Atom keine Abstrahlung der elektromagnetischen Energie zeigte. Nach Bohr gibtes ausgezeichnete Bahnen, auf denen keine Abstrahlung passiert. Eine Lichtemissionbzw. Lichtabsorption erfolgt, wenn das Elektron von der Bahn 1 auf die Bahn 2springt. Die Frequenz ν des Lichtes ist durch die Gleichung

E1 −E2 = hν

gegeben, wobei E1 und E2 die Energien der beiden Bahnen bedeuten und h dasWirkungsquantum ist. Die Dimension von h ist [h] = [Energie]·[Zeit] = kg m2 s−1. Inder klassischen Physik ist ein ahnliches Problem vorhanden: Der sogenannte Phasen-raum wird von Ort und Impuls aufgespannt. Man berechnet die Große ”Wirkung”,indem man den Impuls uber den Ort integriert:

W =∫

pdx.

Die Dimension der Wirkung ist ebenfalls [W ] = [Ort] · [Impuls] = kg m2 s−1.

x

p

Bohr postulierte, daß nur solche Bahnen eingenommen werden konnten, deren Wir-kung gleich

W = n · h

Page 6: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

6 INHALTSVERZEICHNIS

ist. Er ging damals von Kreisbahnen aus. Arnold Sommerfeld (1868-1951) dage-gen ging von Ellipsenbahnen aus. Wir nehmen an, daß das Proton effektiv ruht, daseine Masse wesentlich großer ist, als die Masse des Elektrons. Die Massen verhaltensich etwa wie 1836/1. Auf das Elektron wirkt zum einen die Coulomb-Kraft 1

4πε0e2

r2,

zum anderen die Zentripetalkraft mv2

r . Setzt man diese Krafte gleich, so erhalt manfur den Radius des Elektrons

r = e2

4πε0mv2.

+

p+

e-

r

p

Die Wirkung auf dieser Bahn ist

W =∫

p dx =∫

mvr dϕ = 2πmvr = nh.

Setzt man das Ergebnis in den Radiusausdruck ein, so erhalt man bestimmte Radi-en, die erlaubt sind:

rn = h2ε0πme2n

2.

Fur die Energie En des Elektrons, die sich zusammensetzt aus der kinetischen Ener-gie und der Coulomb-Energie, erhalt man ganz analog die Beziehung

En = 12mv

2n − 1

4πε0e2

rn= −1

2e2

4πε0rn= − me4

8ε20h2

1n2 = −Ry∞ 1

n2 ,

wobei

Ry∞ = me4

8ε20h2 = 13.59 eV

die Rydberg-Energie darstellt. Diese Energien sind mogliche Energiezustande aufden Bohrschen Bahnen. Die Frequenzen νnk, die fur spektroskopische Untersuchun-gen wichtig sind, folgen daher aus

Page 7: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.2. WASSERSTOFFATOM 7

hνnk = Ry∞(

1n2 − 1

k2

)

,

wobei n = 1, 2, 3, . . . und k = n + 1, n + 2, n + 3, . . . ist. Nimmt man statt derElektronenmasse m die reduzierte Masse µ = mMp/m+Mp von Elektron und Pro-ton, so bekommt man die Energie oder - genauer gesagt - die Wellenzahl

Ry = Ry∞µ/mhc = 1097373.1534 cm−1.

Der relative Fehler der Wellenzahl Ry betragt 3 ·10−10. Die Wellenzahl Ry ist damiteine der bekanntesten Großen der Experimentalphysik.

Wahrend das Wasserstoffatom vom Bohrschen Modell sehr gut wiedergegebenwird, erklart das Bohrsche Modell das Heliumatom uberhaupt nicht. Fur den Falln = 1 erhalten wir den Bohrschen Radius r1 = 0.0529 nm. Fur n = 100 ergibt sichr100 = 0.529µm.

E/Ry

0-1/9

-1/4

-1

Ionisations-kontinuum

1.2.3 Schrodinger-Theorie des Wasserstoffatoms

Heute wissen wir, das das Bohrsche Atommodell die Gegebenheiten im Atom prinzi-piell nicht richtig beschreiben kann. Falsch ist dabei die Vorstellung, das das Elektroneine definierte Bahn um den Atomkern besitzt. Dies widerspricht der Heisenberg-schen Unscharferelation, nach der die Unscharfe im Ort mal der Unscharfe im Im-puls niemals kleiner als die Planck-Konstante dividiert durch 4π sein kann. Richtigwerden daher die Atome durch die Quantenmechanik beschrieben, der wir uns jetzstufenweise nahern wollen. Wir werden daher zuerst das Wasserstoffatom, dann dasHeliumatom und schließlich die Mehrelektronenatome betrachten. Im ersten Ab-schnitt soll daher die Schrodinger-Gleichung fur das H-Atom gelost werden, d.h.genauer gesagt die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung. Diese Losung ist ziem-lich kompliziert, da es sich um eine dreidimensionale partielle Differentialgleichunghandelt.

Page 8: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

8 INHALTSVERZEICHNIS

Wenn wir den Atomkern als unendlich schwer annehmen hat die zeitunabhangigeSchrodinger-Gleichung hat die Form

(

− h2

2m∆ + V (~r))

ψ(~r) = E ψ(~r).

Dabei bezeichnet ∆ den Laplace-Operator

∆ =

(

∂2

∂x2+

∂2

∂y2+

∂2

∂z2

)

ψ(x, y, z). (1.1)

V (~r) ist die potentielle Energie des Elektrons, die durch die Coulomb-Energie gege-ben ist.

V (~r) = V (r) = V (√

x2 + y2 + z2) = − e2

4πε0r. (1.2)

Mit dem Hamilton-Operator H = − h2

2m∆ + V (~r) laßt sich dieses schreiben als

H ψ = E ψ.

Die Losungen ψ der zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung sind Eigenfunktionenvon H, die Energien E sind Eigenwerte dieser Gleichung .

Wir gehen nun von den kartesischen Koordinaten x, y, z zu den Kugelkoordina-ten r, ϑ, ϕ uber. Zwischen den Koordinaten bestehen dabei folgende Beziehungen:

x = r sinϑ cosϕ,y = r sinϑ sinϕ,z = r cosϑ.

ϑ

ϕ

r

x

y

z

Die potentielle Energie V (r) hangt nur noch von dem Radius r ab, nicht aber vonden Winkeln ϑ und ϕ. Der Radius r nimmt die Werte 0 ≤ r <∞ an, der Winkel ϑdie Werte 0 ≤ ϑ ≤ π und der Winkel ϕ die Werte 0 ≤ ϕ ≤ 2π. Der Laplace-Operator∆ einer Funktion f lautet in kartesischen Koordinaten x, y, z

∆f = ∂2f∂x2 + ∂2f

∂y2 + ∂2f∂z2 .

Den Laplace-Operator ∆ in kugelsymmetrischen Koordinaten r, ϑ, ϕ erhalt man mit

Page 9: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.2. WASSERSTOFFATOM 9

den oben genannten Gleichungen. Aus ihnen folgt

r =√

x2 + y2 + z2,

ϑ = arctan

√x2+y2

z ,ϕ = arctan y

x .

Zum Beispiel ist die Ableitung der Funktion f nach der Koordinate x ist in ku-gelsymmetrischen Koordinaten r, ϑ, ϕ gleich

∂f∂x = ∂f

∂r∂r∂x + ∂f

∂ϑ∂ϑ∂x + ∂f

∂ϕ∂ϕ∂x .

Die Ableitung des Radius r nach der Koordinate x ist

∂r∂x = 1

21√

x2+y2+z22x = x√

x2+y2+z2= r sinϑ cosϕ

r = sinϑ sinϕ.

Fur die ubrigen Koordinaten ϑ und varphi gilt genau das gleiche. Die Rechnungensind aber etwas umstandlich. Letztlich kommt der Laplace-Operator ∆ angewandtenauf die Funktion F in kugelsymmetrischen Koordinaten r, ϑ, ϕ heraus als

∆f = 1r2

∂∂r

(

r2 ∂∂r

)

f + 1r2 sinϑ

∂∂ϑ

(

sinϑ ∂∂ϑ

)

f + 1r2 sin2 ϑ

∂2

∂ϕ2 f .

Der Darstellung des Laplace-Operators ∆ in Kugelkoordinaten r, ϑ, ϕ konnen wirzwei Dinge entnehmen:1. Es treten keine gemischten Ableitungen der Koordinaten r, ϑ, ϕ auf. Die Ablei-tungen nach r, ϑ, ϕ konnen vollstandig separiert werden.2. Das potentielle Energie V (r) hangt nur von dem Radius r ab.Ein Ansatz fur die Losung der zeitunabhangigen Schrodinger-Gleichung lautet daher(Separationsansatz):

ψ(r, ϑ, ϕ) = R(r)Θ(ϑ)Φ(ϕ) . (1.3)

Einsetzen und Teilen durch die Wellenfunktion ψ liefert schließlich

∆ψψ + 2m

h2 (E − V (r)) = 0

⇔ 1R

1r2

ddr

(

r2 dRdr

)

+ 1Θ

1r2 sinϑ

ddϑ

(

sinϑdΘdϑ

)

+ 1Φ

1r2 sin2 ϑ

d2Φdϕ2 + 2m

h2 (E − V (r)) = 0.

Wir sehen, daß alle Terme konstant sein mußen. Zunachst setzen wir den Term

1Φd2Φdϕ2 = −C1 ⇔ d2Φ

dϕ2 + C1Φ = 0.

Die Losungen dieser Gleichung sind

Φ = Ae±i√C1ϕ.

Die Wellenfunktion Φ muß alle 2π die gleichen Werte hervorbringen, d.h. Φ(ϕ) =

Page 10: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

10 INHALTSVERZEICHNIS

Φ(ϕ+ 2π). Daraus folgt

Ae±i√C1ϕ = Ae±i

√C1(ϕ+2π) = Ae±i

√C1ϕ e±i

√C12π

⇔ e±i√C12π = 1

⇔ ±√C1 = 0,±1,±2,±3, . . .

⇔√C2 = m = 0,±1,±2,±3, . . ..

Dies ist die Quantisierungsvorschrift fur diesen Fall. Einsetzen in die Losung lie-fert dann

Φ(ϕ) = Aeimϕ.

Die Konstante A erhalt man, wenn man die Wellenfunktion Φ(ϕ) normiert:

1 =2π∫

0|Φ(ϕ)|2dϕ =

2π∫

0|A|2dϕ = 2π|A|2 ⇒ A = 1√

2π.

Damit lautet die gesamte Losung der Wellenfunktion

Φm(ϕ) = 1√2πeimϕ,

wobei m = 0,±1,±2,±3, . . . ist. Setzen wir dieses Ergebnis fur den ϕ-Anteil indie Schrodinger-Gleichung ein, so ergibt sich

1Rddr

(

r2 dRdr

)

+ 1Θ

1sinϑ

ddϑ

(

sinϑdΘdϑ

)

− m2

sin2 ϑ+ 2m

h2 (E − V (r)) r2 = 0.

Wir wollen nun den ϑ-Anteil losen:

1sinϑ

ddϑ

(

sinϑdΘdϑ

)

− m2

sin2 ϑΘ + C2 Θ = 0.

Wir setzen m = 0 und substituieren ξ = cosϑ mit der Ableitung dξdϑ = − sinϑ:

1sinϑ

ddϑ

(

sinϑdΘdϑ

)

+ C2 Θ = 0

⇔ 1sinϑ

dξdϑ

ddξ

(

sinϑ dξdϑdΘdξ

)

+ C2 Θ = 0

⇔ − ddξ

(

− sin2 ϑdΘdξ

)

+ C2 Θ = 0

⇔ ddξ

(

(

1 − ξ2) dΘdξ

)

+ C2 Θ = 0.

Diese Gleichung ist die sogenannte Legendresche Differentialgleichung. IhreLosung sind die sogenannten Legendresche Polynome. Eine Bedingung an die Funk-tion Θ ist, daß die Funktion endlich bleibt. Wir versuchen einen Potenzreihenansatz

Θ = a0 + a1 ξ + a2 ξ2 + a3 ξ

3 + · · · + an ξn + · · ·

⇒ dΘdξ = a1 + 2 a2 ξ + 3 a3 ξ

2 + · · · + nan ξn−1 + · · ·.

Page 11: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.2. WASSERSTOFFATOM 11

Einsetzen in die Legendresche Differentialgleichung liefert:

ddξ

((

1 − ξ2) (

a1 + 2 a2 ξ + 3 a3 ξ2 + · · · + nan ξ

n−1 + · · ·))

+

+C2 a0 + C2 a1 ξ + C2 a2 ξ2 + C2 a3 ξ

3 + · · · + C2 an ξn + · · · = 0

⇔ ddξ

(

a1 + 2 a2 ξ + 3 a3 ξ2 + · · · + nan ξ

n−1 + · · ·)

−− ddξ

(

a1 ξ2 + 2 a2 ξ

3 + 3 a3 ξ4 + · · · + nan ξ

n+1 + · · ·)

+

+C2 a0 + C2 a1 ξ + C2 a2 ξ2 + C2 a3 ξ

3 + · · · + C2 an ξn + · · · = 0

⇔(

2 a2 + 6 a3 ξ + 12 a4 ξ2 + · · · + n (n− 1) an ξ

n−2 + · · ·)

−−(

2 a1 ξ + 6 a2 ξ2 + 12 a3 ξ

3 + · · · + n (n+ 1) an ξn + · · ·

)

++C2 a0 + C2 a1 ξ + C2 a2 ξ

2 + C2 a3 ξ3 + · · · + C2 an ξ

n + · · · = 0

⇔(

2 a2 + 6 a3 ξ + 12 a4 ξ2 + · · · + (n+ 2) (n+ 1) an+2 ξ

n + · · ·)

−−(

2 a1 ξ + 6 a2 ξ2 + 12 a3 ξ

3 + · · · + n (n+ 1) an ξn + · · ·

)

++C2 a0 + C2 a1 ξ + C2 a2 ξ

2 + C2 a3 ξ3 + · · · + C2 an ξ

n + · · · = 0.

Wir entnehmen dieser Gleichung, daß zu den Potenzen ξn die Koeffizienten

(n+ 2) (n + 1) an+2 − n (n+ 1) an + C2 an = 0

gehoren. Werden die Koeffizienten a0 und a1 vorgegeben, so folgen daraus alle an-deren Koeffizienten an. Die Vorschrift lautet

an+2 = ann (n+1)−C2

(n+2) (n+1) .

Dies ist eine Rekursionsvorschrift. Fur geeignet großes n haben alle Koeffizientenan das gleiche Vorzeichen und sind praktisch gleich groß. Die Reihe divergiert dar-um fur ξ = ±1. Ein Abbruch der Rekursion ist notig. Es muß einen Faktor l geben,so daß

C2 = l (l + 1)

gilt, d.h. daß al 6= 0, aber al+2 = 0 ist. Wir wollen nun sehen, was sich ergibt.Dazu nehmen wir den Faktor l = 0 an, woraus C2 = 0 folgt. Der Koeffizient a0

ist von Null verschieden. Die Koeffizienten a2, a4, a6, . . . sind Null. Die Koeffizientena1, a3, a5, . . . sind ebenfalls gleich Null. Die Losung des Problems ist in diesem Falle

Pl=0(ξ) = a0.

Pl sind die sogenannten Legendresche Polynome. Fur l = 1 ist C2 = 2. Darausfolgt, daß

a2 = a00 (0+1)−2(0+2)(0+1) = −a0,

a4 = a22 (2+1)−2(2+2)(2+1) = a2

412 = −1

3a0,

Page 12: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

12 INHALTSVERZEICHNIS

a6 = a44 (4+1)−2(4+2)(4+1) = −1

3a01830 = −1

5a0,

usw. ist. Den gewunschten Abbruch der Rekursion erhalt man, wenn man a0 = 0wahlt. Den Koeffizienten a1 dagegen setzt man von Null verschieden. Der Koeffizienta3 ist gleich Null gesetzt, wie die anderen ungeraden Koffizienten:

a3 = a11 (1+1)−2(1+2)(1+1) = a1

06 = 0,

usw.. Die Losung lautet fur l = 1 also

Pl=1(ξ) = a1 ξ.

Fur l = 2 erhalt man auf gleiche Weise

Pl=2(ξ) = a0(

3 ξ2 − 1)

.

Den Faktor a0 wahlen wir so, daß das Legendresche Polynom Pl=0(ξ) am Randden Wert 1 hat, d.h. Pl=0(1) = 1. Fur den ϑ-Anteil gilt dann

Θm=0l (ϑ) = Pl(cosϑ).

Fur m 6= 0 existieren ebenfalls Losungen. Es handelt sich dabei um die sogenanntenassozierte Legendresche Polynome

P|m|l (ξ) =

(

1 − ξ2)

|m|2 d|m|

dξ|m|Pl(ξ),

wobei |m| ≤ l ist. Der ϑ-Anteil schreibt sich dann als

Θml (ϑ) = P

|m|l (cosϑ).

Eine Kombination der ϑ- und ϕ-Anteile ergibt die sogenannten Kugelflachenfunktionen

Yl,m(ϑ, ϕ) = Nl,m P|m|l (cos ϑ) ei|m|ϕ.

Die Normierung der Kugelflachenfunktion Yl,m(ϑ, ϕ) erfordert

2π∫

0dϕ

π∫

0sinϑdϑ |Yl,m(ϑ, ϕ)|2 = 1.

Page 13: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.2. WASSERSTOFFATOM 13

z

x

ϑ |Yl,m(ϑ,ϕ)|2

ϕ

Aufgrund des Zusammenhangs mit dem Drehimpuls bezeichnet man l als die Dre-himpulsquantenzahl, m als die magnetische Quantenzahl.Fur die Terme der Drehimpulsquantenzahl l gibt man historisch bedingt Termsym-bole an. Zur Drehimpulsquantenzahl l = 0 gehort das Termsymbol s, zu l = 1 gehortp, zu l = 2 gehort d, zu l = 3 gehort f , zu l = 4 gehort g, zu l = 5 gehort h, usw..

Zur besseren Veranschaulichung bildet man aus den komplexen Kugelflachenfunktionendurch Linearkombination zu gleichem l reelle Funktionen, die man als Orbitale be-zeichnet. Diese Funktionen sind reell. In Kugelkoordinaten lauten sie zum Beispielfur l = 1 und m = 1:

px-Orbital: xr = sinϑ cosϕ,

py-Orbital: yr = sinϑ sinϕ,

pz-Orbital: zr = cosϑ.

Wir wollen nun zuruckkehren zu unserem Wasserstoffproblem. Beim Wasserstoffwird ein Proton p von einem Elektron e− umkreist. Das Proton soll dabei als ruhendgelten, da es eine Masse mp hat, die um den Faktor 1836 großer ist, als die Masseme des Elektrons, d.h. in guter Naherung gilt mp = ∞. Das Elektron bewegt sich in

einer kugelsymmetrischen Coulomb-Energie V (r) = − 14πε0

e2

r . Seine kinetische Ener-

gie Ekin ist durch Ekin = p2

2megegeben. Der Hamilton-Operator H lautet also

H = p2

2me+ V (r) = − h2

2me∆ − 1

4πε0e2

r .

Wir wissen bereits, daß die Wellenfunktionen

ψ(~r) = R(r)Yl,m(ϑ, ϕ)

Losungen der zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung

H ψ = E ψ

Page 14: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

14 INHALTSVERZEICHNIS

sind. Dabei ist die Drehimpulsquantenzahl gleich l = 0, 1, 2, 3, . . . und die magneti-sche Quantenzahl gleich −l ≤ m ≤ l. Fur den Radialanteil R(r) gilt die Gleichung

1Rddr

(

r2 dRdr

)

+ 2me

h2 (E − V (r)) r2 = l(l + 1).

Fuhrt man die Konstanten

η = meEh2 und α = mee2

4πε0h2

ein, so ergibt sich die Gleichung

d2Rdr2 + 2

rdRdr + 2 η R+ 2α

r R− l(l+1)r2 R = 0.

Als Randbedingung muß fur deb Radius r → ∞ der Radialanteil R(r) → 0 ge-hen, d.h. lim

r→∞R(r) = 0. Fur das Verhalten bei r → ∞ findet man

d2R∞dr2 + 2 η R∞ = 0.

Diese Gleichung ist die Oszillatorgleichung, deren Losungen

R∞ = A′ e−i√

2η r +B′ e+i√

2η r

lauten. Ist η > 0, also die Energie E > 0, so sind die Radialanteilen R∞ Kugel-wellen, die nicht normierbar sind, d.h. es liegen keine stationaren Zustande vor. Istdagegen η < 0, also die Energie E < 0, so gilt

√2η = i

√−2η, und darum

R∞ = A′ e+√−2η r +B′ e−

√−2η r.

Der erste Term der rechte Seiten ist divergent. Man setzt daher A′ = 0. Wier be-trachten noch das Verhalten fur r gegen 0. Dann muß offenbar gelten R(r) ∝ rq mitq = l. Damit erhalt man fur den Radialanteil

R(r) = rlP (r) e−√−2ηr = rlP (r) e−βr,

wobei β =√−2η darstellt und die Funktion P (r) noch nicht bekannt ist. Wir

machen den Potenzreihenansatz

P (r) =∞∑

q=0bq r

q.

Die erste und zweite Ableitung nach dem Radius r sind dann

dPdr =

∞∑

q=1q bq r

q−1 und d2Pdr2 =

∞∑

q=2q (q − 1) bq r

q−2.

Unsere Vermutung sagt uns, daß alle Koeffizienten bq = 0 werden fur eine Potenzq > qmax. Um dies zu uberprufen, setzen wir die Funktion P (r) ist die Gleichung fur

Page 15: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.2. WASSERSTOFFATOM 15

den Radialanteil R(r) ein:

ddr

(

P (r) e−βrrl)

=(

dPdr − βP + l

rP)

e−βrrl,d2

dr2

(

P (r) e−βrrl)

=(

d2Pdr2 + 2( lr − β)dPdr + (β2 + l(l−1)

r2 − 2βlr )P)

e−βr,

d2Pdr2 + 2

(

l+1r − β

)

dPdr + 2

r (α− β(l + 1))P = 0,

da β2 = −2η ist. Diese Gleichung ist die sogenannte Laguerresche Differentialglei-chung. Setzt man den Potenzreihenansatz fur die Funktion P (r) in diese Gleichungein, so erhalt man den Koeffizienten bq+1 als rekursive Funktion des vorhergehendenKoeffizienten bq:

bq+1 = 2q+1 bq

β(q+1+l)−α(q+2(l+1) .

Diese Reihe bricht genau dann ab, wenn der Qutient α/β gleich einer ganzen Zahln > l ist. Dann gilt

qmax + 1 + l = n ⇔ β = αn ,

d.h. daß es nur bestimmte Energieeigenwerte E geben kann. Diese Quantenzahln = l + qmax + 1 bezeichnet man als Hauptquantenzahl. Damit lauft die Drehim-pulsquantenzahl l von Null bis n − 1. Die Energieeigenwerte E ergeben sich rechteinfach aus

E = η h2

me= −β2

2h2

me= − h2α2

2me

1n2 ,

und nach Einsetzen von α ist der Energieeigenwert

E = − h2m2ee

4

2me16π2ε20h4

1n2 = − mee4

32π2ε20h2

1n2 = −mee4

8ε20h2

1n2 .

Dieses Ergebnis stimmt genau mit der Ergebnis von Bohrs Atommodell uberein.Wir wissen aber, daß sich hinter jedem Energieeigenwert E viele andere Zustandeverbergen. Diese Zustande des Wasserstoffatoms, deren Energien durch

E = −Ry 1n2

gegeben sind, werden durch die Quantenzahlen n, l,m aufgegliedert. Die Haupt-quantenzahl n lauft von 1 bis unendlich, d.h. n = 1, 2, 3, . . .. Zu jeder Hauptquan-tenzahl n gehoren n Drehimpulsquantenzahlen l = 0, 1, 2, 3, . . . , n− 1. Zu jeder Dre-himpulsquantenzahl l gehoren 2 l + 1 magnetische Quantenzahlen m, die die Werte−l ≤ m ≤ l annehmen. Die Gesamtzahl Nn der Zustande mit der Hauptquantenzahln ist gegeben durch

Nn =n−1∑

l=0(2l − 1) = n2.

Page 16: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

16 INHALTSVERZEICHNIS

Zu jedem n gehoren also n2 Zustande gleicher Energie, die als entartet bezeichnetwerden.

1.3 Wasserstoff-Orbitale

Wir wollen nun die Losungen der zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung des Was-serstoffatoms naher anschauen. Sie lautet

H ψ = E ψ.

Dabei ist H der Hamilton-Operator, E ein Eigenwert der Energie und ψ eine Eigen-funktion dazu. Der Hamilton-Operator H setzt sich zusammen aus der kinetischenEnergie Ekin = ~p2/2me und der Coulomb-Energie Epot = −e2/4πε0|~r|, d.h.

H = Ekin +Epot = ~p2

2me− e2

4πε0|~r| ,

wobei ~p der Impuls des Elektrons ist, me seine Masse darstellt, e seine Ladung wie-dergibt, ε0 die Dielektrizitatskonstante ist und ~r den Ort des Elektrons darstellt. DasWasserstoffatom hat aufgrund der Coulomb-Energie volle Kugelsymmetrie. In Ku-gelkoordinaten r, ϑ, ϕ hangt die Coulomb-Energie Epot(r) nur noch von dem Radiusr ab, nicht aber vom Polarwinkel ϑ und vom Azimuthwinkel ϕ. Der Zusammenhangzwischen den Kugelkoordinaten r, ϑ, ϕ und den kartesischen Koordinaten x, y, z istin der folgenden Abbildungen wiedergegeben.

ϑ

ϕ

r

x

y

z

In den Kugelkoordinaten r, ϑ, ϕ lauten die Eigenfunktionen ψ(r, ϑ, ϕ) der zeitun-abhangigen Schrodinger-Gleichung

ψ(r, ϑϕ) = Rn,l(r) · Yl,m(ϑ, ϕ)

mit den Energieeigenwerten

Page 17: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.3. WASSERSTOFF-ORBITALE 17

En = −Ryn2 .

Hierbei bedeutet Rn,l(r) eine Radialfunktion, Yl,m(ϑ, ϕ) eine Kugelflachenfunktionund Ry die Rydberg-Energie. Desweiteren sind die Zahlen n, l,m sogenannte Quan-tenzahlen. Die Hauptquantenzahl n gibt den Energieeigenwert En an. Ihre Wertesind n = 1, 2, 3, . . .. Die Drehimpulsquantenzahl l nimmt die Werte 0 ≤ l ≤ n − 1an. Die magnetische Quantenzahl m schließlich variiert im Bereich −l ≤ m ≤ +l.

Die physikalische Bedeutung der Wellenfunktionen liegt darin, daß sie nach MaxBorns (1882-1970) die Wahrscheinlichkeitsdichte w(~r) des Elektrons bestimmen. DieWahrscheinlichkeitsdichte w(~r) ist die Wahrscheinlichkeit ∆W , ein Teilchen, z.B. einElektron, in einem kleinen Volumen ∆V vorzufinden, d.h.

w(~r) = lim∆V→0

∆W∆V

oder umgeformt

dW = w(~r) dV .

In der Quantenmechanik ist die Wahrscheinlichkeitsdichte w(~r) einfach das Betrags-quadrat |ψ(~r)|2 der Wellenfunktion, d.h.

w(~r) = |ψ(~r)|2.

Um die Ladungsdichte %(~r) von einem Teilchen mit der Ladung q, z.B. ein Elek-tron mit der Ladung q = −e, zu bestimmen, berechnet man einfach

%(~r) = q · w(~r) = q · |ψ(~r)|2.

Hier betrachten wir die winklegemittelte Wahrscheinlichkeitsverteilung

wrad(r) =2π∫

ϕ=0

π∫

ϑ=0|ψ(r, ϑ, ϕ)|2 r2 sinϑdϑ dϕ.

Fur den Grundzustand ergibnt dies:wrad,1s(r) = 4

a03 r2 e−2r/a0 .

Der mittlere Abstand 〈r〉 des Elektrons vom Atomkern im 1s-Zustand ist gegebendurch

〈r〉 =∞∫

0r wrad,1s(r) dr =

∞∫

0

4a03 r

3 e−2r/a0 dr = 32 a0.

Fur die Hauptquantenzahl n = 2 ist die Drehimpulsquantenzahl zum einen l = 0mit der magnetischen Quantenzahl m = 0 und zum anderen l = 1 mit den magneti-schen Quantenzahlen m = −1, 0, 1. Diese Zustande bezeichnet man als 2s-Zustand

Page 18: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

18 INHALTSVERZEICHNIS

bzw. 2p-Zustande. Ihre radialen Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichten sind gegebendurch

wrad,2s(r) = 12a03 r

2(

1 − r2a0

)2e−r/a0 ,

wrad,2p(r) = 124a05 r

4 e−r/a0 .

Zur Ubersicht sind nochmal die vollstandigen Orbitale angegeben:

ψ1s = N1 exp(−Zr/a0) (1.4)

ψ2s = N2(2 − Zr/a0) exp(−Zr/2a0) (1.5)

ψ2pz = N2(Zr/a0) exp(−Zr/2a0) cos θ (1.6)

ψ2px = N2(Zr/a0) exp(−Zr/2a0) sin θ cosφ (1.7)

ψ2py = N2(Zr/a0) exp(−Zr/2a0) sin θ sinφ (1.8)

ψ3s = N3([27 − 18(Zr/a0) + 2(Zr/a0)2] exp(−Zr/3a0) (1.9)

ψ3pz = N3

√6(6 − Zr/a0)(Zr/a0) exp(−Zr/3a0) cos θ (1.10)

ψ3px = N3

√6(6 − Zr/a0)(Zr/a0) exp(−Zr/3a0) sin θ cosφ (1.11)

ψ3py = N3

√6(6 − Zr/a0)(Zr/a0) exp(−Zr/3a0) sin θ sinφ (1.12)

ψ3d3z2−r2

= N3

1/2(Zr/a0)2 exp(−Zr/3a0)(3 cos2 θ − 1 (1.13)

ψ3dxz = N3

√6(Zr/a0)

2 exp(−Zr/3a0) sin θ cos θ cosφ (1.14)

ψ3dyz = N3

√6(Zr/a0)

2 exp(−Zr/3a0) sin θ cos θ sinφ (1.15)

ψ3dx2−y2= N3

3/2(Zr/a0)2 exp(−Zr/3a0) sin2 θ cos 2φ (1.16)

ψ3dxy = N3

3/2(Zr/a0)2 exp(−Zr/3a0) sin2 θ sin 2φ (1.17)

(1.18)

Hier bezeichnen N1 = sqrtZ3/πa30, N2 = sqrtZ3/32πa3

0 und N3 = sqrtZ3/3πa30/81

Normierungskonstanten.

1.4 Der Zeeman-Effekt

1.4.1 H-Atom im Magnetfeld

Wir wollen nun das Wasserstoffatom im Magnetfeld untersuchen. Es tritt dabeiein Effekt auf, den Pieter Zeeman (1865-1943) zuerst entdeckt hat und der alsZeeman-Effekt bekannt ist. Um die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung aufzu-stellen, brauchen wir den Hamilton-Operator H fur ein Wasserstoffatom im magneti-schen Feld ~B. Das magnetische Feld kann im allgemeinen sehr unterschiedlich starksein. Wir betrachten beim Zeeman-Effekt aber nur schwache magnetische Felder.Das erlaubt es uns, die halbklassischen Bahnen des Elektrons aus dem BohrschenAtommodell zu ubernehmen. Der Drehimpuls ~l, den wir hier annehmen, stammt jedoch aus der Quantentheorie.Wir betrachten nun zunachst ein Elektron auf einer Kreisbahn um das Proton. Das

Page 19: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 19

Elektron hat die Geschwindigkeit v und damit die Umlauffrequenz

ν = v2πr ,

wobei r der Radius der Kreisbahn ist. Das Elektron hat die Ladung q = −e, sodaß sich mit der Umlauffrequenz ν der elektrische Kreisstrom i als

i = q · ν = − e v2πr

ergibt.

+

- Elektron

Proton

Kreisbahn

DipolmomentAip

m

=

In einem außeren Magnetfeld ~B spurt dieser Kreisstrom i das Feld. Mit dem Kreis-strom i ist ein Dipolmoment ~pm des Elektrons verknupft, fur das

~pm = i ~A = − e v2πr π r

2 n = −12 e r v n

gilt. Der Vektor n ist eine Flachennormale, d.h. n genauso wie der Flachenvektor ~Asteht senkrecht auf der Flache, in der unser Elektron kreist. Den Bahndrehimpuls ~lerhalten wir aus dem Ort ~r und dem Impuls ~p gemaß

~l = ~r × ~p = rme v n,

wobei me die Masse des Elektrons ist. Vergleicht man diesen Ausdruck mit demAusdruck fur das Dipolmoment ~pm des Elektrons, so stellt man fest

~pm = − e2me

~l.

Im Magnetfeld ~B hat ein Dipolmoment ~pm die Energie

Emag = −~pm · ~B = e2me

~l · ~B.

Damit erhalt man fur den Hamilton-Operator H eines Wasserstoffatoms in einemMagnetfeld ~B

H = ~p2

2me− e2

4πε0r+ e

2me

~l · ~B.

Page 20: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

20 INHALTSVERZEICHNIS

Die zeitunabhangige Schrodinger-Gleichung ist mit diesem Hamilton-Operator Hmit dem Magnetfeld ~B 6= 0 nicht losbar. Jedoch konnen wir zunachst ein Magnet-feld ~B einschalten, daß sehr schwach ist. Die Zustande ψn,l,m werden damit praktischnicht verandert. Die Energieanderungen ∆E ihrer Energieeigenwerte En berechnensich in erster Naherung als

∆E = 〈ψn,l,m| e2me

~l · ~B |ψn,l,m〉 = e2me

B0 〈ψn,l,m| lz |ψn,l,m〉 = e h2me

B0m,

wobei das Magnetfeld ~B = (0, 0, B0) ist und lz die z-Komponente des Drehim-pulsoperators ~l darstellt. Den ersten Term auf der rechten Seite bezeichnet man alsBohrsches Magneton

µB = e h2me

= 9.274009 JT−1.

Das Bohrsche Magneton µB stellt eine elementare Einheit der magnetischen Wech-selwirkung dar.

0B =�

0B ≠�

1m +=

0m =

1m −=

1l = E∆

E∆

In der klassischen Physik hat der Drehimpuls ~l genau zwei Moglichkeiten, sich andem magnetischen Feld ~B auszurichten, namlich parallel zum ~B-Feld oder antipar-allel. In der Quantenphysik hat der Drehimpuls ~l dagegen 2 l+1 Moglichkeiten, sichdem ~B-Feld anzupassen. l ist die sogenannte Drehimpulsquantenzahl. Die moglichenZustande werden durch die magnetische Quantenzahl m durchnummeriert. Zur an-schaulichen Darstellung des Drehimpulses ~l nimmt man das sogenannte Vektormo-dell, das in der unten gezeigten Abbildung erlautert ist. Der Drehimpulsvektor ~lerfahrt in diesem Modell eine Larmor-Prazession, d.h. eine Prazession im homoge-nen Magnetfeld ~B.

Page 21: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 21

B�

l�

��

⋅+= )1l(ll

�⋅= mlz

2m +=

1+

0

1−

2−

Jetzt wollen wir uns anschauen, wie sich der magnetische Dipol ~pm im inhomo-genen Magnetfeld ~B verhalt. Um die Kraft ~F auf den Dipol ~pm zu erhalten, kannman sehr schon die Analogie des elektrischen Dipols ~µ im inhomogenen elektrischenFeld ~E betrachten. Der elektrische Dipol ~µ ist definiert durch seine Ladung q undden Abstand ~a seiner beiden Kugeln gemaß

~µ = q ~a.

Das inhomogene elektrische Feld ~E hat an den Kugeln die Feldstarken ~E+ bzw.~E−. In guter Naherung gilt daher

~E+− ~E−

|~a| = −grad ~E.

Fur die Kraft ~F auf den Dipol ~µ gilt daher

~F = q ~E+ − q ~E− = q |~a| ~E+− ~E−

|~a| = −~µ · grad ~E.

Fur die Kraft ~F auf den magnetischen Dipol ~pm im inhomogenen Magnetfeld ~Bergibt sich das Analoge, d.h. es gilt

~F = −~pm · grad ~B.

Page 22: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

22 INHALTSVERZEICHNIS

+

a�

aq��

⋅=µ+E

−E�

q+

q−Als Beispiel wollen wir uns den Zustand ψn,l,m des Wasserstoffatoms mit der Dre-himpulsquantenzahl l = 1 anschauen. Zu dieser Drehimpulsquantenzahl l = 1gehoren die magnetischen Quantenzahlen m = −1, 0, 1 verbunden mit den Dipolenpm = −µB, 0, +µB und den Energien ∆E = −µB B0, 0, µB B0, wobei ~B = (0, 0, B0)das Magnetfeld darstellt.

N

S

Ag-Atome

1.4.2 Der Stern-Gerlach Versuch

Ein anderes Experiment in dieser Richtung stammt von Otto Stern (1888-1969) undWalter Gerlach (1889-1979) aus dem Jahre 1922. Bei diesem sogenannten Stern-Gerlach-Experiment bewegen sich Silberatome durch ein inhomogenes Magnetfeld.Nach dem Durcheilen des Magnetfeldes ist der Atomstrahl in zwei Teilstrahlen auf-geteilt. Dann hat den Eindruck, als ob die Drehimpulsquantenzahl l den Wert 1

2annimmt. Das kann naturlich nicht sein. Vielmehr muß das Elektron einen weiterenDrehimpuls haben. Diesen intrinsischen den Drehimpuls bezeichnen wir als Spin.Der Spinoperator ~s hat genau einen Eigenwert s = 1

2 . Seine z-Komponente ms kannzwei Eigenwerte annehmen, namlich ms = 1

2 und ms = −12 .

Page 23: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 23

ωv−e

Anschaulich kann man sich den Spin vorstellen als den Drehimpuls einer rotierendenKugel, die das Elektron darstellt. Mit dem Spin ~s ist ein magnetische Dipolmoment~pm verknupft. Der Spin stellt jedoch keine Drehung im dreidimensionale Vektor-raum dar. Eine Losung dieses Problem brachte erst Paul Adrien Maurice Dirac(1902-1984). Wir wollen uns nun uberlegen, wie groß das magnetische Dipolmoment~pm des Spins ~s sind. Wir schreiben dazu einfach

~pm = −γ ~s,

wobei γ das sogenannte gyromagnetische Verhaltnis darstellt. Um das magnetischeDipolmoment ~pm im Magnetfeld Feld ~B messen zu konnen, gibt es zwei Verfahren,namlich einerseits die Kraft auf den Dipol im inhomogenen Magnetfeld zu bestim-men oder andererseits das Drehmoment auf den Dipol im homogenen Magnetfeldzu messen. Wir betrachten nun zunachst ein Experiment, das von Albert Einstein(1879-1955) und Wander Johannes de Haas (1878-1960) durchgefuhrt wurde und alsEinstein-de Haas-Effekt bekannt ist.

Page 24: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

24 INHALTSVERZEICHNIS

I�

M�

H�

Laser

Spiegel

Schirm

Faden

ZylinderSpule

Ein Zylinder hangt an einem Faden in einer Spule, durch die ein Strom ~I fließt.Im Inneren der Spule entsteht ein Magnetfeld ~B. Der Zylinder muß aus einem Stoffmit großer Magnetisierung bestehen. Die Elementarmagneten richten sich im Ma-gnetfeld alle parallel aus. Einen Stoff, der fur diesen Effekt geeignet ist, stellt dasEisen dar, also Fe. Das Fe-Atom hat 6 d-Elektronen, von denen 2 Stuck sich geradekompensieren. Die restlichen 4 Elektronen haben alle einen freien Spin. Die Zahl derfreien Spins pro Fe-Atom ist also N = 4.

6 d-Elektronen

Die Anderung ∆s des magnetischen Dipolmomentes beim Umschalten des Stromes~I ist daher gegeben durch

∆s = 2N ms h = ±N h.

Gleichzeitig andert sich der Drehimpuls L des Zylinders um

L = I ω,

wobei

I = 12 mR2

Page 25: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 25

das Tragheitsmoment des Zylinders darstellt und ω die Kreisfrequenz ist. Die po-tentielle Energie Epot ist daher

Epot = L2

2 I = N2 h2

mR2 .

Da der Zylinder an einem Torsionsfaden aufgehangt ist, konnen wir die potenti-elle Energie Epot auch schreiben als

Epot = Dl ϕ,

wobei Dl das Drehmoment bezeichnet und ϕ der maximale Winkel ist. Einsetzen indie vorige Gleichung liefert schließlich

ϕ = N2 h2

mR2 Dl.

Die Veranderung ∆M der Magnetisierung des Spins ergibt sich aus

∆M = γsN ms h = ± 12 γsN h.

Damit folgt fur das spin-gyromagnetische Verhaltnis

∆M∆s = 1

2 γs = 12

eme

.

Fur das bahn-gyromagnetische Verhaltnis γl gilt dagegen

γl = e2me

.

Damit konnen wir schreiben

γs = g γl,

wobei g = 2 fur den Spin des Elektrons ist. Mißt man g sehr genau, so stellt manfest, daß es nicht genau 2 ist, sondern

g = 2.0023193043737(82),

wobei die zwei letzten Ziffern unsicher sind. Die Ursache dieser Abweichung liegt dar-in begrundet, daß das Vakuum des Raumes nicht leer ist, sondern ein elektromagne-tisches Feld eine Schwingung ausfuhrt. Es bilden sich daher Elektron-Positron-Paare.Dieses Konzept wurde von Richard Philips Feynman (1918-1988) in der Quanten-elektrodynamik (QED) begrundet und stimmt exakt mit dem experimentell gemes-senen Wert von g uberein.Das Elektron eines Wasserstoffatoms habe den Bahndrehimpuls ~l und den Spin ~s.Diese beiden Drehimpulse addieren sich zu einem Gesamtdrehimpuls

Page 26: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

26 INHALTSVERZEICHNIS

~j = ~l + ~s.

In der Quantenmechanik sind der Bahndrehimpuls ~l und der Spin ~s genauso wieder Gesamtdrehimpuls ~j Operatoren. Um die z-Komponente jz vom Gesamtdre-himpuls ~j zu berechnen, mußen wir die z-Komponenten lz des Bahndrehimpuls ~lund sz = ± 1

2 des Spins ~s addieren:

mj = ml +12 ,

mj = ml − 12 .

Zur Gesamtdrehimpulsquantenzahl j gehoren (2 l+1) 2 = 2 l+2+2 l Zustande. Die

erste Gesamtdrehimpulsquantenzahl sei j1 = l + 12 . Zu ihr gehoren 2

(

l + 12

)

+ 1 =

2 l+ 2 Zustande. Die zweite Gesamtdrehimpulsquantenzahl sei j2 = l− 12 . Zu dieser

gehoren 2(

l − 12

)

+ 1 = 2 l Zustande. Mit diesen beiden Zahlen ist die Zahl der

Zustande erschopft. Jeder Zustand |l〉 spaltet auf in einen Zustand∣

∣l + 12

und in

einen Zustand∣

∣l − 12

.

B�

l�

s�

lm

sm

B�

j�jm

Der Zustand wird mit einem Termsymbol 2s+1lj beschrieben. Fur die Drehimpuls-quantenzahl l = 0, 1, 2, 3, 4, 5, . . . verwendet man die Buchstaben S, P, D, F, G, H, . . ..Fur die Drehimpulsquantenzahl l = 0 erhalt man den Term 2S 1

2

, fur Drehimpuls-

quantenzahl l = 1 kommt man die Terme 2P 1

2

und 2P 3

2

.

1.4.3 Experimentelle Uberprufung durch Spektroskopie am Was-

serstoffatom

Bei dem Ubergang des Wasserstoffatoms zwischen zwei Zustanden ist eine elektro-magnetische Strahlung zu beobachten, fur deren Wellenzahl

ν = Ry µme

(

1n2 − 1

m2

)

Page 27: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 27

gilt. Fur die Hauptquantenzahl n = 1 erhalt man die von Theodore Lyman (1874-1954) entdeckte UV-Serie der Absorptionslinien, fur n = 2 die von Jakob Balmer(1825-1898) beobachtete VIS-Serie, fur n = 3 die von Friedrich Paschen (1865-1947)aufgezeichnete IR-Serie. Ein Problem beim Experiment im UV-Bereich ist, daß dasStickstoffmolekule N2 und das Sauerstoffmolekul O2 gerade dort Absorption zeigen.Man benotigt also ein Spektrometer, das im Inneren ein Vakuum enthalt. Die H2-Lampe hat ebenfalls aus diesem Grunde kein Fenster. Sie wird dafur sehr intensivgepumpt. Durch eine Anordnung auf dem sogenannten Rowland-Kreis ist sicherge-stellt, daß die Spektrallinien auf dem Schirm scharf abgebildet werden.

H2-Lampe

sphärischesGitter

Rowland-Kreis

Schirm

Die Hα-Linie taucht in der Balmer-Serie mit den Hauptquantenzahlen n = 2 undm = 3 auf. Experimentell ist ihre Wellenzahl gleich

ν = 15233, 21 cm−1,

was nicht gut uberein stimmt mit dem theoretischen Wert von

ν = 15233, 00 cm−1.

Fur die Hβ-Linie mit n = 2 und m = 4 ist der experimentell ermittelte Wert gleich

ν = 20564, 77 cm−1,

was ebenfalls nicht gut uberein stimmt mit dem theoretischen Wert von

ν = 20564, 55 cm−1.

Es tritt also eine Diskrepanz zwischen experimentell gemessenen Werten und theo-retisch vorhergesagten Werten auf.

Neben dieser Verchiebung zeigen die optischen Ubergange weitere Abeichungenvon der einfachen Schrodingerschen Theorie:

1. Verschiebung der Spektrallinien

2. Aufspaltung der Ubergange in zwei bzw. drei Spektrallinien

Page 28: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

28 INHALTSVERZEICHNIS

3. Aufspaltung des Grundzustandes in zwei Komponenten

1.4.4 U

rsache fur Effekte 1 und 2 ist die sogenannte Feinstruktur, die bewirkt, daß dieAbsorptionslinien aufspalten. Unser bisheriger Fehler ist, daß wir die Energie nicht-relativistisch betrachtet haben, d.h. wir haben angenommen, daß die Energie

E = p2

2m +Epot

ist. Wir mußen aber relativistisch die Energie E schreiben als

E = c√

m20 c

2 + p2 −m0 c2 +Epot = m0 c

2√

1 + p2

m20c2

−m0 c2 +Epot,

wobei m0c2 die Ruheenergie des Elektrons darstellt. Den Wurzelterm auf der rechten

Seite konnen wir entwicklen:

1 + p2

m20c2

= 1 + 12

p2

m20c2

− 18

p4

m40c4

± . . .,

und erhalten somit als Operator ∆E der zusatzlichen Energie

∆E = − p4

8m30c2

= − ( hi)4 ∇4

8m30c2

= − h4 ∇4

8m30c2

.

Fur die zusatzliche Energie ∆E im Zustand ψn,l,m ergibt sich damit zu

∆En, l =∫

ψ∗n,l,m ∆E ψn,l,m d

3r = − h4

8m3o c

2

ψ∗n,l,m∇4 ψn,l,m d

3r.

Nach umfanglichen Rechnungen erhalten wir die zusatzliche Energie

∆En, l = −En Z2 α2

n

(

34n − 1

l+ 1

2

)

,

wobei

α = e2

4πε0 h c≈ 1

137

die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante darstellt, die die Starke der elektroma-gnetischen Kopplung charakterisiert. Fur die Gesamtenergie En, l = En + ∆En, lerhalten wir dann

En, l = −Ry Z2

n2

[

1 − α2 Z2

n

(

34n − 1

l+ 1

2

)]

.

Wir betrachten z.B. das Wasserstoffatom mit der Kernladungszahl Z = 1. Fur dieHauptquantenzahl n = 1 und die Nebenquantenzahl l = 0, d.h. fur den Grundzu-tand, ergibt sich dann eine zusatzliche relativistische Energie

Page 29: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 29

∆En=1, l=0 = Ry α2(

34 − 2

)

= −Ryα2 54 ≈ −7.30 cm−1 ∼= −9.05 · 10−4 eV.

Fur n = 2 und l = 0 bekommt man

∆En=2, l=0 = Ry4

α2

2

(

38 − 2

)

= −Ry α2 1364 ≈ −1.19 cm−1 ∼= −1.47 · 10−4 eV.

Fur n = 2 und l = 1 erhalten wir

∆En=2, l=1 = Ry4

α2

2

(

38 − 2

3

)

= −Ryα2 7192 ≈ −0.21 cm−1 ∼= −2.64 · 10−5 eV.

1.4.5 Die Spin-Bahn-Kopplung

Bei unserer Behandlung des Wasserstoffproblems fehlt bisher die Spin-Bahn-Kopplung.Wir betrachten ein Elektron, das um ein Proton eine Bahn beschreibt. Zu dem hier-bei wirkenden elektrischen Feld ~E gehort ein Magnetfeld ~Bl. Wir setzen uns nun aufdas Elektron und schauen auf den Strom Z e ν, den das Proton erzeugt. ν ist dieFrequenz des Protons. Mit diesem Strom ist ein Magnetfeld

~Bl = µ0 Z e4π r3 (~v × (−~r)) = µ0 Z e

4π r3me

~l

verbunden. Der Spin ~s des Elektrons stellt sich parallel oder antiparallel zu die-sem Magnetfeld ~Bl ein. Die Energie ∆El, s des Elektrons ist die Zeeman-Energie

∆El, s = −~µs · ~Bl ≈ 12

µ0 Z e2

4π r3m2e~s ·~l,

wobei der Lande-Faktor gs ≈ 2 des Elektrons verwendet wurde der Thomas-Faktor12 eingeht. Der Thomas-Faktor berucksichtigt die Tatsache, daß der Spins des Elek-trons eine zusatzliche Prazession erfahrt und ist nur in der relativistischen Physikverstandlich. Die Energiewerte En spalten durch die Spin-Bahn-Kopplungsenergie∆El, s in die Werte

En, l, s = En + ∆El, s ≈ En + µ0 Z e2

8π r3m2e~s ·~l

auf. Das Skalarprodukt ~s · ~l ergibt sich unter Verwendung des Gesamtdrehimpul-ses ~j = ~l + ~s als

~j2 =(

~l + ~s)2

= ~l 2 + 2~l · ~s+ ~s 2

⇔ ~s ·~l = 12

[

~j 2 −~l 2 − ~s 2]

= 12 h

2 [j(j + 1) − l(l + 1) − s(s+ 1)].

Damit schreibt sich die Energie

En, l, j = En + a2 [j(j + 1) − l(l + 1) − s(s+ 1)],

Page 30: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

30 INHALTSVERZEICHNIS

wobei

a = µ0 Z e2 h2

8π r3m2e

die sogenannte Spin-Bahn-Kopplungskonstante darstellt. Als Beispiel wollen wir unsansehen, wie die Spin-Bahn-Kopplungsenergie auf einen P -Zustand wirkt. Die Spin-Bahn-Kopplungsenergie, die bisher als ∆El, s bezeichnet war, ist gegeben durch

EP3/2= a

2

(

32

52 − 2 − 3

4

)

= a/2 bzw. EP1/2= a

2

(

12

32 − 2 − 3

4

)

= −a.

23P

21P

1l =

2a

a−

P

23j =

21j =

Wenn wir diese Spin-Bahn-Kopplungsenergie ∆El, s zu der relativistischen Ener-gie ∆En, l addieren, so ergibt sich die Gesamtenergie

En, j = −Ry Z2

n2

[

1 − α2 Z2

n

(

34n − 1

j+ 1

2

)]

.

Die Gesamtenergie En, j hangt also nicht von der Bahndrehimpulsquantenzahl l ab,sondern nur von der Hauptquantenzahl n und der Gesamtdrehimpulsquantenzahl j.

1.4.6 Die Hyperfeinstruktur

Bis jetzt wurde außer acht gelassen, daß das Proton ebenfalls einen Spin von sp = 1/2und damit ein magnetisches Moment bestitzt. Aufgrund des Massenverhaltnissesmp/me = 1836 is tdie Einheit des Momentes, das sog. Kernmagneton µKebenfallsum den Faktor1836 kleiner. In dieser Einheit ist das Kernmoment des Protons (alsg-Faktor gp = 5, 58) µp = 2, 79µK .

Zur quantitativen Behandlung betrachten wir das als punktformig angenommeneProton im Magnetfeld,das vom Elektron erzeugt wird. Aufgrund der Prazessionsbewegungvon ~s und ~l um den Gesamtdrehimpuls ~j wird das B-Feld sich ebenfalls in Richtungvon ~j ausbilden.

~Be = B0~j/j ∗ h (1.19)

Die Große von B0 muß dann aus der wellenfunktion des Elektrons berechent werden.Damit ergibt sich fur die Wechselwirkungsenergie von Kern und Elektron:

∆EHFS = −~µp · ~Be (1.20)

Page 31: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 31

Genau wie bei der Spin-Bahn-Kopplung fuhrt diese Wechselwirkung zu einer Kopp-lung von Kernspin und Elektronendrehimpuls

~F = ~j + ~sp (1.21)

vecFgehorcht wie ublich den DrehimpulsregelnF 2 = h2F (F + 1);Fz = hmF ; |sp − j| ≤ F ≤ |sp + j|

wobei mF = −F,−F + 1, . . . , F gilt.Die Hyperfeinaufsapltung der Zustande zu verscheidenen F -Werten ergibt sich

dann ebenfalls zu

∆EHFS =A

2[F (F + 1) − j(j + 1) − sp(sp + 1)] (1.22)

mit A = −gpµKB0/j die Intervallfaktor genannt wird.Speziell fur den Grundzustand des H-Atoms gibt es nur zwei mogliche Werte fur

F , da sp = 1/2 und l = 0, d.h. j = segilt. Damit ergeben sich folgende HFS-Energien:

∆E1HFS = A/4 (1.23)

∆E0HFS = −3A/4 (1.24)

Das Magnetfeld B0 laßt sich fur diesen Fall leicht berechnen als Magnetfeld einermagentisierten Kugel. (siehe Jackson) zu:

B0 =8π

3M = gssµB

3|ψn0|2 (1.25)

Mit |ψn0|2 = Z3/πa30n

3 folgt dann

AH =16µpµKµB

3a30

= 1418, 9MHz (1.26)

Der gemessene Wert betragt jedoch AH = 1420MHz. Der Unterschied ist auf dieAbweichung des Elektron g-Faktors von 2 zuruckzufuhren!

1.4.7 Effekte der Quantenelektrodynamik

Fur eine vollstandige Beschreibung des H-Atoms sind auch die Effekte zu berucksichtigen, die auf die Vakuumfluktuationen des Elektromagnetischen Feldes zuruckzufuhrensind. Kurze beschreibung. Optische Ubergange des Wasserstoffatoms

Bei den optischen Ubergangen des Wasserstoffatoms hat man es zum einem mitdem Elektron und dem Proton zu tun, zum anderem aber auch mit den Teilchendes Lichtes, d.h. den Photonen. Die Zustande der Photonen konnen wir beispielwei-se als zirkular polarisierte elektromagnetische Wellen beschreiben. Der Vektor ~k ist

Page 32: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

32 INHALTSVERZEICHNIS

der Wellenzahlvektor, der uber |~k| = 2πλ mit der Wellenlange λ in Beziehung steht.

Den elektromagnetischen Wellen ist ein Drehimpuls ~s zu eigen. Fur das links zirku-lar polarisierte Licht, das auch als σ+-Licht bezeichnet wird, gilt fur den Drehimpuls

~s = h ~k,

wobei ~k der Einheitsvektor in Richtung des Wellenzahlvektor ~k ist. Analog gilt dasGleiche fur den Drehimpuls des rechts zirkular polarisierten Lichtes, d.h. des σ−-Lichtes:

~s = −h ~k.

Linear polarisiertes Licht erhalt man durch eine Superposition von σ+- und σ+-Licht. Beim Emissionsprozeß eines Atoms wird zusatzlich zum Atom ein Photongeneriert, d.h.

Atom −→ Atom∗ + Photon.

Fur die Drehimpulse gilt die Gleichung

~lAtom = ~lAtom∗ +~lPhoton,

d.h. daß die Drehimpulsquantenzahl lAtom sich bei diesem Ein-Photonen-Ubergangum den Wert

∆l = ±1

andern darf. Eine solche Regel bezeichnet man auch als Auswahlregel. Beim Zwei-Photonen-Ubergang sieht die Gleichung fur die Drehimpulse folgendermaßen aus:

~lAtom = ~lAtom∗ +~lPhoton +~lPhoton′ .

Die Auswahlregel lautet daher fur den Zwei-Photonen-Ubergang

∆l = 0, ±2.

Die z-Komponente des Drehimpulses ~lAtom andert sich naturlich auch. Beim Ein-Photonen-Ubergang andert sich die magnetische Quantenzahl um den Wert

∆m = 0, ±1.

Fur ∆m = 0 wird linear polarisiertes Licht von dem Atom abgestrahlt, fur ∆m = +1ist das Licht links zirkular polarisiert, fur ∆m = −1 ist es dagegen rechts zirkularpolarisiert. Als letzte Große bleibt nun nur der Spin des Atoms ubrig. Der Spinwird durch den Emissionsprozeß praktisch nicht verandert, d.h. die Spinquanten-

Page 33: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 33

zahl andert sich nicht:

∆s = 0.

Eine sehr schwache Wechselwirkung des Lichts mit dem Spin des Atoms bestehtjedoch uber der Magnetfeld des elektromagnetischen Feldes. Fur praktische Mes-sungen ist jedoch diese Wechselwirkung zu vernachlassigen.

Der normale Zeeman-Effekt

Wir betrachten das Absorptionsspektrum eines Atoms im Magnetfeld ohne Spin.Diesen Effekt bezeichnet man auch als normalen Zeeman-Effekt. Der normaler Zeeman-Effekt gibt die Absorptionslinie als Triplett-Linie wieder, wobei die Intensitat derTriplett-Linie absolut gleich ist. Die Triplett-Linien liegen bei den Frequenzen ν0,ν0 − ∆ν und ν0 + ∆ν, wobei

∆ν = µBBh

die Frequenz des Zeeman-Effektes bedeutet.

0m =

2m −=

2l =1m +=2m +=

1m −=

0B =� 0m =1l =

1m +=

1m −=0B ≠

0ν 1m +=∆ 0 1−

E

Page 34: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

34 INHALTSVERZEICHNIS

I

ν0νν∆−ν0 ν∆+ν0

1m −=∆ 0 1+

�B

B ⋅µ=ν∆

Der anormale Zeeman-Effekt

Wenn wir den Spin des Atoms mit der Quantenzahl s = 12 berucksichtigen, so ge-

langen wir schließlich zum anormalen Zeeman-Effekt. Der Gesamtdrehimpuls ~j desAtoms setzt sich zusammen aus dem Bahndrehimpuls ~l und den Eigendrehimpulsoder auch Spin ~s des Elektrons, d.h. es gilt:

~j = ~l + ~s.

Die Terme des Atoms haben die Form 2s+1lj . Zum Beispiel hat der Zustand mitl = 1, s = 1

2 und j = 32 den Term 2P 3

2

. Das magnetische Dipolmoment ~µges des

Atoms ist zusammengesetzt aus den magnetischen Dipolmomenten ~µl und ~µs:

~µges = ~µl + ~µs.

Page 35: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 35

B�

j�

jz mj =

Im Vektormodell der Drehimpulse spalten fur eine gegebene Gesamtdrehimpuls-quantenzahl j das Niveau in 2j+1 Komponenten auf. Der Zusammenhang zwischender magnetischen Quantenzahl ml und der Quantenzahl ms der z-Komponente desSpin ist gegeben durch

mj = ml +ms,

wobei mj die Quantenzahl der z-Komponente des Gesamtdrehimpulses darstellt.Mit der Beziehung zwischen dem magnetischen Dipolmoment und dem Drehimpulskonnen wir die vorletzte Gleichung umformen zu

~µges = µB ~l + gs µB ~s = µB(

~l + gs ~s)

≈ µB(

~l + 2~s)

.

Auffallig ist die Tatsache, daß das gesamte magnetische Dipolmoment ~µges nichtmehr parallel zum Gesamtdrehimpuls ~j, sondern gekippt angeordnet ist. In einemaußeren magnetischen Feld ~B mißt man eine Energieanderung

∆Emj = −〈~µges〉 · ~B,

wobei 〈~µges〉 der Erwartungswert des magnetischen Dipolmomentes ist. Im Vek-

tormodell prazediert der Gesamtdrehimpuls ~j um das Magnetfeld ~B. Der Bahn-drehimpuls ~l und der Eigendrehimpuls oder Spin ~s prazedieren ihrerseits um denGesamtdrehimpuls ~j. Dieses Verhalten ist in der folgende Darstellung gezeigt.

Page 36: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

36 INHALTSVERZEICHNIS

J�

L�

S�

B�

Sµ�Lµ

Jµ�

( )JJµ�

Haben wir starke Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Elektronen vorlie-gen, so sprechen wir von der ~L, ~S-Kopplung. Dies ist bei leichter Atomen der Fall.Bei schwacher Wechselwirkung stellt sich jedoch die ~j,~j-Kopplung ein. Diese ~j,~j-Kopplung ist bei schweren Atomen vorhanden.

1.4.8 Der Spin als Drehimpuls

In der Quantenmechanik ergeben sich die Eigenschaften des Dreimpulses aus denVertauschungsrelationen der drei Drehimpulskomponenten lx, ly, lz. Diese konnenleicht aus denen zwischen Ort und Impuls

[px, x]− = −ih (1.27)

abgeleitet werden. mit

lz = xpy − ypx

und

[lz, x] = lzx−xlz = (xpy−ypx)x−x((xpy−ypx) = xpyx−ypxx−x2py+xypx = y(xpx−pxx) = ihy

folgt als allgemeine Regel

~l ×~l = ih~l =

~ex ~ex ~ezlx ly lzlx ly lz

(1.28)

Da zu jedem Drehimpuls l 2l + 1 Zustande gehoren, muß der Spin mit zwei Zu-staanden zu einer Drehimpulsquantenzahl s = 1/2 gehoren. Die beiden Zustande

Page 37: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.4. DER ZEEMAN-EFFEKT 37

konnen mit der z-Komponente von ~s charakterisiert werden: ms = +1/2 und ms =−1/2.

Ganz allgemein laßt sich nun jeder Spinzustand als Linearkombination von die-sen zwei Basiszustanden beschreiben (Superpositionsprinzip). Daher bilden die Spin-zustande einen zweidimensionalen komplexen Vektorraum C 2 und jeder Spinzustandist demzufolge ein zweidimensionaler Spaltenvektor

(

αβ

)

wobei |α|2 bzw. |β|2 die Wahrscheinlichkeit angeben, den Spin im Zustand mit ms =+1/2 bzw. ms = −1/2 zu finden.

Die den physikalischen Observablen zugeordneten Operatoren, also der Drehim-puls oder das magnetische Dipolmoment sind nun einfach 2 × 2 Matrizen. Auchdiese bilden wieder einen Vektorraum, diesmal C 4. Als Basiselemente dieses 4-dimensionalen VR konnen wir die folgenden Matrizen wahlen:

1 =

(

1 00 1

)

(1.29)

σz =

(

1 00 −1

)

(1.30)

σx =

(

0 11 0

)

(1.31)

σz =

(

0 −ii 0

)

(1.32)

Die drei Matrizen σx, σy, σz heißen Pauli-Matrizen, da sie zum ersten Mal von Wolf-gang Pauli in die Physik eingefuhrt wurden. Wir konnen aus ihnen formal einenVektor definieren:

~σ = ~exσx + ~eyσy + ~ezσz (1.33)

Die Paulimatrizen erfullen, wie man leicht nachrechnet, die Vertauschungsrelationen:

[σx, σy] = 2iσz [σy, σz] = 2iσx [σz, σx] = 2iσy (1.34)

Dies entspricht genau denen des Drehimpulses (bzw. des Spins) wenn wir definieren:

~s =h

2~σ (1.35)

Die gesamte Wellenfunktion eines Elektrons besteht nun einfach darin, daß wirfur jede Spinkomponente eine Orts-Wellenfunktion anzugeben haben:

Φ(~r, s) =

(

φ+

φ−

)

wobei |φ±|2 die Wahrscheinlichkeitsdichte angibt, eine Elektron mit Spin +1/2oder −1/2 am Ort ~r zu finden.

Page 38: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

38 INHALTSVERZEICHNIS

Enthalt der Hamiltonoperator keinen Term, der von Orts- und Spinkoordina-ten abhangt, so entkoppeln die SPin- und Bahnanteile der Wellenfunktion und wirkonnen schreiben:

Φ(~r, s) = φ(~r)

(

αβ

)

= φ(~r)χ(s)

1.5 Das Aufbauprinzip

1.5.1 Schalenmodell und Periodensystem

Im folgenden wollen wir diskutieren, wie man auf einfache Weise, gewissermaßenzwanglos, aus den Eigenfunktionen des H-Atoms den elektronischen Aufbau derAtome mit mehereren Elektronen (Aufbaupinzip) und damit ein erstes Verstandnisfur das Periodische System der Elemente bekommt. Im Prinzip brauchen wir dazunaturlich die Wellenfunktion

Φ (~r1, ~r2, . . . , ~rZ)

und die Energie-Werte E des N-Elektronensystems mit Kern (Ladung Z), die sichals Losung der Vielteilchen-Schrodinger-Gleichung

HΦ = EΦ (1.36)

mit dem Hamilton-Operator

H =Z∑

i=1

(

~p2i

2me− Z e2

4πε0 |~ri|

)

+Z∑

i=1

j>i

e2

4πε0 |~ri − ~rj |(1.37)

der in erster Naherung das System beschreibt (es fehlen die Effekte der Spin-Bahn-Kopplung und sonstige relativistische Effekte).

Wenn wir den Elektron-Elektron-Wechselwirkungsterm aus dem Hamilton-Operatorsfortlassen, so ergibt sich die Wellenfunktion Φ (~r1, ~r2, . . . , ~rZ) sehr einfach als

Φ (~r1, ~r2, . . . , ~rZ) = ϕ1 (~r1) · ϕ2 (~r2) · . . . · ϕZ (~rZ)

. aufgrund der Separierbarkeit der Differentialgleichung. Die Wellenfunktionen φi (~ri)sind Eigenfunktionen des Einteilchen-Hamilton-Operators

Hi =~p2i

2me− Z e2

4πε0 |~ri|

eines wasserstoffahnlichen Atoms. Wir brauchen nur der Ort ~r durch Z ~r zu erset-zen. In diesem Falle sind die Losungen ϕn, l,m wohl bekannt. Die Zahlen n, l, msind die Haupt-, Drehimpuls- und magnetische Quantenzahl. Die Spinquantenzahl sfehlt hier komplett, weil das Auftauchen des Spins erst in der relativitischen Physikbegreifbar wird. Diese kann aber dadurch berucksichtigt werden, daß jeder Bahnzu-stand zweifach entartet ist.

Page 39: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.5. DAS AUFBAUPRINZIP 39

Die Energien jedes einzelnen Elektrons ist dann durch die Hauptquantenzahl desZustandes gegeben:

En = −Z2

n2Ry

, Die Gesamtenergie des Atoms ist dann einfach die Summe aller Einelektronenener-gien. Die Angabe der besetzten Zustande wird als Elektronenkonfiguration bezeich-net.

Gehen wir vom Wasserstoff zu Atomen mit mehreren Elektronen, so wurdennach dem Prinzip der kleinsten Energie des Gesamtelektronensystems (dieser Zu-stand wird ja im thermodynamischen Gleichgewicht angenommen) alle Elektronenim tiefsten 1s Zustand sein. Die Gesamtenergie ware dann −Z ∗ Z2Ry und um einElektron vom Atom abzulosen (Ionisierungsenergie) ware eine Energie von −Z2Ryerforderlich. Fur Na mit Z = 11 waren das 121Ry. Tatsachlich findet man eineIonisierungsenergie von etwa 5 eV, also wesentlich weniger. Dasselble gilt fur alleAtome. An dieser Form des Aufbau-Prinzips muß also etwas falsch sein. Wolfgang

Pauli hat als erster erkannt, daß man postulieren muß, daß die Elektronen im Atomnicht alle den gleichen Zustand einnehmen konnen, sondern nur ein Elektroneinen Zustand (Pauli-Prinzip). Aufgrund des Spins kann daher jeder Bahnzustandmaximal zwei Elektronen aufnehmen.

Heute wissen wir, das das Pauli-Prinzip fur alle Teilchen mit halbzahligem Spingilt. Diese werden auch Fermionen genannt, weil durch dieses Besetzungsprinzip ei-ne bestimmte Art der Statistik entsteht (Fermi-Dirac Statistik). Es soll angemerktwerden, das sich das Pauli-Prinzip aus der Quantenfeldtheorie und fundamentalenSymmetrie-Prinzipien ableiten laßt (Spin-Statistik-Theorem). Im Gegensatz zu denTeilchen mit halbzahligem Spin gehorchen die Teilchen mit ganzzahligem Spin wiedie Photonen einem anderen Prinzip, weil hier beliebig viele Teilchen einen Zustandbesetzen konnen. Diese Teilchen werden Bosonen (nach dem indischen Physiker Bo-se) genannt.

Damit konnen wir den Aufbau der Atome wie folgt verstehen:

Probleme:1. Wie ordnen sich die Spins in teilweise besetzten Schalen ? Es gilt die HundscheRegel der maximale Spinmultiplizitat.2. Besetztung der 3d-Elektronen, Energien nach Wasserstoff-Modell ergeben falscheReihenfolge im Periodensystem!3. Ionisierungsenergien: Fur Na: nur 3s Elektron: E3s = −112Ry/9 = −183eVtatsachlich 5 eV!

Page 40: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

40 INHALTSVERZEICHNIS

Z Name 1s 2s 2p 3s 3p 3d 4s

1 H ↑2 He ↑↓3 Li ↑↓ ↑4 Be ↑↓ ↑↓5 B ↑↓ ↑↓ ↑6 C ↑↓ ↑↓ ↑↑7 N ↑↓ ↑↓ ↑↑↑8 O ↑↓ ↑↓ ↑↓↑↑9 F ↑↓ ↑↓ ↑↓↑↓↑

10 Ne ↑↓ ↑↓ ↑↓↑↓↑↓11 Na ↑↓ ↑↓ ↑↓↑↓↑↓ ↑12 Mg ↑↓ ↑↓ ↑↓↑↓↑↓ ↑↓18 A ↑↓ ↑↓ ↑↓↑↓↑↓ ↑↓ ↑↓↑↓↑↓19 K ↑↓ ↑↓ ↑↓↑↓↑↓ ↑↓ ↑↓↑↓↑↓ ↑ ?

1.5.2 Abschirmung

Die Ursache fur diese Schwierigkeiten liegen darin begrundet, daß wir die die Wech-selwirkung der Elektronen untereinander vernachlassigt haben. Diese wollen wir indiesem Abschnitt mit einem einfachen Modell behandeln, das uns zu dem wichtigenKonzept der Abschirmung fuhrt.

Dazu betrachten wir als Beispiel das Na-Atom. Das außerste 3s Elektron bewgtsich im Feld des Kerns und dem der anderen Elektronen. Diese besetzten eine ab-seschlossene Schale. Generell nennt man eine Elektronenkonfiguration, bei der alleZustande zu gleichen n und l besetzt sind, eine abgeschlossene Unterschale, wennalle Zustande zu gleichem n besetzt sind, so spricht man von einer abgeschlossenenHauptschale.

Die Ladungsdichte %k(~r) jedes Elektrons ist durch

%k(~r) = −e |ϕk(~r)|2

gegeben. Es gilt nun:Die gesamte Ladungsdichte einer abgeschlossenen Unterschale ist kugelsymmetrisch

Wir betrachten als Bespiel die Schale zu l = 1, d.h. die px-, py- und pz-Wellenfunktionendes wasserstoffahnlichen Atoms. Die Wellenfunktionen sind

px ∝ sinϑ cosϕ,py ∝ sinϑ sinϕ,py ∝ cosϑ.

Das Betragsquadrat dieser Wellenfunktionen lautet demnach

|px|2 + |py|2 + |pz|2 ∝ sin2 ϑ(cos2 ϕ+ sin2 ϕ) + cos2 ϑ = 1.

Page 41: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.5. DAS AUFBAUPRINZIP 41

x

y

z

2

xp

2

yp

2

zp

Die Ladungsverteilung hangt danach nicht von den Winkeln ϑ und ϕ ab, d.h. die La-dungsverteilung ist kugelsymmetrisch. Dies gilt nicht nur fur Ladungsverteilung derp-Schale, sondern auch fur die Ladungsverteilungen aller abgeschlossenen Schalen.

Die Elektronen erfahren nun in der Ladungsverteilung die von den anderen Elek-tronen erzeugt wird , eine abstoßende Kraft. Die Elektrostatik zeigt, daß hierdurcheine Abstoßungsenergie der Elektronen vorhanden ist. Eine darin enthaltene Testla-dung q erfahrt eine potentielle Energie

Upot(~r) = − q4πε0

Z∑

k=1

∫ %k(~r′)|~r′−~r| d

3r′.

Im Fall einer kugelsymmetrische Ladungsverteilung konnen wir die aus der Elek-trostatik bekannte Regel anwenden: Die potentielle Energie Upot(r) der Testladungam Ort ~rist nur durch die Gesamtladung Q(r) innerhalb einer Kugel mit Radius rbestimmt.Upot(r) = Q(r)·q

4πε0 r,

Dies bedeutet, daß sich die Wirkung der Abstossung der Elektronen als Abschir-mung der Kernladung außert, da das zentrale Coulomb-Potential um die LadungQ(r) vermindert wird. Mit dieser sogenannten Abschirmladung Q(r) laßt sich dieeffektive Gesamtladungszahl Zeff schreiben als

Zeff(r) = Z − ZS(r),

wobei ZS(r) = Q(r)/e0 die Abschirmladungszahl ist. Diese hangt also vom Ab-

Page 42: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

42 INHALTSVERZEICHNIS

stand des Elektrons vom Kern ab.

eZ

−e

q r�

r ′�

r'r��

In erster Naherung konnen wir dies durch die Annahme verschiedener Abschirmla-dungen fur die Elektronen auf den einzelnen Schalen berucksichtigen. Dazu ordnenwir den außeren Elektronen eine Abschirmladungszahl ∆ZS = 0 zuordnen, den in-neren Elektronen jedoch eine Abschirmladungszahl ∆ZS = 1. Als Beispiel nehmenwir uns das Natrium-Atom vor, das mit Z = 11 Elektronen und entsprechendenProtonen vorliegt. Diese 11 Elektronen werden auf die Schalen des Atoms gemaß

1s2, 2s2, 2p6, 2s1

verteilt Diese Verteilung des Elektronen entspricht den Abschirmladungszahlen

Zeff = 11, 9, 7, 1.

Man sieht, daß die inneren Elektronen noch starker und damit dichter vom Atomkernangezogen werden. Es folgt daraus sofort, daß die Schalenstruktur der Elektronensich durch die Abschirmung deutlich stabilisiert.

Allerdings ist diese Annahme fur die Abschirmladungen noch zu grob. Fur dasNatrium-Atom ist die Energie E(Na) fur eine einfache Ionisierung experimentellgleich E(Na) = −5.1 eV. Der theoretische Ansatz liefert dagegen eine Energie

E(Na) = − 132Ry = −1

913.59 = −1.51 eV.

Offenbar schirmen die Elektronen auf inneren Schalen die kernladung nicht vollstandigab! Wir mussen insbesonder die nachsttiefere Schale berucksichtigen. Als guter Wertfur die Abschirmladungszahl pro Elektron hat sich ∆ZS = 0.85 herausgestellt. Dar-aus folgt fur Zeff(3s1) = 11 − 2 − 2 − 6 · 0.85 = 1.9.

Fur die einfache Ionisierungsenergie E(3s1) des Na-Atoms ergibt hieraus

Page 43: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.5. DAS AUFBAUPRINZIP 43

E(3s1) = −Zeff(3s1)2

32Ry = −1.92

913.59 eV = −5.4 eV

Ein weiteres Beispiel stellt das Helium-Atom dar. Das He-Atom hat die La-dungszahl Z = 2 und damit den Grundzustand 1s2. Zwei Elektronen befinden sichin diesem energetisch tiefsten Zustand. Der Energieeigenwert En berechnet sich nach

En = −Z2

n2Ry,

wobei n die Hauptquantenzahl darstellt und Ry = 13.59 eV die Rydberg-Energieist. Im Experiment zerlegt man das He-Atom in ein zweifach ionisiertes Atom He2+

und zwei Elektronen e−:

He −→ He2+ + 2 e−.

Die dafur theoretisch notige Energie E(He) ergibt sich fur n = 1 zu

E(He) = −2 · 4 · Ry = −8 · 13.59 eV = −108.72 eV.

Experimentell findet man aber die zweifache Ionisierungsenergie des He-Atoms als

E(He) = −78.98 eV.

Offenbar schirmen auch Elektronen auf der gleichen Schale die Kernladung ab. Da-durch mussen wir die Kernladungszahl Z um die Abschirmladungszahl ZS zur ef-fektiven Ladungszahl Zeff verringern, um die effektive Energie

Eeff = −Z2eff

n2 Ry = − (Z−ZS)2

n2 Ry

zu erhalten.Wir bestimmen dann ZS so, daß gerade die zweifache Ionisierungsenergiedes He herauskommt. Fur die Elektronen in dem Zustand mit der Hauptquantenzahln = 1 ist die Abschirmladungszahl ∆ZS = 0.3. Wir erhalten damit die Energie

E(He) = −2 (2 − 0.3)2Ry = −5.78 · 13.59 eV = −78.55 eV,

was gut mit dem experimentellen Wert ubereinstimmt. Fur die Hauptquantzenzahln = 2, 3, 4, . . . betragt die Abschirmladungszahl ∆ZS = 0.35 fur ein Elektron. MitN Elektronen auf einer Schale ergibt sich ZS = (N − 1)∆ZS .

Diese Abschirmregeln, namlich fur Elektronen im gleichen Zustand

∆ZS = 0.3 fur n = 1 bzw. ∆ZS = 0.35 fur n ≥ 2

und fur Elektronen in der nachsttieferen Schale

∆ZS = 0.85,

Page 44: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

44 INHALTSVERZEICHNIS

sind die bekannten Slaterschen Abschirmregeln.

Am Na-Atom wollen wir jetzt sehen, daß auch die so erhaltenen effektiven La-dungszahlen Zeff die schalenstrujtur der Atomhulle stabilisieren:

Zeff(1s2) = 11 − 2 · 0.3 = 10.4,Zeff(2s2) = 11 − 2 · 0.85 − 2 · 0.35 = 8.6,Zeff(2p6) = 11 − 2 − 2 · 0.85 − 6 · 0.35 = 5.2,Zeff(3s1) = 11 − 2 − 2 − 6 · 0.85 = 1.9.

Die inneren Schalen verspuren also nach wie vor eine hoehe Kernladung, die nach au-ßen hin stark abnimmt, so daß die Elektronen in der außersten Schale nur noch lockergebunden sind. Diese Leuchtelektronen bestimmen dann die optischen Ubergangeund die chemischen Wechselwirkungen der Atome.

1.6 Die Alkali-Metalle

Wir haben in der bisherigen Beschreibung der Alkali-Atome den Eigendrehimpulsoder Spin und das Pauli-Prinzip ausgelassen. Um diese Dinge werden wir uns nunkummern.

Die Alkali-Atomen bestehen aus einem Edelgasrumpf und einem weiteren Elek-tron in einem ns-Zustand. Die Ladungsverteilung dieser Anordnung der Elektronenist kugelsymmetrisch. Die potentielle Energie Upot(r) ist zusammengesetzt zum einenvon der Coulomb-Energie und zum anderen von der Energie der Elektronen:

Upot(r) = − Z e2

4πε0 r+ Q(r) e2

4πε0 r.

)r(Upot

r

r

1)r(Upot ∝

r

Z)r(Upot ∝

r

)r(Z)r(U eff

pot ∝

Page 45: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.7. DER ELEKTRONENSPIN 45

Anstatt mit der effektifen Kernladung Zeff lassen sich die Energien der angerg-ten Zusande viel besser durch den Quntendefekt beschreiben. Will man die EnergieEn, l eines Elektrons des Alkali-Atoms in Annaherung zur Energie En = −Ry/n2

des Elektrons vom Wasserstoffatom darstellen, so schreibt man

En, l = − Ry∗

(n−δn, l)2 ,

wobei

Ry∗ = µme

Ry ≡ MXMX+me

Ry

die modifizierte Rydberg-Energie ist, µ die reduzierte Masse aus der Masse MX

des Alkali-Atomkerns und der Masse me des Elektrons wiedergibt und δn, l denQuantendefekt darstellt.

Term n = 3 n = 4 n = 5

s : l = 0 1,373 1,357 1,352

p : l = 1 0,883 0,867 0,862

d : l = 2 0.010 0.011 0.013

1.7 Der Elektronenspin

1.7.1 Eigenschaften des Spins

Bei den Ein-Elektronen-Zustanden haben wir neben dem Bahndrehimpuls einen wei-teren Eigendrehimpuls vorliegen, namlich den Spins. In der Dirac-Theorie wird derSpins des Elektrons zwar sehr schon beschrieben, die Dirac-Theorie ist aber fur die-se Mitschrift zu umfangreich. Wir beschranken uns daher darauf, den Spin in diebisherige Theorie einzubetten. In dieser Naherung ist der Spin ~s = (sx, sy, sz) einequantenmechanische Observable, die auf eine Wellenfunktion ψ wirkt. Es stellt sichnun Frage, wie diese Wellenfunktion ψ aussieht. Vom Spin her gibt es fur das Elek-tron zwei verschiedene Moglichkeiten, sich einzuordnen, namlich die Quantenzahlder z-Komponente des Spins gleich ms = 1

2 oder gleich ms = −12 zu setzen. Einen

beliebigen Zustand des Spins des Elektrons konnen wir daraus mit zwei Zahlen αund β aus der Menge komplexer Zahl erzeugen. Die Summe der Betrage dieser Zah-len α und β muß 1 ergeben:

|α|2 + |β|2 = 1.

Wenn wir diese zwei Zahlen α und β zu einem Vektor χ zusammenfassen, so ge-langen wir zu der Spinwellenfunktion

χ =

(

αβ

)

.

Setzen wir die Spinwellenfunktion χ gleich χ =

(

10

)

, so ergibt sich der erste Basis-

zustand, entsprechend ms = 12 . Setzt man dagegen die Spinwellenfunktion χ gleich

Page 46: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

46 INHALTSVERZEICHNIS

χ =

(

01

)

, so gelangt man zum zweiten Basiszustand, entsprechend ms = −12 . Die

Spinoperatoren mussen also 2 × 2-Matrizen sein. Fur die z-Komponente des Spinsangewandt auf die beiden Basiszustande ergibt sich

sz

(

10

)

= 12 h

(

10

)

und sz

(

01

)

= −12 h

(

01

)

.

Daraus folgt fur den z-Spin-Operator augenblicklich

sz = 12 h

(

1 00 −1

)

.

Fur den sx- und sy-Spin-Operator folgt vollig analog

sx = 12 h

(

0 11 0

)

und sy = 12 h

(

0 −ii 0

)

.

Den Operator s2 des Betragsquadrates des Spins erhalt man daraus als

s2 = s2x + s2y + s2z

= 14 h

2

((

0 11 0

)∗ (0 11 0

)

+

(

0 −ii 0

)∗ (0 −ii 0

)

+

(

1 00 −1

)∗ (1 00 −1

))

= 34 h

2

(

1 00 1

)

.

Es gibt also Ortszustande ϕ(~r) und Spinzustande χ(~s) des Elektrons, die man alsTensorprodukt

ψ(~r, ~s) = ϕ(~r) · χ(~s)

aufschreiben kann. Dieses Tensorprodukt verknupft die zwei Vektoren ϕ(~r) und χ(~s)aus zwei unterschiedlichen Vektorraumen. Fur diese Vektorraume mussen wir reinformal Rechenregeln angeben. Orts- und Spinoperatoren sind von einander volligunabhangig, d.h. der Ortsoperator wirkt nicht auf den Spinoperator und der Spin-operator wirkt nicht auf den Ortsoperator:

~r ψ(~r, ~s) = ~r (ϕ(~r) · χ(~s)) =(

~r ϕ(~r))

· χ(~s),

~s ψ(~r, ~s) = ~s (ϕ(~r) · χ(~s)) = ϕ(~r) ·(

~s χ(~s))

.

Naturlich gibt es in diesen Vektorraumen ein Skalarprodukt. Fur das Skalarpro-dukt im Ortsvektorraum gilt dabei

〈ϕ1(~r)|ϕ2(~r)〉 =∫

ϕ∗1(~r)ϕ2(~r) d

3r.

Im Spinvektorraum nehmen wir zwei Vektoren χ1 =

(

α1

β1

)

und χ2 =

(

α2

β2

)

Page 47: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.7. DER ELEKTRONENSPIN 47

heran und bilden mit diesen beiden Vektoren das Skalarprodukt

〈χ1|χ2〉 =(

α∗1 β∗1

)

(

α2

β2

)

= α∗1 α2 + β∗1 β2 ≡ ∑

ms

χ∗1 χ2,

wobei bei der im letzten Term auftretende Summe uber alle moglichen Spins zusummieren ist. Damit erhalten wir als gesamtes Skalarprodukt

〈ψ1|ψ2〉 =∫

ϕ∗1(~r)ϕ2(~r) d

3r ·∑ms

χ∗1 χ2.

eZ

1

2

1r�

2r�

)r( 1a

ϕ

)r( 2b

ϕ

1.7.2 Mehrere Elektronen

Wir betrachten ein Atom mit zwei Elektronen, die sich in den Zustanden mit denWellenfunktionen ϕa(~r1) und ϕb(~r2) aufhalten. Die Gesamtwellenfunktion ψ(~r1, ~r2)ist dann

ψ(~r1, ~r2) = ϕa(~r1) · ϕb(~r2).

In der Quantenmechanik ist jedoch der Ort ~r und der Impuls ~p beider Elektronenunscharf, was zur Folge hat, daß die Elektronen vom Prinzip her ununterscheidbarsind. Eine andere Moglichkeit, die Zustande der Elektronen zu besetzen, ist alsodurch Vertauschung der beiden Elektronen gegeben

ψ′(~r1, ~r2) = ϕa(~r2) · ϕb(~r1).

Die physikalischen Großen, die nun meßbar sind, stellen die Betragsquadrate

|ψ(~r1, ~r2)|2 = |ψ′(~r1, ~r2)|2

Page 48: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

48 INHALTSVERZEICHNIS

der Wellenfunktionen dar. Die Wellenfunktionen ψ(~r1, ~r2) und ψ′(~r1, ~r2) durfen sichdaher nur um den Faktor eiϕ unterscheiden, ohne daß sich ihr Betragsquadrat andert:

ψ′(~r1, ~r2) = eiϕψ(~r1, ~r2)Fuhrt man die Vertauschung an der Funktion ψ ′(~r1, ~r2) aus, so erhalt man wiederdie ursprungliche Funktion ψ(~r1, ~r2) zuruck:⇒ ψ′′(~r1, ~r2) = eiϕψ′(~r1, ~r2) = eiϕeiϕψ(~r1, ~r2) = e2iϕψ(~r1, ~r2) = ψ(~r1, ~r2).

Daraus folgt, daß ϕ nur die werte ϕ = 0 oder ϕ = π annehmen kann.

Es gilt daher die allgemeine Regel, daß eine Mehrteilchenwellenfunktion beimVertauschen zweier Teilchen entweder in sich ubergeht (symmetrisches Verhalten)oder ihr Vorzeichen wechselt (antisymmetrisches Verhalten). Wir zeigen weiter un-ten, daß letzteres gerade fur Fermionen zutrifft.

Man sieht sofort, daß die Beschreibung der Zustande der Elektronen mit einemProduktansatz diese Symemtrie i. allg. nicht besitzt. Vielmehr zeigt gerade eineLinearkombination bzw. Anitlinearkombination der Wellenfunktionen ψ(~r1, ~r2) undψ′(~r1, ~r2) dieses Verhalten. Im ersten Fall erhalt man eine symmetrische Wellenfunk-tion ψs(~r1, ~r2) beim Vertauschen der beiden Elektronen:

ψ′(~r1, ~r2) = ψ(~r1, ~r2) ⇒ ψs(~r1, ~r2) = 1√2

[ϕa(~r1)ϕb(~r2) + ϕb(~r1)ϕa(~r2)].

Im zweiten Fall erhalt man eine asymmetrische Wellenfunktion ψas(~r1, ~r2) beimVertauschen der beiden Elektronen:

ψ′(~r1, ~r2) = −ψ(~r1, ~r2) ⇒ ψas(~r1, ~r2) = 1√2[ϕa(~r1)ϕb(~r2) − ϕb(~r1)ϕa(~r2)].

Die antisymmetrische Wellenfunktion ψas(~r1, ~r2) ist gleich Null, wenn der Zustanda gleich dem Zustand b ist:

a = b⇔ ψas(~r1, ~r2) = ~r1√2

[ϕa(~r1)ϕa(~r2) − ϕa(~r1)ϕa(~r2)] = 0,

d.h. der Zustand ist nicht existent. Diese Aussage entspricht offensichtlich dem Pauli-Prinzip (Wolfgang Pauli, 1900-1958).

Wir wollen nun die Spinzustande der Elektronen explizit betrachten. Jedes derbeiden Elektronen besitzt einen eigenem Spinraum mit den Spinfunktionen

χ1(1) =

(

α1

β1

)

fur das erste Elektron und

χ2(2) =

(

α2

β2

)

fur das zweite Elektron. Aus diesen beiden Spinfunktionen χ1(1) und χ2(2) bil-det man die Gesamtspinfunktion

Page 49: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.7. DER ELEKTRONENSPIN 49

χ(1, 2) = χ1(1) · χ2(2).

Fur die Spinfunktion χ1(1) bzw. χ2(2) konnen wir entweder

χ+ ≡(

10

)

mit der Quantenzahl ms = +12 oder aber

χ− ≡(

01

)

einsetzen, was der Quantenzahl ms = −12 entspricht. Wir konnen nun aus den zwei

moglichen Spinfunktionen χ+ und χ− mit den zwei Elektronen insgesamt zwei malzwei gleich vier Kombinationen von Spinfunktionen bilden, namlich χ+(1), χ+(2),χ−(1) und χ−(2). Aus diesen Spinfunktionen entstehen die Gesamtspinfunktionen|S,mS〉 mit den Quantenzahlen S und mS gemaß

|1,+1〉 = χ+(1) · χ+(2),|1,−1〉 = χ−(1) · χ−(2),|1, 0〉 = 1√

2[χ+(1) · χ−(2) + χ+(2) · χ−(1)],

|0, 0〉 = 1√2

[χ+(1) · χ−(2) − χ+(2) · χ−(1)].

Die drei ersten Gesamtspinfunktionen sind symmetrisch gegen das Vertauschen derbeiden Elektronen, die letzte Gesamtspinfunktion ist dagegen antisymmetrisch. DerGesamtspin ~S ergibt sich aus den beiden Spins ~s1 und ~s2 der beiden Elektronendurch Addition

~S = ~s1 + ~s2,

seine z-Komponente Sz durch Addition der z-Komponenten sz1 und sz2:

Sz = sz1 + sz2.

Wenden wir diesen z-Spin-Operator Sz zum Beispiel auf die Gesamtspinfunktion|1,+1〉 an, so erhalten wir

Sz |1,+1〉= (sz1 + sz2) · (χ+(1) · χ+(2)) = sz1 · χ+(1) · χ+(2) + sz2 · χ+(1) · χ+(2)= h

2 · χ+(1) · χ+(2) + h2 · χ+(1) · χ+(2) = h · χ+(1) · χ+(2)

= +h |1,+1〉.

Bei der Gesamtspinfunktion Sz |1,−1〉 ergibt sich analog

Sz |1,−1〉= (sz1 + sz2) · (χ−(1) · χ−(2)) = sz1 · χ−(1) · χ−(2) + sz2 · χ−(1) · χ−(2)= − h

2 · χ−(1) · χ−(2) − h2 · χ−(1) · χ−(2) = −h · χ−(1) · χ−(2)

Page 50: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

50 INHALTSVERZEICHNIS

= −h |1,−1〉.

Fur die Gesamtspinfunktion |1, 0〉 erhalt man

Sz |1, 0〉= (sz1 + sz2) · 1√

2[χ+(1) · χ−(2) + χ+(2) · χ−(1)]

= 1√2[sz1 · χ+(1) · χ−(2) + sz1 · χ+(2) · χ−(1) + sz2 · χ+(1) · χ−(2) + sz2 · χ+(2) · χ−(1)]

= 1√2

[

h2 · χ+(1) · χ−(2) − h

2 · χ+(2) · χ−(1) − h2 · χ+(1) · χ−(2) + h

2 · χ+(2) · χ−(1)]

= 0 h |1, 0〉.

Fur die Gesamtspinfunktion |0, 0〉 bekommt man schließlich

Sz |0, 0〉= (sz1 + sz2) · 1√

2[χ+(1) · χ−(2) − χ+(2) · χ−(1)]

= 1√2[sz1 · χ+(1) · χ−(2) − sz1 · χ+(2) · χ−(1) + sz2 · χ+(1) · χ−(2) − sz2 · χ+(2) · χ−(1)]

= 1√2

[

h2 · χ+(1) · χ−(2) + h

2 · χ+(2) · χ−(1) − h2 · χ+(1) · χ−(2) − h

2 · χ+(2) · χ−(1)]

= 0 h |0, 0〉.

Fur die Gesamtwellenfunktion des Helium-Atoms mussen wir nun die Spinfunktionenso mit Orstfunktionen kombinieren, das gerade eine antisymmetrische Gesamtfunk-tion rresultiert. Dazu gibt es zwei moglichkeiten, namlichψs|1, 0〉 und ψas{|1,+1〉, |1, 0〉, |1,−1〉}.

Die symmetrische Spingfunktion muß also mit einer antisymmetrischen Ortsfunk-tion kombiniert werden!

Wir wollen nun das Helium-Atom im angeregten Zustand der zwei Elektronen be-schreiben. Im Grundzustand sind die beiden Elektronen des Helium-Atoms in einemBahnzustand mit den Quantzenzahlen n1 = 1, l1 = 0, m1 = 0 und n2 = 1, l2 = 0,m2 = 0 und in einem Spinzustand mit der Quantenzahl S = 0, d.h. im Singulett-Zustand. Die Gesamt-Spin-Bahn-Wellenfunktion im Grundzustand konnen wir alsoaufschreiben als

ψsn1=1,l1=0,m1=0,n2=1,l2=0,m2=0 · |0, 0〉= ϕn1=1,l1=0,m1=0(1) · ϕn2=1,l2=0,m2=0(2) · |0, 0〉= 1s(1) · 1s(2) · 1√

2[χ+(1) · χ−(2) − χ+(2) · χ−(1)].

Im angeregten Zustand des Helium-Atoms befindet sich ein Elektron im Bahngrund-zustand mit den Quantenzahlen n1 = 1, l1 = 0, m1 = 0. Das zweite Elektron be-findet sich in einem anderen Bahnzustand mit beliebigen Quantenzahlen n2 ≥ 2, l2,m2. Die Gesamt-Spin-Bahn-Wellenfunktion konnen wir daher entweder schreiben als

ψsn1=1,l1=0,m1=0,n2,l2,m2· |0, 0〉

= 1√2[ϕn1=1,l1=0,m1=0(1) · ϕn2,l2,m2

(2) + ϕn1=1,l1=0,m1=0(2) · ϕn2,l2,m2(1)] · |0, 0〉

= 1√2[1s(1) · ϕn2,l2,m2

(2) + 1s(2) · ϕn2,l2,m2(1)] · 1√

2[χ+(1) · χ−(2) − χ+(2) · χ−(1)]

Page 51: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.7. DER ELEKTRONENSPIN 51

oder aber als

ψasn1=1,l1=0,m1=0,n2,l2,m2· {|1,+1〉, |1, 0〉, |1,−1〉}

= 1√2

[ϕn1=1,l1=0,m1=0(1) · ϕn2,l2,m2(2) − ϕn1=1,l1=0,m1=0(2) · ϕn2,l2,m2

(1)]·{|1,+1〉, |1, 0〉, |1,−1〉}= 1√

2[1s(1) · ϕn2,l2,m2

(2) − 1s(2) · ϕn2,l2,m2(1)] ·

·{χ+(1) · χ+(2), 1√2

[χ+(1) · χ−(2) + χ+(2) · χ−(1)] , χ−(1) · χ−(2)}.

Man beachte dabei, daß die Gesamt-Bahn-Spin-Wellenfunktionen antisymmetrischsind, wie es das Pauli-Prinzip fordert. Die erst genannte Wellenfunktionen bezeichnetman als Singulett-Funktionen, da sie nur einfach auftreten. Die zuletzt genanntenWellenfunktionen bezeichnet man dagegen als Triplett-Funktionen, da sie bei derSpektroskopie im Magnetfeld in drei Komponenten aufspalten.

Wir wollen nun dieses Problem bei dem komplizierteren Helium-Atom ansehen. DerGrundzustand des Helium-Atoms ist der 11S-Zustand, ein angeregter Zustand istder 21S-Zustand, ein weiterer angeregter Zustand ist der 23S-Zustand. Es stellt sichnun die Frage, ob der 21S-Zustand oder aber der 23S-Zustand der energetisch tieferliegende Zustand ist.

12

s p

12

s p

12

s p

11S 21S 23S

Die Wellenfunktion φ(1, 2) der beiden Elektronen des Helium-Atoms genugt derAntisymmetrie, d.h. sie ist dem Pauli-Prinzip unterworfen:

φ(1, 2) = −φ(2, 1).

Die Wellenfunktion besteht zum einen aus der Spin-Wellenfunktion χ1(1) · χ2(2)und zum anderen aus der Ortsraumwellenfunktion ϕ1(~r1) · ϕ2(~r2) der beiden Elek-tronen. Zu dem Termsymbol 21S mit den Quantenzahlen N = 2, L = 0, S = 0gehort die ungerade Spin-Wellenfunktion

1√2

(χ+(1)χ−(2) − χ+(2)χ−(1)),

zu dem Termsymbole 23S mit den Quantenzahlen N = 2, L = 0, S = 1 gehoren diedrei unterschiedlichen geraden Spin-Wellenfunktionen

χ+(1)χ+(2) fur MS = 1,

Page 52: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

52 INHALTSVERZEICHNIS

1√2(χ+(1)χ−(2) + χ+(2)χ−(1)) fur MS = 0,

χ−(1)χ−(2) fur MS = −1.

Fur die Ortsraumwellenfunktionen in unserem Falle, in dem sich das eine Elektronim Grundzustand 1S befindet und das zweite im angeregten Zustand 2S, erhalt mananalog die ungerade Funktion als

1√2(φ1S(1)φ2S(2) − φ1S(2)φ2S(1))

und die gerade Funktion als

1√2(φ1S(1)φ2S(2) + φ1S(2)φ2S(1)).

Bildet man nun die Gesamtwellenfunktion Φ(1, 2) aus der Spin-Wellenfunktion undder Ortsraumwellenfunktion, so erhalt man einerseits fur den betrachteten 21S-Zustand

Φ21S(1, 2) = 1√2

(χ+(1)χ−(2) − χ+(2)χ−(1)) 1√2(φ1S(1)φ2S(2) + φ1S(2)φ2S(1))

und andererseits fur den betrachteten 23S-Zustand

Φ23S(1, 2) == {χ+(1)χ+(2), 1√

2(χ+(1)χ−(2) + χ+(2)χ−(1)) , χ−(1)χ−(2)}×

× 1√2

(φ1S(1)φ2S(2) − φ1S(2)φ2S(1)).

Man sieht sofort, daß der Zustand Φ21S(1, 2) eine große Coulomb-Abstoßung derbeiden Elektronen mit sich bringt. Der Zustand Φ23S(1, 2) hat dagegen eine klei-ne Coulomb-Abstoßung fur die Elektronen, und seine Energie E23S liegt um 0.8eVniedriger als die Energie E21S des Φ21S(1, 2)-Zustandes.

S23E

E

S21E

eV8.0

S11

S21

S23

Page 53: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.8. DIE MEHRELEKTRONENSYSTEME 53

1.8 Die Mehrelektronensysteme

Wir betrachten einen ruhenden Kern mit der Ladung Ze, der von N Elektronen um-kreist wird, die einen Spin haben. Der Hamilton-Operator H0 dieses Systems lautetdann

H0 = Hkin +Hel +Hmag,

wobei die kinetische Energie

Hkin =N∑

k=1

p2kx+p2ky+p2kz

2meo

darstellt. Die Impulskomponenten pkx, pky und pkx sind geben durch

pkx = hi∂∂xk

, pky = hi∂∂yk

, pzx = hi∂∂zk

,

meo ist die Elektronenmasse. Die elektrische potentielle Energie Hel setzt sich zu-sammen aus

Hel = −N∑

i=1

Z e2

4πε0 |~ri| + 12

N∑

i=1

N∑

k=1

e2

4πε0 |~rik| ,

wobei der erste Term die Coulomb-Wechselwirkung des Kerns mit einem Elektronim Abstand ~ri darstellt und der zweite Term die Coulomb-Wechselwirkung zwei-er Elektronen mit der Abstand ~rik wiedergibt. Die magnetische potentielle EnergieHmag stellt die Spin-Bahn-Wechselwirkungsenergie darstellt und berechnet sich nach

Hmag =N∑

i=1ζ(~ri)~li · ~si,

wobei weitere Terme hier vernachlassigt werden. ~li ist dabei der Drehimpuls einesElektrons, ~si sein Spin und ζ(~ri) eine Funktion, die von dem Ort ~ri des Elektronsabhangt. Die Schrodinger-Gleichung ergibt sich dann als

H ψ =N∑

i=1

(

p2ix+p2iy+p2iz2meo

− Z e2

4πε0 |~ri| + 12

N∑

k=1

e2

4πε0 |~rik| + ζ(~ri)~li · ~si)

ψ = W ψ.

Wir betrachten zunachst den Fall, bei dem die Coulomb-Abstoßungen zwischenden Elektronen sehr viel großer ist, als die Spin-Bahn-Wechselwirkung. In erstenNaherung verschwindet die Spin-Bahn-Wechselwirkung und fur den Gesamtspin

~S =N∑

i=1~si = const.,

fur den Gesamtbahndrehimpuls

~L =N∑

i=1

~li = const.,

Page 54: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

54 INHALTSVERZEICHNIS

und fur den Gesamtdrehimpuls

~J =N∑

i=1

~ji =N∑

i=1

(

~li + ~si)

=N∑

i=1

~li +N∑

i=1~si = ~L+ ~S = const.

gilt der Drehimpulserhaltungssatz. In zweiter Naherung ist eine ganz schwache Spin-Bahn-Wechselwirkung vorhanden. Der Gesamtdrehimpuls ~J = ~L+ ~S = const. bleibterhalten, der Gesamtbahndrehimpuls ~L und der Gesamtspin ~S jedoch nicht. In die-sem Fall spricht man von einer ~L~S-Kopplung oder Russell-Saunders-Kopplung. Sieist in der Natur fur die leichten, d.h. links oben im Periodensystem stehende Atomerealisiert.Ist hingegen die Coulomb-Abstoßung sehr klein im Vergleich zur Spin-Bahn- Wech-selwirkung, so sind in erster Naherung die Drehimpulse

~ji = ~li + ~si = const., i = 0, . . . , N ,

fur alle Elektronen konstant und damit auch der Gesamtdrehimpuls

~J =N∑

i=1

~ji =N∑

i=1

(

~li + ~si)

= const..

In zweiter Naherung fuhrt man eine schwache Coulomb-Wechselwirkung ein. Der Ge-samtdrehimpuls ~J ist naturlich konstant. Die Drehimpulse ~ji der N Elektronen sindjedoch nur noch ungefahr konstant. Den Grenzfall dieser sogenannten ~j~j-Kopplungfindet man bei Atomen im unteren rechten Teil des Periodensystems.Als dritten Fall tritt schließlich die Coulomb-Abstoßung in einer Starke der Spin-Bahn-Wechselwirkung auf. In diesem Bereich tritt keine Aufspaltung in Teilsystemeauf. Diese mittlere Kopplung nimmt der großen Rest der Atome im Periodensystemsauf.

1l�

2l�

L�

Der Bahndrehimpuls

Page 55: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.8. DIE MEHRELEKTRONENSYSTEME 55

Wir wollen nun untersuchen, wie sich die Drehimpulse der Elektronen im Atom zu-sammensetzen lassen und welche Kopplungstypen dabei vorliegen. Wir betrachtenzunachst den einfachsten Fall, daß ein Atom zwei Elektronen mit den Bahndrehim-pulsen ~l1 und ~l2 hat. Diese zwei Bahndrehimpulse konnen wir zu einem Gesamt-bahndrehimpuls

~L = ~l1 +~l2

durch Addition der Vektoren vereinigen, wobei der Betrag des Gesamtbahndrehim-pulses

|~L| =√

L(L+ 1) h

ist und

L = 0, 1, 2, . . .

die Quantenzahl des Gesamtbahndrehimpulses darstellt. Fur die z-Komponente desGesamtbahndrehimpulses Lz gilt

Lz = ML h,

wobei

ML = L,L− 1, L− 2, . . . ,−L

die Quantenzahl der z-Komponente des Gesamtbahndrehimpulses ist. Der Gesamt-bahndrehimpuls ~L ist also gequantelt, die Bahndrehimpulse ~l1 und ~l2 der beidenElektronen sind jedoch nicht gequantelt, d.h. sie variieren mit der Zeit. Die Quan-tenzahl des Gesamtbahndrehimpulses L berechnet sich aus den Quantenzahlen derBahndrehimpulse l1 und l2, wobei l1 ≥ l2 gelten soll, gemaß

L = l1 + l2, l1 + l2 − 1, . . . , l1 − l2.

Fur ein Atom mit N Elektronen, die die Bahndrehimpulse ~li mit i = 1, 2, 3, . . .einbringen, gilt diese Gleichung in leicht abgewandelter Form. Fur die Quantenzahldes Gesamtbahndrehimpuls L gilt namlich

L = l1 + l2 + l3 + · · · + lN , l1 + l2 + l3 + · · · + lN − 1, . . . , l1 − l2 − l3 − · · · − lN ,

wobei die Quantenzahlen li der Bahndrehimpulse der einzelnen Elektronen die Un-gleichung

l1 ≥ l2 ≥ l3 ≥ · · · ≥ lN

Page 56: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

56 INHALTSVERZEICHNIS

erfullt haben mussen.

Der Spin-Drehimpuls

Fur ein Atom mit N Elektronen, von denen jedes einzel ein Spin ~si mit i = 1, 2, 3, . . .tragt, gilt gerade dasselbe, d.h. der Gesamtspin ~S setzt sich zusammen als

~S =N∑

i=1~si,

und der Betrag |~S| des Gesamtspins berechnet sich nach

|~S| =√

S(S + 1) h,

wobei

S = 0, 12 , 1,

32 , 2,

52 , . . .

die Quantenzahl des Gesamtspins ~S ist. Die z-Komponente Sz des Gesamtspins~S bekommt man als

Sz = MS h.

Dabei ist

MS = S, S − 1, . . . ,−S

die Quantenzahl der z-Komponente Sz des Gesamtspins ~S.

Der Gesamtdrehimpuls

Wir wollen nun betrachten, der Gesamtdrehimpuls ~J in einem Atom mit N Elek-tronen zustande kommt. Fur den Betrag | ~J— gilt naturlich

| ~J | =√

J(J + 1) h,

wobei J die Quantenzahl des Betrages | ~J | des Gesamtdrehimpulses ~J ist. Seinez-Komponente Jz erhalten wir uber

Jz = MJ h.

Dabei ist

MJ = J, J − 1, . . . ,−J

Page 57: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.8. DIE MEHRELEKTRONENSYSTEME 57

die Quantenzahl der z-Komponente Jz des Gesamtdrehimpuls ~J .Wir betrachten zunachst den Fall, wo die Coulomb-Abstoßung sehr viel großer ist,als die Spin-Bahn-Wechselwirkung, was ist im oberen linken Teil des Periodensy-stems der Fall ist. Hier konnen wir den Gesamtbahndrehimpuls

~L =N∑

i=1

~li

und den Gesamtspin

~S =N∑

i=1~si

bilden, wobei die ~li die Bahndrehimpulse und die ~si die Spins der einzelnen Elektro-nen sind. Der Gesamtbahndrehimpuls ~L und der Gesamtspin ~S prazedieren um denGesamtdrehimpuls

~J = ~L+ ~S.

Der Betrag | ~J | des Gesamtdrehimpulses ~J ist gleich

| ~J | =√

J(J + 1) h,

seine z-Komponente Jz ist gleich

Jz = MJ h,

wobei die Quantenzahl MJ die Werte

MJ = J, J + 1, . . . ,−J

annimmt. Die Quantenzahlen J und MJ der Gesamtdrehimpulses ~J sind beidescharf, d.h. in der Messung ist ihr Fehler gleich Null.Im zweiten Fall schauen wir uns an, was passiert, wenn die Coulomb-Abstoßung sehrklein gegen die Spin-Bahn-Wechselwirkung ist. In erster Naherung ist der Drehim-puls ~ji des i-ten Elektrons gleich

~ji = ~li + ~si.

Der Gesamtdrehimpuls ~J ergibt sich dann gemaß

~J =N∑

i=1

~ji.

Die N Drehimpulse ~ji prazedieren um den Gesamtdrehimpuls ~J . Diese Kopplung,die bei den schweren Atomen im unteren rechten Teil des Periodensystem auftrifft,bezeichnet man als ~j~j-Kopplung.Als letzten Fall betrachten wir eine Spin-Bahn-Kopplung, die von der Große her der

Page 58: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

58 INHALTSVERZEICHNIS

Coulomb-Abstoßung nahe kommt. Diese Art der Spin-Bahn-Kopplung bezeichnetauch als mittlere Kopplung. In ihr sind die meisten Atome erfaßt. Die Spin-Bahn-Kopplung ist weder klein noch groß gegenuber der Coulomb-Abstoßung. Entspre-chend konnen weder der Gesamtbahndrehimpuls ~L und der Gesamtspin ~S noch dieDrehimpulse ~ji fur die N Elektronen gebildet werden. Die einzig mogliche Große istder Gesamtdrehimpuls ~J mit den Quantenzahlen J und MJ , die scharf zu messensind.

Das magnetische Moment eines Atoms

Wir nehmen an, daß unser Atom eine Spin-Bahn-Kopplung hat, die klein ist gegendie Coulomb-Abstoßung. In diesem Fall konnen wir die Russell-Saunders-Kopplungoder auch ~L~S-Kopplung ansetzen. Damit erhalten wir fur die magnetischen Momente

~µL = −µBh~L und ~µS = −2 µB

h~S,

wobei

|~µL| =√

L(L+ 1)µB und |~µS | =√

S(S + 1)µB

gilt. Aus diesen Großen erhalt man ein magnetisches Moment

~µ = −µBh

(

~L+ 2 ~S)

= −µBh

(

~J + ~S)

.

J�

S�

L�

Lµ�

µ�

Jµ�

S21 µ

S21 µ

0

A

B

γ

γ

Dieses magnetische Moment ~µ ist jedoch nicht meßbar, weil es sehr schnell umdie Gegenrichtung des Gesamtdrehimpulses ~J prazediert. Meßbar dagegen ist lautZeichnung das magnetische Gesamtmoment

Page 59: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.9. DIE OPTISCHEN UBERGANGE 59

~µJ = ~µJ(0A) + ~µJ(AB) = −µBh~J − 1

2 |~µS | cos γ~J| ~J|

= −µBh~J − 1

2 2√

S(S + 1)µB cos γ~J√

J(J+1) h

= −µBh

(

1 +

√S(S+1)√J(J+1)

cos γ

)

~J .

Der hier in Klammer stehende Ausdruck wird als gJ - oder als Lande-Faktor be-zeichnet. Unter zur Hilfsnahme des Kosinussatzes folgt aus der Zeichnung

|~L|2 = | ~J |2 + |~S|2 − 2 | ~J | |~S| cos γ.

Umsetzen nach cos γ liefert

cos γ = | ~J|2+|~S|2−|~L|22 | ~J| |~S| = J(J+1)+S(S+1)−L(L+1)

2√J(J+1)

√S(S+1)

,

und damit fur das magnetische Gesamtmoment

~µJ = −µBh

(

1 +

√S(S+1)√J(J+1)

J(J+1)+S(S+1)−L(L+1)

2√J(J+1)

√S(S+1)

)

~J

= −µBh

(

1 + J(J+1)+S(S+1)−L(L+1)2 J(J+1)

)

~J .

Der gJ - oder Lande-Faktor ergibt sich danach als

gJ = 1 + J(J+1)+S(S+1)−L(L+1)2 J(J+1) .

1.9 Die optischen Ubergange

Wir wollen uns nun die quantenmechanische Beschreibung der otpischen Ubergangenaher ansehen. Bislang immer vom einfachen Bohrschen Modell ausgegangen: Emis-sion und Absorption eines Photons ist mit einem Ubergang zwischen zwei Zustandendes Atoms verbunden (Quantensprung).

Klassische Beschreibung: Oszillation eines elektrischen Dipols mit Frequenz ω0

fuhrt zur Aussendung einer elektromagnetischen Welle mit gleicher Frequenz (Di-polstrahlung, siehe ExPh II).

Quantenmechanische Beschreibung: Atom andert seinen Zustand, d.h. ein zeitab-hangiger Prozess. Bislang nur zeitunabhangige Schrodingergleichung HΨ = EΨ.Erweiterung auf Zeitabhangigkeit:

Eine Materiewelle besitzt wie alle Wellen neben einer Ortsabhangigkeit eineZeitabhangigkeit. Versuchen (!) wir fur ein freies Teilchen die gleiche Form wie eineEM-Welle:

ψ(x, t) = C exp(iωt− ikx) (1.38)

Fur Photonen gilt dann E = hω und p = hk, dies wollen wir auch fur die Materiewel-le annehmen! Dann gilt E = Ekin = p2/2m = h2k2/2m. Daraus folgt ubrigens, daßdie Phasengeschindigkeit der Welle gegeben ist durch vp = ω/k = h/2m · k = v/2.

Page 60: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

60 INHALTSVERZEICHNIS

Die Wellengelichung, die die Ausbreitung der Materiewelle beschreibt, konnen wireinfach dadurch gewinnen, daß wir die Wellenfunktion so nach Ort und Zeit dif-ferenzieren, daß identische Ausdrucke herauskommen. da ψ komplex ist, erhaltenwir

∂ψ

∂t= − i

hEkinψ (1.39)

Da fur ein freies Teilchen außerdem gilt: −h2/2m∆ψ = Ekinψ so konnen wir schrei-ben:

ih∂ψ(~r, t)

∂t= − h2

2m∆ψ(~r, t) (1.40)

Mit Schrodinger postulieren wir nun, daß auch fur Teilchen in einem außeren Po-tential Epot(~r, t) gilt :

ih∂ψ(~r, t)

∂t= − h2

2m∆ψ(~r, t) +Epot(~r, t)ψ(~r, t) (1.41)

Dies ist die zeitabhangige Form der Schrodingergleichung, die alle Prozesse in derWelt der Atome (und daruber hinaus) beschreibt. Fur uns ist wichtig: Ist ein Atom ineinem Eigenzustand mit Energie E0 und Wellenfunktion φ0(~r), so ist seine zeitabhangigeWellenfunktion gegeben durch

ψ(~r, t) = φ0(~r) exp(iE0

ht) (1.42)

harmonische Bewegung mit Frequenz ω = E0/h.Wie beschreiben wir nun den Ubergang eines Atoms von einem Zustand φ1 in

einen Zustand φ2 ? Offenbar konnen wir annehmen, daß irgenwann das Atom ineinem Uberlagerungszustand ist, der durch Superposition der beiden Eigenzustandeentsteht. (Die exakte Behandlung fuhrt zum gleichen Ergebnis!). Dessen Wellen-funktion ist dann:

ψ(~r, t) = a1φ1(~r) exp(iE1

ht) + a2φ1(~r) exp(i

E2

ht) (1.43)

Die Koeffizienten a1, a2 geben dabei die Anteile der Zustande 1 und 2 an und mussensich mit der Zeit andern. Wir wollen sie zu a1, a2 = 1/

√2 annehmen.

In Analogie zur klassischen Vorstellung wollen wir nun den Erwartungswert deseletrischen Dipolmomentes des Atoms im Uberlagerungszustand berechnen. Diesesist gegeben durch

~M(t) =

d3rψ(~r, t)∗e~rψ(~r, t) (1.44)

Einsetzen ergibt den folgenden Ausdruck fur ~M

~M(t) =1

2

(

~M11 + ~M22 + ~M12 exp(iE1 −E2

ht) + ~M21 exp(i

E2 −E1

ht)

)

(1.45)

wobei das Dipolmatrixelement ~Mik gegeben ist durch

~Mik =

d3rφk(~r, t)∗e~rφi(~r, t) (1.46)

Page 61: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.9. DIE OPTISCHEN UBERGANGE 61

(beachte die Reihenfolge). Bei einem normalen Atom ist der Erwartungswert desDipolmomentes immer gleich null. Nehmen wir das Ubergangsdipolmoment M12 alsreell an, was nicht immer stimmt, so erhalt man mit

~M(t) = ~M12 cos(E2 −E1

ht) (1.47)

eine Oszillation des Dipolmomentes mit der Frequenz ω12 = (E2 −E1)/h. Im Gegen-satz zum stationaren Zustand, in dem ~M verschwindet, besitzt das Atom wahrenddes Ubergangs zwischen zwei Zustanden ein oszillierendes Dipolmoment. DiesesUbergangsdipolmoment strahlt genau wie in der klassischen Vorstellung eineEM-Welle ab.

Ubernehmen wir die klassische Beziehung fur die abgestrahlte Leistung

P av =2

3

M2ω4

4πε0c3(1.48)

so erhalten wir mit M 2 = M212/2 und dem Zusammenhang zwischen strahlen-

der Zerfallsrate A12 und abgegebener Leistung P = A12hω12 (wobei die ”klassi-sche”Beziehung noch mit einem Faktor 2 multipliziert werde mußte, um die durchdie Vakuumfluktuationen hervorgerufenen virtuellen Prozesse zu berucksichtigen):

A12 =1

3

|M12|2ω312

πε0c3(1.49)

Aik bezeichnet man als Einsteinkoeffizient der spontanen Emission.Eine Emission von Photonen findet also nur statt, wenn das Ubergangsmoment

nicht verschwindet! Um dies zu entscheiden, brauchen wir den Wert vom M abergarnicht explizit auszurechnen, dazu reichen Symmetriebetrachtungen aus.

Beispiel : Paritat Die Paritat ist eine Symmetrie-Operation, die jeden Orstvektor~r in sein Inverses uberfuhrt

P : ~r → −~rDadurch gehen alle Wellenfunktionen in neue Wellenfunktionen uber.

ψ′(~r) = Pψ(~r) = ψ(−~r)

Da ein einzelnes Atom jedoch davon nicht beeinflußt werden kann (die Pariat isteine Symmetrie des Atoms) muß gelten

|Pψ|2 = |ψ|2

woraus sofort folgt, daß eine Wellenfunktion unter dem Paritatsoperator entwederin sich ubergeht (gerade Pariat,g) oder das Vorzeichen wechselt (ungerade Pariatu). Unterwerfen wir das Dipolmoment Mik dem Paritatsoperator, so darf sich dasErgebnis ebenfalls nicht andern. D.h. es gilt:

P ~Mik =

Pd3rPφk(~r, t)∗Pe~rPφi(~r, t) = −∫

d3rPφk(~r, t)∗e~rPφi(~r, t) (1.50)

Page 62: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

62 INHALTSVERZEICHNIS

Damit das negative Vorzeichen kompensiert wird, muß sich also die Paritat vonAnfangs- und Endzustand unterscheiden! Man sagt, daß bei der Emission bzw. Ab-sorption eines Photons ein Paritatswechsel stattfinden muß.

Betrachten wir daraufhin die H-Wellenfunktionen bezuglich ihrer Paritat.

ψn,l,m = Rn.l(r)Yl,m(θ, φ) (1.51)

so kommt es auf Yl,m an! Fur die Winkel gilt

θ → θ − π (1.52)

φ→ φ+ π (1.53)

Die Kugelflachenfunktionen sind allgemein gegeben als (siehe Cohen-Tannoudji,Quantenmechnaik 1, S. 654)

Yl,m =(−1)l+m

2ll!

(2l + 1)(l −m)!

4π(l +m)!exp(imϕ)(sin θ)m

dl+m

d(cos θ)l+m(sin θ)2l (1.54)

Daraus sieht man, daß offensichtlich gilt:

PYl,m = (−1)lYl,m

Die Kugelflachenfunktionen zu geradem l haben demzufolge gerade, die zu ungera-dem l ungerade Paritat!

Ein optischer Ubergang erfordert deshalb stets einen Wechsel von l um ±1.Auswahlregel:

∆l = l′ − l = ±1

Auswahlregeln Bei den spektroskopischen Experimenten ist es von entscheiden-der Bedeutung, welche optischen Ubergange zwischen den Zustanden mit den Quan-tenzahlen i = (n, l,m, s) und denen mit den Quantenzahlen f = (n′, l′,m′, s′) einesAtoms zu erwarten sind. Als generelle Voraussetzung darf das DipolubergangsmomentMif nicht verschwinden. Dies regeln die die sogenannten Auswahlregeln. Betrachtenwir M zwischen zwei H-Atom-Zustanden:

Mx

My

Mz

= −e 1

∫ ∞

0RnlRn′l′r

3dr

∫ π

0P

|m|l P

|m′|l′ sin θ

∫ 2π

0

sin θ cosϕsin θ sinϕ

cos θ

exp(i(m−m′)ϕ)dϕ

(1.55)so erkennen wir, daß Mz nur fur m = m′ nicht verschwindet, wahrend Mx,My ein∆m = ±1 erfordern. Dabei ist festzustellen, daß ∆m = 1 ein Moment

Mx

My

Mz

= M0

1i0

(1.56)

ergibt, wahrend ∆m = −1 ein Moment

Mx

My

Mz

= M0

1−i0

(1.57)

ergibt.

Page 63: SS 2003, ExPhy IV, Prof. Stolz

1.10. ATOME MIT VIELEN ELEKTRONEN 63

Spin-Auswahlregel Die Auswahlregel fur den Soin des Elektrons konnen wirdirekt aus der Form der Wellenfunktion ablesen. Bezeichnet ψ die wellenfunktionmit Spin, so gilt

〈ψ1|~r|ψ2〉 =

ϕ∗1(~r)~rϕ2(~r) d

3r ·∑

ms

χ∗1 χ2

wegen der Orthogonalitat der Spinfunktionen gilt also die Auswahlregel:

∆S = 0

Nur wenn Zustande mit verschiedenen Spins gemischt sind, wie bei Atomen mitgroßem Z, kann diese Auswahlregel aufgebrochen werden.

H-Atom Als einfaches Beispiel sei das Wasserstoff-Atom genannt. Bei ihm istder Ubergang 21P → 11S erlaubt, denn der Ubergang erfullt die Auswahlregeln∆l = l′ − l = 2 − 1 = 1 und ∆s = s′ − s = 0 − 0 = 0. Dieser Ubergang wirdauch als Lyman-α-Ubergang bezeichnet. Das gleiche gilt fur den Balmer-α-Ubergang31P → 21S. Auch beim ihm gilt ∆l = l′− l = 3−2 = 1 und ∆s = s′−s = 0−0 = 0.

1.10 Atome mit vielen Elektronen

Wir betrachten ein Atom mit N Elektronen. Fur diese N Elektronen nehmen wireine Einelektronennaherung an, d.h. die Wellenfunktion Φi(~ri) ist gegeben durch dieSpin-Wellenfunktion χi(i) mal die Ortsraumwellenfunktion ϕ(~ri):

φi(i) = χi(i) · ϕi(~ri).

Fur die Gesamtwellenfunktion Φ(1, 2, . . . , Z) aller N Elektronen erhalten wir dieSlater-Determinante

Φ(1, 2, . . . , N) = 1√N !

φ1(1) φ1(2) · · · φ1(N)φ2(1) φ2(2) · · · φ2(N)

......

. . ....

φN (1) φN (2) · · · φN (N)

.

Bei der Slater-Determinante sind damit samtliche N · N = N 2 Kombinationen derN Elektronen auf N Zustande φi(i) erfaßt. Vertauschen wir zwei Spalten der Slater-Determinante, so entspricht dieses einem Vertauschen der zugehorige beiden Elek-tronen:

Φ(1, 2, . . . , N) = −Φ(2, 1, . . . , N).

Das Pauli-Prinzip ist damit fur die Slater-Determinante automatisch erfullt.