STAATENVERANTWORTLICHKEIT / STATE RESPONSIBILITY || Internationaler Terrorismus und Auslieferungsrecht

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  • Internationaler Terrorismus und AuslieferungsrechtAuthor(s): KAY HAILBRONNER and VOLKER OLBRICHSource: Archiv des Vlkerrechts, 24. Bd., 4. H., STAATENVERANTWORTLICHKEIT / STATERESPONSIBILITY (1986), pp. 434-467Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40798246 .Accessed: 12/06/2014 14:46

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  • Internationaler Terrorismus und Auslieferungsrecht

    Dr. iur. KAY HAILBRONNER Professor an der Universitt Konstanz

    Assessor VOLKER OLBRICH Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitt Konstanz

    Einleitung

    Der Begriff Terrorismus" lt sich bis in die Epoche der Franzsischen Revolution zurck verfolgen1. Bis heute gibt es jedoch keinen allgemeinen Konsens ber seinen Inhalt. Eine Definition erscheint ebenso schwierig wie beim politischen Delikt" oder der Aggression"2. Als Terrorist wurde

    hufig derjenige Tter bezeichnet, der aus politischen Motiven schwere Ge- walttaten begeht, die Furcht und Schrecken verbreiten und damit die Stabilitt einer Regierung oder herrschenden Gruppe zu unterminieren ge- eignet sind. Die Verbindung mit der politischen Zwecksetzung ist es auch, die bis zum heutigen Tag eine internationale Lsung des Terrorismus-

    problems verhindert hat. Fr die Regierungen sind politische Gegner, die in den politischen Auseinandersetzungen schwere Straftaten begehen, allemal Terroristen. Fr die mit den politischen Zielsetzungen sympathisierenden

    i Borricandy L'extradition des terroristes, Rev. se. crim. et dr. pen. 1980, S. 661 (664), m. w. N.

    2 Vgl. z.B. Beirlaen, Considrations sur la prvention et la rpression du terrorisme international, Rev. se. crim et dr. pn. 1978, S. 825 (826 f f.); Borri- cand (FN 1), S. 672 ff.; David, Le terrorisme au droit international, in Universit de Bruxelles (Hg.), Rflexions sur la dfinition et la rpression du terrorisme (1974), S. 105 (125); Dimitri j evie, Internationaler Terrorismus und Auslief erungsredit, in BerberichlHolllMaa (Hg.), Neue Entwicklungen im ffentlichen Recht (1979), S. 63 ff.; Jenkins, International Terrorism: A New Mode of Conflict, und Bouthoul, Definitions on Terrorism, beide in Cartoni Seh aerf (Hg.), International Terrorism and World Security 13 (1975); Dugard, Towards the Definition of International Terrorism, Am. Soc'y Int'l L. Proc. Bd. 67 (1973), S. 94 ff.; Oppermann, Der

    Beitrag des internationalen Rechts zur Bekmpfung des internationalen Terrorismus, FS fr H.-J. Schlochauer (1981), S. 495 ff. (496 ff., 503).

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 435

    Regierungen anderer Staaten erscheinen sie dagegen als Freiheitskmpfer". Diese Gegenstze werden bis zu einem gewissen Grad in einer politisch und ideologisch gespaltenen Staatengemeinschaft unberwindbar bleiben.

    Jedoch hat das Phnomen des internationalen Terrorismus in den ver- gangenen Jahrzehnten einen Umdenkungsproze in Gang gesetzt, der auf der Erkenntnis aufbaut, da ungeachtet ideologischer und politischer Diffe- renzen gewisse Spielregeln fr das Funktionieren der Staatengemeinschaft zu beachten sind, deren Einhaltung von allen Staaten durchgesetzt werden mu. Zu diesen Spielregeln gehrt das gemeinsame Interesse an einer inter- nationalen Kommunikation, an der Beachtung grundlegender Prinzipien der menschlichen Zivilisation, wie sie sich in den Menschenrechten niederge- schlagen haben und schlielich an der Erhaltung internationaler Institutio- nen. Der internationale Terrorismus" hatte sich durch Anschlge auf internationale Transportmittel, durch Bombenattentate auf staatliche Re- prsentanten im Ausland und schlielich durch die besonders brutalen Terroranschlge gegen die Bevlkerung bzw. Staatsangehrige eines be- stimmten Staates gerade die Erschtterung dieser Grundlagen des inter- nationalen ordre public zum Ziel gemacht. Dem entsprach die internationale Operationsweise des Terrorismus. Gekmpft wurde im internationalen Verbund gegen einen Gegner, der, weithin noch in berholten Souvernitts- konzeptionen befangen, sich zu einer internationalen Zusammenarbeit auer Stande sah. Seitdem der internationale Terrorismus nicht mehr nur das Problem einiger weniger Staaten ist, hat sich jedoch dieses Bild gewandelt. Die quantitative wie qualitative Entwicklung des internationalen Terroris- mus3 hat zu zahlreichen offiziellen Erklrungen und Empfehlungen gefhrt wie unlngst die Resolution der Generalversammlung der Vereinten Natio- nen vom 9. Dezember 19854, in der all acts of international terrorism in all its forms which endanger or take innocent lives, jeopardize fundamental free- doms and seriously impair the dignity of human beings" verurteilt und die Staaten zum Austausch von Informationen ber Terrorismus und zur Be- strafung oder Auslieferung von Terroristen aufgerufen werden5. Darber hinaus sind in vlkerrechtlichen Vereinbarungen Anstrengungen unternom- men worden, besonders inhumanen Handlungen vorzubeugen und die Ahn- dung solcher Akte zu erleichtern. Bei diesen Bemhungen kommt dem Aus-

    8 Vgl. Prvost, Les aspects nouveaux du terrorisme international, A. F. D. I. 1973, S. 579 ff.

    4 Resolution 40/61. 5 Vgl. audi die Prambel des Europisdien Terrorismus-bereinkommens vom

    27. 1. 1977 (BGBl. 1978 II, S. 322) sowie die Erklrung der Staats- und Regie- rungsdiefs von sieben groen Demokratien und den Vertretern der Europisdien Gerne insdiaf ten zum Internationalen Terrorismus vom 5. 5. 1986 in Tokyo (Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 13. 5. 1986, Nr. 50/S. 426).

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  • 436 K. Hailbronner/V. Olbrich

    lieferungsrecht angesichts der transnationalen Auswirkungen terroristischer Operationen eine besondere Rolle zu. Im Kern geht es darum, dem Terro- risten als hostis humanis generis" die Berufung auf seine politischen Mo- tive abzuschneiden. Dies kann nur gelingen, wenn dafr Sorge getragen wird, da im Falle terroristischer Gewalttaten nicht nur die Auslieferungs- voraussetzungen erfllt sind, es sich also um auslieferungsfhige Delikte handelt und das Prinzip der beiderseitigen Strafbarkeit gewahrt ist, sondern auch die seit der zweiten Hlfte des vorigen Jahrhunderts in Auslieferungs- vertrgen und -gesetzen bliche Ausnahme bei politischen Delikten derart eingeschrnkt wird, da sie auf Akte des internationalen Terrorismus keine Anwendung finden kann.

    I. Die auslieferungsrechtliche Problematik

    Der Gedanke einer Nichtauslieferung politischer Straftter kam bereits in der ersten Hlfte des 19. Jahrhunderts auf, als die Staaten Europas im

    Gefolge der Franzsischen Revolution von Kriegen und Rebellionen er- schttert wurden. Eine Auslieferung politischer Tter widersprach hufig vitalen Interessen des ersuchten Staates. Der politische Verbrecher von heute konnte allzu leicht der Herrscher von morgen sein. Verwandt mit diesem Motiv der nationalen Interessen ist das (auslieferungsrechtliche) Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des ersuchen- den Staates. Wo eine Auslieferung als Anerkennung der Legitimitt der auslndischen Regierung oder allgemein der politischen Verhltnisse in dem ersuchenden Staat verstanden werden konnte, sollte keine Auslieferungs- pflicht bestehen, damit sich aufgrund einer einheitlichen, die Auslieferungs- ersuchen ablehnenden Praxis keine politischen Konsequenzen aus einer

    Nichtauslieferung im Einzelfall ergeben konnten und die eigene Legitimitt nicht gefhrdet wurde6.

    Wie schon in das belgische Auslieferungsgesetz vom 1. Oktober 18337 wurde auch in den bis heute gltigen britischen Extradition Act 18708 eine Ausnahme fr politische Straf tter aufgenommen. Nach Art. 3 Abs. 1 wird ein flchtiger Verbrecher nicht ausgeliefert, wenn die Straftat, deretwegen seine bergabe begehrt wird, einen politischen Charakter hat oder wenn er zur berzeugung des Untersuchungsrichters oder des Gerichts, dem er vor-

    gefhrt wird, oder des Auenministers nachweist, da in Wirklichkeit um

    6 Geiger, Die Auslieferung des politisdien Straftters im Lidite des Grund- rechts auf Asyl, FS fr H.-J. Schlochauer (1981), S. 79 f f . (92 f.); Van den Wijngaert, The Political Offence Exception to Extradition, 1980, S. 3.

    7 Vgl. dazu Mettgenberg, Das erste Verbot der Auslieferung politischer Ver- brecher, Zeitschrift fr Vlkerrecht Bd. 14 (1928), S. 237 ff.

    33 & 34 Vict. c. 52.

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 437

    seine Auslieferung ersucht wird, um ihn wegen eines Delikts mit einem politischen Charakter zu bestrafen. James Stephen ma solchen Straftaten einen politischen Charakter bei, die politischen Unruhen zuzurechnen waren9. Im Fall Castioni wurde diese Definition bernommen. Whrend eines Aufstandes im Tessin hatte einer der Aufrhrer, Castioni, ein Mit- glied der Kantonalregierung erschossen, das sich den Aufstndischen beim Sturm auf das Zeughaus in Bellinzona in den Weg gestellt hatte. Fr die Richter der Queen's Bench Division war magebend, ob der Tter innerhalb einer Menschenmenge, die in Gewaltttigkeiten politischen Charakters und politischer Zielrichtung verwickelt war, als Teil der politischen Bewegung und des Aufstandes, an dem er teilnahm, agierte10. Diese schlagwortartig als political incidence test" oder einfach incidence test" bezeichnete Pr- fung des Charakters einer Straftat lag in Grobritannien bis in die Mitte der fnfziger Jahre in mehr oder weniger modifizierter Form allen ein- schlgigen Auslieferungsentscheidungen zugrunde. In Irland und in den USA ist der incidence test noch heute gltig, wobei insbesondere in der jngsten Vergangenheit verschiedene Anstze einer restriktiveren Hand-

    habung zu beobachten sind. Der incidence test differenziert nicht nach politischer und rechtlicher Ord-

    nung. Relevant ist jeder Aufstand, jede oppositionelle Bewegung, sofern eine gewisse Intensitt an politischer Unruhe erreicht worden ist. Afghanische Widerstandskmpfer kommen daher als politische Straftter ebenso in Be- tracht wie baskische, kurdische oder nordirische Separatisten, Mitglieder palstinensischer Befreiungsorganisationen oder Contras in Nicaragua. Die- ser Umstand kommt einer neutralen" Betrachtungsweise entgegen, wie sie beispielsweise in den USA, beruhend auf den Erfahrungen der eigenen Ge- schichte, Tradition ist. Im Verlauf eines Aufstandes begangene Gewaltakte sind danach nicht terroristisch, sondern rebellisch, whrend die Regierung, gegen die sich der Aufstand richtet, die Tter derselben Handlungen als Terroristen brandmarken wird. Der incidence test lt daher an sich keinen Raum fr Erwgungen pragmatischer Art. Die Grenzen der verschiedenen politischen Systeme werden verwischt, die gemeinsamen Interessen politisch homogener Staaten bleiben unbercksichtigt. Zwar war auch die amerika- nische Rechtsprechung nicht immer einheitlich. Die Entscheidung der Frage, ob ein Aufstand vorlag, der die erforderliche Intensitt aufwies, und ob die inkriminierte Handlung Teil desselben war, erscheint bisweilen von den

    9 . . . The expression in the Extradition Act ought (unless some better inter- pretation of it can be suggested) to be interpreted to mean that the fugitive criminals are not to be surrendered for extradition crimes if those crimes were incidental to and formed a part of political disturbances'' (A History of the Criminal Law of England, 1883, Vol. II, S. 71; Hervorhebung der Verf.).

    i (1891) 1 Q.B. 149 (159).

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  • 438 K. Hailbronner/V. Olbridt

    jeweiligen politischen Gegebenheiten in dem ersuchenden Staat beeinflut zu sein11. Eine eher mechanische Anwendung des incidence test kann aber dazu fhren, da die Auslieferung politisch motivierter Gewalttter an einen Staat im wesentlichen gleicher politischer Ordnung als unzulssig an- gesehen wird. So haben in den letzten Jahren amerikanische Gerichte An- schlgen und anderen schweren Gewaltakten von Mitgliedern der Provisio- nal Irish Republican Army (PIRA), dem militanten Flgel der IRA, mehr- fach einen politischen Charakter zugesprochen12. Gleiches gilt fr irische Gerichte13, und auch in den Niederlanden sah ein Gericht unlngst Bomben- anschlge eines IRA-Mitgliedes auf den Zentralen Gerichtshof und auf das Gebude von Scotland Yard als politische Straftaten an14. In dem incidence test ist denn auch eine schwere Gefahr fr die Weltordnung" erblickt wor- den16. In Frankreich fhrte eine lange Zeit praktizierte, ebenso undifferen- zierte Konzeption zu hnlichen Ergebnissen. Entscheidend waren hier nicht

    politische Unruhen, sondern die Motive des Tters. Dies fhrte zur Unzu-

    lssigkeit der Auslieferung des jurassischen Brandstifters Hennin1*, des

    portugiesischen Bankrubers de Palma17 sowie - in zwei Fllen - ameri- kanischer Luftpiraten18. Auch die Auslieferung von Angehrigen der bas- kischen Separatistenorganisation ETA wurde mehrfach als unzulssig an-

    gesehen19. Darber hinaus verweigerte die Regierung in den Jahren 1981 bis 1983 kategorisch die - nunmehr jeweils fr zulssig erklrte - Aus-

    lieferung von ETA- und RAF-Mitgliedern sowie italienischen Rotbrigadisten

    11 Vgl. United States v. Artukovic, 170 F. Supp. 383 (S.D. Cal. 1959); Ramos v. Diaz, 179 F. Supp. 459 (S.D. Fla. 1959); In re Mylonas, 187 F. Supp. 716 (N. D. Ala. 1960).

    12 Siehe unten die Flle McMullen, Mackin, Doherty (Text zu den FN 69-71). 13 Vgl. die Besprechung der irischen Rechtsprechung bei Stein, Die Auslieferungs-

    ausnahme bei politischen Delikten, 1983, S. 210 ff., insbesondere Funote 106. i* Vgl. FAZ vom 17. 5. 1986, S. 12. Die Entscheidung ist vom Hohen Rat

    (Hoge Raad) in bezug auf im Verlauf eines Gefngnisausbruches begangene Delikte korrigiert worden; vgl. FAZ vom 24. 10. 1986, S. 5 (Fall Kelly).

    is Hannayy Legislative Reform of U.S. Extradition Statutes: Plugging the Terrorists Loophole, Den. J. Int'l L. & Pol'y Bd. 13 (1983), S. 53 (55). Ebenso Clark, Political Offenses in Extradition: Time for Judicial Abstention, Hastings Int'l & Comp. L. Rev. Bd. 5 (1982), S. 131 (147).

    i Cour d'Appel Paris vom 3.7.1967, J.-Cl. Per. 1967 II, Nr. 15387. n Cour d'Appel Paris vom 4. 12. 1967, J.-Cl. Pr. 1968 II, Nr. 15387. i8 Cour d'Appel Paris vom 7. 4. 1975 (Holder und Kerkow), RGDIP Bd. 79

    (1975), S. 1140 ff., und vom 15.11.1976 (McNair et ai), RGDIP Bd. 81 (1977), S. 271 f.

    i Cour d'Appel Aix-en-Provence vom 6. 4. 1979 (Goicoechea) und vom 16. 5. 1979 (Apaoloza Azcargorta), nicht verffentlicht. Beide Flle sind - ebenso wie die in FN 16 - 18 genannten Entscheidungen - besprochen bei Stein (FN 13), S. 244, und Borricand, Actualit et perspectives du droit extraditionnel franais, J. C. P. Bd. 57 (1983), I, Doctrine, 3102, Nrn. 21 und 22.

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 439

    unter Berufung auf die Auslieferungsausnahme bei politischen Delikten20. Erinnert sei schlielich an die spter vom Areopag korrigierte Entscheidung des OLG Athen, mit der die Auslieferung des RAF-Mitgliedes Pohle zur

    Strafvollstreckung fr unzulssig erklrt wurde, weil die Delikte (Mitglied- schaft in einer kriminellen Vereinigung, Betrug, Urkundenflschung, Ver- ste gegen das Waffengesetz u. a.) in unmittelbarem Zusammenhang mit den politischen Zielen einer revolutionr-extremistischen Organisation stn- den, die auf den ttlichen Umsturz des in Westdeutschland herrschenden

    politischen Systems hinzielten und sich allgemein gegen das politische Esta- blishment der westlichen Gesellschaft richteten21.

    II. Historischer berblick ber auslieferungs- rechtliche Anstze zur Bekmpfung des Terrorismus

    1 . Versuche zur Erweiterung der Auslieferungspflichten bis zum Zweiten Weltkrieg

    Whrend die Attentatsklausel, wie sie 1856 in das belgische Ausliefe- rungsgesetz von 1833 eingefgt wurde und die sich mittlerweile in zahl- reichen anderen Auslieferungsgesetzen sowie in vielen bi- und multilatera- len Auslieferungsvertrgen findet, lediglich die Ermordung eines Staats- oberhaupts oder eines Mitglieds seiner Familie, teilweise auch anderer Per- sonen des ffentlichen Lebens von der Auslieferungsausnahme bei poli- tischen Delikten ausnimmt, versagte die britische Queen's Bench Division im Fall Meunier22 dem im vorigen Jahrhundert in Europa anarchistisch ge- prgten Terrorismus das Privileg der Nichtauslieferung politischer Straf- tter. Anarchistische Verbrechen wurden spter auch in einigen Ausliefe- rungsabkommen und -gesetzen als nichtpolitische Delikte angesehen23.

    Vor dem Hintergrund politisch motivierter Gewaltakte, insbesondere des geglckten Attentats auf Knig Alexander I. von Jugoslawien und den franzsischen Auenminister Barthou im Oktober 1934 in Marseille wurde

    20 Vgl. die Erklrungen von Mitgliedern der franzsischen Regierung zur Asylpolitik, abgedruckt in A. F. D. I. 1981, S. 862 f., sowie Borricand (FN 19), Nr. 28.

    21 Entscheidung vom 20. 8. 1976, EuGRZ 1977, S. 21 mit Anmerkung von Stein (S. 59).

    22 (1894) 2 Q.B. 415 ff. 23 Neben den multilateralen, von mittelamerikanisdien Staaten ratifizierten

    Treaty for Extradition of Criminals and for Protection against Anarchism" vom 28. 1. 1902 und Central American Extradition Convention" vom 7. 2. 1923 auch einzelne bilaterale Vertrge wie z. B. der amerikanisch-brasilianische Vertrag vom 13. 1. 1961 (15 UST 2093).

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  • 440 K. Hailbronner/V. Olbricb

    am 16. November 1937 in Genf die Konvention zur Verhtung und Be- kmpfung des Terrorismus verabschiedet24, die bestimmte Delikte - z. B. Anschlge auf Staatsoberhupter und ihre Ehegatten oder Trger ffentlicher Funktionen, Zerstrung oder Beschdigung ffentlichen Eigentums - als extradition crimes" bezeichnete. Ob dadurch auch eine Berufung auf den politischen Charakter einer Straftat ausgeschlossen werden sollte, blieb um- stritten. Die Frage konnte nie praktisch werden, da die Konvention nicht in Kraft trat.

    2. Versuche mittels spezieller multilateraler Konventionen

    Die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges fhrten zum Abschlu der Genozid-Konvention vom 9. 12. 194825, die den Vlkermord als nicht- politische Straftat fingiert. Hingegen schrnkten die Genfer Rotkreuz-Ab- kommen vom 12. August 194926 entgegen der Empfehlung durch mehrere UN-Resolutionen die Auslieferungsausnahme bei politischen Delikten nicht ein, sondern begngten sich mit einer Normierung des Prinzips aut de der e aut indicare21.

    Auch die Haager Konvention vom 16. Dezember 197028, die Montrealer Konvention vom 23. September 197129, die Diplomatenschutz-Konvention vom 14. Dezember 197330 und die Geiselnahme-Konvention vom 18. Dezem- ber 197931 beschrnkten sich darauf, ganz bestimmte Straftaten zu ausliefe- rungsfhigen Delikten zu erklren und das Prinzip des aut dedere aut iudi- care festzuschreiben32, das nicht als gleichwertige Alternative zu einer Ein-

    grenzung der Auslieferungsausnahme bei politischen Delikten angesehen werden kann, weil es keine Bestrafung der Tter gewhrleistet33. Obwohl sie

    24 League of Nations Official Journal 1938, S. 23; Glaser, Droit international pnal conventionnel, 1970, S. 233. Vgl. zu dieser Konvention M osier y Die Kon- ferenz zur internationalen Bekmpfung des Terrorismus, ZaRV Bd. 8 (1938), S. 99 ff.; Donnedieu de V abres, La rpression internationale du terrorisme, Rev. de Dr. Int. et de Leg. Comp. Bd. 65 (1938), S. 37 ff.

    25 78 UNTS 277; BGBl. 1955 II, S. 210. 26 75 UNTS 31, 85, 135, 287; BGBl. 1954 II, S. 783, 813, 838, 917. 27 Stein (FN 13), S. 124 ff.; Gutteridge, The Geneva Conventions of 1949,

    BYIL Bd. 26 (1949), S. 294 ff. 28 BGBl. 1972 II, S. 1505. 29 BGBl. 1977 II, S. 1229. 30 BGBl. 1976 II, S. 1745. 3i BGBl. 1980 II, S. 1361. 32 Zu diesen Konventionen vgl. z. B. Abramovsky, Columb. J. Transnat'l

    L. Bd. 13 (1974), S. 381 ff. und Bd. 14 (1975), S. 268 ff.; Borricand (FN 1), S. 663; Cantrell, Marquette L. Rev. Bd. 60 (1977), S. 777 (803 ff.); Kaye, Amer. Univ. L. Rev. Bd. 27 (1978), S. 433 (472 ff.); Murphy, Protected Persons and Diplo- matic Facilities, in Evans/ Murphy (Hg.), Legal Aspects of International Terrorism (1978), S. 277 (304 ff.); Van den Wijngaert (FN 6), S. 148 f.

    33 Stein (FN 13), S. 162 ff.

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 441

    von einem betrchtlichen Teil der Staatenwelt ratifiziert worden sind, waren diese speziellen universalen Abkommen zur Bekmpfung ganz be- stimmter Delikte daher keine adquate Antwort auf das drastische Anstei- gen des internationalen Terrorismus in den sechziger und siebziger Jahren, der - im Gegensatz zu dem eher nihilistischen Terrorismus frherer Jahr- zehnte - ein extremes Mittel des politischen Kampfes geworden war34.

    Kein Erfolg war dem U. S. Draft Convention for the Prevention and Punishment of Certain Acts of International Terrorism35 beschieden, den die USA dem Ad hoc-Committee on Terrorism der Vereinten Nationen 1972 vorlegten. Dabei sah der Entwurf ebenfalls keine Einschrnkungen des politischen Delikts vor, sondern richtete sich - allerdings ausnahms- los - gegen Straftaten von international significance", intended to damage the interests of or obtain concessions from a State or an inter- national organization", indem er die Vertragsparteien im Falle der Nicht- auslieferung zur Strafverfolgung verpflichtete36. Auch die Draft Single Convention on the Legal Control of International Terrorism der ILA aus dem Jahre 198037, deren Art. I den Begriff der internationalen terroristi- schen Straftat umfassend definiert, hat bislang kein Echo in der Staaten- gemeinschaft gefunden, obwohl auch hier der ersuchte Staat die Mglichkeit einer eigenen Strafverfolgung als Alternative zu einer Auslieferung auch in Fllen terroristischer Straftaten hat38.

    Auf der Ebene des regionalen Vertragsvlkerrechts konnten zunchst ebenfalls nur bescheidene Fortschritte im Rahmen der Terrorismusbe- kmpfung erzielt werden. Die Convention to Prevent and Punish the Acts of Terrorism Taking the Form of Crimes Against Persons and Related to Extortion that are of International Significance der OAS vom 2. Februar 197 139, die seit dem 16. Oktober 1973 zwischen einer Reihe zentralameri- kanischer Staaten sowie den USA in Kraft ist, wurde gegenber dem Ent- wurf des Inter-American Juridical Committee derart abgeschwcht, da sie nicht als wirklich effektives Instrument angesehen werden kann. Insbeson- dere enthlt auch sie keine eindeutige Einschrnkung des politischen Delikts40. Auch die Model American Convention on the Prevention and Punishment of Certain Serious Forms of Violence Jeopardizing Funda-

    34 Prvost (FN 3), S. 580, 584. 35 ILM Bd. 11 (1972), S. 1382; Franck! Lockwood, Preliminary Thoughts

    towards an International Convention on Terrorism, AJIL Bd. 68 (1974), S. 69 ff. (76 ff., passim).

    36 Stein (FN 13), S. 139; Agrawala, International Terrorism - Prevention and Punishment, Thesaurus Acroasium Bd. IV (1977), S. 95 ff. (111).

    37 International Law Association, Report of 59th Conference, Belgrade 1980 (1982), S. 493.

    38 Stein (FN 13), S. 140 f. 3 ILM Bd. 10 (1971), S. 255. 40 Vgl. Murphy (FN 14), S. 300 ff.; Stein (FN 13), S. 141 ff.

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  • 442 K. HailbronnerV. Olbr'uh

    mental Rights and Freedoms des Standing Committee on World Order Under Law der American Bar Association vom 1. Juli 198041, deren Art. 1 die in einer ganzen Reihe multilateraler Vertrge genannten Delikte erfat und die in Art. 3 bestimmt, da diese Delikte als extraditable offenses" zu betrachten sind, verliert kein Wort zur Ausnahme des politischen Delikts, so da angenommen werden mu, da diese Einredemglichkeit in vollem Umfang erhalten bleiben soll.

    Mehr Einigkeit bestand hingegen in Europa. Zunchst bestimmte das Zusatzprotokoll vom 15. Oktober 197542 zum Europischen Auslieferungs- bereinkommen vom 13. Dezember 195748, da die in den Rotkreuz- Abkom- men von 1949 genannten Delikte sowie vergleichbare Verbrechen gegen das Kriegsrecht nicht als politische Delikte anzusehen sind. Dadurch war fr die Bekmpfung von terroristischen Akten in Friedenszeiten freilich kaum etwas gewonnen44, abgesehen davon, da das Protokoll erst fr wenige Staaten in Kraft getreten ist45. Erst das Europische bereinkommen zur Bekmpfung des Terrorismus vom 27. Januar 197746, das den 21 Staaten des Europarates offensteht, grenzte unmiverstndlich eine ganze Reihe typi- scher Terrordelikte, darunter auch die Delikte der Konventionen von Den

    Haag und Montreal, aus dem Bereich des politischen Deliktes aus, indem es diese Straftaten zwingend als nichtpolitisch fingierte. Fr weitere schwere Verbrechen wurde eine Fakultativklausel vereinbart, die es den Staaten un-

    geachtet des mglicherweise politischen Charakters der Tat ermglicht, den Tter auszuliefern. Eine Schwachstelle der Konvention liegt darin, da ein Vorbehalt erklrt werden kann, wonach die Auslieferung doch unter Be-

    rufung auf die Ausnahme bei politischen Delikten verweigert werden darf. Zehn der mittlerweile 17 Staaten, die das Abkommen ratifiziert haben, haben von dieser Mglichkeit Gebrauch gemacht47.

    41 American Bar Association, Division of Public Service Activities, Library of Congress Catalog Card No. 80-69462.

    42 European Treaty Series No. 86. 48 Vgl. zu diesem bereinkommen unten IV. 1. (Text zu FN 104). 44 Zu den Versuchen, das politische Delikt in Analogie zum Kriegsrecht ein-

    zugrenzen, vgl. unten III. 2. 45 Das Protokoll ist fur Danemark, Island, die Niederlande, Schweden, die

    Schweiz, Spanien und Zypern in Kraft, wobei sich die vier erstgenannten Staaten vorbehalten haben, die als nichtpolitisch fingierten Delikte doch als politische Straftaten anzusehen (Stand: 1. 10. 1985).

    4 BGB1. 1978 II, S. 322. Zu dieser Konvention vgl. z. B. Bartsch, NJW 1977, S. 1985 ff.; Stein, ZaRV Bd. 37 (1977), S. 668 ff.; Valle, A. F. D. I. 1976, S. 756 ff.

    47 Stand: 31.7.1986

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht AA2>

    3. Ausnahmen von der Ausnahme des politischen Delikts in Auslieferungsvertrgen

    a) Multilaterale Vertrge Auch in multilateralen Auslieferungsvertrgen finden sich nur selten Ein-

    schrnkungen des politischen Delikts, die ber die Attentatsklausel hinaus- gehen. Zu erwhnen sind das Agreement between the Arab League States Concerning the Extradition of Fugitive Offenders vom 3. November 195248, das nicht nur bei Mord, sondern ausdrcklich auch bei terroristischen Akten zur Auslieferung verpflichtet, sowie die Konvention ber die Zusammen- arbeit in Fragen der Rechtspflege der Organisation Commune Africaine et Malgache (OC AM) vom 12. September 196149, die vorstzliche Ttung von der Ausnahme bei politischen Delikten ausnimmt. Beide Abkommen sind aber nur von sehr wenigen Staaten ratifiziert worden.

    Das Europische Auslieferungsbereinkommen vom 13. Dezember 1957 und der Auslieferungs- und Rechtshilfevertrag in Strafsachen der Benelux- Staaten vom 27. Juni 196250 enthalten zwar eine Vorschrift, wonach die Verpflichtungen der Vertragsparteien aufgrund anderer multilateraler ber- einkommen unberhrt bleiben, jedoch ergeben sich hieraus fr die Terroris- musbekmpfung relevante Einschrnkungen des politischen Delikts nur insoweit, als spezielle Abkommen das politische Delikte selbst beschrnken und nicht lediglich das Prinzip aut dedere aut iudicare vorsehen. Unter den Vertragsstaaten ist die Ausnahme bei politischen Delikten daher nur ein- geschrnkt, soweit sie die Genozid-Konvention und das Europische ber- einkommen zur Bekmpfung des Terrorismus ratifiziert haben.

    b) Bilaterale Vertrge Ein etwas gnstigeres Bild zeigt sich bei bilateralen Auslieferungsvertr-

    gen. Es finden sich nicht nur Attentatsklauseln, sondern auch Vorschriften, die generell vorstzliche Straftaten gegen das Leben einschlielich Versuch und jeder Form der Teilnahme aus dem politischen Delikt ausgrenzen61. Etliche Vertrge enthalten auch eine bergewichtsklausel, wonach der er- suchte Staat bei der Prfung der Frage, ob das Auslieferungsdelikt einen politischen Charakter hat, die Schwere der Tat und ihre Folgen zu berck-

    4S 159 British and Foreign State Papers 606. 49 Sohn (Hg.), Basic Documents of African Regional Organizations, Bd. 2 (1972),

    S. 616. so 616 UNTS 80; Bulletin usuel belge 1967, Nr. 1454. 51 Vgl. die Auslieferungsvertrge der Bundesrepublik Deutschland mit Frankreich

    (29.11.1951), BGB1. 1953 II, S. 151 [auer Kraft seit 11.5.1986]) und Jugos- lawien (26. 11. 1970, BGB1. 1974 II, S. 1257) sowie die Vertrge Jugoslawiens mit Frankreich (23.9.1970, J. O. vom 21.12.1971, S. 12463) und Belgien (4.6.1971, Bull. us. 1973, Nr. 496).

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  • 444 K. Hailbronner/V. Olbrich

    sichtigen und zu erwgen hat, ob der gemeine Charakter der Tat nicht berwiegt62. Die USA haben schlielich in einigen Vertrgen Straftaten gegen international geschtzte Personen und gegen die Zivilluftfahrt als nichtpolitische Delikte vereinbart63. Der gleiche Effekt kann durch Klauseln erzielt werden, wonach solche Straftaten nicht als politische Delikte anzu- sehen sind, zu deren Verfolgung die Parteien aufgrund multilateraler Ab- kommen verpflichtet sind64.

    4. Eingrenzungen des politischen Delikts in nationalen Vorschriften

    In Auslieferungsgesetzen lassen sich hufiger und auch weitergehendere Einschrnkungen des politischen Delikts ausmachen als in vlkerrechtlichen Vertrgen66. So stellen vorstzliche Ttungsdelikte in den Gesetzen Finn- lands und der Bundesrepublik Deutschland66 auch dann kein Auslieferungs- hindernis dar, wenn ihnen an sich ein politischer Charakter zukommt. Eine Obergewichtsklausel zur Bestimmung des etwaigen politischen Charakters eines Delikts enthalten die Gesetze der skandinavischen Staaten, sterreichs, der Schweiz und Spaniens sowie einiger Staaten Sdamerikas. Terroristische Delikte sind nach den Verfassungen Spaniens, Perus und Chiles sowie den

    Auslieferungsgesetzen Brasiliens und Ekuadors nicht als politische Delikte anzusehen. Schlielich hat der Suppression of Terrorism Act 197867 in Grobritannien dazu gefhrt, da der etwaige politische Charakter von in dem Terrorismus-Ubereinkommen aufgezhlten Delikten einschlielich der nur fakultativ als nichtpolitisch geltenden Straftaten eine Auslieferung

    62 So z. B. die Vertrge Frankreidis mit sterreidi (9. 7. 1975, J. O. vom 26.1.1977, S. 598 [auer Kraft seit 11.5.1986]) und Jugoslawien (FN 51), der Vertrag zwischen den Niederlanden und San Marino (7. 11. 1902, Staatsblad 1903, Nr. 73), die Vertrge Italiens (smtliche abgedruckt bei Pisanil Mosconi, Codice delle Convenzioni di estradizione e di assistenza giudiziaria in materia penale, 1983) mit Argentinien (16. 6. 1866), Jugoslawien (6. 4. 1922), Mexiko (22. 5. 1899), Panama (7.8.1970), der CSSR (6.4.1922) und - bei Luftpiraterie - mit Rumnien (11.11.1972); des weiteren die Vertrge zwischen der Schweiz und Brasilien (23.7.1932, SR 0353.919.8) und zwischen sterreich und der CSSR (18.11.1982, BGBl. 1985 Nr. 381) sowie die Vertrge der USA mit Argentinien (21. 1. 1972, 23 UST 3501), Brasilien (13. 1. 1961, 15 UST 2093) und - bei Luft- piraterie - mit Spanien (29. 5. 1970, 22 UST 737).

    53 So in den Vertrgen mit Finnland (11.6.1976, TIAS 9626), Kanada (3.12. 1971, 27 UST 983) und Paraguay (24. 5. 1973, 25 UST 967).

    64 Vgl. die Vertrage der Bundesrepublik Deutschland mit Frankreich (JhJN 51), Jugoslawien (FN 51), Kanada (11.7.1977, BGBl. 1979 II, S. 665), Monaco (21. 5. 1962, BGBl. 1964 II, S. 1297) und den USA (20. 6. 1978, BGBl. 1980 II, S. 646) sowie den Vertrag zwischen den USA und Mexiko (4. 5. 1978, TIAS 9656).

    66 Siehe den Oberblkk bei Stein (FN 13), S. 112 ff. 6 6 Abs. 1 S. 2 IRG (BGBl. 1982 I, S. 2071). " 1978 c. 26.

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 445

    an einen Vertragsstaat der Konvention nicht hindert. Gegenber anderen als Konventionsstaaten kann die Anwendbarkeit des Gesetzes vom Auen- minister angeordnet werden. Diese innerstaatlichen Beschrnkungen des politischen Delikts bewirken freilich nur, da in politischen Fllen einer Auslieferung weniger hufig Rechtsgrnde entgegenstehen. Sie haben keinen Einflu auf die vlkerrechtliche Frage, ob der ersuchte Staat zur Ausliefe- rung verpflichtet ist. Gleichwohl knnen auch Ausgrenzungen bestimmter terroristischer Delikte oder auch allgemein schwerer Straftaten in Ausliefe- rungsgesetzen einen Beitrag zur Terrorismusbekmpfung leisten, nmlich dann, wenn eine an sich auslieferungswillige Regierung durch das bisherige, keine Einschrnkungen des politischen Delikts enthaltende innerstaatliche Recht und die entsprechende Rechtsprechung hierzu an einer Auslieferung gehindert ist.

    5. Restriktive Interpretationen des politischen Delikts durch nationale Gerichte

    hnliche Erwgungen gelten auch fr die Praxis der ber die Zulssigkeit von Auslieferungen entscheidenden Gerichte. Eine noch so konsequente antiterroristische Rechtsprechung ist allerdings nutzlos, wenn eine Regie- rung ebenso konsequent allein aufgrund politischer Motive der Tter den Delikten einen politischen Charakter zuerkennt und die Auslieferung von Terroristen verweigert, wie dies beispielsweise ab dem Frhjahr 1981 etwa zwei Jahre lang in Frankreich der Fall war. Nach jahrzehntelanger sehr grozgiger Auslegung des politischen Delikts, die in dem Urteil ber die amerikanischen Luftpiraten von 197658 gipfelte, wo die wohl nur vorge- schobenen politischen Motive als ausreichend erachtet wurden, hatte sich die zeitweise uneinheitliche franzsische Rechtsprechung Anfang der achtziger Jahre unter regelmiger Bercksichtigung der Schwere der Straftaten dahin konsolidiert, da die Auslieferung von Angehrigen von Roten Brigaden, RAF oder ETA berwiegend als zulssig angesehen wurde59. Dabei drfte freilich auch die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung der ersuchen- den Staaten eine Rolle gespielt haben.

    Von jeher restriktiver waren die englischen und ihnen folgend die ameri- kanischen Gerichte, bei denen politische Motive allein nie gengten, um den Tter zu privilegieren. Whrend sich jedoch in Grobritannien, beginnend mit Kolczynski60, eine differenzierende Rechtsprechung durchsetzte, die die Verhltnisse und Motive des Verfolgerstaates bercksichtigte, hielten die

    58 Siehe oben FN 18 (McNair et al.). Vgl. auch McDowell (Hg.), Digest of United States Practice in International Law 1976, S. 124 f.

    5 Vgl. Borricand (FN 19), Nrn. 23-26. o (1955) 1 All E.R. 31. Zu diesem Fall vgl. z.B. Van den Wijngaert (FN 6),

    S. 112 f.; Stein (FN 13), S. 187 f.

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  • 446 K.Hailbronner/V.Olbridj

    amerikanischen ebenso wie die irischen Gerichte an den Mastben aus Castioni61 fest. Das fhrte in bezug auf Mitglieder der IRA oder hnlicher nordirischer Organisationen zu einer vllig kontrren Praxis des Vereinigten Knigreichs einerseits und der USA und Irlands andererseits. Allerdings scheint sich insoweit bei den irischen Gerichten ein Wandel anzubahnen. Im Fall McGlinchey62 verneinte der irische Oberste Gerichtshof angesichts der Schwere der Tat das Vorliegen eines politischen Delikts. Mit Blick auf die Aktivitten der IRA fhrte das Gericht aus, da modern terrorist violence, whether undertaken by military or paramilitary organizations, or by indi- viduals or groups of individuals, is often the antithesis of what could rea- sonably be regarded as political, either in itself or in its connections". Aber auch in den USA deutete sich im Fall Abu Eain68 eine Trendwende an, wenn auch mit einem etwas anderen Ansatz. Nach wie vor unterscheiden sich aber die amerikanischen und irischen Entscheidungen von denjenigen der britischen Gerichte darin, da die Asylbedrftigkeit des Tters nicht

    geprft wird. Seit der Entscheidung im Fall Lincoln64 haben die US-Ge- richte die Frage, welche Motive hinter dem Auslieferungsersuchen stehen, als Angelegenheit der Executive angesehen, was im Fall Abu Eain erneut be-

    sttigt wurde (rule of non-inquiry"). Die Schwere der Tat wird auch in der Praxis der belgischen, niederln-

    dischen und schweizerischen Gerichte als Kriterium fr eine Eingrenzung des politischen Delikts herangezogen, teilweise in Verbindung mit der Frage nach der Legitimitt der Ziele des Tters, was bei terroristischen Straftaten

    regelmig zu einer positiven, d. h. die Zulssigkeit der Auslieferung aus- sprechenden Entscheidung fhrt.

    III. Neuere Vorschlge zur Einschrnkung der

    Auslieferungsausnahme bei politischen Delikten

    Der berblick ber die vlkerrechtlichen Vertrge zeigt, da eine Er-

    weiterung von Auslieferungspflichten im Hinblick auf terroristische Delikte nur vereinzelt geglckt ist. Von den speziellen, gerade auf eine Eindm-

    mung des internationalen Terrorismus zielenden bereinkommen geschah dies allein durch das Europische Terrorismus-bereinkommen von 1977,

    i Siehe oben FN 10. 2 Irish Law Reports Monthly 1983, S. 169 (McGlindiey v. Wren). Vgl. dazu

    Kelly, ZaRV Bd. 45 (1985), S. 44 ff. (54 ff.), der auch den hnlich gelagerten Fall Shannon behandelt.

    s Eain v. Wilkes, 641 F.2d 504 (7th Cir., 20. 2. 1981). Siehe zu diesem Fall unten III. 1.

    4 228 Fed. 70 (E. D. N. Y. 1915). Angedeutet wurde diese Rechtsprechung bereits in In re Ezeta, 62 Fed. 972, 986 (N. D. Cal. 1894).

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 447

    das aber nur von einem Drittel der Staaten des Europarates vorbehaltlos ratifiziert worden ist. Soweit multilaterale Auslieferungsvertrge ber die fr die Terrorismusbekmpfung bedeutungslose Attentatsklausel hinaus-

    gehende Ausgrenzungen aus dem politischen Delikt enthalten, haben sie keine groe Verbreitung gefunden. Die Zahl der bilateralen Auslieferungs- vertrge, in denen sich eine der erwhnten Einschrnkungen des politischen Delikts findet, ist im Vergleich zu der Gesamtzahl existierender Vertrge - etwa 1 500 - verschwindend gering. Zudem sind teilweise nur ganz bestimmte Delikte wie etwa Luftpiraterie ausgeschlossen. Auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts, das im Rahmen der Terrorismusbekmpfung eher sekundr ist, weil es keinen Einflu auf den Umfang der Auslieferungs- pflichten hat, finden sich nur in wenigen westlichen Demokratien Ausgren- zungen aus dem Begriff des politischen Delikts. Als geradezu vorbildlich mu hier aber der offenbar auf die leidvollen nordirischen Erfahrungen zurckzufhrende Suppression of Terrorism Act 1978 in Grobritannien

    hervorgehoben werden. Das auslieferungsrechtliche Instrumentarium in seiner gegenwrtigen

    Ausgestaltung bietet daher keine Handhabe, um dem modernen internatio- nalen Terrorismus angemessen begegnen zu knnen. Der unbestimmte Be-

    griff des politischen Delikts" setzt die Staaten in die Lage, je nach poli- tischer Opportunitt oder aufgrund eines weiten Asylverstndnisses mehr oder weniger ausgeprgte politische Motive von Gewaltttern gengen zu lassen, um eine Auslieferung zu verweigern. Angesichts dessen fehlt es auch in der jngsten Vergangenheit nicht an Vorschlgen, wie man dem Phno- men des politischen Terrorismus auch im Bereich des Auslieferungsrechts wirksamer entgegentreten knnte.

    1. Die Wanton Crimes "-Lsung

    1981 hatte der amerikanische Court of Appeals (7th Cir.) den bereits er- whnten Fall Abu Eain66 zu entscheiden. Eain wurde von den israelischen Behrden vorgeworfen, auf einem Marktplatz in Tiberias eine Bombe deponiert zu haben, durch deren Detonation zwei Menschen gettet und eine ganze Reihe weiterer Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Der Verfolgte machte geltend, es handele sich hierbei um ein politisches Delikt, da in Israel ein mit gewaltsamen Mitteln ausgetragener Konflikt stattfinde, an dem die PLO beteiligt sei und dem die ihm vorgeworfene Tat wegen seiner Mitgliedschaft in der PLO zugerechnet werden msse.

    Der Court of Appeals ging zunchst auf die Kritik ein, die der Recht- sprechung vorgeworfen hatte, sie interpretiere die Ausnahme bei politischen Delikten einerseits zu weit, weil alle im Verlaufe eines Aufruhrs begange- nen Straftaten erfat wrden, und andererseits zu eng, weil ein Aufstand

    65 Siehe FN 63.

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  • 448 K. Hailbronner/V. Olbricb

    vorausgesetzt werde66. Das Gericht rumte ein, da die Schwche des incidence test in einem Fall wie dem vorliegenden offenkundig sei. Er sei jedoch flexibel genug, um Mibruche zu vermeiden. Die Frage, ob in Israel ein gewaltttiger politischer Aufruhr wie z. B. Krieg, Revolution oder Rebellion" stattfinde, lie das Gericht offen. Es deutete aber seine Zweifel an. Wrde man die auf die Vertreibung einer bestimmten Bevl- kerungsgruppe gerichteten Handlungen gegenber Zivilpersonen ausreichen lassen, knnte eine massenhafte Flucht von Terroristen nach Amerika nicht verhindert werden. Es sei nicht Sinn der Auslieferungsausnahme, Terroristen zu schtzen, die anderswo barbarische Akte begangen htten. Sie sollte zurckhaltend angewendet werden, damit das Land kein sozialer Dschungel fr Terroristen werde.

    Entscheidend war, da das Gericht die Tat Abu Eains nicht als Bestandteil eines Aufruhrs wertete. Zunchst wird klargestellt, da insoweit nicht die Beweggrnde des Tters ausschlaggebend seien. Die Definition von poli- tischem Aufruhr", mit dem Schwerpunkt auf organisierten Formen von Gewalt wie z. B. Krieg, Rebellion und Revolution, ziele auf Akte, die die politische, nicht aber die soziale Struktur eines Staates zerschlgen. Mangels einer unmittelbaren Verknpfung zwischen Tter, politischen Zielen einer

    politischen Organisation und spezifischer Tat mache die Ausnahme das wahllose Bombenlegen in der Absicht, Zivilisten kaltbltig zu ermorden, nicht zum Bestandteil eines Umsturzversuchs. Vielmehr seien willkrliche Bombenanschlge auf die zivile Bevlkerung nicht als schtzenswerte poli- tische Akte anerkannt, selbst wenn das weitere politische" Ziel des Bom-

    benlegens die Eliminierung der Zivilbevlkerung eines Landes sein sollte. Andernfalls wrden isolierte, aus persnlichen Grnden unternommene Akte sozialer Gewalt allein deshalb geschtzt werden, weil sie sich in einer Zeit politischer Umwlzungen ereigneten. Diese Konzeption der Trennung zwischen politischer und sozialer Struktur eines Staates ist im Grunde nicht neu. Das Gericht nimmt denn auch bezug auf die Entscheidung in dem britischen Fall Meunier67 und wertet die Tat Abu Eains als anarchist-like activity", die die Zerstrung eines politischen Systems durch Zerschlagung der sozialen Grundstrukturen des Staates bezwecke. Die Abgrenzung zu anderen Fllen68 unterstreicht das in den Augen des Gerichts entscheidende

    Lubet/Czaczkes, The Role of the American Judiciary in the Extradition of Political Terrorists, J. Crim. L. & Criminology Bd. 71 (1980), S. 193 ff. (203 f.); Cantrell (FN 32), S. 795. Vgl. auch Lubet, Extradition Reform: Executive Dis- cretion and Judicial Participation in the Extradition of Political Terrorists, Cornell Int'l L. J. Bd. 15 (1982), S. 247 ff. (262 f.).

    7 Siehe oben FN 22. 8 United States v. Artukovic (FN 11), Ramos v. Diaz (FN 11). Im Fall

    Artukovic dienten die angeblichen Delikte zumindest nominell der Eliminierung der politischen Gegner, im Fall Diaz war ein politischer Gefangener der Revolu- tionsarmee Castros das Opfer.

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 449

    Kriterium: Das Fehlen jeglicher Differenzierung (indiscriminate") unter den Opfern. Eine Gewalttat ist danach nicht Bestandteil eines Aufruhrs, wenn sie die Opfer ohne Rcksicht auf deren politische Stellung oder staat- lichen oder militrischen Status trifft.

    Im Gegensatz zu dem Palstinenser Abu Eain wurde das PIRA-Mitglied McMullen nicht ausgeliefert, dessen Fall noch vor dem Eain-Urteil ent- schieden wurde. McMullen soll an einem Bombenanschlag auf eine Kaserne in England beteiligt gewesen sein. Der Untersuchungsrichter (Magistrate) bejahte zunchst die Existenz eines Aufstandes in Nordirland und sah den Anschlag auch als Teil der politischen Unruhen an. Eine Einschrnkung des incidence test zog er nicht in Erwgung, sondern betonte im Gegenteil, da es auf die Schwere der Tat nicht ankomme: Das politische Delikt mu Bestandteil politischer Unruhen sein und begangen worden sein, um einen politischen Aufstand zu frdern. So bedauerlich und abscheulich die Tat auch sein mag, der Tter ist vor Auslieferung geschtzt, wenn das Ver- brechen unter diesen Voraussetzungen begangen worden ist"69. Eine Be- rcksichtigung der Gesichtspunkte in dem Eain-Urteil htte allerdings zu keinem anderen Ergebnis gefhrt. Denn die McMullen zur Last gelegte Tat richtete sich nicht wahllos gegen die Bevlkerung, sondern gegen eine Einrichtung der Armee. McMullen, der frher selbst Soldat der britischen Armee gewesen war, soll zuvor bereits an einem Anschlag auf eine Kaserne in der Nhe von Belfast mitgewirkt haben. Zweifel ergeben sich jedoch hin- sichtlich der Frage, ob die Unruhen in Nordirland die erforderliche Intensitt erreicht hatten und ob ein in England verbter Anschlag ggfs. Bestandteil des Aufstands sein konnte. Der Untersuchungsrichter lie es insoweit gengen, da die PIRA die Unabhngigkeit der nordirischen Grafschaften zu er- kmpfen suchte und ihre aufstndischen und terroristischen Aktivitten auf England ausgedehnt hatte.

    Im Fall Mackin70 befand die Untersuchungsrichterin unter Bercksichti- gung der Abu Eain-Entscheidung, da die PIRA einen politischen Aufstand fhre und da der angebliche Mordversuch an einem britischen Soldaten in Belfast zu Mackins Rolle im Kampf der PIRA gehrt hatte. Um ausschlie- lich in Nordirland begangene Delikte ging es auch im Fall Doherty71. Das

    9 No. 3-78-1099 MG (N. D. Cal., 11.5.1979). Vgl. zu diesem Fall Hannay, International Terrorism and the Political Offense Exception to Extradition, Colum. J. Transnat'l L. Bd. 18 (1979), S. 381 ff. (398 f f.); Pyle, Extradition, Political Crimes, and the U. K. Treaty, Statement before the Senate Committee on Foreign Relations, September 18, 1985, S. 95.

    70 No. 80 Cr. Mies. 1 (S. D. N. Y., 13. 8. 1981). Die Berufung der Regierung wurde als nidit statthaft verworfen; vgl. 668 F.2d 122 (2nd Cir., 13. 12. 1981). Zu einer vergleidienden Analyse dieses Falles mit Abu Eain vgl. Schiff, A Note on Extradition and Terrorism, Alberta L. Rev. Bd. 21 (1983), S. 436 ff.

    7i 599 F. Supp. 270 (S. D. N. Y., 12. 12. 1984).

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  • 450 K. HailbronnerlV. Olbricb

    Vereinigte Knigreich begehrte die Auslieferung zur Vollstreckung eines Urteils wegen Mordes, Mordversuchs und illegalen Waffenbesitzes. In dem Urteil wurde Doherty fr schuldig befunden, an dem Versuch eines ber- falls der PIRA auf eine Patrouille der britischen Armee beteiligt gewesen zu sein. Die Tat milang, weil die Armee von dem Plan erfahren und eine mit Maschinengewehren ausgerstete Spezialeinheit zu dem Hinterhalt ge- schickt hatte. In dem Feurgefecht wurde ein Soldat gettet. Zwei Tage vor der Urteilsverkndung, aber nach Beendigung der Beweisaufnahme, gelang Doherty die Flucht aus dem Gefngnis in Belfast. Der District Court er- rterte das Ausma der Unruhen in Nordirland und die hierdurch bedingte spezielle Gesetzgebung. Er bejahte die Voraussetzungen des incidence test, vertrat jedoch die Auffassung, da dieses Konzept kaum mit den Realitten der modernen Welt und dem Bedrfnis vereinbar sei, die Auslieferungs- ausnahme im Licht der Erfahrungen der jngeren Geschichte zu interpre- tieren. Nicht jeder zu einem politischen Zweck oder whrend politischer Unruhen begangene Akt drfe oder sollte als politisches Delikt angesehen werden. Es sei jedoch keine Situation gegeben, in der eine Bombe in einem Kaufhaus, einem Wirtshaus oder einem Hotel zur Detonation gebracht wor- den sei und zu wahllosem Personen- und Sachschaden gefhrt habe. Der Ausnahme lge die Erwgung zugrunde, da eine Person nicht wegen ihrer

    politischen Anschauung verfolgt werden sollte, sie sei aber nicht dazu be- stimmt, eine Person vor den Folgen von Handlungen zu bewahren, die die Grenzen des internationalen Rechts berschritten. Es sei auch weder Gewalt

    gegen zivile Reprsentanten der Regierung verbt worden noch sei die Tat auerhalb des Territoriums begangen worden, in dem die politische Ver-

    nderung bewirkt werden sollte. Die einzigen Zweifel erweckten die eher

    sporadische und unkonventionelle Art der Kriegsfhrung. Entscheidend fr das Gericht war insoweit die Organisation, Disziplin und Kommandostruk- tur der PIRA, die sie von eher amorphen Gruppen wie der Black-Liberation- Armee oder den Roten Brigaden unterschieden.

    Erstmals im Fall Quinn wurde die Auslieferung eines PIRA-Mitgliedes fr zulssig erklrt. Der Verfolgte, ein amerikanischer Staatsbrger, wurde von den britischen Behrden beschuldigt, in London auf der Flucht einen Polizisten gettet und an einer Reihe von Bombenanschlgen in England mitgewirkt zu haben. Mehrere Bomben waren mit der Post verschickt wor- den, davon eine an einen katholischen Kaplan der britischen Armee und eine andere an einen Crown Court-Richter. Die Explosion der an den Richter adressierten Bombe verletzte diesen im Gesicht und zerstrte Teile seiner Hnde, eine weitere Bombe zerfetzte die linke Hand eines Sicherheits- beamten. Zwei rechtzeitig entdeckte Bomben waren bei einem Bahnhof und vor einem Restaurant deponiert worden. Der Untersuchungsrichter be-

    jahte zwar das Vorhandensein eines Aufstandes, er gelangte jedoch zu dem

    Ergebnis, da die Quinn vorgeworfenen Taten nicht Bestandteil dieses Auf-

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 451

    Standes gewesen seien. Ausschlaggebend sei insoweit, da die Anschlge entweder gezielt unschuldigen Zivilisten gegolten htten oder in verant- wortungsloser Miachtung des Lebens unschuldiger Zivilpersonen verbt worden seien72. Diese Interpretation der Auslieferungsausnahme ist enger als diejenige des Court of Appeals im Fall Abu Eain, weil nicht nur in be- zug auf die Opfer wahllose Terrorakte, sondern auch Attentate auf be- stimmte Personen ausgeklammert werden, sofern es sich hierbei um unbe- teiligte Zivilpersonen handelt. Der District Court indessen verwarf die Entscheidung des Untersuchungsrichters78. Das Gericht legte die Einschrn- kung des politischen Delikts im Fall Abu Eain dahin aus, da die Vertrei- bung der Bevlkerung gewollt sein msse. Auerdem hielt es sich nicht fr befugt zu entscheiden, welche Handlungen mit den Regeln zivilisierter Kriegsfhrung konform seien und welche nicht.

    Der Court of Appeals74 besttigte die Vorinstanzen und die bisherige Rechtsprechung in bezug auf die Unruhen in Nordirland, die im Zeitpunkt der Straftaten von ausreichender Intensitt gewesen seien. Die Quinn vor- geworfenen Handlungen waren nach Auffassung des Gerichts ihrer Art nach auch geeignet, Bestandteil eines Aufstands zu sein. Neben dem zeitlichen Zusammenhang msse eine urschliche und ideologische Verbindung zu dem Aufstand bestehen. Hingegen komme es nicht auf die Organisation und die Hierarchie der Widerstandsgruppe oder die Mitgliedschaft des Verfolgten in einer solchen Gruppe an. In Anspielung auf die Entscheidung des Unter- suchungsrichters stellte das Gericht darber hinaus fest, da es keine Recht- fertigung fr eine Unterscheidung zwischen militrischen und zivilen Zielen gbe. Auch eine Ausgrenzung besonders brutaler, wahllos begangener An- schlge wie im Fall Abu Eain wurde nicht in Erwgung gezogen. Dies mag vielleicht daran gelegen haben, da das Gericht aus einem anderen Grund Quinns Taten nicht als Bestandteil des Aufstands ansah. Da sich die Un- ruhen auf Nordirland beschrnkten, knnten in England begangene Delikte dem Aufstand nicht zugerechnet werden. Zum einen seien die Aktivitten der PIRA auerhalb Nordirlands weniger ausgeprgt, zum anderen, und dies sei von grerer Bedeutung, gehe die Gewalt in England nicht von Bewohnern dieses Landes aus, vielmehr sei der Kampf von Nordirland nach England getragen worden, um in Nordirland eine nderung der politischen Verhltnisse zu erreichen. Der Begriff Aufstand" beziehe sich auf ein Volk, das sich erhebe, in seinem eigenen Land und gegen die Regierung dieses Landes. Er umfasse nicht Terrorismus oder anderes kriminelles Verhalten, das in andere Gebiete exportiert worden sei. Dieser geographische Lsungs- ansatz war innerhalb des Gerichts umstritten. Darber hinaus war ein

    72 No. CR-81-146 Misc. (N. D. Cal., 29. 9. 1982). 73 Quinn v. Robinson, No. C-82-6688, slip op. (N. D. Cal., 3. 10. 1983). 74 783 F.2d 776 (9th Cir., 18. 2. 1986).

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  • 452 K. Hailbronner/V. Olbrij

    dissentierender Richter der Auffassung, in London begangene Handlungen irischer Nationalisten stellten keinen internationalen Terrorismus oder anderes, in andere Gebiete exportiertes kriminelles Verhalten dar.

    Auch auf legislativer Ebene wurden in den USA Anfang der achtziger Jahre verschiedene Versuche unternommen, die Auslieferungsausnahme bei

    politischer Verfolgung zu begrenzen75. Der Entwurf des House Judiciary Committee vom 16. Juni 1983 sah vor, da neben den Delikten der Diplo- matenschutzkonvention und anderen Straftaten, die aufgrund internatio- naler Konventionen zu einer Verpflichtung zur Auslieferung oder Strafver-

    folgung fhren, auch die absichtliche direkte Teilnahme an einer rcksichts- oder wahllosen (wanton or indiscriminate") Gewalttat, die mit vlliger Gleichgltigkeit gegenber der Gefahr, den Tod oder schwere Krper- verletzungen von Personen zu verursachen, die nicht an bewaffneten Feind-

    seligkeiten beteiligt sind, begangen worden sei, nicht als politisches Delikt

    gelten soll76. Damit hat der Kongre den im Fall Abu Eain angewendeten Mastab aufgegriffen, um terroristischen Handlungen mittels einer Gene- ralklausel - als Ergnzung zu einem Katalog ausdrcklich genannter Delikte - das Privileg bei politischen Delikten zu entziehen77.

    2. Die kriegsrechtliche Lsung

    Das Committee on International Terrorism der International Law Asso- ciation schlug 1982 vor, von folgender Prmisse auszugehen:

    Niemandem sollte es erlaubt sein, der Strafverfolgung oder Auslieferung wegen seiner politisdien Beweggrnde zu entgehen, der der Strafverfolgung oder Auslieferung unterliegen wrde, wenn er dieselben Handlungen als Soldat in einem internationalen bewaffneten Konflikt begangen htte."78

    Dem liegt die Erwgung zugrunde, da Handlungen, die - von Kombattanten in einem internationalen bewaffneten Konflikt begangen -

    nach den Genfer Rotkreuz- Abkommen vom 12. August 1949 zur Strafver-

    folgung oder Auslieferung des Tters fhren wrden, erst recht in Friedens-

    75 Vgl. Hannay (FN 15); Currin, Extradition Reform and the Statutory Defi- nition of Political Offenses, Va. J. Int'l L. Bd. 24 (1984), S. 419 ff., 441 ff.

    76 H. R. 3347, 98th Cone., 1st Sess. (1983), 3194 (e (2) (E). 77 Vgl. auch den hnlichen Vorschlag von Lubet (FN 66), S. 271 f. 78 4. Zwischenbericht des Berichterstatters auf der 60. Tagung der ILA (Mon-

    treal Conference, 1982), Nr. 21. Art. 3 der auf der 61. Tagung (Paris, 1984) verabschiedeten Resolution lautet: Die Berufung auf den Kombattanten-Status reditfertigt keine Handlung des internationalen Terrorismus. Kein Staat darf es zulassen, da eine Person, die eine Handlung des internationalen Terrorismus begangen hat, der Strafverfolgung oder Auslieferung entgeht, nur weil diese Person als Kombattant betrachtet werden sollte, wenn die Tat nach dem Recht ber bewaffnete Konflikte illegal ist."

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 453

    Zeiten nicht ungeshnt bleiben drfen79. Anders als bei dem Ersten Zusatz-

    protokoll zum Europischen Auslieferungsbereinkommen80 geht es bei diesem Lsungsansatz nicht um Kriegsverbrechen, sondern um auerhalb bewaffneter Konflikte begangene Delikte gleicher Intensitt.

    Der Gedanke eines Rckgriffs auf das Kriegsrecht ist nicht neu. Die auf der Tagung in Genf 1892 verabschiedete Auslieferungsresolution des Insti- tut de Droit International enthlt folgenden Absatz :

    Bei Delikten, die im Verlaufe eines Aufstandes oder eines Brgerkriegs be- gangen wurden . . . sollte die Auslieferung nur zulssig sein, wenn sie Akte von sdindlidier Grausamkeit und Vandalismus darstellen, die nadi den Gesetzen des Krieges verboten sind . . ."81

    Diese Formulierung fand Eingang in das franzsische Auslieferungsgesetz vom 10. Mrz 192782.

    Eine Verpflichtung zu Strafverfolgung oder Auslieferung beispielsweise nach dem IV. Genfer Rotkreuz-Abkommen besteht namentlich bei vor- stzlicher Ttung, Folterung, unmenschlicher Behandlung, schwerer Beein- trchtigung der krperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit, das Fest- nehmen von Geiseln und Zerstrung von Eigentum, sofern diese Hand- lungen in groem Ausma rechtswidrig und willkrlich vorgenommen werden."83 In den beiden Zusatzprotokollen vom 12. Dezember 1977 ber den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) und nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II)84 werden zahlreiche weitere Delikte verboten85, z. B. Angriffe auf das Leben, die Gesundheit oder das krperliche oder geistige Wohlbefinden, Geiselnahme, Beeintrchtigungen der persnlichen Wrde und terroristische Handlungen gegen Personen, die sich nicht unmittelbar oder nicht mehr an Feindselig- keiten beteiligen. bertragen auf Friedenszeiten wrden diese Verbote

    7 Vgl. Art. 50 des I.Abkommens (BGBl. 1954 II, S. 738), Art. 51 des II. Ab- kommens (BGB1. 1954 II, S. 813), Art. 130 des III. Abkommens (BGBl. 1954 II, S. 838), Art. 147 des IV. Abkommens (BGBl. 1954 II, S. 917). Zur Problematik des Kriegsredits in bezug auf den internationalen Terrorismus allgemein vgl. Hailbronner, International Terrorism and the Laws of War, GYIL Bd. 25 (1982), S. 169 ff.

    so Siehe oben FN 42. si Artikel 3 der Resolution vom 8.9. 1892, Ann. IDI Bd. III. (d. nouv. abr.,

    1892-1896), S. 217. 82 J.O. vom 11.3. 1927 (Art. 5 Abs. 2 S. 2). Vgl. zu dieser Einschrnkung des

    politischen Delikts die Entscheidung der Cour d'Appel Paris vom 17. 10. 1979 im Fall Piperno (Nr. 1343-79), behandelt z.B. von Stein (FN 13), S. 245 und Hannay (FN 69), S. 406 ff. Eine der Auslieferungsresolution von 1892 nachge- bildete Begrenzung des politischen Delikts enthalten z. B. auch die Auslieferungs- gesetze Marokkos vom 8. 1. 1958 und des Iran vom 4. 5. 1960.

    S3 Art. 147 des IV. Abkommens (FN 79). 84 Der deutsche Text der beiden Protokolle ist abgedruckt in Vlkerrechtliche

    Vertrge, Beck-Texte Nr. 5031, Nrn. 44, 45. 85 Art. 85 Abs. 3 und 4 Protokoll I und Art. 4 Abs. 2 Protokoll II.

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  • 454 K. HailbronnerlV. Olbrij

    bedeuten, da etwa der Angriff auf das Leben jeder Person untersagt wre. Wrden alle in bezug auf den Terrorismus relevanten kriegsrechtlich verbotenen Handlungen in die Ausgrenzung aus dem Begriff des politischen Delikts miteinbezogen werden, und zwar einschlielich der durch das Protokoll II verbotenen Handlungen86, wrde die Auslieferungsausnahme daher in der Tat betrchtlich eingeschrnkt werden.

    Derart weitgehend ist die kriegsrechtliche Lsung in der Praxis freilich noch nie gehandhabt worden, vielmehr bleiben die Ausgrenzungen aus der Auslieferungsausnahme auf der Linie, wie sie bereits vom Institut de Droit International 1892 gezogen worden ist. Die Analogie zum Kriegsrecht wurde auch im Fall Doherty errtert. Der District Court wies darauf hin, da die zivilisierte Welt Greueltaten wie in Dachau, Auschwitz, My Lai, Lidice, Katyn sowie eine ganze Reihe von Verletzungen internationalen Rechts nicht zu akzeptieren bereit sei. Die Nrnberger Prozesse htten keine Berechtigung oder Bedeutung, wenn jeder zu einem politischen Zweck

    begangene Akt als politisches Delikt eingestuft werden knnte. Das Gericht gelangte zu dem Schlu, da keine Handlung als politisch betrachtet wer- den drfe, die ihrer Natur nach internationales Recht verletze und unver- einbar sei mit internationalen Standards zivilisierten Verhaltens. Eine Tat, die selbst in einem erklrten Krieg oder auf dem Hhepunkt eines offenen militrischen Konflikts strafbar sei, knne und solle keine Anerkennung durch die Auslieferungsausnahme erhalten87. Da bei der Doherty vorge- worfenen Tat, der Beteiligung an einem Feuergefecht mit einer Einheit der britischen Armee, von einer Handlung schndlicher Grausamkeit nicht die Rede sein konnte, blieb die Ausnahme in seinem Fall auch von diesem

    Ansatzpunkt unberhrt. Im Fall Demjanjuk deutete der District Court

    allerdings an, da die Auslieferungsausnahme im Zusammenhang mit dem

    Kriegsrecht auch weniger weit interpretiert werden knnte und bezeichnete die Auslegung des politischen Delikts im Fall Doherty als sehr umfassende Definition. Zu einer eingehenderen Auseinandersetzung mit dieser Frage bestand kein Anla, da der gegen Demjanjuk erhobene Vorwurf - Mas- senmord in dem Konzentrationslager Treblinka - so schwerwiegend war, da die Tat auch nach der Auffassung des District Courts im Fall Doherty und nach der Auslieferungsresolution des Institut de Droit International nicht als politisches Delikt betrachtet werden konnte88.

    86 Im Gegensatz zu den vier Abkommen von 1949 und zu Protokoll I, die internationale Konflikte zum Gegenstand haben, sieht Protokoll II keine Pflidit zur Strafverfolgung oder Auslieferung vor.

    S7 FN 71 (S. 274). 88 Matter of Demjanjuk, 612 F. Supp. 544, 570 (D. C. N. D. Ohio, 15. 4. 1985).

    Der District Court verweist insoweit audi auf die Entsdieidung des Unter-

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 455

    3. Der kategorische Ausschlu von Gewaltakten

    Am 25. Juni 1985 unterzeichneten die USA und das Vereinigte Knig- reich einen Zusatzvertrag89 zu dem amerikanisch-britischen Auslieferungs- vertrag vom 8. Juni 197290 mit dem Ziel, durch die Ausgrenzung schwerer, typischerweise von Terroristen begangener Verbrechen aus dem Bereich des politischen Delikts den Terrorismus wirksamer zu bekmpfen. Nicht als politische Delikte galten beispielsweise Flugzeugentfhrungen und An- schlge auf die Sicherheit der Zivilluftfahrt, Verbrechen gegen Diplomaten, Geiselnahme und andere abscheuliche Handlungen wie Mord, Totschlag, vorstzliche Gewaltttigkeiten und bestimmte Waffen- und Sprengstoff- delikte sowie schwere Sachbeschdigungen91.

    Art. 1 des Vertrages in der Fassung vom 25. Juni 1985 stellte die bis dahin umfangreichste vertragliche Ausgrenzung von Straftaten aus dem Begriff des politischen Delikts dar. Der Vorteil einer derart rigorosen Lsung ist offenkundig: Bei politisch motivierten Gewaltakten ist unzwei- deutig eine Auslieferungsverpflichtung gegeben. Gerade weil nicht danach gefragt wird, ob ein Aufstand stattfindet, ob das Delikt dem Aufstand zu- zurechnen ist oder ob der gemeine oder der politischen Charakter der Straf- tat berwiegt, ist eine hohe Effizienz gewhrleistet. Bedenken gegen eine so weitreichende Beschrnkung des politischen Delikts ergeben sich im Hinblick auf das humanitre Anliegen der Auslieferungsausnahme. Als Gegner der

    Regierung ihres Heimatstaates sind politische Straftter eher der Gefahr rechtsstaatswidriger Verfahren ausgesetzt als Tter gemeiner Delikte. Im

    Gegensatz beispielsweise zu dem Europischen Auslieferungsbereinkommen (Art. 3 Abs. 2) enthlt der amerikanisch-britische Auslieferungsvertrag keine Ausnahme bei drohender politischer Verfolgung. Der ersuchte Staat kann in einem solchen Fall von dem ersuchenden Staat keine Zusicherungen

    suchungsrichters im Fall Artukovic, No. CV-8743-R (B), slip op. (CD. Cal., 4. 3. 1985), zustzlidi weist er auf Art. VII der Genozid-Konvention hin (BGBl. 1954 II, S. 729). Im Hinblick auf das wanton crimes"-Konzept stellte der Bezirksriditer klar, da die angeblidien Verbredien Demjanjuks ohne Rck- sidit auf die politisdie Stellung oder den zivilen oder militrisdien Status der Opfer verbt worden seien. Die USA wrden die wahllose Anwendung von Ge- walt gegen Zivilpersonen nidit als politisdies Delikt betraditen.

    & ILM Bd. 24 (1985), S. 1105 ff. Vgl. zu diesem Vertrag Kulman, Eliminating the Political Offense Exception for Violent Crimes: The Proposed United States - United Kingdom Supplementary Extradition Treaty, Va. J. Int'l L. Bd. 26 (1986), S. 755 ff. (777 ff.). Der Senat stimmte nur einer genderten, in bezug auf die Einsdirnkung des politisdien Delikts weniger weitgehenden Fassung zu. Die nde- rung ist durdi Notenwechsel vom 19720. August 1986 vereinbart worden (Cmnd. 9915).

    o 28 UST 227. 91 Vgl. dazu die Botschaft des Prsidenten der USA an den Senat vom 17. 7.

    1985, ILM Bd. 24 (1985), S. 1104.

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  • 456 K. HailbronnerlV. Olbridh

    verlangen, die ein faires Strafverfahren gewhrleisten, und im Falle nicht ausreichender Garantien ist er nicht berechtigt, die Auslieferung zu ver- weigern. Ein derartiger Vorbehalt erscheint auch bei Staaten mit rechts- staatlichen Strukturen nicht berflssig. In Staaten, die in besonderem Mae unter Terroraktionen leiden, knnen u. U. die fr eine wirksame Terroris- musbekmpfung fr erforderlich gehaltenen Manahmen wie z. B. ein spezielles Strafverfahren oder Sondergerichte zu Lasten der Rechte des Einzelnen gehen. Im Fall Abu Eain haben sich die USA von Israel, dessen Recht ein besonderes Verfahren fr Terroristen vorsieht, ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht mit den gleichen Verteidigungsrechten fr den Verfolgten ausbedungen wie diejenigen, die jedem gewhnlichen Straftter zustehen92.

    IV. Die Auslieferungsausnahme bei politischer Ver- folgung und m e n s c h en r ec h t s w i d r i ge r Behandlung

    1. Das politische Delikt in der Gegenwart

    Die Grnde, die im 19. Jahrhundert dazu gefhrt haben, politische De- likte von der Auslieferung auszunehmen, sind heute - zumindest unter Staaten mit demokratischen Strukturen - regelmig nicht mehr gegeben. Der bewaffnete Aufstand, die Rebellion sind in demokratischen Staaten mit ausgebildetem Minderheitenschutz und ausreichenden Vorkehrungen fr den friedlich politischen Wechsel im Grundsatz entbehrlich. Eine

    Nichteinmischung" in den politischen Kampf um die Macht ist kaum ein

    berzeugender Grund dafr, die Zusammenarbeit bei der Bekmpfung solcher Tter zu verweigern, die sich gegen beiden Staaten gemeinsame politische Grundstrukturen wenden und diese mit Gewalt zu ndern ver- suchen.

    In der neueren auslieferungsrechtlichen Praxis war daher auch der Nicht- einmischungsgrundsatz, dem der Gedanke einer Neutralitt im politischen Kampf um die Macht in einem fremden Staat zugrunde liegt, niemals ber-

    zeugend praktiziert worden. Auch der Entscheidung der Nichtauslieferung lag nicht selten eine Bewertung der Verhltnisse in dem um Auslieferung ersuchenden Staat zugrunde, selbst wenn dies in der Entscheidung des Gerichts ber die Unzulssigkeit der Auslieferung nicht explizit zum Aus- druck kam93. Anschauliches Beispiel hierfr ist die US-amerikanische Aus-

    lieferungspraxis nach dem Zweiten Weltkrieg. Gegenber kommunistischen Staaten, aber auch gegenber Grobritannien in den Nordirland-Fllen,

    2 ILM Bd. 21 (1982), S. 443 ff. (444 f., 448). 3 Vgl. Stein (FN 13), S. 57.

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 457

    wurde bis vor kurzem die Auslieferung regelmig als unzulssig angesehen, auch wenn die Voraussetzungen aus Castioni nicht vorlagen oder nur schwerlich begrndet werden konnten, whrend andererseits an nicht- kommunistische Staaten in der Regel ausgeliefert wurde94. Auch in anderen Staaten waren die Grundstze aus Castioni oftmals nur vordergrndig fr die Zulssigkeit der Auslieferung magebend; in Wirklichkeit war die

    Frage nach der politischen Struktur des ersuchenden Staates entscheidendes Kriterium95.

    Hinter der Frage nach der politischen Struktur des um die Auslieferung ersuchenden Staates standen hufig nicht nur politische Zweckmigkeits- erwgungen, sondern auch humanitre Anliegen. Der Begriff des poli- tischen Delikts diente daher nicht selten zur Verweigerung der Auslieferung in den Fllen, in denen die Gefahr der Verfolgung wegen der politischen berzeugung bestand oder aus anderen Grnden ein faires Verfahren nicht

    gewhrleistet schien. In der europischen Praxis ist das Konzept des poli- tischen Delikts weithin durch das Konzept der politischen Verfolgung berlagert worden. In zahlreichen Lndern haben Gerichte wie Exekutive rechtsstaatliche Erwgungen in die Auslegung des Begriffs des politischen Delikts einbezogen und deshalb auch geprft, welches Schicksal ein Tter nach der Auslieferung zu erwarten hat. In Grobritannien hat sich eine

    Rechtsprechung durchgesetzt, die darauf abstellt, ob die Gefahr politischer Verfolgung besteht96. Auch die franzsischen Gerichte haben sich in den letzten Jahren offenkundig von der Frage leiten lassen, ob dem Beschul-

    digten ein faires Verfahren garantiert ist, auch wenn die Schwere der Tat als ausschlaggebend angegeben wurde97. hnliches gilt fr die Praxis der

    belgischen Gerichte98, whrend sich das schweizerische Bundesgericht sogar mehrfach gezwungen sah, die politische Deliktsklausel auch bei Straftaten zu bemhen, die nach der herkmmlichen Rechtsprechung keinen politischen

    94 Neben den in FN 11 erwhnten Entsdieidungen und den Fllen McMullen (FN 69), Madkin (FN 70) und Doherty (FN 71) sind hier insbesondere zu nennen Jimenez v. Aristeguieta, 311 F.2d 547 (5th Cir. 1962) und In re Gonzalez, 217 F. Supp. 717 (S. D. N. Y. 1963).

    95 So sdireiben beispielsweise Williams/ Cas tel ber die Praxis der kanadisdien Geridite: Political offenders will receive little hospitality in Canadian courts if the crimes for which their extradition is sought are directed against a state with a similar set of political institutions and political volumes" (Canadian Criminal Law: International and Transnational Aspects, 1981, S. 370).

    6 Vgl. neben Kolcynski (FN 60) die Flle Schtraks ([1962] 3 All E. R. 529), w Vgl. neben Kolcynski (FN 60) die Flle Schtraks (1962, 3 All E. R. 529),

    Gross ([1968] 3 All E. R. 804), Cheng ([1973] 2 All E. R. 204), Budlong ([1980] 1 All E.R. 701) sowie fr die Nordirland-Flle z.B. den Fall Littlejohn ([1975] 3 All E. R. 208.

    7 Vgl. die bei Stein (FN 13) behandelten Flle Croissant, Winter, Piperno, Linaza Echevarra (S. 243-249).

    os Stein (FN 13), S. 259 f.

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  • 458 K. HailbronnerfV. Olbricb

    Charakter hatten99. Demgegenber waren die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland zu keiner Strapazierung des politischen Delikts aus Grnden der Asylbedrftigkeit des Tters gentigt, da mit Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG ein selbstndiges Auslieferungsverbot bei drohender politischer Verfolgung besteht.

    Selbst in den USA finden sich Entscheidungen, die zwar vordergrndig nach dem incidence test getroffen worden sind, fr die aber in Wirklich- keit eine befrchtete politische Verfolgung ausschlaggebend gewesen sein drfte100. Zudem wird die rule of non-inquiry im Zusammenhang mit dem politischen Delikt nicht in der Absolutheit interpretiert, da eine Prfung der in dem ersuchenden Staat herrschenden Verhltnisse in jedem Falle ausgeschlossen wre. Erstmals in Gallina v. Fraser101 wurden Grenzen dieser selbst auferlegten Beschrnkung aufgezeigt. Das Gericht konnte sich Flle eines Strafverfahrens oder einer Bestrafung vorstellen, die dem An-

    standsgefhl des Gerichts derart zuwiderlaufen wrden, da eine ber- prfung der rule of non-inquiry zu fordern wre. Im Fall Gonzalez102 vertrat das Gericht unter Bezugnahme auf Kolczynski die Auffassung, da die Ausnahme bei politischen Delikten grozgiger gehandhabt werden knne, wenn der ersuchende Staat von einem totalitren Regime beherrscht werde, das die Auslieferung eines Opponenten zu erreichen suche. Kein Tabu waren die Umstnde des zu erwartenden Strafverfahrens schlielich im Fall Doherty108. Der District Court ging ausdrcklich auf die Sonder-

    gesetzgebung und -gerichte fr Straftaten militanter nordirischer Unab-

    hngigkeitsbewegungen ein und verneinte die Gefahr eines unfairen Ver- fahrens.

    Dem Bedrfnis nach einer selbstndigen, von dem Charakter der an-

    geblichen Straftat unabhngigen Auslieferungsausnahme bei politischer Ver-

    folgung wurde auch in neueren Auslieferungsvertrgen und -gesetzen Rechnung getragen. In das Europische Auslieferungsbereinkommen fand zustzlich zu der Ausnahme bei politischen Delikten eine Art. 33 Abs. 1 GK nachgebildete Verfolgungsklausel

    " Aufnahme, wonach die Ausliefe-

    rung nicht bewilligt wird, wenn der ersuchte Staat ernstliche Grnde hat

    Vgl. die Flle Kavic (1952, BGE 78 I, 39), Losembe (1973, BGE 99 Ia, 547), Jaroudi (1980, BGE 106 Ib, 297), Bufano (1982, BGE 108 Ib, 408). Die Problematik von Straftaten, die whrend der Flucht aus einem Land des Ost- blocks begangen werden, stellte sich auch in dem sterreichischen Fall Pfeil (OGH vom 30. 12. 1959 - 7 Os 303/58-9 - ).

    ioo United States v. Artukovic, In re My lonas und Ramos v. Diaz (FN 11). Eine Abschiebung Artukovic s unterblieb, weil der Immigration and Naturalization Service (INS) befrchtete, Artukovic werde in Jugoslawien politisch verfolgt werden (vgl. Hannay [FN 69] S. 394 FN 54).

    ii 278 F.2d 77 (2nd Cir. 1960). i2 Siehe FN 94. ios Siehe FN 71 (S. 276).

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 459

    anzunehmen, da das Auslieferungsersuchen wegen einer nach gemeinem Recht strafbaren Handlung gestellt worden ist, um eine Person aus rassi- schen, religisen, nationalen oder auf politischen Anschauungen beruhen- den Erwgungen zu verfolgen oder zu bestrafen, oder da die verfolgte Person der Gefahr einer Erschwerung ihrer Lage aus einem dieser Grnde ausgesetzt wre (Art. 3. Abs. 2). Diese Klausel war Vorbild einer ganzen Reihe bilateraler Vertrge104 sowie einiger Auslieferungsgesetze105. Auch im Rahmen der In ter- Amerikanischen Auslieferungskonvention vom 25. Feb- ruar 1981106 wurde vereinbart, da bei der Gefahr einer Verfolgung aus Grnden der Rasse, Religion oder Nationalitt die Auslieferung nicht be- willigt wird (Art. 4 Nr. 5).

    Die auf persnliche Merkmale des Verfolgten abstellende Verfolgungs- klausel wurde in den Auslieferungsgesetzen der Schweiz und sterreichs durch Klauseln ergnzt, die die Auslieferung unabhngig von der Ver- folgungsmotivation des verfolgenden Staates untersagen, wenn die Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 und Art. 6 EMRK garantierten Men- schenrechte besteht107. Darber hinaus ist es stndige Praxis der EKMR, da die Auslieferung, obschon sie nicht zu den durch die Konvention ge- regelten Gegenstnden gehrt, unter auergewhnlichen Umstnden einen Versto gegen Art. 3 EMRK darstellen kann108. Das ist der Fall, wenn die

    104 Eine Verfolgungsklausel enthalten die Auslieferungsvertrge Frankreidis mit sterreich (FN 52), Rumnien (5.11.1974, J. O. vom 17718. 11. 1975, S. 11788), Israel (12.11.1958, J. O. vom 16.11.1971, S. 11268) und dem Iran (24. 6. 1964, J. O. vom 30. 3. 1967, S. 3077) sowie die Vertrge der Bundes- republik Deutschland mit Kanada (FN 54), Tunesien (19. 7. 1966, BGB1. 1969 II, S. 1157) und Portugal (15.6.1964, BGBl. 1967 II, S. 2345), aber auch z.B. die Vertrge des Vereinigten Knigreichs mit Finnland (29. 10. 1975, Cmnd. 6365) und Spanien (22. 7. 1985, Cmnd. 9615). Vgl. nunmehr auch Art. 3 des amerikanisch- britischen Zusatzsvertrages vom 25. 6. 1985 in der Fassung vom 19./20. 8. 1986. Unter den Vertragsstaaten der Geiselnahme-Konvention (FN 31) gilt die Klausel gem Art. 9 dieser Konvention, wenn die Auslieferung eines Geiselnehmers be- gehrt wird.

    105 Vgl. z. B. die Auslieferungsgesetze von Irland (Art. 1 1 Abs. 2, Gesetz Nr. 17 von 1965), sterreich ( 19 Abs. 3 ARHG, BGBl. 1979 Nr. 529), der Schweiz (Art. 2 lit. b, c IRSG, AS 1982, S. 846), der Bundesrepublik Deutschland ( 6 Abs. 2 IRG, BGBl. 1982 I, S. 2071) und Spanien (Art. 5 Abs. 1 des Ge- setzes ber die passive Auslieferung, BOE vom 26. 3. 1985, Nr. 4816). Fr Grobritannien vgl. den Fugitive Offenders Act 1967 (Art. 4 Abs. 1 lit. b, c, di. 68), der dem Scheme Relating to the Rendition of Fugitive Offenders within the Commonwealth" nachgebildet ist (Art. 9 Abs. 2, Cmnd. 3008, 1966), sowie den Suppression of Terrorism Act 1978 (Art. 2, oben FN 57). Ein Auslieferungs- hindernis bei rassischer oder religiser Diskriminierung sah bereits das israelische Gesetz von 1954 vor (Art. 10 Nr. 1, Gesetzblatt vom 1. 9. 1954, Nr. 163).

    i6 ILM Bd. 20 (1981), S. 723. i7 Art. 2 lit. a IRSG und 19 Abs. 1, 2 ARHG (FN 105). 10 Z.B. Beschwerde Nr. 1802/62, Yearbook of the European Convention on

    Human Rights Bd. 6, S. 462 ff. (480); Nr. 6315/73, Yearbook Bd. 17, S. 481 ff.

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  • 460 K. HailbronnerlV. Olbridy

    betroffene Person zu gewrtigen hat, da sie in dem ersuchenden Staat der Folter oder irgendeiner anderen gegen Art. 3 EMRK verstoenden Behandlung unterworfen wird109. Auch das schweizerische Bundesgericht hat in mehreren Fllen in Art. 3 EMRK eine Grenze der Auslieferung er- blickt110. Ein ausdrckliches Verbot der Auslieferung bei drohender Folter enthlt Art. 3 Abs. 1 der UN-Konvention gegen die Folter vom 10. De- zember 1984111.

    2. Vorteile der Auslieferungsausnahme bei politischer Verfolgung und mgliche Einwnde

    Ein Vorteil der Verfolgungsklausel ist zunchst darin zu sehen, da sie den Verfolgten ungeachtet der inkriminierten Handlung schtzt. In Fllen

    gemeiner Straftaten sind die Entscheidungstrger des ersuchten Staates nicht gezwungen, einen politischen Charakter des Delikts zu konstruieren, wenn dem Tter eine politische Verfolgung droht112. Durch das Abstellen auf die dem Verfolgten nach der Auslieferung drohenden Manahmen gibt die Verfolgungsklausel in Auslieferungsvertrgen dem ersuchten Staat - ohne Auslegungsschwierigkeiten wie beim politischen Delikt - darber hinaus eine Handhabe, um die Auslieferung von besonderen Zusagen hin- sichtlich der Behandlung des Verfolgten abhngig zu machen. Zwar ist es dem ersuchenden Staat nach dem in den Auslieferungsvertrgen blicher- weise verankerten Spezialittsgrundsatz untersagt, die Strafverfolgung wegen anderer Taten zu betreiben als denjenigen, deretwegen die Aus-

    lieferung bewilligt worden ist. Das allein wird aber oftmals kein aus- reichender Schutz vor politischer Verfolgung sein. Durch besondere Spe- zialittsvereinbarungen, die beispielsweise das anzuwendende Verfahrens-

    (488); Nr. 7317/75 (Fall Lynas), Decisions and Reports Bd. 6, S. 141 (165); Nr. 10499/83 (Fall Memis), EuGRZ 1986, S. 324 (326). Vgl. auch FroweinlPeu- kert, EMRK, 1985, S. 36.

    io Vgl. auch die Entscheidung im Fall AI tun, Beschwerde Nr. 10308/83, E. H. R. R. Bd. 5 (1983), S. 611 (612).

    no Urteil vom 22.2. 1980 - P 1005/80 -, nicht verffentlicht (Fall Khetty); Urteil vom 27.3.1981, BGE 1071b, 68 = EuGRZ 1981, S. 507 (Fall Dharma- jarah); Urteil vom 22.3.1983, BGE 1091b, 64 = EuGRZ 1983, S. 253 (Fall Sener). Vgl. auch BVerfGE 63, 197 (211) sowie Hailbronner, Auslnderrecht, 1984, Rdnr. 617.

    in Res. 39/46. Abgedruckt in EuGRZ 1985, S. 131 ff.; VN 1985, S. 31 tt. Vgl. dazu Nowak, EuGRZ 1985, S. 109 (113).

    112 Epps spridit insoweit von tortuous interpretations of the political offender exception" (Harv. Int'l L. J. Bd. 20 [1979], S. 61 [83]), und Young stellt fest: The courts have resorted to unsound reasoning and an unprincipled distortion of the exception to achieve the desired results" (Legal Studies Bd. 4 [1984], S. 211 ff. [221]).

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  • Terrorismus und Auslieferungsrecht 461

    recht oder die Art des Strafgerichts zum Gegenstand haben knnen oder durch die dem ersuchten Staat die Mglichkeit eingerumt wird, das Straf- verfahren zu beobachten oder den Beschuldigten oder Verurteilten in der Haft besuchen zu lassen, kann die Gefahr einer politischen Verfolgung u. U. erheblich verringert werden. In Betracht kommen auch die Zusiche- rung, dem Tter nach Verbung der Strafe die Ausreise zu erlauben, und die Festlegung der Straftatbestnde des Strafgesetzbuchs des ersuchenden Staates, aufgrund derer Anklage erhoben werden und eine Verurteilung erfolgen darf113. Die Verfolgungsklausel ermglicht daher einerseits eine flexible Auslieferungspraxis je nach den rechtlichen und politischen Ver- hltnissen in dem ersuchenden Staat, andererseits erlaubt sie die Verweige- rung der Auslieferung nur in Fllen, in denen dies wegen der Asylbedrf- tigkeit des Tters wirklich gerechtfertigt erscheint, sei es, weil der ersuchen- de Staat die Abgabe der geforderten Zusicherungen ablehnt, sei es, weil

    Spezialittsvereinbarungen nach den bisherigen Erfahrungen oder aus an- deren Grnden keine ausreichende Gewhr fr ein faires Verfahren bieten114.

    Gegen eine auf die Verfolgungsgefahr abstellende Auslieferungsausnahme knnten politische Bedenken eingewendet werden. Einem um Ausliefe- rung ersuchenden Staat, der als politischer oder militrischer Verbn- deter betrachtet wird, ist nicht leicht die Gefahr politischer Verfolgung entgegenzuhalten. Dieser Einwand ist in der Tat dort nicht unberechtigt, wo es der Exekutive in die Hand gegeben ist, verbindlich ber die Aus- lieferungsausnahme zu entscheiden, wie dies der amerikanisch-irische Aus- lieferungsvertrag vom 13. Juli 1983 vorsieht115. Wo jedoch die Entschei-

    ds Mit Notenwedisel vom 10716. Dezember 1981 vereinbarten die Trkei und die Bundesrepublik Deutsdiland, da im Falle der Auslieferung nur die- jenigen Vorsdiriften einer Strafverfolgung zugrunde gelegt werden drfen, die in dem Auslieferungsersuchen angefhrt worden sind. Im Fall Ay wurde das erst- instanzlidie Urteil vom Kassationsgericht in Ankara wegen Miaditung dieser Vereinbarung aufgehoben und die Sache zurckverwiesen (Urteil vom 14. 8. 1984). Ay war im Oktober 1982 ausgeliefert worden, nachdem das OLG Hamburg die Auslieferung fr zulssig erklrt hatte (Beschlu vom 4. 5. 1982 - Ausi. 5/82 - ).

    "4 Vgl. dazu Hailbronner/Olbridj, NVwZ 1985, S. 297 (301 f.). ii Senate Treaty Doc. 98-19, 98th Cong., 2nd Sess. Der Vertrag trat am

    15. 12. 1984 in Kraft. Auch der seit dem 24.9. 1984 gltige Vertrag mit Jamaika vom 14.6.1983 (Treaty Doc. 98-18) enthlt eine Ausnahme bei politischer Ver- folgung, ber die zu entscheiden allein Sache der Exekutive ist. Auch die Gesetz- entwrfe von 1981 und 1982 unterschieden sich in der Kompetenzfrage nur in bezug auf die politische Deliktsklausel. Sowohl der Entwurf des Senate Judiciary Committee vom 11.12.1981 (S. 1940, 97th Cong., 2nd Sess.) als auch der Ent- wurf des House Judiciary Committee vom 24. 6. 1982 (H. R. 6046, 97th Cong., 2nd Sess.) sahen vor, da die Gefahr politischer Verfolgung vom Secretary of State zu beurteilen sei. Whrend im Senat an dieser Auffassung festgehalten wurde (S. 220 vom 25.1.1983, 98th Cong., 1st Sess.), nderte das House Judiciary

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  • 462 K. HailbronnerlV. Olbricb

    dungsbefugnis ber die Zulssigkeit der Auslieferung einschlielich der Beurteilung der Gefahr politischer Verfolgung unabhngigen Gerichten bertragen ist, braucht keine Beeintrchtigung des politischen Klimas be- frchtet zu werden, da die Regierung des ersuchten Staates an die Unzu- lssigkeitsentscheidung gebunden ist und hierauf verweisen kann116.

    Zuzugeben ist, da die Benutzung des traditionellen Instrumentariums es erleichtert, sich auf einen Standpunkt politischer Neutralitt zurckzu- ziehen, sofern mit dem Hinweis auf den politischen Charakter der Straftat kein Vorwurf menschenrechtswidriger Behandlung verbunden ist. Aller- dings hat in der Praxis auch die Nichtauslieferung unter H