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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Author(s): Gottfried Bombach Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 17, H. 3 (1956/57), pp. 344- 383 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40909135 . Accessed: 18/06/2014 15:15 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 195.78.108.81 on Wed, 18 Jun 2014 15:15:17 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche GesamtrechnungAuthor(s): Gottfried BombachSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 17, H. 3 (1956/57), pp. 344-383Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40909135 .

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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Cesamtredinung

von

Gottfried Bombadi

I. Sonderstellung des staatlichen Sektors

Die in den verschiedenen Ländern heute gebräuchlichen Schemata für Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen weisen als Minimalgliederung eine Einteilung in vier große Bereiche auf: Produktionsunternehmungen, Haus- halte, Staat und Ausland. Der staatliche Sektor umfaßt die öffentlichen Ge- bietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden), die staatliche Sozialver- sicherung und im Falle der Bundesrepublik auch den Lastenausgleichsfonds. Zuweilen werden die Konten des Staates durch Zusatztabellen ergänzt, die sich ausschließlich auf die Zentral Verwaltung beziehen. Diese Tabellen ent- halten Informationen, die für die anderen öffentlichen Haushalte nicht ver- fügbar sind oder sich nur mit großen Schwierigkeiten beschaffen lassen1.

Alle entwickelten Länder kennen seit langer Zeit Haushaltsplan und Haus- haltsrechnung als Instrumente der Rechnungslegung über die Finanzge- barung der öffentlichen Gebietskörperschaften. Die Haushaltsrechnung bietet für die Nationalbuchführung eine fundierte statistische Ausgangsbasis, über die wir, was Vollständigkeit, Exaktheit und innere Konsistenz anbetrifft, für den Bereich der Unternehmungen und Haushalte auch nicht annähernd verfügen. Somit könnte man a priori erwarten, daß uns der staatliche Sektor im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen am allerwenigsten vor besondere Probleme stellt. Die Erfahrung hat indessen gezeigt, daß der sinnvolle Einbau des Staatshaushaltes in die Nationalbuchführung seine eigenen, ganz besonderen Schwierigkeiten mit sich bringt. Überblickt man die Diskussionen über die Volkseinkommensberechnung in den letzten Jahren, so stehen zwei Fragenkomplexe deutlich im Vordergrund : das Problem der Erfassung und Verbuchung der Erzeugersachkapitalbildung (insbes. das Ab- schreibungsproblem) und eben jener Fragenkomplex, der hier behandelt wird.

1 Ein Vorschlag über den Aufbau solcher Zusatztabellen findet sich in: Ein Standard- System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen. Herausgegeben von der OEEC, Paris 1952. Deutsche Übersetzung durch das Statistische Bundesamt, Wies- baden, S. 73-76.

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Viele der im Zusammenhang mit der Einbeziehung des Staates auf- tauchenden Fragen sind nicht neu. Schon zur Zeit der Volkseinkommensbe- rechnungen der Zwischenkriegsjahre sind sie akut gewesen und in extenso diskutiert worden. Neue Probleme sind hinzugetreten, als man mit neuarti- gen Fragestellungen an die Nationalbuchführung herantrat.

Drei Umstände insbesondere bedingen die Sonderstellung des Staats- haushaltes in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung: 1. Die Methoden und Techniken der staatlichen Rechnungslegung sind durch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte organisch gewachsen. Dabei haben sich bestimmte fest- gefügte Formen der Rechnungsführung herausgebildet, die sich mit dem Schema der Nationalbuchführung erst nach einer Reihe von Umgruppierun- gen in Einklang bringen lassen. 2. In der Nationalbuchführung werden alle Leistungen zu den beim Austausch auf dem Markt erzielten Preisen bewertet. Die Leistungen der öffentlichen Verwaltung dagegen haben keinen Markt- wert; der öffentliche Sektor steht außerhalb der Marktpreisbildung. 3. Die Art der Finanzierung der staatlichen Ausgaben ist fundamental verschieden von den Finanzierungsmethoden in der privaten Sphäre. Die unilateralen Transaktionen, die für den privaten Bereich von untergeordneter Bedeutung sind, spielen im staatlichen Sektor eine entscheidende Rolle.

Diese Sonderstellung des staatlichen Bereiches bedingt es, daß sich kaum eines der im Zusammenhang mit dem Einbau der Staatskonten in den Wirtschaftskreislauf auftauchenden Probleme einfach durch ein Suchen nach Analogien zum privaten Bereich befriedigend lösen läßt. Das Streben nach Symmetrie um jeden Preis kann hier eher schaden als nützen. Wir werden im folgenden immer wieder auf Probleme stoßen, für deren Lösung mehrere Möglichkeiten konkurrierend nebeneinander stehen, und es wird sich zeigen, daß kaum jemals einer der möglichen Wege für sich in Anspruch nehmen kann, der einzige logisch „richtige" zu sein. Niemals sollte der Versuch unter- nommen werden, die Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Ver- fahrens allein auf formal buchungstechnische Erwägungen zu stützen.

Die Entscheidung zugunsten eines bestimmten Verfahrens bedeutet nichts anderes als Festlegen auf gewisse Konventionen. Die Frage der Zweck- mäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit bestimmter Konventionen aber läßt sich niemals generell, sondern nur im Hinblick auf die spezifischen Fragestellun- gen diskutieren, mit denen später der Analytiker an die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen herantreten wird. Ohlsson insbesondere hat sich dafür eingesetzt, daß Volkseinkommensstatistiker und internationale Behörden, die sich heute um die sehr wünschenswerte Standardisierung der Schemata und Statistiken bemühen, bei der Festlegung auf bestimmte Konventionen mehr als bisher den konkreten Zwecken Rechnung tragen, denen die Nationalbuch- führung letzten Endes dienen soll: ,,If we do not have some criteria provided by the theoretical basis and the purpose of these accounts, they easily become a system in which technical finesse and formal qualities play a dominant role in design. This is particularly obvious in the government sector."1

1 /. Ohlsson, Treatment of Government Economic Activity in the National Accounts. Income and Wealth, Series III, International Association for Research in Income and Wealth. Cambridge 1953, S. 259.

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Die besonderen Schwierigkeiten entstehen nun dadurch, daß die Natio- nalbuchführung mehreren Zwecken zugleich dienen soll. Der Aufbau der modernen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und ihre Koordinierung auf übernationaler Ebene ist offenkundig durch das Bestreben gekennzeich- net, ein universell anwendbares Instrument zu schaffen, das nicht von vorn- herein nur auf ganz bestimmte Verwendungsmöglichkeiten zugeschnitten ist. Ein solches Bestreben ist natürlich zu begrüßen. Aber es sollte auch die Ge- fahr nicht übersehen werden, die dadurch heraufbeschworen wird, daß immer dann, wenn eine Einigung auf bestimmte Konventionen erfolgen muß und die Entscheidung mehr oder weniger im luftleeren Raum, d. h. nicht im Hinblick auf konkrete spätere Aufgabenstellungen getroffen wird, leicht die Lösung mit der größeren buchhalterischen Eleganz den Sieg davontragen und schließlich ein mixtum compositum entstehen kann, das keine der typischen Fragestellungen zu beantworten geeignet ist.

Vier Hawpttypen der sich auf Nationalbuchführungsdaten stützenden ökonomischen Analyse können unterschieden werden :

I. Die in der Nationalbuchführung verzeichneten Ströme können als Maßstab für die zeitliche Entwicklung der Produktivkraft einer Volkswirt- schaft dienen ; auf ihnen lassen sich interregionale Produktionsvergleiche auf- bauen, und schließlich läßt sich aus ihnen die Produktionsstruktur ablesen. Nicht ganz korrekt spricht man allgemein von der Produktivitätsanalyse.

II. Das Sozialprodukt und seine Komponenten können als Indikatoren für die Entwicklung des Wohlstandes einer Volkswirtschaft dienen (Welfare- Betrachtung).

III. Nationalbuchführungsdaten für mehrere aufeinanderfolgende Perio- den können benutzt werden, um theoretische Modelle zur Erklärung des zeit- lichen Ablaufs des Wirtschaftsprozesses, insbesondere der Entwicklung des Einkommens und der Beschäftigung, empirisch zu verifizieren. Wir wollen die kurze Bezeichnung „Einkommensanalyse" (income analysis) wählen.

IV. Die Konten der Nationalbuchführung können schließlich als reine Finanzierungskonten aufgefaßt werden, indem etwa gezeigt wird, inwieweit die laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben über- oder unterschreiten und inwieweit Überschüsse in laufender Rechnung zur Finanzierung von eigenen Investitionen herangezogen werden können bzw. in welchem Um- fang auf Ersparnisse anderer Sektoren zurückgegriffen werden muß.

Die staatliche Haushaltsrechnung ist ihrem Wesen nach in erster Linie eine Finanzierungsrechnung und muß dies natürlich auch sein. Überblickt man die in den einzelnen Ländern heute geübten Praktiken der öffentlichen Rechnungslegung, so findet man nur vereinzelt Ansätze zu dem Versuch, über die bloße, im allgemeinen in starre Schemata gepreßte Finanzierungsrech- nung hinauszugehen und Daten bereitzustellen, die unmittelbar auch ande- ren Formen der ökonomischen Analyse dienen können. Der Finanzierungs- aspekt gewinnt besondere Bedeutung, wenn auf Volkswirtschaftlichen Ge- samtrechnungen zurückliegender Perioden ein auf die Zukunft gerichtetes Nationalbudget aufgebaut werden soll. Die damit in Zusammenhang stehen- den Probleme werden hier nicht erörtert. Wir wollen uns mit dem Hinweis begnügen, daß in der Nationalbuchführung stets Einnahmen und Ausgaben

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und nicht Zahlungsvorgänge - also keine Einzahlungen und Auszahlungen - verbucht werden. Finanzierungskonten in dem hier gebrauchten Sinn geben also keine Auskunft über den Liquiditätsstatus.

Die heutigen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen stützen sich auf die von der ökonomischen Theorie in den letzten beiden Jahrzehnten ent- wickelten Kreislaufmodelle und schließen zugleich unmittelbar an die Volks- einkommensberechnungen der Zwischenkriegs jähre an. Das ungleiche Eltern- paar ist daran schuld, daß heute bei der Erörterung grundsätzlicher Probleme noch immer aneinander vorbeidiskutiert wird, und es ist auch für die Gefahr verantwortlich, daß sich eben jenes mixtum compositum heranbilden könnte, das allen Zwecken dienen soll und keinem wirklich dienen kann.

Die herkömmlichen Volkseinkommensberechnungen waren ohne Zweifel eindeutig auf jene Formen der ökonomischen Analyse abgestellt, die wir oben unter I. und II. aufgezählt haben. Verlaufsmodelle existierten zu dieser Zeit ja noch gar nicht. Die moderne Kreislauftheorie auf der anderen Seite, deren Entwicklung durch das Werk von Keynes entscheidende Impulse er- fahren hat, ist auf Betrachtungen zugeschnitten, die unter der Bezeichnung „Einkommensanalyse" zusammengefaßt wurden. Nun läßt sich beobachten, daß Forscher, die von der Volkseinkommensstatistik herkommen, ihre Argu- mentation vorwiegend auf „Weifare"- und Produktivitätsgesichtspunkte ab- stellen. Das Problem der Zurechnungen („imputations"), durch die Vorgänge außerhalb der Marktsphäre mit in die Berechnung einbezogen werden sollen, oder die leidige Frage der Aufspaltung des Staatsverbrauchs in „Vorleistun- gen" und „Endverbrauch" steht im Vordergrund. Zugleich spielen Bewer- tungsprobleme eine entscheidende Rolle. Zu nennen wäre etwa Kuznets als herausragender Vertreter; nicht zu vergessen die „Weif are" -Theoretiker selbst, hier in erster Linie Hicks. Die Keynessche Einkommensanalyse auf der anderen Seite hat von dem Problem der Zurechnungen wenig Notiz ge- nommen. Sie stützt sich auf Markt Vorgänge ; Abweichungen von der Markt- preisbewertung, Unterstellung von Transaktionen, die sich in der Wirklich- keit gar nicht vollzogen haben, und schließlich die Behandlung bestimmter Staatsleistungen als „Input" des industriellen Sektors können hier eher stören als förderlich sein.

II. Buchungstechnische Probleme Wir wollen versuchen, eine Trennungslinie zu ziehen zwischen den mehr

formalen, buchungstechnischen Fragen und den grundsätzlichen Problemen. Es wird sich zeigen, daß die Grenzen zuweilen flüssig sind. Einige scheinbar rein technische Fragen erweisen sich bei eingehenderem Durchdenken als echte Probleme, die sich formal überhaupt nicht lösen lassen. Es ist nicht beabsichtigt, statistisch-technische Fragen in extenso zu behandeln. Eine Aufzählung soll genügen1.

1 Eingehend behandelt sind die statistisch-technischen Probleme in : H. Bartels, Das Einkommenskonto für den Staat in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrech- nungen. Wirtschaft und Statistik 7. Jg N. F., 1955, S. 119-131. In dieser Abhand- lung wird gezeigt, inwieweit sich die deutsche Volkseinkommensstatistik an die

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Zunächst ist ein Abgrenzungsproblem zu lösen. Es muß festgelegt werden, welche Bereiche der öffentliche Sektor umfassen soll.

Üblicherweise werden öffentliche Unternehmungen, die Leistungen gegen Entgelt abgeben (Elektrizitäts-, Gas- und Wasserwerke, Eisenbahnen, Post) dem Sektor der Produktionsunternehmungen zugerechnet. Das Standard- System der OEEC hat als Unterscheidungskriterium die Kostendeckung ein- geführt1. Die deutsche Finanzstatistik hingegen wählt als Merkmal für die Angliederung die Absicht, einen Überschuß - und nicht lediglich Deckung der Kosten - zu erzielen2. Bekannte Grenzfälle sind Krankenhäuser, Schulen und Theater. Es ist zu beachten, daß übergeordnete Aggregate, wie etwa das Volkseinkommen zu Marktpreisen, von der Art und Weise, in der die Tren- nungslinie gezogen wird, nicht unbeeinflußt bleiben.

Hat man die öffentlichen Unternehmungen, die dem privaten Sek- tor zugeordnet werden, durch Konvention festgelegt - die strittigen Grenz- fälle haben in ihrer Größenordnung im allgemeinen kein sehr bedeutendes Gewicht -, so ist zusätzlich eine Entscheidung zu treffen, ob die Gewinne dieser Unternehmungen im privaten Sektor verbleiben und in den Posten „unverteilte Gewinne" eingehen oder ob sie auf Konten des Staates über- tragen werden sollen.

Ein mehr grundsätzliches Problem ergibt sich in diesem Zusammenhang mit der Frage, ob die von öffentlichen Unternehmungen erzielten Gewinne (Verluste) in bestimmten Fällen als eine bestimmte Form der indirekten Be- steuerung (Subvention) aufgefaßt werden sollten. Besitzt der Staat in einem bestimmten Bereich eine Monopolstellung kraft Gesetzes und nutzt er diese Monopolstellung bei der Preissetzung aus, so spricht manches für die zweite Alternative. In der Praxis ist es allerdings außerordentlich schwierig, wenn nicht schlechthin unmöglich, Gewinne in Einzelkomponenten - wie etwa „Normalgewinne", Monopolgewinne, Kapitalverzinsung und Friktionsge- winne - aufzugliedern. Deshalb wird heute vielfach vorgeschlagen, auf eine Aufspaltung in „echte Gewinne" und Monopolprofite ganz zu verzichten, mit dem Hinweis, daß Monopolgewinne und Subventionen ja auch in erheb- lichem Maße in den Gewinnen der privaten Sphäre enthalten und somit kein Fremdkörper sind, der erst durch das Dazwischentreten des Staates Eingang findet.

Zweitens ist das Aggregationsproblem zu nennen. Der staatliche Sektor umfaßt die Zentralverwaltung, die lokalen Gebietskörperschaften und die Sozialversicherung. Alle diese Körperschaften und Institutionen führen ge- Konzepte des Standard-Systems der OEEC hält bzw. inwieweit bewußt eigene Wege beschritten werden.

1 Standard- »System, a.a.O., ö. 28. Oflentliche Unternenmungen werden dem privaten Sektor zugerechnet, wenn „ihre Kosten durch entsprechende Gebühren- einnahmen voll gedeckt werden". Der Rundfunk z. B. soll üblicherweise als Teil des Sektors Staat gelten, und Rundfunkgebühren sollen als direkte Steuern behandelt werden. Ist der Rundfunk jedoch eine selbständige Einrichtung, die ihre Dienst- leistungen verkauft, so rechnet er zum Sektor der Unternehmungen.

Das Standard-System empfiehlt den einzelnen Ländern, die Abgrenzung un- abhängig von der Handhabung durch die Praxis des öffentlichen Rechnungswesens in den betreffenden Ländern vorzunehmen (S. 29). 2 BarteU, a. a. O., S. 119.

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trennte Haushalte, die für die Zwecke der Nationalbuchführung in einem einzigen Konto zusammengefaßt werden müssen. Es bedarf einer Konsoli- dierung, bei der alle Ströme herausfallen, die zwischen den zum öffentlichen Sektor gehörenden Institutionen fließen. Es verschwindet der gesamte verti- kale und horizontale Finanzausgleich. Das Herauslösen der Intrasektoren- ströme bereitet mehr Schwierigkeiten, als man zunächst vermuten sollte, weil diese Ströme in den Ausgangskonten oft mit anderen Transaktionen vermischt sind.

Drittens darf eine Reihe recht tückischer Periodisierungs fr óbleme nicht unerwähnt bleiben. So fällt in den meisten Ländern das Fiskaljahr nicht mit dem Kalenderjahr zusammen. Da sich Volkswirtschaftliche Gesamtrechnun- gen auf das Kalenderjahr beziehen, ist eine entsprechende Umgruppierung erforderlich.

Während die zeitliche Zuordnung der sich über einen längeren Zeitab- schnitt erstreckenden Transaktionen, einem allgemeinen Übereinkommen folgend, nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Forderungen bzw. Verbind- lichkeiten erfolgt, erweist es sich als zweckmäßig, diese Konvention bei ge- wissen Transaktionen des Staates zu durchbrechen. Bei direkten Steuern z. B. wird der Zeitpunkt der Fälligkeit und nicht die Einkommensperiode, auf die sich die Steuern beziehen, als maßgebend angesehen (Standard- System, a.a.O., S. 39).

Periodisierungsprobleme bereiten schließlich auch die übertragbaren Haushaltsreste, die im Haushalt wie bereits erfolgte Ausgaben verbucht wer- den, aber ökonomisch noch nicht als Ausgabe wirksam geworden sind. Im Fall der Bundesrepublik dürfen Haushaltsreste, die über mehrere Fiskaljahre hinweg übertragbar sind, in ihrer Größenordnung nicht unterschätzt werden.

Hinzuweisen ist abschließend auf die sehr ernste Frage, inwieweit heute, im wesentlichen bedingt durch die Steuergesetzgebung, der Einkommens- begriff verwässert ist und intertemporale sowie interregionale Vergleiche da- durch beeinträchtigt werden. Gedacht ist hier an persönlichen Aufwand, der als Geschäftsunkosten verbucht und damit nicht als Bestandteil des Ein- kommens betrachtet wird. Dazu gehören auch etwa die betrieblichen Sozial- leistungen einschließlich der Subventionen an Werksküchen. Ein echtes Pro- blem liegt nicht vor, solange die betreffenden Beträge entweder größenord- nungsmäßig geringfügig sind oder in den einzelnen Perioden bzw. Regionen relativ gleichmäßig anfallen1. Keine dieser Voraussetzungen dürfte jedoch heute mehr erfüllt sein. Natürlich sieht man sich vor schwierige Ermessens- entscheidungen gestellt, wollte man versuchen festzulegen, welcher Teil der als Geschäftsunkosten verbuchten persönlichen Aufwendungen - etwa der Reisespesen - als echter Aufwand und in welchem Umfange sie als Aufbesse- rung des Einkommens anzusprechen sind.

1 Interessant ist niemals das Sozialprodukt einer einzelnen Periode als Geld- summe, sondern nur im Vergleich mit dem Einkommen anderer Perioden oder Regionen. Relativ gleichmäßig anfallende Fehler stören solche Vergleiche nicht. Werden Strukturuntersuchungen durchgeführt, so kommt es darauf an, ob sich bestimmte Fehler relativ gleichmäßig auf die Teilaggregate aufgliedern oder ob sie einseitig anfallen. Die Gefahr des einseitigen Anfalles ist immer dann gegeben, wenn bestimmte Aggregate als Restgrößen ermittelt werden. 24 Finanzarchiv N. F. 17. Heft 3

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III. Aufbau des Kontensystems Ein Nationalbuchführungssystem erhält sein Gepräge durch die Form

der Aufspaltung der Volkswirtschaft in Sektoren und durch die Art und Weise, in der die zwischen den einzelnen Sektoren fließenden Ströme zu be- stimmten typischen Gruppen von Transaktionen zusammengefaßt werden.

Die heute allgemein übliche institutionelle Aufgliederung in vier Sektoren, wobei der Sektor der Unternehmungen oft noch nach Hauptwirtschafts- bereichen unterteilt wird, ist bereits erwähnt worden. Hinzu tritt innerhalb der einzelnen Inlandsbereiche die funktionale Gliederung, die etwa wie folgt aussehen kann :

Produktionskonto, Einkommensverteilungskonto, Einkommensverwen- dungskonto, Vermögensveränderungskonto, Anleihekonto. Aus Gründen, die noch zu erörtern sein werden, empfiehlt es sich, diesen Aufbau auch auf den staatlichen Sektor anzuwenden. Wohlbemerkt soll sich die Symmetrie nur auf den Kontenaufbau und nicht auf die Behandlung der einzelnen Transak- tionen selbst beziehen.

Die sich zwischen den einzelnen Sektoren bzw. sektorenintern vollzie- henden Transaktionen lassen sich nach folgenden Kriterien untergliedern:

1. Reale oder monetäre Transaktionen; 2. einseitige oder zweiseitige Transaktionen; 3. tatsächlich vollzogene oder unterstellte Transaktionen; 4. Intersektorentransaktionen oder interne Buchungen.

Der Verkauf einer Ware von Sektor A an Sektor B gegen Kredit z. B. ist eine 1. reale, 2. zweiseitige, 3. tatsächlich vollzogene und 4. eine Intersektorentransaktion. Ein- seitige Transaktionen bezeichnet man als Transfers, die in Gestalt von Geld- oder Realtransfers auftreten. Sie können tatsächlich vollzogen oder unterstellt sein. Als typische interne Buchungen erscheinen die im Sektor durchgeführten Investitionen, die Abschreibungen, die unverteilten Gewinne und die Ersparnis.

Der als Beispiel genannte Verkauf von A an B gibt Anlaß zu vier Buchungen: Zunächst wird das Produktionskonto von A erkannt und - je nachdem ob es sich um ein Zwischen- oder Endprodukt handelt - das Produktions- oder Einkommensver- wendungskonto von B belastet. Uno actu aber erwirbt Sektor A eine Forderung an B, was Anlaß zu zwei weiteren Eintragungen gibt. Solange sich die Nationalbuch- führung auf Marktpreisbewertungen stützt, ist jedem Güterstrom stets ein gleich großer Finanzstrom entgegengerichtet. Das Buchungssystem läßt sich in diesem Fall dadurch vereinfachen, daß auf eine Wiedergabe beider Ströme verzichtet wird. Die Zahl der Eintragungen reduziert sich damit von 4 auf 2.

Es ist in der Nationalbuchführung üblich, sich auf die Aufzeichnung von Finanzströmen zu beschränken und durch sie die ihnen entgegenlaufen- den - ex definitione gleich großen - Leistungsströme zu messen, also etwa die von den Haushalten an die Unternehmungen oder den Staat abgegebenen Arbeitsleistungen durch den an die Haushalte fließenden Strom der Löhne. Natürlich wäre auch der umgekehrte Weg beschreitbar, d. h. die Aufzeich- nung der Güterströme. In diesem Falle aber würden sich recht unangenehme Konsequenzen im Hinblick auf die Verbuchung der unilateralen Transak- tionen ergeben. Treten in einem System nur Geldströme in Erscheinung, so bereiten offenbar die Realtransfers Kopfzerbrechen, denen kein Geldstrom zugeordnet ist und die deshalb in einem solchen Schema nur auf Umwegen

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untergebracht werden können. Gibt man andererseits der Aufzeichnung von Güterströmen den Vorzug, so werden die Geldtransfers zum Sorgenkind, weil ihnen keine Leistungen entgegenstehen. Nun spielen offenbar Realtrans- fers in der modernen Volkswirtschaft eine sehr untergeordnete Rolle, während Geldtransfers, bedingt durch das Dazwischentreten des Staates, in ihrer Größenordnung von entscheidender Bedeutung sind: zu ihnen gehören Steuern aller Art, Subventionen, Unterstützungszahlungen vom Staat an die Haushalte usw. Es bleibt also für die Nationalbuchführung als Alternative praktisch nur die Aufzeichnung der Geldströme, wenn man nicht zu äußerst gekünstelten Unterstellungen Zuflucht nehmen will1.

Neben dem Vorzug der größeren Übersichtlichkeit bringt das verein- fachte, sich auf Darstellung der Geldströme beschränkende System auch einige nicht unerhebliche Nachteile mit sich, und zwar in erster Linie im Hin- blick auf den Einbau des Staates. Ein bekanntes Beispiel sind die vom Staat gewährten Naturalunter Stützungen (Realtransfers). In einem System der Geldströme gibt es zwei Möglichkeiten der Verbuchung. Entweder man läßt sie unter den Käufen des Staates erscheinen und ignoriert die Weiterleitung an die Unterstützungsempfänger, oder man unterstellt einen an die Haus- halte geflossenen Geldstrom und tut so, als hätten die Empfänger den Kauf selbst vorgenommen, wodurch die Naturalunterstützungen dann zu einem Bestandteil des privaten anstelle des staatlichen Verbrauchs werden. Für „Welfare' '-Betrachtungen hat die zweite Alternative zweifellos Vorzüge. Der Vorteil des ersten Verfahrens hingegen besteht darin, daß die Wirtschaftsein- heiten sichtbar werden, die tatsächlich als Nachfrager auf den Märkten in Erscheinung treten2. Für Zwecke der Einkommensanalyse würde man das erste Verfahren wählen. Alle diese Schwierigkeiten treten natürlich nicht auf, wenn Güter- und Geldströme gleichzeitig registriert werden, wenn also ein Schema gewählt wird, wie es etwa von Aukrust entwickelt wurde3. In einem

1 Anders liegen die Dinge bei der Input- Output- Analyse, die auf den interindu- striellen Leistungsströmen aufbaut. Hier bietet sich die unmittelbare Aufzeichnung der Ströme von Gütern und Diensten als das konsequentere Verfahren an. Als ein- zige Transfers erscheinen in der Tabelle im allgemeinen nur die indirekten Steuern. Das Einordnen der von den einzelnen Industrien gezahlten indirekten Steuern unter Inputs kann leicht den falschen Eindruck erwecken, als sei ein Strom von Leistungen in diesem Umfange vom Staat an die entsprechenden Industrien ge- flossen: „The appearance of taxes in many input-output statements, which is unexpected from a national accounts point of view in which taxes are regarded as transfers, is accounted for by the fact that in input-output analysis the govern- ment is regarded as receiving taxes in return for the services it produces. This con- vention is highly artificial since in fact there is no clear relationship between the amount of taxes paid by a sector and the amount of government services received by it." R Stone and G. Utting, The Relationship between Input-Output-Analysis and National Accounting. In : Input-Output-Relations. Proceedings of a Conference on Inter-Industrial Relations Held at Driebergen, Holland, Leiden, 1953, S. 198 f. 2 Das Standard- System der OEEC gibt der zweiten Alternative den Vorzug (a. a. O., S. 68), während sich die deutsche Volkseinkommensstatistik auf die Markt- vorgänge stützt (H. Bartels, a. a. O., S. 125). ò U. Aukrust, On the Theory oi Social Accounting. Review of Economic Stu- dies, Bd. 16 (1948/49), S. 170-188.

Da es üblich ist, die Nationalbuchführung in ihrer heutigen Gestalt als doppelte 24*

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solchen System lassen sich die Transaktionen unseres Beispiels so abbilden, wie sie sich tatsächlich vollzogen haben: der Staat tritt als Käufer auf, und zugleich fließt ein Realtransfer vom Staat zu den Haushalten. Das Schema der Doppelregistrierung hat besondere Vorzüge auch dann, wenn von der Marktpreisbewertung etwa zugunsten des Faktorkostenmaßstabes abge- wichen werden soll. Wir werden darauf noch zurückkommen.

Die genannten fünf funktionalen Konten für den Staat haben den im folgenden dargestellten Grundaufbau. Gewisse Erweiterungen treten später hinzu. Weggelassen sind die Transaktionen des Staates mit dem Ausland.

/. Produktionshonto

1. Käufe von Unternehmungen 5. Dienstleistungen gegen Entgelt (a) Material (a) an Unternehmungen (b) Investitionsgüter (b) an Haushalte

2. Löhne und Gehälter 6. Kollektivkonsum (III, 2) 3. Abschreibungen (IV, 5) 7. Bruttoinvestition (IV, 2) 4. Überschuß (II, 1)

//. Einkommensverteilungskonto

1. Überschuß auf Prod.Kto. (I, 4) 2. Transfers an Unternehmungen 5. Transfers von Unternehmungen

(a) Subventionen (a) direkte Steuern (b) Zinsen auf Staatsschuld (b) indirekte Steuern

3. Transfers an Haushalte 5. Transfers von Haushalten (a) Unterstützungszahlungen (a) direkte Steuern (b) Zinsen auf Staatsschuld (b) Sozialversicherungsbeiträge

4. „Verfügbares Einkommen" (III, 1)

///. Einkommensverwendungskonto

1. „Verfügbares Einkommen" (II, 4) 2. Kollektivkonsum (I, 6) 3. Ersparnis (IV, 1)

IV. Vermögensänderungskonto

1. Ersparnis (III, 3) 2. Bruttoinvestition (I, 7) 5. Abschreibungen (I, 3) 3. Vermögenstransfers 6. Vermögenstransfers

(a) an Unternehmungen (a) von Unternehmungen (b) an Haushalte (b) von Haushalten

4. Finanzierungsüberschuß ( + ) (V,l) Finanzierungsbedarf ( - ) (V, 1)

Buchführung anzusprechen, werden die Systeme von dem von Aukrust entwickelten Typ heute zuweilen als „Vierfachbuchführung" bezeichnet.

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Staatshaushalt und VolkstvirtschafÜiche Gesamtrechnung 353

V. Anleihekonto

1. Finanzierungsüberschuß (+) (IV, 4) 2. Zunahme der kurzfristigen Förde- Finanzierungsbedarf ( - ) (IV, 4)

rungen an andere Sektoren 5. Zunahme der kurzfristigen Verbind- 3. Zunahme der langfristigen Förde- lichkeiten gegenüber anderen Sek-

rungen an andere Sektoren toren 4. Tilgung der Staatsschuld 6. Verkauf von Staatsschuldver-

schreibungen

Von dem Problem der Aufteilung der Tranferströme in laufende und in Kapi- talübertragungen abgesehen, bringt ihr Einbau keine besonderen Schwierig- keiten mit sich.

Produktionskonto : Die Frage, ob für den Staat überhaupt ein Produktionskonto geführt

werden soll, hängt eng zusammen mit dem bekannten, in der Finanzwirt- schaft viel diskutierten Problem, ob die administrative Tätigkeit des Staates als ein Akt der Produktion oder vielmehr der Konsumtion anzusehen sei. In den Anfängen der Entwicklung der modernen Nationalbuchführung hat die Betrachtung des Staates als reinen Konsumenten viele Fürsprecher gehabt, so etwa R. Stone. Heute hält man es allgemein für vorteilhaft, ein besonderes Produktionskonto zu führen und damit den Staat als ,, Prod iizenten" und Konsumenten in einer Person in Erscheinung treten zu lassen. Dahinter ist keine Philosophie verborgen, sondern es handelt sich einfach um eine Zweck- mäßigkeitsfrage. Materiell ändert sich kaum etwas, jedoch hat das Produk- tionskonto sowohl für Produktions- und ,, Weifare-' 'Betrachtungen - es er- laubt die Einführung und adäquate Verbuchung bestimmter „imputations" aus Gründen der Vergleichbarkeit - als auch für die Einkommensanalyse (vgl. S. 359 f.) unleugbare Vorzüge. Zudem würde die Behandlung des Staates im Wirtschaftskreislauf als eines reinen Konsumenten zu ungewohnten Kon- stellationen führen: der Produktionsprozeß würde immer dort enden, wo Güter und Dienste zum letzten Male einen Preis erzielen: ,,The employees of the government become production factors who can be looked upon as pro- ducing units (a sort of enterprises) at the same time"1. Mit der Aufstellung eines staatlichen Produktionskontos erweitert sich der Produktionsprozeß um eine Stufe. Als Endprodukt erscheinen jetzt Verwaltungsleistungen, die erst durch Kombination von Arbeitskraft und den von Unternehmungen be- zogenen Sachgütern entstehen. Die „Produktion" vollzieht sich in einem ge- sonderten Bereich, und sie erfordert einen eigenen Produktionsapparat (Ver- waltungsgebäude und deren Einrichtung, Straßen, Brücken, Kanäle usw.), der analog den sachlichen Produktionsmitteln im Unternehmungssektor be- handelt wird.

Auf der Aufwandseite des Produktionskontos sind die Sachkäufe des Staates, unterteilt nach Verbrauchs- und Investitionsgütern, sowie die Löhne und Gehälter verzeichnet. Mit gewissen Einschränkungen entsprechen diese

1 /. Ohlsson, Treatment of Government, a.a.O., S. 235.

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Ströme den sächlichen und persönlichen Ausgaben der öffentlichen Haushalts- rechnung. Hinzu treten die Abschreibungen, die für die speziellen Zwecke der Nationalbuchführung angesetzt werden ; sie lassen sich nicht unmittelbar aus den Haushaltsrechnungen entnehmen1. Das Standardsystem der OEEC sieht Abschreibungen nur auf die Verwaltungsgebäude, nicht jedoch für Ein- richtungsgegenstände vor. Revisionsbestrebungen sind hier im Gange. Straßen, Brücken und Kanäle werden als Anlagevermögensbestandteile mit unendlicher Lebensdauer behandelt, d. h. es werden keine Abschreibungen zugerechnet. Alle Ausgaben für die Unterhaltung zählen hier als laufende Kosten.

Bei der Behandlung der Ertragsseite beginnen wir mit den Investitionen. Welcher Teil der Staatsausgaben als Investitionsausgaben angesehen werden soll, beruht wieder weitgehend auf Konventionen. Die Trennung zwischen laufenden und Kapitalausgaben ist im Staatssektor nicht von so entschei- dender Bedeutung wie im privaten Sektor, weil beim Staat die gesamte Nachfrage von ein- und derselben Institution entfaltet wird und nicht, wie in der privaten Sphäre, von unterschiedlichen Wirtschaftssubjekten (Haushalte auf der einen und Produktionsunternehmungen auf der anderen Seite), die sich bei ihren Entschlüssen von ganz verschiedenartigen Erwägungen leiten lassen. Es ist heute allgemein üblich, sämtliche Rüstungsinvestitionen wie etwa Kasernen- und Flugplatzbauten dem laufenden Verbrauch zuzurechnen. Da der Staat Investitionsgüter vom 'Unternehmersektor bezieht und nicht selbst herstellt, wird die Eintragung (7) im allgemeinen der Eintragung (1 b) entsprechen. Geringfügige Abweichungen treten ein, wenn sich der Staat in eigener Regie und mit eigenen Arbeitskräften an Investitionsvorhaben be- teiligt.

Mit der Behandlung des laufenden Verbrauchs wird ein weiteres im Be- reich der Finanzwissenschaft viel diskutiertes Problem angeschnitten, näm- lich die Frage, ob Steuern - die wichtigste Quelle der staatlichen Einnahme- beschaffung - als Gegenwert für besondere vom Staat empfangene Leistungen angesehen werden können oder nicht (spezielle versus generelle Entgeltlichkeit). Im Bereich der Nationalbuchführung ist das Prinzip der speziellen Entgelt- lichkeit stets abgelehnt worden. Steuern werden als Übertragungen an den Staat (Transfers) behandelt. Ihnen fließen keine Güterströme entgegen. Demzufolge erscheinen keinerlei Steuern, weder direkte noch indirekte, auf dem Produktionskonto. Es bleibt zu entscheiden, inwieweit bestimmten Ge- bühren und Beiträgen eine Sonderstellung eingeräumt werden soll. Die meisten heute gebräuchlichen Systeme empfehlen, Gebühren und Beiträge dann als spezielles Entgelt für vom Staat empfangene Dienste anzusehen, wenn sie in ihrer Höhe etwa den Kosten entsprechen, die mit der Bereitstel- lung eben dieser Dienste verbunden sind. In der Praxis ist die Trennungs- linie natürlich schwer zu ziehen. Die vom Staat gegen Entgelt abgegebenen Dienste sind auf dem Produktionskonto unter (5 a) und (5 b) verzeichnet. Der gesamte restliche laufende Verbrauch des Staates wird als der Gemein-

1 Alle sektoreninternen Buchungen - wie z. B. die Abschreibungen - sind durch die in Klammern angegebenen römischen und arabischen Zahlen gekenn- zeichnet, die die Auffindung der Gegenbuchung erleichtern.

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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Oesamtrechnung 355

schaft in ihrer Gesamtheit zur Verfügung gestellt (Kollektivkonsum) be- trachtet.

Wie in der Einleitung erwähnt, vollzieht sich die Bewertung der Staats- leistungen in anderer Weise als im privaten Bereich. Weil Staatsdienste keinen Marktpreis erzielen, findet das Kostenprinzip Anwendung. Man geht von der Annahme aus, daß der Wert der Staatsdienste für die Gemeinschaft gleich den Kosten ist, die dem Staat bei der Bereitstellung der Dienste erwachsen. Bezeichnen wir den gesamten Staatsverbrauch (Posten 5 + 6 + 7) mit G, die Käufe von Unternehmungen mit M, die vom Staat gezahlten Löhne und Gehälter mit L und die Abschreibungen mit D, so erhält man G durch

G =M + £ + D. (1) Mit G ist zugleich die gesamte Ertragsseite bestimmt: Posten (5) und (7) sind vorgegeben, der Kollektivkonsum errechnet sich als Residuum. Im Privatbereich ist G eine Marktgröße, und als Differenz aus G und den Kosten ergibt sich der Gewinn. Definieren wir die staatliche Wertschöpfung in Ana- logie zur Wertschöpfung der privaten Sphäre als Differenz aus „Ertrag" und Vorleistungen, so erhalten wir im einfachsten Modell

G-M - D = L, (la) d. h. die staatliche Wertschöpfung ist gleich den vom Staat gezahlten Löhnen und Gehältern. Man kann somit auch sagen, das Kostenprinzip beruhe auf der Fiktion, daß der Staat bei der Bereitstellung der Verwaltungsleistungen weder einen positiven noch einen negativen Gewinn erzielt. Es sei darauf hin- gewiesen, daß die Größe der Wertschöpfung des Staates unabhängig davon ist, ob man das Sozialprodukt zu Marktpreisen oder Faktorkosten bewertet. Wendet man die hier beschriebenen Bewertungsprinzipien an, so ergibt sich ein Unterschied gegenüber den herkömmlichen Volkseinkommensberechnun- gen nur durch die Zurechnung von Abschreibungen, die den Staatsverbrauch und damit das Bruttosozialprodukt in seiner Gesamtheit erhöhen. Gewisse Erweiterungen werden in Abschnitt V diskutiert.

Einkommensverteilung skonto: Das Einkommensverteilungskonto muß im Zusammenhang mit den

Parallelkonten der anderen Sektoren gesehen werden. Diese Konten zeigen den Weg von der primären zur sekundären Einkommensverteilung. In unse- rem ersten Modell ist das Primäreinkommen des Staates (der „Überschuß" auf dem Produktionskonto) gleich Null. Ein Überschuß auf dem Produk- tionskonto des Staates - er wird in seiner Größenordnung immer geringfügig sein - kann bei Anwendung des Kostenprinzipes überhaupt nur durch Unterstellungen (S. 363) entstehen. Die Haben-Seite des Kontos verzeichnet alle vom Staat empfangenen laufenden Transfers, die Soll- Seite die Trans- ferströme, die an andere Sektoren geflossen sind. Die Gliederung ist zunächst rein formal. Als oberstes Gliederungsprinzip bietet sich in der Nationalbuch- führung die Unterteilung nach den an der Transaktion beteiligten Sektoren (Haushalte oder Unternehmungen) an. Die von Unternehmungen gezahlten

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Steuern sind weiter unterteilt in direkte und indirekte Steuern1. Durch die Gliederung nach Sektoren ergibt sich automatisch die zweifellos sehr zweck- mäßige Aufteilung der direkten Steuern in die beiden großen Gruppen Kör- perschaftsteuer und Einkommensteuer (Lohnsteuer und veranlagte Ein- kommensteuer).

Es ist zu beachten, daß Konto II nur die laufenden Transfers enthält. Die Ver- mögensübertragungen sind auf dem Vermögensänderungskonto verzeichnet. Sie umfassen die nicht regelmäßigen Übertragungen wie etwa Erbschaftsteuer, Kapi- talabgaben, Entschädigungen für Kriegsschäden usw. Auf die Probleme der Auf- teilung in laufende und Vermögensübertragungen kommen wir noch zurück.

Das Einkommensverteilungskonto verzeichnet zugleich alle Zinszah- lungen. Es empfiehlt sich sehr, die Zinsen in allen Bereichen in die Redistri- butionskonten zu übernehmen und nicht auf den Produktionskonten er- scheinen zu lassen. Zinsen sind kein Maßstab für das in einem Sektor inve- stierte Sachkapital, sondern ein Spiegelbild der intersektoralen Verschul- dungsstruktur 2. Für den Staat gilt das in besonderem Maße.

Einzelne Länder haben früher Zinsen auf Staatspapiere dem Leistungsein- kommen zugerechnet, wobei man sich offenbar von der Erwägung hat leiten lassen, daß in normalen Zeiten Staatsanleihen nur zu „produktiven Zwecken" aufgenom- men werden. Die Zeit der Entwicklung der modernen Nationalbuchführung hin- gegen stand ganz im Zeichen der großen Kriegsanleihen, die mit dem im Bereich der staatlichen Administration investierten Sachkapital offenbar gar nichts zu tun hatten. Die heute allgemein akzeptierte Ausscheidung der vom Staat gezahlten Zinsen aus dem Leistungseinkommen war die natürliche Konsequenz. Verweist man die Zinsen, wie hier vorgeschlagen, generell in den Bereich der Transfers, so wird die Behandlung der Zinsen auf Staatsanleihen überhaupt nicht zu einem Sonder- problem.

Die Einkommensverteilungskonten schließen ab mit den verfügbaren Einkommen der einzelnen Sektoren, die in der geschlossenen Volkswirtschaft in ihrer Gesamtheit gleich dem gesamten Primäreinkommen sind, weil die Summe aller Transfers gleich Null ist. In bezug auf den Staat ist die Bezeich- nung „verfügbares Einkommen" sicher nicht besonders glücklich, aus Sym- metriegründen heute aber gebräuchlich.

Einkommensverwendungskonto: Das Einkommensverwendungskonto zeigt, wie das verfügbare Einkom-

men auf Konsum und Ersparnis aufgeteilt wird. „Konsum" bedeutet hier laufende Staatsausgaben im Gegensatz zu den staatlichen Investitionen. Die

1 Zweifellos wäre es korrekter, von Steuern auf Einkommen („taxes on income") und Steuern auf Ausgaben („taxes on expenditure") zu sprechen. Der Einfachheit halber und um Übereinstimmung mit der heute in der Nationalbuchführung noch gebräuchlichen Terminologie zu erzielen, halten wir an der klassischen Kategori- sierung fest. * Benutzt eine Unternehmung Fremdkapital zur Finanzierung, so fließen Zinsen an andere Wirtschaftseinheiten. Wird dagegen mit Eigenkapital finanziert, so ist die Verzinsung des Sachkapitals ein untrennbarer Bestandteil des Gewinns. Die Aufteilung des Gewinnes in Einzelkomponenten wie Unternehmerlohn, Normal- gewinn, Kapitalverzinsung, Monopolgewinn usw. ist für theoretische Überlegungen sehr nützlich, empirisch aber, wie bereits erwähnt, kaum zu verifizieren.

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auf diesem Konto ausgewiesene Ersparnis darf deshalb nicht mit einem Haus- haltsüberschuß verwechselt werden, weil ja die Investitionsausgaben noch unberücksichtigt sind.

Vermögensänderungskonto und Anleihekonto: Auf dem Vermögensänderungskonto erscheinen die vom Staat durchge-

führten Investitionen, die Abschreibungen, die Ersparnis aus laufender Rechnung und schließlich die Vermögensübertragungen. Als Saldo ergibt sich der Finanzierungsüberschuß bzw. -bedarf.

Das Anleihekonto schließlich zeigt, wie der Finanzierungsüberschuß ver- wendet bzw. ein Finanzierungsbedarf gedeckt worden ist. Verzeichnet werden Abnahme und Zunahme der Bestände an Zentralbankgeld1 sowie der kurz- fristigen und langfristigen Forderungen. Damit findet die gesamte staatliche Anleihetätigkeit auf diesem Konto ihren Niederschlag.

Der hier dargestellte Aufbau der Konten des staatlichen Sektors stellt - wenn auch nicht im Hinblick auf die Einzeltransaktionen so doch hinsicht- lich des Gesamtauf baus - bereits eine Art Maximalgliederung dar. Einfachere Systeme lassen sich leicht daraus ableiten. Die Konsolidierung der Konten I- III z. B. ergibt ein sog. laufendes Konto, das mit der Ersparnis, d. h. dem Überschuß in laufender Rechnung abschließt. Ebenso lassen sich die Konten IV und V zu einem Kapitalbudget (Investitionsbudget) aggregieren. Die sich dadurch ergebende Zweiteilung ist heute in zahlreichen Ländern im Bereich des öffentlichen Rechnungswesens in Anwendung, wobei allerdings im ein- zelnen Fall genau zu prüfen ist, inwieweit die Kapitalbudgets tatsächlich den Anforderungen entsprechen, die von der Nationalbuchführung her an echte Investitionsrechnungen zu stellen sind. Das gilt insbesondere auch für die in Deutschland übliche Zweiteilung in einen ordentlichen und einen außer- ordentlichen Haushalt.

Eine andere Form der Konsolidierung wäre die Zusammenfassung der Konten I-IV zu einem sog. Finanzierungskonto. Die Ersparnis fällt bei der Aggregation heraus, und als Saldo ergibt sich unmittelbar der Finanzierungs- überschuß bzw. das Finanzierungsdefizit.

Zwei Mitarbeiter des Internationalen Währungsfonds haben kürzlich eine ver- gleichende Studie über den Aufbau der Kapitalbudgets in den einzelnen Ländern veröffentlicht 2. Wir können uns mit einem Hinweis auf diese Untersuchung und der Wiedergabe einiger wichtiger Ergebnisse begnügen.

Zunächst ist ein gesondertes Investitionsbudget3 keine unerläßliche Voraus- setzung für eine gut gegliederte Nationalbuchführung. Auch ein Einheitsbudget kann genügen, falls die Einzelposten in genügendem Detail aufgeführt sind4. So-

1 In der sich auf die wesentlichsten Posten beschränkenden Darstellung auf S. 353 in den kurzfristigen Forderungen einbegriffen. ¿ R. Goode - E. A. Birnbaum, Government Capital Budgets. International Monetary Fund, Staff Papers, Bd. V (1956), S. 23-46. a Unterschieden wird in der Studie zwischen Ländern, die nur ein einziges Budget kennen und Ländern, die eine Trennung vornehmen zwischen der Verzeich- nung der laufenden Einnahmen und Ausgaben („operations budget", „current budget", oder auch „revenue budget") und dem Investitionshaushalt („capital budget" oder auch „loan account"). * „A formal capital budget ... is not indispensable to the preparation of com-

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lange der Investitionshaushalt keine echte Kapitalrechnung (insbesondere Zurech- nung von Abschreibungen) bringt, ist durch die Zweiteilung nicht viel gewonnen: „A budget system, such as is in effect in several countries, which provides for segregation of capital outlays but not for depreciation or amortization allowances, wül not achieve any significant improvement in cost allocation over time." *

Die Ausgliederung der Investitionen aus dem Operationsbudget hat zweifellos in erster Linie einen gewissen optischen Effekt: das Operations- budget wird niedriger gehalten. Im Hintergrund steht die Idee, daß laufende Ausgaben durch laufende Einnahmen gedeckt sein sollen und für die Inve- stitionsfinanzierung langfristige Anleihen herangezogen werden können. Die durchschnittliche Lebensdauer der Anlagen soll tunlichst der Laufzeit der Anleihen entsprechen. Man will ein übermäßiges Anwachsen der Staatsschuld vermeiden und zugleich eine bessere Verteilung der Lasten erreichen. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß das dualistische Budget eben wegen des genannten optischen Effektes eher zur Defizitfinanzierung anregen kann als das Einheitsbudget. Das mag in Zeiten der Depression erwünscht sein, in Zeiten der Hochkonjunktur hingegen ist es unerwünscht2.

Wir haben damit bereits Betrachtungen angeschnitten, die sich mehr auf das zukunftsorientierte Budget als auf die Haushaltsrechnung beziehen. Unser Bestreben war zu zeigen, daß es kaum zweckmäßig und auch nicht nötig ist, die formale Angleichung der Haushaltsrechnung an die Gliede- rungsschemata der Nationalbuchführung zu fordern. Auch wenig oder nach anderen Gesichtspunkten gegliederte Haushaltsrechnungen können eine gute Basis für Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen darstellen, wenn die ein- zelnen Einnahme- und Ausgabeposten in genügendem Detail wiedergegeben, wesensfremde Transaktionen nicht miteinander vermischt und keine Ein- tragungen vorgenommen sind, die die ökonomisch relevanten Zusammen- hänge verschleiern.

IV. Einkommensanalyse

Einigermaßen verläßliche Nationalbuchführungsdaten sind für die Mehr- zahl der Länder etwa von den Jahren 1948/49 ab verfügbar3. Die Zeitspanne, für die wir über kontinuierliche Zahlenangaben verfügen, ist also noch rela- tiv kurz. Überdies fällt in diesen Zeitraum der Koreakrieg, der die einzelnen Entwicklungsreihen stark beeinflußt hat. Es darf deshalb nicht wunder- nehmen, wenn wir, obgleich Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen heute für eine stattliche Zahl von Ländern greifbar sind, noch recht selten auf Versuche stoßen, diese Rechnungen unmittelbar für die Verifizierung dyna- mischer Modelle dienstbar zu machen, die die zeitliche Entwicklung des

plete social accounts .... Considerations of statistical convenience are secondary in importance'4. Goode-Birribaum, a.a.O., S. 31.

1 Uoode-Birnbaum, a.a.O., S. 28. 2 „In particular, a dual budget system is likely to complicate the stabilization problem during periods of incipient or actual inflation." Goode-Birnbaum. a.a.O., S. 41. 3 Statistics of National Product and Expenditure 1938, 1947 to 1952. OEEC, Paris 1954.

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Staaisìiausìialt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 359

Volkseinkommens und anderer wichtiger Größen beschreiben sollen1. Die einzelnen Zeitreihen sind dafür einfach zu kurz, und der ökonometriker mußte sich zunächst auf andere Weise behelfen. So erklärt es sich auch, daß bei der Entwicklung der Gliederungsschemata bisher formale Gesichtspunkte zuweilen zu sehr im Vordergrund gestanden haben. Die Frage nach der Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit eines bestimmten Kontenaufbaus, Buchungsverfahrens oder bestimmter Bewertungsverfahren läßt sich nur im Hinblick auf den Modelltyp entscheiden, der der Einkommensanalyse zu- grunde liegen soll. In den folgenden Kapiteln wird sich zeigen, daß für andere Formen der ökonomischen Analyse sehr weitgehend gegliederte Buchungs- systeme kaum erforderlich sind und die Volkseinkommensstatistiken in ihrer bisherigen Form praktisch das gleiche zu leisten vermögen. Es ist gewiß, daß sich in absehbarer Zukunft mit dem Anwachsen der Zeitreihen mehr Gelegen- heit bieten wird, die sehr weit gespannten Wünsche des Analytikers mit den statistischen Möglichkeiten besser in Einklang zu bringen als bisher.

Dem im III. Abschnitt beschriebenen Kontenaufbau liegt ein Modell zugrunde, das außer den bekannten Bilanzgleichungen sowohl technische Relationen als auch Gleichungen enthält, die Verhaltensweisen zum Ausdruck bringen. Die Produktionskonten der einzelnen Sektoren sollen so aufgebaut sein, daß der auf der Soll- Seite verzeichnete Aufwand in einer bestimmten technischen, im Zeitablauf relativ stabilen Beziehung zum Produktionsertrag steht: je Ertragseinheit werden eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden und bestimmte von anderen Sektoren bezogene Materialien benötigt, und zugleich ist die Nutzung von Realkapital in bestimmtem Umfange erforder- lich2. Gedacht ist hier nicht an große Input-Output-Tabellen, sondern an Volkswirtschaftliche Geamtrechnungen mit einem in etwa 10-20 Hauptbe- reiche aufgegliederten Unternehmungssektor. Solche Tabellen sind heute für Länder wie Großbritannien, Niederlande, Dänemark und Norwegen verfüg- bar, und es hat sich gezeigt, daß sich mit diesen wenig gegliederten Systemen bereits aufschlußreiche Untersuchungen durchführen lassen3. Die für die großen Aggregate beobachteten technischen Relationen erweisen sich stabi- ler als für kleine, aber inhomogene Industrien.

Aus der Forderung, daß auf Produktionskonten nur solcher Aufwand verzeichnet sein soll, der technisch in irgendeiner Weise mit dem Ertrag ver- koppelt ist, ergibt sich unmittelbar, daß Transferströme wie indirekte Steuern und auch die Zinsen nicht auf das Produktionskonto gehören. Indi-

1 „Comparatively little has been written . . . about the use that can be made of national accounts statistics in economic anafysis. This may seem rather surprising, for it was primarily with that use in mind that national accounts have been con- structed." G. Stuvel, The Use of National Accounts in Economic Analysis. Income and Wealth, Series IV, International Association for Research in Income and Wealth, London, 1955, S. 262. 2 Stabilität der Beziehungen darf hier nicht mit Konstanz der einzelnen Koef- fizienten im Zeitablauf verwechselt werden. Natürlich läßt sich auch eine mit der Zeit zunehmende Arbeitsproduktivität einbauen, wenn nur das Anwachsen einiger- maßen regelmäßig erfolgt. 5 Als Beispiel seien die auf den dänischen Rechnungen aufbauenden Unter- suchungen genannt: N. Rasmussen, Studies in Inter- Sectoral Relations, Kopen- hagen und Amsterdam, 1956.

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rekte Steuern sind kein Maß für den Einsatz von Produktionsfaktoren, und Zinsströme werden, wie bereits erwähnt, in erster Linie durch die Verschul- dungsstruktur bestimmt1.

Für das Produktionskonto des Staates ergeben sich u. E. keine beson- deren Schwierigkeiten. Die enge Beziehung zwischen Aufwand und Ertrag folgt schon daraus, daß sich ja der „Ertrag", der bekannten Konvention folgend, einfach durch Aufsummierung des Aufwandes ergibt. Zu untersuchen bleibt lediglich, ob die Verteilung des Gesamtaufwandes auf Personalkosten und Sachausgaben im Zeitablauf einigermaßen stabil ist. Ein flüchtiger Blick auf die Statistiken zeigt, daß eine solche Stabilität gegeben zu sein scheint.

Die Einkommens verteilungs- und -Verwendungskonten müssen gemein- sam betrachtet werden. Das Verwendungskonto, das die Aufteilung des ver- fügbaren Einkommens auf Konsum und Ersparnis zeigt, spiegelt eine be- stimmte Verhaltensweise (Konsum- bzw. Sparneigung) wider. Die Konten mehrerer aufeinanderfolgender Perioden erlauben unmittelbar die Ableitung der Konsumfunktionen der betreffenden Sektoren, wobei natürlich auch zeitliche Verzögerungen berücksichtigt werden können. Einfache Modelle arbeiten gewöhnlich mit einer einzigen Konsumfunktion für die gesamte Volkswirtschaft, während die Nationalbuchführung wesentliche Verfeinerun- gen erlaubt. Jedem Sektor wird eine eigene Konsumfunktion zugeordnet, die zufolge der durch die Aufteilung erreichten größeren Homogenität un- empfindlicher gegenüber Änderungen der Einkommensverteilung innerhalb der Sektoren ist. Die gesamtwirtschaftliche Konsumquote läßt sich dann als gewogenes Mittel der Konsumquoten der Einzelbereiche darstellen, wobei die verfügbaren Einkommen der Bereiche als Gewichte fungieren. Die in den Verteilungskonten verzeichnete Redistribution (Überleitung der primären in die sekundäre Verteilung) kann aus dieser Sicht als eine Verschiebung in den Gewichten interpretiert werden. Die gesamtwirtschaftliche Konsumquote nimmt zu, wenn sich im Zuge der Redistribution die Verteilung zugunsten der Sektoren mit hoher Konsumneigung ändert und umgekehrt. Das Haavel- mo-Theorem als ein Spezialfall beruht auf der Voraussetzung, daß der Staat seine gesamten laufenden Einnahmen wieder ausgibt (Konsumquote = 1) und daß die Konsumquoten der anderen Bereiche kleiner als 1 sind. Jeder zusätzliche Transferstrom zum Staat (Steuererhöhung) wirkt unter dieser Voraussetzung expansiv.

Die Stabilität der Konsumfunktion ist für die Keynessche Theorie der Einkommensbildung von zentraler Bedeutung. Für die Privatbereiche hat sich diese Stabilität, die natürlich immer nur für größere Gesamtheiten und niemals für einzelne Wirtschaftseinheiten bestehen kann, mit einiger Sicher- heit nachweisen lassen. Beim Einkommenskonto des Staates hingegen er- geben sich Schwierigkeiten. Nach Regelmäßigkeiten, die sich durch irgend- eine mathematische Beziehung darstellen lassen, wird man vergeblich suchen, und es ist nicht schwer, die Gründe dafür anzugeben. Das gilt für die auf

1 Hinsichtlich der indirekten Steuern trifft Ohlssons Argument „High taxes on spirits imply no greater input of production factors than low" sicher den Kern der Sache: /. Ohlssons, On National Accounting, Stockholm 1953, S. 106.

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kurze Sicht gerichteten Betrachtungen noch mehr als für die Wachstums- analyse, bei der die vorübergehenden Abweichungen von gewissen Normal- relationen in dieser oder jener Richtung außer acht gelassen werden können. Aus diesen Gründen erscheint die gesamte Nachfrage des Staates in den Verlaufsmodellen im allgemeinen als eine autonome Größe1.

Das im Verwendungskonto ausgewiesene verfügbare Einkommen soll jenes Einkommen sein, daß die betreffenden Wirtschaftssubjekte tatsächlich ihren Konsum- bzw. Sparentscheiden zugrunde legen. Unberücksichtigt bleiben sollen nicht regelmäßig anfallende größere Einnahmen oder Aus- gaben, von denen anzunehmen ist, daß sie nicht als Vermehrung oder Minde- rung des laufenden Einkommens angesehen werden und deshalb auch keinen Einfluß auf die Höhe des Konsums in der betreffenden Periode haben. Aus diesem Grunde wird die Trennung zwischen laufenden Übertragungen (Kto. II) und Vermögensübertragungen (Kto. IV) vorgenommen.

Die Lastenausgleichszahlungen in Deutschland sind ein gutes Beispiel dafür, wie schwer es in der Praxis ist, objektive Kriterien für eine richtige Kategorisierung der Transfers zu finden. Gedacht war der Lastenausgleich zunächst zweifellos als eine Kapitalabgabe. Geworden ist daraus schließlich ganz eindeutig eine laufende Steuer. Erbschaftsteuern sind ein weiteres Beispiel. Bei sehr hohen Steuersätzen, •wie wir sie heute etwa in Großbritannien finden, bedeuten Erbschaftsteuern gewiß eine Vermögensabgabe. Bei mäßigen Sätzen ist das keineswegs sicher. Besondere Schwierigkeiten treten auf, wenn damit gerechnet werden muß, daß einer der beiden Kontrahenten einen Transfer als echte Vermögensabgabe, der andere aber als eine laufende Einnahme ansieht. Bei der Erbschaftsteuer ist diese Konstellation durchaus denkbar: für den einzelnen von der Steuer Betroffenen bedeutet sie eine einmalige hohe Ausgabe, während beim Staat durch die Wirksamkeit des Gesetzes der großen Zahl Erbschaftsteuern mehr oder weniger gleichmäßig eingehen. Das korrekte Vor- gehen würde in diesem Fall darin bestehen, die Steuer bei einem der Sektoren in Konto II, beim anderen in Konto IV zu verbuchen. Die Symmetrie des Systems würde dann natürlich gestört werden, und die Identität Sparen = Investieren einer Modifikation bedürfen 2. Beide Größen würden um die asymmetrisch verbuch- ten Transferströme voneinander abweichen. Bisher hat man der Aufrechterhaltung der Symmetrie - u. E. zu Unrecht - im allgemeinen den Vorrang eingeräumt.

Wir erwähnten bereits, daß die Einteilung der Gesamtausgaben in laufenden Verbrauch und Investitionsausgaben beim Staat weit weniger wich- tig ist als im Privatbereich. In der Tat werden in vielen Konjunkturmodellen beide Größen zu einem einzigen Ausgabeposten zusammengefaßt. Eine ge- wisse Sonderstellung kommt den staatlichen Investitionen für die Analyse des Konjunkturverlaufs deshalb zu, weil sie sich im Zeitablauf leichter variieren lassen als die laufenden Ausgaben, die insbesondere in kontraktiver Richtung sehr wenig elastisch sind. Für Wachstumsuntersuchungen ist die

1 Ohlsson schreibt hierzu: ,,The activity of the government is often regarded as an »external* factor in theories of the business cycle. It is not so easy to give the activities of the government a place in statistical calculation models' as it is to establish behaviour patterns for private activity. The interpretation of government activity cannot be incorporated in a behaviouristic scheme in any simple way": /. Ohlsson, Treatment of Government, a.a.O., S. 245. 2 Vgl. hierzu : E. Stone, Functions and Criteria of a System of Social Accoun- ting. Income and Wealth, Series I, International Association for Research in Income and Wealth. Cambridge, 1951. - H. Bartels, Das Einkommenskonto für den Staat, a.a.O., S. 121-122.

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362 Gottfried Bombach

Ausgliederung der staatlichen Investitionen aus dem laufenden Verbrauch natürlich unerläßlich. Hier taucht die Schwierigkeit auf, für diese Investi- tionen, die keinen direkt meßbaren Kapazitätseffekt haben, einen Kapital- koeffizienten zu bestimmen.

Da alle mit der Aufnahme und Tilgung von Staatsschulden verbundenen Transaktionen - natürlich mit Ausnahme der Zinszahlungen - auf dem An- leihekonto verbucht sind, bleibt das „verfügbare Einkommen" des Einkom- mensverwendungskontos unberührt von jeglichen Anleihegeschäften. Damit wird impliziert, daß private Wirtschaftssubjekte sowohl die Zeichnung von Anleihen als auch deren Tilgung lediglich als einen Umtausch eines Vermö- gensteils in einen anderen betrachten, der auf den laufenden Verbrauch keinen Einfluß hat. Sicherlich ist es berechtigt anzunehmen, daß Staatsan- leihen in normalen Zeiten vorwiegend zu Lasten der Ersparnis und nicht des Konsums gezeichnet werden. Ob empfangene Tilgungszahlungen aber immer gespart und nicht zumindest in gewissem Umfange dem laufenden Konsum zugeführt werden, ist weniger gewiß. Barna schreibt hierzu: „In Britain the repayment of public debt is not considered as part of national income ana- lysis as it is assumed that the investor will hold one piece of paper instead of another, with no consequence on consumption or investment. In France, however, repayment of public debt may have the same inflationary conse- quences as government current expenditure and, in fact, attempts are made to finance such repayments out of taxation."1

Es erscheint uns in jedem Falle zweckmäßig, an der hier vorgeschlagenen Behandlung der Anleihen festzuhalten, bei der Bestimmung des Konsums aber, wie es heute weitgehend schon getan wird, nicht nur die Höhe des lau- fenden verfügbaren Einkommens, sondern auch das Vermögen und seine Zu- sammensetzung, d h. den Liquiditätsgrad, mit in Rechnung zu stellen.

V. Produktivitäts- und Welfare-Betrachtungen Das Sozialprodukt einer einzelnen Periode als eine Geldsumme ist, wir

erwähnten das bereits, eine Größe, die für sich allein nicht viel besagt. Inter- essant wird sie erst im Vergleich. Vergleichen läßt sich das Sozialprodukt einer Volkswirtschaft zu verschiedenen Zeitpunkten (Zeitvergleich), das Sozialprodukt mehrerer Länder im gleichen Zeitpunkt (interregionaler Ver- gleich), und schließlich läßt sich das Sozialprodukt einer Periode zu bestimm- ten Teilaggregaten in Beziehung setzen (Strukturanalyse). Die Probleme der Strukturanalyse behandeln wir im Abschnitt VI und beschränken uns hier auf intertemporale und interregionale Gegenüberstellungen.

Man pflegt die sich bei der Berechnung des Sozialproduktes und bei der Aufstellung von Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ergebenden Pro- bleme in drei Hauptgruppen zusammenzufassen, nämlich (A) Selektions- probleme, (B) Bewertungsprobleme und (C) Periodisierungsprobleme. Die Periodisierungsprobleme, die insbesondere für die Einkommensanalyse von Bedeutung sind, hatten wir den statistisch-technischen Fragen zugerechnet

1 T. Barna, International Comparisons of National Accounts in Economic Analysis. Income and Wealth, Series III, a.a.O., S. 150.

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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 363

und bereits gestreift. Selektions- und Bewertungsprobleme, die wir bei der Ein- kommensanalyse ganz außer acht lassen konnten, spielen bei den in diesem und im folgenden Abschnitt behandelten Fragestellungen eine wichtige Rolle.

Beginnen wir mit dem Selektionsproblem. Dem Sozialprodukt eines Lan- des werden üblicherweise nur die in einer Periode hervorgebrachten Güter und Dienste zugerechnet, die Gegenstand eines Austausches auf Märkten ge- worden sind oder die im produzierenden Sektor unmittelbar zur Vergrößerung des Erzeugersachkapitalbestandes beigetragen haben. Wichtige Aktivitäten, wie etwa die Arbeitsleistungen der Frauen im Haushalt, gehen nicht in das Sozialprodukt ein, und zwar einfach deshalb, weil sich ein vernünftiger Wert- ansatz dafür nicht finden läßt.

Das Prinzip, nach dem nur Marktvorgänge in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ihren Niederschlag finden, erfährt einige wichtige Durch- brechungen. So wird insbesondere der Eigenverbrauch der Landwirtschaft dem Sozialprodukt zugerechnet. Eine dieser Ausnahmen, die das Standard- System der OEEC vorsieht, betrifft den staatlichen Sektor : Für die von der staatlichen Administration benutzten Gebäude wird ein Mietansatz vorge- nommen, auch wenn solche Mieten tatsächlich nicht bezahlt werden, weil der Staat eigene Gebäude besitzt1. Ebenso werden ja auch im Privatbereich Mieten für das Wohnen in Eigenheimen zugerechnet. Ob durch das Unter- stellen von Nettomieten auf öffentliche Gebäude viel für eine bessere Ver- gleichbarkeit gewonnen wird, muß bezweifelt werden, wenn man berücksich- tigt, daß ja die Gebäude nur einen sehr kleinen Teil des gesamten öffentlichen Vermögens ausmachen. Solange es nicht gelingt, für das gesamte staatliche Realvermögen Zinsansätze vorzunehmen - und wie sollte das jemals gelingen, wo alle Parallelen zur Privatwirtschaft fehlen? -, dürfte es sicher konse- quenter sein, jegliche Zurechnungen im staatlichen Sektor zu unterlassen.

Weit wichtiger im Hinblick auf den Einbau des Staates in die National- buchführung ist das Bewertungsproblem. Wollen wir intertemporale oder interregionale Vergleiche durchführen, so stehen wir zunächst vor der Frage, was überhaupt verglichen werden soll, eine Frage, die insbesondere im Zu- sammenhang mit der Errechnung des Lebenshaltungskostenindex Anlaß zu ausgedehnten Diskussionen gegeben hat und noch gibt. Es geht darum, ob der Lebenshaltungskostenindex nichts weiter als ein reiner Preisindex sein soll oder ob man von ihm unmittelbare Aussagen über die Entwicklung des Wohlstandes verlangen darf. Soll der Index nur anzeigen, was ein bestimmter Warenkorb heute kostet im Vergleich - sagen wir - zum Jahre 1936, oder soll er Auskunft darüber geben, welches Einkommen ein Haushalt heute be- ziehen müßte, um das gleiche Wohlstandsniveau zu erreichen wie 1936 ? Aus dem Bestreben, einen Bewertungsmaßstab für Volkseinkommensberechnun-

1 Das Produktionskonto des Staates (vgl. S. 352) erfährt dadurch folgende Änderungen. Die Bruttomieten, die dem laufenden Staatsverbrauch auf der Ertrags- seite als unterstellte Transaktion zugerechnet werden, setzen sich additiv zusammen aus den Abschreibungen, den Ausgaben für Reparaturen und den Nettomieten (Reinertrag). Die Reparaturausgaben sind in (1) und (2) bereits enthalten, die Ab- schreibungen auf Gebäude in Posten (3). Neu hinzu kommen also nur die Netto- mieten, die den Staatsverbrauch und damit das Sozialprodukt erhöhen und in den Posten (4): „Überschuß" eingehen.

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364 Gottfried Bombach

gen zu finden, der die weit ehrgeizigere Aufgabe, d. h. Durchführung echter Produkti vitata- und Weif are vergleiche, zu lösen imstande ist, kam es zu der bekannten, im Jahre 1940 einsetzenden Kontroverse zwischen Hicks und KuznetSy die auch von der neueren Welfare-Theorie aufgegriffen wurde1. Zu einer befriedigenden Lösung ist man, so läßt sich rückblickend sagen, bislang noch nicht gekommen. Eine Ideallösung scheint tatsächlich auch nicht zu existieren. Hicks macht bei seinem Bemühen, über bloße Mengen- und Preisvergleiche hinaus zu Produktivitäts- und Welfare-Vergleichen vorzudringen, von der bekannten Paretianischen Indifferenzkurvenanalyse Gebrauch und kommt dabei zu interessanten Ergebnissen. Die Betrach- tungen sind jedoch an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, die die Produk- tivitätsanalyse vor sehr ernste, die Welfare-Vergleiche vor praktisch un- überwindbare Schwierigkeiten stellen. Eine sich auf die Indifferenzkurven- technik stützende Welfare-Betrachtung geht von folgenden Voraussetzun- gen aus: 1. Die Haushalte haben die Möglichkeit, frei über die Mengenkom- bination zu entscheiden, in der sie die verschiedenen Produkte kaufen; 2. die Preise bilden sich frei auf den Märkten und zeigen damit die relative Knapp- heit der Güter an ; 3. die in den Indifferenzkurven zum Ausdruck kommende Bedürfnisstruktur ändert sich im Zeitablauf nicht bzw. ist in den in den Ver- gleich einbezogenen Regionen gleich ; 4. die Einkommensverteilung ändert sich im Zeitablauf nicht bzw. weist interregional keine Unterschiede auf. Allein durch das Dazwischentreten des Staates, der in der heutigen Volkswirtschaft über ein Fünftel oder ein Viertel des Sozialproduktes verfügt, ist es fraglich, ob man die Bedingung 1. als erfüllt ansehen kann. Die Problematik der wei- teren Voraussetzungen ist offensichtlich.

Angesichts der enormen Schwierigkeiten, die sich echten Produktivi- täts- und Weif are- Analysen entgegenstellen, ist man wieder dahin zurück- gekehrt, intertemporale und interregionale Einkommensvergleiche in Form von bloßen Preis- und Mengen vergleichen durchzuführen, so wie heute auch die Lebenshaltungskosten- und Produktionsindizes der einzelnen Länder nichts anderes sind als reine Preis- und Mengenindizes. Bei internationalen Vergleichen z. B. wird heute von vornherein darauf verzichtet, Aussagen über den „Volkswohlstand" öder den „Lebensstandard" der einzelnen Länder zu machen. Was man zu vergleichen anstrebt, ist nichts weiter als die Ge- samtheit von Gütern und Diensten, die in verschiedenen Ländern in einer bestimmten Periode hervorgebracht wurden und die den Einwohnern zur Verfügung gestanden haben. Was nicht verglichen wird, sind die produktiven Anstrengungen, die zur Hervorbringung eben dieser Güter erforderlich ge- wesen sind, und der Nutzen, den sie den Bewohnern der einzelnen Länder gestiftet haben. Natürlich steht der Wohlstandsvergleich immer im Hinter- grund. Aber es wird keine Quantifizierung des „Welfare" angestrebt. Für den Zeitvergleich gilt entsprechendes.

1 J. R. Hicks, The Valuation of the Social Income. Economica, Bd. 7 (1940). - S. Kuznets, On the Valuation of Social Income - Reflections on Professor Hicks' Article. -J. R. Hicks, The Valuation of the Social Income - A Comment on Professor Kuznets' Reflections. Beide: Economica, Bd. 15 (1948). Vgl. hierzu auch: I.M. D. Little, A Critique of Welfare Economics. Oxford 1950, S. 211-228.

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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Qesamtrechnung 365

Nichtsdestoweniger haben die von Hicks durchgeführten Untersuchungen trotz der einschränkenden Voraussetzungen zu einigen Resultaten geführt, die uns auf der Suche nach dem „idealen" Wertmaßstab weiterzuhelfen ver- mögen. Das erste Ergebnis lautet, daß es einen einzigen, alle Formen der ökonomischen Analyse befriedigenden Wertmaßstab nicht geben kann. „As National Income calculations are used for all sorts of purposes, we may have to be prepared to use more than one system of weights" *. Zum zweiten ergibt sich, daß die Marktpreisbewertung der geeignetste Maßstab für die von der Verwendungsseite ausgehenden Analysen ist, weil hier immer der Weifare- Gedanke im Hintergrund steht und Marktpreise eben jene Werte sind, die die Konsumenten ihren Entscheiden zugrunde legen. Für die sich auf die Ent- stehungsseite stützenden Betrachtungen bieten sich Faktorkosten als die adäquate Werteskala an, weil produktive Kräfte gemessen werden sollen und indirekte Steuern kein Indikator für den Einsatz von Produktionsfaktoren sind (vgl. S. 359 f.). Natürlich sind Faktorkosten in dieser Hinsicht nicht als ein Idealmaßstab anzusehen, denn sie erhalten noch Elemente, die ebenfalls nicht den Einsatz von produktiven Kräften widerspiegeln (Monopolgewinne usw.). Überdies müßten im Prinzip „social costs" und nicht die in den Faktorkosten zum Ausdruck kommenden „private costs" als Grundlage für wirkliche Produktivitätsbetrachtungen gewählt werden. Dennoch ist die Faktorkostenbewertung u. E. die bestmögliche unter den praktisch verfüg- baren Wertskalen. Mit Ausscheidung der immer ungleichmäßig anfallenden indirekten Steuern werden die gröbsten Verzerrungen vermieden.

Wir schneiden hier zum ersten Male die Frage an, ob es tatsächlich zweck- mäßig ist, an der klassischen Einteilung in direkte und indirekte Steuern und damit an der Unterscheidung zwischen dem Volkseinkommen zu Markt- preisen und zu Faktor kosten festzuhalten. Die Meinungen hierüber gehen heute sehr auseinander. R. Frisch z. B. sieht das Festhalten am Faktorkosten- konzept als eine Hauptschwäche des OEEC-Systems an2. In erster Linie ist hierzu folgendes zu bemerken: Indirekte Steuern sind ein Tranferstrom wie alle anderen Steuern auch und nehmen insofern keine Sonderstellung ein. Ganz gleich, ob wir uns für das Sozialprodukt zu Faktorkosten oder zu Marktpreisen als Vergleichsbasis entscheiden, gemessen wird in beiden Fällen die gleiche Gesamtheit von Gütern und Diensten, nur ist der Bewertungsmaß- stab ein anderer. Es wird also nichts „weggelassen", wenn man dem Faktor- kostenkonzept den Vorzug einräumt, es wird nur anders gewertet, oder es wird, um es statistisch auszudrücken, ein anderes Gewichtssystem gewählt. Zum zweiten sind Faktorkosten und Marktpreise nur zwei unter vielen mög- lichen Alternativen. So könnten z. B. das Sozialprodukt und alle seine Kom- ponenten durchaus auch nach den in ihnen enthaltenen Löhnen bewertet werden. Und drittens schließlich besteht heute wohl Übereinstimmung dar- über, daß die Aufteilung in direkte und indirekte Steuern nicht deshalb ratsam ist, weil angeblich erstere nicht und letztere voll auf den Preis ab- wälzbar sind, so daß die ersteren das monetäre Sozialprodukt in seiner Höhe

1 J. R. Hicks, The Valuation of the Social Income, a.a.O., S. 106. 2 R. Frisch, From National Accounts to Macro-Economic Decision Models. Income and Wealth, Series IV, a.a.O., S. 19, Fußn. 1. 25 Finanzarchiv N. F. 17. Heft 3

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unbeeinflußt lassen, während die indirekten Steuern eine monetäre Auf- blähung bedeuten (das sog. Invarianzargument). A. R. Prest hat gezeigt, auf welch schwachen Füßen das Invarianzargument ruht: Die Hypothese von der vollen Abwälzbarkeit der indirekten und Nichtabwälzbarkeit der direkten Steuern impliziert Annahmen über die Größe der Elastizitäten von Angebot und Nachfrage, die einander vollkommen widersprechen1. Wenn wir im folgenden dennoch bei verschiedenen Betrachtungen am Faktorkostenkon- zept festhalten, so nur deshalb, weil wir in diesen speziellen Fällen Faktor- kosten als einen geeigneteren Wertmaßstab ansehen als Marktpreise. Das Sozialprodukt zu Faktorkosten für sich allein als eine Geldgröße hat neben dem Marktpreiseinkommen keinen besonderen analytischen Wert.

Erinnern wir uns, daß in diesem Abschnitt zunächst nur Niveauver- gleiche behandelt werden und wir uns die Strukturanalyse für den nächsten Abschnitt vorbehalten haben. Als gegeben betrachten wir die Mengenreihen für die einzelnen in das Sozialprodukt einer Volkswirtschaft eingehenden Güter und Dienste in Form von Meßziffern über einen gewissen Zeitraum hinweg. Die Aufgabe besteht darin, die Einzelmeßziffern zu größeren Aggre- gaten zusammenzufassen, so daß die Mengenentwicklung des Sozialproduktes in seiner Gesamtheit und seinen Hauptkomponenten (Privater Konsum, Investition, usw.) sichtbar wird2. Dazu bedarf es bestimmter Gewichte, und als Alternativen bieten sich Marktpreise oder Faktorkosten an. Bekanntlich haben nun kleinere Verschiebungen in den Gewichten keinen großen Einfluß auf die aggregierten Indizes, insbesondere dann nicht, wenn die einzelnen Mengenreihen einem gewissen gemeinsamen Trend gehorchen und in ihrem Verlauf nicht allzu stark voneinander abweichen. Wählt man Marktpreise, so erhalten die Mengenreihen der Güter ein größeres Gewicht, die stark mit indirekten Steuern belastet sind. A priori ist also nicht zu erwarten, daß die Ergebnisse stark differieren werden.

Die Marktpreisgewichtung bereitet keine technischen Schwierigkeiten, weil Marktwerte ja für alle Jahre unmittelbar zur Verfügung stehen. Ent- scheidet man sich jedoch für Faktorkostengewichte, so muß für das Basisjahr der Faktorkostengehalt für jedes in den Index eingehende Endprodukt er- mittelt werden8. Dazu bedarf es der Ableitung sog. kumulativer Kosten- quoten, um festzustellen, wie stark jedes Endprodukt - bzw. jede Gruppe von Endprodukten - kumulativ mit indirekten Steuern belastet ist. Diese Information kann uns nur eine Input-Output-Tabelle vermitteln, und aus diesem Grunde sind heute nur wenige Länder in der Lage, exakte Mengen- indizes unter Anwendung der Faktorkostengewichtung aufzustellen. Im An-

1 A. E. Prest, Statistica! Calculations of Tax Burdens. Economica, Bd. 22 (1966), S. 234-246, insbes. S. 242.

* in der traxis sina naturncn iur weite uereicne aer wurscnarc xuengenreinen nicht unmittelbar bestimmbar, sondern sie werden aus den Wertreihen durch An- wendung spezifisch auf die betreffenden Komplexe zugeschnittener Preisindizes er- mittelt. Das ändert aber nichts an unserer Argumentation. 3 Es wird angenommen, dali ein Mengenindex mit konstanten Uewicnten aul- gestellt werden soll (Laspeyres-Index). Der dazugehörige Preisindex hat in diesem Fall variierende Gewichte (Paasche- Index). Im Bereich der Nationalbuchführung gibt man dieser Kombination heute den Vorzug.

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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 367

hang sind die hier beschriebenen Zusammenhänge formelmäßig dargestellt, und es wird ein Hilfsverfahren gezeigt, mit dem sich Faktorkostenindizes auch dann mit hinlänglicher Genauigkeit bestimmen lassen, wenn kumula- tive Kostenquoten nicht bekannt sind.

Für interregionale Niveauvergleiche gilt entsprechendes. Nehmen wir den Zweiländervergleich als Beispiel. Der erste Schritt besteht hier in der Ermittlung von Mengenrelationen für die einzelnen Bestandteile des Sozial- produktes1. Die einzelnen Mengenrelationen müssen alsdann aggregiert wer- den, was wiederum mittels Faktorkosten oder Marktpreisen möglich ist. Merkwürdigerweise wird zuweilen noch immer verkannt, daß die Berück- sichtigung oder Nichtberücksichtigung der indirekten Steuern auch im inter- nationalen Vergleich nichts anderes bedeutet als die Wahl zwischen zwei alternativen Gewichtssystemen. Man findet die Meinung vertreten, daß das Land mit relativ hohen indirekten Steuern mit einem künstlich überhöhten Sozialprodukt erscheint, weil die Steuern - zumindest zum Teil - auf die Preise abgewälzt werden und somit das Marktpreiseinkommen größer ist, als es ohne Vorhandensein der Steuer bzw. bei anderer Struktur des Steuer- systems sein würde. Dabei wird, obwohl die Zusammenhänge ganz offen- sichtlich sind, übersehen, daß sich die Erhöhung der Preise durch Abwälzung der indirekten Steuern ja unmittelbar in den Kaufkraftparitäten nieder- schlägt, über die dann die Korrektur automatisch erfolgt2. Die bereits ge- nannten, von der OEEC für 1950 durchgeführten internationalen Vergleiche stützen sich sowohl auf Marktpreise als auch Faktorkosten, wobei man sich bei Anwendung der Faktorkostengewichte auf die Ausschaltung der in den letzten Stufen anfallenden indirekten Steuern beschränkt hat. Die Unter- schiede in den Ergebnissen sind -wie a priori zu erwarten war - geringfügig 8.

Wir kommen somit zu dem Ergebnis, daß für reine Niveauvergleiche weder Selektions- noch Bewertungsprobleme ernste Schwierigkeiten berei- ten. Mit dem Einbau des staatlichen Sektors in die Nationalbuchführung aber tritt nun ein weiteres Problem hinzu, das wir bei der Einkommensana- lyse vernachlässigen konnten, das jedoch für Ni veau vergleiche von einiger und für die Strukturanalyse von ganz entscheidender Bedeutung ist. Es handelt sich um die Frage der Aufteilung der Dienste der staatlichen Administration in solche Leistungen, die dem Endverbrauch, d. h. den Haushalten, unmittelbar zufließen, und in Vorleistungen zum Produktionssektor.

Würde der Staat seine Leistungen in gleicher Weise wie private Unter- nehmungen gegen Entgelt abgeben, so würden irgendwelche Zurechnungs-

1 In der Praxis werden die Mengenrelationen teils unmittelbar, teils auf dem Umweg über Preisvergleiche (Ermittlung von Kaufkraftparitäten und Anwendung auf die Werte in nationaler Währung) ermittelt. M . Gilbert - /. B. Krams, An Inter- national Comparison of National Products and the Purchasing Power of Currencies. A Study of the United States, the United Kingdom, France, Germany and Italy. OEEC, Paris (ohne Erscheinungsjahr) ; vgl. insbes. S. 96.

2 Das gleiche gilt für den Zeitvergleich: werden die Satze tur indirekte ¡Steuern erhöht und die erhöhten Steuern ganz oder zum Teil auf die Preise abgewälzt, so steigt ceteris paribus das nominale Marktpreiseinkommen, zugleich aber zeigt der Preisindex, der ia auf Basis von Marktpreisen ermittelt wird, die Steuererhöhunc an.

3 Gilbert-Kravi8, An International Comparison, a.a.O., Tabellen S. 113-119. 25*

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problème nicht bestehen. Aus den Konten wäre unmittelbar ersichtlich, welcher Teil der Leistungen an Haushalte geflossen ist und welcher an den Produktionsbereich. Die an den Produktionsbereich abgegebenen Leistungen würden dort als Input verbucht werden und die Wertschöpfung der empfan- genden Bereiche schmälern. Zu Doppelzählungen käme es nicht. In Wirk- lichkeit stehen wir aber vor der Tatsache, daß, von unbedeutenden Aus- nahmen (Gebühren, Beiträge) abgesehen, der Staat seine Einnahmen ohne spezielle Gegenleistung erhält und zugleich Leistungen ohne spezielles Ent- gelt an die Gemeinschaft abgibt. Stellt man diesen Vorgang in einem System dar, das sowohl Geld- als auch Güterströme enthält, so ergibt sich folgendes Bild: Vom Privatbereich fließen, losgelöst von jeglichen Vorgängen in der Güterwelt, Geldströme an den staatlichen Sektor (Geldtransfers), und zu- gleich fließen unabhängig von diesen Geldtransfers Leistungsströme vom staatlichen an den privaten Bereich (Realtransfers). Die Geldtransfers kön- nen ohne weiteres zugeordnet werden, weil leistende Einheit und Empfänger bekannt sind. Ernste Schwierigkeiten dagegen bereitet die Zuordnung der Realtranfers auf der Seite der Empfänger, sobald der Privatbereich in irgend- einer Weise aufgespalten wird, also etwa in Haushalte und Produktionsunter- nehmungen, womit es erforderlich wird, zwischen Beiträgen des Staates zum Endverbrauch und Vorleistungen zum Produktionsprozeß zu unterscheiden. Das einzige, was man weiß, ist, daß in der Tat ein nicht unerheblicher Teil der staatlichen Leistungen nicht unmittelbar Endverbrauch darstellt, son- dern den Charakter von Produktionskosten hat. Beispiele lassen sich leicht finden. Die Administration und die Rechtsprechung etwa arbeiten nicht nur für private Haushalte, sondern in gleicher Weise auch für die Geschäfts- welt. Die vom Staat unterhaltenen Straßen und Brücken werden nicht nur von privaten Kraftfahrzeugen, sondern auch für den Gütertransport benutzt. Die Beispiele lassen sich beliebig vermehren.

Drei Wege sind bisher beschritten worden, das Problem der Zurechnung der Staatsleistungen zu lösen. Das erste Verfahren ist der für die Berechnung des amerikanischen Volkseinkommens früher einmal angewandte sog. „tax- payments-approach"1. Die direkten Steuern von Einzelpersonen wurden dabei als Maßstab für den Beitrag zum Endprodukt, alle anderen Steuern im wesentlichen als Maß für den Beitrag zum Produktionsprozeß ange- sehen. Diese Aufgliederung entbehrt natürlich jeder logischen Grundlage und bedeutet eine ganz willkürliche Durchbrechung des Prinzips der generellen Entgeltlichkeit. Sie ist aufgegeben worden und wird auch nicht mehr disku- tiert.

Der zweite Weg ist der sog. „specific approach". Hier werden die öffent- lichen Ausgaben Posten für Posten durchgegangen, und es wird kasuistisch zu entscheiden versucht, was dem Endverbrauch und was den Produk- tionskosten zugerechnet werden soll. Die als Vorleistungen angesprochenen Staatsdienste werden von der industriellen Wertschöpfung abgesetzt, und damit wird die Sozialproduktsberechnung auf eine echte Nettorechnung zu- rückgeführt.

1 8. Kuznets, Government Product and National Income. Income and Wealth, Series I, a.a.O., S. 186 ff.

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Staatshaushalt und VdksvnrtschafÜiche Oesamtrechnung 369

Die dritte Alternative schließlich besteht in der Kapitulation vor den enormen Schwierigkeiten, die jeglicher Versuch der speziellen Zurechnung mit sich bringen muß. Man betrachtet alle Staatsleisutngen schlechthin als unmittelbaren Beitrag zum Sozialprodukt und nimmt Doppelzählungen be- wußt in Kauf, in der Annahme, daß sie in ihrer Größenordnung nicht allzu sehr ins Gewicht fallen oder daß sie sich zumindest in ihrer relativen Bedeu- tung im Zeitablauf nicht sehr verändern, so daß die Vergleichbarkeit erhalten bleibt. Nahezu alle Länder beschreiten heute diesen Weg.

Kehren wir zurück zur speziellen Zurechnung, die im Prinzip natürlich das einzig wirklich befriedigende Verfahren ist. Der Verzicht auf eine Auftei- lung der Staatsleistungen kann hingenommen werden, solange der Anteil der Staatsausgaben in ihrer Gesamtheit am Sozialprodukt nicht übermäßig groß ist. Mit einer Beeinträchtigung der Vergleichbarkeit ist dann nicht zu rechnen. Bei den heute gegebenen Größenproportionen liegen die Dinge zweifellos anders. Die Ergebnisse internationaler Gegenüberstellung insbe- sondere können durch die Doppelzäjilungen sehr beeinträchtigt werden. Die spezielle Zurechnung ist früher in Schweden und bei den deutschen Volks- einkommensberechnungen zwischen den beiden Weltkriegen durchgeführt worden1.

Der in diesem Zusammenhang in der deutschen Einkommensstatistik einge- führte Begriff der „fehlenden Steuern" hat zu mancherlei Verwirrung Anlaß gegeben. Er erklärt sich aber einfach aus den damals gebräuchlichen Berechnungsmethoden. Das Volkseinkommen wurde im Gegensatz zur Nachkriegszeit nach der personellen Methode ermittelt. Unmittelbar ergab sich also das Volkseinkommen zu Faktor- kosten und nicht das Marktpreiseinkommen. Die Ausgaben des Staates hat man aufgespalten in Ausgaben für die Produktionswirtschaft und Ausgaben für die Ver- brauchswirtschaft. Nur die letzteren sollten dem Volkseinkommen zugerechnet werden. Das geschah dadurch, daß man sie zunächst gegen die bereits im Faktor- einkommen enthaltenen direkten Steuern saldierte und nur den Restbetrag, eben jene „fehlenden Steuern", dem Faktoreinkommen zurechnete. Das läuft rechne- risch natürlich auf das gleiche hinaus, wie wenn das Marktpreiseinkommen um die Staatsausgaben für die Produktionswirtschaft vermindert wird 2. Heute macht u. W. nur noch Italien vom Verfahren der speziellen Zurechnung Gebrauch 3.

In der Nachkriegszeit wurde insbesondere durch Kuznets die Idee des „specific approach" unter Hinweis auf die früheren deutschen und schwedi- schen Arbeiten wieder aufgegriffen4. Kuznets vertritt die Ansicht, daß die Schwierigkeiten nicht so unüberwindlich seien, wie allgemein angenommen wird. Hicks hat sich dieser Meinung nach anfänglichen Zweifeln später ange- schlossen6. Nun wird offenbar für die bessere Vergleichbarkeit nichts gewon-

1 P. Jostock, Die Berechnung des Volkseinkommens und ihr Erkenntniswert. Schriften der Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft. Stuttgart und Berlin 1941, S. 80 ff., insbes. S. 84.

* Vgl. hierzu auch: U. Fjteiderer, Das .Erkenntnisziel der Volkseinkommens- statistik. Bank-Archiv; Zeitschrift für Bank- und Börsenwesen Jg. 1942, S. 275-280. 3 Annuario Statistico Italiano 1952, Serie V, Bd. IV (Istituto Centrale di Statistica, Rom 1953, S. 155). 4 a. Kuznets, Government Product, a.a.O. 5 J. R. Hicks, The Valuation of the Social Income - A Comment, a. a. O., S. 164. Hicks sagt zu dem Problem der Abgrenzung : „The difficult cases are quantitatively of secondary importance, with (I think) the exception of road maintenance. Here

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3 70 Gottfried Bombach

nen, solange es nicht gelingt, die Länder zu veranlassen, gewisse allgemein akzeptierte, eindeutige Richtlinien für die Kategorisierung der Staatsaus- gaben zu befolgen. Andernfalls würde sich, wenn einzelne Länder unterschied- lich vorgehen oder manche Länder überhaupt beim bisherigen Verfahren bleiben, die Situation nur noch verschlechtern1. Kuznets hat nun versucht, eine Reihe von Kriterien zu entwickeln, nach denen sich die Staatsausgaben in eindeutiger Weise einer der beiden großen Gruppen zuordnen lassen. Er geht dabei von der Idee aus, daß immer eine Reihe von materiellen Vorbe- dingungen erfüllt sein muß - er spricht von einem „social framework" -, ehe sich überhaupt eine produktive Tätigkeit entfalten und damit ein Sozial- produkt heranwachsen kann. Aller Aufwand, der dazu dient, dieses „social framework" intakt zu halten und auszubauen, ist nicht Endzweck und soll nicht Bestandteil des Sozialproduktes sein: „National income is a measure of net output of economic activity within the given social framework, not of what it would be in a hypothetical absence of the latter. The maintenance and modification of this framework, even though it employs scarce resources that may be secured on business markets, cannot itself constitute part of the final product of economic activity." 2 Bleibt zu definieren, was unter solchem Aufwand verstanden werden soll, der der Intakthaltung des „social frame- work" dient. Kuznets geht in dieser Hinsicht sehr weit, jedenfalls einen guten Teil weiter, als das bei den früheren deutschen Berechnungen geschehen ist: „It is contended .... that most government activities are designed to preserve and maintain the basic social framework and are thus a species of repair and maintenance which cannot in and of itself produce net economic returns." 8 Als wohl wesentlichster Posten sollen nach Kuznets vor allem die Rüstungsausgaben aus dem End verbrauch ausgegliedert werden. Die sehr weitreichenden Folgen eines solchen Vorgehens sind offenkundig : Wird eine vollbeschäftigte Wirtschaft durch Verschlechterung des politischen Klimas gezwungen, Teile der wirtschaftlichen Hilfsquellen von der Friedenswirt- schaft auf die Rüstungsproduktion umzulenken, so zeigt die Kuznetssche Methode unmittelbar eine Abnahme des Sozialproduktes an, während es bei den heute gebräuchlichen Methoden der Berechnung im wesentlichen nur zu einer Änderung seiner Zusammensetzung kommt. Es könnte dann erforderlich werden, das Sozialprodukt anders zu definieren als bisher. Wir wollen nicht wa- gen, eine Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Verfahrens zu treffen.

we should need an arbitrary convention, but a sensible convention ought not to be impossible of attainment."

1 So ist es z. B. im Rahmen der vergleichenden Studien der ÜEE(J erforderlich gewesen, die bereits erwähnte, in Italien durchgeführte Zurechnung eines erheb- lichen Teils der Staatsausgaben zu den Vorleistungen zum Produktionssektor wieder rückgängig zu machen. Statistics of National Product, a.a.O., S. 185.

2 8. Kuznets, Government JProduct, a.a.U., S. 193. 3 8. Kuznets, Government Jt*roduct, a.a.U., S. 184. - in ADweicnung zu aem früheren deutschen Verfahren rechnet Kuznets allerdings - und das u. E. zu Recht - sämtliche staatlichen Investitionen dem Sozialprodukt einer Periode zu. Sie be- deuten ebenso wie die privaten Investitionen eine Vermehrung des Volksvermögens. Erst bei der späteren Ka,j>it&'nutzung ergibt sich das Problem der Zurechnung, das natürlich nur im Rahmen einer echten Kapitalrechnung für das öffentliche Ver- mögen gelöst werden könnte.

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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche OesanUrechnung 371

Noch viele Schwierigkeiten werden zu überwinden sein, ehe es gelingt, einigermaßen befriedigende Konventionen zu finden.

Es bleibt zu untersuchen, wie sich die Aufgliederung der Staatsleistungen in Endverbrauch und Vorleistungen zur Produktion in den Konten der Natio- nalbuchführung niederschlagen würde. Das durch Konsolidierung der Pro- duktionskonten der verschiedenen Sektoren sich ergebende Nationale Pro- duktionskonto einer geschlossenen Volkswirtschaft hat vor Aussonderung der vom Staat an den Produktionssektor abgegebenen Dienste folgendes Aus- sehen :

Nationales Produktionskonto

Sektor der Produktionsunternehmungen Privater Verbrauch C Löhne L Ì Laufende Ausgaben des Staates für Lfd. Überschuß * Ü* J W* a) an Haushalte abgegebene

Dienste (Endverbrauch) Oe b) an den Produktionssektor

Staatlicher Sektor abgegebene Dienste Ov Löhne L8 I w (Vorleistungen) Lfd. Überschuß 2 Ü8 J * Nettoinvestition /

Nettosozialprodukt zu E Nettosozialprodukt zu E Marktpreisen Marktpreisen

In der Ausgangssituation enthält das Nettosozialprodukt Doppelzählungen im Betrage von Gv. Übernimmt der Staat Funktionen, die zuvor im Produk- tionssektor als Kosten betrachtet wurden, so erhöht sich bei dieser Berech- nungsmethode das Nettosozialprodukt, ohne daß sich der für den Konsum oder die Investition verfügbare Gesamtbetrag von Gütern und Diensten ver- mehrt hat. Die Ausschaltung der Doppelzählungen bereitet buchhaltungs- technisch auf dem konsolidierten Konto keinerlei Schwierigkeiten. Auf der Entstehungsseite reduziert sich der Staatsverbrauch auf Ge, das Sozialpro- dukt sinkt auf E-Gv. Auf der Aufwandseite ist Gv vom laufenden Überschuß des Unternehmungssektors abzusetzen (unterstellte Transaktion). Die be- reinigte Wertschöpfung des Sektors beträgt dann Wp-Gv.

Es ergeben sich jedoch nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten, sobald der Sektor der Unternehmungen in Teilbereiche aufgespalten werden soll. Kaum jemals dürfte es gelingen, befriedigende Kriterien für die Verteilung der als Vorleistungen betrachteten Staatsdienste auf die einzelnen Teilbe- reiche entsprechend der tatsächlichen Inanspruchnahme der Dienste zu finden, obwohl natürlich kein Zweifel darüber besteht, daß das Gelingen einer solchen Zurechnung zu sehr interessanten Resultaten führen würde. Der erste und vielleicht entscheidende Schritt in Richtung einer Umstellung der Wertschöpfungsrechnung auf die Basis von „social costs" wäre damit getan.

1 Enthält noch die indirekten Steuern, die wir in den Bereich der Redistribu- tion verwiesen haben. Somit sind, im Gegensatz zu der heute gebrauchlichen Defi- nition, die indirekten Steuern auch in der Wertschöpfung des privaten Sektors (Wp) enthalten.

* entsteht nur duren Unterstellung von JNettomieten usw.

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372 Gottfried Bornbach

VI. Strukturanalyse Die Berechnung von Strukturquoten ist eine Form der sich auf National-

buchführungsdaten stützenden Analyse, von der in der Praxis sehr weit- gehend Gebrauch gemacht wird. Bekannte Beispiele sind die Berechnung der Anteile einzelner Sektoren an der Gesamtwertschöpfung einer Volkswirt- schaft, die Analyse der Zusammensetzung des von der Verwendungsseite gesehenen Sozialproduktes oder etwa die Ermittlung sog. Steuerbelastungs- quoten. Statistisch-methodisch ist zu Strukturquoten nicht viel zu sagen. Es handelt sich um einfache Gliederungszahlen1. Dennoch ist der Aussagegehalt solcher einfachen Anteilsquoten nicht so offenbar, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Vor einer unbedachten Berechnung und falschen Interpreta- tion muß eindringlich gewarnt werden, insbesondere dann, wenn sich die Quoten auf das Einschalten des Staates in den Wirtschaftskreislauf beziehen.

Zunächst ist ein Unterschied zu machen zwischen echten und unechten Struktur quoten. Echte Strukturquoten ergeben sich nur dann, wenn die ein- zelnen Teilaggregate tatsächlich integrierender Bestandteil der übergeord- neten Gesamtheit sind, zu der sie in Beziehung gesetzt werden. Oder tech- nisch ausgedrückt: bei der Ermittlung von Anteilsquoten soll der Zähler des Bruches zugleich auch Bestandteil des Nenners sein. Das Nettosozialprodukt zu Marktpreisen z. B. läßt sich aufgliedern in den privaten Konsum, die laufenden Staatsausgaben, die (private und staatliche) Nettoinvestition und den Exportüberschuß

E = Cpr + C8t + / + X. (2) Kelation (2) erlaubt die unmittelbare Ableitung echter Struktur quo ten.

Ein beliebter Vergleichsmaßstab bei der Bestimmung des „Anteils des Staates am Volkseinkommen" oder bei der Durchführung internationaler Steuerbelastungsvergleiche ist das Volkseinkommen zu Faktorkosten. Über- prüft man die benutzten Relativzahlen, so wird man finden, daß sie vielfach nicht die Anforderungen erfüllen, die an echte Strukturquoten zu stellen sind. Das Faktorkosteneinkommen als Generalnenner spielt bei solchen Belastungs- vergleichen, wie Ohlsson gesagt hat, oft nur die Rolle jener Streichholz- schachtel, die man bei Zeitungsabbildungen benutzt, um durch Gegenüber- stellung die abnorme Größe irgendeines anderen Gegenstandes deutlich zu machen2. Wird etwa, wie es oft geschieht, das gesamte Steueraufkommen (direkte Steuern Tdir + indirekte Steuern Tind) zum Faktorkosteneinkom- men in Beziehung gesetzt, so ergibt sich

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• W E -Tind 7p

Die im Zähler enthaltenen indirekten Steuern werden vom Nenner ausge- schlossen, und zugleich bleibt unberücksichtigt, daß ein Teil der an den

1 Wir denken hier nicht an jene nicht so offenkundigen Strukturkoeffizienten, die sich erst durch Inversion einer Matrix der interindustriellen Beziehungen er- geben. * /. Ohlsson, On National Accounting, a.a.O., S. 233-234.

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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Oesamtrechnung 373

Staat geflossenen Transfers wieder in Form von Subventionen an Unter- nehmungen und Unterstützungszahlungen an Haushalte in den privaten Bereich zurückströmt (Tr). Um (3) in eine echte Strukturquote zu verwan- deln, hat die NATO für ihre internen Vergleiche die Beziehung

Tdir + Tina r> = E +Tr {4)

gewählt. Im Nenner erscheint das Marktpreiseinkommen, vermehrt um die in den Privatbereich zurückgeflossenen Transfers. Es läßt sich zeigen - wir ver- zichten hier darauf -, daß (4) zu einer echten Anteilsquote führt. Sie hat jedoch ihre eigenen, besonderen Schwächen. Würde der Staat z. B. gleich- zeitig die Steuern und die an den Privatbereich bezahlten Transfers (Ti) um den gleichen Betrag erhöhen (vermindern), so würde r2 variieren, obgleich der vom Staat in Anspruch genommene Teil des verfügbaren Einkommens in Wirklichkeit keine Änderung erfahren hat. Auf den internationalen Ver- gleich übertragen bedeutet das, daß Länder mit ausgeprägtem Sozialhaus- halt eine hohe Steuerbelastung aufweisen werden, ohne daß der dem staat- lichen Sektor verbleibende Nettobetrag tatsächlich relativ größer sein muß als in anderen Ländern. Auf die seit jeher kontroverse Frage, ob Zwangsbei- träge zur Sozialversicherung bei Belastungsvergleichen wie Steuern behan- delt werden sollen, wollen wir hier nicht eingehen.

Der Staat greift in vielfältiger Weise in das Wirtschaftsleben ein, und deshalb ist es sicher nicht zweckmäßig, von einem „Anteil des Staates am Volkseinkommen" schlechthin zu sprechen. Man muß angeben, was im einzel- nen Falle tatsächlich gemessen werden soll. Eine der Möglichkeiten etwa wäre die Bestimmung des Anteils der staatlichen Wertschöpfung an der Ge- samtwertschöpfung. Oder man kann sich dafür interessieren, in welchem Umfange der Staat selbst als Käufer auf den Märkten in Erscheinung tritt. In diesem Falle ergibt sich die Anteilsquote aus Beziehung (2) mit Cgt/E1. Eine weitere Fragestellung wäre, wie sich der Staat durch Überschüsse in laufender Rechnung (Ersparnis des Staates) an der gesamten Vermögens- bildung beteiligt hat2. Besonders interessant ist schließlich die Frage, wie sich durch das Dazwischentreten des Staates die Verteilung des Einkommens verändert. Das ist natürlich die Fragestellung, auf die die Belastungsquoten in erster Linie abzielen. Die Antwort ergibt sich unmittelbar aus den Einkom- mensverteilungskonten des in Abschn. III entwickelten Schemas. Die jedem einzelnen Sektor zugeflossenen Transfers werden zweckmäßgerweise gegen die Transfers aufgerechnet, die an andere Sektoren geflossen sind, womit

1 Es ist offenkundig, daß in beiden Fällen die Strukturquoten entscheidend davon abhängen, ob sämtliche Staatsdienste dem Endverbrauch zugeordnet werden oder ob die bekannte Trennungslinie zwischen Endverbrauch und Vorleistungen zur Produktion gezogen wird. Ein Blick auf das auf S. 371 abgebildete aggregierte Pro- duktionskonto zeigt, daß sich nicht nur die auf den Staat selbst sich beziehenden Quoten ändern, sondern daß sich sowohl auf der Entstehungs- als auch der Ver- wendungsseite ein ganz neues Strukturbild ergibt, weil das Sozialprodukt in seiner Gesamtheit nicht unbeeinflußt bleibt.

2 Vgl. hierzu : Geschäftsbericht der Bank deutscher Länder für das Jahr 1955. Frankfurt 1956. S. 56.

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374 Gottfried Bombach

sich die sog. Nettotransfers ergeben, die im privaten Bereich im allgemeinen negativ und beim Staat positiv sind. In der geschlossenen Wirtschaft ist ihre Summe gleich Null. Die Nettotransfers lassen sich zum Primäreinkommen der Sektoren in Beziehung setzen und so die Verluste bzw. Gewinne im Zuge des Redistributionsprozesses in Form von Prozentzahlen angeben. Natürlich müssen dabei auch die Vermögensübertragungen gebührend berücksichtigt werden.

Den herkömmlichen Steuerbelastungsquoten kommt man am nächsten, wenn eine etwas andere Form der Aggregation gewählt wird1. Man kann sich die Volkswirtschaft aufgespalten denken in den privaten Produktionssektor auf der einen und den Staat sowie die Empfänger von Unterstützungsein- kommen auf der anderen Seite, wobei der Produktionssektor alle Unter- nehmungen sowie die Haushalte umfaßt, die ein Leistungseinkommen be- ziehen. Die bekannte Belastungsquote

r3 _ T~ + T» (5)

zeigt dann an, wie der Produktionssektor der Wirtschaft durch die Umver- teilung des Einkommens zugunsten des Staates und der unterstützungs- bedürftigen Haushalte belastet wird, unter der Voraussetzung, daß nur der Produktionssektor Steuern zahlt und die Transfers, die an diesen Bereich zurückfließen, vernachlässigt werden können. (5) ist nur sinnvoll, wenn für E das Marktpreiseinkommen eingesetzt wird.

Die bislang behandelten Belastungsquoten haben, sofern es sich um echte Strukturquoten handelt, durchaus einen Erklärungswert. Es muß jedoch mit Nachdruck betont werden, daß sie nichts anderes messen als eine finanzielle Belastung. Ein Maß für die reale Belastung durch Steuern zu finden, d. h. also festzustellen, wie sich die definitive Verteilung des gesamten Real- produktes durch das Dazwischentreten des Staates ändert, ist ungleich schwieriger2. Man muß zunächst bedenken, daß ein großer Teil der den Pro- duktionssektor verlassenden Transfers dem Staat zufließt, der seinerseits Güter und Dienste für die Gemeinschaft zur Verfügung stellt. Ein Teil dieser Leistungen kommt dem Produktionssektor unmittelbar zugute (Vorleistungen, S. 367 ff.). Die Problematik ihrer individuellen Zurechnung wurde beschrie- ben. Damit aber sind wir noch nicht am Ende der Schwierigkeiten. Auch die als Endverbrauch betrachteten Staatsdienste, die auf dem Konto des Staates als „Kollektivkonsum" verbucht werden, müssen, wenn die definitive Ver-

1 Es ist natürlich sinnlos, von einer Belastung einer Volkswirtschaft als Ganzem zu sprechen, falls nicht Transfers ins Ausland fließen. Belastet sein können immer nur bestimmte Bereiche, wobei dann andere Bereiche im gleichen Umfange profi- tieren. Die Dinge liegen hier ähnlich wie bei einer internen Staatsverschuldung. 2 Denkt man das Problem der Steueruberwalzung und öteuennzidenz bis zu Ende, so kommt man zu dem Schluß, daß die Inzidenz in letzter Konsequenz nur in der Auswirkung einer Steuer auf die Verteilung des realen Einkommens gemessen werden kann. Man müßte die Situation der Realeinkommensverteilung vor und nach dem Einsetzen (Wegfall) bzw. der Erhöhung (Senkung) einer bestimmten Steuer bestimmen. Die folgenden Ausführungen zeigen, welche enormen Schwierig- keiten sich einer solchen Messung entgegenstellen.

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Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 375

teilung des realen Sozialproduktes sichtbar gemacht werden soll, den Ein- heiten (Unternehmerhaushalte, Lohnempfängerhaushalte, Haushalte der Unterstützungsempfänger usw.) zugeschrieben werden, denen diese Leistun- gen tatsächlich zufließen. Es ist offensichtlich, daß die von den betreffenden Gruppen von Haushalten gezahlten Steuern gar keinen Anhalt dafür bieten, in welchem Umfange Schulen, Krankenhäuser, Gerichte usw. individuell in Anspruch genommen worden sind. Ebenso sinnlos wäre es, die Leistungen einfach pro rata aufzuteilen. Man müßte schon spezifische Schlüssel für jeden einzelnen Posten entwickeln.

Wir wollen hier keine Prognose wagen, ob sich derartige Berechnungen jemals werden in befriedigender Weise durchführen lassen. Bisher ist uns nur ein Versuch bekannt, die Berechnungen in der Praxis tatsächlich durchzu- führen, und zwar für Holland1. Solange aber über die definitive Verteilung des Sozialproduktes nichts bekannt ist, können die aus den Geldströmen ab- geleiteten Belastungsquoten nichts anderes messen als nur die finanzielle Belastung.

Anteilsquoten sollen, so sagten wir, immer echte Strukturquoten sein. Zugleich aber spielt bei der Ableitung auch das Bewertungsproblem eine ent- scheidende Rolle. Bei den in Abschnitt V behandelten Ni veau vergleichen dienen Preise lediglich als Gewichte im statistischen Sinne und haben einen nur begrenzten Einfluß auf das Resultat. Beim Strukturvergleich dagegen werden Wertgrößen zueinander in Beziehung gesetzt, die sich als Produkte aus Mengen und Preisen ergeben. Eine Verdoppelung der Mengen zeitigt hier den gleichen Effekt wie eine Verdoppelung der Preise. Aus diesem Grunde reagieren Strukturquoten sehr empfindlich auf jegliche Änderungen des Be- wertungsmaßstabes. Beachtet man, daß die Bewertung der Staatsdienste und die Bemessung der staatlichen Wertschöpfung nur auf Konventionen beruht (Kostenprinzip), so wird offenbar, daß die sich auf die staatliche Aktivität beziehenden Quoten in der Tat immer problematisch sein müssen.

Wählen wir ein bekanntes Beispiel. Bei internationalen Gegenüberstellungen ist es heute üblich, die Verteidigungskisten der einzelnen Länder dadurch zu messen, daß die monetären Verteidigungsausgaben zum Sozialprodukt in Beziehung gesetzt werden. Die dabei gewonnenen Relativzahlen haben durchaus einen bestimmten Aussagewert. Sie zeigen die durch die Landesverteidigung bedingten finanziellen Belastungen einzelner Volkswirtschaften, die im Land A beispielsweise 5 v. H. und im Land B 10 v. H. betragen sollen. Daraus kann nun aber nicht ohne weiteres ge- schlossen werden, daß in Land B auch die realen Verteidigungsanstrengungen - relativ betrachtet - doppelt so groß sind wie in A. Die Höhe der in Geld ausge- drückten Verteidigungsausgaben hängt entscheidend auch von dem gewählten Be- wertungsmaßstab ab. Verteidigungsleistungen werden, wie alle staatlichen Dienste nach den Kosten bewertet. Es mag nun sein, daß Land A seinen Rekruten einen sehr bescheidenen Sold zahlt, während Land B in dieser Beziehung sehr großzügig verfährt, weshalb die Soldaten in A nicht schlechter zu sein brauchen als die des Landes B 2. Meade schreibt hierzu :„.... augenblicklich bestehen natürlich extreme

1 H. Vos, Enige kwantitatieve onderzoekingen over de betrekkingen tussen overheidsfinancien en volkshuishouding. Nederlands Economisch Instituut, Pub. nr. 38 (1946). 2 Neben dem Wehrsold werden üblicherweise auch die Kosten für Verpflegung und in einzelnen Ländern auch die Kosten für die Bekleidung der Truppen zur Be- messung der Verteidigungsleistungen herangezogen. Die betreffenden Ausgaben er-

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376 Gottfried Bombach

Ungleichheiten im Besoldungsniveau der Armeen der verschiedenen Lander der Atlantikpakt- Gemeinschaft; der amerikanische Soldat erhält 3 $ am Tag und der türkische Soldat 1 $ im Monat. Es kann sich sehr wohl als erforderlich erweisen, zum Zwecke der Vergleichbarkeit der Belastungen den Sold für die bewaffnete Macht gänzlich aus dem nationalen Verteidigungsbudget herauszulösen und somit zwei Maßstäbe zu schaffen. Beim ersten würde man die nationalen Verteidigungs- ausgaben für Waffen und Munition, jedoch nicht die Bezahlung der Streitkräfte, in Beziehung zum Realeinkommen setzen; beim zweiten hätte man für die betreffen- den Länder die Gesamtzahl der Soldaten mit dem gesamten Arbeitspotential im dienstpflichtigen Alter zu vergleichen" *.

Der zwischenstaatliche Vergleich von Strukturquoten erfreut sich großer Beliebtheit, weil hier die immer schwierige Ermittlung echter Kaufkraft- paritäten, ohne die sich Niveauvergleiche niemals durchführen lassen, ent- fällt. Nun darf aber nicht übersehen werden, daß mit der Bestimmung von Relativzahlen zwar die Unterschiede im Preisniveau eliminiert werden, nicht hingegen die interregionalen Unterschiede in der Preisstruktur. Verzichtet man auf Kaufkraftvergleiche und leitet die Anteilsquoten unmittelbar aus den Größen in nationalen Währungen ab, so läßt sich nicht sagen, inwieweit beobachtete Unterschiede in den Quoten auf eine unterschiedliche Mengen- struktur und auf Abweichungen in der Preisstruktur zurückzuführen sind. Es ist sogar denkbar, daß Unterschiede in der Mengenstruktur gerade aufge- wogen werden durch gegenläufige Abweichungen in den relativen Preisen. Die bei internatipnalen Vergleichen gemachten Erfahrungen bestätigen, daß zwischen Mengen- und Preisrelationen tatsächlich eine negative Korrelation besteht2. Daraus kann geschlossen werden, daß die Abweichungen in der Mengenstruktur immer größer sein werden, als sie in den aus Wertgrößen abgeleiteten Strukturquoten zum Ausdruck kommen.

Tabelle 1 bestätigt die Bedeutung der relativen Preise im internationalen Vergleich für die Messung des Anteils der laufenden Staatsausgaben am

Tab. i. Zusammensetzung des Bruttosozialproduktes zu Marktpreisen in den Vereinigten Staaten und England 1950.

in v. H. Auf Basis der Preise Auf Basis der Preise

der USA Englands USA England USA England

(1) (2) (3) (4)

Privater Konsum 69,6 73,1 70,5 74,7 Bruttoinvestition3 21,6 11,9 22,5 14,4 Staatsverbrauch 8,8 15,0 7,0 10,9

Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen 100,0 100,0 100,0 100,0

scheinen dann sowohl unter dem privaten Konsum als auch unter den Staatsaus- gaben. 1 J. E. Meade, Probleme nationaler und internationaler Wirtschaftsordnung. Deutsche Übersetzung: Tübingen 1955, S. 200. 2 Qübert'Kravis, An International Comparison, a.a.O., S. 58-59. 3 Einschl. Exportüberschuß.

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Staatshaushalt und Volksudrtsckaftliche Gesamtrechnung 377

Bruttosozialprodukt. Die Spalten (1) und (4) zeigen das Bild, das sich bietet, wenn unmittelbar von den Werten in nationalen Währungen ausgegangen wird. Die Quoten lassen sich direkt aus den amerikanischen bzw. englischen Gesamtrechnungen ableiten. Der Anteil der Staatsausgaben beträgt danach in den USA 8,8 v. H. und in Großbritannien 10,9 v. H. Die Abweichung ist also nicht sehr bemerkenswert. Will man die reinen Unterschiede in der Mengenstixiktm herausarbeiten, so muß für beide Länder ein einheitliches Preissystem gewählt werden. In Spalte (2) sind die Quoten eingetragen, die sich ergeben, wenn die englische Mengenstruktur zu amerikanischen Preisen bewertet wird. Es zeigt sich, daß dadurch die englische Anteilsquote von 10,9 v. H. auf 15 v. H. ansteigt. Es bestehen also tatsächlich fundamentale Unterschiede in den Mengenproportionen. In Großbritannien wird, wie zu erwarten war, ein wesentlich größerer Teil des realen Sozialproduktes durch den Staat in Anspruch genommen als in den USA. Der Unterschied spiegelt sich in den Wertgrößen nicht in vollem Ausmaß wider, weil Staatsdienste in Großbritannien - im Vergleich zu anderen Bestandteilen des Sozialproduktes - „billiger" sind als in den USA. Die Besoldung der Beamten und der be- waffneten Macht dürfte dabei ausschlaggebend sein. Der Vergleich läßt sich natürlich auch auf Basis der englischen Preise durchführen. Wie immer bei Indexberechnungen, fällt das Ergebnis unterschiedlich aus (7 v. H. gegen- über 10,9 v. H.)1.

Die in Abschnitt V angestellten Betrachtungen hatten zu dem Ergebnis geführt, daß es für intertemporale und interregionale Niveauvergleiche ohne große Bedeutung ist, ob Faktorkosten oder Marktpreise als Bewertungsmaß- stab (Gewichtssystem) gewählt werden. Bei der Strukturanalyse dagegen liegen die Dinge anders. Anteilsqoten werden stets durch das System der relativen Preise entscheidend mitbestimmt, und deshalb muß damit gerech- net werden, daß Faktorkosten tatsächlich zu einem ganz anderen Struktur- bild führen als die Marktpreisbewertung. Entschließen wir uns, an der her- kömmlichen Zweiteilung Faktorkosten-Marktpreise festzuhalten, so in erster Linie im Hinblick auf Strukturanalysen.

Betrachten wir das Sozialprodukt im Stadium seiner Entstehung, so ergeben sich keine besonderen Schwierigkeiten. Die Beiträge der einzelnen Bereiche zum Sozialprodukt werden durch die Wertschöpfung gemessen. In dem in Abschnitt III entwickelten Kontensystem sind in der Wertschöpfung noch die indirekten Steuern enthalten. Würde man daraus die Struktur- quoten unmittelbar ableiten, so würden die Anteile aller der Sektoren als relativ hoch erscheinen, die stark mit indirekten Steuern belastet sind, also etwa die Tabakwaren- und die Spiritusindustrie. Das Ergebnis wäre unbe- friedigend, weil die indirekten Steuern kein Maßstab für den Einsatz von Produktionsfaktoren, sondern ein bloßer Transferstrom sind. Wie wir sahen, bedeuten Faktorkosten zwar keinen Idealmaßstab, aber sie spiegeln doch den Einsatz produktiver Kräfte besser wider. Es empfiehlt sich deshalb, indirekte Steuern bei der Berechnung von Strukturquoten auf Basis der Wertschöpfung unberücksichtigt zu lassen.

1 Die Quoten in Tab. 1 wurden abgeleitet aus Tab. 27 in: Qilbert-Kravis, An International Comparison, a.a.O., S. 113.

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378 Gottfried Bombach

Auf der Verwendungsseite ergeben sich größere Schwierigkeiten, weil sich aus den Konten nicht unmittelbar ablesen läßt, wie stark jedes Endpro- dukt kumulativ mit indirekten Steuern belastet ist. Zunächst aber wollen wir die technischen Schwierigkeiten beiseite lassen und die mehr grundsätz- liche Frage aufwerfen, welche zusätzlichen Erkenntnisse uns auf Faktor- kostenbasis berechnete Strukturquoten überhaupt vermitteln können und welchen Aussagewert sie haben. Der Maßstab, der sich für die Analyse der Verwendung des Sozialproduktes an sich anbietet, sind, wie an anderer Stelle ausgeführt wurde, Marktpreise.

Kuznets demonstriert die Zusammenhange an einer Serie von Modellbeispielen, wobei u. E. aber ein wichtiges Faktum übersehen wird1. Versuchen wir, den Ge- dankengängen mit einem sehr vereinfachten Zahlenbeispiel zu folgen. Die dabei gewonnenen Ergebnisse lassen sich leicht verallgemeinern. In der Modellvolks- wirtschaft soll ein einziges homogenes Produkt hergestellt werden, und zwar in allen drei betrachteten Phasen 1000 Mengeneinheiten je Periode. In der ersten Periode beträgt der Preis des Produktes 1.-, und der Staat erhebt nur direkte Steuern im Betrage 200, die er voll zum Kauf des einzigen auf dem Markte er- scheinenden Erzeugnisses ausgibt. Der Staat kauft auf dem Markt zu den gleichen Bedingungen wie die Wirtschaftssubjekte des privaten Sektors. Es ergibt sich fol- gendes Bild:

Verwendung I Verfügbares Einkommen Preis Menge

Privater Sektor 800 1.- 800 Staat 200 1.- 200 Sozialprodukt 1000 1.- 1000 (Faktorkosten=Marktpreise)

Der Staat verfügt real gesehen über 20 v. H. des Sozialproduktes. Unter den Modellvoraussetzungen läßt sich der Realanteil des Staates auch dadurch bestim- men, daß die gesamten direkten Steuern (200) zum Sozialprodukt in Beziehung gesetzt werden. In Periode II entscheidet sich der Staat, die direkte in eine indi- rekte Steuer in Form einer Mengensteuer auf das einzige Produkt umzuwandeln. Es soll gelungen sein, den Steuersatz so zu wählen, daß wiederum 20 v. H. des Realproduktes an den Staat fließen. Das Strukturbild sieht wie folgt aus:

Verwendung II Verfügbares Einkommen Preis Menge

Privater Sektor 1000 1,25 800 Staat 250 1,25 200 Q • i ~i t+ Marktpreisen 1250 1,26 1000 Q Sozialprodukt

• i ~i t+ zu Marktpreisen f^^^ 1000

Will man den Realanteil des Staates durch eine der herkömmlichen Steuerbela- stungsquoten messen, so kann das dadurch geschehen, daß das gesamte Steuerauf- kommen (250) zum Marktpreiseinkommen (1250) in Beziehung gesetzt wird. Nimmt man das Faktorkosteneinkommen als Nenner, so ergeben sich 25 v. H., womit die tatsächliche Belastung falsch wiedergegeben würde. Verstehen wir Kuznets recht, so zieht er daraus den Schluß, daß Marktpreise auch für Strukturbetrachtungen der adäquate Maßstab sind, und daß die Einführung eines zusätzlichen Werte- systems unnötig ist.

Das Modell baut jedoch auf der Voraussetzung auf, daß der Staat als Nach- frager auf den Märkten selbst in gleicher Weise indirekte Steuern zahlt tuie der private

1 S. Kuznets, Government Product, a.a.O., S. 210 ff.

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Page 37: Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Oesamtrechnung 379

Sektor. Es ergibt sich sofort ein anderes Bild, wenn wir den anderen Extremfall be- trachten, nämlich den, daß der Staat selbst keinerlei indirekte Steuern zahlt. Er soll das Produkt zum Preise von 1.- kaufen, während private Wirtschaftssubjekte weiterhin 1,25 zahlen1.

Verwendung Verfügbares Einkommen Preis Menge

Privater Sektor 1000 1,25 800 Staat 200 1.- 200

Sozialprodukt o^ • i ^ t* zu Marktpreisen 1200 - 1000 Sozialprodukt o^ • i ^ t* zu ̂ t^^

Marktpreisen l0O0

Nach wie vor kontrolliert der Staat 20 v. H. des Realproduktes. Aus der Steuer- belastung läßt sich dieser Anteil nunmehr aber nur ablesen, wenn man das Steuer- aufkommen (200) zum Faktorkosteneinkommen in Beziehung setzt. Am Marktpreis- einkommen gemessen, würde sich hier eine zu geringe Quote ergeben.

Allgemein läßt sich aus dem Modell folgern, daß bei vollkommen gleich- mäßigem Anfall der indirekten Steuern die auf Marktpreisbasis berechneten Belastungsquoten den realen Anteil des Staates am Sozialprodukt anzeigen. Fallen dagegen die indirekten Steuern ausschließlich im privaten Sektor an, so müßte die Realbelastung unter Verwendung des Faktorkosteneinkommens gemessen werden. Unser Modell beschreibt natürlich zwei Extremfälle, und die Wirklichkeit liegt irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. Erst wenn das Inzidenzproblem gelöst ist, läßt sich der Realanteil des Staates in der Praxis bestimmen. Der Umweg über Steuer belastungsquoten ist dann aber nicht mehr erforderlich.

An einem weiteren Modellbeispiel soll gezeigt werden, welche Wege die Analyse beschreiten kann, wenn für eine Volkswirtschaft mit Hilfe einer Input-Output-Tabelle die kumulative Belastung der einzelnen Endprodukte mit indirekten Steuern für eine abgelaufene Periode ermittelt worden ist.

Eine geschlossene Wirtschaft soll in 3 Bereiche gegliedert werden, und die verfügbaren Einkommen sollen in einer vergangenen Periode folgende Höhe erreicht haben: Bereich I = 100, Bereich II = 50 und Staat = 50 Geldeinheiten. Insgesamt sind 4 verschiedene Endverbrauchsgüter auf dem Markt angeboten und nachgefragt worden. Die kumulative Belastung mit indirekten Steuern soll ermittelt worden sein :

Mengenein- Marktpreis je Umsatz TT . indir. Steuern , a . or"

heiten Mengeneinh. TT Umsatz .

(kumulativ) ^ggf , .

Gutl 20 1,50 30 10 20 Gut 2 30 2,- 60 30 30 Gut 3 20 4,- 80 60 20 Gut 4 30 1,- 30 - 30 Insges. - - 200 100 100

1 In der Mehrproduktwirtschaft braucht nicht die etwas gekünstelte Annahme gemacht zu werden, daß das gleiche Produkt zu verschiedenen Preisen abgesetzt wird. Hier genügt es, wenn wir voraussetzen, daß der Staat vorwiegend Erzeugnisse kauft, die wenig oder gar nicht mit indirekten Steuern belastet sind, während alle stark besteuerten Erzeugnisse im privaten Sektor verbleiben. Es ist unmittelbar einleuchtend, daß diese Voraussetzung den Tatsachen entspricht, wenn man be- denkt, daß sich die Hauptnachfrage des Staates auf Arbeitskraft konzentriert.

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Page 38: Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

380 Gottfried Bombach

Das Gesamtprodukt zu Marktpreisen hat also 200 und das Faktorkostenein- kommen 100 betragen. Um die Verteilung des Realproduktes auf die 3 Sek- toren sichbar zu machen, muß neben der kumulativen Steuerbelastung natürlich auch bekannt sein, wie die 3 Sektoren ihr verfügbares Einkommen auf die 4 Güter verteilt haben. Auf der Basis von Marktpreisen soll sich folgende Aufteilung ergeben haben1:

Verteilung des Sozialproduktes auf Marktpreisbasis

ENDPRODUKT Insgesamt

1

2

3

4 gg; inv.H.

Bereich I 0 40 60 0 100 50 Bereich II 15 10 20 5 50 25 Staat 15 10 0 25 50 25

Insgesamt 30 60 80 30 200 100 inv.H 15 30 40 15 - 100

In der Tabelle ist zugleich die prozentuale Aufteilung des Sozialproduktes zu Marktpreisen auf die 3 Sektoren (Sekundärverteilung) und auf die 4 End- produkte angegeben. Aus dieser Matrixtabelle läßt sich bei Kenntnis der Belastung der einzelnen Produkte mit indirekten Steuern unmittelbar die Verteilung auf Faktorkostenbasis ableiten. Wir erhalten:

Verteilung des Sozialproduktes auf Faktorkostenbasis

ENDPRODUKT Insgesamt

1 I 2 I 3 I 4 <¥Hinv.H. einn.

Bereich I 0 20 15 0 35 35 Bereich II 10 5 5 5 25 25 Staat 10 5 - 25 40 40

Insgesamt 20 30 20 30 100 100

Dadurch, daß Bereich I Güter kauft, die relativ stark mit indirekten Steuern belastet sind, geht sein Anteil am Gesamtprodukt, wenn nach Faktorkosten bewertet wird, vom 50 v. H. auf 35 v. H. zurück. Dafür steigt der Anteil des Staates, der in unserem Modellbeispiel nur wenig mit indirekten Steuern belastete Güter nachfragt, von 25 v. H. auf 40 v. H.

Es sei an dieser Stelle nochmals mit Nachdruck darauf hingewiesen, daß das veränderte Strukturbild nicht auf die Existenz indirekter Steuern an sich, sondern nur auf ihren unterschiedlichen Anfall zurückzuführen ist.

1 Wir wollen hier nicht auf die Schwierigkeiten für die Bestimmung des Real- einkommens eingehen, die sich dann ergeben, wenn einzelne Bereiche positive Er- sparnisse und andere Sektoren entsprechend negative Ersparnisse aufweisen.

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Page 39: Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 381

Strukturvergleiche auf Faktorkostenbasis setzen voraus, daß bekannt ist, (a) wie die einzelnen Bestandteile des Endverbrauchs insgesamt mit indirek- ten Steuern belastet sind, und (b) wie sich die einzelnen Endprodukte auf die verschiedenen Bereiche verteilen.

In unserem Modell läßt sich der Anfall der indirekten Steuern aus den beiden Tabellen durch Differenzbildung unmittelbar ablesen:

Anfall der indirekten Steuern

ENDPRODUKT I i Insgesamt 6 12 i 3 4 6

Bereich I 0 20 45 0 65 Bereich II 5 5 15 0 25 Staat 5 5 0 0 10

Insgesamt 10 30 60 0 100

Für einige Länder lassen sich Analysen dieser Art heute bereits durch- führen. Im Falle der Bundesrepublik würden sich ernste Schwierigkeiten selbst dann ergeben, wenn detaillierte Input-Output-Tabellen zur Verfügung ständen, und zwar wegen der überragenden Bedeutung der allgemeinen Um- satzsteuer als einer Mehrphasensteuer. Die Umsatzsteuer belastet die ein- zelnen Transaktionen mit unterschiedlichen Sätzen - eine Reihe von Trans- aktionen sind ganz von der Umsatzsteuer befreit -, so daß insbesondere im Bereich der Distribution im hohen Grade inhomogene Industrien (Groß- und Einzelhandel) entstehen, die die Analyse empfindlich stören.

* *

Anhang Wir bezeichnen die Mengen der n Bestandteile des Sozialproduktes (Güter und

Dienste) oder einer seiner Komponenten mit q1, q2, . . ., qn, die Marktpreise dieser Güter mit pl, p2, . . ., pn, den Faktorkostengehalt im Preis mit n1, n2, . . ., nn und die im Preis kumulativ enthaltenen indirekten Steuern mit tl, t2, . . ., tn. Für ein Gut i gilt also die Beziehung n* + tl = pl. Die zusätzlich angeführten Suffixe 0 bzw. 1 beziehen sich auf die Basisperiode bzw. die laufende Periode. Alle Formeln können unmittelbar auch für den interregionalen Vergleich verwandt werden, wobei die Suffixe nur entsprechend anders zu interpretieren sind.

Ein Mengenindex mit fester Basis (Laspeyres-Typ) lautet bei Marktpreisbewer- tung

WU ZqopQ £qoPo (1)

26 Finanzarchiv N. F. 17. Heft 3

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Page 40: Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

382 Gottfried Bombach

Auf Faktorkostenbasis würde sich ein Index der Gestalt

*Q>i- = ^^7 =

£,,», (2)

ergeben. Der Faktor q*1 n*1 ¡ H q0 n0 zeigt den Umsatzanteil für Gut t am Gesamt- umsatz, bewertet zu Faktorkosten, an. In der Berechnung dieser Gewichte liegt die eigentliche Schwierigkeit, weil dazu die kumulative Belastung der einzelnen Pro- dukte mit indirekten Steuern in der Basisperiode bekannt sein muß.

Die beiden Indizes (1) und (2) gehen in einen gemeinsamen Mengenindex für das Sozialprodukt über, falls sich entweder die Mengenstruktur im Zeitablauf nicht ändert

1 ' / °

= A •" (A>0) (3)

n n W n Vo/ n

oder/und falls sich die indirekten Steuern gleichmäßig auf die einzelnen Güter ver- teilen

/ 2 8

I = T • . (T > 0) (4)

' n n i w n w n i

Bedingung (4) braucht nur für die Basisperiode erfüllt zu sein. Ist (3) erfüllt, so gehen (1) und (2) über in

£qopo E q0 7iQ Ist (4) gegeben, so erhalten wir

ZqiPo = t Z gi Po £.qoPo * ZqoPo

Der durch (4) zum Ausdruck gebrachte gleichmäßige Anfall der indirekten Steuern dürfte in der Praxis nie gegeben sein. Da sich jedoch die Mengenstruktur einer Volkswirtschaft auf kurze Sicht nicht entscheidend ändert, werden (1) und (2) im allgemeinen nur unwesentlich voneinander abweichen.

Die entsprechenden Preisindizes mit fester Basis würden lauten:

auf Marktpreisbasis P*/# = *q°Pl , (5) «¿ go Po

auf Faktorkostenbasis /fy. = *q°ni . (6)

Zur Berechnung von (6) müßte der Faktorkostengehalt aller einzelnen Endprodukte sowohl in der Basisperiode als auch in der laufenden Periode bekannt sein. Es wer- den also sehr hohe statistische Anforderungen gestellt. Man kann jedoch auf eine

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Page 41: Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung

Staatshaushalt und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung 383

Hilfskonstruktion zurückgreifen, falls es gelingt, einen Tarifindix für die indirekten Steuern der Gestalt

abzuleiten. (7) gibt an, wie sich die Steuersätze je Mengeneinheit im volkswirtschaft- lichen Durchschnitt im Zeitablauf erhöht (vermindert) haben. Da sich auf kurze Sicht immer nur einige wenige Steuersätze ändern werden, dürfte es nicht schwierig sein, für (7) einen brauchbaren Annäherungswert zu finden. Der Preisindex für das Sozialprodukt zu Marktpreisen läßt sich nun darstellen als gewogenes Mittel aus dem Faktorkostenpreisindex und dem Tarif index für die indirekten Steuern:

■*vo Pu = IIlU nu zy*71* _u Tu ■* ^v«1» 1 W /ö' ■*vo Pu = IIlU nu T „ „ _u "■ ■* Tu /• r„ „ ' W /ö'

Zqopo T „ „ "■ ZqoPo r„ „

Die Gewichte für 77i/0 und T*/9 sind unmittelbar verfügbar. ^go^o/^goPo ^ der prozentuale Anteil des Faktorkosteneinkommens am Marktpreiseinkommen in der Basisperiode, S q0 tJI2q0 p0 der Anteil der indirekten Steuern am Marktpreiseinkom- men in der gleichen Periode. Die Summe der Gewichte ist = 1. Durch Umformung von (8) läßt sich der Preisindex für das Volkseinkommen zu Faktorkosten bestimmen nach

n''-=p'''4v^-T''-4?^- Zqo7io Z q0 rc0 <8a> Zqo7io Z q0 rc0

Der Faktorkostenpreisindex erscheint in (8 a) als gewogenes arithmetisches Mittel aus dem Preisindex für das Volkseinkommen zu Marktpreisen und dem Tarif index für die indirekten Steuern, wobei letzterer ein negatives Gewicht besitzt.

Zq07i0 '

£qopo £qoto ' 2 go Po

ZqoPo ZqoPo '

weil Hq0 nx + Z q0 tr = £q0 px .

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