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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 409 Oktober 1974 Heft 1, S. 1-128 Stabile Quecksilber(1)-Stickstoff-Verbindungen. IV1-4) Synthese und Kristallstruktur des 1,4-Diazin-diquecksiIber(l)-dinitrats Von K. BRODERSEN, N. HACKE und G. LIEHR Erlangen, Institut fur Anorganische Chemie der Universit,Bt Erlangen-Nurnberg Professor Walter Rudorff xum 65. Geburtstage am 3. Oktober 1974 gewidmet Inhaltsubersicht. Das durch Umsetzung von Pyrazin mit Quecksilber(1)-nitrataus wLBrigen Losungen erhaltene [C,H,N,Hg,](NO,), kristallisiert rhombisch (a = 1936(2) pm, b = 1540(1) pm, c = 686(1) pm) in der Raumgruppe Cmca rnit Z = 8. Die Struktur wurde rontgenographisch rnit Hilfe von PATTERSON- und FouRIER-Synthesen bestimmt und nach der Methode der kleinsten Fehlerquadrate bis zu einem R-Wert von 0,046 verfeinert. Die Substanz ist aufgebaut aus geuinkelten Ketten A [ -XC,H,N-Hg-Hg-1, zwischen denen die Nitrat-Ionen liegen. Stable Mercury(1) Nitrogen Compounds. IV. Synthesis and Crystal Structure of 1,4-Diazine Dimercury(1) Dinitrate Abstract. The product of the reaction of solutions of mercury(1) nitrate and 1,4-Di- azine in water, [C,H,N,Hg,](NO,),, crystaIlises rhombic (a = 1936(2), b = 1540(1), c = 686(1) pin) in the space group Cmca with Z = 8. The x-ray structure has been deter- mined using PATTERSON and FOURIER syntheses and refined by least squares to an R 0 0 value of 0.046. The results showthat the compound exists as bent chains of [-NC4H4N- Hg-Hg-] with the nitrate anions occupying positions between the chains. Einleitung Quecksilber(1)-Verbindungen reagieren mit Aminen, z. B. ,,Kalomel" mit Ammoniak, unter Bildung schwarz gefiirbter unloslicher Produkte, die friiher5)'j) als Quecksilber(1)-Stickstoff-Verbindungen angesehen worden sind. Es konnte jedoch schon vor einiger Zeit nachgewiesen werden, daB hier 1) 111. Mitt. J. LIMMER, N. HACKE u. K. BRODERSEN, Chem. Ber. 106, 2185 (1973). 2) D. BREITINGER, K. BRODERSEN u. J. LIMMER, Chem. Ber. 103, 2388 (1970). 3) K. BRODERSEN u. L. KUNREL, Chem. Ber. 91,2698 (1958). 4) K. BRODERSEN, Vortrag GdCh. Ortsverband Darmstadt am 11. Dezember 1973. 5) F. FEIGL u. A. SUCHARIPA, Z. analyt. Chem. 67, 134 (1925). 0 0 6, E. GLEDITSCH U. TR. F. EGIDIUS, z. anorg. dig. Chem. 326,265 (1936). 1 Z. anorg. allg. Chernie. Bd. 409.

Stabile Quecksilber(I)-Stickstoff-Verbindungen. IV. Synthese und Kristallstruktur des 1,4-Diazin-diquecksilber(I)-dinitrats

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Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie Band 409 Oktober 1974 Heft 1, S. 1-128

Stabile Quecksilber(1)-Stickstoff-Verbindungen. IV1-4)

Synthese und Kristallstruktur des 1,4-Diazin-diquecksiIber(l)-dinitrats

Von K. BRODERSEN, N. HACKE und G. LIEHR

E r l a n g e n , Institut fur Anorganische Chemie der Universit,Bt Erlangen-Nurnberg

Professor Walter Rudorff xum 65. Geburtstage am 3. Oktober 1974 gewidmet

I n h a l t s u b e r s i c h t . Das durch Umsetzung von Pyrazin mit Quecksilber(1)-nitrat aus wLBrigen Losungen erhaltene [C,H,N,Hg,](NO,), kristallisiert rhombisch (a = 1936(2) pm, b = 1540(1) pm, c = 686(1) pm) in der Raumgruppe Cmca rnit Z = 8. Die Struktur wurde rontgenographisch rnit Hilfe von PATTERSON- und FouRIER-Synthesen bestimmt und nach der Methode der kleinsten Fehlerquadrate bis zu einem R-Wert von 0,046 verfeinert. Die

Substanz ist aufgebaut aus geuinkelten Ketten A [ -XC,H,N-Hg-Hg-1, zwischen denen die Nitrat-Ionen liegen.

S t a b l e Mercury(1) N i t r o g e n Compounds. IV. S y n t h e s i s a n d C r y s t a l S t r u c t u r e of 1 , 4 - D i a z i n e Dimercury(1) D i n i t r a t e

Abs t rac t . The product of the reaction of solutions of mercury(1) nitrate and 1,4-Di- azine in water, [C,H,N,Hg,](NO,),, crystaIlises rhombic (a = 1936(2), b = 1540(1), c = 686(1) pin) in the space group Cmca with Z = 8. The x-ray structure has been deter- mined using PATTERSON and FOURIER syntheses and refined by least squares to an R

0 0 value of 0.046. The results showthat the compound exists as bent chains of [-NC4H4N- Hg-Hg-] with the nitrate anions occupying positions between the chains.

Einleitung Quecksilber(1)-Verbindungen reagieren mit Aminen, z . B. ,,Kalomel"

mit Ammoniak, unter Bildung schwarz gefiirbter unloslicher Produkte, die friiher5)'j) als Quecksilber(1)-Stickstoff-Verbindungen angesehen worden sind. Es konnte jedoch schon vor einiger Zeit nachgewiesen werden, daB hier

1) 111. Mitt. J. LIMMER, N. HACKE u. K. BRODERSEN, Chem. Ber. 106, 2185 (1973). 2) D. BREITINGER, K. BRODERSEN u. J. LIMMER, Chem. Ber. 103, 2388 (1970). 3) K. BRODERSEN u. L. KUNREL, Chem. Ber. 91,2698 (1958). 4 ) K. BRODERSEN, Vortrag GdCh. Ortsverband Darmstadt am 11. Dezember 1973. 5 ) F. FEIGL u. A. SUCHARIPA, Z. analyt. Chem. 67, 134 (1925).

0 0

6 , E. GLEDITSCH U. TR. F. EGIDIUS, z. anorg. dig. Chem. 326,265 (1936).

1 Z. anorg. allg. Chernie. Bd. 409.

2 K. BRODERSEK, N. HACKE u. G. LIEHR

Gernische aus metalliscliein Quecksilber und Quecksilber(I1)-Stickstoff- Verbindungen vorliegen’). Ob es sich bei den von GOEHRING uiid ZIRKER beschriebenen, aber nicht weiter charakterisierten Stoffen [Hg,(NS,), und (Hg(NS)),8)] um echte Quecksilber(1)-Stickstoff-Verbindungen, die noch eine Hg -Hg-Bindung enthalten, handelt, steht noch nicht fest. Um Dis- proportionierungsreaktioneii bei den Umsetzungen zwisclien Quecksilber(1)- Salzen und Stickstoff-Verbindungen zu unterdrucken, murden von uns3) NH-acide Verbindungen (z. B. das Diacetylhydrazin) mit loslichen Queck- silher(1)-Salzen umgesetzt ; die hierbei anfallenden weiB bzw. schwach gelb gefarbten Korper erwiesen sich tatsachlich als echte Quecksilber(1)-Stick- stoff-Verbindungenz). Unsere weiteren Untersuchungen zeigtenl), daB eine Bindung zwischen der Hg,-Gruppierung und Stickstoff-Atomen nur dam moglich ist, wenn die Elektronendichte am Stickstoff-Atom innerhalb be- stimmter Grenzen liegt ; bei zu grol3er Elektronendichte wird die Netall- Metall-Bindung unter Disproportionierung zu metallischem Quecksilber und Quecksilber der Oxydatioiisstufe + 2 gespalteii ; bei zu kleiner Elektronen- dichte am N-Atom kann das Ainin nicht mehr den Austausch der Wasset- rnolekeln iin H20@ -Hg -Hg-@OH,-Kation bewirken. Es ist daher ver- stgndlich, daI3 WIRTH und DAVIDSON~) einen in Losung existierenden Kom- plex des Anilins, [Hg,(C,H,NH,),]@ @ , nachweiseu konnten ; auch BARVINOK et al. berichten uber Addukte des Anilins mit Quecksilber(1)-Verbindun- qen lo). Wir konnten jedocli nachweisenl), daB das isolierbare Addukt nicht nur 2 sondern 6 Anilin-Molekeln pro Hgf@ enthalt. Zahlreiclie weitere echte Quecksilber(1)-Stickstoff-Verbindungen, die von uns erstmals dargestellt wurden2), erwiesen sich als uberraschend stabil, wenii 3 -b ind ige N-Atome gebildet wurden. Die Ausbildung des Bauelementes

- - -K-Hg-Hg-K-

I I ist allerdings nur dann rnijglich, wenn eine genugend grol3e NH-Aciditat der zu mercurierenden Stick~toff-\~erhindung gegeben ist .

Das in der Systematik der Q,uecksilber-Stickstoff-Verbindungen 11) bisher fehlende Baueleinent mit v ie r -b indigen Stickstoff-Atomen

I I 7) L. NIJSSEN 11. W. N. LIPSCOMB, J. Amer. chem. SOC. 74, 2113 (1952). 8 ) Nil. GOEHRINC u. G. ZrRKm, Z. anorg. allg. Chem. 286, 70 (1956). 9 ) T. H. WIRTH u. N. DAVIDSON, J. Amer. chem. SOC. 86, 4325 (1964).

10) hl. S. BARVINOK et al., 2. neorg. Chim. (J. anorg. Chem. [UdSSR]) 10, 2293 (1965);

11) D. BREJTINGER u. K. BRODERSEN, Angew-. Chem. 82, 379 (1970); Int. Edit. 9, 357 C. A. 64, 1490d (1966).

(1970).

1,4-Diazin-diquecksilber(I)-dinitrat 3

konnte von unsl) bei einer groBen Zahl von Addukten zwischen Queck- silber(1)-nitrat und kondensierten Aminen bzw. Anilin-Derivaten bzw. hete- rocyclischeii Basen nachgewiesen werden. Zu dieser Verbindungsklasse ge- hort auch das hier beschriebene Addukt zwjschen Quecksilber(1)-nitrat und 1,4-Diazin.

Auf der Basis alterer ArbeitenVL)I3) konnten in jiingster Zeit KEPERT, TAYLOR und WHITE^^-^^) die Kristallstrukturen von Addukten zwischen Quecksilber(1)-chlorat(VI1) und Elektronenpaar-Donatoren bestimmen; zwei Pyridin-Deri~atel~)~S) enthalten eben- falls 4-bindige Stickstoffatome an eine Hg,-Gruppierung gebunden.

Darstellung von 1,4-Diazindiquecksilber (I) -dinitrat Zur Darstellung des [C,H,N,Hg,](NO,), lost man 0,s g (0,Ol Mol) Pyrazin in Methanol

und l&Bt eine wiihige, 0,01 molare Hg,(NO,), . 2 H,O-Losung zutropfen. Es bildet sich sofort ein v-eiBer, feinkristalliner Niederschlag, der abgesaugt, mit Methanol gewaschen und mit Ather getrocknet wird. Beim Erhitzen tritt Zersetzung bei 216-217"C unter Gelb- farbung ein. Zur Quecksilberbestimmung wurden etwa 200 mg Substanz in verdiinnter HNO, heiB gelost. AnschlieBend wurde mit Sproz. NaC1-Losung das Hg(1) als Hg,Cl, aus- gefiillt und gravimetrisch bestimmt. CHN-Werte wurden mikroanalytisch bestimmt :

C4H4N,Hg,(N0,), (605,3), ber. C: 7,94 (gef. 8 , l l ) ; H: 0,67 (0,71); N: 9,25 (9,14); Hg: 66,28 (65,98)%.

Das I n f r a r o t s p e k t r u m wurde im Bereich von 4000cm-1 bis 300cm-1 als KBr- PreBling aufgenommen. Es zeigt zahlreiche Banden des Pyrazinsl*) ; die Banden des Nitrat- Ions liegen bei 826 cm-l (u,) und bei 1370 cm-I (v3) sowie 1760 cm-l (ul + vr) und 2400 cm-' (vl + 2v,). Die im IR-Spektrum bei 459 cm-l im Addukt zusiitzlich auftretende Bande kann den Hg-N-Schwingungen zugeordnet werden.

I m R ~ ~ ~ ~ - S p e k t r u m wird eine Hg-K-Frequenz bei 468 cm-l und die Hg-Hg- S c h w i n g ~ n g ~ ) ~ ~ ) bei 207 cm-l beobachtet.

Xtrukturbestimmung

a) H e r s t e l l u n g d e r E i n k r i s t a l l e

Farblose Einkristalle von [C,H,1U',Hg2](KO3),, die sich unzersetzt zu Kugeln schleifen lassen, bilden sich in wal3rigen Losungen, die einen geringfiigigen ffberschul3 an Quecksil- kier(1)-nitrat enthalten, nach etma 3tagigem Stehenlassen.

~

1 2 ) R. 9. POTTS 11. A. L. ALLRED, Inorg. Chem. [Washington] 5, 1066 (1966). lJ) R. C. ELDER, J. HALPERN u. J. S. POND, J. Amer. chem. SOC. 89, 6877 (1967). 14) D. L. KEPERT, D. TAYLOR u. A. H. ~VHITE, Inorg. Chem. [Washington] 11, 1639

15) D. L. KEPERT, D. TAYLOR u. A. H. WHITE, J. chem. Soc. [London], Dalton 1973,

16) D. L. KEPERT, D. TAYLOR u. A. H. WHITE, J. chem. SOC. [London], Dalton 1973,

17) D. L. ICEPERT, D. TAYLOR 11. A. H. WHITE, J. chem. Soc. [London], Dalton 1973,

1s) &I. ITO, R. SHIMADA u. T. KURAISHI, J. chem. Physics 25, 597 (1956). 19) M. GOLDSTEIN, Spectrochim. Acta [London] 22, 1389 (1966).

(1972).

39-2.

893.

1658.

1*

4 K. BRODERSEN, N. HACKE 11. G . LIEHR

b) K r i s t a l l d a t e n [C,H,N,Hg,](N0,)2, M = 605, rhonibisch, a = 1936,1(17), b =

1540,5(13) und c = 686,0(8) pm, D, = 4,O g ~ m - ~ (pyknometrisch unter n-Heptan), Z = 8, D, = 3,95 g V = 2046 - lo6 pm3, Raumgruppe Cmca-Dif (Nr. 64). p(Mao-Ka) = 344 cm-l. Zur Vermessung kam ein kugel- formiger zugeschliffener Kristall mit r = 16,2 *

c) I n t ensi t a t sm e ss ung Die Intensitaten der Reflexe wurden an einem Vierkreisdiffraktometer (Hilger und

Watts, Typ Y290, Steuerung iiber PDP8/I mit disk R F 32) mit durch einen Grafiteinkristall monochromatisierter Molybdan-Strahlung bestimmt. Die Messung wurde innerhalb eines Quadranten der Reflexionskugel bis zur Grenze 6,,, = 30" nach dem 13/28 scan-Verfahren angesetzt. Der scan-Bereich variierte je nach dem &Winkel des betreffenden Reflexes von 0,5 bis 0,'i". Die Substanz verhielt sich auch im Rontgenlicht uberraschend stabil, doch wurde wiihrend der Messung beobachtet, daB die Intensitat einiger sehr starker Reflexe konti- nuierlich anstieg. Dieser Effekt wurde einer allmLhlichen Zersetzung der Verbindung zu- geschrieben, durch die die extinktionsbehafteten starken Reflexe bei Verminderung der Extinktion gegeniiber den schwacheren an Intensitkt zunahmen. Das Stadium der Zer- setzung mufite durch die standige Intensititsmessung einiger Testreflexe iiberwacht wer- den; daraus lieB sich dann ein Korrekturfaktor ermitteln. Die Intensitaten symmetrie- aquivalenter Reflexe wurden anschliefiend gemittelt und eine LORENTZ-, Polarisations- und Absorptions-Korrektur durchgefiihrt. Insgesamt ergaben sich 820 unabhangige Reflexe fur die weitere Strukturbestimmung, davon 757 mit einer Intensitat I > 30.

d) Losung und Verfeinerung de r S t r u k t u r Aus einer dreidimensionalen PATTERSON-Synthese liefien sich sowohl die Raumgruppe

festlegen als auch ein verniinftiges Model1 ableiten. Danach besetzen die Hg-Atome die allgemeine 16ziihlige Punktlage der Raumgruppe Cmca so, daB die Hg-Hg-Hanteln klar hervortreten und eine gewinkelte Kette des Molekiils erkennen lassen. Eine erste Verfeine- rung der hier abgeleiteten Ortskoordinaten des Hg, sowie eines Skalierungsfaktors und des Overalltemperaturfaktors erbrachte einen R-Wert von 0,18. Alle weiteren Atome konnten daraufhin einer Differenzfouriersynthese entnommen werden, fur die nur Reflexe Verwen- dung fanden, deren Intensitit beobachtet worden war (I > 317). Die entsprechende least- square-Verfeiner~ng'~~) zeigte fur R = 0,14; mit der Einfuhrung von anisotropen Tempera- tur faktoren fie1 der R-Wert sprunghaft. Nach 3 Zyklen war Konvergenz bei R = 0,046 erreicht. Die Verfeinerung mit einem erweiterten Datensatz, in dem auch die unbeob- achteten Reflexe mit I = 3j2 G eingesetzt wurden, konvergierte bei R = 0,058. Es zeigte sich, daD die Bereiche der Standardabweichungen der Atomparameter beider Verfeine- rungen iiberlappen.

Die berechneten Atomparameter und Temperaturfaktoren sind Tab. 1 zu entnehmen; in Tab. 2 sind die wichtigsten Abstiinde und Bindungswinkel zusammengestellt.

Strukturdiskussion

Packung von Nitrat-Ionen liegen.

cin ( p r = 5,5).

Wie aus den Abb.1-3 hervorgeht, baut sich die Struktur aus einer [C,H,N,Hg,]@@-Ketten langs [loo] auf, zwischen denen die

19&) Dissertation R. BOHME, Univ. Erlangen-Nurnberg (1971).

1,4-Diazin-diquecksilber( I)-dinitrat 5

Abb. 1 zeigt die Projektion der Elementarzelle parallel [0 101 ; zur Er- hohung der Ubersichtlichkeit sind nur die Koordinationsverhaltnisse einer Kette init den dazugeh6rigen NO f -1onen gezeichnet.

Tabelle 1 Parameter und Temperaturlaktoren fur [C,H,N,Hg2](N03), (alle Werte . l O P , Standardabweichungen in Klammern R = exp [-(8,1h2 i Balli* + LL.1’ + 28,,hk + 2flBlahl + 2,9,,kl)l)

Atom Y plk X

Z

Hg 6238 (4) 12284 (6) 20094 (13)

S(D1azln) 17905 (84) 12 485( 11 1) 18266(248)

s ( N i r r a t ) 10 346(107) 37639(139) 24 667(289)

21362 (76) c, 5552(143)

11 545(335)

CI 21 703(110) 19692(167) 24945(246)

0, 13067 (98) 37069(110) 40305(279)

0, 8 870(100) 31 035(120) 1 5 688(249)

01 9 197(101) 44998(106) 16984(234)

329(60) -

0 (2) 423 (5)

- 9(47)

-

221(73) - 50(65)

169(75) -

-11(48) 400(102)

203(76) 591(137) - - 80(55) 393187)

29(61) 423188) - 63(56)

323(77)

Tabelle 2 in pm und Bindungswinkel

a) Koordination des Hg Hg - H g 249,99 (11) Hg-N(pyrazin) 225,55(1,62) Hg-01 301,58(1,91) Winkel: Hg-Oa 293,93(1,84) Hg-HG-N(pyrazin)= 167,57(2,71) Hg-0 , 270,35(1,74) Hg-0s 285,55(1,64) Hg-03 283,16( 1,63) b) Pyrazinring N-C, 133,81(2,65) N-C, 140,39(2,91) C,-C, 140,42(2,0i) cz-c, 127,26(2,99) N-0, 298,63(2,55) c) Nitrat-Anion B-0, 119,55(2,76) X - O s 121,95(2,77) N - 0 s 126,59(2,67)

Wichtige AtomabstBnde (Standardabweichmigen in Klammern)

Winkel : CL-N-C, N-CI-C, N -c,-c,

0,- N- 0, Winkel:

O,-N-OJ 0 , - N - 0 ,

91 (5) 8 (9)

1646 (23) -127 (92)

136(168) 882(316) - 36( 109) -19(138)

1254(397) -2(113) 40(201)

1833(502)

19 (94) 93(150)

186(333)

- 196(136) 145(178)

2 176(442) -136(125) - 179(148) 1495(412)

l l(124) -328(145) 1558(441)

118,61( 1,73) 119,91(1,49) 121,48(1,84)

119,53(1,72) 119,48(1,64) 120,94(1,70)

6 K. BRODEESEN, N. HACEE u. G. LIEHR

Abb. 2 laat lediglich die Anordnung der Nitrat-Ionen senkrecht zu [ l o 01 erkennen, wahrend in Abb. 3 nur die gegenseitige Versetzung der Ketten Iangs [ l o 01 gezeichnet wurde.

Auffallig an der gegenseitigen Verschiebung der Ketten in Richtung der a-Achse ist, da13 die Pymzin-Ringe samtlich in Ebenen angeordnet sind. Zwischen diesen Bereichen aus Pyrazin-Molekeln sind die Hg? @ - und NO:- Ionen ebenfalls in Schichten senkrecht zu den [C,H,N,Hg,],O@-Ketten ange-

Abb.1. Projektion der Elementarzelle pa.rallel [ O l O ] (es ist in jeder der beiden Elementarzellen nur eine Kette mit der koordinierten Nitrat-Ionen gezeichnet) (Erklarung der Symbole s. Abb. 3)

Abb.2. Anordnung der Nitrat-Ionen senkrecht zu [ loo] und Koordination der Hg-Atome zu den 0-Atomen der Nitrat-Ionen (Erklarung der Symbole s. Abb. 3)

1,4-Diazin-diqueeksilber( 1)-dinitrat 7

6 oc Abb. 3. Gegenseitige Versetzung der Ketten langs [ l o 01

ordnet. Die gegenseitige Verdrehung der 1,4-Diazin-Ringe in einer Kette fuhrt dazu, da13 die Pyrazin-Ringe verschiedener paralleler Ketten sowie in nncleren kristallisierten Aromaten gepackt sind; offensichtlich beruht diese Art der Packung der Pprazin-Ringe auf der nbstoBenden Wirkung der iz-Elektronen.

Der von uns gefundene Hg-Hg-Abstand \-on 249,9 & 0 , l pm (s. Tab. 2) liegt in dem fur lineare Koordination charaliteristischen Bereich. Risher er- mittelte Hg -Hg-Abstande liegen zwisrhen den Werten 253,5 & 0,4pmz0) oder 254,O rf 1,0 pm iin Hg,(NO,), * 2 H,OZ1) und 248,7 & O,2I6) fur das Addukt aus 3-Chlorpyridin und Quecksilber(1)-chlorat(VI1) (Tab. 3 u. 4). Bekanntlich hangt der Hg -Hg-Abstand nicht von der Elektronegativitat der beiden Liganden des Hgf@-Ions ab z2) ; es ist daher nicht verwunderlich, da13 der Xetall-Metall-Abstand nur wenig variiert, wenn Lewis-Basen unter- schietllichen Koordinationsverniogens an das HgF @ -Ion gebunden werdeii. Offensichtlich merden die relativ kleinsten Hg - Hg-Abstande dann gefun- den, wenn niclzt mehr als 2 Liganden kovalent und praktisch linear an das Hgf , -Ion koordiniert w-erdenl'). Bei mehrfacher Koordination liegt der Hg -Hg-Abstand bei nllen bisherigen strukturell untersuchten Quecksil- ber(1)-Verbindungen uber 251,6 & 0,7 p ~ n .

Der von uns im [C,H,N,Hg,](NO,), gefundene Hg --N-Abstand von 225.5 & 2 pin fugt sich sinnvoll in die Reihe der bisher gefundenen Hg -N-

2 0 ) B. KANEXAR u. B. KAITNER, Acta erystallogr. [Copenhagen] B 29, 1666 (1973). 21) D. G R D E N I ~ , J. chem. SOC. (London) 1956,1312.

8 K. BRODERSEN, N. HACKE u. G. LIEHR

Tabelle 3

Quecksilber( 1)-f luorid F - Hg- Hg - F 250,7 0,l2,) Quecksilber(1) -chlorid C1 -Hg- Hg- C1 252,6 & 0,622) Quecksilber( I) -bromid Br - Hg - Hg - Br 249,O i 1,02,) Quecksilber(1)-nitrat PIT0 (H,O a -Hg - Hg - @ OH,)NO 254,O & 1,02') Hg,SiF,. 2 H,O (H,O @ - Hg-Hg- @ OH,)SiFf 0 249,5 & 0,3,,) Quecksilber(1)-bromat 0,Br- 0 -Hg-Hg-0 -BrO, 250,7 4 0,624) Quecksilber(1)-sulfat ( - 0 -SO,-O-Hg-Hg-)n 250,O & 0,325)

Quecksilber(1)-o-Phthalat 251,9 & 0,426) Quecksilber(1)-arsenat 0 0 253,5 & 0,420)

Hg-Hg-Abstande im Kation @Hg-Hg@ (in pm)

Quecksilber(1)-selenat ( - 0 -SeO, -0 -Hg-Hg-)= 251,o i 1,025)

(Hg,),(AsO,),

( - 0 -CO -CC,H,-CO -0 -Hg-Hg-),

I! 0 Hg-Hg-0 II / - 'As0 -Hg -Hg-),, (-o-As\o-Hg- Hg-O/

Tabelle 4 @Hg-Hg@ (in pm)

a) lineare Koordination (Hg,( 4-CN-Pyridin),)(CIO4), 249,8 -J= O,2I4) (Hg2( 3-CI-Pyridin),) (CIO,), 248,7 & O,2I6) b) mehrfaclie Koordination (Hg,(C,H,NO),)JC10,), 252,3 & 0,215)

(Hg,(o-Phenanthrolin)) (NO,), 251,6 & 0,713)

Hg-Hg-Abstande im koordinierten Kation

(Hg2(Ph3P0)6)(C104)2 2 5 2 , ~ +. 0,217)

Abstande bei Vorliegen vierbindinger Stickstoff-Atome ein ; so wurden Hg -N-Abstiinde zwischen 204 pni bei der MrmoNschen Base, (Hg,N)OH . 2 H,O2'), und 260 pm beim Pyridin-Addukt des Sublimats, (C5H5N)2HgC12z8) beobachtet .

Wahrend die beiden C -C-Abstande im kristallisierten 1,4-Diazin zy) mit 137,s pm nur wenig kiirzer sjnd als iin Benzo130) (139,7 pm), finden wir irii [C4H,N2Hg,](NO3), die beiden C -C-Abstande unterschiedlich zu 140,4 pin bzw. 127,3 pm. I n anderen Koordinationsverbindungen cles Pp- rszins, z. B. dem Bis-(l,1, 1,5,5,5-hexafluoropentaii - 2,4-dionato)-Kup-

22) E. DORM, Chem. Commun. 1971. 4%. 23) E. DORM, Acta ehem. scand. 25, 1655 (1971). 24) E. DORM, Acta chem. scand. 21, 2834 (1967). 2 5 ) E. DORJI, Acta chem. scand. 23, 1607 (1969). *6) B. LINDH, Acta chem. scand. 21, 2743 (1967). 2') Ifr. RUDORFF 11. K. BRODERSEPF, Angew. Cheni. 61, 617 (1952); W. RUDORFF u.

K. BRODERSEN, Z. anorg. allg. Chem. 274, 323 (1953). D. GRDENIC u. I. KRISTANOVIC, Ark. Kemi 27, 143 (1956); R. ZANETTI u. R. SERRA,

Qazz. chim. ital. 90, 328 (1960). 29) P. J. WHEATLEY, Acta crystallogr. [Copenhagen] 10, 182 (1957). 30) kl. L4NGSETH u. €3. P. STOICHEFB, Canad. J. Physics 34, 350 (1956).

1,4-Diazin-diquecksilber(I)-dinitrat 9

fer(I1)-I, 4-Diazin-Kornplexen3l), werden die beiden C -C-Abstande des Pyrazin-Ringes als gleich lang beschrieben (im 1 : l-Komplex 138 & 2 pm bzw. im 2:l-Koinplex 136 & 4pm). Es ist daher anzunehmen, daI3 im [C',H,N,Hg,](NO,), die Mesomerie im Pyrazin-Ring aufgehoben und eine Grenzform des 1,4-Diazins durch die Koordination an die @Hg -@Hg-Ionen stabilisiert worden ist. Dies ist auch die Ursache dafur, da13 im an das Hg? @

gebundenen Pyrazin-Ring zwei verschiedene C -N-Abstande von 133,s pm und 140,4 pm gefunden werden. Der 1,4-Diazin-Ring in der Verbindung [C,H,N,Hgz](NO,)z ist vollkommen eben gebaut ; dementsprechend werden auch nur sehr geringfugige Abweichungen vom idealen 120"-Winkel bei den C-N-C-, C-C-N- und N-C-C-Winkeln beobachtet; dabei ist aller- dings eine recht gro13e Standardabweichung von rund 1,7" zu beriick- sichtigen. 140,42 pm

C l C l 133,81pm /? 119,9l0 \\133,81pm

--Hg-Hg-N 118,61° N-Hg-Hg- 140,39prn \N127,480 /140,39pm

c 2 c2 127,26pm

Im Nitrat-Ion der Verbindung [C4H,NzHg,](N0,), werden 3 verschie- dene N-0-Abstande von 119 pm, 122 pm und 127 pm gefunden, deren G r o h init den normalen Abstanden in freien Nitrat-Ionen vergleichbar ist. Bei der von uns untersuchten Verbindung ist aber mit einer gewissen Fixie- rung der Nitrat-Ionen durch die Koordination der Sauerstoffatome an die verschiedenen Hgf @-Ionen zu rechnen. So findet sich der griiflte Hg -0-Ab- stand von 302 pm zu dem Sauerstoff-Atom des Nitrat-Ions, welches den kleinsten N-O-Abstand von 119 pm besitzt. Die beiden anderen Sauer- stoff-Atome des Nitrat-Ions mit den langeren N -0-Abstanden haben jedes 2 Hg-Atome verschiedener HgFO-Gruppen zum Nachbarn. Dadurch laBt sich

diskutieren, da13 die einzelnen parallelen A[ -NC,H,N -Hg -Hg -1-Ketten uber die Nitrat-Ionen verbruckt sind. Auffallig ist, da13 trotzdem ebene NO:-Ionen mit 0 --N -0-Bindungswinkeln von etwa 120" vorliegen (Tab. 2).

Jedes Quecksilber-Atom hat neben seiner Bindung an eines der Stick- stoff-Atonie eines Pyrazin-Ringes urid an das andere Quecksilber-Atom der Hg," @ -Gruppe noch funf Sauerstoff-Atome von vier verschiedenen Nitrat- Ionen zum Nachbarn, wobei eines der vier Nitrat-Ionen zwei Sauerstoff- Atoine zur Verfiigung stellt. Derartige Anordnungen von NO:-Ionen an eine Hg,O@-Gruppierung mit vergleichbaren N -0- und 0 -Hg-Abstanden wur- den auch beim 1,lO-Phenanthrolin-diquecksilber(l)-dinitrat beschrieben 13).

0 0

3l) R C. E. BELFORD, D. E. PENTON u. M. R. TRUTER, J. chem. Soc. [London], Dal- t.on 1974. 17.

10 K. BRODERSEN, N. HACKE u. G. LIEHR

0 0 Die Hg -Hg -N-Winkel in der A [-NC,H,N-Hg-Hg-]-Kette be-

tragen 167,6"; ahnliche Werte wurden auch beim Bis-(3-Chlorpyridin)-di- quecksiIber(1)-dichlorat(VI1) 16) gefunden. Die Abweichung des Hg -Hg -N- Winkels von 180" laBt sich auf Packungseffekte zuruckfuhren ; so werden die kiber zwei P-Atome eines NO:-Ions gebundenen Hg-Atome etwas aus ihrer idealen Lage versehoben, wahrend die geringere Bindungsstarke an nur ein 0-Atom eines gegenuber liegenden NO:-Ions diese Verschiebung zulaBt,.

Hg

i 302pm

283pm\, / 270pm \ I

Mit der Strukturaufklarung des [C,H,N,Hg,](NO,), ist erstmals eine Ke t t e n -Struktur mit aiinahernd linear kovalent koordiniertem Hg?' bei einer stnbilen Quecksilber(1)-Stickstoff-Verbindung beschrieberi worden. Daniit wird die Struktur-Systematik der Quecksilber-Stickstoff-Verbin- dungcn weiter vervollstandigt. Wahrend bei den G r u p p e n -Strukturen nlle 2 moglichen Baugruppen mit 3- oder $-bindigem Stickstoff bekannt sind l ) ,

waren bisher bei den K e t t en -Strukturen nur Verbindungen init 3-bindigem nicht aber mit 4-bindigem Stickstoff charakterisiert worden. Die Ausbildung der K e t t e n -Struktur beim [C,H,N,Hg,](NO:,), wird dadurch erreicht, daB das Pyrazin zwei Stickstoff-Atome zur Bindung an die Quecksilber-Stoine der Oxydationsstufe + 1 zur Verfiigung stellt.

Herrn Priv. Doz. Dr. GERHARD TBIELE danken wir fur wertvolle Diskussionen, den Herren des Rechenzentrums der Universitiit Erlangen-Nurnberg fur die Unterstutzung bei den Berechnungen an der Rechenanlage CDC 3300.

Dem Fonds der Chemischen Industrie und der Deutschen Forschnngsgemeinschaft sind n ir fur die groBzugige Unterstutzung mit Sachbeihilfen sehr zu Dank verpflichtet.

Bei der Redaktion eingegangen am 34. Januar 1974.

Anschr. d . Verf.: Prof. Dr. KLAUS BRODERSEN, Dr. GUNTER LIEHR und Dip1.-Chem. NORBERT HACKE, Inst. f. Anorg. Chemie I d. Univ., BRD-852 Erlangen, EgerlandstraBe 1