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Stadt und Identität zwischen Corporate Identity und Dekonstruktion Am Fallbeispiel „Quartier an der Stadtmauer“ in Bamberg Überarbeitete Bachelorarbeit Juli/August 2012 von Korbinian Kundmüller

Stadt und Identität zwischen Corporate Identity und ... · das von der örtlichen Stadtsparkasse initiierte und dem niederländischen Investor Mul- tidevelopment vorangetriebene

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Stadt und Identitätzwischen Corporate Identity

und DekonstruktionAm Fallbeispiel „Quartier an der Stadtmauer“ in Bamberg

Überarbeitete Bachelorarbeit Juli/August 2012

von Korbinian Kundmüller

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ie vorliegende Arbeit ist der leicht über-Arbeitete text der bAchelorArbeit (bA) die Am 6. Juli 2012 An der Fh erFurt eingereicht wurde. er wurde ergänzt durch grAFiken die im rAhmen der ver-teidigung der bAcheolorArbeit Am 25. Juli 2012 erstellt und präsentiert wurden. diese wurden Für die buch-Form neu erstellt. neu sind Ausserdem dAs vorwort und eine textstelle im AnhAng. betreuer der bA wAren proF.dr.-ing. ingo wietzel und m.sc. michAel steinke.

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Vorwort

Den endgültigen Anstoß für dieses Thema erhielt ich durch eine nicht deutschstämmige Dozentin, die im Anschluß an ein Seminar ihren Herkunftsort als „seelen- und charak-terlos“ bezeichnete, nur um ihrer neuen Thüringer Heimstätte anschließend eben Seele und Charakter zuzusprechen. Dieser positive Prozess des Heimisch-Werdens begeister-te mich und ließ mich das Thema „Stadt und Identität“ für die Bachelorarbeit festlegen. Konkret wurde es dann schon recht bald, als ich mich mit der Debatte um das „Quartier an der Stadtmauer“ in Bamberg auseinandersetzte. Denn hier beklagten sich einige Ein-heimische mit dem gleichen Wortschatz, den die Dozentin für ihre alte Heimat benutzt hatte, über ein an sich begrüßungswertes Projekt. Damit war auch das konkrete Fallbei-spiel für die Arbeit gefunden.

Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Gesprächspartnern und Gesprächspartnerin-nen bedanken - wenn ich auch leider nicht Ihre Namen nennen kann. Danke für die Zeit, wichtige Hinweise und praktische Materialien. Ohne Ihre Mitarbeit hätte die Arbeit so nicht geschafft werden können! Ich hoffe das ich durch diese für Sie komplett neu gestaltete aber inhaltlich unveränderte Arbeit etwas zurückgeben kann.

Durch die Prüfung und Überarbeitung wurde ich noch auf einige Schwächen und neue Aspekte aufmerksam gemacht. Trotzdem stellt die Arbeit in der vorliegenden Fassung ein rundes Ergebnis dar. Dank geht an dieser Stelle auch an die Betreuer der Arbeit Prof. Dr.-Ing. Ingo Wietzel und M. Sc. Michael Steinke. Insbesondere Herrn Prof. Dr. Wietzel gilt Dank als Erstbetreuer und damit für die Toleranz für dieses Thema, scharfe Kritik und Hinweise während der ersten Schritte.

Dank geht vor allem auch an meine Familie, für die ausgiebige und selbstlose Unterstüt-zung, die ich während der Arbeit erhalten habe. Vorbildhaft!

Ich hoffe, dass die folgende Danksagung nicht als „falscher Pathos“ sondern als „Selbst-verständlichkeit“ verstanden wird: denn Dank geht zunächst auch an die verblichenen Bamberger die in den letzten tausend Jahren Bamberg zu einem einzigartigen und lie-benswürdigen Ort gemacht haben, sowie an ihre lebendigen Nachfolger, die diesen Zu-stand halten und mehren möchten.

Denn es ist keine Selbstverständlichkeit das man im Inneren einer Stadt lustwandeln kann und schon die bloße Erinnerung daran reicht, um einen Bachelorarbeiter an den Schreibtisch zu fesseln.

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Inhaltsverzeichnis1 Einleitung ..........................................................................................................................1 1.1 Begründung des Themas ...................................................................................1

1.2 Einordnung des Themas in den Stand der Wissenschaft ..............................21.3 Zielsetzung und Methodik ................................................................................31.4 Darstellung der eigenen Leitfragen ................................................................4

2 Grundlagen .......................................................................................................................52.1 Stadt und Identität ..............................................................................................5

2.1.1 Begriffsklärungen ....................................................................................52.1.2 Die europäisch-deutsche Stadt ...............................................................7

2.2 Dekonstruktion von Identität ...........................................................................92.2.1 Erklärung Dekonstruktion ......................................................................92.2.2 Rekonstruktion..........................................................................................11

2.3 Corporate Identity in der städtischen Identitätspolitik ................................122.4 Identität trotz CI und Dekonstruktion.............................................................13

3 Identitäre Stadtplanung ..................................................................................................173.1 Bestimmung der Identitätsfaktoren .................................................................17

3.1.1 Identitäres Wissen.....................................................................................173.1.2 Identitätsträger ..........................................................................................173.1.3 Identitätsempfänger .................................................................................183.1.4 Identitätstrias ............................................................................................183.1.5 Identitärer Diskurs ...................................................................................193.1.6 Aneignen ....................................................................................................19

3.2 Identitätsfaktoren und Stadtplanung ..............................................................243.2.1 Gründe für die identitäre Stadtplanung ...............................................243.2.2 Umgang der Stadtplanung mit den Identitätsfaktoren ......................26

4 Fallbeispiel „Quartier an der Stadtmauer“ zu Bamberg ............................................294.1 Projektbeschreibung ...........................................................................................294.2 Abgleich des Projektes mit Identitätsfaktoren ................................................32

4.2.1 Ablauf des Abgleiches..............................................................................324.2.2 Abgleich: Identitätsträger .......................................................................324.2.3 Abgleich: Identitätsempfänger ..............................................................334.2.4 Abgleich: Identitäres Wissen ...................................................................334.2.5 Abgleich: Identitärer Diskurs ..................................................................334.2.6 Abgleich: Identitätstrias ...........................................................................334.2.7 Abgleich: Aneignen ..................................................................................34

5 Zusammenfassung und Fazit .........................................................................................36

6 Quellen ..............................................................................................................................39

7 Anhang ..............................................................................................................................447.1 Verwendeter Gesprächsleitfaden......................................................................457.2 Weber und Häußermann ...................................................................................47

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Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: „Identitäts-Baum“, grafische Darstellung des identitären Prozesses ............21Abb. 2: „Dekonstruktion“, grafische Darstellung des Dekonstruktionsprozesses ....22Abb. 3: „Corporate Identity und Identität“, grafische Darstellung des Einflusses von CI auf Identität ...................................................................................23Abb. 4: Planungsbereich für das „Quartier an der Stadtmauer“ (Rosa Rahmen); ..29Abb. 5: Bamberg mit wichtigen, das Projekt betreffenden, Standorten ......................30Abb. 6: Gegenüberstellung: Linkes Bild: Foto der Sieger-Entwurfes-Animation, Blick von der Langen Straße aus; Rechtes Bild: Blick auf das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck ........................................................................................................................34

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Abkürzungsverzeichnis

Anmerkung: Anm.Abbildung: Abb.Et cetera: etc.Eventuell: evtl.Ebenda: ebd.Folgende: fFort folgende: ffUnd so weiter: usw.Vielleicht: vll.Vergleiche: vgl.Zum Beispiel: z.B.

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1 Einleitung

1.1 Begründung des ThemasDas Thema „Identität und Stadt“ scheint im großen Werden der Zeit vernachlässigbar zu sein. Globalisierung, die Infragestellung des Nationalstaates im Zuge von globalen Krisen und das Wachsen der Menschheit erzeugt einen vermeintlichen Anspruch auf moderne Lebensverhältnisse, der traditionelle Kulturen und Identitäten überformen muss, um ein Funktionieren der Städte zu gewährleisten. Städte scheinen zudem noch „Motoren“ dieser Moderne zu sein. Durch die wirtschaftliche Globalisierung „werden die internationalen Wanderungsbewegungen weiter zunehmen“ (Netzseite Bundeszen-trale für politische Bildung 2009). Mit dem Wachsen der Bevölkerung ist auch ein Wach-sen der Städte verbunden. Über die Hälfte der Menschheit lebt laut UN Habitat bereits in Städten oder urbanisierten/verstädterten Gebieten (vgl. UN Habitat 2011: 3). Durch diesen globalen Austausch an Waren und Menschen entsteht der Eindruck einer En-tortung und Entgrenzung. Wo früher noch unterschieden werden konnte, können jetzt weltweit die optisch gleichen Menschen, Gebäude und Waren gefunden werden (vgl. Böckelmann 1998: 23). Das Bewusstsein für diese globalen Herausforderungen und die Notwendigkeit einer internationalen Lösung ist bei „vielen Regierungen“ vorhanden (vgl. Netzseite Bundeszentrale für politische Bildung 2009). Gerade die globalen Wande-rungsbewegungen stellen die Konzeption und Gestaltung nationaler Migrationspolitik vor „erhebliche Schwierigkeiten“ (vgl. Netzseite Bundeszentrale für politische Bildung 2009). Es entsteht damit die Frage, wie mit dieser neuen Konstellation umgegangen wer-den soll? Denn die Verknappung der weltweiten Ressourcen, Klimawandel und wirt-schaftliche Krisen stellen Ansprüche an die Handlungsfähigkeit der unterschiedlichen Völker der Erde (vgl. Netzseite Bundeszentrale für politische Bildung 2009).Benjamin R. Barber antwortet in Armin Pongs Buch „In welcher Welt wollen wir le-ben. Demokratie und Natürlichkeit in Zeiten der Globalisierung“ auf die Frage: „Welche weltpolitischen Veränderungen müssten denn in Richtung Weltbürgerschaft vorange-bracht werden?“ unter anderem so: „...Was wir langfristig brauchen, ist eine Art weltweite Zivilreligion, also das, was wir auf US-amerikanischer Ebene bereits haben. Wir brauchen einen Zivilglauben, der Blut, Identität und lokale Zugehörigkeit übersteigt und es den Menschen ermöglicht, sich um gemeinsame Prinzipien herum zu organisie-ren... „ (vgl. Pong 2003: 389). Was haben „Blut“ – mit diesem Begriff wird hier die direk-te Verwandtschaft gemeint – „Identität“ und „lokale Zugehörigkeit“ mit der Stadtpla-nung zu tun? Verschiedene Konfliktfelder der Stadtplanung drehen sich in ihrem Kern um eben diese Aspekte. „Die Themen der Stadtentwicklungspolitik sind immer weniger mit Geld und Beton zu bearbeiten. Im Bereich der Umweltpolitik, der demographischen Entwicklung und der sozialen Integration ist jegliche Art von Stadtpolitik auf die Bereit-schaft der Bürger angewiesen, dabei aktiv mitzuwirken. Strukturell erinnert dies an die produktiven Kräfte der europäischen Stadt, die auf einer lokalen Zugehörigkeit beruh-ten, meint Hartmut Häußermann als Fazit zu der Frage „Was bleibt von der europäi-schen Stadt?“ (vgl. Häußermann 2007: 35). Dass lokale Identität für die Stadtplanung wichtig sein kann, zeigt sich möglicherweise an der Stadt Bamberg, deren historisches Altstadtensemble seit 1993 von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde. Durch

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die geplante „City-Passage“ bzw. das „Quartier an der Stadtmauer“, kam es zu Protes-ten und Beschwerden seitens einiger Bürger und Vereine. Eine Stellungnahme des 1. Vorsitzenden des Vereins „Schutzgemeinschaft Alt-Bamberg“ führt den Titel „Verraten wir unser Erbe?“ (vgl. Erich Weiß Verlag 2012a). Die geplante Bebauung sollte den Ab-riss von denkmalgeschützten Gebäuden und – zwischenzeitlich – auch die Überreste der Stadtmauer beinhalten. Der Name der Siedlung schien dadurch nicht mehr begründbar und wurde in der „Bamberger Onlinezeitung“ als „Quartier an der Phantasiemauer“ bezeichnet (vgl. Erich Weiß Verlag 2012b). Die kollektive, lokale Identität scheint durch das von der örtlichen Stadtsparkasse initiierte und dem niederländischen Investor Mul-tidevelopment vorangetriebene Projekt „in Bedrängnis“ geraten zu sein. Aufgrund dieser gesellschaftlichen Diskussion, den globalen Entwicklungen und der daraus resultierenden Relevanz für die Stadtplanung wird das Thema Stadt und Identi-tät in dieser Arbeit untersucht. Da es um eine verortbare, „eigene“ Identität geht, wird die Untersuchung des Themas „Identität“ auf die europäisch-deutsche Stadt begrenzt.

1.2 Einordnung des Themas in den Stand der WissenschaftStädtische Identität, Identität im kollektiven Sinn, Corporate Identity (CI) und das The-ma Integration in bestehende Systeme oder Gesellschaften sind komplexe Themen, die von verschiedenen Wissenschaften in unterschiedlichen Ansätzen untersucht werden. Diese interdisziplinäre Situation mit ihrer großen Bandbreite an Ansätzen erschwert es, das Thema dieser Arbeit konkret einzuordnen. Festgestellt werden kann, das es eine Art „identitärer Stadtplanung“ noch nicht gibt.

Es wird auf Chirsta Reichers Buch „Städtebauliches Entwerfen“ Bezug genommen, die sich auf George Herbert Meads Hauptwerk „Geist, Identität und Gesellschaft“ (1934) stützt, wonach Identität keine angeborene Eigenschaft ist, sondern von einem Men-schen erworben werden müsse, indem er „seine Erfahrungs- und Tätigkeitsprozesse innerhalb einer Gesellschaft reflektiert“ (Reicher 2011: 12). Die Stadt selber habe keine eigene Identität „im ursprünglichen Verwendungskontext“, sondern eine „identitätsstif-tende Wirkung“, die von ihr ausgeht. (vgl. ebd.: 12). Zudem hebt sie die Bedeutung von „Identitätsträgern“ und „Identitätsstiftern“ hervor, die für die Einzigartigkeit der Stadt entscheidend sind, um sich gegen „Massenprodukte abheben zu können (vgl. ebd.: 12).

Weiter wird auf Walter Siebels Beitrag „Die Zukunft der Städte“ aus der von der Bundes-zentrale für politische Bildung herausgegebenen Reihe „Aus Politik und Zeitgeschichte“ vom 26. April 2010 eingegangen. Hier wird die „weltgeschichtliche Einmaligkeit“ der „Emanzipationsgeschichte“ der europäischen Stadt behandelt, die über einen langen Prozess nun in einer Phase der Krise angekommen ist, aus der allerdings Auswege be-stehen (vgl. Siebel 2010: 3f). Die Risiken seien allerdings hoch und entscheidend ist, ob Migranten an einem „besseren Leben“ teilnehmen können (vgl. Siebel 2010: 15).

Oliver Freys und Florian Kochs Herausgeberwerk „Die Zukunft der europäischen Stadt. Stadtpolitik, Stadtplanung und Stadtgesellschaft im Wandel“ aus dem Jahr 2011 be-schäftigt sich mit eben dieser Krise und den Herausforderungen, vor denen die „euro-päische Stadt“ steht (vgl. Frey, Koch 2011: 11ff). In diesem Werk ist auch ein Aufsatz aus dem Jahr 2007 von Hartmut Häußermann zu finden, in dem er der Frage nachgeht, was von der europäischen Stadt bleibt (Häußermann 2007: 23). Für ihn nimmt die He-

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terogenität einer Stadt eine wichtige Rolle bei der Bildung einer städtischen Kultur ein (Häußermann 2007: 25).

Birgit Kutschinski-Schuster schrieb 1993 in der von Siegfried Maser herausgegebenen Reihe „Designtheorie“ das Buch „Corporate Identity für Städte. Eine Untersuchung zur Anwendbarkeit einer Leitstrategie für Unternehmen auf Städte“. Hierbei vertritt sie die Auffassung, dass Städte und Unternehmen als Körperschaften Ähnlichkeiten besitzen und deswegen CI auch für Städte verwendet werden kann (vgl. Kutschinski-Schuster 1993: 12ff).

Mit dem Thema Identität verbunden sind Lebensqualitität und Standortattraktivität. Harald Pechlaner und Monika Bachinger beschäftigen sich mit diesem Themenkomplex in dem von ihnen 2010 herausgegebenen Band „Lebensqualität und Standortattrakti-vität. Kultur, Mobilität und regionale Marken als Erfolgsfaktoren“. Dort abgedruckt ist auch der Aufsatz von Michael Weigl „Mehr als ein Zufallsprodukt: Wirkung und Vor-aussetzung regionaler Identität“, der die Entstehung von regionaler Identität über einen identitären Diskurs erklärt (Weigl 2010: 261ff). Es wird davon ausgegangen, dass die Muster des identitären Diskurses auch auf die Stadt übertragen werden können.

Mit den europäischen Identitäten setzt sich die Untersuchung „Die Deutschen und ihre Migranten. Ergebnisse der europäischen Identitätsstudie“, die von Ulrich Schmidt-Den-ter über zehn Jahre lang erarbeitet wurde. Die 2011 erschienene Studie setzt sich auch mit der Verfasstheit der nationalen Identität der Deutschen und deren Auswirkungen auf den Einzelnen auseinander. Deutschland weist in dieser Studie im Vergleich zu den europäischen Nachbarn ein schwieriges Verhältnis zu eigenen Identität auf, was nega-tive Auswirkungen auf die Identität hat - auch in der Stadt (Schmidt-Denter 2011: 334; 355ff).

1.3 Zielsetzung und MethodikZiel der Arbeit ist es, die Konzepte „Identität“, Dekonstruktion und Corporate Identity aufeinander zu beziehen und daraus einen spezifischen „lokalen Identitätsbegriff“ ab-zuleiten. Darauf aufbauend werden Kriterien für eine identitätsbezogene bzw. (in dieser Arbeit) europäisch-deutsche Stadtplanung entwickelt und am Beispiel „Quartier an der Stadtmauer“ in Bamberg erläutert. Im zweiten Kapitel werden zuerst die Grundlagen erarbeitet. So wird zunächst der Iden-titätsbegriff und städtische Identität untersucht. Zweitens soll geklärt werden, was mit dem Begriff „Dekonstruktion von Identität“ gemeint ist. Das Verständnis dafür, was De-konstruktion sein kann, wie sie funktioniert und was ihr zu Grunde liegt, ist damit ein weiteres Ziel dieser Arbeit. In Ergänzung zur Dekonstruktion soll die Auseinanderset-zung mit der Corporate Identity, dem Zweck dienen, Corporate Identity grundsätzlich zu verstehen, Unterschiede in der Wirkung zur Dekonstruktion zu finden und das Ver-hältnis zur „lokalen Identität“ zu klären.Drittens: Da der Identitätsdiskurs sehr weitgehend ist, wird in dieser Arbeit mit einer „europäisch-deutschen“ Identität gearbeitet, wobei damit die „lokale, eigene bzw. tradi-tionelle Identität“ gemeint ist. Dabei wird die Identität auf die Stadtebene bezogen. An-schließend wird geklärt, inwiefern die städtische Identität im Spannungsfeld zwischen Corporate Identity und Dekonstruktion steht und was unter dieser „lokalen“ Identität

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zu verstehen ist. Viertens werden mit diesen Grundlagen Kriterien für identitäre Stadtplanung aufge-zeigt und untersucht, wie in der Praxis damit umgegangen werden kann. Dieser mög-liche Umgang wird am Beispiel „Quartier an der Stadtmauer“ in Bamberg aufgezeigt. Hierzu werden Interviews mit Betroffenen geführt.

1.4 Darstellung der eigenen Leitfragen Gibt es eine traditionelle, städtische Identität und was macht diese aus? Um dieser Frage nachzugehen, ist zunächst zu klären, welche Arten von Identität im städtischen Kontext eine Rolle spielen und was daran traditionell sein könnte. Nach die-ser Feststellung, ist zu klären, was eine Dekonstruktion der traditionellen-lokalen Identi-tät sein könnte und welche Rolle die CI in diesem Zusammenhang spielt. Aufbauend auf dem letzten Fragenkomplex ist herauszuarbeiten, wie dieser Identitätsbegriff hergeleitet werden kann und ob es konkrete Kriterien gibt, die ihn ausmachen.

Wie kann die Stadtplanung die Identitätskriterien in die Planung einbinden?Hier wird der Frage nachgegangen, wie die Stadtplanung die Identitätskriterien/-fakto-ren für eine identitäre Stadtplanung nutzen kann.

Erfüllt das „Quartier an der Stadtmauer“ in Bamberg die Identitätskriterien?Anhand der festgestellten Kriterien ist zu prüfen, inwieweit das Quartier an der Stadt-mauer den allgemeinen Identitätskriterien genügt und welche Kriterien Bamberg im Speziellen hat.

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2 Grundlagen

2.1 Stadt und Identität2.1.1 Begriffsklärungen

Im folgenden Kapitel wird behandelt, was Stadt und Identität ausmacht. Was eine Stadt und Identität überhaupt ist.

StadtUm der Frage nachgehen zu können, ob es eine Identität der Stadt gibt, muss sich der hier verwendeten Bedeutung des Stadtbegriffs genähert werden. Es gibt verschiedene Ansichten und Meinungen über den Begriff der Stadt, z.B. ist für Geographen die Stadt eine „dauernde Verdichtung von Menschen und deren Wohnstätten“ und für Juristen ein „verliehener Titel“ (Kurtschinski-Schuster 1993: 38). Abseits von diesen für sich zutreffenden Zuweisungen, ist die Stadt aus geschichtlicher Perspektive meist eine Siedlungsform, die sich aus ‚dem Dorf’ entwickelt hat und sich durch arbeitsteilige Organisation auszeich-net (vgl. ebd.: 34). Dies wurde durch die Ergänzung von Handel, Gewerbe und Dienstleistungen erreicht (vgl. ebd.: 34). Erste Städte wurden um das Jahr 3500 v. Chr. festgestellt, eine besondere Prägung, die das Verständnis von Stadt bis heute beeinflusst, war die Entwicklung, die die Stadt während des europäischen Mittelalters (ca. seit dem 11. Jahrhundert) nahm (vgl. ebd.: 34). Diese Entwick-lung ist vor allem von neuen Machtverhältnissen geprägt. Indem die Bewohner ihre Lebensweise von der Landwirtschaft trennen konnten, entstand eine neue Gesellschaftsform, in der eine von den alten Machteliten (Klerus, Monarchen und von diesen eingesetzte Statthalter) prinzipiell unabhängige Bürgerschaft ihre Interessen zu vertreten begann (vgl. ebd.: 35). Im 19. Jahrhundert beschleu-

ErgänzungIn Deutschland entwickelte sich eine Stadtart, die im Volks-mund „Freie Reichstätte“ genannt wird. Dies waren Städte, die autonomer handeln konnten oder dem Kaiser unterstan-den, was auch wieder mehr Autonomie mit sich brachte. Sie werden (begrenzt) als Vorläufer der modernen europäischen Stadt gehandelt. Um die Zugehörigkeit zum Kaiser zu zeigen, wurde meist der Reichsadler ins Stadtwappen aufgenommen. Die Autonomie der Städte übertrug sich auch in gewissem Maß auf den Einzelnen - dies war nicht nur bei „Freien Reichstädten“ der Fall. Der Spruch „Stadtluft macht frei.“ spricht daher für sich.

In dieser Arbeit steht der Reichsadler* für die gewachsene, lokale Identität.*Der verwendete Reichsadler ist heraldisch nicht ganz korrekt (blickt nach links).

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nigte sich dieser Prozess durch die Steinsche Städteordnung (ebd.: 35) und die Industrialisierung, die „zu einer sozialen Emanzipation des Individuums aus [den] unentrinnbaren Kontrolle[n] der dörflichen Nachbarschaft“ (Siebel 2010: 3) führte. Dazu im folgenden Kapitel mehr.

IdentitätWelche Bedeutung hat Identität? Ein Blick in den Duden ergibt folgende Aussa-ge: „Echtheit einer Person oder Sache; völlige Übereinstimmung mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird“ oder auch „völlige Übereinstimmung mit jemanden, etwas in Bezug auf etwas; Gleichheit“ (Netzseite Bibliographi-sches Institut GmbH 2012a). Als Synonyme werden u.a. „Echtheit, Nämlichkeit, Wesensgleichheit, Gleichartigkeit oder Konformität“ genannt (ebd.). Diese letzt-genannten Begriffe werden im weiteren Verlauf der Arbeit verwendet werden, um Aussagen oder Untersuchungsgegenstände auf Identität zurückzuführen. Identität im Bezug auf Stadt ist nach Christa Reichers „Städtebauliches Entwer-fen“ wie folgt ausgelegt: Eine Stadt kann keine Identität haben, von ihr kann aber eine identitätsstiftende Wirkung ausgehen (vgl. Reicher 2011: 12). Diese identitätsstiftende Wirkung hängt von der „Einmaligkeit der Stadt“ ab, die von „ihre[r] Geschichte, der Kultur, der politischen Führung und stadträumlichen Erscheinung“ abhängt (ebd.: 12). Eine besondere Rolle nehmen dabei Merkmale ein, die „als besonders charakteristisch und typisch angesehen werden können“ (ebd.: 12), die eine Differenzierung zwischen den Städten ermöglichen und ihre daraus resultierende Identität sie dadurch aus der Anonymität befreit (vgl. ebd.: 12). Diese Merkmale können auch als „Identitätsträger“ benannt werden. Da-bei kann es sich um „gebaute Zeichen und markante Landschaftselemente[n]“ handeln, die vom Wald bis zum städtischen Quartier reichen können (vgl. ebd.: 12). Manche Elemente können auch Identitätsstifter sein, die sich aus der Masse herauslösen, ohne Zusammenhang mit dem Umfeld zu verlieren (vgl. ebd.: 13). Dabei ist festzuhalten, dass die Identität nicht bei der räumlichen Dimension aufhören darf (vgl. ebd.: 13). Damit die Menschen sich identifizieren können, ist es wichtig, dass sie die „Möglichkeit der Aneignung von Räumen durch den Menschen, das Aufbauen von Vertrauen über die Wiedererkennbarkeit von ver-trauten Bilder[n]“ haben (vgl. ebd.: 13). Weiter heißt es bei Reicher, dass die „Beeinflussung der Identität nur bedingt möglich ist“, da sie auf den „Lebens-umständen der Bewohner ... [und] veränderbaren Einflüssen wie der geographi-schen Lage, dem Klima und dem Naturraum basiert.“ (ebd.: 13). „Die Identität ist eher ein über einen längeren Zeitraum ausgebauter Eindruck der Stadt, der die Grundlage für die Identifikation der Bewohner mit ihrer Stadt ist. Dem-gegenüber ist das Image dynamischer, beeinflussbar und kann teilweise auch kurzlebig sein“, schreibt Reicher weiter auf Seite 13. Matthias Beyrow zitiert in seinem Buch „Mut zu Profil - Corporate Identity und Corporate Design für Städte“ (1998) auf Seite 16 aus Roman Antonoffs Leasetech, das nicht nur das „Wissen“ sondern vor allem der „Glaube“ gefragt sei. Im „Corporate Identity“-Verfahren basiert der Prozess der Stadtkonzeption auf der „Tradition und Kul-tur der Stadt“ (Beyrow 1998: 19), die mit dem bei Reicher festgestellten „über ei-nen längeren Zeitraum ausgebaute[n] Eindruck“ Überschneidungen aufweisen kann. Ähnliches ist bei regionalen Identitäten zu finden. Da städtische Identität

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von einer „Region“ abhängig ist (in Bezug auf Reicher oben nehmend), ist es möglich, dass für die städtische Identität im Allgemeinen die gleichen Aspekte relevant sind, wie für Regionen. Regionale Identität beschreibt Michael Weigl als „Selbstverständigungsprozess eines sich selbst als Region wahrnehmenden Kollektivs in Form eines öffentlichen Diskurses.“ (Weigl 2010: 265). Dieser „iden-titäre Diskurs“ muss nicht nur von „stets konträren Standpunkten“ ausgehen, sondern dieser „Selbstverständigungsprozess“ hat „identitätsrelevantes Wissen mit dem Ziel der Schärfung dieses Wissens und seiner Tradierung“ als Gegen-stand, es entstehen dadurch „Identitätsnarrative“ (Weigl 2010: 265). „Auch für regionale Identitätsnarrative gilt der Dreisatz: Wir sind (Gegenwart) - Wir sind, weil (Vergangenheit) - Weil wir sind (Zukunft)“, so Weigel weiter (Weigl 2010: 265). Dabei geht es nicht nur um Texte oder Sätze, sondern auch um Dinge wie Riten, Tänze, Monumente, Bilder, Landschaften und Träger, die als Medium für diese kollektive Identität auftreten (vgl. Assmann 2000: 139, zitiert nach: Weigl 2010: 266). Als städtische Identität kann das Selbstverständnis bezeichnet werden, das durch eine charakteristische Eigenart geprägt ist, die von ihrer Geschichte, Kul-tur, politischen Führung und stadträumlichen Erfahrung abhängt, von den Be-wohnern gelebt bzw. belebt/genutzt werden kann und über einen „identitären Diskurs“ über einen längeren Zeitraum anhand eines „Identitären Dreisatzes“ (Die Verbindung von Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft) ausgehandelt wird. Die Bewohner (als Ausführer von Bräuchen und Riten) und Objekte fun-gieren in diesem Selbstverständigungsprozess als Identitätsträger. Damit die-ser Prozess weiter laufen kann, muss der Austausch von „identitätsrelevanten Wissen“ erfolgen (Weigl 2010: 266). Dabei fungieren manche Identitätsträger als „Diskursträger“, „die Identitätsangebote unterbreiten“ und „Diskursrezipien-ten“ (Diskursempfänger), „die diese Angebote selektiv in ihre personale Identi-tät einpassen“ (vgl. ebd.).

2.1.2 Die europäisch-deutsche StadtDie europäisch-deutsche Stadt, wie sie hier in dieser Arbeit verwendet wird, unter-scheidet sich von dem gleich erläuterten europäischen Stadtbegriff insofern, als sie die

ZusammenfassungIdentität bedeutet das Etwas oder Jemand mit etwas oder jemand Anderen übereinstimmt, gleich bzw. wesensgleich ist.Eine Stadt hat zunächst keine Identität, sondern bietet Iden-tifikationspunkte an, die durch Identitätsträger Identität bei Identitätsempfängern stiften. Dieser Stiftungsprozess geschieht in einem Identitären Diskurs der unter Berücksichtigung der/des Identitätstrias/-dreisatz Identitätsnarrative in die Identität der Bewohner „einwebt“ und sich daraus die lokale „verwurzelte“ Identität bildet.Weiteres in Kapitel 3 „Identitäre Stadtplanung“.

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allgemeine europäische Stadt lediglich in Deutschland verortet. Die gemachten Beob-achtungen können daher nicht einfach auf eine z.B. französische oder polnische Stadt übertragen werden. Allgemein deutsche Eigenschaften sind umgekehrt allerdings auch nicht der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit. Was ist die ‚europäische Stadt‘? Die europäische Stadt „ist immer ein Modell bzw. ein Idealtyp ... dem sich die Städte und Gemeinden in Europa entweder annähern bzw. von dem sie sich entfernen können“ (Frey, Koch 2010: 421). Was macht dieses Modell aus? Was sind die genauen Bestandteile dieses ‚europäischen Ideals‘? Zunächst ist die städtebauliche Struktur durch „Dichte“, eine „Ausrichtung auf das Zentrum“ und eine „kompakte Struktur“ ausgezeichnet (ebd.: 420). Ergänzend kommt noch als besonderes Merkmal eine „spezielle Form der Nutzungsmischung“ dazu (ebd. 2010: 420). Ein weiteres Merkmal ist die „soziale Formation“, die durch eine geringe sozialräumli-che Segregation bei gleichzeitiger Partizipation der Bürger durch Organisationen ge-kennzeichnet ist (vgl. ebd.: 420). Dies wird schon von Max Weber festgestellt und als wesentlicher Bestandteil der Stadtgesellschaft bezeichnet (vgl. ebd.: 420). Zur europäischen Stadt gehört auch, dass sie in den „nationalstaatlichen Wohlfahrts-staat“ eingebunden ist, ohne auf einen weitreichenden „kommunalen Handlungsspiel-raum“ zu verzichten (vgl. ebd.: 420). Als Gegenbeispiel werden dabei die USA genannt, deren Städte weniger „bundesstaatliche Zuwendungen“ erhalten und daher „stärker als Marktakteure“ agieren müssen (vgl. ebd.: 421). Für Hartmut Häußermann ist die mittelalterliche, europäische Stadt Refugium für die Vorformen von „Marktwirtschaft, bürgerlicher Individualität und Demokratie“ (Häu-ßermann 2010: 23). Die „Gleichzeitigkeit von Kooperation und Wettbewerb“ macht die europäische Stadt zu einem „einzigartigen Entwicklungsmodell, das eine globale Revo-lution von Wirtschaft und Politik anstieß.“ (ebd.: 23). „Am Ende des 20. Jahrhunderts“ sollen „verschiedene Elemente dieses Modells in all jenen Staaten und Gesellschaften auf sehr unterschiedliche Weise“ kombiniert worden sein und dadurch mehr Wohlstand produziert haben (ebd.: 23). Dies geht soweit, dass die Stadt „technisch und ökonomisch notwendig wurde“ (ebd.: 24). Die Existenz dieses Stadttypus bringt eine „kulturelle Produktivität“ mit sich, d.h. aus der Heterogenität der Stadt, der ganzen „Differenz und Verschiedenheit“ entsteht „In-novation“ (ebd.: 25). Im Gegensatz zur „ländlichen Lebensweise“ erlaubt das städtische Leben mehr Freiheiten (vgl. ebd.: 25). Sie erzeugt eine „Gleichgültigkeit und Distan-ziertheit“, die es dem Stadtbewohner erlaubt bei „gleichzeitiger räumlicher Nähe“ eine „soziale Distanz“ zu wahren (ebd.: 25). Die europäische Stadtgeschichte sei daher eine „Emanzipationsgeschichte“ (Siebel 2010: 3). Diese Geschichte scheint in Gefahr zu sein. Bedroht wird sie einerseits durch „Homo-genisierungs- und Standardisierungs“-Unternehmungen (Stichwort: „Leitkultur“) die eine „repressive Anpassung“ erfordern und die „Zumutung der Koexistenz“ aufzulösen versucht (vgl. Häußermann 2010: 26). Anderseits erzeugt diese „Zumutung und Am-bivalenz“ Fliehkräfte, die zu Segregation und Abwanderung führen, da einige Bürger versuchen der Ambivalenz zu entfliehen (vgl. ebd.: 27). Dazu kommt noch, dass eine „kapitalistisch beschränkte Rationalität“ sowie eine „Dezentralisierung und Suburba-nisierung“ die Entwicklungen verstärkt und eine „Auflösung der Stadt“ provozieren könnte (vgl. ebd.: 27). Auch Siebel spricht von einer „Inneren Spaltung“ der Stadt, die entlang von ökonomischen und kulturellen Grenzlinien verläuft und eine soziale Un-gleichheit zur Folge hat, die im Steigen begriffen ist (Siebel 2010: 3). In einigen deutschen

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Städten, Siebel nennt Stuttgart und Frankfurt als Beispiele, „stellen Migranten schon 40 Prozent“ der Nachkommen - Tendenz steigend (ebd.). Daraus kann allgemein eine ei-genartige Gemengelage entstehen, da einheimische („deutsche“) Verlierer aufgrund des Wohnungsmarktes mit Einwanderern in ‚Problembezirken‘ zusammenkommen, diese Bevölkerungsmischung erscheint heutzutage als „überflüssig“ (vgl. Häußermann 2010: 34 und Siebel 2010: 3). Die Stadt wird zu einem „Ort der Ausgrenzung“ für Deutsche, wie für Migranten und damit die „härteste Verneinung der europäischen Stadt als Ort der Hoffnung auf ein besseres Leben.“ (Siebel 2010: 4). Nach Häußermann ist es deswe-gen Aufgabe der Stadtpolitik „die Stadtgesellschaft zusammenzuhalten“, denn „Kultur und zivilisatorische Bedeutung“ sind von der Integrationskraft der Stadt abhängig, ins-besondere Einwanderer sind zu berücksichtigen (vgl. Häußermann 2010: 35 und Siebel 2010: 9). Dieser Prozess könnte laut Häußermann von den „produktiven Kräften ... die auf lokale[r] Zugehörigkeit beruh[t]en.“ abhängen und die „wichtigsten Elemente für eine ... Zukunft der europäischen Stadt könnte man also durchaus auch in der Vergan-genheit suchen.“ (Häußermann 2010: 35). Auch Siebel verweist auf „Eigentumsverhält-nisse und historisch gewachsene Identitäten“, diese könnten den Prozess nur verlangsa-men jedoch nicht aufhalten (vgl. Siebel 2010: 9). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die europäische Stadt ein idealtypisches Modell ist, das vor zahlreichen Herausforderungen steht, wie zum Beispiel wirtschaftli-chen Notwendigkeiten, inneren ‚Fliehkräften‘ oder zu hohen Ansprüchen.

2.2 Dekonstruktion von Identität2.2.1 Erklärung DekonstruktionUm das Phänomen/Konstrukt der Dekonstruktion zu untersuchen wird die europäisch-deutsche Stadt gewählt. Wie in Kapitel 2.1.2 geht es darum, nicht die speziellen deut-schen Eigenschaften einer europäischen Stadt als „idealtypisches Modell“ festzustellen, sondern die ‚Lage‘ der Identität bzw. des Selbstvergewisserungsprozesses (siehe dazu Kapitel 2.1.1) in Deutschland zu untersuchen. Dabei wird von der Gesamtlage der nati-onalen Identität in Deutschland auf die Lage in den Städten geschlossen, da deren Iden-titärer Diskurs nicht von dem nationalen Diskurs ausgeschlossen sein kann. „Dekonstruktion“ bedeutet laut Duden (Netzseite Bibliographisches Institut GmbH 2012b) „Zerlegung, Auflösung“. Zudem gibt es ein philosophisches Verfahren, das dar-auf abzielt „ zentrale, vorausgesetzte Begriffe der traditionellen Philosophie kritisch in-frage“ zu stellen (ebd.). Die Dekonstruktion als Gegenstand dieser Arbeit, meint eine Fülle von Prozessen in der Wissenschaft, wie auch in der Stadtpolitik, die sich im End-ergebnis auflösend auf bestehende lokale, eigene Identitäten auswirken. Deutlich wird das, wenn die bei 2.1.2 beschriebenen „inneren Fliehkräfte“, die zuneh-mend Ansprüche an die Integrationswirkung der Stadt stellen, als Beispiel genommen werden. Siebel warnt vor der Großstadt, die ihr Versprechen, ein „besseres Leben“, für Einwanderer und ‚Schlechtergestellte‘ zu bieten, nicht mehr erfüllen kann und zu einer „Stadt der Ausgrenzung“ wird (Siebel 2010: 9). Auch Häußermann beschreibt die Fol-gen von der Existenz einer Bevölkerungsgruppe, die „ausgesondert aus dem Arbeits-markt und aus gesellschaftlichen und kulturellen Beziehungen“ ist, die darin bestehen, dass die „Begegnung mit dem Fremden ... nur noch als Zumutung erfahren, auf die re-gressiv und mit zunehmender Gewalt reagiert“ und der öffentliche Raum „unsicher und unbenutzbar“ wird (Häußermann 2010: 35). Dabei beschreiben sie ein Szenario, das den von Häußermann und Siebel kritisierten „konservativen Beobachtern“ oder den „groß-

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stadtfeindlichen Ideologien“ (vgl. Häußermann, Siebel 2004: 24ff) sehr ähnlich ist. Diese sahen in der Heterogenität vor allem den „Verlust von nationaler Identität und als [eine] kulturelle Unmöglichkeit, die in Sittenverfall, Chaos und kriminellen Machenschaften enden würde“ (Häußermann 2010: 24f). Dabei entsteht Heterogenität nicht nur aus Zu-wanderung, sondern in einer modernen Stadt auch „aus sich heraus“ (vgl. Siebel 2010: 5). Als Beispiel sind hier die verschiedenen Lebensstile und Milieus genannt, wie z.B. der Nachwuchs einer bürgerlichen Oberschicht und anderer jugendlicher Subkulturen (ebd.: 5). Dieser Verschiedenheit muss sich der „Großstädter“ erwehren, indem es zu „Blasiertheit und Indifferenz, durch Entpersönlichung der zufälligen Kontakte und Ein-drücke“ kommt (Häußermann 2010: 25). Wer bei dieser Mischung nicht „lässig bleiben“ kann, reagiert entsprechend: neben produktiven Austausch mit dem Fremden kann es dann auch zu Fremdenhass und psychischen Krankheiten kommen, infolge davon ent-steht Abwanderung von denen die es sich leisten können (vgl ebd.: 26). Nichtsdestotrotz „individualisiert“ dieser Prozess den „Lebensstil“ des Großstädters. Die „Emanzipati-onsgeschichte“ (Siebel) der Stadt erfüllt sich einmal mehr. Es stellt sich die Frage, ob den Menschen „nicht lässig bleiben können“ wirklich nur das Wegziehen oder die „Säuberungsfantasien“ (Häußermann 2010: 26) bleiben? Ist es sinnvoll eine „Homogenisierung“ abzulehnen (Häußermann), „historisch gewachsene Identitäten“ nur minder zu bewerten (Siebel), gleichzeitig aber von der in finanzielle Bedrängnis geratenen Kommune (vgl. Siebel 2010: 6) immer steigendere Integrations-leistungen zu erwarten, um allen Menschen ein „besseres Leben“ zu ermöglichen? Wenn die ‚moderne Stadt‘ schon aus sich heraus Verschiedenheit und Ambivalenzen erzeugt, die Kommune an Handlungsspielraum einbüßt (vgl. ebd.: 6), ist dann eine Förderung dieser Ambivalenzen nicht kontraproduktiv, da sie die Integrationsleistung übersteigt? Kann die Kritik an dieser Entwicklung, als „großstadtfeindliche Ideologie“ deklariert, übergangen werden, da die „neue Stadtkultur“ jeder „echten, tiefen, wesenhaften Kul-tur“ (Häußermann, Siebel 2004: 28) und damit Identität (vgl. Götz 2008: 207) bei der Integration von Fremden überlegen scheint (vgl. Häußermann, Siebel 2004: 35) und die „Basis ihrer kulturellen Produktivität“ darstellt (Häußermann 2010: 26)?Dieser Widerspruch weist auf einen rein „strukturellen“, „technischen“ Ausgangs-punkt hin, der nur soweit funktionieren kann wie die Strukturen funktionieren und die menschlichen Ambivalenzen befrieden kann (vgl. Häußermann, Siebel 2004: 35). Dieser Umgang mit der eigenen Identität entspricht einem weithin etablierten Meinungsbild. Die geforderte Integrationsleistung der Stadt mit ihren widersprüchlichen identitätsver-neinenden Bestandteilen ist in konkreten Handlungsempfehlungen wieder zu finden, auch wenn sich deren Autoren nicht unmittelbar auf Siebel oder Häußermann berufen. So wird ein wissenschaftlicher Integrationsbegriff propagiert, der dem verbreiteten Ver-ständnis in der Bevölkerung widerspricht, da diese unter Integration „Assimialtion“, also die vollständige Gleichheit zur Empfängergemeinschaft, versteht (vgl. Bundes-ministerium des Inneren 2011: 652f). Erfolgt diese Umstellung nicht, werden ähnliche Negativ-Szenarien entworfen wie bei Siebel und Häußermann (vgl. Anhut, Heitmeyer 2000: 569).Die Anerkennung der bestehenden, kollektiven Identität wird nicht vorgenommen. Es werden damit Ansprüche an eine „Mehrheitsgesellschaft“ gestellt, deren Selbstver-ständnis und Selbstverständlichkeiten „erschüttert“ und „aufgebrochen“ werden müs-sen, um vermeindliche Integration zu erzielen (vgl. Anhut, Heitmeyer 2000: 46; Häu-ßermann 2010: 26). Wie kann unter diesen Bedingungen der in Kapitel 2.1.1 für eine

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kollektive Identität notwendige Selbstverständigungsprozess gelingen, wenn es keine Selbstverständlichkeiten geben darf? Wie soll eine „Vergemeinschaftlichung“ möglich sein, ohne eine kollektive Identität? Abgeleitet von diesen Fragen lässt sich Dekonstruktion von kollektiven und damit auch städtischen Identitäten als ein Prozess bezeichnen, in dem der notwendige Selbstver-gewisserungsprozess erschwert, bis unmöglich gemacht wird und so traditionelle, loka-le und eigene Identitäten erst an Bedeutung einbüßen und nur Teil vieler partikularer Identitäten werden bis sie verschwinden. Als entschlüsselter Prozessablauf kann fol-gende Ablaufsbeschreibung angesehen werden: Durch die Förderungen von Ambiva-lenzen wird die Weitergabe von „identitätsrelevanten Wissen“ erschwert oder dieses Wissen nicht als „identitätsrelevant“ bezeichnet. Dies scheint auf eine schwache Ei-genbindung hinzuweisen. Ein „Identitärer Diskurs“ wird dadurch nicht ermöglicht, da die für den Selbstvergewisserungsprozess notwendigen „Selbstverständlichkeiten“ als nicht relevant oder nicht fortbestehungswürdig bezeichnet werden. Dadurch werden die Identitätsträger zunehmend unbedeutender und verlieren ihre Fähigkeit „Identitäts-angebote“ zu unterbreiten, wodurch die „Diskursempfänger“ keine Angebote erhalten und sie sich vermutlich an anderer Stelle suchen müssen. Dies kann zur Folge haben, dass bauliche bzw. physische Identitätsträger leichter aufgegeben werden oder das Be-wusstsein für die Wichtigkeit dafür verloren geht. Dann wird die bisher eher geistig-soziale Dekonstruktion physisch durchgesetzt.

2.2.2 RekonstruktionNach der Auseinandersetzung mit der Dekonstruktion aus soziologischer Sicht, darf der Aspekt der Rekonstruktion nicht unerwähnt bleiben. Rekonstruktion in dem hier verwendeten Kontext betrifft Baukörper die durch Krieg, zeitgenössische Bauvorlieben oder Mindernutzung zerstört oder in verschiedenen Graden beschädigt wurden und nun teilweise oder vollständig wiederhergestellt werden sollen.Rekonstruktion ist ein umstrittenes Thema und hat in den vergangenen Jahrzehnten an Aufmerksamkeit gewonnen (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtent-wicklung [BMVBS] 2010: 15). Bekannteres aktuelles Beispiel ist der Berliner Schloss-platz und das Berliner Schloss (Schneider 2011: 92). Nach Joachim Fischer kann von ei-nem „Rekonstruktivismus“ gesprochen werden, der eine soziale Bewegung darstellt, die eine Wiederentdeckung der „okzidentalen Stadt“ beinhaltet und von Bürgern getra-gen wird (Fischer 2011: 78). Ausgelöst wurde die „aktuelle Rekonstruktionswelle“ mit der Wiedervereinigung, mit der sich die bürgerliche Lebensform nach dem ‚realsoziali-stischen‘ Kontinuitätsbruch um den vermeidlich verschleppten oder verhinderten Wie-deraufbau der „verrotteten … der Liquidierung preisgegebenen alteuropäischen Bau-/Schauplätze“ zu sorgen begann (vgl. BMVBS 2010: 11f; Fischer 2011: 78). Nicht zu ver-gessen sind die zahlreichen Rekonstruktionsdiskussionen/-unternehmungen die schon vor der politischen Wende und auch im ‚Westen‘ stattgefunden haben, wie zum Beispiel der Marktplatz in Hildesheim oder Teile der Frankfurter Altstadt (vgl. BMVBS 2010: 5; Häger 2011a/b: 70; Bideau 2011: 100). In Bezug auf das Thema der vorliegenden Arbeit, ist festzustellen das die Rekonstruktion auf die Identität eines Ortes wirken kann, da sie alte Geschichts-Beziehungen wieder herstellt und neue Bilder prägt (vgl. BMVBS 2010: 279). Jedoch ist strittig, wem diese neue/alte Prägung wirklich nutzt: Bürgern, der Kommune, dem Einzelnen, der Gesellschaft oder Unternehmen? (vgl. Delikts 2011: 23; BMVBS 2010: 2). Weiter ist zu vermuten, dass es sich bei dem Diskurs um Rekonstruk-

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tion um eine Art des „identitären Diskurses“ handelt. Mit Blick auf den Prozess der De-konstruktion sind einige Argumente der Gegner von Rekonstruktion vergleichbar mit der „Zerrüttung“ von Selbstverständlichkeiten. Eine ‚Normalisierung der Geschichte‘ ist kritisch zu sehen, da Schäden der Vergangenheit beseitigt werden (vgl. BMVBS 2010: 277).

Soweit dies in diesem kurzen Exkurs zu beurteilen ist, kann Rekonstruktion auch eine Gefahr für die Identität darstellen, da sie

• repräsentative Gebäude kommerzialisiert oder zur Kulisse degradiert (vgl. Murrenhoff: 113f; Escher 2011: 122)

• durch Reproduktion Originale entwertet (Hier steht Rekonstruktion im Konflikt mit dem Denkmalschutz) (vgl. Butler 2000)

• oder städtebauliche Notwendigkeiten vernachlässigt werden, so dass eine Nutzung durch die Bürger oder Institutionen schwerer wird (vgl. ebd. 2000)

Erwähnenswert erscheint zudem, dass die Rekonstruktion als Versuch die europäische Stadt durch ihre baulichen Formen zu erhalten zu deuten möglich ist (Fischer 2011: 79). Abschließend bleibt anzumerken, dass Moderne und Tradition sich in der europäischen Stadt nicht ausschließen. Jedoch ist beim Rückgriff auf historisierende Formen der Nut-zen und Kontext zu berücksichtigen, „Kitsch“ und „Kultur“ sind auseinander zu halten (vgl. BMVBS 2010: 277).

2.3 Corporate Identity in der städtischen Identitätspolitik Corporate Identity (CI) oder auf Deutsch „Unternehmensidentität“ ist die „strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unter-nehmens nach innen und außen auf Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie, einer langfristigen Unternehmenszielsetzung und eines definierten (Soll-)Bildes - mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente des Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen zur Darstellung zu bringen.“ (Birkigt et al. 2002: 18). Das „CI-Ziel“ ist eine „ausgeprägte[s], harmonische Identität“ (Wache, Brammer 1993: 10), die durch eine „konsequente Planung, Steuerung und Kontrolle der Interaktionsbezie-hungen“ gewährleistet wird (Kutschinski-Schuster 1993: 12). Früher konnten Corporate Identity und Corporate Image meist nicht klar auseinandergehalten werden, was sich mittlerweile geändert hat (vgl. ebd.: 23). Aktuell wird wie folgt unterschieden: „Corpo-rate Identity [im Original fettgedruckt] bezeichnet das Selbstbild des Unternehmens, Corporate Image [im Original fettgedruckt] dagegen sein Fremdbild. Image ist also die Projektion der Identity im sozialen Feld.“ (ebd.: 23). Entscheidend ist hier der Gesichts-punkt der „Ganzheitlichkeit“. „Ganzheit“ ist das „Zusammentreten von - ggf. ganz ver-schiedenartigen - Teilen, die zu fruchtbarer Verbindung und Organisation gelangen … Es ist eine ‚Gestalt‘, die besonders die fortschreitende Wechselbeziehung zwischen ver-schiedenartigen Funktionen und Teilen ausdrückt“ (o.A. zitiert nach Birkigt et al. 2002: 18). Aufgrund einer bestimmten ‚Wesensgleichheit‘ - beides sind Körperschaften (vgl. Kutschinski-Schuster 1993: 12) - von Unternehmen und staatlichen Institutionen wie Kommunen, ‚erfreut‘ sich die CI-Technik seit längerer Zeit ‚größer Beliebtheit‘ (Kut-

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schinski-Schuster 1993: 12). Dies zeigt sich an der Etablierung von „City- „ oder „Stadt-Marketings“ in unterschiedlichen Städten. Wird CI auf die Stadt übertragen, wird an bestehende Identitätspunkte angeschlossen, die „Ist-Identität“ ermittelt und die Teilbe-reiche (z.B. Eigen- und Fremd-Bild) des Instruments CI darauf aufgebaut und auf eine „Soll-Identität“ ausgerichtet (vgl. Beyrow 1998: 16f). Neben der ‚einfachen CI‘, bieten sich noch andere Projekt-Modelle an: Stadtkonzeption und Stadtmarketing. Die Stadt-konzeption greift auf ein Stadtleitbild zurück, das auf der „Tradition und Kultur“ der Stadt aufbaut und daraus Maßnahmen entwickelt (vgl. Beyrow 1998: 18f). Das Stadt-marketing vergleicht das „Selbstbild mit dem Fremdbild“, um gegenüber konkurrieren-den Städten eine bessere - das bedeutet eine deutlich abgrenzbare - Position bezie-hen zu können (vgl. ebd.: 18f). Zusammenfassend ist die CI als ein primär an ökonomischen Gesichtspunkten orien-tiertes ‚Mehrzweckinstrument“ zu bezeichnen, das auf bestehende kulturelle Identitäten angewiesen ist, um sich zu entwickeln. In dieser Entwicklung ist die Er- und Vermitt-lung eines möglichst authentischen, „ganzheitlichen“ Selbstbildes, das es anschließend mit dem Fremdbild abzugleichen gilt, entscheidend. Bei der Anwendung dieses Inst-ruments können eine ganze Bandbreite weiterer Werkzeuge für verschiedene gesell-schaftliche Bereiche genutzt werden (vgl. Birkigt et al. 2002: 20). Vergessen werden darf nicht, dass sich die Unternehmensidentität von der eigenen Identität der Stadt insofern unterscheidet, als sie (die Unternehmensidentität) ein Bild der Identität der Stadt zeigt, jedoch nicht die Identität ist.

2.4 Identität trotz CI und DekonstruktionEin Ausdruck für die Ablehnung des Selbstverständlichen ist die Aussage aus Alexan-der Mitscherlichs Pamphlet „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“, in der er das Wort „Ge-meinschaftsgeist“ aufgrund ideologischer Vorbehalte, durch das englische Wort „com-munity spirit“ ersetzt (vgl. Mitscherlich 1980: 112). Woher kommt diese „Ablehnung (nach Mitscherlich geschieht dies unter „Zwang“) des Selbstverständlichen“ die sich auf alle Bereiche auswirkt? Wie in Kapitel 2.3 erläutert, ist Corporate Identity ein Instrument, um ‚unternehmeri-sche‘ Identität zu schaffen und zu vermitteln, die jedoch nicht vergleichbar ist mit davor bestehenden traditionellen (im Gegensatz zur unternehmerischen) Kultur. Dekonstruk-tion ist die Auflösung von traditionellen Identitäten in einem Prozess, in dem die Kern-punkte des ‚Selbstvergewisserungsprozesses‘ besetzt oder entwertet werden, so dass die eigene Identität wie von „alleine“ stirbt. CI bietet sich dann als „Klammer“ oder „Lückenfüller“, scheint aber keinen vollwertigen Ersatz zu bieten, da sie auf die tradi-tionelle Identität und funktionierende Strukturen angewiesen ist. Wie sieht es also mit der eigenen Identität in Deutschland aus? Aufgrund der bisher behandelten Thematik und der Ausgangslage wird die nationale Identität betrachtet und von ihr auf die städti-sche Identität geschlossen.Kernelemente der Dekonstruktion sind die Ablehnung oder Minderbewertung des ‚Selbstverständlichen‘ bzw. ‚Eigenen‘, da daraus eigentlich erst Kultur und Integration ermöglicht werden soll. In seinem Buch „Europäische Identitätsstudie. Die Deutschen und ihre Migranten“ zitiert Schmidt-Denter Heitmeyers „Deutsche Zustände“ aus dem Jahr 2003: „Nach unseren Untersuchungen verstärken die ordnungstragenden Werte wie Tradition und Konformität die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ (Heitmeyer 2003: 308 zitiert nach Schmidt-Denter 2011: 348). Diese Aussage ähnelt den Schlussfol-

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gerungen der Autoren in den vorherigen Kapiteln, denen zufolge Traditionelles eher negativ im Integrationsprozess wirkt. Schmidt-Denter antwortet darauf, dass die Ergeb-nisse der europäischen Identitätsstudie der Heitmeyerischen Aussage widersprechen und aus Heitmeyers Konzept eine „paradoxe Folgerung“ resultiere: „dass ... Lebens-zufriedenheit und Leistungsbereitschaft der Individuen, die Wertschätzung von Kin-dern und die sozialen Bindungskräfte der Gesellschaft geopfert werden müssten, um ein Maximum an gruppenbezogener Menschenfreundlichkeit zu erreichen“ (vgl. ebd. 2011: 348f). Schmidt-Denter weist zudem darauf hin, dass nicht nur die „unreflektierten Massen“, sondern auch „Ideologien der Eliten die Grundlage für Fehlentwicklungen bilden können, wenn sie sich nicht an einem realistischen Menschenbild orientieren.“ (ebd. 2011: 349). In der Identitätsstudie wurden auch weitere Punkte kritisiert, die im De-konstruktionsprozess enthalten sind. So wurde bei den Deutschen eine auffällig schwa-che Bindung an das ‚Eigene‘ festgestellt (vgl. ebd. 2011: 355). Bei „Identitätsproblemen“ wird „gehofft“ diese „durch Projektionen auf das ‚Fremde‘“ zu lösen (vgl. ebd. 2011: 355). Grund für die schwache Eigenbindung sind u.a. „Plädoyers [deutscher Autoren] zugunsten des Antinationalismus, die sich von der Vorstellung eines „Krankheitssymp-toms“ (häufig auch ‚Dummheit‘) der nationalen Identität leiten lassen“ (ebd. 2011: 356). Grund für diese Einstellung sind „möglicherweise unbewältigte Affekte in Bezug auf die nationalsozialistischen Verbrechen oder auch die explizite Absicht, destabilisierend und dekonstruktiv zu wirken“ (ebd. 2011: 356). Was die Integration von Fremden an-geht, wird darauf hingewiesen, dass sich die bei Deutschen schwach ausgeprägte Ei-genbindung auch auf Einwanderer auswirkt. Die „Identifikation mit allen Ebenen des Gemeinwesens (Kommune, Land, Bundesstaat) fällt vergleichsweise gering aus“. Mig-rantische Parallelgesellschaften haben sich europaweit zu einem „Problem“ entwickelt, was jedoch nicht den „Blick auf das große Potential an Identifikationsbereitschaft unter den Migranten verstellen“ sollte (vgl. ebd. 2011: 357). Die gegenwärtige deutsche Iden-titätspolitik erzeugt derzeit eine „Distanzierung“: „Es ist kaum zu erwarten, dass sich Zuwanderer mit einer Nation identifizieren, die sich selbst als verunsichert erlebt und als abstoßend inszeniert“ (ebd. 2011: 357). Gebraucht werden „Formen und Rituale“ die Eingeborene (Autochthone) und Auswärtige (Allochthone) zusammenbringen (vgl. ebd. 2011: 357). Als Beispiel wird die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 genannt (ebd. 2011: 357). Ursachen für den problematischen deutschen Sozialisationsansatz sind neben den na-tionalsozialistischen Verbrechen, die Vorgänge in der Nachkriegszeit. Schmidt-Denter setzt sich hier mit der allierten Reeducation, „deutscher Vergangenheitsbewältigung“ (u.a. durch die sog. Frankfurter Schule getragen), „blutleeren“ Verfassungspatriotis-mus und deutscher Teilung auseinander (vgl. Schmidt-Denter. 2011: 51ff und 354; Götz 2010: 211). Eine geforderte Selbstreflexion, verselbständigte sich zur Selbstverachtung mit ihren oben genannten negativen Folgen. Wie sich dieses Verhältnis auf die Stadt-forschung auswirken kann, wird an einem Interview das die Netzseite „Zeit online“ mit Häußermann am 22. August 2007 geführt hat, deutlich. Anlass für das Interview war die Verhaftung des Soziologen Andrej Holm der seine Doktorarbeit bei Häußer-mann verfasst hatte und wegen Verdachts der „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ verhaftet, mittlerweile aber freigesprochen wurde (vgl. Netzseite taz.de). Häußermann bezeichnet in diesem Interview die ganze Stadtforschung als „linkes For-schungsfeld“ und meint das sich die Soziologie für gleiche Lebenschancen und Fairness einsetzen sollte. Diese Punkte wurden von Max Weber bereits 1908 in dem Aufsatz „So-zialdemokraten im akademischen Lehramt“ mit Nachdruck verneint (vgl. Weber 1908:

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45, zitiert nach: Dreijmanis 2012: 81ff; Detallierte Gegenüberstellung siehe Anhang 7.2 „Weber und Häußermann“). Zu diesen Äußerungen ist anzumerken, dass persönliche Interessen und die Gesinnung eines Wissenschaftlers vermutlich nie vollkommen von der Stoßrichtung seiner Arbeit getrennt werden können. Dies muss die Verwertbarkeit der Arbeit vermutlich nicht schmälern, jedoch sollte der Gesinnungshintergrund bei der Verwendung beachtet werden.Wie bei Kapitel 2.3 angemerkt, ist die CI nicht mit der kulturellen Identität gleichzuset-zen. Sie ist vielmehr, als Grundlage, auf eine funktionierende Identität angewiesen, um ein funktionierendes Eigen- und Fremdbild zum Entstehen zu bringen (Kutschinski-Schuster 1993: 132ff). Eine CI bietet sich scheinbar als Ersatz an. Es gibt einen weiteren Unterschied zwischen der „Kultur“ eines Unternehmens und der „nationalen Kultur“ und zwar Praktiken und Werte. Eine Ähnlichkeit von unternehmerischen Praktiken er-zeugt noch keine Übereinstimmung nationaler Werte (vgl. Hofstede, Hofstede 2006: 395ff). Diese Kultur ist die erlernte, „mentale Programmierung“ des „Denkens, Fühlens und potentiellen Handelns“ und bildet ein kollektives Phänomen, das aus den „unge-schriebenen Regeln des sozialen Spiels“ besteht (vgl. ebd.: 2006: 2, 4). Nationale Werte seien „so unverrückbar wie die geographische Lage eines Landes, so vorherbestimmt wie sein Wetter“ (ebd.: 2006: 15). Werden diese Gegensätze beachtet, fällt die Ähnlichkeit des CI-Konzeptes und des „Ver-fassungspatriotismus“ für den „‘Standort Deutschland‘ als modernen, toleranten, welt-offenen und damit für die Welt attraktiven Staat mit Vorbildwirkung“, wie im Kapitel „Erklärung von Dekonstruktion“ behandelt, auf. Auch hier wird sich primär an den Praktiken orientiert und die traditionellen Bezüge werden diesem „praktischen Prinzip“ untergeordnet. Wenn innerhalb einer sich auf Kultur beziehenden Körperschaft, sei es Nationalstaat, Bundesland oder Kommune, kein echter „Identitärer Diskurs“ sondern nur eine CI-Politik - inklusive Kulturrelativismus - stattfindet, ist davon auszugehen, dass sie die eigene Basis, ihre eigene Identität, dem Unternehmen ‚opfert‘. Die kultu-relle Grundlage verschwindet, da die Praktiken des ‚Unternehmens‘ ausschlaggebend werden. Der Soziologe Karl Otto Hondrich meint in seiner Abschiedsvorlesung, dass eine Verfassung nicht über der Kultur schweben, sondern eine „dominante Mehrheits-kultur braucht“, aus der sie weiter wachsen kann (vgl. Netzseite Axel Springer AG). Diese Aussage ist mit Hofstedes Äußerung über nationale Institutionen vergleichbar: „Institutionen, die innerhalb einer Kultur gewachsen sind, sorgen ihrerseits für die Fort-führung der mentalen Programmierung, auf der sie basieren.“ (vgl. Hofstede, Hofstede 2006: 24). Können diese kulturellen Elemente möglicher Weise relativiert werden? Der Kulturrelativismus von Hofsteder bezieht sich mehr auf Unternehmen und meint nicht die Aufgabe aller Werte, so meinte er im Abschnitt „Die moralische Frage“, dass eine ei-gene Wertehaltung auch Sicherheit und Identität gibt (vgl. ebd.: 504). Zu dieser „morali-schen Frage“ äußert sich auch Hondrich: Es gebe eine „elementare Moral ... des Vorrangs des Eigenen gegenüber dem Fremden, der Gemeinschaft gegenüber den Minderheiten, der älteren Bindungen gegenüber den neueren“ (vgl. Netzseite Axel Springer AG). In Deutschland seien diese „soziomoralischen Grundrechte“ gar nicht oder so betrieben worden, als ob es sie „zu Unrecht“ gebe. (vgl. ebd.). Es stellt sich daher die Aufgabe die eigene Identität „selbstkritisch“ und „zugleich selbstbewusst“ zu betrachten, um diese Lücken zu schließen (Weigl 2011: 268). Dieses Hinterfragen der eigenen Identität soll-te unter der Berücksichtigung der „Identitären Fragentrias“ (siehe 2.1.1) erfolgen (ebd.: 268). Die Selbstreflexivität der Stadt wird auch von Heitmeyer und Anhut gefordert

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(Heitmeyer, Anhut 2000: 566), diese Forderung wird in der „Europäischen Identitätsstu-die“ insofern behandelt, als das die Ergebnisse im Ländervergleich bei „Selbstkritik“ bei den Deutschen am ausgeprägtesten sind (Schmidt-Denter 2011: 143ff, 355). Die Identität die zwischen Dekonstruktion und Corporate Identity liegt, ist ein sehr kom-plexes Gebilde, das faktisch von der Arbeit von Generationen abhängig ist. Sie lässt sich relativ leicht dekonstruieren und ist oberflächlich einfach durch eine Corporate Identity zu ersetzen, wobei der Nutzen der Identität, z.B. die Zufriedenheit und das Hervorragen im Konkurrenzkampf zwischen den Städten, durch deren Verlust unwiederbringlich verlorengeht. Vermutlich wird es wieder Generationen „identitären Diskurses“ benö-tigen, um eine vergleichbare Identität zu begründen. Es stellt sich daher die Frage wie eine identitäre Stadtplanung aussehen kann, um die Identität lebendig in der Stadt zu verkörpern.

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3 Identitäre Stadtplanung

3.1 Bestimmung der Identitätsfaktoren3.1.1 Identitäres Wissen„Identitäres Wissen“ ist der Sammelbegriff für die Elemente der „tiefen, wesenhaften Kultur“, die benötigt wird, um diese Kultur zu leben, zu erleben und zu verstehen. „Tief“ ist im Sinne von „verwurzelt“ zu begreifen, also in einer Kontinuität stehend, die einen Ursprungspunkt hat und damit auch klar verortet werden kann. „Wesenhaft“ meint hier „vertraut“, dieses meint das „Wesen ausmachend“ und „in sich begründet“ (Netzseite Bibliographisches Institut GmbH c). Der Begriff „Kultur“ steht hier für Tradi-tionen, Lebensarten, Bräuche, Sprachen und ihre Dialekte, sowie Wirtschaftstechniken. Sie stellen zudem eine „mentale Programmierung“ dar, die das „Muster des Denkens, Fühlens und potentiellen Handelns“ des Einzelnen beeinflussen (vgl. Hofstede, Hofste-de 2006: 2). Die Elemente bzw. Werte dieser „tiefen, wesenhaften Kultur“ sind die zu den im vorletzten Satz genannten dazugehörigen Erzählungen, Helden, Sitten, Riten, Informationen und geschichtliche Daten (vgl. ebd.: 7ff). Zu beachten ist dabei das die „Beeinflussung der Identität“ wie auch der Kultur, „nur bedingt möglich ist“, da sie von lokalen Einflüssen wie „der geographischen Lage, dem Klima und dem Naturraum“ ab-hängig ist“, aus denen sich die „nationalen [bzw. eben die lokalen. Anm. Autor] Werte“ formen (vgl. Reicher 2011: 12; vgl. Hofstede, Hofstede 2006: 15).

3.1.2 IdentitätsträgerIdentitätsträger sind „gebaute Zeichen“, eine „markante oder einzigartige Landschaft“ oder das Quartier als „räumliche Einheit mit besonderen Bezugspunkten wie Kirche, Versorgungszentrum“ (Reicher 2011: 12). Als Identitätsträger können auch die „Dis-kursträger“ benannt werden, die im „identitären Diskurs“ die „Identitätsangebote“ un-terbreiten (vgl. Weigl 2011: 266). Es handelt sich dabei um verschiedene Personen (z.B. „Politiker, Journalisten, Honoratioren, aber z.B. auch Heimatforscher“) mit einem unter-schiedlichen Zugang zur medialen Öffentlichkeit, die dadurch ihre Identitätsangebote, „d.h. Interpretationen der Region“, durch „Errichtung von Denkmälern, die Ausrich-tung spezifischer Festivitäten, ... der Pflege von Brauchtum oder einfach nur über Reden bzw. im gemeinsamen Gespräch“ unterbreiten (vgl. Weigl 2011: 266). Als „Identitäts-träger“ fungieren auch „Institutionen“, wenn diese aus der lokalen, verorteten Kultur

Zusammenfassung„Identitäres Wissen“ sind die Elemente der Kultur, die in dem Ort verwurzelt sind. Es handelt sich dabei um Sitten, Gebräu-che, Sprache, Mundarten, geschichtliche Daten und Erzählun-gen.

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gewachsen sind, da sie für „die Fortführung der mentalen Programmierung, auf der sie basieren, sorgen (vgl. Hofstede, Hofstede 2006: 24). Identitätsträger werden deswegen auch zu „Identitätsstiftern“ (Reicher 2011: 13).

3.1.3 IdentitätsempfängerIdentitätsempfänger ist die Bevölkerung des Ortes, die sich im Laufe des „identitären Diskurses“ zu einer „kollektiven Identität“ zusammenfindet. Dabei bauen die in der Bevölkerung vorhandenen Individuen „Identitätssätze und Identitätsnarrative“ in ihre persönliche Identität ein, es erfolgt die „mentale Programmierung“ (Weigl 2011: 264; Hofstede, Hofstede 2006: 2). Diese „Programmierung“ ist nicht unveränderbar und „sta-tisch“, Änderungen sind möglich, allerdings kann die Durchführung von Änderungen schwer verlaufen (vgl. ebd.). Identitätsempfänger können zu Identitätsträgern werden.

3.1.4 IdentitätstriasAls „Identitätstrias“ ist der „Brückenschlag“ zwischen „Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft“ zu verstehen (vgl. Weigl 2011: 265). Es gilt der „Dreisatz: Wir sind (Gegen-wart) - Wir sind, weil (Vergangenheit) - Weil wir sind (Zukunft)“ (ebd.). Der Gegenstand der identitären Diskussion wird dadurch auf Kontinuität in der kollektiven Identität ge-prüft oder eingepasst. Er stellt dadurch die Basis dar, die in jedem Vorgang notwendig ist, um zu prüfen, wie etwas zur Identität steht. Dabei ist darauf zu achten das keiner dieser Punkte die anderen ausgrenzt. Denn so könnte in diesem Prozess der „Brücken-schlag“ zunichte gemacht werden. Dann ist es kein identitäres Projekt mehr, sondern ein Projekt, das nur die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft im Blick hat.

Zusammenfassung„Identitätsträger“ sind Personen, Institutionen, Gebäude, Gruppen oder auch Landschaften, die für den Ort charakteris-tisch und eigen sind. Sie werden zu „Identitätsstiftern“, wenn sie Identitäres Wissen weitergeben.

ZusammenfassungBei den „Identitätsempfängern“ handelt es um die Bevölkerung des Ortes, die im Laufe des „Identitären Diskurses“ zu ihrer kollektiven Identität findet oder diese weiter formt. Identitäts-empfänger können zu Identitätsträgern werden.

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3.1.5 Identitärer DiskursDer identitäre Diskurs ist ein „gesellschaftlicher Verständigungsprozess über identitäts-relevantes Wissen mit dem Ziel der Schärfung dieses Wissens und seiner Tradierung“ (Weigl 2011: 265). Dieser Diskurs ist nicht mit einer geregelten ‚Diskussion‘ zu verwech-seln, zu dem existiert er nicht von „Natur aus“, sondern bedarf einer Benennung eines Kollektivs, z.B. einer Stadt (vgl. ebd.). Der identitäre Diskurs kann „harmonisch oder konfrontativ“ angelegt sein. Er kann darauf abzielen, sich periodisch eines Konsenses zu einem identitären Wissensbestand zu vergewissern oder aber diesen Konsens in Frage stellen (vgl. ebd.). Er kann in einzelnen, scheinbar nebeneinander existierenden Aussa-gen bestehen, oder aber unmittelbar in Rede und Gegenrede geführt werden.“ (ebd.). „Schärfung“ und „Tradierung“ des Wissens führen damit zu einer kollektiven Identität, die von „Identitätsträgern“ und „Identitätsempfängern“ gelebt werden kann.

3.1.6 AneignenFremdes wird von einer Kultur zu eigen gemacht und Teil der eigenen Identität, wenn es vor allem für das Kollektiv nutzbar ist. (vgl. Reicher 2011: 13; Weigl 2010: 271) Die Zugänglichkeit zur Nutzbarkeit stellt dabei einen ausschlaggebenden Effekt bei der An-eignung dar (vgl. ebd.). Indem es sein Wesen an die lokal gegebene Kultur angleicht oder angeglichen wird, ist es „wesensgleich“ und wird dadurch verwurzelt, da es ja das „Wesen“ der verwurzelten Kultur annimmt. Als Beispiel sei hier Goethes „Von deut-scher Baukunst“ erwähnt, in dem er die aus Frankreich stammende Gotik als „deutsche Baukunst, unsere Baukunst“ verherrlicht (Netzseite Contumax GmbH & Co. KG 2012a). Diese Meinung wird sich über die Romantik halten und sich in der im 19. Jahrhun-dert populären Neugotik vollenden. Identität ist also durchaus „offen für Neues“, wenn

ZusammenfassungDie „Identitätstrias“ schafft einen Brückschlag durch den iden-titären Dreisatz „Vergangenheit - Gegenwart - Zukunft“.Die Nachvollziehbarkeit und Kontinuität einer im identitären Diskurs behandelten Sache wird dadurch geprüft oder die Diskussion überhaupt ermöglicht.

ZusammenfassungDer „Identitäre Diskurs“ findet innerhalb eines verortbaren Kollektivs statt. Er konkretisiert Wissenbestände, die von „Identitätsträgern“ und „Identitätsempfängern“ gelebt wer-den können. Der Diskurs kann viele Stufen und Diskursarten annehmen und mehrere Aussagen können nebeneinander existieren.

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es vom Wesen her angeglichen wird und die „Ambivalenzen“ den identitären Diskurs nicht blockieren, sondern gelöst werden. Neue Werte werden unvermeidlicher Weise entstehen. Innerhalb des identitären Diskurses ist es daher wichtig die „Relevanz“ eines Identi-tätsangebotes klar herauszustellen, damit es „in die Logik unterschiedlichster persona-ler Identitätsnarrative eingepasst werden“ und damit von jedem Einzelnen angeeignet werden kann. (Weigl 2010: 271)

ZusammenfassungDas Eigene kann vom Fremden und das Fremde kann vom Ei-genen „angeeignet“ werden. D.h. die Nutzbarkeit wird sichtbar (und die Sache praktisch für einen Menschen nutzbar). Weiter gleicht sich das Wesen des Angeigneten an das eigene Wesen an.

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Verfügen über und geben als Identitätstifter weiter:

beruhen auf

Gegenstand von:

Bezieht ein, richtet sich an

werden zu:

Aneignen:Fremdes kommt dazu

„Identitäts-Baum“Wie die städtische Identität entsteht.

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Identitätsträger

Identitätsempfänger

Identitäres Wissen

Identitärer Diskurs

Identitätstrias

Abb. 1: „Identitäts-Baum“, grafische Darstellung des identitären Prozesses

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beruhen auf

„Dekonstruktion“Wie Dekonstruktion wirkt.

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Identitätsträger

Identitätsempfänger

Identitäres Wissen

Identitärer Diskurs

Identitätstrias

Identitätsträger können nur begrenzt oder nicht ausreichend als Identitätsstifter tätig werden.

Das „Eigene“ wird minderbewertet und verliert an

Bedeutung im Alltag.

Selbstverständliches muss ver-meintlich „aufgebrochen“ werden um Konflikte klarer analysieren und klären zu können.

Durch das Wegfallen der anderen Elemente, wird der

Identitäre Diskurs erschwert oder unmöglich gemacht.

Bestehende Ambivalenzen wer-den verstärkt. Aneignung

wird schwierig.

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Abb. 2: „Dekonstruktion“, grafische Darstellung des Dekonstruktionsprozesses

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beruhen auf

„Corporate Identity“CI und Identität.

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Identitätsträger

Identitätsempfänger

Identitäres Wissen

Identitärer Diskurs

Identitätstrias

Mehrzweckinstrument zur Errei-chung eines authentischen

„Images“ nach Innen und Außen, anstatt Feststelltung

von Nachvollziehbarkeit.

Praktiken, nicht die Werte sind entscheidend

An ökonomischen Gesichtspunk-ten orientiert. CI heißt übersetzt

„Unternehmensidentität“. „Werbe-“ statt „Identitätsträger“.

KUNDEN,

VERBRAUCHER

Abb. 3: „Corporate Identity und Identität“, grafische Darstellung des Einflusses von CI auf Identität

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3.2 Identitätsfaktoren und Stadtplanung3.2.1 Gründe für die identitäre StadtplanungInwieweit die Identitätsfaktoren von der Stadtplanung aufgegriffen werden können, wird im folgenden Kapitel betrachtet. Zunächst ist es notwendig zu ermitteln, welcher Nutzen aus einer identitären Stadtplanung gewonnen werden kann. Dies soll anhand ei-ner Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse (SSCR) erfolgen, die ihre Ergebnisse aus dem Grundlagenteil ableitet.

Stärken, die Chancen darstellenDurch eine identitäre Stadtplanung wird die Identität der Stadt gestärkt. Die Einzigar-tigkeit der Stadt wird für die Gegenwart und die nahe Zukunft heraus-gearbeitet und gewährleistet. Dadurch ist die Stadt im Wettbewerb zu anderen Städten deutlich unterscheidbarer. Dies ermöglicht eine klarere Positionierung. Die dargestellte Wirkung nach außen wird durch die Wirkung nach innen er-gänzt, so dass die Identität der Stadt durch ein allgemeines Stadtbewusstsein ebenso gestärkt wird. Dies stützt sich auf das durch die kollektive Rahmen-setzung ausgeprägte Solidaritätsbewusstsein in der Bür-gergemeinschaft. Ein mögliches Ergebnis ist das stärkere bürgerschaftliche Engagement in Vereini-gungen, Bündnissen oder auf persönlicher Ebene. Zum einen Teil beruht das Engagement darauf, zum anderen Teil ist es für die Erzeugung verantwortlich: die Zufriedenheit in der Stadt. Ein weiterer Grund für das erfahrbare bürger-liche Engagement in einer Stadt ist die Zufriedenheit. Diese Zufriedenheit kann ein Ergebnis innerhalb der Bürgerschaft sein, die Druck vom „normalen“ Standortmanagement nimmt und das Potential steigert, das Einwohner etwas ‚für die Stadt‘ schaffen wollen. Dieses Potential zahlt sich auch in Form einer „Botschafterfunktion“ der Einwohner aus. Bürgerinnen und Bürger, die mit ih-rer Stadt zufrieden sind und sich mit ihr verbunden fühlen, werden vermutlich auch außerhalb der Stadt entsprechend positiv über ihre „Heimat“ sprechen. Dies könnte dann einen besonders authentischen Beweis für die Vorzüglichkeit der Heimatstadt der Erzählenden für Auswärtige darstellen. Der nächste Punkt ist, dass Personen, die die Stadt, z.B. wegen der Arbeit oder einer Ausbildung verlassen mussten, aufgrund ihrer Verbundenheit und Sehnsucht nach Zuhause wieder zurückkehren („…weil uns erst die Fremde zeigt, was wir in der Heimat besitzen“. Theodor Fontane). Dies bedeutet für das globale Ringen einer Stadt um Fachkräfte einen Standortvorteil. Durch eine identitäre Stadtplanung kann das kreative Potential der Bürgerinnen und Bürger gebündelt werden, da das „Eigene“ bewusst wird. Die gewonnenen und gebundenen Fachkräfte bringen ihre Fähigkeiten im Bereich des Ortes ein, dem sie sich zugehörig fühlen. Iden-titäre Stadtplanung erhöht durch die Einbettung stadtplanerischer Projekte in den identitären Diskurs die Identifikation der Bürger mit historischen Bauten und lokalen Geschichten und vertieft dadurch eventuell das Verständnis bei den Bürgern für Vergangenes, wie für das Neue. Das „Erbe“ ist ein Begriff, der des-wegen in der identitäteren Stadtplanung eine wichtige Rolle spielt und durch seine Bedeutung über Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft hinweg, mit der Be-deutung des Begriffs der Nachhaltigkeit nahezu kongruent geht. ‚Nachhaltig-keit‘ bedeutet die Ausgeglichenheit zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkten. Diese sind auch für den Erhalt und die Weitergabe

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des Erbes unerlässlich.

Schwächen, die Chancen darstellenEine deutliche Schwäche der identitären Stadtplanung ist der hohe Aufwand, der betrieben werden muss, um den identitären Diskurs aufzugreifen oder am Laufen zu halten. Es handelt sich dabei um einen stetigen Prozess der Evaluati-onen und des Hinterfragens, der Kommunikation erfordert. Dadurch, dass der Prozess stetig ist, entstehen jedoch Strukturen, die für andere Projekte ebenso ge-nutzt werden können. Netzwerke, eine klare Benennung von Identitätsträgern und die Erfassung von wichtigem identitä-ren Wissen bilden den Grundstock, auf den in neuen Projekten zurückgriffen werden kann. Hierfür ist es entschei-dend, wichtige Gebäude und engagierte Menschen zu er-halten bzw. zu halten. Dies stellt in einem laufenden Projekt eine Herausforderung dar, da sich Rah-menbedingungen ändern können, die das Gebäude oder die Person bisher er-/gehalten haben. Werden diese Gebäude bzw. Personen gehalten, kann dies län-gerfristig mögliche Synergieeffekte zur Folge haben. Ein weiterer Punkt ist oft das irrationale Handeln, das notwendig erscheint. So sind traditionelle Lager-feuer schlecht für die Umwelt, Vollsperrung wegen Prozessionen oder Umzü-gen legen den städtischen Verkehr lahm und erhöhter kollektiver Alkoholkon-sum auf Volksfesten stellt ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für die Öffentlichkeit bzw. Gesundheitsrisiko der Konsumenten dar. Jedoch können diese Punkte einen wichtigen Beitrag zur kollektiven Identität leisten und die Einzigartig-keit der Stadt erhöhen. Innerhalb der Stadt können auch Quartiere eine starke Eigenbindung entwickeln. Diese kann soweit gehen, dass es zu Entfremdungen zwischen dem Quartier und der Gesamtstadt kommen kann. Jedoch sind Quar-tiere mit starker Eigenbindung auch fähig, wichtige Impulsgeber für die Stadt zu sein, so dass an einer Stadtteil-/Quartiersbindung zunächst nichts Schlechtes sein muss. Identitäre Stadtplanung setzt daran an, Fremdes anzueignen oder im Wesen anzugleichen. Dieser Prozess kann lange dauern, bis das Projekt im identitären Diskurs vollkommen akzeptiert wurde. Es ist jedoch davon auszu-gehen, dass diese Akzeptanz dann tiefgehender und stabiler ist, als ein schnell genutztes aber langfristig wieder abgestoßenes Projekt. Marketingmaßnahmen sind notwendig, auch wenn sie der Identität widersprechen können. Als Inst-rument können sie jedoch auf die bestehenden Strukturen zurückgreifen und dadurch einfacher wirken.

Stärken, die Risiken darstellenDie identitäre Stadtplanung versetzt die Städte in die Lage, Bewohner im Ort halten zu können. Das kann aber eine „Verkrustung der Strukturen“, also z.B. verschlossene oder unbewegliche Netzwerke, zur Folge haben. Eine Eigenbin-dung, die zu stark ist, kann die Etablierung von notwendigem Neuen behin-dern. So kann z.B. das Festhalten am Verkehrspolizisten, der den Verkehr regelt enorme verkehrliche Probleme zur Folge haben, da der Verkehr an dieser Stelle schneller gewachsen ist, als der identitäre Diskurs hinterherkommen konnte. Das mit einer zu starken Eigenbindung verbundene Eigenbild ist evtl. nicht mit dem Fremdbild deckungsgleich. So kann eine Stadt davon überzeugt sein, dass ihr ein Betonblumenkübel den Status einer Blumenstadt verleiht, wogegen Zu-

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gereiste aber widersprechen würden.

Schwächen, die ein Risiko darstellenDer Aufwand, der betrieben werden muss, um den identitären Diskurs am Lau-fen zu halten, ist notwendigerweise sehr kostspielig und zeitaufwändig. Zudem ist der Gewinn meist nicht in direkten Geldbeträgen zu ermitteln, sondern nur in indirekten Werten, wie einer höheren Zufriedenheit oder einem steigenden Engagement erfahrbar. Eine zu starke Eigenbindung kann den Blick auf struk-turelle Probleme schwächen, da der iden-titäre Diskurs zu viel Raum einnimmt und das „normale“ Standortmanagement ver-drängt. Da bei der Entstehung eines Selbstbewusstseins auch eine Minderbewertung des Fremden entstehen kann, muss berücksichtigt werden, dass diese Minderbewertung zur Abwer-tung entarten kann und damit übertrieben wird. Dies schädigt den identitären Diskurs tiefgehend, da er sich zunehmend auf sich bezieht und eine Abwertung traditionalisiert. Dies hätte vermutlich reduzierende Auswirkungen auf die Zu-friedenheit innerhalb der städtischen Identität.

3.2.2 Umgang der Stadtplanung mit den IdentitätsfaktorenIm Bereich der Anwendung der Identitätsfaktoren stellt sich die Frage, wie die Faktoren angewandt werden und welche Methoden davon betroffen sein können. Die identitäre Stadtplanung greift die Identitätsfaktoren auf und baut sie in den üblichen Planungs-ablauf an passender Stelle (z.B. Erbe und Nachhaltigkeit) mit ein bzw. nimmt in den einzelnen Planungsschritten Rücksicht auf die Faktoren. Die folgende Darstellung zeigt den idealtypischen identitären Anteil eines Planungsablaufes. Dabei muss unterschie-den werden, dass für unterschiedliche Projekte verschiedene Rahmen gelten. So liegt bei einem kleinen Projekt bei dem z.B. nur ein Einzelobjekt oder ein Quartier geplant wer-den müssen, der Fokus der Untersuchungen zunächst auf der unmittelbaren Umgebung und anschließend auf deren Bedeutung zur Gesamtstadt. Bei einem größeren Konzept wie z.B. einem städtebaulichen Entwicklungskonzept oder gesamtstädtischen Leitbild ist dem entsprechend die ganze Stadt zu beachten und anschließend die Umgebung der Stadt hinzuzuziehen. Dies soll eine isolierte Sicht auf das Projekt verhindern und trotz-dem eine hohe Detaillierung ermöglichen.

BestandsaufnahmeBei der Bestandsaufnahme ist die Identitätstrias der entscheidende Richtfaden, der berücksichtigt werden muss. Bei der Aufnahme der zu untersuchenden Ob-jekte und Bedingungen ist die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit zu betrachten. „Was war hier einmal? Was könnte davon noch da oder wenn nicht sichtbar von Bedeutung sein? Wie steht der gegenwärtige Zustand zur Identi-tätstrias? Welche Möglichkeit leitet sich davon ab oder ist möglich?“ könnten mögliche Fragen sein. Zur Bestandsaufnahme gehört auch, dass das Eigenbild von den betroffenen Bürgern und/oder Institutionen ermittelt wird. Dies gibt Hinweise auf identitäre Schwerpunkte. Dazu gehört auch, dass das Fremdbild aufgezeigt wird. Dieses kann auch von den Betroffenen erfragt werden, um so zur Reflexion anzuregen. Beide Aspekte sind entscheidend um ein objektiveres, klareres Bild der Identität darstellen zu können.

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Evaluation und HinterfragungIst die Bestandsaufnahme abgeschlossen, werden die erhobenen Daten evalu-iert und bewertet. Dieser Teil des Vorgangs ist mehrgliedrig. So sollte zum ei-nen eine SSCR-Analyse durchgeführt werden, um ein differenziertes Bild zu erhalten, das entsprechend bewertet werden kann. Im Folgenden werden die „Grundsätze für eine erfolgreiche Identitätspolitik“ von Weigl beachtet (vgl. Weigl 2010: 268ff). So ist es notwendig die vom Projekt betroffenen Identitäts-träger festzustellen. Die Vereine, Fachpersonen oder Institutionen, die mit dem Prozess zu tun haben, müssen erfragt und gefunden werden. Außerdem ist zu ermitteln welche Identitätsempfänger von dem Projekt besonders angesprochen werden. Aus dieser Ermittlung kann abgleitet werden, ob ein Identitärer Dis-kurs stattfindet, wenn die Identitätsträger aktiv Kontakt miteinander pflegen und Identitäres Wissen unter dem Rahmen der Identitätstrias austauschen. An dieser Stelle ist entscheidend, ob sich die Identitätsträger ihrer Rolle bewusst sind und der identitäre Diskurs stattfindet - letztlich ob die Identitätsfaktoren erfüllt werden. Dadurch werden die Öffentlichkeit und die Betroffenen sensi-bilisiert, sowie die „Akteursvielfalt“ und „Arbeitsteilung“ in diesem Prozess verdeutlicht (vgl. ebd.: 268f). Im nächsten Schritt wird die „Relevanz“ und der „Nutzen“ des Projekts ermittelt (vgl. ebd.: 268f). So kann aus den vorangegan-genen Analysen der Bedarf an Identitärem (z.B. „Um die kollektive Identität zu stärken bräuchte es hier das…“) oder Nutzungen (z.B. „Was wird könnte hier passen? Kaufhaus? Museum? Dienstleistungszentrum?) festgestellt wer-den. Dieser sollte deutlich zur anschließenden Kommunikation aufbereitet wer-den. Ab diesem Arbeitsschritt sollte auch klar sein, welches identitäre Wissen durch das Projekt weitergegeben werden kann (vgl. ebd.: 271). Dieses Element sorgt für eine sachliche Eingabe in den identitären Diskurs und stellt klar ‚was bei diesem Projekt auf dem Spiel steht‘. Als letzter Punkt wird geklärt, welche Emotionen mit dem Projekt und mit dem identitären Wissen zusammenhängen oder geweckt werden können. Dieser Kenntnisstand kann ‚emotionale Rück-kopplungen‘ in möglichen, anstehenden Diskussionen von Anfang an vermei-den oder positive Reaktionen in der Bevölkerung auslösen. Um die Identität zu stärken muss „Das Kollektiv mit allen Sinnen...“ erlebbar sein (vgl. ebd.: 272).

Einbinden des Projekts in den identitären DiskursIst die Evaluation abgeschlossen, müssen die erhobenen Daten und Ergebnisse verwendet und bereits aufgebaute Netzwerke verstärkt werden. Das heißt, dass der identitäre Diskurs aufgegriffen oder vorangetrieben werden muss. Hier bedarf es vor allem organisatorischer (Bildung von Netzwerken, Vermittlung von Kontakten, Weitergabe von Ergebnissen,…) und moderierender Methoden (Untersuchungsergebnisse in den Diskurs einfließen lassen, Treffen von Identi-tätsträgern moderieren, Öffentlichkeitsarbeit für Identitätsempfänger ausarbei-ten,…). Wird der Diskurs durchgeführt, geht der Prozess in die nächste Stufe über.

Nutzen und Bedeutung Diese Stufe konkretisiert den identitären Diskurs auf den Prozess hin. Der ei-gentliche Akt der Aushandlung und Ermittlung von einer endgültigen Nutzung

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und Bewertung des Projekts kann festgestellt werden. Am Ende dieses Prozes-ses sollte für jeden Teil-nehmer klar sein, welche Rolle das Projekt im identitären Diskurs spielt und „Anerken-nung“ sowie „Notwendigkeit“ klar vermittelbar sein (vgl. ebd.: 272). Hier muss auch auf die „Aneignung“ des Projekts geachtet werden. Kann der Planungsgegenstand vom Wesen her angeglichen werden? Hier ist eventuell Überwachung notwendig. Das wird im nächsten Schritt aus-führlicher behandelt.

NachbereitungIm letzten Schritt wird der vergangene Prozess rekapituliert und nachbereitet. Je nach Auftrag, kann das Projekt weiter überwacht werden und der identitäre Dis-kurs damit „am Leben gehalten“ werden. Insbesondere bei „fremden Elemen-ten“, in denen eine Aneignung erfolgen soll, ist eine evtl. ausführlichere Über-wachung notwendig. Es ist zu überwachen, ob es aus dem identitären Diskurs hinausgedrängt wird, wie es genutzt wird und ob mit dem Objekt Emotionen verbunden sind. Dadurch soll der vermutlich längere Prozess der Aneignung sichergestellt werden. Jedes neue Projekt muss sich in der Identität verwurzeln und hineinwachsen, so dass eine Überwachung „wie bei einer Pflanze“ notwen-dig erscheint.

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4 Fallbeispiel „Quartier an der Stadtmauer“ zu Bamberg

4.1 ProjektbeschreibungVerantwortliche, Lage und Oberziel Das „Quartier an der Stadtmauer“ ist ein Projekt in der Planungsphase, das in der Ko-operation der Bamberger Sparkasse (als Eigentümer) und dem niederländischen Inves-tor Multidevelopment (MD) in Bamberg durchgeführt wird. Das Planungsgebiet liegt in einem Block, der im Norden von der Franz-Ludwig-Straße mit dem Zentralen Omnibus-bahnhof (ZOB), im Osten von der Straße „Promenade“, im Süden durch die Einkaufs- und Verkehrsstraße „Lange Straße“ und im Westen von der Keßlerstraße begrenzt wird. Das Gebiet ist durch die Lange Straße, Promenade, Franz-Ludwig-Straße und die im Block befindliche Hellerstraße erschlossen. Gegenstand des Projektes ist die Errichtung eines „Shopping Malls“ mit insgesamt „9.500 qm“ Einzelhandelsfläche und „2.300 qm für Büro- und Wohnnutzungen“ (Netzseite Multidevelopment), somit bedeutet dieses Projekt die Umgestaltung von insgesamt „ca. 12.000 qm“ (Stieringer 2011: 12). Das Ob-jekt wurde vom Investor MB bereits im Jahre 2010 an die ebenfalls niederländische Im-mobilien AG Cório verkauft (Netzseite Erich Weiß Verlag 2012c) Das Projekt hat ein Investitionsvolumen von „ca. 45 Milllionen Euro“ (Netzseite InFranken – Elektronische Medien GmbH & Co. KG 2012c).

Abb. 4: Planungsbereich für das „Quartier an der Stadtmauer“ (Rosa Rahmen); Quelle der Kartengrundlage: © OpenStreetMap und Mitwirkende - www.openstreetmap.org, Linzenz: CC BY-SA - www.creativecommons.org

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Geplantes Aussehen und geplante Nutzung Das geplante „Quartier“ soll die in der Bamberger Innenstadt schon vorhandene, „hohe Einkaufs- und Aufenthaltsqualität verbessern“ und eine neue Wegebeziehung erzeugen (Netzseite Multidevelopment). Als Nutzungsmöglichkeiten sind Handel, Wohnen, Büro und Gastronomie vorgesehen (Multidevelopment 2011: 18). Im Nutzungsbereich „Han-del“ sollen drei großflächige (bis 2.000 qm) „Ankermieter“ die notwendige ‚Anziehungs-kraft‘ auf Kunden ausüben um das „Quartier“ mit der nötigen Frequenz an Besuchern auszustatten (vgl. ICOMOS 2011: 4; Netzseite Erich Weiß Verlag 2012c). Die gebrauchte Frequenz soll auch durch eine entsprechende Durchwegung ermöglicht werden, die sich

Abb. 5: Bamberg mit wichtigen, das Projekt betreffenden, StandortenQuelle der Kartengrundlage: © OpenStreetMap und Mitwirkende - www.openstreetmap.org, Linzenz: CC BY-SA - www.creativecommons.org

Einkaufszonen, besondere BereicheI: Fußgängerzone und inner-städtische Einkaufszentren

II: Gewerbegebiet

Einkaufszentren

A: Quartier an der Stadtmauer (geplant)B: Atrium C: market BambergD: Ertl-Zentrum

Legende

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im alten Projektnamen „Citypassage“ (Gottschall 2011: 6) verdeutlicht. Die Verbindung von der Franz-Ludwig-Straße, Lange Straße und Hellerstraße soll gewährleistet und neu entstandene Freiflächen in das Konzept mit einbezogen werden. In einem bis Ok-tober 2011 von MD ausgerufenen Wettbewerb wurde an die Teilnehmer der Anspruch gestellt, dass „die geplanten Neubauten hinsichtlich Kubatur (Form) und Fassadenbild, einschließlich der Dachlandschaft, optimal in die Baustrukturen der umgebenden Bam-berger Altstadt einzupassen...“ sind (Stadtplanungsamt Bamberg 2011: 8).

Projektverlauf und Kritik Bereits Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts gab es für den Bereich erste Überle-gungen, nachdem die Sparkasse 1970 die Lange Straße 27 und 29 für einen Neubau ab-gerissen hatten. Die damalige Kreissparkasse Bamberg hatte die im Gebiet befindlichen Objekte erworben und den damaligen Überlegungen entsprechend einen neuen „Ver-kehrszugang“ umgesetzt und nötige „Raumreserven“ gesichert (vgl. Gottschall 2011: 6). Im Jahr 1997 wurde ein erstes „bauliche[s] Planungskonzept“ erstellt, das eine ähnliche Nutzung wie heute vorsah (ebd.). Im Jahr 2002 nahm sich eine Monitoringgruppe des Nationalkomitees des Internationalen Rats für Denkmalpflege (ICOMOS) des Projektes an und fertigte eine Stellungnahme an, die das Bauvorhaben u.a. aufgrund des Abrisses von Baudenkmälern kritisierte (vgl. ICOMOS 2011: 3). Im Jahr 2003 wurde während einer Sondage die Zugangstreppe zu einer Mikwe, einem jüdisch-rituellen Taufbad, ent-deckt, woraufhin in diesem Gebiet weitere Reste jüdischer Gebäude nach 1422 n. Chr. vermutet wurden (ebd.). Im Februar 2005 reiste der Präsident von ICOMOS nach Bam-berg und wies auf dieses Potential hin, worauf der damalige Oberbürgermeister Herbert Lauer das Projekt beendete (vgl. ebd.). Mit dem neuen Investor MD wurde eine erneu-ter ‚Anlauf“ unternommen. Mit diesem neuen Investor kam der neue Name „Quartier an der Stadtmauer“, neue Rahmenbedingungen für die Nutzung und – zunächst – die Rücksichtnahme auf die Kritik an vorangegangenen Projekten (vgl. Stadtplanungsamt Bamberg 2011: 8; Gottschall 2011: 7). Der Ende 2011 stattgefundene Gestaltungswett-bewerb wurde von dem Stuttgarter Architekturbüro MGF gewonnen, jedoch muss der Plan überarbeitet werden (Netzseite InFranken – Elektronische Medien GmbH & Co. KG 2012a, b; Netzseite Erich Weiß 2012b) Es besteht weiter Kritik zu dem Projekt die im Folgenden aufgezählt wird:

1. Die Gestaltung des aktuellen Entwurfs wird kritisiert. Die bisherige Form passe nicht zum Gebiet und bricht insbesondere in der Langen Straße mit der umgebenden Bebauung (Netzseite Erich Weiß Verlag 2012b)

2. Es bestehen Zweifel, dass das geplante Angebot an Einzelhandel die Er-wartungen erfüllt und die Bamberger Innenstadt im Angebot bereichert, sondern sogar schadet (Netzseite InFranken – Elektronische Medien GmbH & Co. KG 2012c).

3. Vorangegangene „Bausünden“ wirken nach. So hat die Sparkasse durch den Abriss des Schützenhauses am Schönleinsplatz ca. 1950 und den Abriss des Palais von Karg von Bebenburg schon bei vielen Bürgern für negative Erinnerungen gesorgt (vgl. Dengler-Schreiber 2011: 16; Gott-schall 2011: 6). Weiterhin findet sich am Rand der Innenstadt das „At-rium“ das ebenfalls ein Negativ-Beispiel - aufgrund hohen Leerstandes

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- für Einkaufszentren in Bamberg darstellt und die „Theatergassen“, deren Zugang ebenfalls in der Langen Straße liegt und für dessen Bau auch eine alte Synagoge sowie historische Gebäude abgerissen wurden (vgl. Netzseite InFranken – Elektronische Medien GmbH & Co. KG d, c; Fachgespräch Gesprächspartner C). Der wirtschaftliche Erfolg der The-atergassen blieb zudem auch aus, so dass es eine „zweite ‚Theatergasse‘ zu vermeiden gilt (vgl. Stieringer 2011: 12)

4. Das Abreißen von historisch bedeutsamer Bausubstanz ist nach den vor-angegangen ‚Bausünden‘ im Fokus der Kritik. Zuviel denkmalgeschütz-te oder zumindest denkmalwürdige Gebäude werden bei den aktuellen Planungen abgerissen, der Umgang mit den Resten der Mikwe wird für unzureichend befunden und die namensgebenden Überreste der Stadt-mauer aus dem 13. und 15. Jahrhundert werden in den bisherigen Pla-nungen - den Befürchtungen nach - abgetragen (Schutzgemeinschaft Alt Bamberg e.V. et al 2011).

5. Die Kritiker fordern daher eine „Bamberger Lösung“, die von massiven Eingriffen absieht (ebd.).

4.2 Abgleich des Projektes mit Identitätsfaktoren4.2.1 Ablauf des AbgleichesDer Abgleich wurde anhand einer Literaturrecherche und Interviews durchgeführt. Die Interviews wurden mit drei bürgerschaftlichen Vereinen geführt, die sich in der bisheri-gen medialen Diskussion bereits geäußert hatten. Auf Bitten eines Interviewpartners werden alle Namen antonymisiert. Folgend wird von Gesprächspartner A, B und C ge-sprochen.

4.2.2 Abgleich: Identitätsträger Das geplante Projekt betrifft mehrere bauliche Identitätsträger oder Ensembles. Zum einen wird das Straßenbild der Langen Straße durch den Abriss des jetzigen Sparkas-sengebäudes und Neubaus massiv verändert zum anderen wird durch den Abriss zahl-reicher Gebäude, die denkmalgeschützt oder zumindest denkmalwürdig sind, viel „Er-be“ abgerissen (vgl. Dengler-Schreiber 2011: 17). Der geringe Bekanntheitsgrad dieser Gebäude liegt an der rückwärtigen Lage und brachliegenden Zustand (Fachgespräch Gesprächspartner A, B). Im Interview wurde den Identitätsträgern die Frage „Welche Bamberger Institutionen sollten bei einem so gearteten Projekt selbstverständlich mit einbezogen werden?“ gestellt. Zusammenfassend wurden bürgerschaftliche Vereine, die Israelititsche Kultusgemeinde, städtische Einrichtungen und Organisationen mit Be-zug zum Denkmalschutz genannt. Bürgerschaftliche Vereine wären in diesem Fall der Historische Verein Bambergs e.V., Schutzgemeinschaft Alt Bamberg e.V., Bürgerverein Mitte, Heimatpfleger, Bewahrt die Bergstadt e.V., Freunde des Weltkulturerbes e.V. und das weniger bürgerschaftliche, sondern eher kommerziell ausgerichtete Stadtmarketing Bamberg e.V.. Als städtische Einrichtungen wären der Stadtrat, das Stadtplanungsamt, der Stadtgestaltungsbeirat und das Zentrum Welterbe Bamberg hinzuzuziehen. Als Or-ganisationen betreffend des Denkmalschutzes wurden ICOMOS und das Landesdenk-malrat Bayerns genannt. Bei allen Interviewpartner wurden Fachkundige gefordert, die sich mit Projekt auseinandersetzen; außerdem sollte die Bürgerschaft entweder in Form von Vereinen oder zumindest die Anwohner hinzugezogen werden.

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4.2.3 Abgleich: Identitätsempfänger Obwohl von allen Interviewten dem Projekt Auswirkungen auf die Gesamtstadt zuge-sprochen wurden, wird von den Gesprächspartner A und B das Interesse von Mitbür-gern in den Randlagen am Projekt in Frage gestellt. Ebendiese Gesprächspartner äu-ßerten sich auch dazu, dass sie von sich aus nicht von dem Projekt erfahren und sich dafür interessiert hätten. Es ist daher davon auszugehen, dass das beplante Gebiet auf-grund der rückwärtigen Lage und brachliegenden Nutzung aus der städtischen Wahr-nehmung heraustritt und erst mit Abriss und Neubau die volle Aufmerksamkeit der Identitätsempfänger auf sich ziehen wird. Es ist jedoch fraglich, ob das Objekt dann noch in der Lage ist Identitäres Wissen weiter zugeben.

4.2.4 Abgleich: Identitäres WissenDas Gelände ist reich an historischen Bauresten und ehemaligen Nutzungen. Zur Lan-gen Straße hin stand das Bebenburger Palais, das 1970 durch den Neubau der Sparkasse ersetzt wurde (vgl. Dengler-Schreiber 2011: 17). Im dazugehörigen Garten befand sich ein Gartenpavillon, der von E.T.A. Hoffmann ausgemalt wurde (vgl. ebd.). Weiterer ent-scheidender Punkt für das Gebiet sind die Stadtmauerreste aus dem 13. und 15. Jahrhun-dert die sich „genau im Zentrum des Areals“ treffen (vgl. ebd.). Ebenfalls von Bedeu-tung sind die Überreste jüdischer Besiedlung ab dem 15. Jahrhundert, deren deutlichstes Zeichen die im Rückgebäude der Hellerstraße 13 ausgegrabene Mikwe darstellen dürfte (vgl. ebd.). Nach zwischenzeitlicher Vertreibung lebten ab 1556 bis 1942 wieder Juden in dem Gebiet (vgl. ebd.). Anfang des 19. Jahrhunderts wurde in einer in diesem Gebiet befindlichen Druckerei G. W. F. Hegels „Phänomenologie des Geistes“ zum ersten Mal gedruckt (vgl. ebd.). Von den Interviewten wurde das Projekt in seiner jetzigen Fassung sehr kritisch betrachtet. Zwar wünschten sich alle eine Wiedernutzung des Gebietes, gerne auch mit modernen Elementen, jedoch mit mehr Rücksichtnahme auf das histori-sche Erbe / Identitäres Wissen und die städtische Umgebung.

4.2.5 Abgleich: Identitärer DiskursOb und wenn ja wie ein Identitärer Diskurs um dieses Projekt stattfand, wurde mit der Frage „Können Sie mir schildern, ob und in welchem Ausmaß Bamberger Bürger in die Planung miteinbezogen wurden?“ nachgegangen. Auch hier gab es von allen Beteilig-ten ähnliche Antworten: Die Bürger mussten von sich auf die Projektträger zugehen. Informationen liefen über „Medien, Leserbriefe und Berichterstattung“. Eine echte Be-teiligung im Vorfeld der Planung - „vollendete Tatsachen“ war ein Stichwort (Fachge-spräch Gesprächspartner B) - gab es nicht, nur die gesetzlichen Vorschriften wurden eingehalten. Ein Identitärer Diskurs findet dadurch nur eingeschrängt statt.

4.2.6 Abgleich: IdentitätstriasAuf die Frage „Bezug Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft: Wie fügt sich das Projekt in die Geschichte Bambergs ein?“ kam von allen Interviewpartner ein „Nicht“ bis „Gar nicht“. Die Architektur wurde als „08/15“-Architektur bezeichnet (Fachgespräch Ge-sprächspartner B) und würde mit dem bestehenden Erbe dem Motto „Kunst am Bau statt Baukunst“ (Fachgespräch Gesprächspartner A) entsprechend umgehen, die histo-rische Substanz wird nicht genutzt, sondern verkitscht. Gesprächspartner C sagte dazu (sinngemäß) das „die Vergangenheit die in der Gegenwart noch besteht, mit in die Zu-

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kunft genommen“ werden sollte, anstatt eine völlige Änderung durchzuführen.

4.2.7 Abgleich: AneignenZunächst wurde hier gefragt ob das Projekt „bambergerisch“ ist. Auch Diese Frage wur-de von allen drei Interviewpartnern verneint. Kommentiert wurde die Verneinung da-mit, das so ein „riesen Projekt nicht nach Bamberg passt“, es nur vom „Pfusch“ her bam-bergerisch wäre, wobei nicht ausgeschlossen wurde, dass es Projekte geben kann, die als bambergerisch bezeichnet werden könnten. Auf die Frage ob das Projekt als „europä-isch-deutsches“ Projekt bezeichnet werden könnte, kamen unterschiedliche Antworten. Gesprächspartner A konnte sich dazu nicht äußern. Gesprächspartner B verneinte die Frage, und erklärte das Europa auf gemeinschaftliche Traditionen beruhe, die jedoch re-gional ausdifferenziert seien und man keinen „Einheitsbrei inszenieren“ solle. Das Pro-jekt könnte so überall sein. Shopping Center seien zudem „kulturfremd“ und nur kurz von Bedeutung. Gesprächspartner C bejahte zunächst die Frage, da Einkaufspassagen europäisch wären und das Planungsteam europäisch gemischt sei. Nach einer kurzen Erläuterung des europäischen Städtebegriffes wie in Kapitel 2 meinte er sinngemäß, das es von der Herkunft weiter „europäisch-deutsch“ wäre, das Wesen aber nicht.

Um das für die Aneignung wichtige Thema der Nutzbarkeit in die Arbeit aufzunehmen, wurden mehrere Fragen gestellt. Zunächst wurde gefragt „Inwieweit wird die allgemei-ne Bürgerschaft den Bereich nutzen können?“ und anschließend wie sich die geplante Nutzung in die Umgebung einfügt. Diese Fragen wurden von allen Gesprächspartnern differenziert beantwortet. So wurde zwar prinzipiell zugestimmt, jedoch zogen Ge-sprächspartner A und B die Theatergassen als Vergleich hinzu, blickten skeptisch auf die mögliche Entwicklung und bezweifelten, ob die Bürger das Gebiet wirklich nutzen könnten. Gesprächspartner C bestätigte eine Einfügung des Nutzens in das Gebiet und das diese auch von der Bürgerschaft voll genutzt werden könnten. Beim zweiten Teil dieser Frage „Was wäre nach Ihrer Auffassung wünschenswert?“ ähnelten sich die Äu-ßerungen wieder stärker: mehr Wohnen, weniger Geschäfte, Eigentümer mit Bezug zu ihrem Eigentum vor Ort, Kleinteiligkeit sowie eine „Belebung“ durch Gastronomie. Von

Abb. 6: Gegenüberstellung: Linkes Bild: Foto der Sieger-Entwurfes-Animation, Blick von der Langen Straße aus; Rechtes Bild: Blick auf das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck Quelle: Linkes Bild: W.Krings; Rechtes Bild: eigenes Fotoarchiv

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den übrigen Fragen abgleitet ist auch die Erlebbarkeit des historischen Erbes gefragt.

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5 Zusammenfassung und Fazit

Die Städte sind in ihrer Form verschieden, jedoch stellt in ihrer Geschichte die Stadt des europäischen Mittelalters eine wichtige Basis für politische Änderungen dar, an deren Ende mehr Freiheit für den Zuziehenden stehen kann. Diese Städte besitzen nicht ein-fach eine Identität, sondern bieten Identifikation an. Dabei kommt der erste Widerspruch zum Tragen: Das mehr an Freiheit in der Stadt, wird durch die Identität teilweise gefor-dert, denn Identität bedeutet „Gleichheit, Übereinstimmung, Wesengleichheit“. Diese Identität wird durch Identitätsträger, es kann sich dabei um gebaute Zeichen genauso wie engagierte Bürger handeln, die in der Lage sind Identitäres Wissen weiterzugeben, angeboten. Dadurch werden sie zu Identitätsstiftern. Dieser Prozess der Weitergabe der Identität kann über einen längeren Zeitraum gehen, bis die Identität voll ausgehandelt ist. Innerhalb dieses Zeitraums findet der identitäre Diskurs statt. Das identitäre Wis-sen in diesem Diskurs sind Riten, Bräuche und Wissen über die Geschichte z.B. über ein Bauwerk. Während des Diskurses ist der Identitäre Dreisatz zu beachten, der einen „Brückenschlag“ zwischen „Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft“ darstellt. Durch die-sen Aushandlungsprozess entsteht das Selbstverständnis, das Diskursempfänger selek-tiv in ihre Identität einpassen.In dieser Arbeit wurde die „europäisch-deutsche Stadt“ behandelt. Deutsch war sie im Sinne davon, dass die hier beschriebenen Untersuchungen nicht für eine andere z.B. französische oder polnische Stadt gelten müssen. Die „europäische Stadt“ dagegen ist ein Idealtyp der Dichte und die Ausrichtung auf das Zentrum als Kernelemente hat. Weiter wird er durch eine geringe sozialräumliche Trennung, Partizipation der Bürger, Einbindung in den nationalstaatlichen Wohlfahrts-staat bei Beibehaltung „kommunaler Handlungsspielräume“ bestimmt. Siebel und Häu-ßermann betonen das vor allem Emanzipation und Differenz in der Großstadt, eine neue Kultur hervorbringen. Dabei entstehen jedoch gesellschaftliche Fliehkräfte und Integra-tionsprobleme, die ausgehalten oder eingebunden werden sollten. Eine Lösung dieser Probleme wird jedoch verneint.Dieser Widerspruch führt zur Dekonstruktion. Die Dekonstruktion erschwert den Iden-titären Diskurs durch eine Förderung von Ambivalenzen innerhalb der Stadtbevölke-rung. Dadurch werden die Selbstverständlichkeiten für den Selbstvergewisserungs-prozess als nicht relevant bewertet, wodurch eine Weitergabe von identitärem Wissen unterbleibt und keine Idenitätsangebote gemacht werden. Dadurch wird die traditionel-le, kulturelle Identität erst Teil mehrerer Identitäten und verschwindet dann vollends. Bauliche Identitätsträger werden unter solchen Umständen leichter abgewertet und dem Abriss übergeben. Geschieht das, kann eine Rekonstruktion die Folge sein.Rekonstruktion bezeichnet die teilweise oder ganze Wiederherstellung von Gebäuden. Dadurch sollen Lücken geschlossen werden und der Anschluss an ‚Hochzeiten‘ der eu-ropäischen Stadt gesucht werden. Neben dieser Anknüpfung kann Rekonstruktion aber auch die Abwertung echter Denkmäler zur Folge haben. CI lässt sich als Mehrzweckinstrument bezeichnen, das sich an ökonomischen Gesichts-punkten orientiert und zu Herstellungen eines möglich authentischen ‚Image‘ geeignet ist. Es ist jedoch nicht mit der kulturellen Identität zu verwechseln, da es eben ‚nur‘ ein

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Bild der eigentlichen kulturellen Identität liefert.Wird die Identität zwischen CI und der Dekonstruktion betrachtet, muss in Deutsch-land noch ein spezieller schwieriger Sozialisationsansatz berücksichtigt werden, der es erschwert eine normale Bindung zu seiner eigenen nationalen kollektiven Identität zu entwickeln. Diese negative Grundlage auf nationaler Ebene wirkt sich bis auf die Städ-te aus. Dadurch hat es die Dekonstruktion einfach zu wirken und die CI bietet sich als scheinbar passender Ersatz an, jedoch kann die CI nicht die „echte, tiefe, wesenhafte Kultur“ (Häußermann, Siebel 2004: 28) ersetzen. Das nach einem Verlust von Identität ein langer Prozess benötigt wird, um wieder eine starke Identität zu formen ist anzu-nehmen und daher traditionelle Identitäten und Kulturen nicht leichtfertig aufzugeben. Denn was verloren geht ist u.a. die mit einer starken Identität zusammenhängende Zu-friedenheit und ein Vorteil im Konkurrenzkampf zwischen den Städten. Welche Stadt-planung wird für diese Identität gebraucht?Identitäre Stadtplanung besteht aus den Faktoren: Identitäres Wissen, Identitätsträger, Identitätsempfänger, Identitätstrias, Identitärer Diskurs und zuletzt dem Aneignen. Ziel der identitären Stadtplanung ist es, die Identitätsträger zu finden um den identitären Diskurs aufzugreifen oder zu initiieren, um die Gemeinschaft von Identitätsempfängern zu erreichen. Dafür ist besonders wichtig, dass relevantes Identitäres Wissen ermittelt und in den Identitären Dreisatz eingefügt wird. Fremdes oder Neues wird durch Aneig-nung, also durch Angleichung des Wesens, zur eigenen Identität aufgenommen. Identi-tät und Kultur stehen damit einer Entwicklung nicht im Weg, sondern setzen sie in ei-nen Rahmen. Werden diese Faktoren mit dem Projekt „Quartier an der Stadtmauer“ verglichen kann gesagt werden, das dieses Projekt die Identitätskritieren nicht erfüllt. Obwohl im Ort zahlreiche Identitätsträger vorhanden sind, die sogar Kontakt zueinander halten, findet kein ausreichender Identitärer Diskurs mit Bezug auf das Projekt statt. Im Interview ergibt sich das Bild, dass die städtischen Institutionen ihre wichtige Rolle bei der Wei-tergabe von Identität durch Tun und Rede nicht voll nachkommen können. Es wird da-durch möglicherweise die Chance vergeben, die starke Identität, wie das eigenständige Handeln der Vereine beweist, voll nutzen zu können. Weiterhin wurde durch die Befra-gung ermittelt, dass das Projekt nicht in den Identitären Dreisatz passt. Da es nicht aus-reichend auf die Vergangenheit Rücksicht nimmt, die gegenwärtigen Ansprüche nicht erfüllt und für die Zukunft keine besonderen Antworten geben kann, auch weil es die vorangegangenen Elemente nicht genügend würdigt. Deutlich wird das auch bei dem Umgang mit dem identitären Wissen. Die Projektverantwortlichen nehmen der Kritik nach zu urteilen, nicht ausreichend Rücksicht auf das Erbe vor Ort und der Gesamtstadt. Die Chance, dass das so umgesetzte Projekt angeeignet wird, ist fraglich. Zwar wird die Nutzung als Kaufhaus eine allgemeine Akzeptanz nach sich ziehen, ob das Objekt aber umfassend angeeignet wird, bleibt fraglich. Bei den Interviewpartnern war zudem ein differenziertes Fremd- und Eigenbild festzustellen, weswegen diese fehlende Akzeptanz nicht auf ein ‚verbohrtes’ Selbstbild beruhen kann.

Abgeleitet von dem Fallbeispiel und den vorhergehenden Analysen ist es möglich, durch identitäre Stadtplanung oder durch die Berücksichtigung von Identitätsfaktoren in normalen Planungsabläufen die vorhandene Identität zu stärken oder zumindest in das Projekt mit einzubeziehen. Dadurch kann eine langfristige Akzeptanz erreicht werden ohne spezielle Marketingmaßnahmen nutzen zu müssen. Zudem kann auf die

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durch den identitären Diskurs lebendigen Netzwerke zurückgegriffen werden, was die Durchführung von Bürgerbeteiligung, partizipativen Maßnahmen und Informations-weitergabe erleichtern kann. Diese Erleichterung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass trotzdem die Erhaltung des Diskurses und die Aktivierung von Identitätsträgern auch von Aufwand geprägt sind. Dieser kann als Qualitätssicherung von Stadtbild und Stadtbewusstsein angesehen werden, was wiederum eine entsprechend positive und selbstverständliche Lebensqualität zur Folge haben kann. Jede identitäre Maßnahme (von der Stadtführung bis zum neugebauten Quartier) leistet einen Beitrag zu dieser Lebensqualität, zum Ganzen und wird deswegen in einem funktionierenden Diskurs auch gewürdigt. In einem identitären Diskurs stecken daher auch die Grundlagen für zahlreiche Synergieeffekte. Die Stadtplanung zieht also daraus einen direkten Nutzen.

Allerdings entstehen daraus neue Fragenkomplexe. So besteht die Frage, wie die Identi-tät mit der Eigenlogik der Städte, wie sie von Martina Löw u.a. in dem 2008 erschienenen Buch „Die Eigenlogik der Städte. Neue Wege für die Stadtforschung“ behandelt wird, zusammengeht oder von dieser abhängt. Weiter stellt sich die Frage wie die Identitäts-faktoren weiter vertieft werden können, um sie genauer zu bestimmen. Zudem ist der nationale Unterschied in den europäischen Städten weiter zu untersuchen. Außerdem bleibt auch noch die Frage, in welchem Ausmaß man den identitären Diskurs institutio-nalisieren könnte, ohne das er den Bezug zur Lebenswirklichkeit verliert.

Im Rückschluss zur Einleitung kann festgestellt werden, dass „Identität“ und „lokale Zugehörigkeit“ ebenso wie Abstammung (Benjamin R. Barber sprach von „Blut“.) wei-terhin eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen werden, auch wenn der globale Trend scheinbar zur Einschmelzung aller Eigenart geht. Eine eingeschmolzene, entgrenzte Welt, in der Städte zu größeren Aufbewahrungsmaschinerien für eine durch Ambiva-lenzen, jeder erkennbaren Tiefe beraubten, menschlichen Verfügungsmasse werden. Der Umgang mit nationaler, regionaler und städtischer Identität muss nicht zwischen begriffsstutziger Provinzialität und „Ortlosigkeit“, die mit Weltoffenheit verwechselt wird, schwanken, sondern kann ebenfalls Teil eines identitären Diskurses sein (vgl. Bö-ckelmann 1998: 453). Jeder Baum steht wie die verortbare Identität einer Stadt an einem Ort, an dem er verwurzelt ist und sich die Bedingungen, unter denen er dort wächst, nicht aussuchen, sondern sich ihnen nur anpassen kann. Möchte er weiter wachsen, so müssen auch seine Wurzeln tiefer gehen „...erdwärts, abwärts, ins Dunkle, Tiefe...“ aber nicht zwingerdermaßen „...ins Böse“, wie Nietzsche meinte (vgl. Netzseite Contumax GmbH & Co. KG 2012b).

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Schutzgemeinschaft Alt Bamberg e.V.; Historischer Verein Bamberg e.V.; Steinhorst, Hanns; Arnetzl, Ekkehard; Bewahrt die Bergstadt e.V.; Freunde des Weltkulturerbes Bamberg e.V. 2011: Weltkulturerbe als Qualitätsmaßstab, in: Bürgerverein Bamberg Mitte e.V. (Hg.): Inselrundschau, September 2011, Bamberg, verfügbar: <http://www.bvm-bamberg.de/html/inselrundschau.html> (Zugriff: 11.04.2012)

taz.de (Hg.) 2007: Uwe Rada: Andrej H. heißt wieder Holm, <http://www.taz.de/!6573/> (Zugriff: 04.07.2012)

UN HABITAT United Nations Human Settlements Programme (Hg.) 2011: Cities and Climate Change. Global report on human settlements 2011, London und Washington, verfügbar: <http://www.unhabitat.org/pmss/listItemDetails.aspx?publicationID=3085>

Zeit Online GmbH (Hg.) 2007: Schwentker, Björn: „Das Ende der kritischen Wissen-schaft“, verfügbar: <http://www.zeit.de/online/2007/34/wissenschaft-terrorverdacht-andrej> (Zugriff: 22.06.2012)

Fachgespräche

Gesprächspartner A, Bamberg, am 19.06.2012

Gesprächspartner B, Bamberg, am 20.06.2012

Gesprächspartner C, Bamberg, am 20.06.2012

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7 Anhang

7.1 Verwendeter Gesprächsleitfaden7.2 Weber und Häußermann

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7.1 Verwendeter GesprächsleitfadenKann als Musterbogen verwendet werden.

Gesprächsleitfaden Datum: _______________ Name:______________________________ Gesprächspartner-Nr.:____ (Darf veröffentlicht werden: o ja o nein)

1. Vorstellung des Themas (Identität der Stadt, Dekonstruktion, CI, Id. Stadtpla-nung, Quartier an der Stadtmauer)2. Gespräch bzw. Befragung2.1 a) Wie sehen Sie ihre Stadt b) Und wie sehen Auswärtige Bamberg? ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

2.2 Was bedeutet das Quartier an der Stadtmauer für Sie? (Ärgernis, Chan-ce,...)_____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

2.3 Können Sie mir schildern ob und in welchem Ausmaß Bamberger Bürger in die Planung miteinbezogen wurden?____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

2.4 Inwieweit wird die allgemeine Bürgerschaft den Bereich nutzen können?________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

2.5 a) Wie fügt sich die in der letzten Frage die thematisierte Nutzung in die unmittelbare Umgebung ein? b) Was wäre nach Ihrer Auffassung wün-schenswert?________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

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2.6 Welche Wirkungen hat das Projekt auf ganz Bamberg?________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

2.7 Bezug Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft: Wie fügt sich das Projekt in die Geschichte Bambergs ein? ________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

2.8 Ist dieses Projekt „bambergerisch“? (kurz)____________________________________________________________2.9 Kann dieses Projekt als ‚europäisch-deutsch’ bezeichnet werden? (kurz)____________________________________________________________2.10 Welche Bamberger Institutionen sollten bei einem so gearteten Projekt selbstverständlich mit einbezogen werden?____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________3 Frei:____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________Vielen Dank für das Gespräch!

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7.2 Weber und Häußermann

Ausführliche Gegenüberstellung der Aussagen von Max Weber und Hartmut Häußermann.

„... Hier ist auf den von Häußermann häufig zitierten Max Weber zu verweisen, der 1908 in dem Aufsatz „Sozialdemokraten im akademischen Lehramt“ die Position vertrat, dass Universitäten keine Weltanschauungen lehren könnten und das Lernenden nicht „die persönlichen Ideale ihrer Lehrer, etwa deren politische Meinungen (sie seien nun ‚radikal‘, nach rechts oder links, oder „gemäßigt“) als ‚Wissenschaft‘“ ‚aufgetischt‘ bekommen...“ (vgl. Weber 1908: 45, zitiert nach: Dreijmanis 2012: 81). Weiter heißt es im Zeit-Interview: „ZEIT online: Läge die Staatsanwaltschaft denn so sehr daneben, wenn sie die Soziologie für eine Wissenschaft links denkender Intellektueller hielte? Häußermann: Die Soziologie ist eine aufklärerische Wissenschaft. Sie will die herrschenden Verhältnisse kritisieren, Ungleichheiten aufzeigen, und sich für gleiche Lebenschancen und für Fairness einsetzen. Da wird die Soziologie schon auch politisch konkret: Eine Praxis, die nicht der Herstellung von Chancengleichheit dient, sondern die Ungleichheit vergrößert, wird kritisiert. Das betrachten wir als Teil unserer wissenschaftlichen Arbeit.“ (Netzseite „Zeit online“). Dazu schreibt Max Weber an gleicher Stelle: „Es wäre ein ebensolcher anmaßlicher Unfug, wenn ein Universitätslehrer sich unterfangen würde, z.B. die ‚Berechtigung‘ irgendwelcher sozialer Forderungen zu ‚beweisen‘, wie wenn er ihre ‚Nichtberechtigung‘ mit den Mitteln der Wissenschaft ‚nachweisen‘ wolle.‘“ (Weber 1908: 45, zitiert nach: Dreijmanis 2012: 82). ...“

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ImpressumErstellt im Mai, Juni, Juli und August 2012Gestaltung: Korbinian Kundmüller. Bei der Erstellung der Grafiken kamen Vector-Grafiken von www.all-silhouettes.com zum Einsatz.Schriftart: Palatino, News Gothic MTProgramme: Adobe Illustrator, Adobe InDesign, Microsoft Word