31
Stammblätter zu Straßennamen Inhalt Vorbemerkung ............................................................................................................................. 2 Hindenburgplatz .......................................................................................................................... 3 Carl-Diem-Weg............................................................................................................................. 8 Agnes-Miegel-Straße................................................................................................................. 10 Pfitznerstraße ............................................................................................................................ 13 Jöttenweg................................................................................................................................... 15 Humborgweg ............................................................................................................................. 17 Franz-Ludwig-Weg .................................................................................................................... 19 Stühmerweg ............................................................................................................................... 21 Wagenfeldstraße ....................................................................................................................... 23 Castelleweg................................................................................................................................ 26 Heinrich-Lersch-Weg ................................................................................................................ 28 Stehrweg .................................................................................................................................... 30

Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

Stammblätter zu Straßennamen

Inhalt

Vorbemerkung ............................................................................................................................. 2 Hindenburgplatz .......................................................................................................................... 3 Carl-Diem-Weg............................................................................................................................. 8 Agnes-Miegel-Straße................................................................................................................. 10 Pfitznerstraße ............................................................................................................................ 13 Jöttenweg................................................................................................................................... 15 Humborgweg ............................................................................................................................. 17 Franz-Ludwig-Weg .................................................................................................................... 19 Stühmerweg............................................................................................................................... 21 Wagenfeldstraße ....................................................................................................................... 23 Castelleweg................................................................................................................................ 26 Heinrich-Lersch-Weg ................................................................................................................ 28 Stehrweg .................................................................................................................................... 30

Page 2: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

2

Vorbemerkung

Die "Stammblätter zu Straßennamen" (Stand: November 2010) enthalten zu zwölf Straßennamen bzw. deren Namensgebern gesicherte Erkenntnisse zum Wirken dieser Personen und dem Stand der historischen Forschung.

Die in den "Stammblättern" dokumentierten Erkenntnisse decken sich mit den Feststellungen der vom erweiterten Ältestenrat eingesetzten, von den Historikern Prof. Hans-Ulrich Thamer und Prof. Alfons Kenkmann begleiteten Kommission.

Die Kommission hat in ihrer abschließenden Sitzung im Juni 2011 empfohlen, neun der zwölf Straßen umzubenennen; drei der zwölf Straßen sollen dieser Empfehlung zufolge nicht umbenannt werden (Stühmerweg, Humborgweg, Heinrich-Lersch-Weg); für den Humborgweg und den Heinrich-Lersch-Weg schlägt die Kommission ein erläuterndes Zusatzschild vor.

In den Stammblättern wird mehrfach aus einem Gutachten von Dr. Daniel Schmidt zitiert. Hierbei handelt es sich um den Projektbericht „Überprüfung von Straßennamen in Münster-Mitte“ (Juni 2008). Auf Initiative der Bezirksvertretung Mitte hatte das Stadtarchiv den Historiker Dr. Daniel Schmidt (Historisches Seminar der WWU) beauftragt, die Namensgeber von 77 Straßen im Stadtbezirk Münster-Mitte dahingehend zu überprüfen, ob sie an Unrechtstaten bzw. Kriegsverbrechen des Nationalsozialismus beteiligt waren.

Page 3: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

3

Hindenburgplatz

1. Straßenname

Hindenburgplatz (im Stadtbezirk Münster-Mitte)

2. Prominenz des Namensgebers

Überörtlich

3. Frühere Namen

von etwa 1770 bis 1927 Neuplatz, umbenannt durch Beschluss des Magistrats der Stadt Münster am 03.10.1927.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zum Hindenburgplatz: Hausnummern: 24 Haushalte: 66 gemeldete Einwohner: 103

Anlieger unter anderem: Hörsaal H 1 der WWU, mehrere Institute der WWU, Dienstgebäude des I. D/NL Korps

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

1945 Amtsblatt Nr. 1/1945: „10 Schulen, die von der NSDAP. umbenannt waren, erhalten ihre alte Bezeichnung wieder. Die Hindenburgschule, Kampstraße 15, wird umbenannt in Kreuzschule.“

29.03.1947 Die Hindenburgstraße in Hiltrup wird umbenannt in „Am Himmelreich“ (heute Hummelbrink).

12.06.1947 Der Ausschuss zur Umbenennung von Straßen folgte den Erlassen des Innenministers vom 16.11.1946 und 08.02.1947 bzgl. „Namensänderung von Straßen und Plätzen nach bekannten Militaristen“ und vereinbarte am 12.06.1947, dass 18 Straßen umbenannt werden sollten. Der Hindenburgplatz sollte wieder Neuplatz benannt werden. Der Vorschlag wurde dem Rat nicht zur Entscheidung vorgelegt. Die Gründe sind hier nicht belegt.

26.06.1947 Zitat aus einem Schreiben des Innenministers vom 16.06.1947: „Auf Ihre Anfrage, ob mein Erlaß vom 8.2.47 über die Namensänderung von Straßen und Plätzen auch auf den Namen Hindenburg anzuwenden ist, teil ich Ihnen ergebenst mit, … Die Ausdrücke „militärisch“ und „Militarismus“ und der Ausdruck „kriegerische Ereignisse“ sind so auszulegen, daß sie sich auf alle kriegerischen Ereignisse nach dem 1.8.14 … beziehen. Hindenburg ist zweifellos mit den Ereignissen des ersten Weltkrieges eng verbunden, und nur weil er damals als großer Feldherr galt und nicht, weil er ein erfahrener und kluger Politiker war, wurde er nach dem Tode des ersten Reichspräsidenten Friedrich Ebert zu dessen Nachfolger gewählt. … Die Förderung der Nationalsozialisten durch die Berufung Hitlers zum Reichskanzler, die

Page 4: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

4

Bestätigung des Ermächtigungsgesetzes von 1933, … das Schweigen zu den Morden der SA am 30. Juni 1934 und die Billigung der Aufrüstung bewiesen, daß … sein Name verknüpft ist mit den Anfängen des jetzigen Chaos. Die Beibehaltung der Straßen-, Platz- und Schulbezeichnungen mit dem Namen Hindenburg ist daher mit den Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes nicht zu vereinbaren.“

12.09.1958 Der Ausschuss zur Umbenennung von Straßen lehnte die „immer wiederkehrenden Vorschläge zur Umbenennung“ des Hindenburgplatzes in Neuplatz erneut ab.

13.04.1974 WESTFÄLISCHE NACHRICHTEN berichten über Straßenumbenennungen im Zuge der kommunalen Neugliederung. z.B. auch Hindenburgplatz wegen Hindenburgallee in St. Mauritz.

22.04.1974 Firma: „ASI Akademiker- Studenten- und Jugendreisen“, widerspricht der eventuellen Umbenennung (als betroffener Anlieger). Antwortschreiben an ASI am 05.09.1974: Umbenennung ist nicht beabsichtigt.

24.05.1974 Außerparlamentarische Ratsfraktion der DKP in Münster stellt Antrag an den Rat auf Umbenennung mit dem Vorschlag: Dr.-Salvadore-Allende-Platz Stellungnahme des Stadtarchivs am 24.07.1974: „Straßenbezeichnungen zur Erinnerung an die „militärische, kolonialimperialistische und faschistische Vergangenheit“ gibt es in Münster nicht. Einer Umbenennung des Hindenburgplatzes in „Dr.-Salvadore-Allende-Platz“ möchte ich entschieden widersprechen.“

27.05.1974 Hindenburgallee in St. Mauritz wird umbenannt in Tannenhofallee.

29.06.1974 Initiativkreis für Frieden, europäische Sicherheit und Zusammenarbeit beantragt die Umbenennung mit dem Vorschlag: Salvadore-Allende-Platz Antrag wurde im Kulturausschuss bekanntgegeben. Antwortschreiben an Initiativkreis am 14.10.1974: „Zur Umbenennung besteht kein Anlaß.“

04.01.1987 Ein Bürger aus Münster beantragt die Umbenennung mit dem Vorschlag: „Platz der Republik“ Es folgt ein ausführlicher Schriftwechsel mit 6 weiteren Schreiben des Antragstellers und Antworten des Oberbürgermeisters, der die Umbenennung nicht befürwortet.

02.05.1987 Ein Pfarrer aus Rheine beantragt die Umbenennung mit mehreren Vorschlägen: z.B.: Edith-Stein-Platz oder wieder Neuplatz. Antwortschreiben der Verwaltung vom 22.06.1987: „Ich möchte… den Vorschlag nicht aufgreifen. Die Frage ist in der Vergangenheit bereits in den Ratsgremien erörtert worden. Im Jahre 1974 hat der… Kulturausschuss beschlossen, den Hindenburgplatz nicht umzubenennen. Abgesehen von der geschichtlichen Wertung der Person von Hindenburg können die Benennungen von Straßen und Plätzen mit umstrittenen Namen und Bezeichnungen auch als Mahnung für die Zukunft dienen.“

28.02.1995 Anregung nach § 24 GO 90/95 an den Rat der Stadt Münster Ein Bürger und eine Bürgerin aus Münster beantragen die Umbenennung mit dem Vorschlag: Johann-Conrad-Schlaun-Platz Abschließendes Antwortschreiben der Oberbürgermeisterin am 21.09.1998 mit Hinweis auf die Bürgerumfrage der Volkshochschule und die Ratsentscheidung in Vorlage 709/98, dass der Hindenburgplatz nicht umbenannt werden soll.

06.03.1995 Ein Pfarrer aus Münster beantragt mit einem Schreiben an die Oberbürgermeisterin die Umbenennung. „Der Name des preußischen Militaristen Hindenburg, der Hitler an die Macht brachte, passt nicht mehr.“ Sein Vorschlag: Neuplatz

10.06.1995 Auf Anfrage der Stadt Münster antwortet die Bezirksregierung Münster als Sachwalter des Eigentümers des Hindenburgplatzes (Land NRW) am 10.06.1995: „Angesichts der Tatsache, dass in vielen Städten und Gemeinden Straßen und Plätze den Namen Hindenburg tragen und es Straßen und Plätze gibt, die nach nicht unumstrittenen Persönlichkeiten der deutschen Geschichte benannt sind, sehe ich keine zwingende Notwendigkeit zur Umbenennung des Platzes.“

Page 5: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

5

25.04.1995 Anregung nach § 24 GO Nr. 117/95 Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz Erledigt durch Ratsentscheidung in Vorlage 709/98, dass der Hindenburgplatz nicht umbenannt werden soll. Abschließendes Antwortschreiben ist hier nicht bekannt.

21.02.1996 Anregung nach § 24 GO Nr. 37/96 „Friedensinitiativen in Münster e.V.“ richtet einen Bürgerantrag an den Rat der Stadt Münster: „An dieser hervorgehobenen und zentralen Stelle der Stadt sollte nicht ein erklärter Antidemokrat und Militarist geehrt werden, sondern der Gedanke des Friedens verankert werden.“ Anläßlich des bevorstehenden 350-jährigen Jubiläums bietet sich der Name „Platz des Westfälischen Friedens“ an. Erledigt durch Ratsentscheidung in Vorlage 709/98, dass der Hindenburgplatz nicht umbenannt werden soll. Abschließendes Antwortschreiben ist hier nicht bekannt.

1997 Bürgerumfrage der Volkshochschule Münster „Soll der Hindenburgplatz umbenannt werden?“ Gesamtergebnis: ja: 40,5 %, nein: 51,9 %, unentschieden/ungültig: 7,6 %

30.12.1997 Ein Bürger aus Münster wendet sich gegen die Umbenennung des Hindenburgplatzes und beantragt die Umbenennung der Bismarckallee in Bischof-Brinkmann-Allee. Abschließendes Antwortschreiben ist hier nicht bekannt. 1998 Auszug aus der Vorlage 709/98 über BV-Mitte und HFA an den Rat: „Zur Ergänzung (der VHS-Bürger/-innenbefragung) bat der Ältestenrat die Verwaltung, die Thematik in der Bürgerumfrage des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik einzubeziehen. An dieser Bürgerumfrage haben sich 1.965 Bürger/innen beteiligt. 1.487 (= 75,7 %) sprachen sich gegen eine Umbenennung des Hindenburgplatzes aus. Für eine Umbenennung waren 427 (=21,7 %), 51 Bürger/innen (=2,6 %) äußerten sich nicht. … Im Hinblick auf das Ergebnis der Umfrage, bei der sich Dreiviertel der Befragten (75,7 % !) gegen eine Umbenennung des Hindenburgplatzes ausgesprochen haben, wird jedoch empfohlen, die Bezeichnung Hindenburgplatz beizubehalten.“

11.08.1998 BV-Mitte beschließt die Empfehlung an den Rat: Der Hindenburgplatz wird nicht umbenannt.

26.08.1998 Der Rat beschließt einstimmig: Der Hindenburgplatz wird nicht umbenannt.

16.02.2005 Ein Bürger aus Münster beantragt im Schreiben an den Oberbürgermeister die Umbenennung. Der Antrag wurde nicht aufgegriffen sondern mit Hinweis auf die früheren Diskussionen und Entscheidungen abschließend beantwortet.

26.10.2007 In der Anregung nach § 24 GO Nr. 108/2007 beantragt ein Bürger aus Münster die Umbenennung im Zusammenhang mit der Realisierung von Musikhalle und Hotel, weil „ein zentraler Platz nach einem notorischen Monarchisten, Antidemokraten, Militaristen und Militärdiktator benannt ist.“ Er macht den Vorschlag: „Schlossplatz“.

23.01.2008 Antrag der SPD-Fraktion an den Rat der Stadt Münster Nr. A-R/0008/2008 Hindenburgplatz: Rückbenennung in Neuplatz Der Antrag wurde am 13.02.2008 im Rat bekanntgegeben und an den HA verwiesen.

März 2008 Umfrage der „Westfälischen Nachrichten“ (Münster-Barometer): 76,9 % sprechen sich gegen die Umbenennung des Hindenburgplatzes aus, 23,1 % dafür.

Mai 2010 Initiative der „Westfalen-Initiative“, den Hindenburgplatz in Westfalenplatz umzubenennen

Umfrage der „Westfälischen Nachrichten“: ca. 70 % sprechen sich für Beibehaltung des Namens aus, 20 % für Westfalenplatz, 8 % für Neuplatz

Page 6: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

6

6. Historische Einschätzung/Stand der historischen Forschung

Der letzte Reichspräsident der Weimarer Republik, Paul von Hindenburg, wird nach neueren Forschungen auf breiterer Quellengrundlage (siehe vor allem: Wolfram Pyta, Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler, München 2007) erheblich kritischer beurteilt, als dies bislang der Fall gewesen ist. Ergebnis der neuesten Forschung ist, dass der Reichspräsident nicht Spielball oder tragische Figur anderer Mächte gewesen ist, sondern autonom, selbstbewusst und rational handelte. Paul von Hindenburg war ein von starkem Herrscherwillen geprägter Mensch, der erkannt hatte, dass die Monarchie – und ursprünglich ist Hindenburg Monarchist gewesen – in den 1930er Jahren nicht wieder restituiert werden könne. Da Hindenburg Antirepublikaner war, strebte er ein antiparlamentarisches und antidemokratisches autoritäres Regime an und sah schließlich in Hitler und der Hitlerpartei die politische Bewegung und Macht, die in seinem Sinne regieren würde. Die Beauftragung Hitlers zur Bildung einer Regierung im Januar 1933 hat Hindenburg allein verantwortet und allein durchgeführt. Mit mehreren „Notverordnungen“, von Hitler Hindenburg quasi in die Feder diktiert (z. B. nach dem Reichstagsbrand), ermöglichte der Reichspräsident dem „Führer“ und der NSDAP es, systematisch und Schritt für Schritt die Demokratie und den Rechtsstaat auszuhebeln. Für die entscheidende Reichstagswahl, die den Weg für ein Ermächtigungsgesetz und damit die legale Abschaffung des Parlamentarismus ebnen sollte, verlieh Hindenburg der NSDAP seinen Nimbus.

Hindenburg, der trotz hohen Alters bis etwa zwanzig Stunden vor seinem Ableben immer im „Vollbesitz seiner geistigen Kräfte“ (Wolfram Pyta) geblieben ist, hat unter dem Datum des 11. Mai 1934 ein politisches Testament hinterlegt; gerade auch dies ist ein wichtiges Dokument seines herrschaftlichen Selbstverständnisses. Darin äußerte er sich auch über einen würdigen Nachfolger in seinem Amt. Sein politisches Vermächtnis enthält eine klare Aussage darüber, welchen charismatischen Politiker er für berufen hielt, sein politisches Erbe anzutreten. In der endgültigen Fassung des Testaments steht die Passage: „Mein Kanzler Adolf Hitler und seine Bewegung haben zu dem großen Ziele, das deutsche Volk über alle Standes- und Klassenunterschiede zu innerer Einheit zusammenzuführen, einen entscheidenden Schritt von historischer Tragweite getan ….. Ich scheide von meinem deutschen Volke in der festen Hoffnung, daß das, was ich im Jahre 1919 ersehnte und was in langsamer Reife zu dem 30. Januar 1933 führte, zu voller Erfüllung und Vollendung der geschichtlichen Sendung unseres Volkes reifen wird.“ (Zitiert nach Pyta, S. 863)

Zu welchen Verbrechen die Nationalsozialisten schließlich imstande und entschlossen sein würden, konnte Hindenburg nicht voraussehen. Insofern ist er nicht in die Verbrechen des Nationalsozialismus „verstrickt“ – dies konnte er allein durch seinen baldigen Tod († 02. Aug. 1934) gar nicht sein. Andererseits schritt er in keinem Fall gegen frühe Verbrechen (Verhaftung und Ermordung politischer Gegner) der Nationalsozialisten ein.

7. Vergleich mit anderen Städten und Namen von Schulen/Umbenennungen

413 Straßenbenennungen nach Hindenburg gibt es laut Pöppinghege∗ in Deutschland. Zum Beispiel gibt es einen „Hindenburgplatz“ in Hildesheim, Clausthal-Zellerfeld, Blomberg und Bocholt. Eine „Hindenburgallee“ gibt es in Bonn und in Ahaus. Der „Hindenburgdamm“ verbindet die Insel Sylt mit dem Festland und eine Straße „Hindenburgdamm“ gibt es in Berlin-Steglitz, Ortsteil Lichterfelde.

1947 In Hamburg wurde die Hindenburgallee 1947 umbenannt. In Berlin wurde der Hindenburgplatz 1958 und in Euskirchen 1992 umbenannt.

1988 Die Hindenburgschule inOldenburg wurde nach Johann Friedrich Herbart in Herbartschule umbenannt.

02.07.2005 In Reutlingen hat der Gemeinderat gegen die von der SPD beantragte Umbenennung der Hindenburgstraße entschieden.

∗ Rainer Pöppinghege, Wege des Erinnerns - Was Straßennamen über das deutsche

Geschichtsbewusstsein aussagen, Münster 2007.

Page 7: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

7

2006 Die Hindenburgschule in Nienburg/Weser hat sich umbenannt in „Marion-Dönhoff-Gymnasium“.

05.03.2007 Darmstadt: Für die Umbenennung der Hindenburgstraße stimmten zwei Anlieger, dagegen sprachen sich 151 aus.

2008 Für die Umbenennung des Hindenburg-Gymnasiums in Trier scheint es nach Zeitungsberichten eine breite Mehrheit zu geben.

2010 In Bad Säckingen wird die Umbenennung des Hindenburg-Gymnasiums diskutiert.

8. Exkurs: Ehrenbürgerrecht

Hindenburg wurde auf Beschluss des Rates vom 03.04.1933 das Ehrenbürgerrecht der Stadt Münster verliehen. Es endete mit seinem Tod am 02.08.1934.

Ehrenbürgerrechte werden – formalrechtlich betrachtet – vom Rat verliehen und enden, unabhängig von einem ehrenden Gedenken, mit dem Ableben des Ehrenbürgers. Die Aberkennung dieses Rechtes nach dem Tod des Ehrenbürgers ist formalrechtlich nicht möglich.

9. Entscheidungszuständigkeit für (Um-)Benennung der Straße

Rat

Page 8: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

8

Carl-Diem-Weg

1. Straßenname

Carl-Diem-Weg (bis 2010 im Stadtbezirk Münster-West; durch Beschluss der Bezirksvertretung Münster-West gestrichen und der Sentruper Straße zugeordnet)

2. Prominenz des Namensgebers

Überörtlich

3. Frühere Namen

Die Straße war neu und wurde durch Ratsbeschluss am 23.01.1967 erstmalig benannt. Der Vorschlag kam vom „Stadtverband für Leibesübungen“, dem späteren Stadtsportbund.

4. Anlieger

Der einzige Anlieger war die Stadt Münster mit dem städtischen Sportpark Sentruper Höhe.

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

22.04.1996 Ein Bürger aus Würzburg stellt einen Antrag auf Umbenennung wegen Diems Rede vom 18.03.1945. Der Antrag geht gleichzeitig an 27 Städte. Nach seiner Angabe gibt es Benennungen nach Carl Diem in Ahlen, Bad Oeynhausen, Bergheim, Düren, Flensburg, Grevenbroich, Gütersloh, Hagen/Westf., Hamm, Heidelberg, Ingolstadt, Kaiserslautern, Kempten, Köln, Krefeld, Ludwigsburg, Mainz, Mönchengladbach, Mühlheim (Ruhr), Münster, Neuss, Osnabrück, Paderborn, Reutlingen, Troisdorf, Wolfsburg. Der Antragsteller teilt mit, Berlin, Hanau und Bergisch-Gladbach hätten die Straßen umbenannt. Der Antrag wurde nicht bearbeitet und nicht beantwortet.

23.05.2007 Antrag der SPD-Fraktion in der BV-West Nr. A-W/0016/2007: Der Carl-Diem-Weg soll in Julius-Hirsch-Weg umbenannt werden.

18.06.2007 Stellungnahme des Stadtsportbundes zu dem Antrag: Der „Stadtverband für Leibesübungen“ hat seinen Antrag auf Benennung einer Straße nach Carl Diem seinerzeit mit der Lebensleistung von Carl Diem für den deutschen Sport begründet. Diese Lebensleistung für den Sport sieht auch der Stadtsportbund Münster nach wie vor als gegeben an. Damit beschönigen wir in keinster Weise etwaige Positionierungen oder Rollen innerhalb des NS-Regimes, oder heißen sie gut. Nachgewiesenermaßen war Carl Diem nicht Mitglied der NSDAP, schon gar nicht Gauleiter.“

19.06.2007 Die WWU teilt mit, es werde ein Gutachten zu Carl Diem erstellt. Es handelt sich dabei um ein „Forschungsprojekt zu Leben und Werk Carl Diems“. Der Projektleiter Prof. Dr. Frank Becker hat mit Schreiben vom 19.06.2007 angekündigt, dass er nach Abschluss des Projektes im Frühjahr 2008 auch gegenüber der Öffentlichkeit eine Stellungnahme zur Rolle Carl Diems in der NS-

Page 9: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

9

Zeit abgeben könne. Daher schlägt die Verwaltung schlägt, die Forschungsergebnisse abzuwarten.

28.02.2008 Antrag Nr. A-W/0011/2008: Die SPD-Fraktion in der BV-West beantragt erneut: Der Carl-Diem-Weg wird in Julius-Hirsch-Weg umbenannt. Dem Antrag ist das Gutachten von Dr. Peter Dohms als Anlage beigefügt.

April 2008 Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), der Auftraggeber des o. g. Gutachtens zu Carl Diem ist, behält sich vor, die Ergebnisse des Gutachtens freizugeben.

März 2010 Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats zum Forschungsprojekt „Leben und Werk Carl Diems“ an den DOSB und die Deutsche Sporthochschule Köln zum Umgang mit Namen und Werk sowie zur Erinnerung an Carl Diem

19.07.2010 Antrag Nr. A-W/0022/2010: SPD-Fraktion in BV-West beantrag Umbenennung des Carl-Diem-Weges in Julius-Hirsch-Weg (Begründung: Neue Forschungsergebnisse von Prof. F. Becker)

Juli/August 2010 mehrere Zeitungsartikel zur Straßenbenennung

21.07.2010: Artikel zu Prof. Beckers Einschätzung zu Carl Diem: „Viele braune Flecken“ auf C. D.’s Weste – Gutachten belastet Diem

21.07.2010: WN Historiker Prof. Becker plädiert für Umbenennung

22.07:2010: MZ: „Stadtsportbund hält Diem die Treue“ – Verweis auf wiss. Gutachten

07.08.2010: MZ Prof. Thamer weist Versuche einer ‚Ehrenrettung’ Diems zurück

11.08.2010: MZ Prof. Thamer plädiert für Umbenennung

04.11.2010: Die Bezirksvertretung Münster-West beschließt einstimmig: "Der Straßenname Carl-Diem-Weg wird gestrichen. Der Weg erhält die Straßenbezeichnung 'Sentruper Straße'. Sollte dieses aus rechtlichen Gründen nicht umsetzbar sein, wird dem Vorschlag der Verwaltung (Umbenennung in 'Am Sportpark Sentrup') gefolgt."

Page 10: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

10

Agnes-Miegel-Straße

1. Straßenname

Agnes-Miegel-Straße (im Stadtbezirk Münster-Ost)

2. Prominenz der Namensgeberin

Überörtlich

3. Frühere Namen

Die Straße war neu und wurde am 29.11.1960 erstmalig benannt.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zur Agnes-Miegel-Straße: Hausnummern: 11 gemeldete Einwohner: 21

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

In Münster wurde bisher kein Antrag auf Umbenennung gestellt.

23.03.2010 MZ: Artikel „Diskussion über Dichterin“ zur Debatte über Agnes Miegel

6. Historische Einschätzung/Stand der historischen Forschung

Agnes Miegel (09.03.1879 bis 26.10.1964). Ostpreußische Dichterin. Flucht 1945 über die Ostsee nach Dänemark, lebte seit 1948 in Bad Nenndorf.

In seinem Gutachten stellt Dr. Schmidt zu dem Engagement von Agnes Miegel für das NS-Unrechtsregime u. a. fest:

„Agnes Miegel war seit 1933 Vorstandsmitglied der Deutschen Akademie der Dichtung der Preußischen Akademie der Künste. Sie gehörte im Oktober 1933 zu den Unterzeichnern eines „Treuegelöbnisses“ deutscher Schriftsteller für Adolf Hitler. Im folgenden Jahr unterzeichnete sie auch den „Aufruf der Kulturschaffenden“ zur Vereinigung des Reichskanzler- und des Reichspräsidentenamtes in der Person Hitlers. Zu dessen Ehren verfasste sie die Hymne „An den Führer“. […]

Miegel schrieb zudem Texte, die den Krieg im Osten verherrlichten und veranstaltete Lesungen für die Reichsjugendführung. Sie erhielt das Goldene Ehrenzeichen der HJ.

Im Jahr 1940 wurde ihr für ihren Gedichtband „Ostland“ der von Goebbels gestiftete Nationale Buchpreis für dasjenige Buch verliehen […]

Ihre Bedeutung als privilegierte kulturelle Stütze des NS-Regimes lässt sich insbesondere daran ablesen, dass ihr Name 1944 auf der Sonderliste der sechs wichtigsten Schriftsteller innerhalb der so genannten „Gottbegnadeten-Liste“ erschien. Auf diese Weise wurden ausgewählte Mitglieder der Reichskulturkammer vom totalen Kriegseinsatz ausgenommen.

Nach 1945 bezeichnete sich Agnes Miegel als unpolitische Dichterin und erklärte ihr Eintreten für den Nationalsozialismus mit ihrer Sorge um ihre Heimat Ostpreußen. Sie war fortan umstritten. Auf

Page 11: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

11

der einen Seite wurde sie von Vertriebenenverbänden verehrt und von verschiedenen Seiten vielfach für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Auf der anderen Seite rief sie immer wieder Protest und Ablehnung hervor, u. a. als das Gymnasium in ihrem langjährigen Wohnort Bad Nenndorf 1969 nach Agnes Miegel benannt werden sollte. Immer wieder gab es in den letzten Jahren und Jahrzehnten Bestrebungen, nach Agnes Miegel benannte Straßen umzubenennen, so u. a. in Erlangen und in Wilhelmshaven.“

(aus: Projektbericht „Überprüfung von Straßennamen in Münster-Mitte“ von Dr. Daniel Schmidt, Juni 2008, Seite 40 f.).

Überprüfungen des Stadtarchivs bestätigen diese Einschätzung:

In verschiedenen Veröffentlichungen wird Agnes Miegel vorgeworfen, Werke im Sinne nationalsozialistischer Gesinnung verfasst zu haben: „Memelland" (1935), eine Kantate zum Muttertag (1937), das Gedicht „Danzig", in dem Agnes Miegel die „Heimholung" ehemals deutscher Gebiete begrüßte (1939) und andere. Drei Gedichte sind Adolf Hitler gewidmet: Dem Führer! (1936), An den Führer (1938), Dem Schirmer des Volkes (1939). Agnes Miegel trat 1937 der NS-Frauenschaft bei, 1940 der NSDAP.

Während der Zeit des Nationalsozialismus war Miegel eine bekennende Verehrerin Hitlers. Sie wurde 1933 Mitglied der NS-Frauenschaft, später nach der Säuberung Vorstandsmitglied der Deutschen Akademie der Dichtung, einer Unterabteilung der Preußischen Akademie der Künste. Im Oktober 1933 gehörte sie zu den 88 deutschen Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten. Nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg unterschrieb sie den Aufruf der Kulturschaffenden zur „Volksbefragung“ wegen der Zusammenlegung des Amtes des Reichspräsidenten und des Reichskanzlers. 1939 nahm sie das Ehrenzeichen der Hitlerjugend entgegen; 1940 wurde sie Mitglied der NSDAP. Miegel war außerdem auf Vortrags- und Lesereisen, bekam Ehrenbürgerschaften verliehen und durfte ohne Einschränkungen publizieren. Ihre Einstellung wird an glorifizierenden Hymnen auf Adolf Hitler (unter anderem in dem Gedicht: An den Führer, 1938) und einer Hinwendung zu Blut und Boden-Themen deutlich. In ihren „Weiheversen“ Dem Schirmer des Volkes huldigte sie Hitler mit folgenden Worten: „Laß in deine Hand, Führer, uns vor aller Welt bekennen; Du und wir, nie mehr zu trennen stehen ein für unser deutsches Land.“ Als bekannte ostpreußische Heimatdichterin wurde sie zu einem literarischen Aushängeschild des NS-Regimes. Während der Naziherrschaft erhielt sie den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main. 1944, in der Endphase des 2. Weltkrieges, wurde sie von Hitler in die Sonderliste der „Gottbegnadetenliste“ mit den sechs wichtigsten deutschen Schriftstellern aufgenommen.

(siehe: Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, Frankfurt a. M. 2003, S. 411. Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, Frankfurt a. M. 2007, S. 409f.)

7. Vergleich mit anderen Städten

96 Benennungen nach Agnes Miegel (Straßen, Wege, ein Platz, ein Ring und ein Hof) gibt es in Deutschland. Anträge auf Umbenennung in diesen Städten sind - bis auf die unten aufgeführten - hier bisher nicht bekannt.

Agnes Miegel ist Ehrenbürgerin der Gemeinde Bad Nenndorf, wo sie zuletzt lebte. Dort gibt es einen Agnes-Miegel-Platz, das Museum Agnes-Miegel-Haus und ein Agnes-Miegel-Denkmal im Kurpark.

In Bad Nenndorf hat sich ein "Bündnis gegen Agnes-Miegel-Verherrlichung" gegründet, das unter anderem auch gegen die alljährlichen Aufmärsche von Neonazis protestiert.

30.04.2001 Erlangen: Die Grüne Liste stellte einen Antrag auf Umbenennung der Agnes-Miegel-Straße. Dem Antrag wurde nicht gefolgt.

Page 12: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

12

10.06.2008 Heiden bei Borken: Nach einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurde die Agnes-Miegel-Straße mit den Stimmen sämtlicher im Rat vertretenen Parteien in Nelly-Sachs-Straße umbenannt.

2008 Die Agnes-Miegel-Realschule im Düsseldorfer Stadtteil Golzheim hat sich umbenannt in Städtische Realschule Golzheim.

2008 Die Agnes-Miegel-Schule in Willich/Schiefbahn hat sich umbenannt in Astrid-Lindgren-Schule.

01.02.2010 Die Agnes-Miegel-Realschule in Osnabrück gab sich einen neuen Namen. Sie heißt nun „Bertha-von-Suttner-Realschule“.

Juni 2010 In Neuenkirchen-St. Arnold wird die Agnes-Miegel-Straße in Anne-Frank-Straße umbenannt.

24.06.2010 Die Miegelstraße im Detmolder Ortsteil Lage-Hardissen wurde umbenannt in „Von-Arnim-Straße“.

2010 Wilhelmshaven: Zum Schuljahr 2010/2011 wird die Namensänderung der Agnes-Miegel-Schule in Marion-Dönhoff-Schule wirksam.

8. Entscheidungszuständigkeit für (Um-)Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Ost

Page 13: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

13

Pfitznerstraße

1. Straßenname

Pfitznerstraße (im Stadtbezirk Münster-Mitte)

2. Prominenz des Namensgebers

Überörtlich

3. Frühere Namen

Die Straße war neu und wurde am 18.07.1961 erstmalig benannt.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zum Pfitznerstraße: Hausnummern: 16 gemeldete Einwohner: 30

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

In Münster wurde bisher kein Antrag auf Umbenennung gestellt.

6. Historische Einschätzung/Stand der historischen Forschung

Hans Pfitzner (1869 bis 1949), Komponist und Dirigent. Zwischen 1929 und 1934 leitete er eine Meisterklasse für Komposition an der Akademie der Tonkunst in München, danach wirkte er international als Dirigent, Pianist und Opernregisseur; sein Hauptwerk ist die Oper „Palestrina“, die in München uraufgeführt wurde (1917).

Siehe: Sabine Busch, „Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus“, J. B. Metzler Verlag, Stuttgart - Weimar 2001. Zur Publikation eine Rezensionsnotiz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

„Die Studie enthält makabre Beispiele für Pfitzners starrsinnige Unbelehrbarkeit auch nach 1945 ebenso wie Vertuschungsversuche seiner Kontakte mit Nazi-Größen wie Hans Frank. Sie belegt aber auch, dass die Nationalsozialisten selber Pfitzner gelegentlich lästig fanden, dass er mit seiner "elitären, oft altmeisterlich grämlichen Musik" für das Regime "wenig propagandatauglich" war.“

In seinem Gutachten stellt Dr. Schmidt zu dem Engagement von Hans Pfitzner für das NS-Unrechtsregime u. a. fest:

„Er engagierte sich zwischen 1933 und 1945 intensiv im Sinne des NS-Staates, getrieben von dem Wunsch, als gewichtiger Vorkämpfer des Dritten Reiches Anerkennung zu finden: So unterzeichnete er den „Aufruf der Kulturschaffenden“ zur Vereinigung des Reichskanzler- und des Reichspräsidentenamtes in der Person Hitlers im August 1934. Er bekannte sich zudem zwischen 1933 und 1938 mehrfach öffentlich zur Sache des Nationalsozialismus.

Trotz der Abneigung, die einige führende Repräsentanten des NS-Regimes, insbesondere Hitler und Goebbels, für Pfitzner und sein Werk empfanden, wurde der Komponist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: […] Pfitzners Bedeutung als kulturelle Stütze des NS-Regimes lässt sich

Page 14: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

14

insbesondere daran ablesen, dass sein Name 1944 auf der Sonderliste der drei wichtigsten Musiker innerhalb der so genannten „Gottbegnadeten-Liste“ erschien. […]

Pfitzners Verhältnis zu den nationalsozialistischen Machthabern war ambivalent, fühlte sich der Künstler, der sich als „deutschesten aller Komponisten“ betrachtete […], vom NS-Regime nur unzureichend hofiert. …

Pfitzner stand in engem freundschaftlichen Kontakt zu Hans Frank, der als Generalgouverneur in Krakau für die Ermordung Zehntausender verantwortlich war und 1946 als einer der Hauptkriegsverbrecher verurteilt und hingerichtet wurde. Ihm widmete er 1944 seine Komposition „Krakauer Begrüßung“, die am 2.12.1944 uraufgeführt wurde. Diese Aufführung verweist darauf, dass Pfitzner als „propagandistisch deutscher Vorzeigekünstler“ und kulturelles Aushängeschild oftmals in den besetzten Gebieten … gespielt wurde. In diesem Kontext erhielt er auch in Posen im Jahr 1942 den Wartheländischen Kulturpreis. Dort benannten bereits die Nationalsozialisten eine Straße nach ihm. (Busch 2001)“ (Zitiert nach: Projektbericht „Überprüfung von Straßennamen in Münster-Mitte“ von Dr. Daniel Schmidt, Juni 2008, Seite 42 f.)

Siehe: Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2007, S. 456:

Pfitzner, Hans. Lebenszeit 1869-1949. Komponist. Stand auf der Sonderliste der drei wichtigsten Musiker der ‚Gottbegnadeten-Liste’ (Führerliste). Reichskultursenator.

1923 Treffen mit Hitler. Am 19.8.1934 Unterzeichner des Aufrufs der Kulturschaffenden zur Volksbefragung zwecks Vereinigung des Reichskanzler- und Reichspräsidentenamts in der Person Hitlers: »Wir glauben an diesen Führer, der unsern heißen Wunsch nach Eintracht erfüllt hat.«

Am 26. Mai 1938, während der ersten Reichsmusiktage in Düsseldorf Aufführung seines Werks Von deutscher Seele. Am 18.5.1942 Sonderkonzert mit der Krakauer Philharmonie des Generalgouvernements. Herbst 1943 Gast beim befreundeten Generalgouverneur Hans Frank (genannt Polenschlächter) in Krakau. Komposition Krakauer Begrüßung, Hans Frank gewidmet, Uraufführung am 2.12.1944 in Krakau (Krakauer Zeitung). NS-Ehrungen: 1934 Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft, Goethe-Preis der Stadt Frankfurt, Herbst 1942 Verleihung des Wartheländischen Kulturpreises durch seinen Förderer Gauleiter Greiser (»dem Kämpfer für deutsche Art und Gesinnung«), Mai 1944 Hitler-Dotation (steuerfreie Schenkung) von 50000 Mark, von Gauleiter Schirach Beethovenpreis und Ehrenring der Stadt Wien. 1947 Erinnerungen: Eindrücke und Bilder meines Lebens. Das Bändchen, etwa 1940 begonnen, blendet das Dritte Reich komplett aus.

7. Vergleich mit anderen Städten

40 Benennungen nach Hans Pfitzner (Straßen und Wege) gibt es in Deutschland.

13.11.2009 Hamburg-Altona: Die Bezirksversammlung beschloss die Umbenennung der Pfitznerstraße, nachdem 80 % der Anlieger für die Umbenennung in Friedensallee gestimmt hatten.

8. Entscheidungszuständigkeit für die (Um-)Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Mitte

Page 15: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

15

Jöttenweg

1. Straßenname

Jöttenweg (im Stadtbezirk Münster-Mitte)

2. Prominenz des Namensgebers

Örtlich

3. Frühere Namen

Die Straße war neu und wurde durch Ratsbeschluss am 22.02.1960 erstmalig benannt.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zum Jöttenweg: Hausnummern: 9 Haushalte: 38 gemeldete Einwohner: 66

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

22.05.2007 Die Münstersche Zeitung berichtet ausführlich über Vorwürfe gegen Prof. Dr. K. Jötten wegen erbhygienischer Forschungen an Hilfsschülern.

22.05.2007 Antrag der SPD-Fraktion in der BV-Mitte Nr. A-M/0005/2007 Die Verwaltung wird um Prüfung und Bericht gebeten zu den Vorwürfen - Verstrickung in die Rassenideologie und Unrechtstaten der NS-Herrschaft - gegen den Namensgeber des Jöttenweges, Prof. Dr. Karl Wilhelm Jötten.

21.08.2007 Mit der Beschlussvorlage V/0522/2007 entscheidet die BV-Mitte: Die Entscheidung über die Umbenennung wird zurückgestellt bis zu einem Ergebnis der Expertenkommission der WWU, längstens aber 6 Monate. Danach wird eine Entscheidung getroffen.

05.02.2008 Nach Informationen der Verwaltung wird die Universität auf der Grundlage der bisher zu Karl Wilhelm Jötten angestellten Untersuchungen eine öffentliche Stellungnahme abgeben. Dies ist zwischenzeitlich geschehen (siehe zu 6.) Bisher ist kein Antrag auf Umbenennung gestellt.

April 2008: Stellungnahme zu Jötten bzw. erste Ergebnisse der Kommission f. d. Erforschung der Geschichte der Universität Münster liegen vor: „Das Bild […] ist so widersprüchlich wie das für viele Wissenschaftler dieser Zeit gilt. Es ist von Kontinuität anerkannter wissenschaftlicher Arbeit und von opportunistischer Anpassung an die politischen Vorgaben und Zwänge des NS-Regimes geprägt.“ (zit. nach Wissen Leben. Die Zeitung der WWU Münster, April 2008) Prof. Thamer warnt in dem Artikel von einer schnellen Verurteilung – Straße müsse man aber nicht unbedingt nach ihm benennen.

08.04.2008: WN: Keine „Patentlösung“, ob umbenannt oder nicht umbenannt werden soll. Jötten kein Täter, aber Opportunist

Page 16: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

16

6. Stand der historischen Forschung

Karl Wilhelm Jötten (1886 bis 1958), Universitätsprofessor an der WWU Münster, Hygieniker und Staublungenforscher. Einen herausragenden wissenschaftlichen Ruf hat er sich vor allem durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der Gewerbehygiene erworben. Damit wurde die Straßenbenennung 1960 begründet.

Gegen Jötten wird der Vorwurf erhoben, dass er zwischen 1933 und 1945 zu den führenden NS-Rassehygienikern in Deutschland gezählt haben soll, dessen Forschungen eine unmittelbare verschärfende Auswirkung auf die Praxis der Zwangssterilisationen gehabt hätten.

Ein abschließendes auf wissenschaftlicher Forschung basierendes historisches Urteil kann im Moment zu Karl Wilhelm Jötten noch nicht abgegeben werden. Als bestätigt kann gelten, dass sich Jötten dem nationalsozialistischen Regime gegenüber stark angepasst verhielt. In einem Tagungsband über einen Ende August 1935 in Berlin statt gefundenen Internationalen Kongress für Bevölkerungswissenschaft erschien tatsächlich ein Beitrag Jöttens und seines Assistenten Replohs über "Erbhygienische Untersuchungen an Hilfsschulkindern". Grundlage hierfür waren zahlreiche rassenhygienische Dissertationen, die zwar unter Jöttens Betreuung am Hygiene-Institut entstanden sind, wohl aber nicht den damaligen und heutigen wissenschaftlichen Standards entsprachen. Der Vortrag auf dem Kongress im Jahre 1935 sollte die einzige eigene rassenhygienische Forschungsarbeit Jöttens bleiben. Die von ihm angeregten Untersuchungen zu Hilfsschulkindern trugen vielleicht nicht zu einer Förderung, mindestens jedoch zur Legitimation für die in Deutschland zwischen 1933 und 1945 durchgeführten Zwangssterilisationen an ca. 100.000 Hilfsschulkindern bei.

Ob die von Jötten betreuten Dissertationen an seinem Institut seinem Forschungsinteresse entsprangen oder ob er sich zu einer dauerhaften Festigung seiner beruflichen Position gegenüber den Nationalsozialisten dazu genötigt sah, bedarf noch einer näheren Untersuchung.

Eine diesen Aussagen entsprechende Presseerklärung der WWU bzw. von Prof. Dr. Thamer zu Jötten ist am 7. April 2008 herausgegeben worden; am 8. April berichteten beide Lokalzeitungen.

Dr. Schmidt zieht in seinem Gutachten folgendes Resümee zu Jötten: „Somit trug Jötten dazu bei, die Zwangssterilisationen von etwa 100.000 Hilfsschulkindern zu legitimieren, die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland durchgeführt wurden.“ (Siehe: Projektbericht „Überprüfung von Straßennamen in Münster-Mitte“ von Dr. Daniel Schmidt, Juni 2008, Seite 36).

7. Vergleich mit anderen Städten

Eine Straßenbenennung nach Jötten in anderen Städten gibt es nicht.

8. Entscheidungszuständigkeit für (Um-)Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Mitte

Anmerkung: Für den Fall, dass die Bezirksvertretung eine Umbenennung des Jöttenweges beschließen will, hat das Rektorat der WWU keine Einwände oder Bedenken.

Page 17: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

17

Humborgweg

1. Straßenname

Humborgweg (im Stadtbezirk Münster-Mitte)

2. Prominenz des Namensgebers

Örtlich

3. Frühere Namen

Der Aa-Seitenweg wurde am 24.04.1972 erstmalig benannt.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zum Humborgweg: Hausnummern: 2 gemeldete Einwohner: 4

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

Es wurde bisher kein Antrag auf Umbenennung gestellt.

6. Historische Einschätzung

Dr. phil. Ludwig Humborg (19.3.1890 bis 11.1.1972), Lehrer an verschiedenen Münsteraner Gymnasien, Fächer: Geschichte, Germanistik und Philosophie: 1922-1938 Städtisches Gymnasium und Realgymnasium, 1938-1946 Oberschule für Jungen „Am Wasserturm“, 1946-1955 Ratsgymnasium. Er wurde 1955 als Oberstudienrat pensioniert.

Nach 1949 engagierte sich Humborg als Vorsitzender des Vereins „Niederdeutsches Münster“ und im Verein für Westfälische Geschichte. Er lehrte zudem an der Volkshochschule Münster und war Mitglied der städtischen Kommission zur Benennung von Straßen. Wegen seiner „Verdienste um das Heimatbewußtsein“ erhielt er 1960 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Träger der Paulusplakette der Stadt Münster (1960). Humborg hat sich in der Kulturpflege und der Denkmalerhaltung verdient gemacht

Humborg war zwischen Herbst 1919 und Juli 1932 Mitglied der Zentrumspartei.

Seit 1921 war er im Verband für das Deutschtum im Ausland (VDA) aktiv, seit 1933 als Bezirksverbandsleiter, später als Kreisverbandsleiter. Er trat ab 1934 zudem als Gauverbandsredner hervor.

Seit dem 1.5.1937 war er Mitglied der NSDAP (Nr. 6989880). Zudem gehörte er Nationalsozialistische Kriegsopferversorgung (1.4.36), Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (11.10.33), Nationalsozialistischer Lehrerbund (1.7.33, dort auch Kreisreferent für Grenze und Ausland) sowie Reichsluftschutzbund (28.2.34, Schulungsredner) an.

Wegen seiner Mitgliedschaft in der NSDAP wurde Humborg 1946 durch die Militärregierung für einige Monate entlassen, dann wieder eingestellt. 1948 erhielt er sein Entlastungszeugnis.

Nach 1933 baute Humborg sein Engagement im Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) aus und stieg zum Kreisvorsitzenden Münster auf. Im Jahr 1940 wurde ihm bestätigt, in den letzten

Page 18: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

18

Jahren seine „ganze Kraft für die volksdeutsche Arbeit eingesetzt“ zu haben. (Schreiben VDA-Gauleitung Westfalen-Nord an Humborg, 14.10.1940)

Da Humborg sich nach 1933 offenbar als öffentlichkeitswirksamer VDA-Redner profiliert hatte, erregte er das Interesse der Gaupropagandaleitung des NSDAP-Gaus Westfalen-Nord. Im Oktober 1940 konnte ihn die NSDAP als Gaupropagandaredner gewinnen: Er arbeitete für den Beauftragten für militärisches Vortragswesen, der ihn 1943 als „unser am meisten angeforderter und entschieden zugkräftigster Vortragsredner, dessen Vorträge unzweifelhaft von eminenter Bedeutung und Wirkung sind“, bezeichnete. (Schreiben des Beauftragten für militärisches Vortragswesen, Gaupropagandaleitung der NSDAP, Gau Westfalen-Nord, an Oberpräsidium Westfalen, Amt für höheres Schulwesen, 1.2.43)

Humborg hielt im Jahr 1941 zudem 14 Vorträge im Auftrag der Reichspropagandaleitung der NSDAP. Seine Tätigkeit als Propagandaredner beschränkte sich keineswegs nur auf Münster oder Westfalen, er wurde vielmehr im ganzen Reich und in den besetzten Gebieten eingesetzt, beispielsweise im März 1944 in den Niederlanden. Er sprach zu Themen wie „Der jahrhundertealte Kampf um den Deutschen Westen“, „Der 1000jährige Kampf um den Ostseeraum“ oder „Die 500 Jahre währende Schlacht um den Atlantik“.

Nach dem Krieg behauptete Humborg fälschlicherweise, nur für die Wehrmacht und den Westfälischen Heimatbund als Redner gewirkt zu haben. Er stritt es ab, Anhänger des Nationalsozialismus gewesen zu sein. Er sei nur Mitglied der Partei geworden, um sein Engagement für den VDA fortsetzen zu können. Dies ist offenkundig eine Schutzbehauptung, v.a. da Humborg an anderer Stelle behauptet, sich zunehmend aus dem VDA zurückgezogen zu haben, als dieser in nationalsozialistisches Fahrwasser geriet.

Zusammenfassung Dr. Schmidt zum Namensgeber Humborg: „Humborg war also keineswegs der „aktive Gegner“ des NS-Regimes, als den ihn der Münstersche Entnazifizierungs-Hauptausschuss 1948 einstufte. Humburg stellte vielmehr seine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten aktiv in den Dienst des Regimes und trug dazu bei, es zu stabilisieren.“ (Siehe: Projektbericht „Überprüfung von Straßennamen in Münster-Mitte“ von Dr. Daniel Schmidt, Juni 2008, Seite 34).

Literatur Rudolf Luther: „Blau oder Braun?“ Der Volksbund für das Deutschtum im Ausland VDA im NS-Staat 1933-1937, Neumünster 1999. Tammo Luther: Volkstumspolitik des deutschen Reiches 1933-1938: Die Auslanddeutschen im Spannungsfeld zwischen Traditionalisten und Nationalsozialisten, Stuttgart 2004.

Weitere Untersuchungen sind ggf. erforderlich. Im Stadtarchiv liegt der Nachlass von Ludwig Humborg, für die Zeit zwischen 1933 und 1945 gibt es jedoch so gut wie keine Unterlagen.

7. Vergleich mit anderen Städten

Eine Straßenbenennung nach Humborg gibt es nur in Münster.

8. Entscheidungszuständigkeit für (Um-)Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Mitte

Page 19: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

19

Franz-Ludwig-Weg

1. Straßenname

Franz-Ludwig-Weg (im Stadtbezirk Münster-Mitte)

2. Prominenz des Namensgebers

Örtlich

3. Frühere Namen

Die Straße ist etwa 1950 als Seitenstraße der Melchersstraße entstanden, hieß seit dem 26.02.1951 Brahmsstraße und wurde am 27.05.1974 umbenannt in Franz-Ludwig-Weg.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zum Franz-Ludwig-Weg: Hausnummern: 18 gemeldete Einwohner: 43

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

1989 wurden in Münster Vorbereitungen zu Festveranstaltungen zum 100. Geburtstag Ludwigs getroffen. Einige Monate vorher haben der Ältestenrat der Stadt Münster und der HFA die Zusage zur Förderung der Veranstaltungen zurückgenommen, weil bekannt geworden ist, dass „Franz Ludwig von 1933 an überzeugter Nationalsozialist gewesen ist und sein musikalisches Schaffen zumindest teilweise in den Dienst der nationalsozialistischen Bewegung und Ideologie gestellt hat.“ (Zitat Prof. Dr. Jakobi, 1990) Die Feststellungen stützen sich auf die Veröffentlichung von Wolfgang Sandberger: „Franz Ludwig und dessen dramatisches Oratorium Lambertusspiel“ sowie auf Auswertungen des Nachlasses von Franz Ludwig.

Ein Antrag auf Umbenennung wurde in Münster bisher nicht gestellt.

6. Historische Einschätzung

Franz Ludwig ( 07.07.1889 bis 15.06.1955), Musiker und Komponist.

Nach dem Ersten Weltkrieg erhielt Ludwig einen Ruf nach Münster, wo er am Aufbau einer Musikhochschule mitwirken sollte. Als diese Pläne scheiterten, gründete Ludwig im Jahr 1920 ein privates Klavierseminar, den „Ludwigbund“. Bis 1939 wirkte er als selbständiger Musiklehrer und Chordirigent. Er veröffentlichte Bücher zur Musikgeschichte und legte zahlreiche Kompositionen vor. Als sein Hauptwerk gilt das Oratorium „Lambertusspiel“ von 1934.

Während des Zweiten Weltkrieges unterrichtete Ludwig als „Hilfslehrer im Kriegseinsatz“ Musik an Schulen in Münster und Teplitz. Nach dem Krieg kehrte Ludwig nach Münster zurück und setzte seine Arbeit als Lehrer, Dirigent und Komponist fort.

Ludwig trat 1937 der NSDAP bei (Nr. 5919536). Er gehörte auch ihren Vorfeldorganisationen NSV und RLB an. Briefen Ludwigs aus dem Jahr 1937 ist zu entnehmen, dass er bereits 1933 in die Partei eintreten wollte, irrtümlich aber davon ausging, dies sei ihm als tschechoslowakischer Staatsbürger verboten. Seine Einbürgerung erfolgte erst 1934.

Page 20: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

20

Um seinen musikalischen Werken eine möglichst breite Öffentlichkeit zu verschaffen, warb Franz Ludwig nach 1933 offensiv um die Gunst führender NS-Politiker wie Joseph Goebbels. Zu diesem Zweck bediente er sich ostentativ des neuen nationalsozialistischen Kunstjargons und ordnete sein Werk in die „Neue Volksmusik“ des Dritten Reiches ein. Zwischen 1933 und 1945 komponierte Franz Ludwig Chor- und Orchesterwerke, Lieder und Märsche, die den Nationalsozialismus und seine Führer verherrlichten und im Rahmen nationalsozialistischer Inszenierungen sowie im Rundfunk aufgeführt wurden. Etwa die Hälfte seiner Kompositionen und Vertonungen aus den Jahren 1933 bis 1945 zeugen von einer engen Verbindung zum Nationalsozialismus.

Viele Werke Ludwigs waren für den Gebrauch im Nationalsozialismus bestimmt. So entstand Parteitagsmusik „Der Tag von Nürnberg“ für Chor und großes Blasorchester und der „Deutsche Sängerruf“ auf den Text „Ein Volk, ein Reich, ein Führer!“ Gebrauchsmusik sind viele seiner Märsche, die Kantate „Die Fahnen hoch! Wir halten stand!“ oder die Blasmusiken „Marsch für den RAD“ und „Marschlied der Flak“. Ein politisches Bekenntniswerk ist seine Kantate „An den Führer“ für Männer-, Knabenchor und Orchester. Eindeutig nationalsozialistisch sind Ludwigs Blasmusikmärsche „Mit dem Schädel durch die Wand“ und „Eisen ins Blut“. Während der NS-Zeit von 1933 bis 1945 schuf Ludwig Kompositionen mit politischem Bezug nicht nur beiläufig als Gelegenheitswerke, sondern mehr als die Hälfte seines Schaffens in den Jahren waren Werke wie Führerkantaten und nationalsozialistische Kampflieder. Die Arbeiten entsprachen seiner damaligen politischen Grundhaltung.

Ludwig stellte nicht nur seine Kunst, sondern auch sich selbst aktiv in den Dienst nationalsozialistischer Kulturpolitik. Seit 1933 nahm er zahlreiche Ehrenämter für das Gaukulturamt Westfalen-Nord wahr: So bekleidete er die Posten des Musikfachberaters, des Landesleiters des RMK-Gaus 29 sowie des Kreischorleiters. In dieser Funktion dirigierte er Massenchöre, die nationalsozialistisches Liedgut sangen. Sein Engagement für das Gaukulturamt endete im Jahr 1937, da Ludwig wegen seiner vergleichsweise kurzen Parteizugehörigkeit nicht für eine hauptamtliche Anstellung vorgesehen wurde. Dennoch arbeitete er in seinem musikalischen Schaffen weiterhin dem NS-Unrechtsstaat entgegen.“ (Siehe: Projektbericht „Überprüfung von Straßennamen in Münster-Mitte“ von Dr. Daniel Schmidt, Juni 2008, S. 38)

Literatur: Wolfgang Sandberger: „Selbstbestimmung zu deutschem Wesen in der Kunst …“. Der Komponist und Musikpädagoge Franz-Ludwig in der NS-Zeit, in: Franz-Josef Jakobi/Thomas Sternberg (Hg.): Kulturpolitik in Münster während der nationalsozialistischen Zeit, Münster 1990, S. 66-85.

Hans-Joachim Vetter: Korreferat zum Vortrag von Wolfgang Sandberger und Diskussion, in: Franz-Josef Jakobi/Thomas Sternberg (Hg.): Kulturpolitik in Münster während der nationalsozialistischen Zeit, Münster 1990, S. 86-95.

7. Vergleichbarkeit mit anderen Städten

Die Straßenbenennung nach Ludwig gibt es nur in Münster.

8. Entscheidungszuständigkeit für (Um-)Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Mitte

Page 21: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

21

Stühmerweg

1. Straßenname

Stühmerweg (im Stadtbezirk Münster-Mitte)

2. Prominenz des Namensgebers

Örtlich

3. Frühere Namen

Die Straße war neu und wurde am 24.09.1962 erstmalig benannt.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zum Stühmerweg Hausnummern: 5 gemeldete Einwohner: 23

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

Es wurde bisher kein Antrag auf Umbenennung gestellt.

6. Historische Einschätzung

Prof. Dr. Alfred Stühmer (28.02.1885 bis 02.06.1957), Arzt und Hochschullehrer.

Im Jahr 1925 nahm Stühmer einen Ruf an die Universität Münster an, wo er ab 1926 auch als Direktor der Universitätshautklinik wirkte. Stühmer richtete in Münster die als vorbildlich geltende Lupusheilstätte „Haus Hornheide“ ein und erwarb durch seine Erfolge bei der Bekämpfung der Hauttuberkulose internationale Anerkennung.

Im Jahr 1934 folgte er einem Ruf an die Universität Freiburg. Dort übernahm er ein Ordinariat sowie die Leitung der Universitätshautklinik. Zwischen 1937 und 1940 war er Dekan, danach bis 1945 Prodekan der Medizinischen Fakultät in Freiburg.

Nach 1945 war er weiter als Hochschullehrer in Freiburg tätig, u.a. 1952/53 erneut als Dekan der Medizinischen Fakultät. Stühmer blieb über sein Emeritierungsalter hinaus im Amt. Als er 1957 verstarb, war er noch als Hochschullehrer und Klinikleiter aktiv.

Am 1.5.1937 wurde Stühmer Mitglied der NSDAP (beantragt 11.10.37, Mitgliedsnummer 4716314). Zudem war er Mitglied im NS-Ärtzebund und im NS-Altherrenbund.

Stühmer trat 1934 die Nachfolge von Prof. Dr. Georg Rost an, der wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ entlassen worden war. Im Gegensatz zu dem engagierten Linksliberalen Rost galt Stühmer als stramm deutschnational, wenn auch nicht als Anhänger des Nationalsozialismus. So beurteiltee ihn der Dozentenschaftsführer der Universität Freiburg am 13.6.1935 wie folgt:

„setzt sich in seiner Art für den Nationalsozialismus ein, er steht politisch wohl der Deutschnationalen Volkspartei nahe. Er ist sicher kein aktiver politischer Kämpfer, doch wird man sich gegebenenfalls auf ihn verlassen können.“ (BAB R 4901/13342)

Page 22: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

22

Seine politische Zuverlässigkeit im Sinne der NSDAP stellte Stühmer öffentlich unter Beweis. So brachte er als Dekan der Medizinischen Fakultät in einer Rede vor mehr als 1.000 neuimmatrikulierten Studenten am 3.12.1937 seine antirepublikanische und völkisch-nationalistische Grundhaltung zum Ausdruck. Er äußerte sich u.a. wie folgt:

„Nachdem nun aber Lehrkörper und Studentenschaft von volksfremden Elementen gesäubert sind, darf sich heute die Hochschule wie jede andere öffentliche Institution unseres Volkes aufrichtig zum Nationalsozialismus bekennen. […]

Nationalsozialismus, wie ihn der Führer persönlich […] einmalig verkörpert, ist für uns alle, die wir zu ihm wollen, nur ein Ziel. Wir streben ihm zwar mit heißem Herzen zu, aber wir wollen ehrlich eingestehen, daß wohl den allermeisten die Kraft fehlt, es in hundert Prozent zu erreichen. […]“ (Nach: Hellmich, 1989)

Als Dekan verantwortete Stühmer auch den Entzug von Doktor- und Ehrendoktorwürden. „Mit dieser Maßnahme sollte Gegnern und Verfolgten Ansehen und Ehre geraubt werden.“ Im Jahr 1938 forderte er, dem ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten Ludwig Marum die Ehrendoktorwürde zu entziehen:

„Die Medizinische Fakultät hat die Liste der Ehrendoktoren durchgesehen und hält es für notwendig, dem früheren Staatsrat Ludwig Marum, welcher am 6. November 1926 zum Ehrendoktor ernannt wurde, diesen Titel zu entziehen. Herr Marum hat sicher alles getan, um gegen den Nationalsozialismus und nationalsozialistischen Geist an der Hochschule zu kämpfen. […] Wir bitten zunächst um Feststellung, wo sich Herr Marum befindet.“ (Nach: Hellmich 1989)

Ludwig Marum war bereits am 29. März 1934 im KZ Kislau ermordet worden.

Der Projektbericht Straßennamen fasst zusammen:

„Im Gegensatz zu dem engagierten Linksliberalen Rost galt Stühmer als stramm deutschnational, wenn auch nicht als Anhänger des Nationalsozialismus. […] Neben seinen wissenschaftlichen Qualifikationen brachte Stühmer also zentrale Voraussetzungen mit, um den personellen und politischen Neubeginn zu garantieren, den die NS-Behörden für die Freiburger Hautklinik vorsahen.

Für seine Amtsführung als Dekan und Prodekan zwischen 1937 und 1945 – für diese Ämter qualifizierte ihn nicht zuletzt seine Mitgliedschaft in der NSDAP und sein politischer Leumund – erhielt er von allen Seiten Anerkennung. …“

(Siehe: Projektbericht „Überprüfung von Straßennamen in Münster-Mitte“ von Dr. Daniel Schmidt, Juni 2008, Seite 5 bzw. 44 f.)

Literatur Hermann Josef Hellmich: Die Medizinische Fakultät der Universität Freiburg i. Br. 1933-1935. Eingriffe und Folgen nationalsozialistischer Personalpolitik, Freiburg 1989.

Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945?, Frankfurt a. M. 2003, S. 612.

Eduard Seidler: Die medizinische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Grundlagen und Entwicklungen, Berlin u.a. 1993.

7. Vergleich mit anderen Städten

Benennungen nach Stühmer in anderen Städten sind hier nicht bekannt.

8. Entscheidungszuständigkeit für (Um-) Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Mitte

Page 23: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

23

Wagenfeldstraße

1. Straßenname

Wagenfeldstraße (liegt im Stadtbezirk Münster-Mitte)

2. Prominenz des Namensgebers

Örtlich/Regional

3. Frühere Namen

Die Straße war neu und wurde am 26.02.1951 erstmalig benannt.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zur Wagenfeldstraße: Hausnummern: 39 gemeldete Einwohner: 161

5 Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

Es wurde bisher kein Antrag auf Umbenennung gestellt.

Hinweis: In Münster gibt es auch eine Karl-Wagenfeld-Schule (Städtische Realschule, Spichernstr. 17).

6. Historische Einschätzung

Karl Wagenfeld (5.4.1869 bis 19.12.1939), Heimatdichter und Volksschullehrer, ab 1899 in Münster. 1925 trat er als Konrektor in den einstweiligen und 1932 in den endgültigen Ruhestand.

Um 1900 nahm er seine schriftstellerische Tätigkeit in plattdeutscher Sprache auf. Wagenfeld war 1915 Mitbegründer des Westfälischen Heimatbundes – um ihm sein Engagement in diesem Verband, u. a. als Redakteur und Geschäftsführer, zu ermöglichen, war er zwischen 1919 und 1925 vom Schuldienst beurlaubt. Wagenfeld war „die treibende Kraft der westfälischen Heimatbewegung während der 1920er Jahre“. (Ditt, 1998)

1929 wurde Wagenfeld mit der Ehrendoktorwürde der Universität Münster ausgezeichnet. Seit 1933 erhielt er einen Ehrensold der Provinz Westfalen. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits erkrankt und konnte nicht mehr publizieren. Kurz vor seinem Tod wurde er 1939 mit dem 3. Westfälischen Literaturpreis ausgezeichnet.

Seit dem 1.5.1933 war Wagenfeld Mitglied der NSDAP (Nr. 2496073). Zudem war er Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt.

Lexikon westf. Autorinnen u. Autoren: http://www.lwl.org/literaturkommission: Die ausführliche Darstellung von Wagenfelds Weg und Werken sollte wegen einer darin greifbaren typisch westfälischen Konstellation darauf aufmerksam machen, wo ernster katholischer Konservativismus, namentlich wenn er sich in der Dichtung noch mit der symbolistischen wie expressionistischen Neigung zur allegorischen Abstraktion paarte, der Assimilation des biologisch-rassisch begründeten Heimat- und Volkstumsgedankens entgegenkam: in der Ungeschichtlichkeit des Denkens, die einer romantischen Idealisierung ausgewählter älterer Geschichtszustände

Page 24: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

24

Raum gibt. Sie sollte aber auch auf die Spannungen und Brüche hinweisen, die bei dieser Assimilation entstehen oder doch entstehen mußten: zwischen naturhaftem Schicksal und geschichtlicher Verantwortung aus christlicher Überzeugung. (von Heydebrand 1983)

Wagenfelds Heimatbegriff wird von R. Schepper 1990 in die Nähe der "Blut-und-Boden"-Ideologie gerückt: Wir fassen bis hierher [1932] Wagenfelds Menschenbild zusammen: Neger, Kaffern und Hottentotten sind Halbtiere, Fremdrassige sind Volksverderber und Schädlinge, Menschen in "Krüppel- und Idiotenanstalten", in Fürsorgeheimen und Strafanstalten sind körperlich und geistig Minderwertige. Es ist jenes Menschenbild, das der Nationalsozialismus zur Errichtung seiner Ideologie vom Herrenmenschen und Untermenschen, zum Erlaß der Nürnberger Gesetze vom 16.9.1935, zur Euthanasie geistig und psychisch kranker Menschen, zum Kampf gegen alles "Artfremde", zum Krieg gegen "Frankreichs Haß" und "Polens Gier" benötigte und benutzte.

Siehe: Christoph Schmidt, Nationalsozialistische Kulturpolitik in Münster zwischen 1933 und 1937. Schriftliche Hausarbeit Münster 1999, S. 53: „Ehrenrente“ für Karl Wagenfeld (NS-Kulturförderung in Westfalen) - Nationalsozialistische Kulturpolitiker honorierten Wagenfelds Engagement, indem sie ihm bereits 1933 einen jährlichen Ehrensold in Höhe von 450 RM, später 1000 RM, zuerkannten.

Schmidt, S. 84/85: Exkurs: Westfälischer Heimatbund: Die Stellung Wagenfelds als Landschaftsführer und einer Integrationsfigur zwischen alter Heimatbewegung und neuen Machthabern blieb unangetastet. Dessen Leiter berief ihn am 29. 3. 1934 als „Fachreferent für westfälische Heimatfragen“ in die Reichsführung.

S. 87: Schmidt zitiert Ditt „Nach dem Beginn des Dritten Reiches sorgte Schulte zusammen mit Wagenfeld und dem neuen Kulturdezernenten Ernst Kühl dafür, dass die Programmatik und Arbeit des WHB nicht mit der nationalsozialistischen Kulturpolitik in Widerspruch geriet.“

S. 87/88 Belege für ein rassisch definiertes Heimatverständnis, Nähe zu Elementen nationalsozialistischer Ideologie ist frappant… Wagenfeld hatte keinerlei Schwierigkeiten, sich mit den neuen Verhältnissen nach 1933 anzufreunden, Arbeit des Westfälischen Heimatbundes sei eine Vorarbeit des Nationalsozialismus.

Siehe: Karl Ditt, Raum und Volkstum. Die Kulturpolitik des Provinzialverbandes Westfalen 1923-1945, Münster 1988, S. 208 ff:

Karl Wagenfeld war Anfang 1933 zum ersten Vorsitzenden des Westfälischen Heimatbundes gewählt worden. Er wiederholte öffentlich und mehrfach, der WHB brauche sich nicht gleichzuschalten, da er schon immer für den Nationalsozialismus eingetreten sei.

Rede Wagenfelds auf dem Westfalentag 1933 dokumentiert starke Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut.

Ditt spricht vom „öffentlichen Bekenntnis des WHB zum Dritten Reich“. Karl Wagenfeld war 1933 NSDAP-Mitglied, Landschaftsführer Westfalen, Mitglied der Reichsführung des RVH (NS-Reichsbund Volkstum und Heimat)

S. 212, Anm. 176: NS-Gauleiter Meyer sprach von einer „engen Wesensverwandtschaft der Gedankengänge Wagenfelds und der Arbeit des Westfälischen Heimatbundes mit den Grundgedanken des Nationalsozialismus … Volk, Blut, Boden, Heimat sind Ideen des Nationalsozialismus“

Dr. Schmidt hält in seinem Gutachten zu Wagenfeld unter Verweis auf Literatur fest: „Tatsächlich wies Wagenfelds Heimatbegriff eine gewisse Nähe zur nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie auf. […]

Auf die entsprechende Wertschätzung, die ihm führende Nationalsozialisten auch außerhalb Westfalens entgegenbrachten, verweist die Verleihung des Westfälischen Literaturpreises im Jahr 1939, die auf besonderen Wunsch des Propagandaministers Goebbels und des nordwestfälischen Gauleiters Meyer erfolgte, um Wagenfeld zu seinem 70. Geburtstag für sein Lebenswerk als „Dichter und Vorkämpfer des Volkstumsgedankens“ zu ehren. Mit dieser Ehrung bemühte sich die

Page 25: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

25

NS-Führung, den anerkannten Dichter Wagenfeld als Vorkämpfer zu vereinnahmen und honorierte dessen Verzicht, sich aus seinem katholisch-konservativen Weltbild heraus kritisch über den Nationalsozialismus zu äußern.“ (Ditt 1998)

Im Gegenteil erklärte er sich zwischenzeitlich bereit, den Nationalsozialistischen Kulturbund der Stadt Münster zu leiten. Ob er diese Funktion angesichts seiner Erkrankung tatsächlich ausübte, ist allerdings unklar. Fakt jedoch ist, dass er im Mittelpunkt nationalsozialistischer Propagandainszenierungen stand, so beispielsweise einer HJ-Feierstunde anlässlich seines 65. Geburtstages, auf der er öffentlich die Verdienste Adolf Hitlers um Volkstum und Heimat hervorhob. (aus: Projektbericht „Überprüfung von Straßennamen in Münster-Mitte“ von Dr. Daniel Schmidt, Juni 2008, Seite 46).

Literatur Karl Ditt: Der Westfälische Literaturpreis im Dritten Reich, in: Bernd Kortländer (Hg.): Literaturpreise. Literaturpolitik und Literatur am Beispiel der Region Rheinland/Westfalen, Stuttgart/Weimar 1998, S. 39-66.

R. Schepper: Karl Wagenfeld, ein Wegbereiter des Nationalsozialismus. Spuren eines deutschen Heimatdichters, in: Quickborn, Zeitschrift für plattdeutsche Sprache und Dichtung 80 (1990), S. 104-120.

7. Vergleich mit anderen Städten

Straßenbenennungen nach Karl Wagenfeld gibt es 81 x in Nordrhein-Westfalen.

Außerdem gibt es Wagenfeldstraßen in Erfurt (gemeint ist vermutlich der Designer Wilhelm Wagenfeld) sowie in Hamburg und Hannover, deren Namensgeber hier nicht bekannt sind.

Juni 2010 In Neuenkirchen-St. Arnold wird die Straßenbenennung nach Wagenfeld diskutiert.

8. Entscheidungszuständigkeit für (Um-) Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Mitte

Page 26: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

26

Castelleweg

1. Straßenname

Castelleweg (im Stadtbezirk Münster-Ost)

2. Prominenz des Namensgebers

Regional

3. Frühere Namen

Die Straße war neu und wurde am 17.12.1958 erstmalig benannt.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zum Castelleweg: Hausnummern: 14 gemeldete Einwohner: 43

5. Vorgeschichte / Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennungen in Münster

Anträge auf Umbenennung sind hier bisher nicht bekannt.

6. Historische Einschätzung

Friedrich Castelle (1879 bis 1954) Dichter und Rezitator.

Gehörte zu den Mitbegründern des Westfälischen Heimatbundes und gab mehrere Zeitschriften heraus, so „die Heimatblätter der Roten Erde“, die „Bergstadt“, den „Türmer“. Tätig als Rundfunk-Sendeleiter und Intendant, als Lektor für Vortragskunst an der Universität Münster. Durch seine umfangreiche Vortragstätigkeit und Rezitationsabende deutscher Dichtung - insgesamt über 5000 - wurde er in ganz Deutschland bekannt. Castelle war Herausgeber einer weitverbreiteten Löns-Ausgabe, ebenso gab er die Werke von Annette von Droste-Hülshoff heraus. Er schrieb Gedichte in Hochdeutsche und Platt. Im Jahre 1925 erhielt er den „Literaturpreis des Deutschbundes für nationales Schrifttum“. Friedrich Castelles Grab befindet sich auf dem Mauritzfriedhof in Münster.

Stadtarchiv - Persönlichkeitensammlung:

05.01.1933 Eintritt in die NSDAP

1930-1937 Herausgabe der Zeitschrift "Der Türmer"

1933-1937 Kreiskulturwart des Kreises Burgsteinfurt

1937-1940 Intendant des Reichssender Köln

1940 Leiter der Senders Luxemburg

1945 Verhaftung und Internierung im englischen Lager Recklinghausen-Süd

Nach der Haftentlassung lebte er in Burgsteinfurt und übernahm Rezitations- und Vortragstätigkeiten

Siehe: Lexikon westf. Autorinnen u. Autoren: http://www.lwl.org/literaturkommission:

Page 27: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

27

Nach 1933 trat er als Propagandist des Nationalsozialismus auf. 1935 versuchte er, die Droste-Gesellschaft in eine nationalsozialistische Organisation einzugliedern. Er war damals Obmann der NS-Kulturgemeinde für den Kreis Burgsteinfurt (heute Ortsteil von Steinfurt), Beiratsmitglied des Gaues Westfalen-Nord und führender Mitarbeiter der Reichsschrifttumskammer. 1937 wurde er Haupt-Abteilungs-Sachbearbeiter z.b.V. im Reichssender Köln, später stellvertretender Intendant. Während des Krieges war er Leiter einer Presse- und Nachrichtenabteilung sowie Leiter des Senders Luxemburg. Nach dem Ende der NS-Herrschaft wurde es stiller um Castelle. Bei Kriegsende wurde er zunächst verhaftet und im englischen Internierungslager Recklinghausen-Süd interniert. Später arbeitete er zwar wieder für den Rundfunk, indem er plattdeutsche Hörspiele verfaßte, und er trat als Rezitations- und Vortragskünstler auf, doch sein Wirkungskreis war merklich kleiner geworden. (Dupke 1995)

Pseudonyme: Hans Dietmar; Hans Uhlenbrock; Fritz von Schonebeck.

Siehe: Karl Ditt, Raum und Volkstum. Die Kulturpolitik des Provinzialverbandes Westfalen 1923-1945, Münster 1988, S. 351: Friedrich Castelle „war Obmann der NS-Kulturgemeinde für den Kreis Burgsteinfurt, Beitratsmitglied des Gaues Westfalen-Nord und führender Mitarbeiter der Reichskulturkammer.

Siehe: Detlef Fischer, Münster von A bis Z, Münster 2000, S. 65: „Als dunkler Schatten liegt die Zeit des Nationalsozialismus über dem Leben Friedrich Castelles. Nach 1933 trat er als Propagandist des Nationalsozialismus auf, versuchte 1935 gar, die Droste-Gesellschaft in eine NS-Organisation umzufunktionieren. Er war Obmann der NS-Kulturgemeinde des Kreises Burgsteinfurt und führender Mitarbeiter der Reichsschrifttumskammer. Zuletzt amtierte er als Intendant des Reichssenders Luxemburg.“

Siehe: MS-Wiki: „Ab 1933 trat er, wie viele andere "Völkische", als Propagandist des Nationalsozialismus auf. So versuchte er 1935, aus der Annette von Droste-Gesellschaft eine nationalsozialistische Vereinigung zu machen. Als Obmann der NS-Kulturgemeinde für den Kreis Burgsteinfurt, als Beiratsmitglied des Gaues Westfalen-Nord und als führender Mitarbeiter der Reichsschrifttumskammer wirkte er auf allen Ebenen an der Propagierung einer völkischen, an der "Blut- und Boden"-Ideologie orientierten Kulturarbeit mit. Castelle, der bereits in den frühen zwanziger Jahren Erfahrungen mit dem damals noch jungen Medium Rundfunk gesammelt hatte, wurde 1937 Haupt-Abteilungs-Sachbearbeiter z.b.V. beim Reichssender Köln, später stellvertretender Intendant. Während des Zweiten Weltkriegs leitete er eine Presse- und Nachrichtenabteilung und den Reichssender im besetzten Luxemburg.“ (http://wiki.muenster.org/index.php/Friedrich_Castelle)

7. Vergleich mit anderen Städten und Namen von Schulen/Umbenennungen

Es gibt acht Straßen, die nach Friedrich Castelle benannt sind, zum Beispiel in Dortmund, Rheine Steinfurt und Horstmar.

8. Entscheidungszuständigkeit für (Um-)Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Ost

Page 28: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

28

Heinrich-Lersch-Weg

1. Straßenname

Heinrich-Lersch-Weg (liegt im Stadtbezirk Münster-Ost)

2. Prominenz des Namensgebers

Überörtlich

3. Frühere Namen

Die Straße war neu und wurde am 19.11.1938 durch Festsetzung der Ortspolizeibehörde erstmalig benannt.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben: Hausnummern: 18 gemeldete Einwohner: 72

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

Anträge auf Umbenennung sind hier bisher nicht bekannt.

6. Historische Einschätzung

Heinrich Lersch (1889 bis 1936), Beruf: Kesselschmied, Schriftsteller und völkischer Arbeiterdichter

Rainer Lübben, Swinegel Uhland – Persönlichkeiten im Spiegel von Straßennamen, Jahrgang 2001, Seite 130: „Zu Schriftstellern wie Heinrich Lersch und Jakob Schaffner, die nicht unmittelbar in der braunen Bewegung selbst tätig waren, wohl aber zu einer dieser flankierenden völkischen Gesinnungsströmung zählten, gesellen sich unzweideutige Gefolgsleute der NS-Bewegung […]

Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, S. 363: Lersch: Oktober 1933 aufgeführt unter dem Treuegelöbnis „88 deutsche Schriftsteller“ für Adolf Hitler. Mai 1933: Berufung in die Deutsche Akademie der Dichtung der „gesäuberten“ Preußischen Akademie der Künste.

NS-Ehrung: 1935 Rheinischer Literaturpreis, NSDAP-Ehrenbegräbnis

47: Keine Belege aus Beständen des Stadtarchivs

Siehe auch Uwe K. Ketelsen, Literatur im Dritten Reich. Vierow bei Greifswald, 1994: „Zu Beginn der NS-Zeit, im Mai 1933 wurde er in die Preußische Akademie der Künste berufen. Im Oktober 1933 gehörte er zu den 88 deutschen Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten. Nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg unterzeichnete er am 19. August 1934 einen Aufruf der Kulturschaffenden anlässlich der Volksbefragung zur Vereinigung des Amtes des Reichskanzlers und Reichspräsidenten in der Person von Adolf Hitler. 1935 erhielt Lersch den Rheinischen Literaturpreis. […] Nach Kriegsende wurden in der Sowjetischen Besatzungszone Lerschs Werke: Deutschland muß leben (1914),

Page 29: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

29

Herz! Aufglühe dein Blut! (1916), Klinge hinaus, schlagender Schall (1940), Wir Werkleute (1936) und Das dichterische Werk (1944) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.“

Siehe: (http://www.aw-wiki.de/index.php/Heinrich_Lersch): „Lersch-Texte wurden in Schulbüchern gedruckt, und er war stolz darauf, in Schulen und vor der Hitler-Jugend sprechen zu dürfen.(…) Heinrich Lersch "merkte in seinem Überschwang wohl nicht, was der Nationalsozialismus wirklich war und was die Nationalsozialisten letztlich wollten", sagte sein Sohn Edgar Lersch im Jahr 2004 bei einem Vortrag über seinen Vater. Der Arbeiterdichter "beging sogar die Dummheit, ich muss das bei allem Respekt vor meinem Vater sagen, Gedichte aus den 20er Jahren umzuschreiben", so Edgar Lersch: "Wir sind die Soldaten der neuen Armee, die hämmernden Brüder der Welt ...", hieß es beispielsweise in einem hoffnungsfrohen Gedicht über die Aufbruchstimmung nach dem Ersten Weltkrieg, das Lersch nun umformulierte: "Wir sind die Soldaten der braunen Armee, die Kolonnen der eisernen Zeit ..." Und vor den Gedichtband "Mit brüderlicher Stimme", für den er den 1935 in Düsseldorf mit dem "Rheinischen Literaturpreis" ausgezeichnet worden war, schrieb er die Widmung: "Im Sinne des Führers: Der Gefolgschaft". Heinrich Lersch tritt dem "Deutschen Jungvolk" bei, einer Unterorganisation der Hitler-Jugend, in der seine beiden Söhne Stamm- und Fähnleinführer sind, und wird "Ehren-Jungzugführer".(…)NS-Funktionäre bis hinauf zum Koblenzer Gauleiter Gustav Simon nehmen Lerschs Tod zum Anlass für eine Inszenierung.

Das Verhältnis Heinrich Lersch – Nationalsozialistisches Regime umschreibt recht treffend dieses Zitat: „Häufig als "Arbeiterdichter" eingestuft aufgrund einer Spannbreite von Sozialismus bis Religiosität - vom Nationalsozialismus vereinnahmt, nachdem er selbst das Regime mit Verklärungen feierte.“ (http://www.polunbi.de/pers/lersch-01.html#bio).

7. Vergleich mit anderen Städten und Namen von Schulen / Umbenennungen

Es gibt 28 Straßen in Deutschland, die eindeutig nach Heinrich Lersch benannt sind. Darüber hinaus gibt es 10 Lerschstraßen und -wege, von denen vermutlich einige nach Heinrich Lersch benannt sind

8. Entscheidungszuständigkeit für (Um-)Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Ost

Page 30: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

30

Stehrweg

1. Straßenname

Stehrweg (im Stadtbezirk Münster-Ost)

2. Prominenz des Namensgebers

Überörtlich

3. Frühere Namen

Die Straße war neu und wurde am 12.04.1952 erstmalig benannt.

4. Anzahl der Anlieger/Bewohner

Statistische Angaben zum Stehrweg: Hausnummern: 58 gemeldete Einwohner: 469

5. Vorgeschichte, Anmerkungen bzw. Anträge auf Umbenennung in Münster

Anträge auf Umbenennung sind hier bisher nicht bekannt.

6. Historische Einschätzung

Hermann Stehr (1864 bis 1940) Volksschullehrer, seit 1912 freier Schriftsteller. Er schrieb Romane, Erzählungen – in einigen von ihnen ist Münster der Schauplatz der Handlung -, Gedichte, ein Drama und zahlreiche Aufsätze und Reden. Hermann Stehr starb im Jahre 1940.

Ernst Klee, Das Kulturlexikon zum Dritten Reich, S. 587: Stehr, Hermann. Reichskultursenator, 1933 Senator der „gesäuberten“ Deutschen Akademie der Dichtung der Preuß. Akademie der Künstler. Am 19.08.1934 Unterzeichner des Aufrufs der Kulturschaffenden zur Volksbefragung zwecks Vereinigung des Reichskanzler- und Reichspräsidentenamts in der Person Hitlers. Rechtfertigung der Morde anlässlich des Röhm-Putsches.

NS-Ehrung: Am 17.10.1933 erster Preisträger des Goethepreises der Stadt Frankfurt in der NS-Zeit. 1934 „Adlerschild des Deutschen Reiches“ (höchster Wissenschaftspreis), in der Festrede von Griese zum Wegbereiter des Nationalsozialismus ausgerufen.

Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Stehr

In der Gründungsphase der Weimarer Republik trat Stehr als Wahlredner der Deutschen Demokratischen Partei für seinen Freund Walter Rathenau auf. Stehr siedelte sich 1926 mit finanzieller Unterstützung seines Mäzens, des Textilunternehmers Max Pinkus, Schreiberhau an. Er war 1926 Gründungsmitglied der Preußischen Dichterakademie, einer Unterabteilung der Preußischen Akademie der Künste. Anschließend näherte er sich der Blut-und-Boden-Ideologie an.

Nach 1933 gehörte er weiterhin der „gesäuberten““ Akademie der Dichtung an. Nach dem Tod des Reichspräsidenten Hindenburg gehörte Stehr im August 1934 zu den Unterzeichnern des Aufrufs der Kulturschaffenden zur „Volksbefragung“ über die Zusammenlegung des Amts des

Page 31: Stammblätter zu Straßennamen · 2014. 11. 6. · Die „SCHWARZE WITWE“, Autonome Frauenforschungsstelle in Münster, beantragt die Umbenennung und macht den Vorschlag: Bertha-von-Suttner-Platz

31

Reichspräsidenten und Reichskanzlers in der Person Hitlers. Ebenso schrieb er eine Rechtfertigung zur Legalisierung der Morde anlässlich des Röhm-Putsches in der Deutschen Allgemeinen Zeitung. Der nationalsozialistische Kulturbetrieb feierte Stehr als „Künder der deutschen Seele“ und pries ihn wegen seiner „völkischen Erdverbundenheit“, doch entzog er sich weitgehend der Vereinnahmung und er schrieb auch keine Lobgesänge auf Adolf Hitler.

Siehe: http://www.silesia.biz/personen-stehr-hermann.htm

Stehr, Hermann, schlesischer Schriftsteller, * 16. 2. 1864 Habelschwerdt, † 11. 9. 1940 Oberschreiberhau; bekannte sich zum Nationalsozialismus; schrieb u. a. von schlesischer Mystik beeinflusste Bauern- und Familienromane.

7. Vergleich mit anderen Städten

Es gibt fünf Straßenbenennungen nach Hermann Stehr in den Städten Dortmund, Hagen (Westf.), Lüneburg, Steinfurt und Münster.

Juni 2010: In Neuenkirchen-St. Arnold wird die Straßenbenennung nach Stehr überprüft.

8. Entscheidungszuständigkeit für (Um-)Benennung der Straße

Bezirksvertretung Münster-Ost