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STANDORT SCHWEIZ Grosse Herausforderungen neuer Fokus RAHMENBEDINGUNGEN, ANALYSEN, PERSPEKTIVEN

Standort Schweiz

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Standort Schweiz

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STANDORT SCHWEIZGrosse Herausforderungen – neuer FokusRAHMENBEDINGUNGEN, ANALYSEN, PERSPEKTIVEN

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5 Standortpromotion Schweiz – Gemeinsam Stärken zeigen JEAN-DANIEL GERBER, STAATSEKRETÄR, DIREKTOR SECO

7 Chancen und Grenzen des Standort-Föderalismus JEAN-MICHEL CINA, PRÄSIDENT DER VOLKSWIRTSCHAFTSDIREKTOREN-

KONFERENZ

9 Standort Schweiz 2015 – Das Projekt DANIEL KÜNG, CEO OSEC

13 12 Punkte zur Standortpromotion der Schweiz MEDARD MEIER / BEAT LEIMBACHER

Markt und Strategie

19 Wie der Ansiedlungsprozess zu organisieren ist PRICEWATERHOUSECOOPERS

31 Zielgruppen (Branchen) für die Schweizer Standortförderung CREDIT SUISSE

39 Die wichtigsten Zielländer für die Schweizer Standortwerbung 2015 bis 2020 CREDIT SUISSE

57 Standort-Promotion: Zentrale Anforderungen an den Marktauftritt THE BOSTON CONSULTING GROUP

79 Wie sich der Marktzugang zur Schweiz professionalisieren lässt ACCENTURE

Wie die Schweiz gesehen wird

95 Wie internationale Manager den Standort Schweiz beurteilen ERNST & YOUNG

105 Auf welche Standortfaktoren setzt die Schweiz? DELOITTE

INHALT

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Rahmenbedingungen

121 Unternehmenssteuern – es besteht Handlungsbedarf KPMG

133 Wo die Schweiz Spitze verkörpert: Bildung, Forschung und Innovation ETH

145 Standort Schweiz: Rechtliche Rahmenbedingungen BAKER & MCKENZIE

159 Herausgeber 160 Impressum

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Standortpromotion Schweiz –Gemeinsam Stärken zeigen

Jean-Daniel Gerber, Staatssekretär und Direktor Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco)

Die Schweiz zählt in einem international härter werdenden Wettbewerb nach wie vor zur Spitzengruppe der attraktivsten Unternehmensstand-orte. Der «Global Competitiveness Report 2009–2010» des World Eco-nomic Forum (WEF) zum Beispiel setzt die Schweiz auf Platz 1 der wett-bewerbsfähigsten Nationen. Die Schweiz ist also ein ausgezeichnetes «Produkt», welches Bund, Kantone und Gemeinden im Ausland bewer-ben können.

Die Promotion des Standortes Schweiz ist jedoch komplex. Ständig wechselnde Rahmenbedingungen auf internationaler und nationaler Ebe-ne, vielfältige Bedürfnisse der Unternehmen, unterschiedliche Strate- gien der Kantone und weiterer Partner – all diese Faktoren führen zu diversen Erwartungen der Akteure. Gleichzeitig wissen wir, dass ein einheitlicher Auftritt von Bund und Kantonen matchentscheidend sein kann. Im Interesse des Standorts Schweiz ist deshalb der ständige Dia-log und eine wirkungsvolle Koordination unter allen Partnern von grösster Bedeutung.

Einige der wichtigsten privaten Akteure haben nun auf Anregung von Osec eine eigene Standortbestimmung vorgenommen. Herausgekommen sind innovative Vorschläge und Ideen, wie die Standortpromotion aus Sicht der privaten Unternehmen ausgerichtet werden sollte. Der Bund wird nun die Verbesserungsvorschläge überprüfen und wenn geeignet in seine Bot-schaft über die Standortförderung 2012-2015 einfliessen lassen. Die politi-sche Debatte steht 2011 im Bundesparlament an.

Operationell ist der Bund seit 2008 nicht mehr selbst in der Standort-promotion tätig. Die privat organisierte Osec hat den Auftrag erhalten, in Kooperation mit den Kantonen und privaten Organisationen die nach- 5

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OSECSTANDORTpROMOTION SCHWEIZ – GEMEINSAM STäRKEN ZEIGEN

haltige Ansiedlung ausländischer Unternehmen zu fördern. Osec ver-mittelt dabei Grundlageninformationen über die Schweiz, organisiert Investorenseminare und andere Promotionsaktivitäten. Damit ergänzt Osec die Anstrengungen der Kantone und der privaten Unternehmen und nützt Synergien mit der Exportförderung, etwa über den Einsatz ihres Netzes von Aussenstellen.

Ich danke den Unternehmen für ihre wertvollen Vorschläge und freue mich auf eine konstruktive Debatte über die nächsten Jahre hinweg – im gemeinsamen Bestreben, das gute Produkt «Unternehmensstandort Schweiz» noch zielgerichteter und effizienter bekannt zu machen.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Jean-Michel Cina, Präsident der Volkswirtschaftsdirektorenkonferenz

Vom Genfersee bis an den Bodensee, von Chiasso bis nach Basel sie-deln sich Jahr für Jahr Unternehmen aus der ganzen Welt an, die neue Ar-beitsplätze schaffen, forschen, exportieren, Niederlassungen gründen und nicht zuletzt auch Steuern zahlen. Schlagkräftige Standortpromo-tionen tragen wesentlich zu diesen erfolgreichen Unternehmensansied-lungen bei.

Ansiedlungspolitik ist zunächst einmal Aufgabe der Kantone. Sie ken-nen ihr Wirtschaftsgefüge und sind daher in der Lage, die Vorzüge und Geschäftsmöglichkeiten ihrer Region zu verkaufen. Der Wettbewerb zwischen den Kantonen führt dazu, dass sie ihre Standortattraktivität laufend optimieren: Unternehmenssteuern werden gesenkt, neues In-dustrieland wird erschlossen, Büroflächen werden zur Verfügung ge-stellt und die Verkehrsanbindungen werden verbessert. Die kantonalen Wirtschaftsförderstellen werben aber auch mit weichen Standortfak-toren wie landschaftlichen Vorzügen und schnellen Entscheiden um die Gunst der ausländischen Unternehmen.

Dank diesem Wettbewerb zwischen den Kantonen erhöht sich auch die Standortattraktivität der Schweiz jedes Jahr, denn die Schweiz ist die Summe der Kantone: Geht es den Gliedstaaten wirtschaftlich gut, pros-periert das gesamte Land. Föderalismus und Subsidiaritätsprinzip gel-ten auch in der Standortpromotion. Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass man sich den globalen Entwicklungen verschliesst. Die Konkurrenz um ansiedlungswillige Unternehmen hat sich weltweit verschärft und dürfte nach dieser Krise nochmals zunehmen. Unzählige Standorte ste-hen in einem äusserst harten Wettbewerb um die besten Unternehmen. Daher müssen auch die Kantone der Schweiz nicht nur ihre Standort- attraktivität laufend optimieren, sondern auch ihre Kräfte bündeln, um sich im Ausland gemeinsam noch besser zu vermarkten.

Chancen und Grenzen des Standort-Föderalismus

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OSECCHANCEN UND GRENZEN DES STANDORT-FöDERALISMUS

Die Kantone haben dies erkannt und sich regional in der exogenen Wirt-schaftsförderung zusammengeschlossen in Organisationen wie Greater Zurich Area, Greater Geneva Berne Area oder Basel Area. Aber auch die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen bzw. den gemeinsamen Organisationen der Kantone muss unvoreingenommen analysiert und gegebenenfalls angepasst werden. Ziel muss es sein, dass unsere Kun-den, d.h. ansiedlungsinteressierte Firmen, optimal betreut werden und sich schliesslich in der Schweiz niederlassen.

Die vorliegenden Beiträge von Unternehmen und Institutionen zeigen in-teressante Aspekte auf, wie wir unsere Standortpromotion international noch besser positionieren können. Ich schätze diese Vielfalt an Ideen und freue mich auf spannende und intensive Diskussionen.

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Daniel Küng, CEO Osec

Die Standortpromotion für die Schweiz auf nationaler Ebene ist eine Erfolgsgeschichte. Und dies, obgleich es sie als solche bis vor wenigen Jahren eigentlich noch gar nicht gab, denn Standortmarketing ist eine hoheitliche Aufgabe der Kantone. Ein zusätzliches, vom Bund ins Leben gerufenes Programm für die Vermarktung der gesamten Schweiz als Unternehmensstandort gibt es erst seit 1996, und seit dem 1. Januar 2008 sind wir von der Osec dafür zuständig. Unser Leistungsspektrum wird vom Seco und von den Kantonen in Leistungsaufträgen definiert. Es umfasst die Koordination der Standortpromotion zwischen Bund und Kantonen, die Vermittlung von Informationen zum Unternehmensstand-ort Schweiz und die Bereitstellung entsprechender Plattformen. Dafür stehen uns vom geschätzten Gesamtbudget von etwa 30 Millionen Fran-ken, das schweizweit für die Standortpromotion im Ausland ausgegeben wird, etwa 6 Millionen zur Verfügung. Die übrigen 24 Millionen verteilen sich auf die Kantone und die von ihnen zur Bündelung der Kräfte ins Le-ben gerufenen regionalen Organisationen.

Mit der Finanzkrise werden die Signale immer stärker, dass wir die heu-tige starke Position der Schweiz als Ansiedlungsland für Unternehmen in der Welt nur halten werden können, wenn wir die heutige Aufgabentei-lung bei der Standortpromotion sowie die unter den Partnern vereinbar-ten Prozesse mutig hinterfragen und neue, zukunftsweisende Konzep-te entwickeln. Es geht dabei nicht um ein Verändern der vorgegebenen Rahmenbedingungen, sondern um eine Optimierung der Rollenverteilung und der Prozesse.

In Erfüllung unserer Koordinationsaufgabe haben wir die Initiative er-griffen, bestehendes Wissen zu bündeln und als Diskussionsgrundlage aufzubereiten. Wir haben neun mit der Standortförderung verbundene Institutionen eingeladen, die Schweizer Standortpromotion aus ihrer

Standort Schweiz 2015 –Das projekt

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OSECSTANDORT SCHWEIZ 2015 – DAS pROjEKT

ganz individuellen Sicht zu beurteilen. Wir haben mit ihnen zusammen Themenblöcke bestimmt, ihnen aber dann bei der Ausgestaltung völlig freie Hand gelassen. Herausgekommen ist eine Sammlung von Beiträ-gen, die die derzeitige Meinungsvielfalt wiedergeben, die Probleme zum Teil kontrovers und provokativ sichtbar machen und die Handlungsop-tionen aufgrund praktischer Erfahrungen skizzieren. Sie widerspiegeln einzig und allein die Meinung der Autoren. Unsere eigene Meinung ist in keinen dieser Beiträge eingeflossen.

Um die ganze Sache für den Leser griffiger zu gestalten, haben wir den anerkannten Publizisten Medard Meier um die Umsetzung der individuel-len Beiträge in die vorliegende Broschüre gebeten. Er hat zusammen mit dem Projektkoordinator Beat Leimbacher im Namen der neun Autoren die wichtigsten Aussagen der Artikel in zwölf Punkten zusammengefasst und dabei Kanten, Ecken und Widersprüche nicht abgeschliffen.

Ich selber habe die Beiträge und die Zusammenfassung mit der gleichen Spannung gelesen wie hoffentlich auch Sie. Als Chef der Osec ziehe ich daraus für unsere Arbeit vorläufig folgende erste Schlüsse:

– Der globale Standortwettbewerb wird härter. Die Schweiz hat nur mit einem starken und koordinierten Auftritt im Ausland Erfolg. Wirtschaft und Verwaltung müssen noch enger zusammenarbeiten. Die inhaltsstar-ke Marke Schweiz ist ein Trumpf.

– Wir müssen die Aufgabenteilung zwischen Bund, Verbänden, Kan-tonen und ihren regionalen Zusammenschlüssen kritisch überprüfen. Dabei richten wir uns am Subsidiaritätsprinzip aus, legen die Verant-wortlichkeiten aber verbindlich fest. Klärung suchen wir bei der Zu-ständigkeit für nahe und ferne Märkte und bei der Arbeitsteilung in den Bereichen Basisinformation, Marktbearbeitung, Leadbearbeitung, An-gebotserstellung und Ansiedlung. All dies sollte in ein gemeinsam erar-beitetes Gentlemen’s Agreement einfliessen, das sowohl den Gesamt-nutzen für die Schweiz als auch den Eigennutzen der Kantone im Auge behält. Der gesunde Wettbewerb zwischen den Kantonen soll dadurch in keiner Weise beeinträchtigt werden.

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– Entscheidend ist es, dass wir uns in die Position der umworbenen In-vestoren in den Zielländern versetzen: Sie wünschen wenige Ansprech-personen mit breit abgestütztem Know-how, klare, gut strukturierte An-gebote, schnelle und verbindliche Entscheidungsmechanismen.

– Unsere Standortvorteile gilt es deutlicher herauszuarbeiten und in nationale, regionale, kantonale Argumente zu bündeln, Vorteile von In-dustrien und Clustern müssen wir hinzufügen. Unsere hervorragenden Standortvorteile haben wir zielmarktspezifischer einzusetzen.

– Die Zielmärkte und die erfolgversprechendsten Zielfirmen sind sorg-fältiger zu evaluieren, zu segmentieren und unter Mithilfe der offiziellen Schweiz zielgerichteter anzugehen. Hier könnten sich innovative Kon-zepte anbieten, wie zum Beispiel der Key-Account-Ansatz. Aber auch langfristige persönliche Kontakte sollten wir verstärkt einsetzen.

Alles in allem geht es mir um zwei Sachen: Erstens müssen wir den Ge-samtnutzen der Standortpromotion für die ganze Schweiz erhöhen. Denn dadurch wächst auch der Individualnutzen für die Kantone. Dazu wird es auch notwendig sein, dass wir den «Erfolg» neu definieren. Zwei-tens müssen wir die potenziellen Interessenten so behandeln, wie sie es sich wünschen, und nicht so, wie unser bestehendes System es vorgibt.

Meine Hoffnung ist es, dass der Bund, die Osec, die Kantone und ihre regionalen Organisationen den Dialog, den wir mit den vorliegenden Bei-trägen anstossen, intensiv fortsetzen und dass wir schnell verbesserte Konzepte für die Standortpromotion der Schweiz im Ausland konzipie-ren und umsetzen. Das vorliegende Basispapier liefert dazu genügend Gedankenanstösse.

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12 punkte zur Standortpromotion der Schweiz Positionen der neun unabhängigen Autoren.

Medard Meier / Beat Leimbacher

1. Aufklären Die Schweiz ist aus Sicht internationaler Unternehmen ei-nes der attraktivsten Länder für Direktinvestitionen. Sie schätzen ins-besondere die politische Stabilität sowie die Rechtssicherheit des Lan-des. Unternehmen, die schon in der Schweiz investiert haben, sind von Schlüsselbereichen wie Innovation, Unternehmergeist und Forschung und Entwicklung überzeugter als Unternehmen, welche noch nicht in der Schweiz tätig sind.

2. Konkurrenz rückt vor Die Konkurrenz holt auf. Der globale Wettbe-werb um die Ansiedlung ausländischer Unternehmen ist härter gewor-den, und die Ansprüche an den Standort wachsen schnell. Traditionell vorteilhafte Standortfaktoren allein genügen nicht mehr. Sie müssen durch konsequente Standortpromotionen auch gezielt und fokussiert vermarktet werden. Welches die jeweils relevanten Standortfaktoren sind und wie sie in den Zielländern wahrgenommen werden, gilt es lau-fend zu überprüfen und länderspezifisch anzupassen. Die Handlungs-strategien verändern sich entsprechend.

3. Visionen entwickeln Internationale Konzerne haben für die Schweiz grosse Bedeutung. Deshalb braucht es einen gemeinsamen Willen, die Standortvorteile stetig zu verbessern. Gleichzeitig ist ein starker und koordinierter Auftritt im Ausland notwendig. Wirtschaft und Verwaltung müssen Zukunftsstrategien entwickeln, welche die Politik mittels Rah-menbedingungen gestaltend umsetzt. Dabei gilt es Fragen zu beantwor-ten wie: Für welche Interessen wollen wir uns gemeinsam einsetzen? Wofür soll die Schweiz in wirtschaftlicher Hinsicht stehen – weiterhin für ein Land mit höchster Wertschöpfung pro Arbeitsplatz und höchstem Lebensstandard? 13

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OSEC12 pUNKTE ZUR STANDORTpROMOTION DER SCHWEIZ

4. Landeswerbung optimieren Die Koordination der Landeswerbung sollte, wie schon die Aussenwirtschaftsförderung, weiter optimiert wer-den. Der bundesrätliche Gesetzesentwurf dazu weist den Weg. Dazu stehen ein koordinierter Auftritt und ein koordiniertes Vorgehen von der Osec, Präsenz Schweiz und Schweiz Tourismus im Vordergrund. Nur so wird die Schweiz im Ausland wirklich sichtbar. Entscheidend ist auch hier eine gemeinsame Vision unter den Beteiligten.

5. Mitteleinsatz bündeln Mit einem Budget von 30 Millionen Franken für die Standortpromotion liegt die Schweiz relativ zum Bruttoinlandpro-dukt auf der Höhe vergleichbarer Länder wie Österreich und Schweden. Bedingt durch die föderalistische Struktur des Landes werden die Mit-tel jedoch zersplittert und von Bund, Kantonen und Gemeinden zu wenig koordiniert eingesetzt. Dadurch werden Chancen verpasst. Das Resultat sind Doppelspurigkeiten und ein Auftritt, der bezüglich Konsistenz und Kundenorientierung noch verbessert werden kann.

6. Mit «Gentlemen’s Agreement» unter den Promotoren agieren Be-trächtliches Verbesserungspotenzial lässt sich mit einer Aufgabentei-lung zwischen Bund und Kantonen gezielter ausschöpfen, z.B. dadurch, dass nationale Standortfaktoren zentral und einheitlich durch den Bund und seine Organisationen, die regionalen aber durch die Kanto-ne vermarktet werden. Denkbar wäre auch, dass der Bund und seine Institutionen die fernen Zielmärkte bearbeiten und die Kantone die na-hen europäischen Märkte. Deutschland hat erfolgreich vorgemacht, dass es auch in einer föderalistischen Struktur möglich ist, über ein «Gentlemen’s Agreement» eine verbesserte Koordination und Koope-ration unter den Standortpromotoren des Landes zu erreichen. Dies würde den Nutzen für die gesamte Schweiz und die einzelnen Kantone erhöhen.

7. Zielmärkte neu definieren Nur wer in den richtigen Ländern präsent ist, kann seinen Standort effizient und erfolgreich vermarkten. Dazu braucht es eine längerfristige Potenzialanalyse möglicher Zielmärkte, welche die Bedürfnisse der Schweiz spezifisch berücksichtigt. Daraus leitet sich eine Strategie ab, die diejenigen Zielländer identifiziert, auf

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die sich die Standortpromotion frühzeitig fokussieren soll. Im Zentrum sollten neben den traditionell wichtigen Herkunftsländern aufgrund ih-rer Wachstumsperspektiven vor allem die Schwellenländer – insbeson-dere die BRIC-Staaten – stehen.

8. Auf Spitzenunternehmen abzielen Die Branchenauswahl muss breit angelegt sein und die Rahmenbedingungen eine positive Entwicklung al-ler Branchen zulassen. Die stärksten Unternehmen – die relativen Ge-winner einer Branche – gilt es dann in den Zielländern zu identifizieren und frühzeitig anzusprechen. Verfolgt man in erster Linie einen Cluster-Ansatz, verstärkt man zwar das Chancenpotenzial für Zielfirmen, handelt sich jedoch die Gefahr eines volkswirtschaftlichen Klumpenrisikos ein.

9. «Human Touch», Erfahrung und Geschwindigkeit einsetzen Die iden-tifizierten Unternehmen, die in Europa investieren möchten, sind recht-zeitig und proaktiv anzusprechen. Obwohl teurer, dürfte dieser Ansatz die Erfolgsquote der Ansiedlungen deutlich verbessern und sich über die erwarteten Beiträge zum BIP bestens refinanzieren. Je nach Potential unterscheidet man High, Mid und Low Value Clients. Das oberste Seg-ment verlangt ein Key-Account-Management, das möglichst den gesam-ten Ansiedlungsprozess begleitet und damit eine Zielfirma auf dem gan-zen Weg aus einer Hand betreut. Hier sind Geschwindigkeit und «Human Touch» für den Erfolg zentral. Mid-Value-Kunden werden branchenspe-zifisch betreut. Das unterste Segment versorgt sich über leicht zugängli-che Informationssysteme selbst.

10. Rechtsvorteile In der Schweiz ist nicht die Marktgrösse ausschlag-gebender Faktor für Direktinvestitionen. Deshalb sind attraktive rechtli-che Rahmenbedingungen zentral. Die Grundlage dafür ist unser flexibles Gesellschaftsrecht, das in der Anwendung pragmatisch ist und gleich-zeitig allen Beteiligten Rechtsschutz und Rechtssicherheit bietet. Zu-dem ist es entscheidend, dass der Wettbewerbsvorteil im Arbeitsrecht gewahrt bleibt. Die Schweiz ist in diesen Bereichen weitestgehend frei von internationalen Rechtszwängen. Diese Gestaltungshoheit zugunsten des Standortes sollte unbedingt ausgeschöpft werden. Gleichermas-sen wichtig sind die liberale Anwendung von Arbeits- und Aufenthalts-

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bewilligungen innerhalb der bestehenden Rechtsordnung sowie fort-schrittliche Forschungsbedingungen.

11. Steuerpolitik Im internationalen Steuerwettbewerb ist die Schweiz noch gut positioniert. Doch der Anpassungsdruck steigt. Die Einführung neuer Steuermodelle beziehungsweise die Adaptation bewährter aus-ländischer Modelle könnte ein Weg sein, die Schweiz noch stabiler zu positionieren. Denkbar ist der Einsatz gezielter Steueranreize, die die Schweiz bei Konzernfunktionen mit hoher Wertschöpfung attraktiv ma-chen. Vorsicht ist geboten, den Trend zur generellen Steuersatzsenkung fortzuschreiben. Eine Alternative könnte sein, dass sich die Schweiz auf international anerkannte Privilegien und Ausnahmen von Bemessungs-grundlagen abstützt, wie dies die Niederlande und Luxemburg vorma-chen. Steuerliche Massnahmen greifen nur, wenn sie sorgfältig in die weiteren Standortvorteile der Schweiz eingebettet sind.

12. Bildungsexzellenz Eine der tragenden Säulen für den Standort Schweiz ist und bleibt die Qualität der Ausbildung. Dies betrifft sowohl die tertiäre Bildung wie auch die Berufsbildung und ihre nachgelagerten Bildungsgänge. Ebenso zentral ist jedoch der Mut zur Exzellenzförde-rung, die eine bewusste Ungleichbehandlung und Differenzierung der Hochschulen zulässt. Nur so bleibt das Land im globalen Wettbewerb um Talente und um ansiedlungswillige Unternehmen, die mit Hochschulen zusammenspannen möchten, längerfristig konkurrenzfähig.

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MARKT UND STRATEGIE

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Wie der Ansiedlungsprozesszu organisieren ist

Die Schweiz zählt zu den attraktivsten Ländern der Welt – als Lebensraum für Individuen und als Standort für Unternehmen. In Zeiten des Umbruchs, wie wir sie derzeit erleben, ergibt sich die Chance, diese Stellung weiter zu stärken. Dies wird dann am besten gelingen, wenn die involvierten Akteure mit einer ge-meinsamen Vision und einer darauf basierenden Standortstrategie agieren. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Ansiedlungsprozess zu. Im vorliegenden Text werden die Bausteine einer erfolgreichen Ansiedlungsstrategie beleuchtet. Die Beobachtungen basieren auf der Erfahrung als beratender Begleiter vieler An-siedlungen, ihnen kommt insofern empirischer Charakter zu.

Markus Neuhaus / Christina Kunz, PricewaterhouseCoopers

Alle Zeichen deuten darauf hin, dass sich die internationale Wirtschaft und Politik in einer Phase des Umbruchs und der Kräfteverlagerungen befin-den. Auch im internationalen Standortwettbewerb werden die Karten neu gemischt. Die Unternehmen überdenken ihre Standortpolitik regelmäs-sig und die Anforderungen an einen Standort wachsen immer schneller, was höhere Anforderungen an die Anpassungsfähigkeit beziehungsweise an die Entwicklungsfähigkeit eines Standortes stellt. Die Krise heizt den Konzentrationsprozess weiter an, in dem nur die «Fittesten» überleben. Generell gilt, dass der globale Standortwettbewerb härter geworden ist.

Angesichts der grossen Bedeutung der international tätigen Konzerne für das Land muss die Schweiz ihre Standortvorteile stetig weiter aus-bauen. Sie braucht einen star-ken und koordinierten Auftritt im Ausland. Wirtschaft und Verwaltung müssen gemeinsam Zukunftsstrategien entwickeln, welche von der Politik mittels Rahmenbedingungen gestaltend umge-setzt werden. Dazu braucht es vermehrt gemeinsame Strategieüber-legungen. Für welche Interessen will man sich gemeinsam einsetzen? 19

Für eine Schweiz mit der höchsten Wert-schöpfung pro Kopf, die in zukunfts- weisenden Industriesektoren führend ist.

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pRICEWATERHOUSECOOpERSWIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST

Für welches Bild der Schweiz? Zum Beispiel für eine Schweiz mit der höchsten Wertschöpfung pro Kopf, die in zukunftsweisenden Industrie-sektoren führend ist, für eine Schweiz, die in Bildung, Forschung, Um-setzung und Vermarktung integriert Spitzenleistungen erbringt, für eine Schweiz, die sich den Veränderungen laufend anpasst, für eine Schweiz mit dem höchsten Lebensstandard.

Zentrale Inhalte einer Ansiedlungsstrategie umfassen die Standortpro-motion im Ausland für die Schweiz, die stete Verbesserung der Stand-ortattraktivität der Schweiz und die konkrete Abwicklung von Ansiedlun-gen von Unternehmen und/oder Talenten. Diese drei Bausteine werden im Folgenden beleuchtet.

Ziel der Standortpromotion im Ausland ist es, den Wirtschaftsstandort Schweiz mit seinen Stärken zu vermarkten und dadurch Firmenansied-lungen zu fördern. Seit dem 1. Januar 2008 liegt die operative Verantwor-tung für die Standortpromotion des Bundes beim privatrechtlichen Ver-ein Osec Business Network Switzerland. In der Leistungsvereinbarung zwischen der Osec und dem Seco für die Periode 2008 bis 2011 ist unter anderem festgehalten, dass Bund und Kantone ihre Promotionsmass-nahmen gegenseitig abzustim-men haben. Unter der Ägide von LOCATION Schweiz (Vorgänger der Osec in der Standortpromo- tion) hat sich der Koordinations- stand zwischen Bund, Kantonen und Partnern aus dem Privatsektor stark weiterentwickelt, beispielswei-se durch Schaffung von Programmpartnerschaften in allen Zielmärkten. Dennoch bleibt die Abstimmung zwischen den verschiedenen Stand-ortpromotoren – gemäss Feedback von aussen und innen – ein Knack-punkt, Einzelaktionen und Doppelspurigkeiten in der Marktbearbeitung sind noch immer Realität. Wünschenswert ist auch, dass die Standort-promotion verstärkt interkantonal abgesprochen wird. Erfreulich ist in diesem Sinne der am 19. Juni 2008 gefasste Beschluss der Konferenz kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren zur verstärkten Koordination der Promotionsaktivitäten des Bundes und der Kantone.

Die Abstimmung zwischen den verschie- denen Standortpromotoren bleibt ein Knackpunkt, Einzelaktionen und Doppel-spurigkeiten sind noch immer Realität.

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Mit der Zusammenlegung der vom Bund gestützten Standortpromotion, Exportförderung, Importförderung aus Entwicklungsländern sowie der Förderung der Investition in Entwicklungsländer in ein Haus der Aus-senwirtschaft (Osec) wurde ein wichtiger Schritt Richtung verbesserter Koordination der Aussenwirtschaftsförderung getan. Dringend zu prüfen wäre auch die Schaffung einer bereichs- und departementsübergreifen-den Organisation der Landeswerbung, allenfalls die Zusammenlegung des Hauses für Aussenwirtschaft mit Präsenz Schweiz und Schweiz Tourismus, wie im bundesrätlichen Entwurf des Bundesgesetzes über die schweizerische Landeswerbung vorgeschlagen. Diese Institutionen arbeiten bereits heute projekt- und fallweise zusammen. Mit einer stär-keren Integration könnte der Auftritt der Schweiz im Ausland, basierend auf einer umfassenden Kommunikationsstrategie, noch wesentlich wirk-samer werden. Und auch hier gilt: Voraussetzung für eine erfolgreiche Positionierung und koordinierte Kommunikation ist eine gemeinsame Vision der involvierten Akteure.

Es muss klar entschieden werden, welche Botschaften wo und wie ein-gesetzt werden: die Botschaft des Tourismus unterscheidet sich von jener des Finanzplatzes oder des Technologiestandortes oder des For-schungs- und Bildungsstandortes. In koordinierter Form sollen die jewei-ligen «Botschafter», welche die stärkste Legitimation auf sich vereinen, nach aussen auftreten, nicht unkoordiniert gegeneinander oder nachei-nander. Entscheidend ist, dass die Vermarktung eines gewissen Themas durch den Stärksten erfolgt, also durch die Institution oder den Stand-ort, welcher von aussen als stark und attraktiv wahrgenommen wird, sei dies der Bund, eine Region, ein Kanton, eine Stadt oder ein Industrieclus-ter, oder durch mehrere dieser Stellen gemeinsam, koordiniert und mit einer Botschaft. Es macht keinen Sinn, dass sich schwache Institutionen oder Standorte einzeln nach aussen vermarkten. Regionale Verteilfra-gen sind Schweiz-intern zu lösen. Dabei gibt es für alle zu vermarkten-den Bereiche gewisse Spezialthemen, für welche die Schweiz aufgrund ihrer Stärken steht, und diese Stärken sind konsistent zu kommunizie-ren. Grundlage dazu muss eine von Wirtschaft und Verwaltung gemein-sam getragene Strategie sein, welche auf die treibenden Sektoren und Elemente der Wertschöpfungskette ausgerichtet ist. Diesbezüglich soll

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der Bund die Koordination der öffentlichen Stellen übernehmen. Die Ver-marktung soll überdies eine Gemeinschaftsaufgabe von Wirtschaft und Verwaltung sein. Die Schweiz muss zu ihren starken Marken stehen und diese in den Vordergrund stellen. Die Standortstrategie muss nach aus-sen klar wirtschaftlich ausgerichtet sein. Entsprechend ist der Ansied-lungsprozess auch zu gestalten.

Ebenfalls zur Prüfung empfehlen sich die Bundesausgaben im Bereich Landeswerbung. Die Tourismusbranche trägt, gemäss Zahlen des «Tra-vel & Competitiveness Report 2007» des WEF, 6,2 Prozent zum BIP bei. Gemäss Schätzungen im Rahmen einer gemeinsamen Studie der Swiss-American Chamber of Commerce und der Boston Consulting Group erwirtschaften multinationale Unternehmen rund einen Drittel des Schweizer BIP. Während sich die Finanzhilfe des Bundes für Schweiz Tou-rismus für die Periode 2008 bis 2011 auf 186 Millionen Franken beläuft, werden für die Förderung der Information über den Unternehmensstand-ort Schweiz für dieselbe Periode 13,6 Millionen Franken gesprochen. Hier ist allenfalls eine Anpassung nötig.

Untrennbar mit der Landeskommunikation der Schweiz verbunden ist schliesslich auch die Aussenpolitik. Generell gilt, dass es ein mutiges Auftreten der Schweiz braucht, um die berechtigten eigenen Standort-interessen durchzusetzen und zu verteidigen. Es muss vermieden wer-den, dass andere Staaten diskriminierende Massnahmen gegenüber der Schweiz treffen oder gar Retorsionsmassnahmen gegen die von der Schweiz praktizierte Standortpolitik eingeleitet werden. Solche negati-ven Trends sind teilweise bereits Realität, und es besteht ein erhebliches Risiko, dass sie sich weiter verstärken. Es ist aber auch die Aufgabe der Wirtschaftsakteure, zu vermeiden, dass sie durch eigenes Verhalten im Ausland Anlass zu negativen Massnahmen geben.

Die konkrete Ansiedlung neuer Unternehmen ist seit je Aufgabe der Kantone, im Gegensatz zur Standortpromotion, die zu wesentlichen Tei-len beim Bund angesiedelt ist. Für staatliche Institutionen drängt sich im Bereich des Ansiedlungsprozesses eine Art «Generalunternehmer-modell» auf, eine zentrale Stelle, die den Ansiedlungsprozess führt, im

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Sinne eines One-Stop-Shop-Prinzips. Diese Stelle ist nicht der Bund. Die heutigen Überlappungen von Regionen, Kantonen und Städten sollten reduziert, wenn nicht gar besei-tigt werden. Sie sind teuer und verwirren. Diese zentrale Stelle soll die hoheitlichen Bewilli-gungsverfahren aktiv begleiten und zu Entscheiden führen oder gewisse Entscheidungskompetenz übertragen erhalten. Wo diese zent-rale Stelle nicht selber entscheiden kann, soll sie gemäss dem Prinzip der Unmittelbarkeit Zuzüger mit den kompetenten Stellen direkt zusam-menführen und den Dialog begleiten.

Öffentliche Ansiedlungsstellen sollen nicht zu Consulting-Firmen mutie-ren. Vielmehr ist zu verschiedenen Fragen, sei dies in rechtlichen Belan-gen oder zu Infrastrukturfragen, eng mit den dafür spezialisierten privaten Beratern zusammenzuarbeiten, um die Bewilligungen oder Rechtsaus-künfte einzuholen und die notwendigen Strukturen aufzubauen.

In der Praxis zeigt sich, dass sich öffentliche Stellen anderer Stand- orte oft sichtbar stärker um die Ansiedlung neuer Internehmen bemü-hen als in der Schweiz und dies mit Einsatz hochkarätiger Ressourcen tun. «Es wird der rote Teppich ausgerollt», und der Ansiedlungsprozess wird zur «Minister-Angelegenheit» erklärt, nicht zur Beamtensache. An-siedlungsverfahren sollten auch in der Schweiz Chefsache sein. Dabei muss der Chef nicht alles selber tun. Im Standortwettbewerb macht die Präsenz eines hochrangigen Regierungsvertreters jedoch einen wesent-lichen Unterschied aus. Dies ist keine Herabsetzung der Kompetenz und Tätigkeit der Beamten. Die Wahrnehmung von aussen ist jedoch erfah-rungsgemäss eine ganz andere, wenn sich der Chef interessiert zeigt. Überdies beeinflusst das oft auch die Motivation der Sachbearbeiter, rasch die bestmögliche Lösung zu finden, und das Verständnis für die Bedeutung einer spezifischen Ansiedlung.

Entscheidend im Rahmen einer Ansiedlung ist, dass rasch verbindlich ei- ne Lösung gefunden wird – langfristig. Praxisänderungen mit negativem

Die heutigen Überlappungen von Regionen, Kantonen und Städten sollten redu- ziert oder beseitigt werden. Sie sind teuer und verwirren.

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pRICEWATERHOUSECOOpERSWIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST

Einfluss auf einst erteilte Auskünfte und Bewilligungen sind ausseror-dentlich schädlich. Oft soll das bereits in einer frühen Phase in der Form eines Letter of Intent erfolgen, selbst auf abstrakter Basis (im Wissen, dass dies dann bloss den Charakter einer Absichtserklärung hat und nicht eine verbindliche Rechtsauskunft darstellt). Ein Letter of Intent gibt Planungssicherheit, was für die erfolgreiche Attraktion eines Unter-nehmens wichtig ist.

Die zwischenmenschliche Dimension erweist sich im Ansiedlungs-prozess als ebenso zentral wie die inhaltliche Abwicklung. Es muss früh vermittelt werden, dass mit den zentralen Stellen, welche eine Ansied-lung unterstützen, ein «Easy to work with»-Modus möglich ist. Die für die Ansiedlung zustän-digen Stellen müssen nach dem «Can do»- oder «Yes, we can»- oder «Wir machen es möglich»- Prinzip arbeiten und von den relevanten Verwaltungsstellen mit gleicher Einstellung unterstützt werden. Es sollten auch Anreize geschaffen wer-den, damit diese Stellen möglichst viele Firmen anziehen, auch über ent-sprechende Entschädigung. Damit den Bedürfnissen von potenziellen Ansiedlern bestmöglich entsprochen werden kann, muss Wissen über die Bedürfnisse der potenziellen Kunden aufgebaut werden. Wichtig ist der Aufbau von Beziehungen zu Schlüsselpersonen in Firmen. Man muss Kontakte suchen und pflegen, denn – entgegen der Theorie des Homo oeconomicus – werden Entscheidungen auch in der Wirtschaft meist auf-einer Vertrauensbasis getroffen. Und: Beziehungspflege darf nach erfolg-reicher Ansiedlung nicht aufhören. Es muss früh aufgezeigt werden, dass der Kunde auch nach erfolgter Ansiedlung nicht «alleine» gelassen wird und eine langfristige Ansiedlungsstrategie verfolgt wird, und das Ver-sprochene ist zu halten, der Standort hat kundenfreundlich zu bleiben.

Während es die primäre Verantwortung der Wirtschaft ist, in den führen-den Industrien heute und in Zukunft erfolgreich zu agieren, kommt der Po-litik die Aufgabe zu, die Rahmenbedingungen und das positive politische Klima zu schaffen, welches die heutigen wirtschaftlichen Tätigkeiten

Die für die Ansiedlung zuständigen Stellen müssen nach dem «Can do»- oder «Yes, we can»- oder «Wir machen es mög-lich»- Prinzip arbeiten.

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optimal unterstützt, zukunftsgerichtete Entwicklungen fördert und da-mit die Standortattraktivität der Schweiz verbessert. Dies ist das dritte Kernelement der Standortpolitik.

Entscheidungen in der Standortwahl basieren letztlich auf subjekti-ven Erwägungen. Entscheidungsrelevante Faktoren, die im Folgenden diskutiert werden, sind Bewilligungsfragen, Infrastrukturfragen, das persönliche Umfeld und die (steuer)rechtlichen Rahmenbedingungen.

Der Ansiedlungsprozess muss einerseits darauf ausgerichtet sein, Un-ternehmen mit ihren Arbeitskräften/Talenten anzuziehen. Andererseits geht es in verschiedenen Branchen und gerade im Forschungsbereich darum, einzelne Spitzenkräfte in die Schweiz zu ziehen. Auch dies muss der Ansiedlungsprozess unterstützten. Der Zuzug aus dem EU-Raum verläuft mittlerweile reibungslos, was lobenswert und für viele Bran-chen entscheidend ist. Zuzüge aus anderen Regionen der Welt sind aber nach wie vor aus verschiedenen Gründen schwierig. Die USA sind gerade mit Blick auf Ansiedlungen ein Land von zentraler Bedeutung, die Praxis zu Aufenthalts- und Arbeitsbe-willigungen entspricht dieser Bedeutung nicht. Noch schwie-riger ist die Lage in Bezug auf Zuzüger aus Asien. Berücksich-tigt man, dass Asien stark an Bedeutung gewinnen wird, auch für den Wirtschaftsstandort Schweiz und für die Frage der Ansiedlung von unternehmerischen Tätigkeiten, so kann sich diese Immigrationsproblematik als fatal erweisen, mit lang-fristig grossem volkswirtschaftlichem Schadenspotenzial.

Bezüglich Immigrationsfragen muss die Politik auf die globalen Trends ausgerichtet werden und gleichzeitig die Vision im Auge behalten. Wir wollen hochqualifizierte Arbeitskräfte, welche die Schweiz weiterbrin-gen können. Dabei gilt es, auch die Lebensbedürfnisse der Zuzüger zu berücksichtigen. Es geht üblicherweise nicht nur um die Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung für eine Person, sondern für eine ganze Familie, allenfalls inklusive Hausangestellte. Letztere stammen oft aus anderen

Wir wollen hochqualifizierte Arbeits- kräfte, welche die Schweiz weiterbringen können. Dabei gilt es auch die Lebens- bedürfnisse der Zuzüger zu berücksichtigen.

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pRICEWATERHOUSECOOpERSWIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST

Bewilligungsverfahren werden in der Schweiz im Rahmen von Ansied- lungen generell als schwerfällig und langwierig bezeichnet.

Regionen als die «Hauptzuzüger». Dies führt derzeit in der Schweiz zu fast unlösbaren Komplikationen, was ein wesentlicher Standortnachteil ist. Ein Lösungsansatz wäre, dass Hausangestellte unabhängig von ihrer Nationalität mit ihren Arbeitgebern zuziehen können. Verbesserungs- potential bezüglich Immigrati-onsfragen ist auch in der zeit- lichen Dimension des Prozes-ses auszumachen. Die Erfah-rung zeigt, dass Verfahren in der Schweiz, verglichen mit an-deren Standorten, länger dauern. Ein konkretes Beispiel soll das verdeut-lichen: das Einholen einer Arbeitsbewilligung für eine Japanerin, welche zur Betreuung japanischer Kunden eingesetzt werden sollte, dauerte in Deutschland zwei Tage, in der Schweiz zwei Monate.

Bewilligungsverfahren werden in der Schweiz im Rahmen von Ansied-lungen generell als schwerfällig und langwierig bezeichnet. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Das Generalunternehmermodell, wie oben beschrieben, eignet sich dazu, die Abwicklungszeit zu verkürzen und da-mit die Schweiz attraktiver zu machen. Vergleichbare Modelle werden in anderen Staaten wie z.B. Irland oder Singapur bereits sehr erfolgreich angewendet.

Infrastrukturfragen erweisen sich im Ansiedlungsprozess regelmäs-sig als problematisch. Jede zuziehende Gesellschaft braucht Raum oder Land zwecks Erstellung eines neuen Gebäudes. Dabei ist die Un-terstützung durch die amtlichen Förderstellen wichtig. Entscheidend ist, dass diese Stellen über relevante Marktinformationen verfügen und die rasche Vernetzung mit professionellen Anbietern sicherstellen kön-nen. Marktzugang ist ein entscheidender Standortfaktor. Dabei ist der Begriff «Markt» weit zu verstehen und umfasst neben Kunden- oder Ab-satzmarkt auch Inputfaktoren wie etwa den Zugang zu Forschung und Entwicklung, zu Wertschöpfungsketten, zu Infrastruktur. In diesem Zu-sammenhang ist auf die immer grösser werdende Bedeutung sogenann-ter «Clusters» oder «Ecosystems» hinzuweisen. Entsprechend ist die Raumentwicklung auf Clusterbildung auszurichten.

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Baubewilligungen sind nicht nur für Schweizer oft mühselig, das wird auch von ansiedlungswilligen Firmen so wahrgenommen. Eine rasche, frühe Klärung der Machbarkeit eines Projektes ist entscheidend.

Von ebenso grosser Bedeutung ist die Verfügbarkeit von Wohnraum für die Angestellten. Dies ist auch im Zusammenhang mit regionaler Raum-entwicklung zu berücksichtigen. Dabei stellen sich auch interkantonale Fragen beim Auseinanderfallen des Arbeits- und Wohnkantons, was ei-nerseits zu Komplikationen im Bewilligungsprozess führt und anderer-seits zu Zeitverzögerungen. Eine vereinfachte interkantonale Abstim-mung ist notwendig.

Das zu erwartende persönliche Umfeld ist bei jeder Standortevaluation von entscheidender Bedeutung. Familien müssen sich wohl fühlen und müssen diejenige Infrastruktur vorfinden, welche sie benötigen. Ausser-dem braucht es auch ein Klima der interkulturellen Offenheit. Von höchs-ter Bedeutung sind internationale Schulen. Davon gibt es in der Schweiz viel zu wenige. Da die öffentlichen Schulen die Bedürfnisse von «mobi-len» Familien nicht genügend abdecken können, werden internationale Schulen oft privat errichtet und betrieben. Es darf nicht aus politischer Ideologie gegen private Schulen gemauert werden. Ergo soll der Staat die Errichtung privater internationaler Schulen fördern. Dies soll auch über Institutionen wie die Erziehungsdirektorenkonferenz geschehen. Über-dies braucht es verbesserte Rahmenbedingungen für Kinderbetreuung.

Aus rechtlicher Perspektive gilt es, in Ansiedlungsfragen zu beachten, dass keine restriktive und kleinliche Rechtsanwendung erfolgen soll. Man muss nicht immer Musterknabe sein. Selbstverständlich gelten die-selben Rechtsprinzipen bei Ansiedlungen wie anderswo. Das Recht darf aber sehr wohl als standortpolitischer Faktor eingesetzt werden. Eine Auslegung und Anwendung im Sinne einer offenen, flexiblen, vorwärts-gerichteten, anpassungswilligen und -fähigen Wirtschaftspolitik macht uns international attraktiv und hält dem Rechtsgleichheitsgebot stand. Neuzuzüge sind zum Vorteil aller. Dies gilt insbesondere bei der Gewäh-rung des Status als gemischte Gesellschaft oder als Holdinggesellschaft oder speziell bei Prinzipaltätigkeiten oder Finanzaktivitäten.

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pRICEWATERHOUSECOOpERSWIE DER ANSIEDLUNGSpROZESS ZU ORGANISIEREN IST

Die Steuerfolgen für Unternehmen und Mitarbeiter spielen bei der An-siedlung eine wichtige Rolle. Auch hier gilt: ein grosszügigeres Regime in Bezug auf steuerlich abzugsfähige Berufskosten ist wichtig. Oft tra-gen Zahlungen im Zusammenhang mit Zuzügen gar keinen Einkommens- charakter, sondern sind von vornherein reiner Kostenersatz, und trotz-dem werden sie besteuert. Entsprechend braucht es eine Neudefinition oder pragmatische Anwendung der Regeln zur Einkommens- und Berufs-kostendefinition und nicht eine akribische Suche nach möglicherweise auch noch steuerbaren Nebenleistungen. Aufgrund der oft praktizierten «Nettolohn-Methode» reduziert die Besteuerung solcher Leistungen nämlich nicht das beim Steuerpflichtigen verfügbare Einkommen, son-dern erhöht bloss die Kosten beim Arbeitgeber. Diese höheren Kosten können den Standort Schweiz unattraktiv machen. Die Emissionsab- gabe verhindert oder erschwert gewisse Ansiedlungen, die Umsatzab- gabe macht die Schweiz für gewisse Tätigkeiten gänzlich unattraktiv. Politisch gefärbte Diskussionen zu Steuerthemen schrecken ab.

Generell gilt es zu vermerken, dass der Prozess für Bundessteuererleich-terungen zu kompliziert und zeitraubend ist und in der heute regional stark eingeschränkten Praxis zu geringe Bedeutung hat. Ansiedlungs-projekte sollten in den Händen weniger Steuerbeamter (auf Stufe Bund und Kanton) konzentriert werden, welche damit eine hohe Fachkompe-tenz und Erfahrung in den relevanten Fragen erwerben, was auch den Entscheidrhythmus erhöht.

Zu vermeiden sind selbstredend Rechtsentwicklungen über Auslegung oder Gesetzgebung, welche den auf Offenheit und Dynamik ausgerich-teten Wirtschaftsstandort abschotten oder zurückhalten oder Flexibili-tät in den rechtlichen Rahmenbedingungen reduzieren. Ein derart offen gestalteter Standort Schweiz, kombiniert mit einem effizienten Ansied-lungsprozess, vermarktet durch eine effektive Standortpromotion, alles basierend auf der Vision einer führenden Schweiz, die sich immer wieder neue Erfolgspositionen aufbaut, dient dem Wohle von uns allen.

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Die Schweiz ist – als Lebensraum für Individuen und als Standort für Unternehmen – eines der attraktivsten Länder der Welt. Umbruchzeiten wie die gegenwärtige bieten die Chance, diese Position zu stärken – wenn die Schweiz eine konsistente Standortstrategie einhält.

Dazu braucht das Land einen starken und koordinierten Auf-tritt im Ausland. Insbesondere sind Doppelspurigkeiten oder gar Widersprüche zwischen Bund, Kantonen und privat-rechtlichen Standortförderern zu eliminieren.

Die konkrete Ansiedlung neuer Unternehmen ist seit je Sache der Standortkantone. Dabei drängt sich eine Art General-unternehmermodell auf: das sich ansiedelnde Unternehmen wird während des ganzen Prozesses in allen Fragen von einer Stelle begleitet (One-Stop-Shop-Prinzip).

Entscheidend in der Ansiedlung sind die Geschwindigkeit, mit der verbindliche Lösungen gefunden werden, und der Grad, in dem zwischenmenschliche Beziehungen gepflegt werden – auch nach erfolgter Ansiedlung. Hinzu kommen die Effizienz in Bewilligungsverfahren (Bauvorhaben), Flexibilität in Immigra-tionsfragen (Familiennachzug für qualifizierte Mitarbeiter), ausreichende Infrastruktur (auch für die Familien) – und nicht zuletzt auch ein umkomplizierter Umgang mit Steuerfragen.

In Kürze

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Zielgruppen (Branchen) für die Schweizer Standortförderung

Welche Branchen für eine Standortförderung geeignet sind, lässt sich aus öko-nomischer Sicht nicht einfach beantworten, da es in jeder Branche relative Ver-lierer und Gewinner gibt. Deshalb sollten für jede Branche die relativen Gewinner herausgefiltert und gezielt bearbeitet werden. Die Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass sich Unternehmen aus allen Branchen positiv entwickeln kön-nen. Jene Unternehmen sollten bevorzugt werden, die sich im Vergleich zu ihrer Branche stärker und nachhaltiger entwickeln, die sich in wachsenden Nischen befinden und stark auf Innovation setzen. Ein Cluster-Ansatz birgt zwar Chan-cen für eintretende Unternehmen, doch gleichzeitig kann die Konzentration von Branchen in gewissen Regionen auch zu Klumpenrisiken führen, die man nicht weiter verstärken sollte. Vielmehr müsste in Regionen, die von Clustern geprägt sind, der Branchenmix ausgeweitet werden. Der aktuelle Branchenansatz der Osec (Life Science, Wealth Management, Information Technology und Headquar-ters) muss um weitere Branchen erweitert werden.

Frédéric Junod / Martin Neff, Credit Suisse

Ziel dieser Analyse ist es, diejenigen Branchen zu identifizieren, welche sich in der Schweiz auch in Zukunft überdurchschnittlich entwickeln dürften. Dabei handelt es sich um Branchen, die nicht nur in der Hochkon-junktur profitieren, sondern auch strukturell zu den Gewinnern gehören. Jede Branche ist nämlich in ihrem eigenen Zyklus neben konjunkturellen auch strukturellen Einflussfaktoren unterworfen. Um die strukturellen Stärken und Schwächen der einzel-nen Branchen darstellen zu können, nimmt die Credit Suisse jedes Jahr auf der Basis neuer Daten eine mit-telfristige Chancen-Risiken-Bewertung (CRB) vor. Diese Bewertung stellt für jede Branche eine zukunftsgerichtete Einschätzung aus makroöko-nomischer Sicht dar. Sie stützt sich auf ein eigens dafür entwickeltes Modell und setzt sich aus den beiden Dimensionen Chance und Risiko

Jede Branche ist in ihrem eigenen Zyklus neben konjunkturellen auch strukturellen Einflussfaktoren unterworfen.

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CREDIT SUISSEZIELGRUppEN (BRANCHEN) FüR DIE SCHWEIZER STANDORTFöRDERUNG

Abb. 1: Struktur der Daten im Rahmen der CRB

Die Chancen-Risiko-Bewertung der Credit Suisse ermittelt auf der Grundlage von 24 Basis-daten aus öffentlichen Statistiken und CS-eigenen Daten das Zukunftspotenzial einzelner Branchen – und bildet damit eine wichtige Entscheidungsgrundlage zur Frage, welche Un-ternehmen aus welchen Branchen angesiedelt werden sollten.

zusammen. Der Prognosehorizont erstreckt sich über die nächsten drei bis fünf Jahre.

Die Berechungsmethode In die CRB fliessen 24 Basisindikatoren der offiziellen Schweizer Statistiken sowie Daten des Credit Suisse Economic Research ein. Die Berechnung geschieht in drei Phasen: In einer ersten Phase bilden die modellgestützten Chancen-Risiken-Werte die aktuellen und vergangenen Unterschiede der Branchen ab. In einer zweiten Phase fliessen die Prognosen des Economic Research der Credit Suisse ein. In der dritten Phase werden die Werte durch spezialisierte Branchenana-lysten validiert. Der Wertebereich der CRB reicht von –10 bis +10. Bei po-sitiven Werten überwiegen die Chancen, bei negativen die Risiken. Eine Branche mit hohem Wert wird sich in der mittleren Frist wirtschaftlich nachhaltiger entwickeln als eine Branche mit einem tiefen Wert.

Die CRB wird «bottom-up» berechnet. Die 24 Basisindikatoren werden gemäss theoretischen Überlegungen und mathematischen Tests grup-piert und mittels Faktoranalyse zusammengefasst. Die Faktoranalyse ist eine mathematische Methode zur Reduktion von Datensätzen. Die Gewichtung der einzelnen Basisindikatoren entspricht ihrer tatsächli-chen Relevanz. Aufgrund der «Bottom-up-Struktur» weist das Modell die Form einer Pyramide auf. Diese Pyramidenstruktur garantiert Transpa-renz, lässt sich doch jeder Wert aus den einzelnen Basisindikatoren- und Prognosewerten zurückverfolgen. Die oberste Ebene der Pyramide sind die beiden Dimensionen Chance und Risiko.

Die Dimension Chance umfasst Indikatoren bezüglich positiver Zukunfts-aussichten. Deren Wert bildet das Potenzial der Branche bezüglich Wert-schöpfungs- und Produktivitätswachstum ab. Als Grundlagen dienen Wertschöpfungsindikatoren der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Bundesamtes für Statistik (BFS) sowie die ebenfalls vom BFS erho-bene Beschäftigungsstatistik (BESTA).

Die Dimension Risiko ist in drei Risikokomponenten unterteilt. Diese Komponenten umfassen je zwei Faktoren. Die komplette Struktur ist in Abbildung 1 ersichtlich und wird im Weiteren erläutert. Risiken sind

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Faktoren, welche mehrheitlich exogen auf eine Branche einwirken, also nicht vom einzelnen Unternehmen kontrolliert werden können. Wir un-terscheiden im CRB-Modell drei verschiedene Risiken.

– Strukturrisiko: Bewertet werden das Ausmass des Strukturwandels innerhalb einer Branche sowie das Risiko der ganzen Branche, im inter-nationalen und nationalen Wettbewerb nicht «fit» genug zu sein. Haupt-indikatoren sind Wertschöpfungsanteile, Beschäftigungsanteile, Pro-duktivitätsindikatoren, Handelsbilanzentwicklungen sowie Export Unit Values.

– Politisches Risiko: Bewertet wird das Ausmass staatlicher Eingriffe, welche den Wandel bremsen oder eine Branche zukünftig schwächen

Abb. 1: Struktur der Daten im Rahmen der CRB

Die Chancen-Risiko-Bewertung der Credit Suisse ermittelt auf der Grundlage von 24 Basis-daten aus öffentlichen Statistiken und CS-eigenen Daten das Zukunftspotenzial einzelner Branchen – und bildet damit eine wichtige Entscheidungsgrundlage zur Frage, welche Un-ternehmen aus welchen Branchen angesiedelt werden sollten.

Quelle: Credit Suisse Economic Research

BASIS-INDIKATOREN

BASIS-INDIKATOREN

AB-SCHOTTUNG

STAATLICHEEINGRIFFE

AUSSEN-FITNESS

INNEN-FITNESS

UNGLEICHGEWICHT FAKTORMÄRKTE

VARIABI-LITÄT

POLITISCHESRISIKO

STRUKTUR-RISIKO

RISIKEN

CHANCEN

FRIKTIONS-RISIKO

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CREDIT SUISSEZIELGRUppEN (BRANCHEN) FüR DIE SCHWEIZER STANDORTFöRDERUNG

Abb. 2: Von Pharma bis Landwirtschaft

Bei Pharma, Medtech, Messgeräten, Uhren überwiegen in der Chancen-Risiken-Bewertung mittelfristig die positiven Faktoren (blaue Balken); sie sind für Standortwerbung im Aus-land besonders geeignet. Landwirtschaft, Gastgewerbe und Textilindustrie weisen dage-gen eine negative Bilanz auf (rote Balken). Etliche dieser Branchen mit negativer Bilanz sind jedoch für die Binnenwirtschaft von grosser Bedeutung (schwarze Punkte), wie etwa der Detailhandel oder das Baugewerbe.

könnten. Als Messwerte für den staatlichen Eingriff dienen unter ande-rem die Subventionen und Steuererleichterungen, die Mehrwertsteuer-klassen und der Grad an Protektionismus (Höhe der Zölle und Aussenhan-delsverflechtung). Ebenfalls berücksichtigt wird der Grad der Gefahr einer übermässigen Ausübung von Marktmacht und von Marktabsprachen.

– Friktionsrisiko: Bewertet werden das Ausmass der Volatilität einer Branche (gemessen an der Wertschöpfungs- bzw. Beschäftigungsent-wicklung) sowie der Grad der Ungleichgewichte auf den Faktormärkten (Kapitalmarkt: Konkurse; bzw. Arbeitsmarkt: Arbeitslosenquote).

Die Spitzenreiter Die Branche Pharma und Chemie befindet sich ge-mäss der mittelfristigen Chancen-Risiken-Bewertung an der Spitze (Ab- bildung 2). Gefolgt wird die Branche von der Medizinaltechnik, den Mess- und Kontrollinstrumenten sowie von der Uhrenindustrie. Diese Bran- chen bleiben trotz einer zum Teil starken Anfälligkeit auf Kon-junkturzyklen international be-sonders wettbewerbsfähig und werden auch in Zukunft über-durchschnittlich stark wachsen können. Das Gesundheitswesen, wel-ches von den steigenden Gesundheitsausgaben profitiert, wird in Zukunft ebenfalls eine überdurchschnittliche Entwicklung nachweisen können.

Nach der Spitzengruppe folgt eine Reihe von Dienstleistern, welche ebenfalls gut aufgestellt sind. Bei den Unternehmensberatern besteht ein wesentlicher Treiber darin, dass Unternehmen komplexe Aufgaben und Abklärungen immer häufiger an Spezialisten auslagern. Die Banken, die Versicherungen und die Informatikbranche erhalten ebenfalls eine überdurchschnittliche Bewertung. Trotz der Finanzkrise und dem leicht lädierten Bankgeheimnis bleibt der Finanzplatz Schweiz international gut positioniert und für die Zukunft gerüstet.

Im Mittelfeld befinden sich Branchen aus unterschiedlichen Bereichen. Die Elektrotechnik wird auch in Zukunft ihren technologischen Vorsprung in vielen Bereichen ausspielen können. Die Maschinenbauer haben wei-

Die Branche Pharma und Chemie befindet sich gemäss der mittelfristigen Chancen-Risiken-Bewertung an der Spitze.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Abb. 2: Von Pharma bis Landwirtschaft

Bei Pharma, Medtech, Messgeräten, Uhren überwiegen in der Chancen-Risiken-Bewertung mittelfristig die positiven Faktoren (blaue Balken); sie sind für Standortwerbung im Aus-land besonders geeignet. Landwirtschaft, Gastgewerbe und Textilindustrie weisen dage-gen eine negative Bilanz auf (rote Balken). Etliche dieser Branchen mit negativer Bilanz sind jedoch für die Binnenwirtschaft von grosser Bedeutung (schwarze Punkte), wie etwa der Detailhandel oder das Baugewerbe.

Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research

-10

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

10

CHANCEN-RISIKEN-BEWERTUNG

Landwirtschaft

Gastgewerbe

Textil- und Bekleidung

Druck und Verlag

Papierindustrie

Bau

Landverkehr, Logistik

Detailhandel

Metallerzeugung

Möbelindustrie

Autogewerbe

Metallerzeugnisse

Immobilienwesen

Reisebranche

Holzindustrie

Kunststoffindustrie

Nahrungsmittelindustrie

Nachrichtenübermittlung

Elektronik

Maschinenbau

Grosshandel

Energieversorgung

Elektrotechnik

Architekten, Ingenieure

Versicherungen

Banken

Informatik

Unternehmensberatung

Gesundheitswesen

Uhrenindustrie

Medtech, Messinstr.

Pharma, Chemie

BRANCHEN MIT TIEFER CHANCEN-RISIKEN-BEWERTUNGBRANCHEN MIT HOHER CHANCEN-RISIKEN-BEWERTUNG

ANTEIL AN DER SCHWEIZER BRUTTOWERTSCHÖPFUNG IN PROZENT

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CREDIT SUISSEZIELGRUppEN (BRANCHEN) FüR DIE SCHWEIZER STANDORTFöRDERUNG

terhin eine überdurchschnittliche Bewertung, die Risiken in dieser Bran-che sind aber nicht zu unterschätzen. Zwar gehört eine stattliche Zahl Schweizer Maschinenbauer technologisch zur Weltspitze. Die Konkurrenz aus Ländern mit niedrigeren Produktionskosten holt aber zusehends auf und stellt die Schweizer Anbieter vor Herausforderungen. Auch die Elekt-ronik ist gut positioniert. Gründe dafür sind das unvermindert hohe Inno-vationstempo und die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Forschung, eine hohe Produktivität in der Produktion sowie die gute Positionierung der Schweizer Halbleiterindustrie. Die Bewertung der Nahrungsmittelindust-rie widerspiegelt die zunehmende Spaltung der Branche in eine erfolgrei-che Exportindustrie und eine weitgehend stagnierende Binnenindustrie.

Die Schlusslichter Branchen mit strukturellen Problemen auf der An-gebotsseite befinden sich am Ende der Rangliste. Diese Branchen wer-den sich auch in Zukunft im Branchenvergleich unterdurchschnittlich entwickeln. Im Detailhandel und im Autogewerbe sind die Wachstums-chancen sättigungsbedingt beschränkt. Diese beiden Branchen werden sich demzufolge in den nächsten Jahren unter einem permanenten An-passungsdruck befinden. Aus der binnenorientierten Bauwirtschaft sind mittelfristig nur wenige Impulse zu erwarten. Niedrige Eintrittsbarrieren sowie zu viele und meist eher kleine Anbieter sorgen für einen anhaltend hohen Margendruck. Ebenfalls im hinteren Teil des Feldes befindet sich die Branche Druck und Verlag sowie die Textil- und die Bekleidungsin-dustrie. Diese Branchen durchlaufen seit Jahren massive strukturelle Veränderungen. Das Gastgewerbe wird auch mittelfristig mit tiefgrei-fenden strukturellen Problemen konfrontiert sein. Die hohe Dichte an Betrieben bringt Überkapazitäten und starken Wettbewerbsdruck mit sich. Aufgrund der Strukturprobleme auf der Angebotsseite ist die mit-telfristige Chancen-Risiken-Bewertung unterdurchschnittlich. Die tiefste Chancen-Risiken-Bewertung gemäss unserem Modell weist die Land-wirtschaft auf. Der anhaltende Strukturwandel, die überdurchschnittlich hohen staatlichen Unterstützungsmassnahmen sowie die hohe Anzahl an Kleinst- und Kleinbetrieben eröffnen der Landwirtschaft wenig Ent-wicklungspotenzial. Der Liberalisierungsdruck dürfte zudem viele Betrie-be vor Schwierigkeiten stellen. Wir sehen daher ein im Branchenvergleich schlechtes Entwicklungspotenzial für diese Branche.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Branchen, welche sich mittelfristig gemäss der Chancen- Risiken-Bewertung in der Schweiz am stärksten entwickeln dürften, sind die Pharmaindustrie, die Chemie, die Medizi- naltechnik sowie die Hersteller von Mess- und Kontroll- instrumenten. Als weitere Industriebranche hat die Elektro-technik ebenfalls ein überdurchschnittliches Potenzial. Bei den Dienstleistungsbranchen weisen Unternehmensbe-rater, Banken, Versicherungen und die Informatikbranche eine überdurchschnittliche Bewertung aus.

Aus dieser Branchenauswahl kann dennoch keine direkte Standortförderungsstrategie abgeleitet werden, da es in jeder Branche relative Gewinner und Verlierer gibt, und weil es schwierig ist, im Voraus «förderungswürdige» Branchen zu bestimmen. Vielmehr sollten die Rahmenbedingungen für alle Branchen günstig gestaltet werden, beispielsweise über die Steuerpolitik, eine möglichst straffe Administration oder die Bildungspolitik.

In der Schweiz findet man auf sehr engem Raum hervor- ragende technische Hochschulen und Forschungsinstitute. Diese Rahmenbedingungen sind ein optimaler Nährboden für Unternehmen aus vielen Branchen. Sich bei der Standort- förderung nur auf einzelne Cluster zu beschränken, ist suboptimal, da in anderen Nischen oder Branchen ebenfalls ein grosses Potenzial schlummern kann.

In Kürze

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Page 39: Standort Schweiz

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Die wichtigsten Zielländerfür die Schweizer Standortwerbung2015 bis 2020

Wer erfolgreich ein Produkt vermarkten will, muss dort sein, wo die meisten und wirtschaftlich interessantesten potenziellen Kunden sind. Dies ist bei der Standortpromotion nicht anders. Nur wer in den richtigen Ländern präsent ist, kann seinen Standort erfolgreich vermarkten. Um eine Wahl der Länder zu tref-fen, in denen man die Standortwerbung schwerer gewichten will, muss also das Potenzial verschiedener Länder eruiert werden und jene mit besonders hohem Potenzial müssen identifiziert werden. Für eine nachhaltige Strategie muss eine langfristige Priorisierung vorgenommen und damit auch eine langfristige Pro-gnose der zukünftigen Potenziale erstellt werden, was nicht immer einfach ist. Jedoch entstehen solche Potenziale nicht über Nacht, sondern bilden sich durch langfristige und damit frühzeitig identifizierbare Trends.

Fabian Heller / Jonathan Horlacher / Oliver Adler, Credit Suisse

In der bisherigen Marktbearbeitungsstrategie der Osec 2009 bis 2011 wurde als oberste Priorität die Bearbeitung von grossen Fernmärkten (USA, Japan, China, Indien und Russland) definiert. Zweite Priorität hat-te die Koordination der Standortpromotion in den europäischen Nach-barländern, es folgten die Bearbeitung des übrigen Europas und zuletzt andere Fernmärkte wie Brasilien und die Golfstaaten. Die Potenzialana-lyse der Länder geschah aufgrund einer quantitativen Betrachtung des Marktpotenzials mittels eines Vergleichs der Anzahl Firmen in jenen In-dustrieclustern, die vom Wirtschaftsstandort Schweiz und von dessen Standortvorteilen am ehesten angesprochen werden. Die untersuchten Cluster waren Life Science, Wealth Management, Information Technolo-gy und Headquarters.1 Andererseits wurde eine Bewertung nach Nah- oder Fernmarkt vorgenommen, da die Standortwerbung auf nationaler

1 Darunter sind Konzerne zu verstehen, die möglicherweise ihre Firmenzentrale in die Schweiz verlegen könnten. 39

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CREDIT SUISSEDIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020

Abb. 1: Grossteil der Investitionen aus entwickelten Ländern

Europa, die USA und Japan verlieren im globalen Wirtschaftsgefüge an Gewicht. Ihre Be-deutung für die weltweiten Auslandsinvestitionen ist dennoch immer noch enorm, auch wenn der Anteil der Investitionen aus entwickelten Ländern durch die Finanzkrise etwas abgenommen hat.

Ebene sich eher auf Fernmärkte konzentriert, um den Kantonen bei der regionalen Standortwerbung ihre Autonomie zu gewährleisten. Die Ein-schätzung der Kantone wurde denn auch in die Bewertung aufgenom-men, um ein Gesamtranking zu erstellen.

Kriterien für die Neubeurteilung Bei der jetzigen Analyse gilt es, fest-zustellen, ob die damals getroffene Länderpriorisierung für den Zeit-raum 2015 bis 2020 beibehalten werden soll oder ob allenfalls eine Neu-orientierung vonnöten ist. Um das Potenzial der einzelnen Länder für die Standortwerbung zu vergleichen, wurde primär eine grundlegende makroökonomische Analyse des mittel- bis langfristigen Wachstums- potenzials vorgenommen. Länder, die als interessante Zielmärkte in Fra-ge kommen, zeichnen sich durch eine grosse Zahl expandierender Fir-men aus, welche wiederum auf starke wirtschaftliche Rahmenbedingun-gen angewiesen sind. Zur Beurteilung dieser zukünftigen Märkte können aktuelle Marktgrössen sowie Prognosen über die längerfristige Wachs-tumsrate herangezogen werden, um zu einem Bild der künftigen globalen Marktverhältnisse zu kommen.

Weiter sind die Standortfaktoren der Schweiz sowie der potenziellen Zielländer neu zu betrachten, um hier eine Abgleichung vorzunehmen. Es geht dabei erstens um schweizerische Standortvorteile mit Pull-Effekt auf die Zielländer, also um entscheidende Stärken der Schweiz für die Standortentscheidung ausländischer Zielfirmen, welche für deren An-siedlung in der Schweiz sprechen. Hier sind die allgemein wahrgenomme-nen Stärken des Standorts Schweiz, wie etwa hohes Fachwissen und In-novationskraft, zu nennen. Zweitens sind auch die Faktoren mit Push-Ef-fekt in den Zielländern zu betrach-ten, die eine Expansion aus dem Land an neue Standorte und damit auch in die Schweiz begünstigen. Da geht es um Voraussetzungen wie die Möglichkeit zur Firmengründung sowie für Kapitalexport, Infrastruktur und Exportfokus. Mit einer Abglei-chung der vorgenannten Faktoren können Potenziale von Standortver- lagerungen in die Schweiz identifiziert werden.

Mit einer Abgleichung von Pull- und Push-Faktoren können Potenziale für Standortverlagerungen in die Schweiz identifiziert werden.

Page 41: Standort Schweiz

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Globale Wachstumstrends Heute sind Europa, die USA und Japan zwar nicht mehr die einzigen wichtigen Akteure auf dem Weltwirtschafts-parkett, sie bilden aber noch immer einen sehr grossen Teil des globa-len Wirtschaftsgefüges. Die drei Wirtschaftsblöcke Europa (20 Prozent), Nordamerika (22 Prozent) und Japan (6 Prozent) erzeugen gemeinsam die Hälfte des globalen Bruttoinlandprodukts und stellen 80 Prozent der 500 grössten weltweit tätigen, börsenkotierten Firmen. Ein Grossteil der aus-ländischen Direktinvestitionen2 fliesst aus diesen Ländern. Während vor der Finanzkrise noch zwischen 80 und 90 Prozent der Investitionsströme

2 Definition von ausländischen Direktinvestitionen: langfristige In-vestitionen in einem anderen als dem Ursprungsland mit mindes-tens 10 Prozent der Mitbestimmungsrechte.

65%

70%

75%

80%

85%

90%

2014201320122011201020092008200720062005

Schätzungen ab 2009

ANTEIL DER ENTWICKELTEN LÄNDER AN GLOBALEN AUSLANDSINVESTITIONEN

Abb. 1: Grossteil der Investitionen aus entwickelten Ländern

Europa, die USA und Japan verlieren im globalen Wirtschaftsgefüge an Gewicht. Ihre Be-deutung für die weltweiten Auslandsinvestitionen ist dennoch immer noch enorm, auch wenn der Anteil der Investitionen aus entwickelten Ländern durch die Finanzkrise etwas abgenommen hat.

Quelle: Economist Intelligence Unit, Credit Suisse

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CREDIT SUISSEDIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020

aus diesen Ländern stammten, nahmen die Investitionen aus den entwi-ckelten Ländern während der Finanzkrise überproportional ab. Dennoch werden die USA, Europa und Japan auch im Zeitraum 2015 bis 2020 den grössten Teil der ausländischen Direktinvestitionen tätigen, schätzungs-weise zwischen 60 und 70 Prozent. In den Schwellenländern wird heute zwar sehr viel aus dem Ausland investiert, aus diesen Ländern selbst fliessen aber noch keine grossen Investitionsströme. Im Jahr 2009 dürf-ten erstmals mehr als die Hälfte der globalen Auslandsinvestitionen in Schwellenländer geflossen sein. Während der Finanzkrise sind die aus-ländischen Investitionen in die entwickelten Länder stark eingebrochen. Wahrscheinlich betrugen diese nur knapp 500 Milliarden US-Dollar nach 1,3 Billionen im Jahr 2008. Dagegen erwiesen sich Investitionen in die Schwellenländer als robuster (600 nach 800 Milliarden 2008). Auslands-

10%

15%

20%

25%

30%

2009200520001995199019851980

USAEM-8

IN PROZENT DES WELT-BIP (PPP-GEWICHTET)

Westeuropa

Abb. 2: Schwellenländer auf der Überholspur

Die Schwellenländer haben ihr Gewicht in der Weltwirtschaft in den letzten 30 Jahren deut-lich vergrössert. Seit fünf Jahren haben sie auch die USA oder Westeuropa hinter sich ge-lassen. Dieser Trend wird sich auch in Zukunft fortsetzen.

Quelle: International Monetary Fund, Credit Suisse

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

investitionen der Schwellenländer machen bisher nur einen kleinen Teil der gesamten Auslandsinvestitionen aus, und dies wird sich auch nicht stark ändern, solange die Finanzstärke der Firmen in Schwellenländern noch gering ist. Die Staatsfonds einiger Schwellenländer werden jedoch in gewissem Umfang zu den Direktinvestitionen beitragen.

Die entwickelten Staaten werden also auch in Zukunft eine wichtige Rolle für die Standortwerbung der Schweiz spielen. Dennoch: Die Schwellenlän-der werden vermehrt zu ernstzunehmenden Partnern in der Weltwirtschaft. Schon vor der Finanzkrise im Jahr 2008 verzeichneten die Schwellenländer oder Emerging Markets (EM) ein erheblich höheres Wirtschaftswachs-tum als die entwickelten Volkswirtschaften des Westens. Dies zeigt sich mittlerweile besonders in den kaufkraftbereinigten Anteilen am globalen BIP. Insbesondere die grossen Schwellenländer3 (BRIC-Staaten: Brasilien, Russland, Indien und China) sind dabei, bezüglich des Anteils an der Weltwirtschaft auf Augen-höhe mit europäischen Ländern und den USA zu gelangen. China ist hinter den USA und Japan bereits die drittgrösste Wirtschaftsmacht. Aber auch andere aufstrebende Märkte wie Mexiko, Indonesien, Südkorea, die Türkei oder Südafrika drängen auf die Weltmärkte. Während die Gruppe der acht grössten Schwellenländer (EM-8) vor 30 Jahren zusammen nur die Hälfte der wirtschaftlichen Grösse Europas oder der USA auf sich vereinig-ten (Anteil am Welt-BIP 13 Prozent, verglichen mit 23 Prozent Europa und 27 Prozent USA), haben diese den Westen vor etwa fünf Jahren eingeholt und mittlerweile hinter sich gelassen.4

Angesichts der guten Voraussetzungen dieser Länder und ihres höheren Potenzialwachstums dürfte dieser Trend in den kommenden Jahren weiter-

3 Die hier angesprochenen Länder werden durchgehend als Schwel-lenländer bezeichnet, auch wenn diese Bezeichnung besonders bei der Betrachtung zukünftiger Verhältnisse nicht mehr angebracht sein dürfte.

4 EM-8: China, Indien, Brasilien, Mexiko, Indonesien, Südkorea, Tür-kei, Südafrika.

Die Schwellenländer werden vermehrt zu ernstzunehmenden Partnern in der Welt-wirtschaft.

Page 44: Standort Schweiz

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CREDIT SUISSEDIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020

Abb. 4: Schweiz – die Altersurne

In den entwickelten Staaten wie der Schweiz zeigt die Altersverteilung eine zunehmende Überalterung durch geburtenschwache junge Jahrgänge und eine immer grössere ältere Be-völkerung. Dadurch steigt die Belastung der Vorsorgeinstitutionen.

gehen. Damit nähern sich die Schwellenländer immer mehr dem westlichen Wohlstandsniveau an. Während die westlichen Staaten mit weitgehend gesättigten Märkten, demographischen Problemen und weiter steigender Staatsverschuldung zu kämpfen haben, haben die Schwellenländer hier strukturelle Vorteile. Die Demographie ist in den meisten Schwellenlän-dern vorteilhafter, mit erheblich stärkeren jungen Jahrgängen.

Daraus abgeleitet existieren eine Reihe weiterer Vorteile wie riesige In-landmärkte, die weitgehend ungesättigt sind. Beispielsweise besitzt in China bei einer Bevölkerungszahl von 1,3 Milliarden Menschen nur jeder

10203040506070 0 10 20 30 40 50 60 70

80+75–7970–7465–6960–6455–5950–5445–4940–4435–3930–3425–2920–2415–1910–145–90–4

FrauenMänner

ALTER

IN MILLIONEN

Abb. 3: Indien – die Alterspyramide

Die Altersverteilung in den Schwellenländern – hier in Indien – ist weiterhin pyramidenförmig, weist also starke junge Jahrgänge auf. Dies führt zu strukturellen Vorteilen durch eine grosse arbeitsfähige Bevölkerung und noch wenig Senioren in den nächsten Jahren.

Quelle: UN, Credit Suisse

Page 45: Standort Schweiz

45

STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Dreissigste ein eigenes Auto, während in den USA auf zwei Einwohner ein Privatfahrzeug kommt. Mit der Annäherung der Schwellenländer an ein westliches Wohlstandsniveau entsteht auch eine grosse inländische Nachfrage nach verschiedensten Produkten, die vermehrt auch in die-sen Ländern entwickelt und produziert werden. Mit dem Aufbau eigener Industrien und vermehrt auch Dienstleistungssektoren sind noch erheb-lich leichter realisierbare Produktivitätsfortschritte durch die Moder-nisierung von Produktionsmitteln zu erzielen – und damit im Vergleich zu Europa, den USA und Japan beeindruckende Wachstumszahlen. Die wachsende Wirtschaft erleichtert tendenziell auch die Bewahrung der

Abb. 4: Schweiz – die Altersurne

In den entwickelten Staaten wie der Schweiz zeigt die Altersverteilung eine zunehmende Überalterung durch geburtenschwache junge Jahrgänge und eine immer grössere ältere Be-völkerung. Dadurch steigt die Belastung der Vorsorgeinstitutionen.

Quelle: UN, Credit Suisse

50 50100 100150 150 300300 250250 200200350 3500

80–8485+

75–7970–7465–6960–6455–5950–5445–4940–4435–3930–3425–2920–2415–1910–145–90–4

FrauenMänner

ALTER

IN TAUSEND

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CREDIT SUISSEDIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020

Stabilität und sorgt für gesunde Staatshaushalte. Die staatliche wie auch die private Verschuldung ist in diesen Ländern erheblich tiefer. Auch drücken keine steigenden Ausgaben für eine alternde Bevölkerung oder stark wachsende Gesundheitskosten auf das Staatsbudget, was den Re-gierungen gerade in Krisenzeiten wie in den letzten Jahren mehr Hand-lungsspielraum gibt, um die Wirtschaft zu stützen.

In diesem Umfeld ist die Schweiz mit Standortfaktoren wie sehr guter Infrastruktur, Stabilität, hoher Innovationskraft und einem hohen Bil-dungsniveau sehr gut aufgestellt, um neuer Standort für global expan-dierende Firmen zu werden. Die Stärken der Schweiz liegen heute bei Dienstleistungen und Hochtechnologie, Bereiche, in denen mit zuneh-mender Modernisierung und steigender Anspruchshaltung auch in den

20%

40%

60%

80%

100%

120%

201420102009200820072006

Entwickelte Länder Schwellenländer

STAATSSCHULDEN ALS PROZENT DES BIP

Abb. 5: Die reichen Schuldner

Während die entwickelten Länder schon vor der Finanzkrise eine erheblich höhere Verschul-dung aufwiesen, steigt diese durch die jüngste Rezession und in die Zukunft immer höheren strukturellen Kosten massiv an. Schwellenländer dagegen können ihr Schuldenniveau halten.

Quelle: IMF, Credit Suisse

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47

STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Schwellenländern in Zukunft Firmen entstehen dürften. Gleichzeitig ist aber zu bedenken, dass das Bild der Standortvorteile der Schweiz eine Momentaufnahme bildet, welches keineswegs auch 2015 bis 2020 noch so Bestand haben muss. Es ist ein stetiger Effort nötig, damit diese Stärken erhalten und weiter ausgebaut werden, denn trotz sehr guter Position im weltweiten Standortvergleich (siehe Abschnitt «Standort-faktoren der Schweiz» sowie Abb. 9) ist die Schweiz keineswegs unan-gefochten.

Was hat sich durch die Finanzkrise geändert? Der wirtschaftliche Ein-bruch war in den entwickelten Ländern meist ausgeprägter als in den Schwellenländern, mit der Ausnahme insbesondere Osteuropas, wo nach vielen Jahren grosser Leistungsbilanzdefizite die Verschuldung stark angestiegen ist. Während die entwickelten Länder 2008 kaum noch Wirtschaftswachstum verzeichneten und 2009 teilweise rekordverdäch-tige Rückgänge erfuhren, ging das Wachstum in den Schwel-lenländern nur leicht zurück. Ausnahmen bilden Länder wie Russland, die stark vom Ener-gieexport anhängig sind. Hier zeigt sich auch, dass die Schwellenländer einerseits von ihrer tiefen Verschuldung und der weniger starken Einbindung ins internationale Fi-nanzsystem profitiert haben und dass sie sich andererseits immer mehr auf den wachsenden Binnenhandel stützen können.

Die Schwellenländer, insbesondere aus Asien, haben auch als Erste eine Rückkehr zu Wachstum gezeigt (oder vielmehr einen Anstieg auf Niveaus von vor der Krise). Für 2010 wird bereits wieder ein Wachstum ähnlich dem von vor der Krise erwartet, während die entwickelten Länder noch weit von einer Normalisierung des Wirtschaftswachstums entfernt sind. Die Schwellenländer haben sich sehr viel schneller erholt als die entwi-ckelten Länder und tragen derzeit das globale Wachstum.

Die Finanzkrise hat jedoch die globalen Wachstumstrends nicht grund-legend verändert. Sie hat aber die bestehenden Trends verstärkt. Die

Die Finanzkrise hat die globalen Wachs- tumstrends nicht grundlegend verändert. Sie hat aber die bestehenden Trends verstärkt.

Die Schwellenländer, insbesondere jene aus Asien, haben weniger unter der Finanzkrise gelitten und finden als Erste zurück zum Wachstum.

Page 48: Standort Schweiz

48

CREDIT SUISSEDIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020

strukturellen Vorteile, die den Schwellenländern ein stärkeres Wachs-tum ermöglichen, sind durch die Krise noch klarer geworden.

Was ändert sich bis 2015/2020? Auch im weiteren Zeithorizont erwar-ten wir, dass der Anteil der Schwellenländer am weltweiten Ausstoss deutlich zunimmt. Bis 2020 ist eine Umkehr der Verhältnisse von 1980 denkbar, das heisst, der Anteil der heutigen Schwellenländer am Welt-BIP könnte doppelt so gross sein wie derjenige Europas oder der USA. Damit nimmt die Bedeutung Chinas und der übrigen BRIC-Länder so-wie weiterer Volkswirtschaften Asiens, Lateinamerikas und in geringe-rem Ausmass Osteuropas als potenzielle Zielländer für die Schweizer

Abb. 7: Wachstumsmotoren China und Indien

Die Schwellenländer tragen das globale Wachstum, während die entwickelten Länder ein-gebrochen sind. Die strukturellen Vorteile, die den Schwellenländern ein stärkeres Wachs-tum ermöglichen dürften, sind durch die Krise noch klarer geworden.

Abb. 6: Einbruch in entwickelten Ländern

Der wirtschaftliche Einbruch nach der Finanzkrise war in entwickelten Ländern erheblich aus-geprägter, während die Schwellenländer lediglich ein leicht tieferes, aber immer noch starkes Wachstum verzeichneten. Sie fanden auch viel schneller wieder zurück zu starkem Wachstum.

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

10

EM-8ChinaIndienRuss-land

Brasi-lien

USAItalienDeutsch-land

Frank-reich

2010 (Prognose)2009 (Schätzungen)2008

BIP-WACHSTUM IN PROZENT

Quelle: IMF, Credit Suisse

Page 49: Standort Schweiz

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Standortpromotion zu. Die Bedeutung der USA und Europas nimmt ent-sprechend ab. Dies bedeutet nicht, dass die westlichen Länder weniger beachtet werden und sich Standortwerbung nur noch auf die jetzigen Schwellenländer konzentrieren sollte. Es heisst lediglich, dass die Welt multipolar und vielschichtiger geworden ist – das Spektrum der wichti-gen Wirtschaftsräume hat sich erweitert.

Abb. 7: Wachstumsmotoren China und Indien

Die Schwellenländer tragen das globale Wachstum, während die entwickelten Länder ein-gebrochen sind. Die strukturellen Vorteile, die den Schwellenländern ein stärkeres Wachs-tum ermöglichen dürften, sind durch die Krise noch klarer geworden.

Quelle: IMF, Datastream, Credit Suisse

–2%

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–1%

2008 20092007200620052004200320022001200019991998

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China

Welt-BIP

Indien EM-8 ex China & Indien Entwickelte Länder

BIP-WACHSTUM IN PROZENT GEGENÜBER VORJAHR, PPP-GEWICHTET

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CREDIT SUISSEDIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020

Mit steigendem Einkommen, Wohlstand und der Finanzmarktentwick-lung in den aufstrebenden Märkten wird dort die Zahl der Firmengrün-dungen zunehmen – und damit auch die Zahl potenzieller Zielfirmen für die Schweizer Standortpromotion. Diese Firmen werden vermehrt auch den Ansprüchen an qualitativ hochwertige Güter und Dienstleistungen entsprechen wollen, zu deren Herstellung die Schweiz als Produktions-standort gute Voraussetzungen bietet. Insbesondere Standortvorteile wie die Verfügbarkeit von gut ausgebildeten Arbeitskräften oder die hohe Innovationskraft gewinnen als Pull-Faktoren an Bedeutung. Gleichzeitig wandeln sich die Wirtschaftsstrukturen in den Schwellenländern. Wie in der westlichen Welt vor knapp 100 Jahren ist die Landwirtschaft noch ein bedeutender Teil der Wirtschaft der jeweiligen Länder, und der Industrie-sektor ist erheblich grösser als der Dienstleistungssektor. Die Wandlung

15%

20%

25%

30%

35%

2014201220102008200620042002200019981996199419921990

WesteuropaVereinigte StaatenEM-8

IN PROZENT DES WELT-BIP (PPP-GEWICHTET)

Abb. 8: Weltmacht Schwellenländer

Im neuen Jahrzehnt werden die heutigen Schwellenländer das weltwirtschaftliche Ge-wicht von Europa und den USA zusammen erreichen. Der Begriff «Schwellenländer» dürfte je länger, desto mehr nicht mehr passend sein.

Quelle: IMF, Credit Suisse

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51

STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

der Wirtschaftsstrukturen geht jedoch in der heutigen Welt mit moder-nen Technologien sowie einem intensiven Technologie- und Informati-onsaustausch um einiges schneller vonstatten als im letzten Jahrhun-dert in den westlichen Ländern. Die Landwirtschaft und später auch der Industriesektor werden relativ rasch an Bedeutung verlieren, der Dienst-leistungssektor wird an Grösse gewinnen. Damit verschiebt sich auch das Gefüge der Firmen in diesen Ländern vermehrt zu Bereichen hin, in denen die Schweiz über Standortvorteile verfügt. Neben ihrer Rolle als Standort für Forschung und Entwicklung sind weitere entscheidende Standortvorteile der Schweiz im Dienstleistungsbereich zu finden.

Standortvorteile der Schweiz Je nach Studie variiert die Rangierung ein wenig, insgesamt aber ist die Schweiz momentan international ei-ner der konkurrenzfähigsten Standorte. Ausserdem hat die Schweiz als Wirtschaftsstandort ein sehr klares Profil. Die Schlüsselstärken liegen im hohen Ausbildungsniveau und Technologiestandard, in der Innova-tionskraft und der Geschäftstüchtigkeit. Hier belegt die Schweiz in ei-ner Studie des World Economic Forum Spitzenplätze und kann sich auch im Standortwettbe-werb von konkurrierenden Län-dern abheben. Weitere Stärken liegen in der gut ausgebauten Infrastruktur, dem Finanzmarkt und der politischen und wirtschaftlichen Stabilität – wenn auch hier der Vorteil gegenüber anderen Ländern weniger ausgeprägt ist. Diese Ergebnisse stellen aber das heutige Bild dar. Die Schweiz muss diese Vorteile pfle-gen und stärken, will sie auch in Zukunft und insbesondere im Zeitraum 2015 bis 2020 weiterhin auf diese Vorteile zählen können und von den Veränderungen in der Weltwirtschaft profitieren.

Es zeigt sich im internationalen Vergleich, was Standortfaktoren an-geht, immer noch ein klarer Vorsprung der entwickelten Länder vor den Schwellenländern. Trotz wachsendem Gewicht in der Weltwirtschaft ha-ben die Schwellenländer in dieser Beziehung Nachholbedarf. Sie wer-den in den kommenden Jahren zweifellos versuchen, diese Lücken zu schliessen, was sich in den oben erwähnten, einfacher zu erzielenden

Insgesamt ist die Schweiz momentan international einer der konkurrenzfähigsten Standorte.

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CREDIT SUISSEDIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020

0 1 2 3 4 5 6 7GCR SCORES SCHWEIZ 2009/2010

(RANG IN KLAMMERN)

Innovation (2)

Business sophistication (3)INNOVATION AND SOPHISTICATION FACTORS

Market size (36)

Technological readiness (3)

Financial market sophistication (14)

Labor market efficiency (2)

Goods market efficiency (5)

Higher education and training (6)EFFICIENCY ENHANCERS

BASIC REQUIREMENTS

Health and primary education (21)

Macroeconomic stability (17)

Infrastructure (5)

Institutions (8)

Abb. 9: Die Schweiz ist gut positioniert

Die genauen Platzierungen variieren je nach Studie ein wenig, generell belegt die Schweiz aber einen der vorderen Ränge im weltweiten Standortvergleich. Insbesondere in den Berei-chen Innovation, Technologie und höhere Ausbildung ist die Schweiz stark.

Quelle: GCR 2009/2010 WEF, Credit Suisse

Abb. 10: Immer nahe an der Spitze

Die Schweiz kann sich als kleines Land vor allem in den Bereichen Technologie und Innovation abheben. Auch in anderen Bereichen wie Infrastruktur, Gesundheit oder Finanzmarkt ist die Schweiz vorne dabei, aber in diesen Bereichen sind auch andere Länder stark.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Abb. 10: Immer nahe an der Spitze

Die Schweiz kann sich als kleines Land vor allem in den Bereichen Technologie und Innovation abheben. Auch in anderen Bereichen wie Infrastruktur, Gesundheit oder Finanzmarkt ist die Schweiz vorne dabei, aber in diesen Bereichen sind auch andere Länder stark.

Quelle: GCR 2009/2010 WEF, Credit Suisse

0 1 2 3 4 5 6 7GCI-DURCHSCHNITT

Innovation

Business sophistication INNOVATION AND SOPHISTICATION FACTORS

Market size

Technological readiness

Financial market sophistication

Labor market efficiency

Goods market efficiency

Higher education and trainingEFFICIENCY ENHANCERS

BASIC REQUIREMENTS

Health and primary education

Macroeconomic stability

Infrastructure

Institutions

IndienChinaBrasilien

Deutschland Frankreich USASchweiz

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CREDIT SUISSEDIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020

Produktivitätsfortschritten und dem daraus resultierenden Wachstum äussert. Besonders in den Bereichen, in denen die Schweiz ihre Stärken hat (Ausbildung, Technologie und Innovation), besteht aber noch eine grosse Differenz zwischen den entwickelten und den aufstrebenden Ländern.

Neue Prioritäten Wenn man nun konkret eine Auswahl von Zielländern für die Standortwerbung der Schweiz definieren will, ist eine zeitliche Differenzierung nötig. Auch wenn in Zukunft die Schwellenländer an Be-deutung gewinnen werden, müssen die weiter entwickelten Märkte wei-terhin beachtet werden. Strukturell bieten die Schwellenländer aber ein deutlich grösseres Wachstum-spotenzial; sie dürften im Zeit-raum 2015 bis 2020 immer mehr neue Firmen hervorbringen, die auch global agieren werden und daher die Schweiz als Stand-ort in Erwägung ziehen könnten. Die Firmen aus diesen Ländern werden sich im Hinblick auf die Herstellung von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen allmählich den gestiegenen Ansprüchen und der hö-heren Kaufkraft in ihren Heimmärkten anpassen, womit die Schweiz mit ihren Standortvorteilen in den genannten Bereichen an Attraktivität ge-winnt. Ob Firmen aus den Schwellenländern dann effektiv in Länder wie die Schweiz expandieren, bleibt abzuwarten. Staaten wie China, Indien, Brasilien oder Russland, aber auch andere asiatische und lateinamerika-nische Länder, müssen dennoch in Zukunft stärker beachtet werden und sollten auch Teil einer umfassenden Marktbearbeitungsstrategie der Standortpromotion Schweiz darstellen. Diese Länder investieren zwar momentan noch wenig im Ausland, weisen aber das grösste Wachstums- potenzial in den nächsten Jahren auf.

Gleichzeitig bleiben die entwickelten Länder aufgrund ihrer Marktgrös-se und insbesondere ihrer absolut gesehen hohen ausländischen Di-rektinvestitionen sowie ihrer geographischen und kulturellen Nähe zur Schweiz von höchster Relevanz. Aufgrund ihrer Marktgrösse bleiben die entwickelten Länder, insbesondere die USA, Frankreich, Deutschland

Abb. 11: Potenzial in BRIC-Staaten

Während die grossen entwickelten Länder bereits ein grosses Potenzial an Auslandsdirekt- investitionen aufweisen, ist dieses in den BRIC-Staaten noch klein. Diese weisen aber ein sehr viel höheres Wachstumspotenzial auf und werden im nächsten Jahrzehnt noch erheb-lich wachsen, womit auch die Investitionen im Ausland und damit potenziell auch in der Schweiz steigen werden.

Die Schwellenländer investieren zwar momentan noch wenig im Ausland, weisen aber das grösste Wachstumspotenzial in den nächsten Jahren auf.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

und England, als Zielländer von hoher Bedeutung. Eine vermehrte Be-achtung der Schwellenländer sollte nicht unter Vernachlässigung der weiter entwickelten Länder stattfinden. Die bisherigen Zielländer blei-ben, trotz des Potenzials der Schwellenländer, weiterhin aktuell.

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200 220

«POTENZIAL»: ERWARTETE RELATIVE VERÄNDERUNG DES ANTEILS AM WELT-BIP BIS 2015

«GRÖSSE»: AUSLANDSDIREKTINVESTITIONEN IN MILLIARDEN US-DOLLAR

USAFRANKREICHDEUTSCHLAND

UK

ITALIEN

KANADA

BRASILIEN

RUSSLAND

INDIEN

CHINA

MEXIKO

SKANDINAVIEN

USAFRANKREICHDEUTSCHLAND

UKSPANIEN

ITALIENJAPANJAPAN

KANADA

BRASILIEN

RUSSLAND

INDIEN

CHINA

MEXIKO

SKANDINAVIEN

Abb. 11: Potenzial in BRIC-Staaten

Während die grossen entwickelten Länder bereits ein grosses Potenzial an Auslandsdirekt- investitionen aufweisen, ist dieses in den BRIC-Staaten noch klein. Diese weisen aber ein sehr viel höheres Wachstumspotenzial auf und werden im nächsten Jahrzehnt noch erheb-lich wachsen, womit auch die Investitionen im Ausland und damit potenziell auch in der Schweiz steigen werden.

Quelle: Credit Suisse

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CREDIT SUISSEDIE WICHTIGSTEN ZIELLäNDER FüR DIE SCHWEIZER STANDORTWERBUNG 2015 BIS 2020

Für die Auswahl der Zielländer der schweizerischen Stand- ortpromotion sind Wachstumsstruktur und Wachstumspoten-zial der Weltwirtschaft massgebend. In den letzten Jahren haben die Schwellenländer gegenüber den hoch entwickelten Ländern erheblich an Boden wett gemacht.

Die Finanzkrise hat diesen Trend noch verstärkt: Etliche Schwellenländer waren von der Krise weniger betroffen und fin-den nun schneller zurück auf den früheren Wachstumspfad.

Strukturell machen die Schwellenländer eine ähnliche Ent-wicklung durch wie die entwickelten Länder im letzten Jahrhundert – nur wesentlich schneller. Deshalb werden sie im Betrachtungszeitraum 2015 bis 2030 just an jenen Standortfaktoren interessiert sein, in denen die Schweiz besonders konkurrenzfähig ist.

Darüber sollte die Schweizer Standortpromotion aller- dings nicht vergessen, dass die entwickelten Länder in der Zukunft in der globalen Wirtschaft zwar relativ betrach- tet an Gewicht verlieren, aber immer noch 60 bis 70 Prozent des globalen Wirtschaftsvolumens ausmachen werden.

In Kürze

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Standort-promotion: Zentrale Anforderungen an den Marktauftritt

Auslandsinvestitionen spielen eine wichtige Rolle für die Schweizer Volkswirt-schaft, da sie massgeblich zum Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Die Schweiz verfügt über eine ganze Reihe vorteilhafter Standortfak-toren, die sie im weltweiten Vergleich zu einem der attraktivsten Länder für Aus-landsinvestitionen machen. Damit die Schweiz diese Position auch in Zukunft im immer intensiver werdenden globalen Wettbewerb um die Ansiedlung aus-ländischer Firmen halten kann, sind zusätzliche Anstrengungen nötig. Es reicht nicht mehr aus, lediglich über attraktive Standortfaktoren zu verfügen. Vielmehr müssen diese in Zukunft durch konsequente Standortpromotion auch gezielt vermarktet werden.

Matthias Naumann / Christian Schmid, The Boston Consulting Group

Im Wettbewerb um die Ansiedlung ausländischer Firmen spielt die Stand-ortpromotion im Ausland eine entscheidende Rolle. Sie ist allerdings nur ein kleiner Teil der Wirtschaftsförderung und gezielt darauf ausgerichtet, die Schweiz im Ausland als Wirtschaftsstandort bei potenziellen Inves-toren zu vermarkten.

Kernaktivitäten der Standortpromotion Die Kernaktivitäten der Stand-ortpromotion können in 5 Schritte (Abb. 1) eingeteilt werden. Die Basis-informationen und die Beantwortung erster Rückfragen spielen in der frühen Phase des Entscheidungsprozesses eines Investors eine wich-tige Rolle. Sie beeinflussen mass-geblich, ob ein Standort im Verlau-fe des weiteren Prozesses näher in Betracht gezogen wird. In einem ers- ten Schritt muss deshalb dem initi-alen Informationsbedürfnis der In- vestoren durch eine Internetseite, Broschüren, sowie kompetente Aus-kunftspersonen Rechnung getragen werden. Durch die gezielte Marktbe-

Im Wettbewerb um die Ansiedlung ausländischer Firmen spielt die Standortpromotion im Ausland eine entscheidende Rolle.

57

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BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

Abb. 2: Drei regionale Zusammenschlüsse

17 der 26 kantonalen Standortpromotoren haben sich in einer der drei regionalen Organi-sationen BaselArea, GGBA (Greater Geneva Berne Area) und GZA (Greater Zurich Area) mit eigenem Aussenauftritt zusammengeschlossen.

arbeitung wird in einem zweiten Schritt versucht, aktiv das Interesse po-tenzieller Investoren zu wecken. Dabei kann ein breites Instrumentarium an Massnahmen, welche von Werbekampagnen und Webseminaren über die Teilnahme an Veranstaltungen bis zur Kaltakquise reichen, zum Ein-satz gelangen. Zeigt ein Investor ein hohes Ansiedlungsinteresse, wird er zum Lead. Im Rahmen der Leadbearbeitung wird der potenzielle Inves-tor in einem dritten Schritt bei der Beschaffung spezifischer Informa-tionen unterstützt. Dies kann in Form von Fact-Finding-Missionen oder durch die Bereitstellung detaillierter Unterlagen erfolgen. In einem vier-ten Schritt, der Angebotserstellung, soll der Investor durch verbindliche Angebote, z.B. zu steuerlichen Fragen, konkrete Entscheidungsgrund- lagen erhalten. Letztlich wird der Investor auch bei der Ansiedlung unter-stützt. So werden Kontakte zu Business-Netzwerken oder Treuhändern hergestellt, mögliche Grundstücke vermittelt oder der Investor wird bei der Beantragung von Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen unterstützt.

Akteure und Mandate Die Standortpromotion ist in der Schweiz fö-deralistisch aufgebaut und damit primär eine Kompetenz der Kantone.1 Von den 26 kantonalen Standortförderern haben sich 17 in drei regiona-len Organisationen mit eigenem Aussenauftritt zusammengeschlossen (Abb. 2).

1 Die Standortpromotion der Gemeinden wird aufgrund ihrer weniger prominenten Rolle bei der Schweizer Standortpromotion in dieser Arbeit nicht näher betrachtet.

BASIS-INFORMATION

MARKT-BEARBEITUNG

LEAD-BEARBEITUNG

ANGEBOTS-ERSTELLUNG

LOKALEANSIEDLUNG

Abb. 1: Was zu tun ist

Zur erfolgreichen Standortpromotion sind fünf Kernaktivitäten unerlässlich. Diese rei-chen vom Anbieten von Basisinformationen über die Marktbearbeitung bis zum konkreten Angebot und zur Umsetzung der Ansiedlung.

Quelle: Interviews mit Standortförderern; BCG Analyse

Page 59: Standort Schweiz

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Das Engagement der kantonalen Standortförderer kann sich über alle fünf Schritte der Standortpromotion erstrecken. Je nachdem, ob der Kanton Mitglied einer regionalen Organisation ist, variiert allerdings der Fokus der Aktivitäten. So fokussieren sich Kantone, welche einer regi-onalen Organisation angehören, stärker auf die Leadbearbeitung, die Angebotserstellung sowie die Ansiedlung, während die regionale Organi-sation primär in der Bereitstellung von Basisinformationen sowie in der Marktbearbeitung und Leadgenerierung engagiert ist (Abb. 3).

GBBA (Greater Geneva Berne Area)

GZA (Greater Zurich Area) Selbständige Kantone

BaselArea

SH

BL

SZLU

ZH

BE

VD

SG

TG

AR

GRUR

SO

NENW

ZG

AI

FR

JUAG

GE

GL

VS

TI

OW

BS

Abb. 2: Drei regionale Zusammenschlüsse

17 der 26 kantonalen Standortpromotoren haben sich in einer der drei regionalen Organi-sationen BaselArea, GGBA (Greater Geneva Berne Area) und GZA (Greater Zurich Area) mit eigenem Aussenauftritt zusammengeschlossen.

Quelle: BaselArea; GGBA; GZA; Osec

Page 60: Standort Schweiz

60

BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

Zusätzlich zu den Kantonen und den regionalen Organisationen ist auch der Bund in der Standortförderung aktiv. Das entsprechende Mandat wurde 2008 vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) der Osec über-tragen. Die Aufgaben wurden in einer Leistungsvereinbarung zwischen der Osec und den Kantonen festgelegt und variieren je nach Zielland. Sie reichen von der Bereitstellung von Basisinformationen bis hin zur Markt-bearbeitung, schliessen aber in allen Ländern ausser Japan die Leadge-nerierung explizit aus.

Die Arbeitsgruppe Landesmarketing bildet als Projektgruppe der Volks-wirtschaftsdirektorenkonferenz (VDK) eine Plattform für die verschiede-nen Akteure zur gemeinsamen Abstimmung der Standortpromotion.

STUFE ORGANI-SATIONEN

BUDGET(Mio. CHF)

Kantone26 kant.Standort-förderer

15

Regionen BaselAreaGGBA, GZA 9

Bund OSEC 6

30

MARKT-BEARBEIT.

BASIS-INFORMATION

LEAD-BEARBEIT.

ANGEBOTS-ERSTELLUNG

LOKALEANSIEDLUNG

stark aktiv nicht aktiv

Abb. 3: Die Aufgabenverteilung

Die Aufgaben der verschiedenen Standortpromotoren unterscheiden sich erheblich. Das Mandat des Bundes reicht von der Bereitstellung von Basisinformationen bis zur Marktbe-arbeitung, schliesst aber in allen Ländern ausser Japan die Leadgenerierung explizit aus. Regionen und Kantone sind bis zur Angebotserstellung bzw. Ansiedlung aktiv.

Quelle: Interviews mit Standortpromotoren; BCG Analyse

Page 61: Standort Schweiz

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Budget und Personal Das verfügbare Budget der Schweizer Standort-promotion beträgt rund 30 Millionen Franken. Davon haben die Kantone 15 Millionen zur Verfügung. Die regionalen Organisationen verfügen über ein Budget von 9 Millionen Franken, wobei dieses ebenfalls durch die Kantone finanziert wird. Die Osec kann auf ein Budget von 6 Millionen zu-rückgreifen. Dieses wird mit 4,7 Millionen Franken aus Bundesmitteln und mit 1,3 Millionen aus kantonalen und regionalen Mitteln finanziert.

Das Schweizer Gesamtbudget beträgt somit 55 Franken für jede Million BIP. Es ist vergleichbar mit dem Budget ähnlicher Länder wie Österreich (54 Franken pro Million BIP) und Schweden (53 Franken pro Million BIP). Durch die föderalistische Struktur der Schweiz ist das Gesamtbudget aber deutlich stärker fragmentiert. Die vier grössten Schweizer Akteure verfügen insgesamt nur über rund 50 Prozent des Gesamtbudgets, während die vier grössten Akteure in Österreich und Schweden mehr als 70 Prozent des Budgets kontrol-lieren. Diese Fragmentierung der Ressourcen kann zu Mehrspurigkeiten und Reibungsverlusten führen und die Schweizer Standortpromotion da-durch teilweise als weniger schlagkräftig erscheinen lassen.

Die Schweizer Standortförderer beschäftigen rund 140 bis 150 Personal-kapazitäten, wobei hiervon 70 bis 80 auf die reine Promotion und 60 bis 70 auf die Ansiedlung und Administration entfallen. Der Fokus der Ak-tivitäten liegt auf dem EU-Raum, den BRIC2-Ländern und den USA. Die Kantone konzentrieren sich tendenziell auf Nahmärkte wie die EU-Län-der und speziell auf Deutschland. Fernmärkte wie die BRIC-Länder und die USA werden hingegen stärker von regionalen Organisationen und der Osec bearbeitet (Abb. 4).

Herausforderungen für die Schweizer Standortpromotion In Diskussi-onen mit Schweizer Standortpromotoren zeigt sich, dass alle drei Ebenen

2 Brasilien, Russland, Indien, China.

Das verfügbare Budget der Schweizer Standortpromotion beträgt rund 30 Millionen Franken.

Page 62: Standort Schweiz

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BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

(Kantone, Regionen und Bund) klare Verbesserungspotenziale sehen. Die Qualität der Basisinformationen im Internet sowie der verfügbaren Prospekte wurde verschiedentlich kritisiert. So wurde insbesondere be-mängelt, dass die wesentlichen Aussagen teilweise in der Fülle der In-formationen verloren gehen. Auch wurde angemerkt, dass die Vielzahl der Publikationen der verschiedenen Schweizer Standortpromotoren zu einem uneinheitlichen Bild der zentralen Standortvorteile führt und damit die Transparenz und Verständlichkeit für ausländische Investoren reduziert.

Die Schweizer Standortpromotion weist aufgrund der zahlreichen Ak- teure eine starke Fragmentierung auf. Die daraus resultierenden Mehr-

Abb. 4: So werden die Ressourcen eingesetzt

Es besteht ein klarer Fokus der Schweizer Aktivitäten auf den EU-Raum, die BRIC-Länder und die USA. Die Kantone konzentrieren sich auf angrenzende EU-Länder, während Regio-nen und die Osec stärker in den BRIC-Ländern und den USA aktiv sind

Quelle: Interviews mit Standortförderern

3821

12

221

397

7114

USA (23%)

0 5 10 15 20 25 30 35

26 Kantone 3 Regionen Bund (OSEC)

Japan (6%)

PERSONALKAPAZITÄTEN

EU-Raum (40%)

Sonstige (4%)

BRIC-Länder (27%)

Page 63: Standort Schweiz

63

STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

spurigkeiten in der Marktbearbeitung wurden von mehreren Promotoren als eine der zentralen Herausforderungen identifiziert, da sie ihnen zufol-ge die Effizienz des Ressourceneinsatzes beeinträchtigen. Einzelne kan-tonale Standortförderer wünschen sich in diesem Zusammenhang expli-zit eine stärkere Rolle der zentralen Standortförderung in Fernmärkten. Kantone und regionale Standortför-derer zweifeln allerdings teilweise daran, dass der Bund grundsätz-lich in der Lage ist, eine erfolgreiche Standortförderung zu betreiben, da viele der relevanten Informationen nur auf kantonaler Basis vorhanden seien. Im Gegenzug fragen sich die Vertreter der regionalen Organisatio-nen und der Osec, ob insbesondere kleinere Kantone aufgrund ihres be-grenzten Budgets überhaupt die Möglichkeiten haben, alle attraktiven Zielmärkte aktiv zu bearbeiten.

Die Osec ist verpflichtet, generierte Leads an alle 26 Kantone weiterzu-geben. Letztgenannte gehen dann selbständig auf den potenziellen In-vestor zu und übernehmen die Leadbearbeitung. Dies kann dazu führen, dass ein Investor 10–15 unterschiedliche Rückantworten und Ansprech-partner erhält. Da keine Vorselektion stattfindet und die Rückantworten nicht standardisiert werden, führt dies oft zu einer Überforderung des Investors.

Es zeigt sich ebenfalls deutlich, dass teilweise ein nicht zu unterschät-zendes Konkurrenzverhältnis zwischen Schweizer Standortpromotoren besteht. Dies kann zu gegenseitigen Abwerbungsversuchen führen und verhindern, dass potenzielle Investoren, welche im eigenen Kanton nicht angesiedelt werden können, an andere Kantone weitergeleitet werden. Ein kantonaler Vertreter brachte dieses Dilemma mit folgender Aus- sage eindrücklich auf den Punkt: «Für mich persönlich kann es politisch besser sein, wenn ein potenzieller Investor ins Ausland geht als in einen anderen Kanton.»

Einige dieser Verbesserungspotenziale spiegeln sich auch im «Global In-vestment Promotion Benchmarking Report» der Weltbank wider. Dieser

Die Schweizer Standortpromotion weist aufgrund der zahlreichen Akteure eine starke Fragmentierung auf.

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BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

Abb. 5: Die Schweiz unter ferner liefen

Die Schweizer Standortpromotion erreicht im externen Vergleich durch die Weltbank – ge-messen an den beiden Bewertungsdimensionen «Qualität der Website» und «Umgang mit Anfragen» – gesamthaft nur Platz 16 unter den OECD-Ländern.

untersuchte die Qualität der Website und den Umgang mit ersten Rück-fragen. Im Endergebnis belegte die Schweiz lediglich Rang 16 unter den 21 untersuchten OECD-Ländern (Abb. 5).

Das Ergebnis lässt sich zum Teil darauf zurückführen, dass die Osec zum Zeitpunkt der Datenerhebung das Mandat erst seit kurzem inne-hatte und noch in der Aufbau-phase ihrer Arbeit war. Eine konsequente Umsetzung der identifizierten Verbesserungs-potenziale ist aber trotzdem unerlässlich. Die Kritikpunkte der einzelnen Standortpromotoren sowie die Erkenntnisse der Weltbank-Studie können zu drei zentralen Hand-lungsfeldern zusammengefasst werden:

– Es sollten qualitativ hochwertige, investorenfreundliche Basisinfor-mationen bereitgestellt sowie erste Rückfragen professionell und zeitnah beantwortet werden.

– Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes sollten die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen Bund und Kantonen klar aufge-teilt werden.

– Die Koordination und die Kooperation zwischen Schweizer Standort-promotoren sollten verbessert werden, um eine Überforderung des Investors zu verhindern und kooperatives Verhalten zu fördern.

Ansatzpunkte für ein gezielteres Vorgehen Basierend auf den drei zen-tralen Handlungsfeldern ergeben sich drei Ansatzpunkte für ein geziel-teres Vorgehen der Schweizer Standortpromotion. Die Bereitstellung von Basisinformationen und die Beantwortung erster Rückfragen spielen im Entscheidungsprozess des Investors eine wichtige Rolle. Sie beeinflus-sen massgeblich, ob ein Land den Sprung von der Longlist mit teilweise 15 bis 20 Kandidaten auf die Shortlist mit 3 bis 5 Kandidaten schafft oder nicht. Die gemäss einer aktuellen Ernst-&-Young-Studie3 wichtigsten

3 E&Y-Studie Switzerland 2009.

Für mich kann es politisch besser sein, wenn ein potenzieller Investor ins Ausland geht als in einen anderen Kanton.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

ZWEI DIMENSIONEN FüR DIE BEWERTUNG/GEWICHTUNG

1. QUALITäT DER WEBSITE:

Aufbau und Struktur der Website 10%

Darstellung der Informationen 10%

Relevanz und präzision der Infor- mationen

50%

Qualität der Vermarktung des Standorts und der Dienstleistungen des Standortpromotors

30%

2. UMGANG MIT ANFRAGEN:

Auffindbarkeit der relevanten Stellen online und Erreichbarkeit eines kompetenten projektleiters

10%

Kommunikation mit dem potenziellen Investor

15%

Inhaltliche Relevanz und professionalität der Antworten

55%

Nachverfolgung der Anfragen und Konvertierung zu Leads

20%

Abb. 5: Die Schweiz unter ferner liefen

Die Schweizer Standortpromotion erreicht im externen Vergleich durch die Weltbank – ge-messen an den beiden Bewertungsdimensionen «Qualität der Website» und «Umgang mit Anfragen» – gesamthaft nur Platz 16 unter den OECD-Ländern.

Quelle: Global Investment Promotion Benchmarking Report 2009 der Weltbank

Standortfaktoren für ausländische Investoren sind mehrheitlich national (Abb. 6). Dies deckt sich mit Interviewaussagen von bereits in der Schweiz angesiedelten Unternehmen, welche bestätigen, dass die Entschei-dung für die Schweiz aufgrund nationaler Standortfaktoren getroffen

RANGLISTE OECD-LäNDER

1. österreich

2. Schweden

3. Deutschland

4. Kanada

5. Vereinigtes Königreich

6. Frankreich

7. Irland

8. Spanien

9. Australien

10. Ungarn

11. Neuseeland

12. Finnland

13. Tschechische Republik

14. portugal

15. Luxemburg

16. Schweiz

17. Belgien

18. Island

19. Korea

20. Dänemark

21. USA

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BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

Abb. 6: Wo die Standortvorteile liegen

Die meisten der für die Investoren entscheidenden Standortfaktoren sind auf nationaler Ebene angesiedelt. Deshalb ist es sinnvoll, dass Basisinformationen hierzu auch von einer zentralen Organisation bereitgestellt werden.

Quelle: E&Y Switzerland 2009; Interviews mit Standortförderern; BCG Analyse

NATIONALE STANDORTFAKTOREN*

1. politische Stabilität und Rechtssicherheit

2. Lebensqualität

3. Soziales Klima

4. Kaufkraft

5. Infrastruktur/Transport und Logistik

6. Vorhandene R&D-Ressourcen

7. Qualität des Bildungssystems

8. Infrastruktur/Telekommunikation

9. Stellenwert als Finanzzentrum

10. Unternehmergeist

12. Anreize, HQ nach CH zu verlegen (Holding-Strukturen)

14. Zugang zu Investoren

15. Internationale Kultur und Offenheit

16. Arbeitsrecht

≥ Zentrale Vermarktung

* Nach Bedeutung geordnet

REGIONALE/KANTONALE STANDORTFAKTOREN*

11. Steuervorteil

13. Verfügbare Arbeitskräfte/ Spezialisten

Finanzielle Fördermöglichkeiten

Netzwerke/Cluster

Behördliche Bewilligungen

Verfügbares Bauland

≥ Lokale Vermarktung

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

wurde. Erst in einem zweiten Schritt wurde dann über den konkreten Standort innerhalb der Schweiz entschieden. Dementsprechend sollten bei den Basisinformationen auch primär die nationalen Standortfakto-ren in den Mittelpunkt gerückt werden. Zur Aufbereitung und Vermark-tung dieser zentralen Basisfaktoren bietet sich eine zentrale Organisa- tion an, die diese Ressourcen besser bündeln, für eine Vereinheitlichung der Botschaft sorgen und damit zu einer besseren Wahrnehmung in den Zielmärkten beitragen kann.

Das Internet gewinnt gemäss einer Studie der Development Counsellors International (DCI)4 eine immer höhere Bedeutung bei der initialen Stand-ortrecherche. Die Qualität der Website trägt damit einen ent-scheidenden Teil zur Kommuni-kation von Basisinformationen gegenüber potenziellen Inves-toren bei. Basierend auf den Websites der in der Weltbankstudie iden-tifizierten Best-Practice-Beispiele Tschechische Republik5, Frankreich6 und Österreich7 lassen sich sechs Anforderungen an eine erfolgreiche Investoren-Website ableiten:

– Auffindbarkeit: Ein aussagekräftiger Domainnamen wie beispiels-weise www.invest-in-switzerland.com und Suchmaschinenoptimierung sind notwendig.– Mehrsprachigkeit: Die Seite und die Downloads sollten in den Spra-chen der wichtigsten Zielländer verfügbar sein.– Aufbau und Design: Die Navigation sollte einfach und übersichtlich sein. Zudem ist eine gute visuelle Aufbereitung der Inhalte notwendig. – Inhalt: Investorenrelevante Informationen zu den zentralen Stand-ortfaktoren sowie ergänzende Informationen zur Schweiz sollten ver-

4 Developers Counsellors International Report 2008: «Winning Strategies in Economic Development»

5 www.czechinvest.org

6 www.invest-in.france.org

7 www.aba.gv.at

Die Qualität der Website trägt einen entscheidenden Teil zur Kommunikation von Basisinformationen bei.

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BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

Abb. 7: Wer wo im Ausland trommelt

Die Schweizer Standortpromotion ist wegen der zahlreichen Akteure stark fragmentiert. Dies führt zu Mehrspurigkeiten, Reibungsverlusten und damit zu suboptimalem Ressour-ceneinsatz. Für die wichtigsten Zielmärkte gibt es keine eindeutige Kompetenzverteilung zwischen den Standortpromotoren der Kantone, der Regionen und des Bundes. So gibt es beispielsweise in China und den USA sieben verschiedene Schweizer Standort-Repräsen-tanzen, alle mit begrenzten Ressourcen.

fügbar sein. Dabei sollte möglichst auf aussagekräftige Statistiken und internationale Vergleiche zurückgegriffen werden. Zudem sollte die Website einen Q&A-Teil sowie Testimonials von angesiedelten Unterneh-men enthalten.– Aufbereitung der Information: Informationen sollten kurz und präg-nant dargestellt werden. Der Investor sollte aber die Möglichkeit haben, bei Bedarf auf vertiefende Detailinformationen zuzugreifen.– Kontakte und weiterführende Websites: Kontaktinformationen zu sämtlichen Schweizer Standortpromotoren und weiterführende Links zu relevanten Websites von behördlichen und wirtschaftlichen Organisatio-nen sollten einfach auffindbar sein.

In den Basisinformationen sollte auch ein Verweis zu einer zentralen An-laufstelle für Rückfragen enthalten sein. Diese sollte erste Anfragen po-tenzieller Investoren zeitnah und professionell beantworten, verfügbare Unterlagen den Interessenten zustellen und letztgenannte bei Bedarf an relevante Ansprechpartner weiterleiten. Wichtig ist zusätzlich, dass die zentrale Anlaufstelle die Kontakte weiterverfolgt. So sollte einige Tage nach der Anfrage bei den Investoren nachgefragt werden, ob ihre Anlie-gen zufriedenstellend beantwortet wurden und ob sie noch weitere Un-terstützung benötigen.

Zentrales Kriterium für den Erfolg der angebotenen Basisinformationen sowie die Professionalität der Beantwortung erster Rückfragen ist die Anzahl der generierten, qualitativ hochwertigen8 Leads. Zudem sollte gemessen werden, innerhalb welcher Zeit auf schriftliche und telefoni-sche Anfragen reagiert wird und in wie vielen Fällen die Anfragen mit der ersten Rückantwort zufriedenstellend beantwortet werden konnten.

Optimierung des Ressourceneinsatzes bei der Marktbearbeitung Die Schweizer Standortpromotion ist aufgrund der zahlreichen Akteure stark fragmentiert. Dies führt zu Mehrspurigkeiten, Reibungsverlusten und damit zu einem suboptimalen Ressourceneinsatz. Für die wichtigs-

8 Z.B. konkretes Ansiedlungsinteresse innerhalb der nächsten 24 Monate.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

ten Zielmärkte gibt es keine eindeutige Kompetenzverteilung zwischen den Standortpromotoren der Kantone, der Regionen und des Bundes (Abb. 7). So unterhalten beispielsweise in China und den USA sieben unterschiedliche Schweizer Standortpromotoren Repräsentanzen, die diese sehr grossen Märkte mit begrenzten Ressourcen parallel bear-beiten. Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes sollten die Märkte anhand zweier Dimensionen segmentiert werden: dem Marktpotenzial und dem vorhandenen Wissen potenzieller Investoren über die Schweiz.

Abb. 7: Wer wo im Ausland trommelt

Die Schweizer Standortpromotion ist wegen der zahlreichen Akteure stark fragmentiert. Dies führt zu Mehrspurigkeiten, Reibungsverlusten und damit zu suboptimalem Ressour-ceneinsatz. Für die wichtigsten Zielmärkte gibt es keine eindeutige Kompetenzverteilung zwischen den Standortpromotoren der Kantone, der Regionen und des Bundes. So gibt es beispielsweise in China und den USA sieben verschiedene Schweizer Standort-Repräsen-tanzen, alle mit begrenzten Ressourcen.

Quelle: Interviews mit Standortförderern; Desk research

USAOsec 5BaselArea 1GGBA 3GZA 4Bern 2Freiburg 1Genf 1

INDIENOsec 6GGBA 2GZA 1Bern 1Genf 1

FRANKREICHOsec 2GGBA 2Bern 1Genf 1

ITALIENGGBA 1Bern 1

jApANOsec 3BaselArea 1Genf 1

RUSSLANDOsec 2GGBA 2Genf* 1

DEUTSCHLANDOsec 1GGBA 2Genf 2

BENELUXGenf 1

UKGenf 1

CHINAOsec 5BaselArea 1GGBA 2GZA 1Freiburg 1Genf 1Schaffhausen** 1

BRASILIENOsec 1GGBA 2

KANADA UND OSTKüSTEGGBA 1Genf 1

SüDAFRIKAOsec 1

* Zusätzliche Abdeckung von Eastern Europ; ** Geplant ab 2010 Anmerkung: Headcount schliesst Mitarbeiter auf Mandatsbasis ein.

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BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

Abb. 8: Wo wer aktiv werden muss

Die Entscheidung, welche Märkte Kantone/Regionen und Bund bearbeiten sollten, orien-tiert sich am Subsidiaritätsprinzip. Kantone sollten in jenen Märkten die Verantwortung tragen, in welchen sie diese mit ihren Ressourcen effektiv wahrnehmen können. Der Bund sollte in Ländern die Federführung übernehmen, die zwar wichtig sind, in denen die Kanto-ne aber nicht in der Lage sind, selbständig eine signifikante Anzahl potenzieller Investoren für sich zu gewinnen.

– Das Marktpotenzial ist entscheidend zur Beurteilung der Wichtigkeit möglicher Zielländer. Die Einschätzung folgt dabei der Vorgehensweise der Credit Suisse, bei der die heutige Bedeutung der Länder, basierend auf ihren Auslandsinvestitionen, und ihre zukünftige Bedeutung anhand ihres Wirtschaftswachstums beurteilt werden.– Eine zentrale Rolle kommt auch dem Wissen über die Schweiz zu, da potenzielle Investoren je nach Vorwissen ein anderes Informations- und Betreuungsbedürfnis haben. Diese zweite Dimension wurde mittels wirtschaftlicher, touristischer und kultureller Faktoren beurteilt.

Basierend auf der resultierenden Segmentierung sollten künftig die Zuständigkeiten von Bund und Kantonen eindeutig abgegrenzt werden (Abb. 8). Die Entscheidung, welche Märkte die Kantone und Regionen und welche Märkte der Bund bearbeiten sollten, orientiert sich am Subsidiaritätsprinzip. Kantone sollten in jenen Märk-ten die Verantwortung für die Marktbearbeitung tragen, in welchen sie diese mit ihren Ressourcen effektiv wahrnehmen können. Der Bund hingegen sollte in Ländern die Federführung übernehmen, die zwar von hoher Bedeutung sind, in denen die Kantone aber nicht selbständig in der Lage sind, eine signifikante An-zahl potenzieller Investoren für sich zu gewinnen. Basierend auf den bei-den Dimensionen und dem Subsidiaritätsprinzip können drei Arten von Märkten unterschieden werden:

– Nahe Fokusmärkte: In Märkten mit einem hohen Potenzial und ho-hem Wissen über die Schweiz sind die Eintrittsbarrieren für Schweizer Standortpromotoren verhältnismässig tief. Potenzielle Investoren sind mit den Schweizer Verhältnissen relativ gut vertraut, so dass weniger Aufbauarbeit geleistet werden muss. Kantone können direkt auf mög-liche Investoren zugehen und machen dies teilweise auch sehr erfolg-reich. Durch das relativ grosse Wissen über die Schweiz wird zudem regionalen und kantonalen Unterschieden mehr Beachtung geschenkt. Hier kommen die Stärken der regionalen und kantonalen Standortpro-motoren zum Tragen, da diese mit den lokalen Unterschieden bestens

Für die wichtigsten Zielmärkte gibt es keine eindeutige Kompetenzverteilung zwischen Kantonen, Regionen und Bund.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

vertraut sind. Zusätzlich profitieren die kantonalen Standortpromotoren von kurzen Entscheidungswegen und der Investor kann während des ge-samten Prozesses von einem einzigen Ansprechpartner betreut werden.

Abb. 8: Wo wer aktiv werden muss

Die Entscheidung, welche Märkte Kantone/Regionen und Bund bearbeiten sollten, orien-tiert sich am Subsidiaritätsprinzip. Kantone sollten in jenen Märkten die Verantwortung tragen, in welchen sie diese mit ihren Ressourcen effektiv wahrnehmen können. Der Bund sollte in Ländern die Federführung übernehmen, die zwar wichtig sind, in denen die Kanto-ne aber nicht in der Lage sind, selbständig eine signifikante Anzahl potenzieller Investoren für sich zu gewinnen.

Quelle: CS; BCG Analyse

WISSEN ÜBER DIE SCHWEIZ —≥

hochgeringMARKTPOTENZIAL —≥

aktuell/zukünftig

nicht prioritär

zukünftig

bedeutend

aktuell

bedeutend

ITALIEN

KANADA SKANDINAVIENJAPAN

SPANIEN

CHINA

BRASILIENMEXIKO

RUSSLAND

INDIEN

DEUTSCHLAND

FRANKREICH

UK

USA

Zentrale BearbeitungRegionale/kantonale Bearbeitung

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BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

– Ferne Fokusmärkte: In Märkten mit einem hohen Potenzial und gerin-gem Wissen über die Schweiz muss zuerst Aufbauarbeit geleistet werden, um das Potenzial in Zukunft abschöpfen zu können. Diese Aufbauarbeit ist sehr ressourcenintensiv und kann sich über viele Jahre erstrecken. Es stellt sich deshalb die Frage, inwieweit die einzelnen Kantone (insbeson-dere kleinere) diese Aufgabe in den relevanten Zielmärkten effektiv wahr-nehmen können. Basierend auf dem Subsidiaritätsprinzip sollte in fernen Fokusmärkten deshalb ein zentraler Standortpromotor die Federführung übernehmen und die Marke Schweiz potenziellen Investoren näherbrin-gen. Dies erleichtert die Bünde-lung vorhandener Ressourcen und verbessert damit die Wahr-nehmung der Schweiz in diesen Ländern. Als Nebeneffekt wird zudem die Komplexität für Investoren reduziert, da diese zu Beginn mit einem Vertreter der Schweiz und nicht mit einer Vielzahl von Vertretern von ihnen unbekannten Kantonen in Kontakt stehen. Zudem erleichtert es auch den Aufbau des in asiatischen Märkten sehr wichtigen Vertrau-ensverhältnisses zwischen Investor und Standortpromotor.

– Nischenmärkte: Märkte mit geringem Potenzial können opportunis-tisch von allen kantonalen und regionalen Standortpromotoren bearbei-tet werden. Dies kann zum Beispiel angebracht sein, wenn ein Standort-förderer spezielle Kontakte zu einem Land pflegt oder dieses aufgrund einer bestimmten Branche eine besondere Bedeutung für den Kanton oder die Region hat. Der Bund sollte sich in diesen Märkten zurückhal-ten, um seine Ressourcen gezielt in fernen Fokusmärkten einsetzen und dort die grösstmögliche Wirkung erzielen zu können.

Die Bearbeitung der Zielmärkte muss hohen Qualitätsstandards ge-nügen und sollte an relevanten Erfolgskennzahlen gemessen werden. Wichtig ist beispielsweise ein gezieltes Eventmanagement. Dabei bietet sich an, Veranstaltungen in Kooperation mit Multiplikatoren (z.B. Big 4, lokale Business Networks) zu organisieren und bei der Durchführung auf die Anwesenheit von Vertretern der offiziellen Schweiz (z.B. Boschafter oder Politiker) zurückzugreifen. Die Teilnehmer dieser Veranstaltungen

In fernen Fokusmärkten sollte deshalb ein zentraler Standortpromotor die Feder-führung übernehmen.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

sollten bewusst ausgewählt werden. So sollten schwerpunktmässig Ent-scheidungsträger möglicher Investoren aus den Zielbranchen (vgl. Kapi-tel CS) angeschrieben und eingeladen werden. Der Aufbau eines posi-tiven Images der Schweiz sollte durch möglichst regelmässige positive Medienberichterstat-tung gefördert werden. Zudem sollte bei der Direktansprache von Investoren (Kaltakquise) eine hohe Anzahl erfolgversprechender Besuchstermine mittels vorgängiger tele-fonischer Abklärung des Grundinteresses sichergestellt werden.

Während der Erfolg des Eventmanagements und der Direktansprache an der Anzahl qualitativ hochwertiger Leads gemessen werden sollte, kann der Erfolg bei den Veranstaltungen anhand der Anzahl relevanter Teil-nehmer beziehungsweise bei der Imagepflege basierend auf der Anzahl positiver Medienbeiträge beurteilt werden.

Verbesserung der Koordination zwischen den Standortpromotoren Die Koordination und Kooperation zwischen Schweizer Standortpro-motoren sollte mittels zweier Massnahmen verbessert werden. Zum einen sollte bei einer Anfrage über die zentrale Organisation ein klarer Prozess zur Leadverteilung und zur Standardisierung von Rückantwor-ten definiert werden. Zum anderen sollten mittels eines Verhaltensko-dexes («Gentlemen’s Agreement») übermässige Abwerbungsversuche zwischen Schweizer Standortpromotoren verhindert und die Weitergabe von Leads an andere Kantone gefördert werden.

Leadverteilungs- und Standardisierungsprozess: Im Falle einer konkre-ten Anfrage über die zentrale Organisation sieht die aktuelle Regelung im Deal-Flow-Abkommen zwischen der Osec und den anderen Schweizer Standortpromotoren eine Weiterleitung an alle kantonalen und regiona-len Standortpromotoren vor. Dadurch besteht die Möglichkeit, dass der Investor eine Vielzahl von Angeboten aus der Schweiz bekommt. In zwei aktuellen Beispielen erhielten jeweils ein amerikanischer und ein asiati-scher Investor zwischen 10 und 15 Angebote. Des Weiteren gibt es keine Regelung zur Standardisierung dieser Rückantworten. Dies hat zur Folge,

Die Bearbeitung der Zielmärkte muss hohen Qualitätsstandards genügen.

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BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

Abb. 9: Von Deutschland lernen

Viele unstandardisierte Rückantworten überfordern manchen Investor. Das kann durch eine auf seinen Bedürfnissen basierende Leadverteilung und die Standardisierung mi-nimiert werden. Die deutsche Standortpromotion auf Bundesebene, Germany Trade and Invest (GTAI), setzt einen strukturierten Prozess ein.

dass es für Investoren schwierig ist, die wichtigsten Unterschiede sofort zu erkennen. Die Vielzahl unstandardisierter Angebote kann einen Inves-tor im schlechtesten Fall so stark verwirren, dass dieser sich grundsätz-lich gegen die Schweiz entscheidet und einem Land zuwendet, welches seine Vorteile auf einfachere und verständlichere Weise anpreist.

Diese Überforderung kann durch eine auf den Bedürfnissen des Inves-tors basierende Leadverteilung sowie eine Standardisierung der Rück-antworten minimiert werden. Die deutsche Standortpromotion auf Bun-desebene, Germany Trade and Invest (GTAI), setzt an dieser Stelle einen strukturierten Prozess ein (Abb. 9). Die Notwendigkeit eines solchen Prozesses wurde in Deutschland vom Fachbeirat der GTAI, einem Gre-mium bestehend aus den Geschäftsführern der Standortförderer der einzelnen deutschen Bundesländer, im Jahre 2007 erkannt und gemein-sam erarbeitet.

Herzstück des Prozesses sind sowohl die selektive Weiterleitung von Leads an einzelne Bundesländer als auch die Standardisierung der Rückantworten durch den GTAI-Projektleiter. Die Entscheidung, an wel-ches Bundesland ein Lead weitergeleitet wird, findet auf Basis einer detaillierten Vorabklärung der In-vestorenbedürfnisse mittels eines Fragebogens statt. Der GTAI-Pro-jektleiter entscheidet dann, wel- che Bundesländer die besten Mög-lichkeiten haben, ein erfolgverspre- chendes Angebot an den Interessenten zu formulieren, und gibt den Lead an diese weiter. Bei Grossprojekten wird dieser Mechanismus al-lerdings ausser Kraft gesetzt und die Anfrage wird an alle Bundesländer weitergeleitet.

Die Rückantworten der einzelnen Bundesländer werden anschliessend vom GTAI-Projektleiter in einer auf die Bedürfnisse des Investors zuge-schnittenen PowerPoint-Präsentation zusammengefasst und standar-disiert. Die Standortpromotoren der einzelnen deutschen Bundesländer begrüssen diese Vorgehensweise explizit: «Wir sind mit der Vorgehens-

Zwischen den Schweizer Standort- promotoren besteht teilweise ein nicht zu unterschätzendes Konkurrenz- verhältnis.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

weise der GTAI bei der Leadverteilung und dem Standardisierungspro-zess zufrieden und fühlen uns von der GTAI bzw. ihrer Vorgängerorgani-sation fair behandelt.»

Abwerbungsversuche und Weitergabe von Leads: Zwischen den Schwei-zer Standortpromotoren besteht teilweise ein nicht zu unterschät-zendes Konkurrenzverhältnis. Dieses äussert sich unter anderem in Abwerbungsversuchen, welche zu einem aus gesamtschweizerischer Perspektive ineffizienten Ressourceneinsatz führen. Zudem werden po-tenzielle Investoren, welche im eigenen Kanton nicht angesiedelt werden können, oft nicht gezielt an andere Kantone weiterverwiesen. Gemäss einem kantonalen Standortpromotor kann es für ihn aus politischen Gründen sogar besser sein, wenn ein Investor sich für ein anderes Land entscheidet, als wenn er sich im Nachbarkanton niederlässt.

POTENZIELLER INVESTOR

1Anfrage/detaillierte Vorabklärung (Fragebogen)

Entscheidung über weiteres Vorgehen

6

GTAI-PROJEKT-LEITER

2Selektive Weiterleitung auf Basis der Vorabklärung

Standardisierung der Angebote zur besseren Vergleichbarkeit5

STANDORT-FÖRDERER DER LÄNDER

3Anfrage eines Angebots von den Ländern

Angabe eines Standortangebots innerhalb einer Frist4

Abb. 9: Von Deutschland lernen

Viele unstandardisierte Rückantworten überfordern manchen Investor. Das kann durch eine auf seinen Bedürfnissen basierende Leadverteilung und die Standardisierung mi-nimiert werden. Die deutsche Standortpromotion auf Bundesebene, Germany Trade and Invest (GTAI), setzt einen strukturierten Prozess ein.

Quelle: GTAI

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BCGSTANDORT-pROMOTION: ZENTRALE ANFORDERUNGEN AN DEN MARKTAUFTRITT

Zur Verbesserung der Kooperation unter den Schweizer Standortpromo-toren sollte deshalb im Rahmen eines Verhaltenskodexes («Gentlemen’s Agreement») festgehalten werden, welche Aktivitäten erwünscht und welche zu unterlassen sind. So sollten Kantone potenzielle Investoren aktiv ansprechen können, die Möglichkeit haben, kantonale Vorteile offen zu propagieren und Leads bei erfolgloser Ansiedlung im eigenen Kanton an andere Kantone weiterzuleiten. Im Gegensatz dazu sollten Investoren, welche sich in einem späten Stadium des Prozesses befinden, nicht aktiv von anderen Kantonen abgeworben werden. Um zu verhindern, dass sich der Investor letztlich in einem anderen Staat ansiedelt, sollten sich die einzelnen Standortpromotoren nicht negativ über die anderen Schweizer Akteure äussern.

Konklusion Damit die Schweiz im sich intensivierenden globalen Wett-bewerb um die Ansiedlung ausländischer Firmen weiterhin bestehen kann, müssen die Standortvorteile im Ausland gezielt vermarktet werden. Basierend auf der aktuellen Schweizer Standortpromotion ergeben sich drei zentrale Ansatzpunkte, um den Marktauftritt der Schweiz zu verbes-sern und die verfügbaren Ressourcen möglichst optimal einzusetzen:

– Qualitativ hochwertige, investorenfreundliche Basisinformationen sollten zentral bereitgestellt und erste Rückfragen professionell beant-wortet werden. – Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes bei der Marktbearbeitung sollten sich die Kantone auf die nahen Fokusmärkte konzentrieren, wäh-rend der Bund die Federführung in fernen Fokusmärkten übernimmt.– Die Koordination und Kooperation zwischen Schweizer Standortpro-motoren sollte durch eine gezielte Leadverteilung, die Standardisierung von Rückantworten sowie die Formulierung eines «Gentlemen’s Agree-ment» verbessert werden.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Die Standortpromotion ist in der Schweiz föderalistisch auf- gebaut und damit primär eine Kompetenz der Kantone. 17 der 26 Kantone haben sich zudem in drei regionalen Organi- sationen zusammengeschlossen, um nach aussen teilweise gemeinsam aufzutreten. Zusätzlich gibt es die Standortförde-rung des Bundes, die von der Osec ausgeübt wird.

Das verfügbare Budget der Schweizer Standortpromotoren beträgt insgesamt rund 30 Millionen Franken. Es ist relativ zum Bruttoinlandprodukt vergleichbar mit dem Budget ähn- licher Länder wie Österreich und Schweden. Durch die födera-listische Struktur ist das Schweizer Budget allerdings deutlich stärker fragmentiert. Der Fokus der Aktivitäten liegt auf dem EU-Raum, den BRIC-Ländern und den USA, wobei sich die Kantone tendenziell auf Nahmärkte wie die EU-Länder konzentrieren.

In Diskussionen mit Schweizer Standortpromotoren zeigt sich, dass alle drei Ebenen (Kantone, Regionen und Bund) klare Verbesserungspotenziale sehen. Diese kommen auch in einem Report der Weltbank zum Ausdruck, in welchem die Schweizer Standortpromotion lediglich auf Rang 16 von 21 untersuchten OECD-Ländern liegt.

Zur Optimierung der Schweizer Standortpromotion stehen drei Lösungsansätze im Vordergrund: – Qualitativ hochwertige, investorenfreundliche Basis- informationen sollten zentral bereitgestellt und erste Rück- fragen professionell beantwortet werden. – Zur Optimierung des Ressourceneinsatzes bei der Markt- bearbeitung sollten sich die Kantone auf die nahen Fokus- märkte konzentrieren, während der Bund die Federführung in fernen Fokusmärkten übernimmt. – Die Koordination und Kooperation zwischen Schweizer Standortpromotoren sollte durch eine gezielte Leadverteilung, die Standardisierung von Rückantworten sowie die Formu- lierung eines «Gentlemen’s Agreement» verbessert werden.

In Kürze

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Wie sich der Marktzugang zur Schweizprofessionalisieren lässt

Wie bereits dargestellt, ist die schweizerische Standortförderung föderalistisch geprägt, wodurch eine Standortkonkurrenz innerhalb der Schweiz entsteht. Die Kundenansprache ist zu wenig koordiniert, meist reaktiv und greift erst spät im Entscheidungsprozess der Zielfirmen ein. Um den Go-to-Market-Prozess zu be-schleunigen sowie Aktivitäten früher und proaktiv tätigen zu können, wird im Fol-genden ein Verfahren dargestellt, womit Zielfirmen identifiziert und segmentiert werden können. Ergänzend hilft ein gezieltes Key-Account-Management-Konzept, die Zielkundenansprache zu professionalisieren. In der praktischen Anwendung am Beispiel Indien hat sich die Umsetzbarkeit bestätigt. Bestätigt wurde auch die Idee, die Zielfirmen je nach ihrem wirtschaftlichen Gewicht und nach ihrem Fokus auf Europa über verschiedene Kanäle anzusprechen. Dieses Verfahren ist gege-benenfalls mit höheren Kosten verbunden; Erfahrungen aus dem Business-to-Business-Bereich (B2B-Bereich) zeigen aber, dass es sehr erfolgversprechend ist.

Jan Burger / Alexander Kettenbach, Accenture

Der aktuelle Go-to-Market-Ansatz der Schweiz basiert auf Business Hubs in den Zielmärkten und beinhaltet die Teilnahme an Messen, Investoren-konferenzen und weiteren Aktivitäten, welche jedoch primär reaktiv auf Anfrage der Zielfirmen hin einge-setzt werden. Da in der Schweiz auf-grund ihrer föderalistischen Struk- turen vorwiegend regionale Orga-nisationen (Kantone oder regionale Wirtschaftsförderungsverbände wie die Greater Zurich Area) mit interessierten Firmen verhandeln, kann die fehlende Koordination zwischen den verschiedenen Organisationen zu Verwirrung bei den Zielfirmen und unter Umständen zur Wahl eines Standorts ausserhalb der Schweiz führen.

Durch den nachfolgend beschriebenen Go-to-Market-Ansatz wird ein ko-ordiniertes Vorgehen gefördert, so dass Firmen im Entscheidungsprozess 79

Zielfirmen haben aufgrund der unko- ordinierten Ansprache regionaler Organisationen oft ein fragmentiertes Bild der Schweiz.

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ACCENTUREWIE SICH DER MARKTZUGANG ZUR SCHWEIZ pROFESSIONALISIEREN LäSST

Abb. 1: Auswahl der Zielfirmen

Auf der Suche nach «High Value Clients». Die Selektion erfolgt nach Zielmärkten und -re-gionen (13 von Nordamerika über Brasilien bis Japan) und nach Zielbranchen (Life Science, International Management, Wealth Management) – und dann werden vor allem Firmen mit hohem Umsatz und einem bereits bestehenden strategischen Fokus auf Europa als Ziel-markt ausgewählt.

Quelle: Eigene Darstellung

HIGH VALUE CLIENTS

UMSATZ —≥

FIRMA 4

HOCHTIEF

KEIN FOKUS

ZIELMARKT EUROPA

MID VALUE CLIENTS

FOKUS AUF EUROPA —≥ FIRMA 5

FIRMA 1

FIRMA 6

FIRMA 3

FIRMA 2

proaktiv und frühzeitig angesprochen werden können. Hierbei kann ein Grossteil der bereits bestehenden Fähigkeiten, wie beispielsweise jene der Business Hubs, wiederverwendet und ausgebaut werden.

Selektion von Unternehmen als Zielkunden Die Auswahl der Zielfirmen erfolgt in drei Dimensionen: nach Zielmarkt, nach Zielbranche und nach der Segmentierung der Zielfirmen in Bezug auf ihren Umsatz und ihren Fokus auf Europa. Zu den etablierten Zielmärkten gehören Nordame-rika, UK, Skandinavien, die Benelux-Staaten, Deutschland, Frankreich

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

und Italien, aus welchen in den letzten Jahren zahlreiche Firmen in die Schweiz übersiedelt sind. Dazu gehören aber auch neue, aufstrebende Märkte, die in den letzten Jahren global an Einfluss gewonnen haben – insbesondere Middle East, Russland, Indien, China und Japan. Um neben den Herkunftsmärkten auch einen Fokus auf Branchen zu legen, welche in der Schweiz besonders gefördert werden können, wurden von der Osec vorab Life Science, International Management und Wealth Management als Zielbranchen definiert. Nach der Selektion der Zielfirmen anhand von Herkunftsmärkten und Zielbranchen werden diese nach Umsatz und Fokus auf Europa in drei Segmente verteilt: High Value Clients, Mid Va-lue Clients und Low Value Clients. Als High Value Clients werden Firmen identifiziert, die einen hohen Umsatz aufweisen und bereits jetzt einen strategischen Fokus auf Europa haben. Mid Value Clients sind ebenfalls Firmen mit bestehender europäischer Ausrichtung, welche jedoch mitt-lere Umsätze ausweisen. Low Value Clients sind kleinere Firmen, für die ein Selfservice-Ansatz empfohlen wird.

Wie das Key Account Management ausgestaltet werden könnte Alle High- und Mid Value Clients werden nach der Identifizierung proaktiv an-gesprochen, wobei die Art der Ansprache vom Zielsegment abhängt: High Value Clients werden von einer Ansprechperson, einem Key Account Ma-nager, betreut. Dieser kümmert sich um die Situationsanalyse, die Ziel-firmensegmentierung und die frühzeitige Ansprache der Ziel-firmen. Er begleitet die Verhand-lungen mit der Osec und den Kantonen und behält weitere Belange des Kunden im Auge. Für Mid Value Clients wird ein standardisiertes Kampagnen-management pro Zielmarkt erarbeitet, in welchem die entsprechenden Firmen koordiniert angesprochen werden. Die Kampagnenmanagement-pläne werden durch das Key Account Management sowie die Osec und die Business Hubs ausgearbeitet. Für Low Value Clients wird ein Self-service-Ansatz empfohlen, welcher beispielsweise mit Hilfe einer Web-site umgesetzt wird.

High Value Clients werden bei diesem Kon-zept von dedizierten Key Account Mana- gers betreut, für Mid Value Clients gibt es ein zentrales Kampagnenmanagement und für Low Value Clients werden Selfservice- Möglichkeiten angeboten.

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Abb. 3: Beziehungsaufbau

Für die High Value Clients ist es unerlässlich, auf einen Key Account Manager zu setzen. Er bildet die Schnittstelle zwischen den potenziellen Partnern auf der einen und der Osec, Kantonen und Business Hubs auf der anderen Seite. Die Betreuung geht auch nach der Ansiedlung weiter – Erfolgskontrolle.

Abb. 2: Vom ersten Kontakt zur Übersiedlung

ÜBERSIEDLUNG IN DIE SCHWEIZPARTNER

EINBINDUNGSGRAD

KANTONE

OSEC

VERHANDLUNGEN MIT OSEC / KANTONEN

GEMEINSAME ERARBEITUNG EINES BUSINESS CASE

PROAKTIVE ANSPRACHE DER ZIELFIRMEN JE NACH SEGMENT

IDENTIFIZIERUNG & SEGMENTIERUNG DER ZIELFIRMEN

Je weiter die Konkretisierung der Ansiedlung voranschreitet, umso stärker kommen die Kantone zum Zuge. Zu Beginn – bei der Identifizierung und Segmentierung der Zielfirmen – liegt das Schwergewicht der Tätigkeiten eher bei der Osec.

Quelle: Eigene Darstellung

Der Go-to-Market-Ansatz ist von folgenden Aktivitäten geprägt: Nach der Identifizierung und Segmentierung der Zielfirmen werden diese je nach Segment frühzeitig und proaktiv über die Standortvorteile der Schweiz informiert und beraten. Dabei werden passende Übersiedelungsszena-rien skizziert. In dieser Phase tritt der Ansprechpartner stellvertretend für die ganze Schweiz auf, regionale Unterschiede werden vorerst in den Hintergrund gestellt. Konnte das Interesse an einer Übersiedlung geweckt werden, arbeiten die Zielfirma, die Osec und die Kantone ge-meinsam einen Business Case aus. Dieser beinhaltet nun auch erste re-gionale Aspekte, damit in den weiteren Schritten ein stärkeres Gewicht auf die Vorzüge der einzelnen Regionen der Schweiz gelegt werden kann. Darauf folgen die Verhandlungen zur Übersiedlung und schliesslich der tatsächliche Umzug.

Zu Beginn ist die Osec relativ stark in diesen Prozess eingebunden; in den eigentlichen Verhandlungen und bei der tatsächlichen Übersiedlung sind überwiegend die Kantone und Städte eingebunden. Beide Instanzen werden während des gesamten Prozesses von Partnern unterstützt.

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Für High Value Clients eines jeweiligen Zielmarktes dienen Key Account Managers als zentrale Ansprechpartner und stimmen sich je nach Bedarf mit der Osec, den Kantonen und den Business Hubs ab. Ihr Aufgaben-bereich erstreckt sich von der Identifizierung bis hin zur Übersiedlung: Aufgrund von Marktänderungen ist die Identifizierung der Zielfirmen ein fortwährender Prozess. Wie bereits im letzten Abschnitt beschrieben, werden die identifizierten High Value Clients frühzeitig und proaktiv an-gesprochen und bis zur Übersiedlung vom Key Account Manager umfas-send betreut. Um die Erfolge messen zu können, betreut der Key Account Manager darüber hinaus ein Pipeline-Management.

Für Mid Value Clients wird pro Zielmarkt eine Kampagnenplanung erar-beitet, welche vor allem Messen, Investorenkonferenzen, Dinner Events,

Abb. 3: Beziehungsaufbau

UNTERSTÜTZUNG BEI UMSIEDLUNG

AUFBAU DER KUNDENBEZIEHUNG/VERHANDLUNG MIT OSEC

UND KANTONEN

LEAD-MANAGEMENT

IDENTIFIZIERUNG

KEY ACCOUNT MANAGER

Anfragen

AnsprachenOSEC, KANTONEBUSINESS HUBS

SCHWEIZ ALS ATTRAKTIVER STANDORT FÜR GLOBALE FIRMEN

Information

Kooperation

ZIELFIRMEN

Für die High Value Clients ist es unerlässlich, auf einen Key Account Manager zu setzen. Er bildet die Schnittstelle zwischen den potenziellen Partnern auf der einen und der Osec, Kantonen und Business Hubs auf der anderen Seite. Die Betreuung geht auch nach der Ansiedlung weiter – Erfolgskontrolle.

Quelle: Eigene Darstellung

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Media Tours und Publikationen umfasst. Die Zielfirmen werden je nach Profil an entsprechende Events eingeladen, wo ein erster Kontakt mög-lich ist. Zusätzlich wird eine länderspezifische Website zur Verfügung ge-stellt, wo die Osec und die Kantone einheitlich auftreten. Bei der Planung der Übersiedlung unterstützen die Osec, die Kantone und Business Hubs den Kunden gemeinsam, während die Business Hubs den Kunden für Ver-handlungen zur Seite stehen.

Low Value Clients werden nicht proaktiv angesprochen. Vielmehr wird ih-nen ein koordiniertes, integriertes Selfservice-Angebot unterbreitet, an-hand dessen sie sich über die Schweiz als Wirtschaftsstandort informie-ren und mit der Osec Kontakt aufnehmen können. Ein Selfservice-Ansatz könnte beispielsweise eine länderspezifische Website beinhalten, die wäh-rend der Erstellung des Kampagnenmanagements mit erarbeitet wird. So

Abb. 4: Massnahmenkatalog für Mid Value Clients

Für die Mid Value Clients sollten einerseits Online-Informationsdienste angeboten wer-den, andererseits Einladungen zu passenden Messen und Events erfolgen. An diesen Akti-vitäten sind auf Schweizer Seite alle Betroffenen beteiligt: Osec, Kantone, Business Hubs.

Quelle: Eigene Darstellung

UNTERSTÜTZUNG BEI UMSIEDLUNG

UNTERSTÜTZUNG BEI PLANUNG

EINLADUNG AN EVENTS /GEZIELTE ANSPRACHE

KAMPAGNENPLANUNG UND -REPORTING

KONFERENZENMESSEN

INFORMATIONEN Anfragen

Unterstützung

ZIELFIRMENOSEC, KANTONEBUSINESS HUBS

SCHWEIZ ALS ATTRAKTIVER STANDORT FÜR GLOBALE FIRMEN

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ist die Integrierung der anderen Marketingaktivitäten (Messen, Investoren-konferenzen usw.) gewährleistet und den Low Value Clients die Möglichkeit geboten, Kontakt aufzunehmen. Sobald eine Zielfirma Kontakt aufnimmt, wird sie entsprechend dem Aktivitätenplan im Prozess der Standortent-scheidung optimal von den entsprechenden Stellen unterstützt.

Mögliche Gestaltung eines Governance-Modells Die Ansprache der Segmente erfolgt je nach Zielmarkt und Zielfirma anfangs von der Osec oder den Kantonen. Grundsätzlich sollen die High- und Mid Value Clients von der Osec und den Kantonen gemeinsam und koordiniert angesprochen werden, während Low Value Clients nach selbständiger Kontaktaufnahme von derjenigen Instanz betreut werden, welche die beste Unterstützung anbieten kann. Das empfohlene Governance-Modell nach Segmenten kann durch Variationen und Kombinationen verfeinert werden:

Eine Möglichkeit zur Verfeinerung ist die Betreuung der Zielmärkte durch die Osec, während Kantone, die sich in spezifischen Industrien speziali-siert und etabliert haben, Zielfirmen aus den entsprechenden Branchen betreuen. Im Laufe des Prozesses können auch die Zuständigkeiten va-riiert werden: Während die Osec zu Beginn stärker im Entscheidungspro-zess eingebunden ist, steigert sich das Engagement der Kantone konti-nuierlich bis hin zur Übersiedlung. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, die Engagements nach Ländern aufzuteilen: Nahe gelegene Län- der könnten tendenziell eher von den Kantonen, entfernte Länder von der Osec bearbeitet werden, da teilweise bereits Kooperatio-nen der Kantone mit Nachbarländern existieren. Ausserdem ist zu prü-fen, ob eine Verteilung der Zuständigkeiten nach Sprachen sinnvoll ist.

Praxisbezug eines solchen Ansatzes Um den Praxisbezug eines solchen Ansatzes zu prüfen, wurde in Indien eine beispielhafte Segmentierung durchgeführt und ein Kampagnenmanagementplan erstellt. Der Erfolg bestätigt die Umsetzbarkeit des Key-Account-Management-Ansatzes in jeder Hinsicht.

Zuständigkeiten können neben den Segmen- ten auch nach Zielmarkt, Branchen, geographischer Nähe oder Sprache verteilt werden.

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Die Selektion der Zielfirmen erfolgte auf Basis der ET500, eines «Econo-mic Times»-Rankings der Top-500-Firmen Indiens. Aus diesen 500 Fir-men wurden jene in Betracht gezogen, welche im Banken-, Pharma- oder Finance-Umfeld tätig sind. Für die Segmentierung wurden nur Firmen analysiert, die einen Mindestumsatz von 300 Millionen Dollar aufweisen. In der Segmentierung wurden zwei Dimensionen angewendet: der Fokus der Zielfirmen auf Europa sowie der aktuelle Umsatz und die Umsatz-entwicklung der letzten fünf Jahre (in US-Dollar). Der Fokus auf Europa wurde evaluiert, indem geprüft wurde, ob Headquarters, Produktions-stätten oder Marketing-Büros in Europa etabliert oder in Planung sind oder ob aktuelle Allianzen mit europäischen Firmen bestehen.

Abb. 5: Praxistest zur Identifizierung und Segmentierung

In Indien wurden aus der «Economic Times»-Top-500-Liste die umsatzstärksten Unter-nehmen aus den Bereichen Banking, Pharma, Finanzwesen ausgewählt und nach ihrer Europa-Fokussierung sortiert. Die vielversprechendsten acht Firmen sind dabei jene im Quadrant oben rechts.

Quelle: Eigene Darstellung

HIGH VALUE CLIENTS

UMSATZ (IN USD) —≥

> 600 MIO.> 300 MIO. < 600 MIO.

MID VALUE CLIENTS

STRATEGISCHER FOKUS AUF EUROPA —≥

12 8

10 19

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Die Mengenverteilung in den Segmenten lässt darauf schliessen, dass die proaktive und individuelle Ansprache der Zielfirmen nach Segment mit einem Key Account Manager pro Land möglich sein sollte. Wäh-rend der Segmentierung ist aufgefallen, dass viele Firmen aus weiteren Branchen für die Schweiz interessant wären. Daher wird empfohlen, neben den von der Osec identifizierten Zielbranchen auch zusätzliche Branchen wie zum Beispiel Consumer Goods, Retail und High Tech in den Fokus mit aufzunehmen, zumal die Schweiz hier auch ausgewiesene Er-fahrungen durch bereits angesiedelte Firmen vorweisen kann.

Nach der erfolgreichen Segmentierung der Zielfirmen wurde ein Kam-pagnenmanagementansatz ausgearbeitet, welcher für jedes Segment einen einzelnen Strang ausweist, gleichzeitig aber auch Synergien zwischen den verschiedenen Ansprachekonzepten hervorbringt. Bei High Value Clients nimmt der Key Account Manager mit den Entschei-dungsträgern Kontakt auf und lädt diese persönlich beispielsweise zu exklusiven Events ein. Mid Value Clients werden vorwiegend zu Investo-renkonferenzen, Messen und Events in den Zielmärkten und -branchen eingeladen.

Kosten-Nutzen-Betrachtung eines solchen Ansatzes Auf der Grund-lage der beispielhaften Segmentierung und von Erfahrungen im B2B-Bereich wurde ein Business Case gerechnet, gemäss dem eine positive Bilanz des Key-Account-Management-Ansatzes erwartet werden kann. Generell sind auf der Aufwandseite vor allem die Key Account Manager, der zusätzliche Kommunikationsaufwand und die Kosten zum Aufbau von notwendigen Fähigkeiten zu beachten. Für die Umsetzung des Key-Account-Management-Ansatzes werden gegebenenfalls zusätzliche Planstellen benötigt. Darüber hinaus erhöhen sich der Planungs- und der Durchführungsaufwand aufgrund erhöhter Kommunikationstätigkeit und der Aufwand für den raschen Aufbau der benötigten Fähigkeiten wie beispielsweise Segmentierung und Marktforschung. Dem stehen eine

Für High Value Clients und Mid Value Clients werden verschiedene Ansprache- ansätze gewählt, wobei die zugrun- deliegenden Events für beide Segmente gemeinsam genutzt werden können.

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Abb. 6: Potenzielle Erhöhung des jährlichen BIP nach fünf Jahren

Am Beispiel Indien wird anhand von Osec-Statistiken mit einer BIP-Erhöhung von 18 Mio. CHF pro Jahr gerechnet. Bei einer Hochrechnung auf zehn Zielländer kann demzufolge von einer BIP-Erhöhung von jährlich 900 Mio. dank dem Key-Account-Management-Ansatz ausgegangen werden.

Quelle: Eigene Darstellung

Erhöhung des BIP, zusätzliche Steuereinnahmen und neu geschaffene Arbeitsplätze gegenüber.

Eine Gegenüberstellung von Schätzungen aktueller Wandlungsraten und Erfahrungswerten bei Key-Account-Management-Ansätzen aus dem B2B- Bereich zeigt, dass durch die proaktive, frühzeitige Ansprache vor allem bei High- und Mid Value Clients die Wandlungsquoten erhöht werden können. Bei High Value Clients kann basierend auf den B2B-Erfahrungen eine Steigerung der derzeitigen Wandlungsrate um den Faktor 2,5 erwar-tet werden. Da auch Mid Value Clients proaktiv angesprochen werden, wird auch hier eine Erhöhung der Wandlungsrate um den Faktor 1,25 er-wartet. Da für Low Value Clients zwar ein einheitlicher Auftritt angeboten

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

54321

Indien: 90 Mio. BIP-Erhöhung nach 5 JahrenZielländer: 900 Mio. BIP-Erhöhung nach 5 Jahren

MIO. BIP P.A.

JAHRE

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wird, sie jedoch weiterhin reaktiv angesprochen werden, wird in diesem Segment mit keiner Erhöhung der Wandlungsrate gerechnet.

Am Beispiel Indien, wo acht High Value Clients identifiziert wurden, wird ersichtlich, dass eine Wandlungsrate von beispielsweise fünf statt zwei Prozent bedeutet, dass jährlich zusätzlich 0,24 Firmen in die Schweiz übersiedeln.

Aus Osec-Statistiken geht hervor, dass die Übersiedlung einer Firma durchschnittlich einen BIP-Zuwachs von 75 Millionen Franken und 450 zusätzliche Arbeitsplätze für die Schweiz mit sich bringt. Wenn sich zusätzlich 0,24 Fir-men aus Indien in der Schweiz niederlassen, bringt das eine BIP-Erhöhung von 18 Milionen Franken und 108 neue Arbeitsplätze. Wenn vergleichbare Werte in zehn Zielmärkten erreicht werden, steigt das BIP jährlich um 180 Millionen Franken – in fünf Jahren bereits um 900 Millionen.

Kritische Erfolgsfaktoren Um den Go-to-Market-Ansatz des Standorts Schweiz bis 2015 erfolgreich zu fördern, sind vier kritische Erfolgsfakto-ren zu beachten: eine professionelle Segmentierung, ein durchdachtes und professionell umgesetztes Key Account Management, eine proakti-ve Ansprache früh im Entscheidungsprozess und ein einheitliches Bran-ding und Marketing der Schweiz.

Die Basis des Go-to-Market-Ansatzes bildet eine professionelle, ein-heitliche und mehrdimensionale Aufteilung eines Zielmarktes in Ziel-kundensegmente. Basierend auf dieser Segmentierung werden unter-schiedliche Ansprachen angewendet, um Kunden in diesem Segment zu bedienen. Hierfür müssen gezielte Fähigkeiten für Marktforschung und Zielkundensegmentierung rasch aufgebaut und leistungsstarke Mar-ketingwerkzeuge zur Verfügung gestellt werden. Zur erfolgreichen Um-setzung, vor allem im High-Value-Bereich, ist es darüber hinaus nötig, ein professionelles Key-Account-Management-Konzept einzuführen. Die

Business-to-Business-Erfahrungen zeigen: Vor allem bei High- und Mid Value Clients kann eine erhöhte Erfolgsquote erwartet werden.

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Etablierung des Key Account Manager als zentraler Ansprechpartner bei High Value Clients ist bei diesem Ansatz eine zentrale Komponente, während das Kampagnenmanagement für High- sowie Mid Value Clients kundenzentriert und marktbasiert etabliert werden muss, um die Zielfir-men optimal, das heisst insbe-sondere frühzeitig, anzuspre-chen. Ziel ist es, proaktiv einen gemeinsamen Business Case zu entwickeln und nicht erst reak-tiv auf Anfrage des Kunden zu handeln. Die zentrale Komponente bei allen erwähnten Aktivitäten ist es, den Zielfirmen aus allen Segmenten und Ländern ein einheitliches Bild der Schweiz zu präsentieren. Hierbei ist das Ziel, in einem ersten Schritt potenzielle Interessenten davon zu überzeugen, die Schweiz als Unter-nehmensstandort auszuwählen. Erst in einem zweiten Schritt erfolgt die Evaluation geeigneter Standorte innerhalb des Landes, die den Vorteilen der verschiedenen Regionen Rechnung trägt.

Beurteilung eines solchen Ansatzes und Empfehlungen Nachdem ein Key-Account-Management-Ansatz ausgearbeitet und dessen Machbar-keit geprüft worden ist, wird die rasche Umsetzung eines solchen An-satzes empfohlen. Folgende Quick Wins lassen sich realisieren, während weitere Aktivitäten zeitnah angegangen werden sollten. So kann der Marktzugang zur Schweiz zweckmässig professionalisiert werden und die erwünschten Benefits sind relativ bald spürbar.

Während der Analysephase wurden vier Aktivitäten identifiziert, welche sich als Quick Wins eignen und daher umgehend umgesetzt werden könn-ten. Einer dieser Quick Wins stellt die Erstellung einer globalen, gemein-samen, marktführenden Website von der Osec und den Kantonen dar. Zu einem späteren Zeitpunkt soll für jeden Zielmarkt eine länderspezifische Website von der Osec und den Kantonen erstellt werden, wobei diese ein einheitliches Bild vermitteln sollten, ohne sich gegenseitig oder mit der übergreifenden Website zu konkurrenzieren. Um dies zu gewährleisten, ist zu prüfen, ob die Länderwebsites auf Basis einer übergreifenden Web-site erstellt werden. Ein zweiter Quick Win ist die initiale Segmentierung

Der Erfolg steht und fällt mit der professi- onellen Segmentierung, dem optimalen Key Account Management und dem einheit- lichen Branding und Marketing der Schweiz.

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der Zielfirmen für dedizierte Zielmärkte und Zielbranchen. Der Aufwand für die Segmentierung hält sich in Grenzen, während der Nutzen, aufgrund einer Vergleichsbasis für die zukünftigen Übersiedlungen und einer ers-ten Übersicht der Märkte, stark ins Gewicht fällt. Der dritte identifizierte Quick Win bezieht sich auf die bereits existierenden Kampagnen- oder Aktivitätenpläne. Diese können mit verhältnismässig geringem Aufwand überprüft und für den Key-Account-Management-Ansatz optimiert wer-den. Als letzter Quick Win wurden die aktuellen Publikationen, Messe- teilnahmen und Investorenkonferenzen identifiziert. Diese können mit wenig Aufwand auf die High- und Mid Value Clients angepasst und somit für den Key-Account-Management-Ansatz optimiert werden.

Es empfiehlt sich, die Aktivitäten baldmöglichst im Detail zu identifizie-ren und zu beschreiben. Unbedingt am Anfang aller Bemühungen steht die Ausgestaltung des Key-Ac-count-Management-Konzepts, stellt es doch den Schlüsselfak-tor dieses Ansatzes dar. Danach folgen die Berechnung des Kon-zeptes in einem detaillierten Business Case und die Definie-rung des Governance-Modells. Darüber hinaus müssen Aktivitäten wie beispielsweise die Rekrutierung der Key Account Manager oder der Aufbau benötigter Fähigkeiten, die Erstellung von Länder-Websites, die proaktive Ansprache der Zielfirmen und die Einführung von Reporting-Tools zur Erfolgsmessung ausgearbei-tet und geplant werden.

Schnell und erfolgversprechend umsetzbar sind die Erstellung einer einheitlichen Website, die initiale Zielfirmensegmentie-rung und die Anpassung vorhandener Fähigkeiten an den Key-Account-Manage-ment-Ansatz.

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Die schweizerische Standortpromotion ist stark fragmentiert. Bundesstellen, Kantone und Gemeinden gehen häufig unkoordiniert vor. Es ist unklar, wer wen zu welchem Zeit-punkt kontaktiert. Das führt zu langsamen Prozessen, zu reaktivem Eingreifen und gelegentlich zum Verlust eines potenziellen Kunden.

Das dargestellte Konzept setzt bei den Zielfirmen an. Diese müssen ausfindig gemacht und je nach Grösse und Europa-Orientierung unterschiedlich angesprochen werden. Dazu werden sie in drei Kategorien (High-, Mid- und Low- Value Clients) eingeteilt. Für die Kategorie High Value ist ein Key Account Manager einzusetzen, der die Zielfirma auf dem ganzen Weg bis zur Übersiedlung in die Schweiz begleitet. Mid Value Clients werden branchenspezifisch betreut. Low Value Clients können sich in einem leicht zugänglichen Informationssystem selbst bedienen.

Das neue Konzept wird möglicherweise etwas teurer, aber nach konservativen Schätzungen sollte es die Erfolgs- quote der Schweizer Standortpromotion deutlich verbessern. Das dürfte sich bei konsequenter Umsetzung und gleichen Umständen innerhalb von fünf Jahren in einem BIP-Wachstumsbeitrag von bis zu 900 Millionen Franken niederschlagen.

In Kürze

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WIE DIE SCHWEIZ GESEHEN WIRD

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Wie internationale Managerden Standort Schweiz beurteilen

In der Rangliste der attraktivsten Standorte belegt die Schweiz nach Deutsch-land den zweiten Platz. Internationale Unternehmen schätzen vor allem die poli-tische Stabilität und die Rechtssicherheit. Das Schweizer Steuersystem verliert hingegen an Attraktivität und ist nicht mehr einer der Top-Standortfaktoren. Zu-dem trauen die befragten Manager der Schweiz zu, die Wirtschaftskrise am bes-ten zu meistern. Das starke Bankensystem führen sie als wichtigsten Erfolgsfak-tor zur Krisenbewältigung an. Die grössten Herausforderungen für die Schweiz liegen zukünftig in den Bereichen Innovation und Unternehmergeist sowie For-schung und Entwicklung.

Markus Thomas Schweizer, Ernst & Young

Wie attraktiv ist der Standort Schweiz für ausländische Investoren? Was sind die wichtigsten Standortfaktoren? Und wie hat sich das Image der Schweiz vor dem Hintergrund der aktuellen Krise verändert? Um diese und weitere Fragen zu beantworten, hat im August 2009 ein unabhängi-ges Marktforschungsinstitut im Auftrag von Ernst & Young 700 internati-onal tätige Unternehmen weltweit befragt.1 204 der Unternehmen haben aktuell Aktivitäten in der Schweiz. Befragt wurden Führungskräfte, dar-unter Geschäftsleiter, Bereichsleiter und Verwaltungsräte multinationa-ler Unternehmen.

Die attraktivsten Länder der Welt Die Schweiz geniesst bei internationa-len Unternehmen einen sehr guten Ruf: 20 Prozent der Unternehmen be-zeichnen die Schweiz – nach Deutschland mit 23 Prozent – als einen der attraktivsten Investitionsstandorte weltweit. Damit belegt die Schweiz

1 Als Grundlage für die Befragung diente der European Investment Monitor (EIM) von Ernst & Young. Seit 1997 verfolgt die Datenquelle ausländische Direktinvestitionsprojekte, die neue Betriebsstätten und/oder neue Arbeitsplätze geschaffen haben. Durch den Aus-schluss von Portfolioinvestitionen liefert der European Investment Monitor einen detaillierten Überblick über die tatsächlichen Inves-titionen im Produktions- oder Dienstleistungsbereich durch auslän-dische Unternehmen in Europa. 95

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ERNST & YOUNGWIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN

Platz zwei der am meisten präferierten Länder, wenn es um die Verlage-rung wichtiger Geschäftsbereiche ins Ausland geht.

Den dritten Platz belegen die USA mit elf Prozent. Den vierten und den fünften Platz im Länderranking teilen sich Frankreich und Grossbritanni-en mit jeweils zehn Prozent. Insgesamt befinden sich sechs europäische Länder unter den Top-10-Investitionsstandorten weltweit, allesamt aus Westeuropa.

Abb. 1: Investitionsstandorte: Platz 2 für Schweiz

Quelle: Ernst & Young, Switzerland 2009 – Switzerland and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009

0% 5% 10% 15% 20% 25%

Irland

Russland

Niederlande

Indien

China

Grossbritannien

Frankreich

USA

Schweiz

Deutschland

«WENN IHR UNTERNEHMEN WICHTIGE GESCHÄFTSBEREICHE INS AUSLAND VERLAGERN WÜRDE, WELCHES LAND ERSCHEINT IHNEN AKTUELL AM ATTRAKTIVSTEN?»

Die Schweiz ist neben Deutschland der attraktivste Standort für ausländische Investoren. Jeder fünfte Manager bezeichnet die Schweiz als einen der Top-Investitionsstandorte welt-weit, wenn es um die Verlagerung wichtiger Geschäftsbereiche ins Ausland geht.

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Die Schwellenländer China, Indien und Russland stehen zwar noch nicht so hoch in der Gunst der Investoren, dennoch ist insbesondere China den westeuropäischen Ländern Frankreich und Grossbritannien deutlich auf den Fersen.

Standort Schweiz: Stärken und Schwächen Besonders geschätzt wird die Schweiz für ihre politische Stabilität und die Rechtssicherheit. 97 Prozent der Befragten bezeichnen den Standort Schweiz hinsichtlich dieses Faktors als attraktiv. Ähnlich gute Noten erhält die Schweiz, was die Lebensqualität und das soziale Klima angeht. Diese Standortfakto-ren erzielten jeweils 96 Prozent der positiven Bewertungen; im Jahr 2007 lag der Anteil noch bei jeweils 100 Prozent. Ebenfalls gute Noten erhält die Schweiz auch in Bezug auf die Kaufkraft und die Transport- und Lo-gistikinfrastruktur.

Deutliche Einbussen hat hingegen die Attraktivität des Steuersystems zu verzeichnen. Während die befragten Manager im Jahr 2007 diesen Standortfaktor noch als viertwichtigsten – nach der Lebensqualität, dem sozialen Klima und der politischen Stabilität und Rechtssicherheit – klassifizierten, rückt er in der aktuellen Befragung merklich in den Hin-tergrund und belegt nur noch Rang 11 der wichtigsten Standortfaktoren.

Alles in allem, so scheint es, sind ausländische Unternehmen der Mei-nung, dass die Schweiz in den vergangenen Jahren weiter an Attraktivi-tät gewonnen habe. Im Vergleich zu 2007 sehen 41 Prozent der Be-fragten eine Verbesserung der Standortqualität und nur 23 Pro- zent eine Verschlechterung. Al- lerdings zeigt sich, dass der An- teil derer, die eine Verbesserung der Standortqualität wahrnehmen, deutlich abgenommen hat (minus 29 Prozentpunkte), während die Zahl der Kritiker grösser geworden ist (plus acht Prozentpunkte).

Investitionsabsichten ausländischer Unternehmen Die aktuelle Wirt-schaftskrise scheint sich zudem in den Investitionsplänen der Unter-

Folge der Steuerdebatten? Das Schweizer Steuersystem verliert an Attraktivität und ist nicht mehr einer der Top-Standort-faktoren.

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ERNST & YOUNGWIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN

nehmen niederzuschlagen. Nachdem 2007 insgesamt 74 Prozent der be-fragten Unternehmen planten, in der Schweiz zu investieren, sank dieser Anteil im Jahr 2009 auf 50 Prozent. Allerdings sind jene Unternehmen, die bereits in der Schweiz tätig sind, besonders aktiv: Von ihnen planen 74 Prozent Folgeinvestitionen. Zurückhaltender geben sich Unterneh-men, die nicht in der Schweiz tätig sind. In dieser Gruppe liegt der Anteil derer, die Investitionen planen, bei nur 28 Prozent.

Trotz der gesunkenen Attraktivität des Investitionsstandorts Schweiz ist die Zahl der potenziellen Auswanderer nur leicht gestiegen. Waren es

Abb. 2: Stärken sind politische Stabilität und Rechtssicherheit

Zu den Top-Standortfaktoren der Schweiz zählen politische Stabilität und Rechtssicher-heit, Lebensqualität und soziales Klima. Im Vergleich zu 2007 hat das Schweizer Steuer- system an Attraktivität verloren und zählt nicht mehr zu den Top-Standortfaktoren.

sehr attraktiv eher attraktiv

Attraktivität des Steuersystems (90%/96%)

Infrastruktur für Transport und Logistik (94%/81%)

Kaufkraft (94%/–)

Soziales Klima (96%/100%)

Lebensqualität (96%/100%)

Politische Stabilität und Rechtssicherheit (97%/98%)

47% 43%

36% 58%

50% 44%

51% 45%

71% 25%

58% 39%

(Ergebnisse 2009 / Ergebnisse 2007)

«WIE BEWERTEN SIE DIE SCHWEIZ HINSICHTLICH DER FOLGENDEN STANDORTFAKTOREN?»

Quelle: Ernst & Young, Switzerland 2009 – Switzerland and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009

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2007 erst 24 Prozent, die daran dachten, ihre Schweizer Aktivitäten ganz oder teilweise in andere Länder zu verlagern, sind es im Jahr 2009 be-reits 26 Prozent. Der Druck auf den Stand-ort bleibt somit beste-hen. Wichtigstes Ar- gument für Verlage-rungen bleiben die hohen Personal- und Produktionskosten – sie geben bei nahezu der Hälfte der potenziellen Abwanderer den Ausschlag für die Entscheidung, die Schweiz zu verlassen.

Zur Erschliessung neuer Märkte oder wegen der Nähe zu Grosskunden liebäugeln nur 27 beziehungsweise 28 Prozent der Unternehmen mit dem Schritt in andere Länder.

Innovationsstandort Schweiz? Bei der Innovationsfähigkeit schneidet die Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern nur mittelmässig ab: In der «Weltrangliste» der innovativsten Länder liegt die Schweiz hinter China, den USA, Deutschland und Indien auf dem fünften Rang – nur 23 Prozent der Befragten bezeichnen die Schweiz als einen von fünf besonders in-novativen Standorten. 54 Prozent entscheiden sich für China, 44 Prozent für die USA, 35 Prozent für Deutschland und 31 Prozent für Indien.

Interessanterweise werden die Schwellenländer China, Indien und Russ-land im Durchschnitt von 30 Prozent der Befragten genannt, die etablier-ten Industrieländer nur von 19 Prozent. Die Befragungsergebnisse zeigen somit deutlich, wie eng inzwischen das Rennen zwischen den wichtigen Hightech-Standorten ist und welche Bedeutung die BRIC-Länder aus Sicht der Unternehmen schon heute haben.

Wie gross die Herausforderung ist, vor der die etablierten Industrielän-der einschliesslich der Schweiz stehen, zeigen zudem die Ergebnisse zu der Frage, wo aus Sicht der Befragten die «Googles» oder «Microsofts» der Zukunft entstehen werden – Unternehmen also, die es schaffen, sich innerhalb kürzester Zeit als Weltmarktführer im Bereich Hightech-/Wachstumsbranchen zu etablieren.

Die Höhe der Personal- und Produktions-kosten in der Schweiz ist Haupt- treiber für Abwanderungen ins Ausland.

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Abb. 4: Nachholbedarf beim Unternehmergeist

Beim Thema «Unternehmergeist» spielt die Schweiz ganz klar in der zweiten Liga: Die USA, Indien und China werden demnach die Heimat solcher zukünftiger Giganten sein. Nur fünf Prozent der Befragten glauben, dass die Schweiz entsprechende Potenziale habe.

Hier spielt die Schweiz nach Meinung der Befragten ganz klar in der zwei-ten Liga: Die USA, Indien und China werden demnach die Heimat solcher zukünftiger Giganten sein. Nur fünf Prozent der Befragten glauben, dass die Schweiz entsprechendes Potenzial hat.

Standort Schweiz: Trotz Krise stark Aus Sicht der Befragten kann sich der Standort Schweiz trotz der Wirtschaftskrise als Top-Standort behaup-ten: 93 Prozent der Befragten sind zuversichtlich, dass die Schweiz die Kri-se erfolgreich bewältigen kann. 44 Prozent sind sogar der Meinung, dass

Abb. 3: Mittelmass beim Thema Innovation

In der «Weltrangliste» der innovativsten Länder steht die Schweiz hinter China, den USA, Deutschland und Indien auf dem fünften Rang – 23 Prozent der Befragten bezeichnen die Schweiz als einen von fünf besonders innovativen Standorten.

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% 55%

Irland

Russland

Niederlande

Frankreich

Grossbritannien

Schweiz

Indien

Deutschland

USA

China

«WELCHE DREI LÄNDER SIND IHRER MEINUNG NACH DERZEIT DIE INNOVATIVSTEN LÄNDER DER WELT?»

SUMME NACH REGIONENAsienWesteuropaNordamerikaOsteuropa

97%94%45%7%

Lateinamerkia 3%Mittlerer Osten 2%Afrika 1%

Quelle: Ernst & Young, Switzerland 2009 – Switzerland and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009

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die Schweiz unter allen europäischen Ländern die besten Voraussetzun-gen habe, um die Krise zu bewältigen.

Als wichtigsten Erfolgsfaktor, um die Krise zu bewältigen, führen zwei von drei Managern das starke Bankensystem an. Bei den Themen Innova-tion und Unternehmergeist sowie Forschung und Entwicklung scheiden sich dagegen die Geister. Unternehmen mit Aktivitäten in der Schweiz vergeben deutlich bessere Noten als Unternehmen ohne Aktivitäten in der Schweiz.

Abb. 4: Nachholbedarf beim Unternehmergeist

Beim Thema «Unternehmergeist» spielt die Schweiz ganz klar in der zweiten Liga: Die USA, Indien und China werden demnach die Heimat solcher zukünftiger Giganten sein. Nur fünf Prozent der Befragten glauben, dass die Schweiz entsprechende Potenziale habe.

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50%

Irland

Niederlande

Frankreich

Schweiz

Russland

Grossbritannien

Deutschland

China

Indien

USA

SUMME NACH REGIONENAsienWesteuropaNordeuropaOsteuropa

61%35%50%8%

«AUS WELCHEM LAND ERWARTEN SIE IN DEN KOMMENDEN JAHREN AM EHESTEN EIN NEUES ‹GOOGLE› ODER ‹MICROSOFT›?»

Quelle: Ernst & Young, Switzerland 2009 – Switzerland and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009

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ERNST & YOUNGWIE INTERNATIONALE MANAGER DEN STANDORT SCHWEIZ BEURTEILEN

Abb. 5: Herausforderungen: Innovation/Unternehmergeist und F&E

Herausforderungen für die Schweiz liegen in den Bereichen Innovation und Unternehmer-geist sowie Forschung und Entwicklung. Unternehmen mit Sitz in der Schweiz geben deut-lich bessere Noten als Unternehmen ohne Aktivitäten in der Schweiz.

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70%

Unternehmen mit Investments in der SchweizUnternehmen ohne Investments in der Schweiz

Branchenspezialisierung

F & E von hervorragender Qualität

Hoher Anteil an international tätigen Unternehmen

Innovation und Unternehmergeist

Starkes Bankensystem

«WELCHE STANDORTVORTEILE HAT DIE SCHWEIZ IHRER MEINUNG NACH, UM AUS DER KRISE HERAUSZUKOMMEN?»

Quelle: Ernst & Young, Switzerland 2009 – Switzerland and Europe in the eyes of international managers, Sept. 2009

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Die Umfrageergebnisse zeigen: Die Schweiz ist als Investi- tionsstandort für multinationale Unternehmen nach wie vor sehr beliebt, insbesondere wenn es um die Verlagerung von wichtigen Geschäftsbereichen ins Ausland geht.

Ausländische Investoren sind infolge der Wirtschaftskrise und der Steuerdebatten der vergangenen Monate aber auch zurückhaltender geworden.

Die grössten Herausforderungen für die Schweiz sehen inter- nationale Manager vor allem in den Themen «Innovation und Unternehmergeist» sowie «Forschung und Entwicklung». Während Unternehmen mit Investments in der Schweiz diese beiden Themenbereiche mehrheitlich als Standortvor-teile bezeichnen, sind Unternehmen ohne Investments in der Schweiz davon deutlich weniger überzeugt. Das Interesse des Auslandes sollte daher in Zukunft – insbesondere im Rahmen der Standortpromotion – stärker auf den Forschungs- und Entwicklungsstandort Schweiz gelenkt werden.

In Kombination mit Steuervorteilen für innovative Unterneh-men könnten so wichtige Anreize geboten werden, um den Standort Schweiz erfolgreicher in Richtung Innovations-führerschaft zu bewegen und die Attraktivität der Schweiz als Top-Standort für multinationale Unternehmen zu erhalten und auszubauen.

In Kürze

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Auf welche Standortfaktoren die Schweiz setzt

Die globalisierte und wettbewerbsintensive Wirtschaftswelt stellt alle Volkswirt-schaften vor die gleichen Herausforderungen: eine objektive Selbsteinschätzung der eigenen Stärken und Schwächen sowie eine Analyse, die zeigt, wie ausländi-sche Marktteilnehmer das inländische Wirtschaftsumfeld und den Wirtschafts-standort Schweiz einschätzen. In diesem Kontext muss auch die Schweiz, als eine der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen der Welt, regelmässig ihre Attrak-tivität und Wettbewerbsfähigkeit überprüfen.1 Ziel sollte es sein, festzustellen, welche Standortfaktoren die Schweiz international vermarktet und wie diese ex-tern wahrgenommen werden.

Robert Reppas, Deloitte AG

Bei der vorliegenden Untersuchung wurde analysiert, auf welche Stand-ortfaktoren die Schweiz bei ihrer Vermarktung setzt und wie das Aus-land diese bewertet. Zentraler Ausgangspunkt für die Analyse war eine Liste mit klassischen Standortfaktoren, welche für die Beurteilung in harte und weiche Faktoren (Tabelle 1) unterteilt wurden. Diese Standort-faktoren wurden aus heutiger Sicht analysiert. Ob und inwieweit diese Faktoren auch die entscheidenden Faktoren der Zukunft sein werden, wurde nicht berücksichtigt. Ein Standortfaktor gilt als hart, wenn er ei-nen quantifizierbaren Einfluss auf die Bilanz eines Unternehmens hat. Harte Standortfaktoren können damit zur Messung der Wirtschaftlich-keit eines Standorts dienen. Im Gegensatz dazu können weiche Stand-ortfaktoren nicht in die Bilanz eines Unternehmens integriert werden. Trotzdem spielen sie beim Standortentscheid eine zentrale Rolle.2

1 In diesem Zusammenhang siehe auch Deloitte White Paper 2009, «Die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Schweiz: 18 Wachstumsini-tiativen».

2 Siehe S. Cortrie, «Weiche Standortfaktoren als Angelegenheit der kommunalen Wirtschaftsförderung», und I. Balderjahn, «Standort-marketing». 105

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DELOITTEAUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT

Tab. 2: Nationale und regionale Faktoren

Als Standortfaktoren werden Bereiche in Betracht gezogen, die nur auf nationaler Ebene zu be-einflussen sind (z.B. Finanzsystem, Infrastruktur, Bildungswesen), und solche, die eher in den Händen von regionalen Körperschaften liegen (z.B. Arbeitsmarkt, Immobilien, Steuern).

Nebst der Gliederung nach messbaren Grössen lassen sich die Faktoren auch nach ihrer nationalen oder regionalen Ausrichtung aufteilen (Tabel- le 2).3 Beide Betrachtungsweisen sind in die Untersuchung eingeflossen. Bei der Beurteilung wurde ein primär quantitativer Ansatz verfolgt. Kernstück bildet sowohl die Eruierung der Häufigkeit der Nennung die-ser Standortfaktoren durch Kantone und andere Interessenvertreter als auch ein anschliessendes Ranking. Es wurden dabei frei verfügbare Publikationen und Marketinginformationen analysiert. Um auf kantona-ler Ebene eine möglichst repräsentative Datenbasis zu erhalten, wurden insgesamt 15 Kantone in die Analyse mit einbezogen (Tabelle 3). Dabei

3 Bezüglich der Aufteilung in nationale und regionale Standortfakto-ren ist anzumerken, dass die Übergänge fliessend sein können. So lässt sich argumentieren, dass zum Beispiel der Faktor «Steuersys-tem» auch ein nationaler oder «Infrastruktur» auch ein regionaler Standortfaktor ist. Für diese Analyse wurde die in Tabelle 2 darge-stellte Einteilung verwendet.

Tab. 1: Harte und weiche Faktoren

15 Faktoren, welche die Wahl des Standorts erheblich beeinflussen können. Hier werden sie nach ihrer Messbarkeit unterteilt. Als hart gelten jene Faktoren, die relativ einfach zu beziffern sind (vom Arbeitsmarkt bis zur Steuerbelastung), als weiche die nur schwer messbaren Faktoren (z.B. Lebensqualität, politische Stabilität, Innovationsfähigkeit), die aber nicht minder wichtig sind.

Quelle: Eigene Darstellung

HARTE STANDORTFAKTOREN WEICHE STANDORTFAKTOREN

Arbeitsmarkt Forschung und Entwicklung

Ausbildungsmarkt Innovationsfähigkeit

Finanz- und Bankensystem Institutionen

Immobilienmarkt Lebensqualität (personenbezogener Standortfaktor)

Infrastruktur politische Verhältnisse

Marktaktivität und -situation Unternehmensbezogene Faktoren

Nähe, Grösse und Zugang zu produktionsfaktormärkten

Staatliche Förderung

Steuersystem

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

wurde auf ein breites Spektrum geachtet, um die Unterschiede hinsicht-lich Grösse, Sprache, wirtschaftliche Dynamik usw. repräsentativ ab-decken zu können. Die Ergebnisse der Analyse wurden zusätzlich durch Interviews mit drei Kantonen (Freiburg, Schaffhausen, Zug) validiert. Die Initiative «Greater Zurich Area»4 wurde als Vertreterin einer regionalen Marketingplattform in die Untersuchung aufgenommen. Um schliesslich eine gesamtschweizerische Perspektive einbringen zu können, wurde das Standortmarketing der Osec und von Location Switzerland mit ein-bezogen.5 Damit ergibt sich ein ausgewogenes Bild des gesamtschweize-rischen Standortmarketings.

4 Zur »Greater Zurich Area» gehören die Kantone: Aargau, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, Schwyz, Solothurn, Zug und Zürich.

5 Es handelt sich hierbei um die Standortpromotion von der Osec und Location Switzerland, «The international management gateway to Europe 07/08».

Tab. 2: Nationale und regionale Faktoren

Als Standortfaktoren werden Bereiche in Betracht gezogen, die nur auf nationaler Ebene zu be-einflussen sind (z.B. Finanzsystem, Infrastruktur, Bildungswesen), und solche, die eher in den Händen von regionalen Körperschaften liegen (z.B. Arbeitsmarkt, Immobilien, Steuern).

Quelle: Eigene Darstellung

NATIONALE STANDORTFAKTOREN REGIONALE STANDORTFAKTOREN

Ausbildungsmarkt Arbeitsmarkt

Finanz- und Bankensystem Immobilienmarkt

Forschung und Entwicklung Marktaktivität, -situation

Infrastruktur Staatliche Förderung

Institutionen Steuersystem

Innovationsfähigkeit

Lebensqualität

Nähe, Grösse und Zugang zu produktionsfaktormärkten

politische Verhältnisse

Unternehmensbezogene Faktoren

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DELOITTEAUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT

Abb. 1: Worauf die Standortkantone Wert legen

Es besteht zwischen Bund und Kantonen und zwischen den Kantonen keine vollständige Einigkeit darüber, welche Kriterien für die Standortwahl besonders wichtig sind. Überein-stimmung herrscht noch am ehesten bei der Infrastruktur, der Lebensqualität und dem Steuersystem. Innovationsfähigkeit wird hingegen in der Nordwestschweiz und in der Romandie eindeutig höher gehängt als in der Zentral- und in der Ostschweiz. Staatliche Förderung steht für den Bund im Vordergrund, nicht aber für die meisten Kantone.

Die Resultate der Studie lassen sich in drei Hauptaussagen unterteilen, die in den nachfolgenden Abschnitten im Detail dargestellt werden:

– Nationale Standortfaktoren sollten zentral vermarktet werden, wäh-rend das Marketing regionaler Faktoren hauptsächlich von den Kantonen übernommen werden sollte.– Industriespezifisches Standortmarketing kann die Attraktivität der Kantone erhöhen. – Die Schweiz sollte Vorkehrungen treffen, um die unterschiedliche Wahr-nehmung der Standortfaktoren im In- und Ausland zu vereinheitlichen.

Nationale versus regionale Standortfaktoren Die quantitative Analyse der nationalen und regionalen Standortfaktoren erlaubt einen Vergleich zwischen den Kantonen, Regionen und der Gesamtschweiz. Daraus las-sen sich interessante Rückschlüsse in Bezug auf die Kohärenz der ge-nannten Faktoren und damit auf die gesetzten Schwerpunkte ziehen (siehe Abbildung 1).6

6 Basis ist die Untersuchung der Internetseiten der jeweiligen Kantone.

Tab. 3: 15 Kantone auf dem Prüfstand

In der Umfrage wurden 15 hinsichtlich Sprache und Wirtschaftsdynamik möglichst reprä-sentative Kantone berücksichtigt. Die Basisdaten stammen aus frei verfügbaren Publikatio-nen; in drei Kantonen (Freiburg, Schaffhausen, Zug) wurden vertiefende Interviews geführt.

Quelle: Eigene Darstellung

KANTON

Aargau Luzern St. Gallen

Basel Neuenburg Thurgau

Bern Obwalden Waadt

Freiburg Schaffhausen Zug

Genf Schwyz Zürich

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Abb. 1: Worauf die Standortkantone Wert legen

Es besteht zwischen Bund und Kantonen und zwischen den Kantonen keine vollständige Einigkeit darüber, welche Kriterien für die Standortwahl besonders wichtig sind. Überein-stimmung herrscht noch am ehesten bei der Infrastruktur, der Lebensqualität und dem Steuersystem. Innovationsfähigkeit wird hingegen in der Nordwestschweiz und in der Romandie eindeutig höher gehängt als in der Zentral- und in der Ostschweiz. Staatliche Förderung steht für den Bund im Vordergrund, nicht aber für die meisten Kantone.

Quelle: Eigene Darstellung

FAKTOREN GGBA GZA SELB- STäNDIGE

NA-TION

NATIONALE STANDORTFAKTOREN

BS BL BE FR GE NE VD AR SH SZ ZG ZH GZA LU OW SG TG OS

EC CH

Infrastruktur

Lebensqualität

Ausbildungsmarkt

Institutionen

Innovations- fähigkeit

Forschung und Entwicklung

Unternehmensbe-zogene Faktoren

politische Verhältnisse

Finanz- und Bankensystem

Nähe, Grösse und Zugang zu produktions- faktormärkten

REGIONALE STANDORTFAKTOREN

Steuersystem

Arbeitsmarkt

Immobilienmarkt

Marktaktivität, -situation

Staatliche Förderung

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DELOITTEAUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT

Abb. 2: Die Life-Science-Zentren der Schweiz

Life Science gehört zu jenen Wirtschaftszweigen, für welche die Schweiz als Standort sehr interessant ist – insbesondere jene Regionen, in denen bereits Cluster von Unternehmen aus dieser Branche bestehen.

Das Beispiel «Greater Zurich Area» (GZA) zeigt sehr deutlich, dass be-nachbarte Kantone nicht zwangsläufig die gleichen Standortfaktoren hervorheben. So besteht bei der GZA und ihren Nachbarkantonen ledig-lich bei zwei Faktoren (Infrastruktur und Steuersystem) Übereinstim-mung. Dies deutet darauf hin, dass das Standortmarketing auf kantona-ler und regionaler Ebene nur bedingt koordiniert wird.

Das gleiche Bild zeigt sich auf nationaler Ebene: Die Osec und Location Switzerland fördern sowohl nationale als auch regionale Standortfakto-ren. Im Zentrum stehen übereinstimmend die neun Faktoren Infrastruk-tur, Lebensqualität, Ausbildungsmarkt, Innovationsfähigkeit, Forschung und Entwicklung, Steuersystem, Institutionen, Arbeitsmarkt und staat-liche Förderung. Die vier Faktoren politische Verhältnisse, Finanz- und Bankensystem, Marktaktivität/-situation und unternehmensbezogene Faktoren werden jeweils nur von einem der beiden Organe erwähnt.

Die Schlussfolgerung ist in beiden Fällen die gleiche: Zur besseren Ver-marktung der Schweiz bedarf es einer besseren Koordination zwischen den beteiligten Kantonen, Regionen und gesamtschweizerisch tätigen Stellen. Es ist demnach naheliegend, dass die Schweiz im Ausland nicht einheitlich wahrgenommen wird, was die Wirkung des Standortmar-ketings schwächt. Weiterhin kann die Frage gestellt werden, inwieweit die regionalen Standortfaktoren zur Differenzierung beitragen können, wenn die nationalen Standortfaktoren alle in etwa gleich wahrgenom-men werden. Sobald sich ein Unternehmen für die Schweiz entschieden hat, dürfte die Differenzierung durch regionale Standortfaktoren aus-schlaggebend sein. Aus dieser Betrachtung lassen sich drei Schlussfol-gerungen ableiten:

≥ Die Vermarktung der Standortfaktoren sollte unter den beteiligten Stellen besser abgestimmt werden, z.B. durch Aufteilung in regionale und nationale Standortfaktoren. ≥ Eine bessere Koordination der Aktivitäten unter Wahrung kantonaler, regionaler und nationaler Interessen wäre wünschenswert. Eine besse-re Vernetzung der jeweiligen Aktivitäten würde zu einem einheitlicheren Auftritt im Ausland und damit einer grösseren Aussenwirkung führen.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

≥ Ein verstärkter Fokus auf regionale Standortfaktoren und Besonder-heiten als differenzierendes Element dürfte sich positiv auf die Ansied-lung von Unternehmen auswirken.

«In der Vergangenheit hat man sich bei der Vermarktung von Standort-faktoren stark auf das Produkt an sich fokussiert. Neuerdings sehen wir eine Verschiebung hin zu einem stärkeren Fokus auf das Service-Ange-bot. Jeder Kanton hat Universitäten, Hochschulen, eine gute Infrastruk-tur mit Anbindung an einen Flughafen usw., aber was den entscheiden-den Unterschied macht, um ein neues Unternehmen für unseren Kanton

Abb. 2: Die Life-Science-Zentren der Schweiz

Life Science gehört zu jenen Wirtschaftszweigen, für welche die Schweiz als Standort sehr interessant ist – insbesondere jene Regionen, in denen bereits Cluster von Unternehmen aus dieser Branche bestehen.

Quelle: Eigene Darstellung

GREATER ZURICH AREA 96

BIO ALPS 70

BIO VALLEY BASEL 64

ANDERE 47

Zug

Bern

Aarau

LuzernSchwyz

Sarnen

Frauenfeld

Freiburg

Genf BIOPLOLO TICINO 21

ZürichSt. Gallen

Basel

St. Gallen

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DELOITTEAUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT

Abb. 3: Was für Life Science wichtig ist

F&E, Innovationsfähigkeit, Ausbildung und Infrastruktur gelten für Life Science als ent-scheidende Standortfaktoren. Just in der Hochburg Basel wird hingegen der Faktor «Ar-beitsmarkt» gar nicht genannt.

zu gewinnen, sind unsere einzigartigen Merkmale, wie der Service und unser Einsatz, den wir potenziellen Investoren von Anfang an bieten.» Christophe Gevisier, Director International Markets Fribourg Development Agency

Industriespezifisches Standortmarketing als Chance für die Regionen Die regionale Vermarktung von Standortfaktoren lässt sich unterschied-lich umsetzen. Eine Möglichkeit besteht darin, sich auf die in der Region vorhandenen Industrie-Cluster zu beziehen, um sich dadurch von Wett-bewerbern zu differenzieren. Im Folgenden wird ein möglicher Ansatz am Beispiel des Sektors Life Science dargestellt.

Die Schweiz verfügt in mehreren Regionen über eine stark ausgepräg-te Konzentration von Life-Science-Unternehmen (siehe Abbildung 2). Diese Bildung von Industrie-Clustern ist häufig zu beobachten und kann eine Reihe von Ursachen haben. Folgende Gründe stehen dabei häufig im Vordergrund:

– Verfügbarkeit von geschulten Mitarbeitern, die bereits für in der Re-gion angesiedelte Unternehmen tätig sind

– Vorhandene Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen– Verfügbarkeit von Rohstoffen– Historische Gründe

Betrachtet man diese Gründe aus Sicht der Standortfaktoren, ergibt sich die folgende Liste mit fünf Top-Standortfaktoren für die Life-Science-Industrie:

– Forschung und Entwicklung– Innovationsfähigkeit– Arbeitsmarkt– Ausbildungsmarkt– Infrastruktur

Analysiert man die Regionen mit Life-Science-Clustern bezüglich dieser fünf Top-Faktoren (siehe Abbildung 3), so fällt auf, dass die Kantone ihre Region nicht konsequent mit Hilfe dieser Standortfaktoren vermarkten. Laut der Erhebung vermarktet die Region Genf – Waadt auf ihrer Internet-

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

seite diese fünf Standortfaktoren am konsequentesten. Basel hingegen vermarktet den Standortfaktor Arbeitsmarkt nicht explizit und die Region GZA legt in ihrem Internetauftritt keinen Fokus auf spezifische Life- Science-Standortfaktoren.

Aus dem vorliegenden Beispiel lässt sich folgender Rückschluss ziehen: Regionen, die über ausgewiesene Industrie-Cluster verfügen, sollten die sich daraus ergebenden Entscheidungsfaktoren herausstreichen und in ihre Vermarktungsstrategie aufnehmen. Die konsequente Vermarktung erhöht die Erfolgschancen, weitere Unternehmen aus einer bestimmten Industrie anzuziehen. Anzumerken ist allerdings, dass einige Regionen bewusst eine breitere Fächerung der Industrieansiedlungen bevorzugen, um so das Risiko einer Monostruktur zu minimieren.

Eigenwahrnehmung versus Aussenwahrnehmung Die bisherigen Be-obachtungen beschränkten sich darauf, wie die Schweiz ihre eigenen

Abb. 3: Was für Life Science wichtig ist

F&E, Innovationsfähigkeit, Ausbildung und Infrastruktur gelten für Life Science als ent-scheidende Standortfaktoren. Just in der Hochburg Basel wird hingegen der Faktor «Ar-beitsmarkt» gar nicht genannt.

Quelle: Eigene Darstellung

BASEL GENF/WAADT GZA SELBST-STäNDIGE

Forschung und Entwicklung

Innovationsfähigkeit

Arbeitsmarkt

Ausbildungsmarkt

Infrastruktur

LS INDUSTRIE «FOOTpRINT»

Alle untersuchten Kantone nennen diesen Standortfaktor 75% dieser Kantone nennen diesen Standortfaktor 25% dieser Kantone nennen diesen Standortfaktor Keiner der untersuchten Kantone nennt diesen Standortfaktor

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DELOITTEAUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT

Abb. 4: Ansichtssache

Die interne und die externe Gewichtung der Standortfaktoren weichen erheblich voneinander ab. So sind das Steuersystem und der Arbeitsmarkt in der Aussensicht wesentlich weniger wichtig als in der Selbsteinschätzung (mehr als fünf Ranglistenpunkte Abstand). Dafür wer-den in der Aussensicht die politischen Verhältnisse deutlich wichtiger eingestuft als in der in-ternen Betrachtung. Diese gelten in der Aussensicht sogar als der absolut wichtigste Faktor.

Quelle: Eigene Darstellung

FAKTOREN

STANDORTFAKTOREN RANGFOLGE UNTERSCHIEDEDELOITTE

INTERNE SICHTE&Y

EXTERNE SICHT

NATIONALE STANDORTFAKTOREN

Lebensqualität 2 2

Ausbildungsmarkt 4 7

Innovationsfähigkeit 7 10

Forschung/Entwicklung 7 10

Finanz- und Bankensystem 9 6

Infrastruktur 1 5

Institutionen 5 14

politische Verhältnisse 11 1

Unternehmerbezogene Faktoren 9 na

Nähe, Grösse und Zugang zu produktions-faktormärkten

14

na

REGIONALE STANDORTFAKTOREN

Steuersystem 5 13

Arbeitsmarkt 3 11

Immobilienmarkt 7 na

Marktaktivität, -situation 12 na

Staatliche Förderung 14 na

eine maximale Differenz von 3 Rängen eine Differenz von 4 bis 5 Rängen eine Differenz von mehr als 5 Rängen

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Stärken wahrnimmt und im Ausland vermarktet. Über die bisher gezoge-nen Rückschlüsse hinaus ist es jedoch entscheidend, die interne mit der externen Wahrnehmung zu vergleichen. Konkret lautet die Fragestellung, ob aus der Perspektive des Zielpublikums die richtigen Schwerpunkte in der Vermarktung gesetzt werden. Um diese Standortbestimmung vor-zunehmen, wurde die 2009 von E&Y durchgeführte Studie «Switzerland 2009: Switzerland and Europe in the eyes of international managers» (Seite 62) mit den Resultaten dieser Untersuchung verglichen. Die Stand-ortfaktoren wurden dazu erneut in die Bereiche nationale und regionale Standortfaktoren unterteilt (siehe Abbildung 4).7

Der Vergleich zeigt, dass die Schweiz intern vier Standortfaktoren sig-nifikant anders bewertet als das Zielpublikum.8 Konkret geht es um je zwei nationale und zwei regionale Faktoren. Während für die Schweiz der Faktor Institutionen auf Rang 5 liegt, ist er aus der internationalen Perspektive nicht von grosser Bedeutung (Platz 14).9 Umgekehrt sind die politischen Verhältnisse aus externer Sicht sehr wichtig, während die-ser Faktor aus interner Sicht in der Vermarktung der Schweiz nur wenig Bedeutung erhält. Unter diesen Faktor fallen unter anderem politische Stabilität, politische Autonomie und die Wahrung der Grundrechte.

Bei den regionalen Standortfaktoren liegt der Unterschied beim Arbeits-markt und beim Steuersystem. Beide haben aus interner Sicht eine hohe Bedeutung; sie finden sich im internationalen Vergleich jedoch nicht in den

7 Eigene Darstellung in Anlehnung an E&Y, «Switzerland 2009», und BCG, «Standortfaktoren sind mehrheitlich national». Die vier E&Y-Faktoren finanzielle Fördermöglichkeiten, Netzwerke/ Cluster, behördliche Bewilligungen und verfügbares Bauland ent- sprechen den Deloitte-Faktoren Institutionen, unternehmensbe-zogene Faktoren und Immobilienmarkt.

8 Signifikant bedeutet eine Differenz von mehr als fünf Rängen bei der Rangfolge – roter Punkt.

9 Der Faktor «Institutionen» beinhaltet unter anderem Punkte wie Rechtssicherheit, die Unterstützung bei der Ansiedlung und die Kooperation mit bereits ansässigen Unternehmen. Der Fokus der E&Y- Studie lag auf westlichen Ländern. Eine interessante Fragestellung wäre, wie sich die Bewertung dieses Faktors bei gezielter Betrachtung von Wachstumsmärkten wie z.B. den BRIC-Staaten oder asiatischen Ländern ändern würde. BRIC-Länder und Asien werden von den untersuchten Kantonen nicht speziell erwähnt.

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DELOITTEAUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT

Top-10-Rängen wieder. Hinterfragt man die Aussage hinsichtlich des Fak-tors Steuersystem etwas genauer, ergibt sich ein differenzierteres Bild.10

Es ist entscheidend, bei der Vermarktung des Standorts die relevanten Faktoren für den Betrachter im Ausland hervorzuheben. Die Konsequenz aus dieser Analyse ist eindeutig: Um die Wirkung der Standortpromo-tion zu erhöhen, ist es unerlässlich, dass sich die beteiligten Parteien der Relevanz einzelner Standortfaktoren für das Zielpublikum bewusst werden und entsprechend handeln. Denn nur wenn vermarktet wird, was tatsächlich relevant ist, kann die gewünschte Wirkung erzielt werden.

10 Die innerschweizerische Sicht wird durch die aktuelle Studie von Ar-thur D. Little, «Headquarters on the Move – Benchmarking of Global and Regional Headquarters in Switzerland», bestätigt.

Abb. 5: Wo wir uns wirklich täuschen

Am gravierendsten ist wohl die schweizerische Selbsttäuschung in Sachen Steuersystem. Das wird von uns als sehr wichtig eingestuft und entsprechend vermarktet. Ausländische Inves- toren nehmen insbesondere die Unternehmenssteuern nicht mehr als derart vorteilhaft wahr.

Quelle: Eigene Darstellung

INNENSICHT

INSTITUTIONEN: Die Schweiz sieht dies als einen starken Faktor, das Ausland nicht

STEUERSYSTEM: Die Schweiz sieht sich bei diesem Thema im Gegensatz zu ausländischen Standorten weiter-hin als führend. Es wird generell keine Unterscheidung hinsichtlich Unternehmens- und Einkommenssteuer vorgenommen

ARBEITSMARKT: Auch hier ist die Innensicht wesentlich positiver als die externe Wahrnehmung

AUSSENSICHT

pOLITISCHE VERHäLTNISSE: Während die externe Sichtweise diesen Faktor als ein Alleinstellungsmerk- mal der Schweiz ansieht, wird er von der Schweiz kaum vermarktet

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Länderspezifische Vermarktung der Standortfaktoren als Chance Mit der Untersuchung wurde ebenfalls analysiert, inwieweit die Kantone die Standortfaktoren in einzelnen Zielländern unterschiedlich vermarkten. Es ist wichtig, bestimmte Länder oder Regionen differenziert anzuge-hen, um die unterschiedlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen. So ist es naheliegend, die zunehmende Bedeutung der BRIC-Länder als Investo-ren der Zukunft zu würdigen und diese mit gezielten Marketingprogram-men abzuholen.

Insgesamt ergibt sich in dieser Hinsicht ein wenig positives Bild. Nur weni-ge Kantone gehen diesbezüglich bisher differenziert vor und lediglich der Kanton Schaffhausen verfolgt eine länderspezifische Standortpromotion. Hieraus können folgende Empfehlungen abgeleitet werden:

≥ Ein verstärktes länderspezifisches Marketing der Standortfaktoren könnte die Attraktivität der Schweiz zusätzlich steigern. So könnte bei-spielsweise der Kanton Genf im Zielland China mit seinen chinesischen Kindergärten und Schulen werben.≥ Zur Wahrung eines einheitlicheren Auftritts könnte die Standort- promotion Schweiz in ausgewählten Zielmärkten durch nationale Inte-ressenvertreter wie die Osec oder Location Switzerland erfolgen oder zumindest durch diese koordiniert werden.

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DELOITTEAUF WELCHE STANDORTFAKTOREN DIE SCHWEIZ SETZT

Die Schweiz wird bei der Vermarktung ihrer Standort- faktoren im Ausland nicht einheitlich wahrgenommen, was die Wirkung des Standortmarketings schwächt. Einer der Hauptgründe ist, dass die Vermarktung der nationalen und regionalen Standortfaktoren durch Kantone und nationale Organisationen nicht konsistent stattfindet oder zumindest koordiniert wird. Nationale Standortfaktoren soll- Standortfaktoren soll-ten zentral und einheitlich durch nationale Interessen- vertreter vermarktet werden. Regionale Standortfaktoren sollten in die Zuständigkeit der Kantone fallen und durch diese vermarktet werden.

Anhand der Schweizer Life-Science-Industrie wurde die Be-deutung von Industrie-Clustern bei der Vermarktung von Standorten herausgestrichen. Einige Regionen heben dies in ihrer Vermarktung aber nicht genügend hervor.

Die Bedeutung der verschiedenen Standortfaktoren wird intern und extern sehr unterschiedlich wahrgenommen. Es ist zu empfehlen, die Innen- und die Aussensicht anzugleichen.

Die Bedeutung einzelner Standortfaktoren kann sich über die Zeit verändern. Ob und inwieweit die heutigen Stand- ortfaktoren auch in der Zukunft von Bedeutung sind, sollte kontinuierlich hinterfragt werden, damit die Standort- promotion neue Gegebenheiten berücksichtigen und ihnen Rechnung tragen kann.

In Kürze

Page 119: Standort Schweiz

RAHMENBEDINGUNGEN

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Unternehmenssteuern – es besteht Handlungsbedarf

Die Schweiz ist im globalen Steuerwettbewerb nach wie vor gut positioniert, kommt jedoch zunehmend unter Druck: einmal aus dem Ausland, aber auch durch hausgemachte Probleme. Beides gefährdet die Standortattraktivität. He-rausforderungen, auf die es nun zu reagieren gilt mit dem Ziel, die Position der Schweiz im internationalen Wettbewerb nachhaltig zu sichern. Im ersten Schritt sind die selbst gemachten Probleme zu lösen. Danach werden konkrete Antwor-ten auf den politischen Druck aus dem Ausland zu finden sein. Die Einführung neuer Steuermodelle – beziehungsweise die Adaption bewährter ausländischer Modelle – könnte ein gangbarer Weg sein, die Schweiz global attraktiv und stabil zu positionieren.

Jörg Walker / Thomas Linder, KPMG

Gegenwärtig ist die Schweiz ein attraktiver Standort für ausländische Ge-sellschaften. Das gilt besonders für globale Headquarters europäischer Unternehmen sowie die Europasitze aussereuropäischer Unternehmen. Ausschlaggebendes Kriterium für die Standortentscheidung ist nicht sel-ten die vorteilhafte Besteuerung.1 Traditionell ein Staat mit vergleichs-weise tiefen Steuersätzen für Gewinne von Unternehmen, be- wegt sich in der Schweiz die ef-fektive Steuerbelastung einer ordentlich besteuerten Gesell-schaft derzeit abhängig von Sitzkanton und -gemeinde zwi-schen 12,7 und 24,3 Prozent (in- klusive Bundessteuer). Im Vergleich zum Ausland zeigt sich, dass die steu-ergünstigsten Kantone wie Zug, Schwyz oder Obwalden mit der direkten internationalen Konkurrenz, wie etwa Irland, gut mithalten können. Doch

1 Vgl. Rothenbühler, Andre; Die Schweiz als attraktivster Holding-standort; in: Finanzplatz-Informationen, 2005. 121

Aufgrund des anhaltenden Steuerwett- bewerbs zwischen den Kantonen werden die Steuern auf einem tiefen Niveau gehalten, und damit bleibt die Schweiz gegenüber ausländischen Mitbewerbern bei der gene-rellen Steuerbelastung konkurrenzfähig.

Page 122: Standort Schweiz

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KpMGUNTERNEHMENSSTEUERN – ES BESTEHT HANDLUNGSBEDARF

auch weniger steuergünstige Kantone, wie Genf, belegen aus internati-onaler Perspektive einen Platz im oberen Mittelfeld – und liegen damit noch vor westlichen Industrienationen wie Deutschland (29,4 Prozent), Frankreich (33,3 Prozent) oder Grossbritannien (28 Prozent). Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich aufgrund des anhaltenden Steuerwett-bewerbs zwischen den Kantonen die Steuern auf einem tiefen Niveau hal-ten werden und damit die Schweiz gegenüber den ausländischen Mitbe-werbern bei der generellen Steuerbelastung konkurrenzfähig bleibt.

Wie kann die ordentliche Steuerbelastung von Unternehmen weiter gesenkt werden? Als Instrument zur Förderung strukturschwacher Regionen gewährt der Gesetzgeber Steuererleichterungen von bis zu 100 Prozent für maximal 10 Jahre. Davon profitieren Gesellschaften, die sich erstmals in der Schweiz niederlassen, eine grössere Anzahl neuer Arbeitsplätze schaffen und damit dem wirtschaftlichen Interesse der entsprechenden Region dienen. Während auf Stufe der Staats- und Ge-meindesteuern die Mehrzahl der Kantone Steuererleichterungen dieser Art gewähren, sind diese auf der Ebene der Bundessteuer nur in bestimm-ten, als besonders förderungs-würdig qualifizierten Regionen möglich.2 Kantonen wie Schaff-hausen oder Waadt brachten diese einen spürbaren Nutzen in Form von Neuansiedlungen. Neben solchen regional- und wirtschaftspolitisch motivierten Steuerer-leichterungen kann seit Jahrzehnten auf kantonaler Ebene für gewisse Unternehmenstypen eine privilegierte Besteuerung in Anspruch genom-men werden. Steuerlich privilegiert sind die Holdinggesellschaft, die ge-mischte Gesellschaft und die Prinzipalgesellschaft; zusätzlich existieren einige spezielle Besteuerungsmodelle zur Konzernfinanzierung. Diese Modelle haben in Kombination mit einem gewissen Gestaltungsspielraum

2 Anfang 2008 wurde der Kreis der förderungswürdigen Gebiete enger gezogen. Bis 2011 gilt jedoch eine Übergangslösung: Steuererleichte-rungen auf Ebene der Direkten Bundessteuer dürfen gewährt werden, jedoch nur maximal 50 Prozent der zulässigen Steuererleichterung (Vgl. Gehriger, Olivier/ Monsch, Carola; Lex Bonny als Steuerplanungs-intrument – Quo Vadis?, in: Der Schweizer Treuhänder, 2008/1-2.

Die steuerlichen Vorteile greifen nur, weil sie eingebettet sind in weitere Standortvor-teile, die der Schweiz einen internationalen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

auf kantonaler Ebene dafür gesorgt, dass die Schweiz sich international als attraktiver Standort behaupten kann. Während Holdings und gemisch-te Gesellschaften von Staats- und Gemeindesteuern ganz oder teilweise steuerbefreit sind, erfahren Prinzipal- und Finanzierungsgesellschaften auch durch die direkte Bundessteuer eine attraktive Behandlung.

All diese steuerlichen Vorteile greifen jedoch nur, weil sie eingebettet sind in weitere Standortvorteile, die der Schweiz einen internationalen Wett-bewerbsvorteil verschaffen. Dazu zählt die Anziehungskraft des Finanz-platzes Schweiz, die hervorragende Infrastruktur und gute Verfügbarkeit von hoch qualifizierten Arbeitskräften, aber auch das stabile politische Umfeld sowie eine subjektiv hohe Lebensqualität, zu der die grosse An-zahl ausländischer Communities einen wichtigen Beitrag leistet. Nicht zuletzt soll auch der wichtige steuerliche Faktor einer vergleichsweise niedrigen Individualbesteuerung erwähnt werden. Durch die bilateralen Verträge mit der EU hat es die Schweiz zudem geschafft, trotz der Nicht-mitgliedschaft drohende Wettbewerbsnachteile grösstenteils zu verhin-dern und den Zugang zu den europäischen Märkten sicherzustellen.

Als Folge davon ist die Schweiz heute ein Standort mit einer hohen Dich-te an multinationalen Konzernen, die einen wichtigen Stützpfeiler der Schweizer Volkswirtschaft darstellen und wesentlich zum wirtschaftli-chen Wohlergehen beitragen.3 Dies verdankt sie auch der Konzentrati-on auf Konzernfunktionen mit hoher Wertschöpfung, die umso mehr von Bedeutung sind, als die Schweiz als Land mit geringen natürlichen Roh-stoffvorkommen und relativ teurem Humankapital weder für die Roh-stoffförderung noch als Standort für Massenproduktion in Frage kommt.

Was macht die Schweiz für Headquarters attraktiv? Das Schweizer Er-folgsmodell der Holding kommt bevorzugt als Konzerngesellschaft zur Führung geographischer Wirtschaftsräume, wie zum Beispiel «Europe, Middle East & Africa (EMEA)», zum Einsatz und stellt eine Unternehmung

3 Internationale Unternehmen tragen im Umfang von rund 10 Prozent zum BIP bei, was dieselbe Quote ist wie z.B. für das Finanzwesen; vgl. Swiss Holdings, Konzernstandort Schweiz im globalen Wettbewerb, 2008.

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dar, deren Zweck hauptsächlich in der dauernden Verwaltung von Be-teiligungen an anderen Unternehmen besteht. Es wird vorausgesetzt, dass langfristig mindestens zwei Drittel der Aktiven aus Beteiligungen bestehen oder mindestens zwei Drittel der Erträge Beteiligungs- und Dividendenerträge sind und dass in der Schweiz keine Geschäftstätig-keit ausgeübt wird. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, entrichten Hol-dinggesellschaften – mit Ausnahme des Ertrags aus schweizerischem Grundeigentum – auf Ebene der Staats- und Gemeindesteuern keine Gewinnsteuer. Auf Ebene der direkten Bundessteuer werden die Erträge einer Holdinggesellschaft, wie beispielsweise Management Fees, Zinsen und in gewissem Umfang Lizenzeinnahmen, grundsätzlich ordentlich zum effektiven Steuersatz von 7,83 Prozent besteuert. Auf Beteiligungs-erträge kann jedoch der Beteiligungsabzug angewendet werden, was zu einer faktischen Freistellung von Dividenden und Kapitalgewinnen führt.

Häufig haben multinationale Konzerne neben dem Halten von Beteiligun-gen auch andere Konzernfunktionen, wie Immaterialgüterverwaltung, Marketing, Vertrieb und ähnliche, in die Schweiz verlagert. Dabei können je nach Wichtigkeit und Grösse der Investition Steuererleichterungen gewährt werden oder andere privilegierte Besteuerungsmodelle, wie die Prinzipalgesellschaft, für Unternehmen mit zentralisierter Einkaufs- und Vertriebsstruktur zur Anwendung kommen. Die Besteuerung als Prinzi-pal wurde im Jahre 2001 von der Eidgenössischen Steuerverwaltung als Antwort auf die zunehmende Zentralisierung von Funktionen und Risiken innerhalb international tätiger Konzerne entwickelt. Grundvorausset-zung für die Gewährung der Prinzipalbesteuerung ist, dass die Schwei-zer Prinzipalgesellschaft in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig ist und der Vertrieb im Ausland über Konzerngesellschaften erfolgt, die als abschlussberechtigte Agenten oder Kommissionäre agieren. In der Praxis stellen die Steuerbehörden insbesondere darauf ab, dass ein aus-reichender Geschäftsbetrieb aufgebaut wird, um die zentralen Funkti-onen und Risiken zu übernehmen. Die wichtigsten Entscheidungsträger müssen daher in der Schweizer Gesellschaft angestellt sein. Bei der Berechnung des steuerbaren Gewinns einer Prinzipalgesellschaft wird ein prozentualer Anteil des Verkaufsgewinns aus Handel dem Ausland zugeordnet, wodurch abhängig vom Sitzkanton der effektive Steuersatz

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für eine Prinzipalgesellschaft auf fünf bis acht Prozent zu liegen kommt, was im europäischen Umfeld äusserst wettbewerbsfähig ist.

Warum kommen Handels- und Vertriebsgesellschaften in die Schweiz? Neben der zentralen Lage mitten in Europa, der exzellenten Infrastruktur und der sehr guten Verfügbarkeit von Wissen und Know-how sind es die günstigen steuerlichen Rahmenbedingungen, die Unternehmen anzie-hen. Insbesondere die Kantone Genf und Zug gelten als Zentren für Tra-dinggesellschaften. So wickeln zahlreiche im Rohstoffhandel tätige Kon-zerne einen grossen Teil ihrer Handelstätigkeit aus der Schweiz heraus ab. Dabei operieren solche Unternehmen steuerlich häufig als gemischte Gesellschaften. Dieses Privileg findet Anwendung, sofern eine Gesell-schaft überwiegend ausland-bezogen ist und die Geschäfts-tätigkeit in der Schweiz nur eine untergeordnete Rolle spielt. In der Regel bedeutet das, dass sowohl der Verkauf als auch der Einkauf mindestens zu 80 Pro-zent im Ausland erfolgen muss. Die Erträge aus dem Ausland werden für die Staats- und Gemeindesteu-ern nur anteilig besteuert, was zu einem effektiven Steuersatz von acht bis zwölf Prozent führt. Durch den wachsenden Welthandel ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft Unternehmen nach attraktiven Stand-orten für ihre Handelstätigkeiten Ausschau halten werden.

Auch als Standort für Finanzgesellschaften internationaler Konzerne wird die Schweiz genutzt, indem die Fremdfinanzierung der Gruppenge-sellschaften über eine Schweizer Holding abgewickelt wird. Dies führt zu einer Besteuerung der Finanzerträge von 7,83 Prozent, was im interna-tionalen Vergleich aber wenig konkurrenzfähig ist. 4 Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat daher 1991 mit Rundschreiben das Konzept der Schweizer Finanzbetriebsstätte eingeführt. Eine solche Betriebsstätte

4 Sog. Tax Arbitrage.

Neben der zentralen Lage mitten in Europa, der exzellenten Infrastruktur und der sehr guten Verfügbarkeit von Wissen und Know-how sind es die günstigen steuer- lichen Rahmenbedingungen, die Unterneh-men anziehen.

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vereinnahmt ebenfalls Zinsen von Gruppengesellschaften des Konzerns. Da es sich aber lediglich um die Betriebsstätte einer ausländischen Fi-nanzgesellschaft handelt (zum Beispiel mit Sitz in Luxemburg), wird mit-tels eines kalkulatorischen Zinsabzugs ein Teil der Einkünfte dem auslän-dischen Sitz zugeordnet. Im Zusammenspiel mit dem richtigen Standort für den Sitz der Gesellschaft führt dies zu einer effektiven Gewinnsteu-erbelastung in der Schweiz von einem bis zwei Prozent. In jüngster Ver-gangenheit zeigt sich vermehrt ein Trend, Finanzgesellschaften anstelle von Betriebsstätten einzusetzen, die aber den gleichen Besteuerungs-grundsätzen unterliegen.

Die Mängel in der Schweizer Standortattraktivität sind hausgemacht Die signifikantesten Mängel sind im Bereich der Stempelsteuern, der Verrechnungssteuer sowie des Missbrauchsbeschlusses zu suchen. In den meisten EU-Staaten wurden Emissionsabgaben und Umsatzabgaben mittlerweile entweder abgeschafft oder sie stehen zur Disposition. Die Schweiz hält dagegen nach wie vor an beidem fest, und das, obwohl ins-besondere die Emissionsabgabe von einem Prozent auf dem eingebrach-ten Eigenkapital einen gewichtigen Standortnachteil darstellt, gerade für Finanzierungsgesellschaften. Des Weiteren verunmöglicht die Praxis der Steuerverwaltung zur Auslegung des Obligationenbegriffs bei der Ver-rechnungssteuer und Emissionsabgabe die Errichtung einer schweizeri-schen Gesellschaft für Cash-Pooling- und Treasury-Funktionen.

Auch die Verrechnungssteuer von 35 Prozent kann hemmend wirken. Zwar verfügt die Schweiz über ein Netz von über 90 Doppelbesteuerungsab-kommen (DBA), was im internationalen Vergleich viel ist. Doch bei genau-erer Betrachtung der Quellensteuersysteme von Staaten wie Luxemburg oder den Niederlanden zeigt sich, dass jene zum Teil so günstige Bedin-gungen vorsehen, dass eine Gewinnrepatriierung mit tieferen oder ohne Quellensteuern möglich ist.5 Wieder andere Länder, wie zum Beispiel Grossbritannien oder Zypern, kennen gar keine Quellensteuern mehr.6

5 Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; Schweiz verliert als Holding-Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; Schweiz verliert als Holding-standort an Bedeutung, in: Schweizer Treuhänder 10/2008.

6 Vgl. KPMG International, European Tax Planner, 2008.

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Verschärft wird diese Situation noch durch die zu restriktive Haltung der Eidgenössischen Steuerverwaltung bei der Gewährung der Abkommens-berechtigung. Solche Vorschriften, die eine Repatriierung von Gewinnen für den betroffenen Konzern mit hohen Kosten verbinden, wirken sich auf die Standortattraktivität der Schweiz negativ aus. Es wäre deshalb zu begrüssen, wenn die Schweiz dem Trend anderer Staaten folgen und ihre Verrechnungs-steuergesetzgebung anpassen würde. So könnten zum Beispiel Dividenden, welche an eine Ge-sellschaft mit Sitz in einem DBA-Land gezahlt werden, grundsätzlich von der Verrechnungssteuer ausgenommen werden. Zusätzlich würde eine Senkung des Verrechnungssteuersatzes auf 15 Prozent für natürliche Personen im Ausland die Schweiz im internationalen Umfeld konkurrenz-fähiger machen, da damit gemäss den meisten DBA kein Rückerstat-tungsverfahren mehr nötig wäre.

Schliesslich können die schweizerischen DBA zudem nur dann genutzt werden, wenn neben den in den DBA enthaltenen Bedingungen zusätzlich die im Missbrauchsbeschluss geforderten Voraussetzungen erfüllt sind. Missbräuchlich ist die DBA-Inanspruchnahme insbesondere dann, wenn der Empfänger in der Schweiz mehr als die Hälfte der im Ausland quel-lenbesteuerten Einkünfte (zum Beispiel Lizenzeinnahmen aus Immateri-algüterrechten) in Form von Aufwand an Personen im Ausland weiterlei-tet (als Lizenzzahlungen, Zinsen, Management Fees usw.). Damit werden oft auch Strukturen behindert, welche über genügend Substanz in der Schweiz verfügen und in keiner Weise als missbräuchlich zu qualifizieren sind. Holland, Luxemburg und Zypern werben dagegen mit Strukturen, die eine Weiterleitung von über 99 Prozent der vereinnahmten Zinsen und Lizenzgebühren zulassen. Der Missbrauchsbeschluss ist nationales Recht und wurde 1962 vor allem auf Druck der USA eingeführt. Obwohl inzwischen nicht mehr auf die USA anwendbar, hält die Schweiz weiter daran fest – freiwillig, ohne dass dies von internationaler Seite weiter verlangt worden wäre. Die Aufhebung des unilateralen Missbrauchsbe-schlusses würde die Standortattraktivität zusätzlich verbessern, ohne

Es wäre zu begrüssen, wenn die Schweiz dem Trend anderer Staaten folgen und ihre Verrechnungssteuergesetzgebung anpassen würde.

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zu Steuerausfällen zu führen. Zumindest aber sollte die Anwendung auf eigentliche Missbrauchsfälle beschränkt werden.

Um die Attraktivität des Standortes Schweiz nicht zu gefährden, soll-te die Schweiz in naher Zukunft ihre Haltung bezüglich der gegenwär-tig vorhandenen hausgemachten Standortnachteile überdenken. Dabei muss jedoch festgehalten werden, dass Themen wie die Abschaffung der Stempelabgaben sowie der Kapitalsteuer im Rahmen der Unterneh-menssteuerreform III bereits thematisiert werden.

Das Ausland verstärkt den Druck auf den Standort Schweiz Allen vor-an die Europäische Union, mit welcher der Steuerstreit über die Schwei-zer Steuervergünstigungen anhält, weil sie steuerlich privilegierte Ge-sellschaften als staatliche Beihilfe, den Wettbewerb verfälschend und mit dem Freihandelsabkommen von 1972 unvereinbar qualifiziert. Auch ist nicht auszuschliessen, dass mit den in den USA geplanten Änderun-gen zusätzlicher Druck auf den Standort Schweiz ausgeübt wird und die Schweizer Erfolgs-modelle ins Blickfeld der Kritik geraten könnten. Indiz dafür sind diverse in Washington ein-gereichte Gesetzesvorschläge, die die Schweiz nach wie vor als Steuer-oase qualifizieren – ungeachtet dessen, dass dies ebenso unbegründet wie falsch ist. Im Ergebnis führte derlei Polemik international zu einem Imageverlust, dem nur schwer zu begegnen ist.

Gerade der Steuerstreit mit der EU könnte für die Schweiz angesichts der grossen Bedeutung der Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften zu einer echten Herausforderung, wenn nicht gar zur Zerreissprobe wer-den. Dabei wäre es sicher falsch, wenn die Schweiz die privilegierten Steu-erregimes einfach kampflos aufgeben würde, denn das würde die Attrak-tivität des Standortes schlagartig erheblich vermindern. Da internationale Konzerne generell ein hohes Mass an Rechtssicherheit brauchen, wäre es jedoch zu riskant, die Forderungen der EU einfach zu ignorieren. Der Bun-desrat hat sich in diesem Fall für einen Dialog mit der EU entschieden.

Da internationale Konzerne generell ein hohes Mass an Rechtssicherheit brauchen, wäre es zu riskant, die Forde- rungen der EU einfach zu ignorieren.

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Dabei ist es wichtig, dass die Schweiz als Nichtmitglied der EU darauf besteht, ihre Steuerpolitik weiterhin selbständig zu bestimmen und ih-ren Standort mit Nachdruck verteidigt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Schweiz in dieser Diskussion gewisse Zugeständnisse machen müs-sen wird. Im gleichen Zuge muss daher an Nachfolgeregelungen oder Alternativen für die kantonalen Steuerprivilegien gearbeitet werden, die konform mit den EU-Vorschriften sind und den Unternehmen die wichtige Rechtssicherheit langfristig ge-währen. Dabei täte die Schweiz gut daran, sich an der direkten Konkur-renz im EU-Raum zu orientieren, die zum Teil äusserst attraktive und vor allem von der EU anerkannte Systeme eingeführt hat. Damit bietet sich der Schweiz die Chance, im Steuerstreit mit der EU eine Lösung zu finden und gleichzeitig durch Adaption erfolgreicher ausländischer Modelle ihre Position im Standortwettbewerb zu sichern und weiter zu stärken.

Der Wettbewerbsdruck wächst Waren es traditionell vor allem die Be-nelux-Länder, welche mit innovativen Modellen mit der Schweiz um die Ansiedlung internationaler Gesellschaften buhlten, so sind in den letzten Jahren zum Beispiel Länder wie Irland, Österreich oder Zypern zunehmend aktiv geworden, und auch einige Staaten Osteuropas sowie Singapur stei-gern den Steuerwettbewerb beachtlich.7 Auch hier muss die Schweiz re-agieren, will sie nicht Gefahr laufen, ins Hintertreffen zu geraten.

Im Streit mit der EU ist insbesondere die Tatsache, dass Lizenzen, Zinsen und andere Einkünfte von der privilegierten Besteuerung profitieren kön-nen, scharf kritisiert worden. Die Freistellung von Beteiligungserträgen als solche ist jedoch unbestritten. Eine Abschaffung des Holdingprivilegs wäre daher für reine Holdinggesellschaften grundsätzlich nicht nachtei-lig, können doch Beteiligungserträge ohnehin vom Beteiligungsabzug profitieren. In diesem Zusammenhang würde sich jedoch eine Überarbei-

7 Vgl. Denner, Reiner Wyss, Markus; Holdingstandort Schweiz im internationalen Vergleich, in: Schweizer Treuhänder 6-7/2006.

Gerade der Steuerstreit mit der EU könnte für die Schweiz zu einer echten Heraus- forderung, wenn nicht gar zur Zerreissprobe werden.

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tung des Beteiligungsabzugs aufdrängen. Mit der Unternehmenssteuer-reform II fällt per 1. Januar 2011 zwar die Beteiligungsquote für Dividen-denerträge von 20 auf 10 Prozent, doch damit bewegt sich die Schweiz weiter lediglich im Mittelfeld. So müsste vor allem eine volle Befreiung8 sowie der Verzicht der Verrechnung mit Verlustvorträgen eingeführt wer-den. Im EU-Raum wird dies bereits so praktiziert. Manche Staaten gehen noch einen Schritt weiter und erlauben die Verlustverrechnung innerhalb des Konzerns oder kennen die Gruppenbesteuerung.9 In der Schweiz wird dagegen seit je jede Gesellschaft grundsätzlich als eigenes Steuer-subjekt betrachtet. Demgegenüber kennen die meisten OECD-Staaten eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten von im gleichen Staat ansässigen Gruppengesellschaften. Auch diesbezüglich besteht für die Schweiz Handlungsbedarf.

Gleichzeitig empfiehlt sich die Einführung eines Privilegs für Zins- und Lizenzerträge. Belgien und die Niederlande haben mit der National Inte-rest Deduction beziehungsweise der Interest Box bereits heute Privile-gien für Zinserträge eingeführt. Belgien kennt, ebenso wie Luxemburg, die Niederlande und Irland, zudem eine partielle Steuerbefreiung von Lizenzerträgen in gewissen Fällen. Auch hier gilt es festzuhalten, dass diese Modelle von der EU ausnahmslos akzeptiert wurden. Übernähme die Schweiz ähnliche Modelle, so würde sie zum einen mit ihrer Konkur-renz gleichziehen und zum anderen durch Kombination von Freistellung von Beteiligungserträgen mit privilegierter Besteuerung von Zinsen und Lizenzen eine attraktive Alternative zur heutigen Holding schaffen, die den Massstäben der EU entspräche.

Eine strategisch zentrale Funktion fehlt jedoch: Forschung und Ent-wicklung (F&E). Diese sind bei den steuerlichen Anstrengungen, mehr Unternehmen von einer Ansiedlung in der Schweiz zu überzeugen, bis-lang schlicht zu kurz gekommen. Eigentlich ist die Schweiz aufgrund

8 Keine Zuweisung von Finanzierungs- und Verwaltungsaufwand auf Beteiligungserträge.

9 Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; Schweiz verliert als Holding-Vgl. Kuhn, Stefan/Sottile, Guiseppe; Schweiz verliert als Holding-standort an Bedeutung, in: Schweizer Treuhänder 10/2008.

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erstklassiger Rahmenbedingungen, hochqualifizierter Fachkräfte und wissenschaftlicher Reputation als Forschungsstandort geradezu prä-destiniert, doch fehlen lukrative steuerliche Anreize, wie sie im europä-ischen Ausland – zum Beispiel in Belgien, Irland oder Frankreich – fest etabliert sind. In jüngster Zeit sind diese aber zunehmend bei Standort- entscheidungen das Zünglein an der Waage, die Schweiz hat im Wett-bewerb um den besten Forschungsstandort in Europa immer häufiger das Nachsehen.10 Ohne lukrative Fördermassnahmen und Investitions-anreize läuft das Land in Gefahr, immer mehr wertvolle F&E-Aktivitäten ans Ausland zu verlieren. Und auch für Neuansiedlungen stellt dies einen gewichtigen Standortnachteil dar. In den EU-Staaten ist die steuerliche Begünstigung von F&E bereits weit verbreitet. Beispielsweise erlauben einige Länder die mehrfache steuerliche Abzugsfähigkeit von F&E-Kos-ten oder räumen dem Lizenzertrag aus durch Forschung und Entwick-lung entstandenen Patenten eine privilegierte Besteuerung ein.11 Dazu kommt, dass die EU die För-derung von F&E ausdrücklich erwünscht bzw. begrüsst. Die Schweiz tut also gut daran, innovative Lösungen zu erarbeiten, um ihren Status als F&E-Standort auch zukünftig sichern zu können und internationale Unternehmen dazu zu motivieren, weitere Funktionen in die Schweiz zu verlagern. Und da-mit neben den traditionellen Erfolgsfunktionen Führung und Finanzie-rung auch die dritte strategische Funktion im Konzern fest am Standort Schweiz zu etablieren: Forschung und Entwicklung.

10 Vgl. Müller, Andreas / Linder, Thomas; Steuerliche Anreize für For-Vgl. Müller, Andreas / Linder, Thomas; Steuerliche Anreize für For-schung und Entwicklung, Ein Standortvergleich – Handlungsbedarf der Schweiz, in: Der Schweizer Treuhänder, 2008/3.

11 Vgl, Linder, Thomas; Es fehlen steuerliche Anreize, in: Finanz und Wirtschaft, 6.10.2007.

Der Schweiz fehlen lukrative steuerliche Anreize für Forschung und Entwicklung.

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Die Schweiz muss im internationalen Wettbewerb attraktiv bleiben, um Konzernfunktionen mit hoher Wertschöp- fung in den Bereichen Führung, Finanzierung und Forschung – und die damit verbundenen Arbeitsplätze – langfristig in der Schweiz halten und neue anziehen zu können, da diese einen wesentlichen Anteil zum BIP beisteuern. Grund- sätzlich besteht die Gefahr, dass Konzerne Funktionen aus der Schweiz in andere Länder verlagern, weil sie dort besseren Zugang zu günstigen Arbeitskräften oder niedri-gen Produktionskosten haben oder weil die Steuerbelastung attraktiver ist. Dieser Möglichkeit ist durch eine Verbesserung des Steuersystems gezielt entgegenzuwirken. Gleichzei- tig müssen neue Märkte mit Potenzial identifiziert werden.

Wie sich der Steuerwettbewerb unter den Kantonen auf die Standortattraktivität der Schweiz auswirken wird, wird sich zeigen. Ohne Eingreifen der Politik ist davon auszugehen, dass der Trend zu sinkenden Steuersätzen an- halten wird. Es ist jedoch nicht auszuschliessen, dass dies den Druck auf die Schweiz weiter erhöhen wird. Bereits heute erkennen einige Länder, wie Japan oder Mexiko, Konzerngesellschaften in Ländern mit einer tiefen Steuer- belastung nicht an beziehungsweise besteuern deren Gewinn im eigenen Land. Es wäre eine Überlegung wert, sich vom Trend zur Steuersatzsenkung zu entfernen, im Gegenzug aber eine Korrektur über zusätzliche, von der EU anerkannte Privilegien und/oder Ausnahmen von der Bemessungsgrundlage vorzunehmen. Die Niederlande und Luxemburg haben es erfolgreich vorgemacht.

Strategien für die Früherkennung internationaler und europäi- scher Entwicklungen sollten verbessert werden, um recht-zeitig politische Lösungen zu finden und den gleichberechtigten Marktzugang für Schweizer Unternehmen v.a. zum euro- päischen Binnenmarkt aufrechtzuerhalten. Aktuell besteht daher Handlungsbedarf in Bezug auf den bedrohten Zu- gang für Kapitalanlageprodukte zum europäischen Markt.

In Kürze

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Wo die Schweiz Spitze verkörpert:Bildung, Forschung und Innovation

Die Qualität der Ausbildung und damit der Zugang zu gut ausgebildeten, adap-tationsfähigen Arbeitskräften ist eine der tragenden Säulen für den wirtschaft-lichen Erfolg eines Landes. Die Schweiz verfügt über einen ausgezeichneten, hochentwickelten und den Bedürfnisses des Landes angepassten tertiären Bildungssektor. Die zwei vom Bund getragenen ETHs, die zehn kantonalen Uni-versitäten sowie die acht Fachhochschulen decken die ganze Breite des fachli-chen Angebotes sowohl grundlagenfokussiert wie auch anwendungsorientiert ab. Das duale Bildungssystem mit den beiden Ausbildungswegen – Berufsleh-re/Berufsmatura/Fachhochschule und Gymnasium/Matura/Hochschulstudi-um – trägt dazu bei, dass die Schweiz über hervorragend ausgebildete Berufs-leute verfügt.

Dr. Margrit Leuthold, ETH Zürich

Allgemein ist ein wachsender Akademisierungsgrad der Gesellschaft festzustellen. Im Beobachtungszeitraum 1995 bis 2007 konnte die Schweiz den Anteil der Bevölkerung mit Hochschulabschluss von 16 auf 26 Prozent steigern. Im OECD-Vergleich ist die Schweiz neben Deutschland und Japan das einzige Land, in welchem der Frauenanteil im Hochschulbereich tiefer ist als derjenige der Männer. Die Ingeni-eur- und naturwissenschaftlichen Studiengänge sind im Hinblick auf technologische Entwicklungen und Leistungsfähigkeit eines Landes von besonderer Bedeutung. Hier liegt die Schweiz mit einem Anteil von 23 Prozent eher im unteren Bereich. Finnland und Österreich liegen mit 29 Prozent an der Spitze. Bezüglich Bildungsausgaben ist die Schweiz mit 5,9 Prozent des Bruttoinlandpro-duktes im mittleren Segment positioniert. Die öffentlichen Ausgaben für die Hochschulen liegen bei 1,4 Prozent.

«Die ETH Zürich ist für eine Soft- ware-Entwicklungsfirma wie SAP eine ausgezeichnete Partnerin sowohl in der Forschungszusammenarbeit wie auch als Garant für erstklassige Absolventen.» Oliver Christ, Direktor SAP Research Schweiz

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ETHWO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION

Abb. 1: Die ETH ist Spitze

Gesamtrankings und Rankings einzelner Fachgebiete zeigen, dass die ETH Zürich hervor-ragend platziert ist und ihren Rang in einem Jahr leicht verbessern konnte. Besonders her-vorzuheben sind die Platzierungen in den Naturwissenschaften, der Chemie und den Inge-nieurwissenschaften.

Schweizer Hochschulen top Hochschul-Rankings werden beachtet. Dabei belegen die Schweizer Hochschulen regelmässig Spitzenplätze – was wiederum exzellente Studierende anzieht. International rangiert die ETH Zürich im THES-Ranking auf Platz 20, im Shanghai Jiao Tong Ranking auf Platz 23, gefolgt von der Universität Zürich auf Platz 50. Innerhalb Eu-ropas liegt die ETH Zürich auf Platz 4, die Universität Zürich auf Platz 13. Insgesamt sind sechs Schweizer Universitäten weltweit unter den ersten 200 und europaweit unter den ersten 60.

Aufgeschlüsselt auf einzelne Forschungsgebiete belegt die Schweiz insbesondere in den Life Sciences, Physik, Chemie und Umweltwissen-schaften sowie klinischer Medizin Spitzenplätze. Hier haben die kon-tinuierliche Qualitätsförderung und die Bereitstellung von aus- reichenden Mitteln über Jahr-zehnte eine kritische Masse von hervorragenden Wissenschaftlern hervorgebracht, die in diesen Ge-bieten Weltklasseforschung be-treiben – oft in enger Zusammen-arbeit mit der Industrie. Diese Fachgebiete wiederum bilden zu einem grossen Teil die forschen-de Industrie und KMUs ab: ins-besondere die pharmazeutische Industrie, und die Präzisions- und Me-dizinaltechnologie sind in der Schweiz Erfolgsgeschichten.

Als Beispiel dient die ETH Zürich. Sie pflegt neben starker Grundla-genforschung in besonderem Masse auch die folgenden Forschungs-bereiche mit Wirtschaftsrelevanz: biomedizinisches Engineering an der Schnittstelle zwischen Ingenieur- und Materialwissenschaften mit Bio-logie, Medizin und Bewegungswissenschaften als Teil der immer wich-tiger werdenden Gesundheitswissenschaften; Energieforschung in der ganzen Breite; Modellierung in verschiedenen Bereichen wie System-biologie, chemische Reaktionen, Klima, Materialeigenschaften; Com-puter- und Ingenieurwissenschaften sowie Produktionstechnologie,

«Die eindrücklichen und stetig wachsenden Zahlen der letzten Jahre zeigen das enorme Innovationspozential der Forschen-den an unserer Institution. Die ETH Zürich setzt konsequent eine Strategie um, die einen effizienten, zielgerichteten Wissens- und Technologietransfer und eine enge Zusammenarbeit mit der natio- nalen und internationalen Wirtschaft ermög- licht.» Silvio Bonaccio, ETH Transfer

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Architekturforschung von den geschichtlichen Ursprüngen bis zu den Technologien für nachhaltige Zukunftsstädte, mit einem grossen Beitrag zur Wertschöpfung in der Schweiz und als Export.

Die ETH Zürich als Innovationsmotor Eine Vordenkerrolle in der Gestal-tung der Zukunft zu übernehmen und ihre Leistungen in Forschung und Lehre in den Dienst der Gesellschaft und Wirtschaft zu stellen: dieses Ziel hat sich die ETH Zürich seit ihrer Gründung vor mehr als 150 Jah-ren gesetzt. Sie ist heute eine treibenden Kraft für den technologischen Fortschritt in der Schweiz und zählt auf globaler Ebene zu den Pionieren bei der Entwicklung neuer Erkenntnisse und Technologien.

Abb. 1: Die ETH ist Spitze

Gesamtrankings und Rankings einzelner Fachgebiete zeigen, dass die ETH Zürich hervor-ragend platziert ist und ihren Rang in einem Jahr leicht verbessern konnte. Besonders her-vorzuheben sind die Platzierungen in den Naturwissenschaften, der Chemie und den Inge-nieurwissenschaften.

Quelle: www.fc.ethz.ch/facts/ir/rankings, http://www.fc.ethz.ch/facts/ir/rankings

TIMES HIGHER EDUCATION RANKING 2009 2008

Gesamplatzierung 20 24

Ingenieurwissenschaften 10 13

Naturwissenschaften 12 15

Life Sciences 49 67

SHANGHAI jIAO TONG UNIVERSITY RANKING 2009 2008

Gesamplatzierung 23 24

Ingenieurwissenschaften 41 69

Naturwissenschaften 09 15

Life Sciences 47 71

Chemie 06

physik 17

Informatik 23

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ETHWO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION

Abb. 2: Gut, wo es darauf ankommt

Was wissenschaftliche Publikationen angeht, ist die Schweiz just in jenen Disziplinen her-vorragend platziert, welche für die Innovationskraft der Wirtschaft entscheiden sein kön-nen – in den Natur- und Ingenieurwissenschaften.

Die Schnittstellen der ETH Zürich zur Wirtschaft sind entscheidend für die Innovationskraft der Schweiz. Nicht weniger als 30 Prozent der derzei-tigen Wirtschaftsführer haben ein Studium an der ETH Zürich absolviert. Zudem spielt die Nähe zur ETH als Ausbildungs- und Forschungsstät-te bei Standortentscheiden eine essentielle Rolle. Bezüglich der Aus-bildung stehen die beiden ETHs in ständigem Dialog mit der Schweizer Industrie, damit sie einerseits die Nachfrage nach Hochschulabgängern in den verschiedenen Ausbildungsbereichen, andererseits aber auch all- fällige neue Bedürfnisse bezüglich zu vermittelnden Wissensinhalts er-fassen kann. Mit den wichtigen Wirtschaftsverbänden findet ein regel-mässiger Austausch statt. Im Rahmen des jährlichen «ETH Industry Dia-logue on the Future», von SwissRe organisiert, werden zukunftsweisende, für den Industriestandort Schweiz zentrale Themen aufgegriffen.

Mit ETH Production Technologies stellt die ETH Zürich ihre modernsten Apparaturen und das notwendige Know-how zur Verfügung, um der fer-tigenden Industrie bei der Entwicklung von Geräten und Technologien zur Seite zu stehen. Dafür werden ihre Kompetenzen in verschiedenen Instituten, Zentren und Plattformen gebündelt. Exemplarisch dafür ste-hen die «inspire AG», eine Forschungs- und Entwicklungsorganisation für die Schweizer Maschinenindustrie, das Material Research Center, eine Plattform im Bereich Materialforschung mit Beteiligung von über 50 For-schungsgruppen aus neun Departementen, oder das Institut für virtuelle Produktion, welches die Entwicklung virtueller Systeme für die Planung von komplexen Fertigungssystemen und -prozessen unterstützt.

Das Departement Management, Technologie und Ökonomie wurde als Weiterentwicklung des Departements für Betriebswissenschaften im Jahr 2004 gegründet, in der Erkenntnis, dass ein grosser Bedarf besteht an jungen ETH-Absolventinnen und -Absolventen mit einem naturwissen- schaftlichen oder Ingenieur-Studium und darauf aufbauenden weiter-führenden Studien auf Master- oder PhD-Ebene in Technologiemanage-ment und Ökonomie. Das Departement forscht in den Gebieten Supply Chain Management sowie Personal- und Strategiemanagement. Die steigenden Studierendenzahlen aus dem In- und Ausland sowie die ra-sche Absorption der Abgänger durch den Marktzeugen von einem echten

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

Bedürfnis an Berufsleuten mit kombinierten Kompetenzen in Natur-/In-genieurwissenschaften und Technologiemanagement.

Kompetenzen in der Lehre In der Lehre steht die Vermittlung von fun-diertem Grundlagenwissen und Können im Vordergrund, welches diszip-linübergreifende Zusammenarbeit erlaubt. Weitere entscheidende Qua-lifikationen sind geistige Beweglichkeit und Weltoffenheit, die Förderung von Managementfähigkeiten, vernetztes Denke sowie die Sensibilisie-rung für gesellschaftsrelevante Themen. Dies wird sichergestellt durch einen international zusammengesetzten, hochkompetenten Lehrkörper, einen forschungsbasierten Unterricht auf dem neuesten Stand des Wis-sens, eine qualitativ und quantitativ gute Betreuung und Infrastruktur sowie durch frühe Gewinnung von internationaler Erfahrung durch Indus-trie- und Forschungspraktika und Austauschsemester im Ausland.

Zusammenarbeit mit Wirtschaftspartnern Beide ETHs haben seit ih-rer Gründung eine Tradition der engen Zusammenarbeit mit der Indus-trie, und zwar sowohl mit Grossunternehmungen als auch mit KMUs. Ausländische Firmen wie Google, welche sich in der Schweiz ansiedeln,

Abb. 2: Gut, wo es darauf ankommt

Was wissenschaftliche Publikationen angeht, ist die Schweiz just in jenen Disziplinen her-vorragend platziert, welche für die Innovationskraft der Wirtschaft entscheiden sein kön-nen – in den Natur- und Ingenieurwissenschaften.

Quelle: Bibliometrische Untersuchung zur Forschung in der Schweiz, SBF, 2007

FORSCHUNGSBEREICH pLATZ 1 pLATZ 2 pLATZ 3 pLATZ 4 pLATZ 5

Life Sciences CH US UK NL DE

Agronomie, Biologie und Umweltnaturwissenschaften CH SE DK US UK

Klinische Medizin CH DK BE NL US

physik, Chemie und Erdwissenschaften US CH NL DK UK

Ingenieur- und Technikwissenschaften US DK CH NL IL

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ETHWO DIE SCHWEIZ SpITZE VERKöRpERT: BILDUNG, FORSCHUNG UND INNOVATION

Abb. 3: In Sachen Innovation knapp hinter den USA

Gemessen am Innovationsfaktor innerhalb des «Global Competitiveness Report» des WEF belegt die Schweiz in dieser Disziplin Rang zwei hinter den USA, noch vor den skandinavi-schen Ländern und Singapur.

geben regelmässig zwei Faktoren an, die eine wesentliche Rolle spie-len für ihren Standortentscheid: Zugang zu erstklassig ausgebildeten Hochschulabgängern und die Möglichkeit zu Forschungskooperationen mit einer der besten Hochschulen im technisch-naturwissenschaft- lichen Bereich.

Dabei beschränken sich die In-teraktionen der ETH mit der In- dustrie nicht nur auf die punk-tuelle Zusammenarbeit in indi-viduellen Forschungsprojekten. Man beobachtet weltweit, dass Firmen Teile ihrer Forschungs-abteilung auf einen Universitätscampus verlegen, um direkten Zugriff auf Forschende zu gewinnen. Die folgenden zwei Beispiele neueren Da-tums illustrieren, dass dieser Trend auch bei der ETH Zürich bereits zu beobachten ist.

IBM Research Zurich baut in Rüschlikon auf dem eigenen Campus ein neues Nanotechnologie-Forschungslabor. Die ETH Zürich mietet sich langfristig in dieser topmodernen Infrastruktur ein, um dort ab 2011 in Zusammenarbeit mit IBM, aber auch mit interessierten weiteren For-schungspartnern, das Potenzial der Nanotechnologie für verschiedenste Anwendungsbereiche im Rahmen einer langjährigen Partnerschaft zu erforschen.

Disney Research betreibt im Rahmen einer engen Forschungspartner-schaft mit der ETH Zürich Disney Research Zurich, eine eigene For-schungsstätte auf dem Campus der ETH. Dabei arbeiten Mitarbeiter von Disney Research und der ETH Zürich unter einem Dach an den zukünfti-gen Technologien der Filmindustrie.

Beide Partnerschaften bieten einer grossen Zahl von Doktorierenden die Gelegenheit, in enger Zusammenarbeit mit der Industrie erstklas-sige Forschungsprojekte zu bearbeiten. Innovative, klare und auf die Bedürfnisse der Industriepartner massgeschneiderte Regelungen in

«Die hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen im Bereich Computer- graphik waren für den Standort-Entscheid von Disney ausschlaggebend.» Markus Gross, Departement Informatik, ETH Zürich

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Bezug auf die Rechte an den entstehenden Immaterialgütern erlauben eine offene Zusammenarbeit und führen zu nachhaltigem Nutzen für alle beteiligten Parteien.

Das kürzlich etablierte Industrial Relations Program der ETH erlaubt es einer interessierten Industrie, Optionen an der ETH schrittweise aus-zuloten: Um einer Firma für sie wichtige Kompetenzen der ETH Zürich aufzuzeigen, wird zu Beginn eine auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Übersicht in Form einer Kompetenzanalyse erstellt, aufgrund welcher in-teressante Gesprächspartner aus dem Expertenpool ausgewählt werden können. Ein Laborrundgang und ein gemeinsamer Workshop, das «Idea Lab», generieren Ideen für gemeinsame Projekte.

Technologie-Transfer als Schlüssel zur Innovation Die Schweiz rangiert seit Jahren auf den Spitzenplätzen. Im «Global Competitiveness Report 20008/2009» des WEF liegt sie bezüglich Innovation an zweiter Stelle.

Abb. 3: In Sachen Innovation knapp hinter den USA

Gemessen am Innovationsfaktor innerhalb des «Global Competitiveness Report» des WEF belegt die Schweiz in dieser Disziplin Rang zwei hinter den USA, noch vor den skandinavi-schen Ländern und Singapur.

Quelle: World Economic Forum (WEF) – Global Competitiveness Report (2006/07–2008/09)

2008/09 RANKING 2007/08 RANKING 2006/07 RANKING

USA 1 1 6

Schweiz 2 2 1

Dänemark 3 3 4

Schweden 4 4 3

Singapur 5 7 5

Finnland 6 6 2

Deutschland 7 5 8

Niederlande 8 10 9

japan 9 8 7

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Abb. 4: Technologie-Transfer an der ETH Zürich

Eine gemessen an der Bevölkerungszahl sehr hohe Anzahl von Patentanmeldungen (gestützt von einem starken Patentschutz) und eine grosse Zahl von Start-ups und Spin-offs spricht für eine hochentwickelte Kultur des Technologietransfers zwischen Hochschulen und Wirtschaft.

Ein wichtiger Indikator ist die Tatsache, dass die Schweiz im Verhältnis zu ihrer Bevölkerung die höchste Anzahl Patentanmeldungen aufweist, ebenso am meisten Publikationen pro Wissenschaftler und den höch- sten Zitationsindex. Die Schweizer Hochschulen sind an dieser Spitzen-position massgeblich beteiligt.

Eines der Erfolgsrezepte liegt im Ausbau und in der systematischen Ent-wicklung der Stelle für Technologietransfer, «ETH Transfer», sowie im Bereitstellen eines Umfeldes, dass die wissenschaftliche Neugier und den «entrepreneurial spirit» von ETH-Studierenden bereits zu Beginn des Studiums fördert. Bei ETH Transfer ist das exzellente Know-how der Mitarbeitenden mit langjähriger Forschungs- und Industrieerfahrung, Er- fahrung im Patentwesen und Spin-off-Gründungen gepaart mit einer starken institutionellen Unterstützung der ETH-Leitung. Vor einigen Jahren wurde die Transferstelle grundlegend neu konzipiert und bietet eine breite Service- und Produktepalette an. Sie unterstützt ETH-Ange- hörige bei allen Fragen zu Zu- sammenarbeit mit der Indus-rie, Erfindungen, Patentanmel- dungen und Lizenzierungen sowie bei der Gründung einer ETH-Spin-off- Firma. Externen Interessenten wie Firmen und Ämtern vermittelt sie Kontakte zu Forschungsgruppen der ETH Zürich.

Jährlich durchgeführte Venture-Wettbewerbe, die die ETH gemeinsam mit McKinsey und neu mit der Kommission für Technologie und Innovati-on (KTI) durchführt, bieten Jungunternehmern mit den besten Business-plänen die Chance, ihren Traum von einer eigenen Firma wahr werden zu lassen. Weitere wichtige Erfolgsfaktoren der ETH Zürich sind die konse-quente Begleitung des Prozesses vom Forschungsresultat zum Produkt und die Förderung eines kooperativen und kompetitiven Geistes bereits bei den Studierenden.

«Das ‹Industrial Relations Program› steht im engen Zusammenspiel mit der globalen Strategie der ETH. Wichtige Themen wie Themen wie Energie und Medizin- technik geben die Leitlinien vor, entlang welcher das ‹Industrial Relations Program› – gemeinsam mit der ETH Foun- dation – seine Kandidaten prioritär für eine industrielle Partnerschaft angeht.» Niklaus Bühler, ETH Transfer

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Spin-offs: eine Erfolgsgeschichte Die permanente Förderung und Un-terstützung von Spin-offs führte zu einer Erfolgsgeschichte: von 1997 bis 2009 wurden 177 Firmen gegründet, die Überlebensrate nach fünf Jahren beträgt 88 Prozent. Insgesamt wurden über 1000 direkte Arbeitsplätze, weitere 500 bis 600 bei Zulieferern und mehr als 500 Millionen Franken Kapitalgewinne geschaffen.

Mit einem starken Patentschutz sorgt die Schweiz dafür, dass geistiges Eigentum entsprechend geschützt ist, was ebenfalls zur Attraktivität der Schweiz als Wirtschaftsstandort beiträgt. Die ETH Zürich setzt Patente insbesondere dort ein, wo Kooperationen mit der Industrie und die Grün-dung von Unternehmen damit direkt gestützt werden. Ziel der Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Innovation ist die Maximierung des

Abb. 4: Technologie-Transfer an der ETH Zürich

Eine gemessen an der Bevölkerungszahl sehr hohe Anzahl von Patentanmeldungen (gestützt von einem starken Patentschutz) und eine grosse Zahl von Start-ups und Spin-offs spricht für eine hochentwickelte Kultur des Technologietransfers zwischen Hochschulen und Wirtschaft.

Quelle: www.transfer.ethz.ch

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200820072006200520042003200220012000

Patents Licences Start-ups/Spin-offs

ANZAHL

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Abb. 5: Erfolgreich mit Spin-offs

Die branchenmässige Struktur der jährlichen Spin-offs ändert sich schnell. Konstant nen-nenswert sind aber dennoch die Bereiche Biotech und Pharma, Informationstechnologie und Materialtechnik. Die Mikro- und Nanotechnologie hat in den letzten Jahren an Bedeu-tung erkennbar zugelegt.

Nutzens für Wirtschaft und Gesellschaft und nicht die Profitmaximie-rung für die ETH. Sie unterstützt deshalb Massnahmen, welche zu einem zielgerichteten, einfachen und schnellen Wissenstransfer führen.

Zusammenarbeit mit anderen Schweizer Hochschulen Die ETH pflegt eine Vielzahl von Kooperationen in Lehre und Forschung mit anderen Schweizer Hochschulen, insbesondere mit dem lokalen Partner Univer-sität Zürich und der ETH in Lausanne, um bestehende Synergiepotenzi-ale zu nutzen.

Im Bereich des Innovationsmanagements stehen insbesondere mit der Universität St. Gallen, aber auch mit dem IMD in Lausanne und den wirtschaftlichen Fakultäten anderer Schweizer Hochschulen hervorra-gende Partner zur Verfügung. Die Kombination betriebswirtschaftlicher Stärken mit der naturwissenschaftlich-technologischen Stärke der ETH Zürich kann einen wesentlichen Mehrwert generieren. Mit dem Aufbau eines eigenen Departements für Technologie- und Innovationsmanage-ment hat die ETH Zürich Teile des ökonomischen Know-hows internali-siert. Entsprechend bestehen denn zurzeit nur wenige externe Koopera-tionen in diesem Bereich.

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Abb. 5: Erfolgreich mit Spin-offs

Die branchenmässige Struktur der jährlichen Spin-offs ändert sich schnell. Konstant nen-nenswert sind aber dennoch die Bereiche Biotech und Pharma, Informationstechnologie und Materialtechnik. Die Mikro- und Nanotechnologie hat in den letzten Jahren an Bedeu-tung erkennbar zugelegt.

Quelle: www.transfer.ethz.ch

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othersSensors & AnalyticsMicro & NanotechMedtech & DiagnosticsMechanical & Avionics

Material SciencesITElectrical & ElectronicsChemicalsBiotech and Pharmaceutical

2007200620052004200320022001200019991998

NUMBER OF SPIN-OFFS

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Was braucht es aus Sicht der ETH Zürich, um die Spitzen- stellung zu halten?

Geeignete politische Rahmenbedingungen: Die Politik muss für politische, rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen sorgen, welche einerseits die Schweizer Hochschulen bei den kommenden Herausforderungen wie stark steigende Studierendenzahlen und die globale Kom- petition um Talente unterstützten, andererseits Anreize zur Ansiedelung von ausländischen Firmen als wichtige Hoch-schulpartner schaffen.

Exzellenz und Ungleichheit: Mit mehr Mut zur Exzellenzförderung und zur Ungleichbe-handlung und Differenzierung der Hochschulen können die Human-Ressourcen der Schweiz noch gewinnbringender genutzt werden.

Unternehmerisches Denken: An den Hochschulen müssen das unternehmerische Denken auf allen Stufen sowie Industriekooperationen intensiviert und der Technologie-Transfer verstärkt werden.

In Kürze

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Standort Schweiz:Rechtliche Rahmenbedingungen

Die Schweiz muss darum besorgt sein, ihren Schlüsselbranchen attraktive rechtliche Rahmenbedingungen zu bieten. Die Grundlage dafür ist ein flexibles Gesellschaftsrecht, welches pragmatisch in der Anwendung ist und gleichzei-tig allen Beteiligten Rechtsschutz und hohe Rechtssicherheit bietet. Zudem ist der Wettbewerbsvorteil im Arbeitsrecht zu wahren. Bestehendes sowie in der Entstehung befindliches geistiges Eigentum muss effektiv geschützt werden. Im Finanzdienstleistungs- und im pharmazeutisch-biotechnischen Bereich muss sich die Schweiz durch kompetente und effiziente Regulierungsbehörden von Konkurrenzstandorten abheben. Die Einführung innovativer Produkte be-ziehungsweise die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit dürfen nicht durch unnötige Barrieren behindert werden. Schliesslich gilt es auch, den diskrimi-nierungsfreien Zugang zum europäischen Markt aufrechtzuerhalten und aus-zubauen.

Martin Frey / Roxana Leske, Baker & McKenzie, Zürich

Die Bedeutung rechtlicher Institutionen für wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum ist vermehrt in den Fokus geraten. Mittlerweile ist un-bestritten, dass effiziente rechtliche Institutionen mit wirtschaftlicher Prosperität korrelieren. Gezielte Anpassungen des rechtlichen Umfelds für die relevanten Wirtschaftszweige tragen somit zur Sicherung des Wohlstandes bei. Unternehmerische Tätigkeiten, welche Arbeitsplätze für hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte schaffen, sind aufgrund ihres hohen Wert-schöpfungspotenzials und ihrer Bedeutung für das Wachstum des lokalen tertiären Wirtschaftssektors aus Sicht der Schweiz beson-ders attraktiv. Die Schweiz muss deshalb bestrebt sein, Betriebe mit entsprechenden Beschäftigungsstrukturen anzusprechen. Sie muss so-mit ein attraktives rechtliches Umfeld für die Ansiedlung entsprechen-der Betriebe gewährleisten. 145

Gezielte Anpassungen des rechtlichen Umfelds für die relevanten Wirtschaftszweige tragen zur Sicherung des Wohlstandes bei.

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Die Kontingentierung der Aufenthalts- bewilligungen sollte im Hinblick auf Fach- und Führungskräfte ausserhalb des EU- Raumes überdacht und durch eine bedarfs-gerechtere Regelung ersetzt werden.

Der Standort Schweiz ist insbesondere für die chemische und phar-mazeutische Industrie sowie für Dienstleistungsbetriebe attraktiv. Als wesentliche Branchen fallen insoweit die Finanzdienstleister sowie wissensintensive Aktivitäten der pharmazeutisch-biotechnologischen und chemischen Industrie ins Gewicht. Von Bedeutung sind zudem Kon-zernleitungsgesellschaften und Dienstleistungsgesellschaften im Mar-keting-, Verkaufs- oder Technologiebereich. Nachfolgend sind deshalb rechtliche Aspekte und daraus resultierende Massnahmenvorschläge summarisch zusammengefasst, welche in der jüngeren Beratungspra-xis identifiziert wurden und die Attraktivität der Schweiz für Unternehmen dieser Branchen in rechtlicher Hinsicht gezielt verbessern könnten. Dabei gilt es einerseits, den jeweiligen Handlungsbedarf zum Erhalt und zur Verbesserung bestehender Wettbewerbspositionen zu erken-nen, andererseits aber auch die Voraussetzungen für die Erschliessung zukunftsträchtiger Tätigkeitsfelder zu identifizieren.

Allgemeine rechtliche Faktoren In einem ersten Schritt werden die rechtlichen Faktoren beleuchtet, die generell für die Ansiedlung von Unternehmen eine Rolle spielen, namentlich das Gesellschafts- und Arbeitsrecht, das Immaterialgüterrecht, aber auch die regulatorischen Bedingungen, denen ein unternehmerisches Engagement unterworfen ist. Insgesamt bietet die Schweiz ansiedlungswilligen Unternehmen gute Rahmenbedingungen. Dazu gehören:

Eines der liberalsten Arbeitsrechte Europas Das schweizerische Ar-beitsrecht stellt unbestritten eine Stärke des schweizerischen Stand-orts dar. Es garantiert, dass sich Angebot und Nachfrage flexibel über die Marktmechanismen selbst regulieren, gerade auch im Bereich her-vorragend qualifizierter Fachkräfte. Die Mitwirkung der Arbeitnehmer an unternehmerischen Entscheidungen ist gesetzlich nur in sehr engen Grenzen vorgesehen. Auch die Gewerkschaften verfügen in den meisten Branchen nicht über nennenswerte Verhandlungsmacht, so dass dem

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STANDORT SCHWEIZ | GROSSE HERAUSFORDERUNGEN – NEUER FOKUS OSEC

unternehmerischen Handlungsspielraum insoweit keine hemmenden Barrieren entgegenstehen.

Für die weitere positive Arbeitsmarkt-Entwicklung der Schweiz in Bezug auf hochqualifizierte Spezialisten darf die Erteilung von Arbeits- und Aufenthaltsbewilligungen kein Hindernis darstellen. Gerade im techni-schen Bereich ist es teilweise unerlässlich, auf Fachkräfte ausserhalb des EU-Raumes zurückgreifen zu können. Die für die entsprechenden Arbeitsbewilligungen geltenden starren Kontingente vertragen sich schlecht mit dem Bedürfnis des «Innovationsstandortes Schweiz», fle-xibel und schnell auf die nötigen Spezialisten zugreifen zu können. Zu berücksichtigen ist, dass im Wettbewerb um die Gewinnung von hoch-qualifizierten Fachkräften mit Berufserfahrung die bestmögliche Auf-rechterhaltung der bestehenden Familienverhältnisse eine wesentliche Rolle spielt. Deshalb ist auch der Nachzug von Familienangehörigen und Betreuungspersonen möglichst einfach zu gestalten.

≥ Die Kontingentierung der Aufenthaltsbewilligungen sollte im Hin-blick auf Fach- und Führungskräfte (einschliesslich der haushaltszu-gehörigen Betreuungspersonen) ausserhalb des EU-Raumes überdacht und durch eine bedarfsgerechtere Regelung ersetzt werden. Die unein-heitliche, zum Teil restriktive Bewilligungspraxis der kantonalen Migra-tionsämter sollte zudem zum Beispiel in Form von Richtlinien im Sinne einer wachstumsorientierten, kontinuierlichen «Schweizer» Praxis har-monisiert werden.

Schutz geistigen Eigentums Das Schweizer Immaterialgüterrecht ent-spricht grundsätzlich den europäischen und internationalen Standards. Die geplante Zentralisierung des verfahrensrechtlichen Rechtsschutzes durch Einführung eines Schweizer Bundespatentgerichts dürfte die Pro-fessionalität und Rechtssicherheit im Patentrecht weiter erhöhen. Be-züglich der Regelung der nationalen Erschöpfung im Patentrecht konnte mit der Ausnahme im Fall staatlich regulierter Preise ein guter Kompro-miss zwischen den Interessen der Pharmaindustrie und den Anliegen der Konsumenten gefunden werden. Positiv zu erwähnen ist ebenfalls die Möglichkeit zur Patentierbarkeit von Genen und Gensequenzen. Dabei

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wurde – im Einklang mit der EU-Biotechnologie-Richtlinie – der Grund-satz des uneingeschränkten Stoffschutzes beibehalten.

Schwächen lassen die Normen in Bezug auf die praktische Durchsetzung von Ausgleichsansprüchen im gewerblichen Rechtsschutz erkennen: Bei einer Verletzung geistigen Eigentums ist es oft schwierig, den Anspruch im Umfang des vollen Schadens gegenüber dem Verletzer durchzusetzen. Gewisse Schadensposten – wie vorprozessuale Anwaltskosten – können nicht geltend gemacht werden. Für den Verletzer geistigen Eigentums hingegen ist das finanzielle Risiko selbst im Fall eines Unterliegens ver-hältnismässig gering. Derartigen Anreizen für Immaterialgüterrechtsver-letzungen sollte stärker entgegengetreten werden. Denkbar sind etwa:

≥ Ausweitung des ersatzfähigen Schadens auf sämtliche angemesse-nen vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten≥ Beweiserleichterungen bei der Feststellung der Höhe des durch die Rechtsverletzung entstandenen Schadens (Schätzungen des Klägers, z.B. Lizenzanalogien, als widerlegbare Vermutung für den entstandenen Schaden)≥ Einführung eines «Verletzer-Zuschlags» (auch wenn der pönale Cha-rakter einer Schadensersatzleistung den zentraleuropäischen Rechts-systemen grundsätzlich wesensfremd ist).

Flexibles und pragmatisches Gesellschaftsrecht Die Flexibilität und der Pragmatismus des Schweizer Gesellschaftsrechts werden als po-sitiver Standortfaktor stets betont. Die Aufrechterhaltung dieser We-senszüge in der Zukunft sollte daher ein wichtiges Anliegen sein. Auch sind Spielräume bezüglich der Ausgestaltung der Vergütungssysteme von grosser Bedeutung: ein enges regulatorisches Korsett in diesem Be-reich würde die Attraktivität des Standortes Schweiz für hervorragende Führungskräfte zweifellos schwächen. Den Interessen der Gesellschaf-ter (der Investoren) eines Unternehmens ist gleichermassen Rechnung zu tragen, ohne dass die Freiheit der internen Organisation der Unter-nehmen und das systemtragende Prinzip der Privatautonomie zu stark durch formale Anforderungen und detaillierte Organisationspflichten eingeschränkt werden.

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≥ Das schweizerische Gesellschaftsrecht muss weiterhin flexibel blei-ben und die private Gestaltungsautonomie bezüglich der internen Orga-nisation darf – auch in Bezug auf die Vergütung der Verwaltungsräte und Direktoren – nicht über Gebühr reguliert werden.

Schwachstelle: Rechtsunsicherheiten im Konzernrecht Obwohl die Schweiz nicht über ein formalisiertes Konzernrecht verfügt, können für die meisten konzernrechtlichen Probleme befriedigende Lösungen im Schweizer Recht gefunden werden. Einige Fragen sind jedoch mit er-heblicher Rechtsunsicherheit behaftet, so dass Forderungen nach ge-setzlich fixierten Regelungen nicht verstummen. Gerade der Konkurs einer Konzerngesellschaft birgt grosse Haftungsrisiken für dessen Or-gane sowie die Verwaltungsräte der Konzermutter, welche sich auch durch sorgfältige Planung nicht beseitigen lassen. We-sentliche Risikofaktoren bilden vor allem konzernübliche Sach-verhalte wie Darlehensgewäh-rungen (insbesondere Up- und Cross-Stream-Darlehen oder die Teilnahme bei einem Cash-Pooling), Forderungsverzichte oder die Erbringung von Leistungen durch Konzernuntergesellschaften, soweit deren Drittüblichkeit («dealing at arm’s length») nicht nachgewiesen werden kann. Dadurch werden nicht nur Transaktionen innerhalb des Konzerns erschwert, auch die Gewinnung qualifizierter Führungskräfte für die jeweiligen Verwaltungsräte wird schwieriger und teurer.

≥ Gesetzliche Regelungen im Bereich des Konzernrechts wären im Hinblick auf die bestehenden Rechtsunsicherheiten und Haftungsrisi-ken wünschenswert. Die abschliessende Darstellung eines kohärenten Massnahmenpaketes würde den vorliegenden Rahmen überschreiten.

≥ Beispielhaft könnte ein gesetzlich verankertes Konzernrecht eine Sonderregelung im Bereich der Treuepflichten nach Art. 717 OR im Fal-le von verbundenen Unternehmen enthalten, nach der eine Handlung im

Das schweizerische Gesellschaftsrecht muss weiterhin flexibel bleiben und die private Gestaltungsautonomie bezüglich der internen Organisation darf nicht über Gebühr reguliert werden – auch nicht in Bezug auf die Vergütung der Verwal- tungsräte und Direktoren.

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Interesse des Konzernverbundes als pflichtwahrend eingestuft wird. Be-dingung dieser Sonderregelung müsste jedoch sein, dass die Konzernzu-gehörigkeit im Gesellschaftszweck und damit auch im Handelsregister offengelegt wird und der Konzernverbund jederzeit für die Verbindlich-keiten gegenüber den Gläubigern aufkommt.

≥ Im Hinblick auf das Cash-Pooling (beziehungsweise die konzernin-terne Finanzierung im Allgemeinen) sollten klare gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die es Konzerngesellschaften erlauben, an einem Cash-Pool teilzunehmen, ohne die involvierten Organe einem Haftungs-risiko auszusetzen.

Harmonisierung bei wirtschaftsrechtlichen Institutionen als Investiti-onsvorteil Staatliche Handels- und Grundbuchregister verbessern den Schutz des Publikums im Rechtsverkehr, stellen jedoch in der Schweiz zum Teil einen nicht unerheblichen Kostenfaktor bei Rechtsgeschäften dar. Die unterschiedliche, teils formalistische Auslegung des Register-rechts durch die kantonalen Behörden einerseits sowie die nicht selten unverhältnismässig hohen Notariatstarife andererseits führen jedoch zu als unnötig wahrgenommenen Rechtsunsicherheiten und Rechtsver-kehrskosten. Auch in zeitlicher Hinsicht hat sich das Verfahren um die dezentralisierten Register zu einem Negativfaktor entwickelt.

≥ Wir empfehlen eine einheitliche, pragmatische sowie transparente Handhabung des Registerrechts sowie die Begrenzung der Gebühren auf ein als vernünftig empfundenes Mass, welches sich – auch ausserhalb des Geltungsbereiches des Fusionsgesetzes – an den aufgewendeten Arbeitsstunden orientiert.

Die Schweiz im Herzen Europas Herausfordernd gestaltet sich die Entwicklung der Position der Schweiz im Kontext zunehmender Verein-heitlichung der rechtlichen Rahmenbedingungen auf internationaler und europäischer Ebene. Dies gilt insbesondere mit Blick auf den daraus re-sultierenden faktischen und politischen Druck auf die Schweiz, ihr Recht den europäischen Gegebenheiten anzugleichen, um den Zugang zu den betreffenden internationalen/europäischen Märkten nicht zu verlieren.

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Beispielhaft seien in diesem Zusammenhang Regulierungsbemühungen der Europäischen Union im Kapitalmarkt- oder Verbraucherschutzrecht genannt. Eine Umsetzung solcher Vorstösse ohne Berücksichtigung der Interessen der Nicht-EU-Länder bedeutet nicht selten einen faktischen Regulierungszwang auch für Schweizer Unternehmen. Zu einem echten Standort-Nachteil für die Ansiedlung von Konzerngesellschaften in der Schweiz könnte sich gegenüber europäischen Standort-Wettbewerbern zum Beispiel auch der Ausschluss der Schweiz von den EU-Regelungen über grenzüberschreitende Fusionen entwickeln.

≥ Nicht alle wirtschaftsrechtlichen Hindernisse oder Nachteile können durch unilaterale Massnahmen beseitigt oder gemindert werden, son-dern erfordern einen politischen Dialog im internationalen Kontext. Der Früherkennungsradar für internationale und europäische Entwicklungen und ihre möglichen Auswirkungen auf den Standort Schweiz sollte daher verbessert und es sollten Strategien zu einer politischen Einflussnahme auf internationaler, vor allem europäischer Ebene festgelegt werden.

Forschungs- und Entwicklungszentren im Bereich Pharma/Biotech Für die Standortattraktivität von Forschung- und Entwicklungseinheiten können neben den genannten allgemeinen Rahmenbedingungen ergän-zende rechtliche Aspekte im Immaterialgüterrecht sowie im Aufsichts-recht einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor darstellen.

Forderungen von Branchenvertretern für die Sicherung der Standortat-traktivität wurden bereits in laufenden Gesetzgebungsvorhaben be-rücksichtigt (Stichworte: Bundespatentgericht, nationale Erschöpfung usw.). Darüber hinaus sehen die laufenden Revisionsvorhaben bezüglich des Heilmittelgesetzes vor, dass im Ausland bereits freigegebene Me-dikamente in der Schweiz unter vereinfachten Bedingungen zugelassen werden können, während parallel die Rechtssicherheit im Zulassungs-bereich durch Erlass konkretisierender Ausführungsverordnungen im Heilmittelrecht weiter erhöht werden soll.

≥ Über die laufenden Revisionsbemühungen hinaus ist zu fordern, dass die Zulassungsverfahren von Medikamenten noch stärker vereinheitlicht

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und die Kooperation mit anderen (internationalen) Zulassungsbehörden weiter vorangetrieben wird. Schweizerische Sonderlösungen sind so weit wie möglich abzubauen.

Schutzlücken wurden zudem im Bereich des schweizerischen Erstan-meldungsschutzes für Arzneimittel identifiziert, welcher dem Schutz der für die Zulassung eines Medikaments wichtigen klinischen und präkli-nischen Prüfdaten dient und einen einfachen Marktzugang für Nachah-merpräparate verhindern soll. Der Schutzbereich des Erstan-meldungsschutzes ist nach der aktuellen Schweizer Praxis (u.a. nach der Auslegung des gelten-den Rechts durch die Swiss-medic) bei der Fortentwicklung bestehender Präparate mit im Wesentlichen inhaltsgleichen Substan-zen oder Kombinationspräparaten aus bereits zugelassenen Stoffen nicht eröffnet, selbst wenn eine neuartige Substanzkombination zu einer Wirkstoffverbesserung führt. Die europäische Regelung geht in diesem Bereich weiter und sieht einen sogenannten Unterlagenschutz auch für Kombinationspräparate vor. Auch wenn die Defizite in diesem Bereich bereits erkannt wurden, sehen die aktuellen Gesetzesinitiativen keine vollständige Angleichung des Schutzbereiches des Erstanmelderschut-zes an das europäische Recht vor.

≥ Die Reichweite des schweizerischen Erstanmelderschutzes ist – im Wege einer Anpassung der bestehenden gesetzlichen Regelung – an den internationalen bzw. europäischen Standard anzugleichen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte die Frage der Schutzbereichsgrenzen nicht allein der Auslegung durch die Swissmedic überlassen werden.

Wie in anderen Rechtsbereichen auch wird die Attraktivität eines Rechtssystems nicht nur durch die materielle Rechtslage bestimmt. In der Wahrnehmung der Investoren von gleicher oder sogar noch grösse-rer Bedeutung dürfte die Umsetzung der materiellen Regelungen sein. Entsprechend wichtig ist ein reibungsloses, effizientes Zulassungs-

Die Zulassungsverfahren von Medikamen-ten sollten noch stärker vereinheitlicht und die Kooperation mit anderen (interna- tionalen) Zulassungsbehörden weiter vorangetrieben werden.

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verfahren. In dieser Hinsicht besteht bei Swissmedic Handlungsbedarf: Das Schweizer Zulassungsverfahren ist in der Regel langsamer als die Verfahren bei den entsprechenden amerikanischen und europäischen Behörden FDA und EMEA.

≥ Swissmedic sollte sich – ohne nachteiligen Einfluss auf die Qualität der Prüfung – um eine Straffung ihres Zulassungsverfahrens bemühen. Ziel sollte es sein, die durchschnittliche Dauer des Zulassungsverfahrens von acht auf drei Monate zu senken.

Für die Sicherung und den Ausbau von Forschung und Entwicklungszent-ren ist eine liberale Regulierung der Forschungsaktivitäten von essentieller Bedeutung. In Bezug auf die Forschung am Menschen verfügt die Schweiz mit dem Stammzellenforschungsgesetz sowie mit der geplanten neuen Verfassungsbestimmung Art. 118a BV und dem Humanforschungsgesetz bereits über eher liberale, forschungsfreundliche Rahmenbedingungen. Eine Verbesserung der regulatorischen Bedingungen für den Forschungs-standort insbesondere im Ausserhumanbereich ist dennoch denkbar.

Die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen zu kommer-ziellen Zwecken oder deren Einfuhr ist aufgrund des 2005 durch Volk und Stände angenommenen Moratoriums bis 2010 untersagt. Der Bundesrat schlägt eine Verlängerung dieses Moratoriums bis 2013 vor. Im Hinblick auf den Standortwettbewerb ist die Signalwirkung einer solchen Verlän-gerung – ohne nähere Auseinandersetzung mit der sachlichen Rechtfer-tigung dieses Eingriffs in die Forschungsfreiheit – auf potenzielle For-schungsinvestoren kritisch zu hinterfragen.

≥ Die Verlängerung des Moratoriums sollte überdacht werden. Dem Schutzbedürfnis der Stimmbürger und der Rechtssicherheit der Antrag-steller kann durch eine klare gesetzliche Regelung der Bewilligungsan-forderungen in der Freisetzungsverordnung ausgewogen Rechnung ge-tragen werden.

Die Befugnis der verschiedenen Ethikkommissionen (im Anwendungs-bereich des Stammzellenforschungsgesetzes, des Transplantationsge-

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setzes, des Gentechnikgesetzes oder künftig auch des neuen Human-forschungsgesetzes), konkrete Projekte zu bewilligen, droht zu einem weiteren Hemmschuh für die Entwicklung der Biotechnologie in der Schweiz zu werden. Aufgrund ihrer Zusammensetzung wirken die Ethik-kommissionen oft eher als politische Gremien, in welchen die Debatte über im Gesetzgebungsprozess offen gelassene Punkte – wie etwa eine klare Definition der ethischen Schutzgüter oder mögliche Rechtferti-gungen bei Eingriffen – fortgesetzt wird. Entsprechend unberechenbar sind für die Betroffenen – und damit letztlich auch für die Investoren – die Entscheide der Ethikkommissionen.

Finanzdienstleister Die aktuelle Herausforderung für die Schweiz als Finanzdienstleistungsstandort besteht einerseits darin, trotz zuneh-mendem Druck auf das traditionelle Geschäftsmodell Offshore-Banking die Position im Vermögensverwaltungsgeschäft halten zu können. An-dererseits könnte die Schweiz die Chance nutzen, sich als attraktiver Standort für neue Dienstleistungen und Produkte im Bereich der Finanz-dienstleistungen zu positionieren. Dem Bereich alternative Investments sollte deshalb weiterhin verstärkt Beachtung geschenkt werden.

Bisher ist der Anteil der Schweiz am globalen Markt für Private Equity als Domizilstandort (sowohl für die Fonds wie auch das Management) eher marginal, obwohl die Schweiz als Standort rechtlich gut geeignet ist. Die aktuellen Problemfelder des Fonds-Standorts Schweiz liegen hauptsächlich in Unsicherheiten bei der steuerlichen und sozialver-sicherungsrechtlichen Behandlung bestimmter Leistungsströme an die Fondsmanager innerhalb der komplexen Investmentstrukturen. Die Standortattraktivität könnte aber auch in rechtlicher Hinsicht durch ei-nige gesetzgeberische Massnahmen weiter verbessert werden.

Investment-Vehikel im Private-Equity-Bereich werden bevorzugt in der Rechtsform einer Limited Partnership aufgesetzt. Das schweizerische Recht sieht die Kommanditgesellschaft für kollektive Kapitalanlagen (KGK) als regulierte Rechtsform vor. In der Praxis wird das unmittel-bar nur für KGK geltende Mindesterfordernis von fünf Kommanditären in eine Mindestanlegerzahl für alle Schweizer Anlageformen ausgelegt.

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Ausnahmen werden gesetzlich nur für Pensionskassen oder Lebensver-sicherungen zugelassen. Dies behindert Kapitalanlagelösungen für insti-tutionelle Anleger und Family Offices. Eine nach schweizerischem Recht aufgesetzte Fondsstruktur bleibt ihnen weitestgehend verschlossen.

≥ Der Anwendungsbereich für Einanlegerfonds sollte erweitert werden.

Ähnlich wie in den anderen Bereichen bildet die Dauer der Zulassungs-verfahren für neue oder ausländische Produkte (time to market) ein zen-trales Standortkriterium. Ein marktgerechter, effizienter Zulassungs- und Regulierungsprozess ist daher auch im Finanzdienstleistungssektor unabdingbar.

Insbesondere im Bereich der alternativen Anlagen scheinen die perso-nellen Ressourcen bei der zentralen Schweizer Aufsichtsbehörde FINMA aus- und umbaufähig. Gezielte, auch organisatorische Veränderungen in diesem Bereich könnten viel für die zeitliche Straffung des Bewilligungs-verfahrens und grössere Entscheidungsfreudigkeit bei der Bearbeitung von Anträgen bewirken. Es muss darauf geachtet werden, dass seitens der FINMA gemachte mündliche Zusagen mit Bezug auf Bearbeitungs-fristen eingehalten werden. Die Einführung von Englisch als offiziell zu-lässige Dokumentationssprache für die im Bewilligungsverfahren einzu-reichenden Unterlagen ohne das Erfordernis einer Übersetzung würde eine wesentliche Kosten- und Zeitersparnis bedeuten.

≥ Die personellen Ressourcen der FINMA sollten in qualitativer wie quantitativer Hinsicht gezielt aufgestockt und eine bessere Durchläs-sigkeit zum Finanzdienstleistungssektor angestrebt werden.

≥ In Ergänzung zu den bestehenden Regelungen könnte ein Melde-verfahren für kollektive Kapitalanlagen sinnvoll sein, so dass Produkte ohne vorherige Prüfung durch die FINMA der Aufsicht unterstellt werden könnten.

Die Regulierung des international agierenden Finanzdienstleistungssek-tors ist nicht mehr nur eine unilaterale Fragestellung. So wird eine EU-

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Richtlinie, die sich für eine Verschärfung der Aufsicht über alternative Anlageformen ausspricht und bisher im Entwurf vorliegt, im Fall ihrer Umsetzung auch für die Schweiz wichtige Bedeutung erlangen. In Dritt-staaten ansässige Manager alternativer Investmentfonds müssen nach dem Richtlinienentwurf für den Vertrieb ihrer Produkte in der EU gewisse Anforderungen erfüllen und unter anderem die Unterstellung unter ein gleichwertiges regulatorisches Regelwerk nachweisen. Geeignete Mass-nahmen könnten in diesem Zusammenhang sein,

≥ im Rahmen von bilateralen Vereinbarungen den diskriminierungs-freien Zugang schweizerischer Anlageprodukte zum europäischen Raum zu erwirken;≥ die Anerkennung schweizerischer kollektiver Kapitalanlagen in in-teressanten ausländischen Märkten ausserhalb der EU durch den Ab-schluss von entsprechenden Abkommen mit ausländischen Aufsichts-behörden zu fördern;≥ den Anwendungsbereich der freiwilligen Unterstellung unter die schweizerische Kapitalmarktaufsicht zu erweitern.

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Die Flexibilität des Gesellschafts- und Arbeitsrechts muss auch in Zukunft gewahrt werden. Die Schweiz ist in diesem Bereich weitestgehend frei von international- rechtlichen Zwängen und muss deshalb ihre Gestaltungs- hoheit für eine Verbesserung der Standortattraktivität nutzen. Praktikable Lösungen für die Konzernwirklichkeit sollten angestrebt werden.

Da Wachstum in den Schlüsselbranchen nicht ohne bestqua- lifizierte Arbeitskräfte möglich ist, sollten flexible Rege- lungen für die zügige Erteilung von Arbeits- und Aufenthalts- bewilligungen nebst Familienangehörigen und Betreuungs- personen unabhängig vom Herkunftsland gefunden werden.

Die Praxis der Handels- und Grundbuchregisterbehörden muss vereinheitlicht und die Rechtsverkehrsgebühren müssen auf ein angemessenes, am Zeitaufwand orientiertes Mass reduziert werden.

Beste Forschungsbedingungen entstehen nur mit einer liberalen Regulierung. Für das Bewilligungsverfahren müssen rechtlich klare Kriterien vorgegeben werden, um Ent- scheidungen für einen Investor im Rahmen eines Ventures kalkulierbar zu machen.

Die Erweiterung des Anwendungsbereiches für Einanlegerfonds ist zu empfehlen. Das Bewilligungsverfahren bei der FINMA muss zeitlich stark gestrafft werden. Personelle Verstärkungen und mehr Durchlässigkeit mit der Wirtschaft dürften einen wesentlichen Schritt in diese Richtung bedeuten.

Strategien für die Früherkennung internationaler und euro- päischer Entwicklungen sollten verbessert werden, um recht-zeitig politische Lösungen für die Aufrechterhaltung des gleichberechtigten Marktzugangs für Schweizer Unternehmen v.a. auf dem europäischen Binnenmarkt zu finden. Aktuell besteht Handlungsbedarf in Bezug auf den bedrohten Zugang für Kapitalanlageprodukte zum europäischen Markt.

In Kürze

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Credit Suisse Als eine der weltweit führenden Banken bietet die Credit Suisse ihren Kunden Dienstleistungen in den Bereichen Private Banking, Investment Banking und Asset Management an.

Die Boston Consulting Group ist eine global agierende Manage-mentberatung und weltweit führend im Bereich der Strategie-entwicklung.

Accenture ist ein weltweit agierender Managementberatungs-, Technologie- und Outsourcing-Dienstleister mit mehr als 176 000 Mitarbeitern, die für Kunden in über 120 Ländern tätig sind.

PricewaterhouseCoopers ist das weltweit führende Prüfungs- und Beratungsunternehmen. Unser Netzwerk umfasst über 163 000 Mitarbeitende in 151 Ländern.

Ernst & Young ist führender Qualitätspartner in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Rechtsberatung, Risiko- management-Beratung, Transaktionen und Accounting Services.

Deloitte ist mit Mitgliedsunternehmen in 140 Ländern eines der führenden Netzwerke in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Consulting und Corporate Finance.

Die ETH Zürich als führende technisch-naturwissenschaft-liche Hochschule steht für Exzellenz in Lehre und Forschung und gilt als ein Innovationsmotor für die Schweizer Wirtschaft.

KPMG Schweiz ist ein führender Anbieter von Audit, Tax und Advisory Services. Autor Jörg Walker leitet die Steuerabteilung und ist Mitglied der Geschäftsleitung.

Baker & McKenzie Zurich gehört zu einer der weltgrössten Wirt-schaftskanzleien mit Anwälten in 39 Ländern und berät seit vielen Jahren internationale Klienten bei der Ansiedlung in der Schweiz.

HERAUSGEBER

Page 160: Standort Schweiz

Initiant Daniel Küng, CEO, Osec, Zürich

Herausgeber & Autoren Accenture: jan Burger, Alexander Kettenbach;

Baker & McKenzie: Martin Frey; Boston Consulting Group: Matthias

Naumann, Christian Schmid; Credit Suisse: jonathan Horlacher,

Fabian Heller, Oliver Adler, Frédéric junod, Martin Neff; Deloitte:

Robert Reppas; Ernst & Young: Markus Thomas Schweizer; KpMG:

jörg Walker, Thomas Linder, Michael Ruckstuhl; pricewaterhouseCoopers:

Markus Neuhaus, Christina Kunz; ETH: Margrit Leuthold

Themenkonzept & projektleitung Beat Leimbacher, manage2impact, Zumikon

Redaktion Medard Meier, Gisler.Meier.Repele.Z’Graggen, Zürich

übersetzung CLS Communication AG, Zürich Gestaltung Yves Winistoerfer, Blackbox AG, Kilchberg

Korrektorat Marianne Sievert

Druck NZZ Fretz AG, Schlieren Sponsoren Credit Suisse, CLS Communication AG, Zürich

CLS Communication bietet vielfältige Sprachdienstleistungen,

massgeschneiderte prozesse und innovative Technologien.

Dank unserer globalen präsenz können unsere Kunden auf einen

24-Stunden-Service bauen.