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Mit der Einführung des Panamera, der vierten Baureihe der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG, führten die Zuffenhausener ein Start-Stopp-System – weltweit erstmals – in einem Oberklasse-Fahrzeug mit Automatik- getriebe, dem Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK), ein. Bis zu 1,5 l Kraftstoff spart der Sportwagen im Stadtbetrieb auf 100 km im Vergleich mit dem mechanischen Schaltgetriebe. Die Entwickler erklären die Betriebsstrategie, die Regelmechanismen und die Systemintegration sowie die Anpassung zahlreicher Komponenten an die höheren Belastungen. START-STOPP-SYSTEM IM PORSCHE PANAMERA TITELTHEMA ELEKTRIFIZIERUNG 154

start-Stopp-System im Porsche Panamera

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STaRT-STOPPaUTOMaTIk

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Mit der Einführung des Panamera, der vierten Baureihe der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG, führten die

Zuffen hausener ein Start-Stopp-System – weltweit erstmals – in einem oberklasse-Fahrzeug mit Automatik-

getriebe, dem Porsche-Doppelkupplungsgetriebe (PDK), ein. Bis zu 1,5 l Kraftstoff spart der Sportwagen

im Stadtbetrieb auf 100 km im Vergleich mit dem mechanischen Schaltgetriebe. Die Entwickler erklären

die Betriebsstrategie, die regelmechanismen und die Systemintegration sowie die Anpassung zahlreicher

Komponenten an die höheren Belastungen.

STaRT-STOPP-SYSTeM IM PORSCHe PanaMeRa

TITELTHEmA ELEKtrIFIZIErunG

154

Page 2: start-Stopp-System im Porsche Panamera

ENTWICKLUNGSZIELE

Die neue Start-Stopp-Funktion unterstützt das generelle Entwicklungsziel der Ingeni-eure, trotz sportlicher Ausrichtung der Porsche-Fahrzeuge einen optimalen Ver-brauchswert zu realisieren. Mit dem Anspruch an komfortable und vollauto-matische Wirkweise sowie bestmögliche Effizienz gelang dies im Panamera aller-dings nur durch den Einsatz neuer Tech-nologien. Dazu zählen AGM-Batterien (AGM, Absorbend Glass Mat), Motoren mit Benzindirekteinspritzung sowie die ausgeprägte Vernetzung der Steuergeräte. Alle relevanten Komponenten und Sys-teme sind in 1 dargestellt.

Im Gegensatz zu Start-Stopp-Systemen in Kombination mit manuellem Getriebe, bei denen der Fahrer die Stopp-Funktion durch Einlegen des Neutralgangs aktiv einleitet, galt es für Fahrzeuge mit Auto-matikgetriebe eine neue Betriebsstrategie zu erarbeiten. Um den Komfort, die Sport-lichkeit sowie die Bauteilhaltbarkeit nicht zu beeinträchtigen, erfolgten umfang-reiche Maßnahmen zur Absicherung des Stopp-Betriebs und der Wiederstart-Funk-tion. Einer der wichtigsten Vorgaben

dabei ist, dass der Kunde während der Stillstandphase keinerlei Komforteinbußen hinnehmen muss. Besonderes Augenmerk legten die Ingenieure auf die Nachvoll-ziehbarkeit und die intuitive Funktions-weise des Systems. Im Vergleich zu Start-Stopp-Systemen, die bei manuellen Getrie-ben zum Einsatz kommen, lassen sich bei der Betriebsstrategie für Automatikge-triebe deutlich geringer Verbrauchswerte einfahren. Denn der Motor wird bei Still-stand des Fahrzeugs vollautomatisch und damit konsequenter und häufiger abge-stellt. Während der Stopp-Phase gewähr-leistet die AGM-Batterie die elektrische Versorgung des Fahrzeugs, da motorge-triebene Nebenaggregate, unter anderem der Generator, außer Betrieb sind.

BETRIEBSSTRATEGIE

Nach dem ersten Start des Verbrennungs-motors per Zündschlüssel müssen zunächst alle Betriebsbedingungen für den ersten Motorstopp erfüllt sein. Damit das Abstellen und Wiederstarten des Motors optimal funktioniert, ist es not-wendig, dass die Betriebstemperaturen zunächst erreicht werden. Dies dauert

DIpL.-ING. JüRGEN HofmANN leitet die Entwicklung Elektrik/

Elektronik, Hardware-Integration bei der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG

in Stuttgart.

DIpL.-ING. THomAS NEUmANN arbeitet als Sachgebietsleiter

Start-Stopp bei der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG in Stuttgart.

DIpL-ING. (fH) KAI JEWoRUTZKEN arbeitet als Systementwickler Start-Stopp-Systeme bei der

Porsche Engineering GmbH in Bietigheim-Bissingen.

DIpL.-ING. mARTIN SCHüTZ ist Systementwickler elektrisches

Energiemanagement und Start-Stopp-Systeme bei der Porsche

Engineering GmbH in Bietigheim-Bissingen.

AutorEn

1 Komponenten des Start-Stopp-Systems: 1 Starter, 2 temperatursensor Motor, 3 Motorsteuergerät, 4 Schalter Mittelkonsole (niveau, Sport, Start-Stopp, ACC etc), 5 Wählhebel PDK-Getriebe, 6 Änhänger-steuergerät, 7 AGM-Batterie mit Batteriesensor, 8 Gleichspannungswandler, 9 Gateway, 10 Lenkwinkelsensor, 11 Kombiinstrument, 12 neigungssensor, 13 Pedalerie mit Bremsschalter, 14 Bremskraftverstärker, 15 Drehzahlsensor, 16 Klimakompressor, 17 Generator

03I2010 112. Jahrgang 155

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abhängig von den klimatischen Bedin-gungen und Warmfahrverhalten unter-schiedlich lange.

Sind alle technischen Voraussetzungen für den Motorstopp erfüllt, wird der Motor bei erkanntem Fahrzeugstillstand und betä-tigter Bremse automatisch abgestellt. Ein grün leuchtendes Start-Stopp-Symbol im Kombiinstrument zeigt dies dem Fahrer an.

Dieses Abstellen ist nur innerhalb eines Zeitfensters von 0,85 bis 2,6 s nach erkanntem Fahrzeugstillstand möglich. Durch die früheste Stoppeinleitung nach 0,85 s lassen sich Kurzstopps, zum Bei-spiel an Stoppschildern oder beim Ein-fahren in Kreisverkehre, vermeiden. Sollte nach 2,6 s nach Fahrzeugstillstand kein Stopp möglich sein, ist in dieser

Fahrzeugstillstandsphase kein Motor-stopp mehr möglich. In diesem Fall infor-miert ein gelb leuchtendes und durchge-strichenes Start-Stopp-Symbol im Kombiinstrument.

Ist der Motor abgestellt, erfolgt der automatische Wiederstart systembedingt oder auf Wunsch durch das Lösen der Bremse. Der Fahrer kann wie gewohnt durch Gasgeben anfahren. Nach einem erfolgten Wiederstart muss das Fahrzeug für einen erneuten Motorstopp zunächst über eine Mindestzeit oberhalb einer Geschwindigkeitsschwelle von 2 km/h gefahren worden sein. Dies verhindert ein mehrfaches Aus- und Einschalten des Motors während eines Fahrzeughalts. 2 zeigt, dass ein automatischer Zustands-

wechsel zwischen „Motor an“ und „Motor aus“ nur bei Bereitschaft aller aktiven Teilnehmer möglich ist.

Ist die Systembereitschaft nicht mehr gegeben, wechselt die Start-Stopp-Funk-tion in den Zustand „deaktiviert“ und ein automatischer Zustandswechsel zwischen „Motor an“ und „Motor aus“ wird nicht mehr zugelassen. Ein Motorstart aus dem Motorstoppbetrieb ist dann nur über einen manuellen Schlüsselstart möglich.

Weitere, zahlreiche Regelstrategien erleichtern das Manövrieren, verhindern ungünstige Fahrsituationen und stellen Komfortfunktionen sicher. Einige Regel-mechanismen zeigen folgende Beispiele:

Eine Rangiererkennung verhindert das Abschalten des Motors, obwohl sich das Fahrzeug kurzzeitig nicht bewegt. Sobald das Fahrzeug über 8 km/h fährt, wird der Rangiermodus abgeschaltet.Bei hohen Lenkeinschlägen ist davon auszugehen, dass der Fahrer sich in einer Abbiegesituation befindet und hierbei keinen Stopp wünscht.Insbesondere bei vom Fahrer angefor-derten Funktionen ist abzuwägen, ob ein Stopp in diesen Situationen gewünscht wird. Eine Aktivierung der AC-Max- oder Scheiben-Defrost-Funk-tion beispielsweise führt ebenso zu einem Stopp-Verbot, wie eine vom Fahrer angeforderte Niveauverstellung.Im getasteten Sportmodus oder bei deaktiviertem Stabilitätsprogramm wird der Start-Stopp-Betrieb ebenfalls nicht aktiv.Zur Sicherstellung der Anfahrqualität und Performance in allen Situationen wird ein Motorstopp bei hohen Stei-gungen beziehungsweise Gefällen unter-sagt. Bei einem Stopp in zulässigen Fahr-bahnsteigungen wird zusätzlich die

:

:

:

:

:

2 Betriebsstrategie

V = 0 km/h und Bremse getretenStoppanforderung

Systemfehler SystemfehlerSchlüsselstart

Startanforderung

Motoran

Motoran

Motoraus

HOLD aktiv beiSteigung < 10 %

Motoraus

Aktiv:Start/Stopp Betrieb möglich

Deaktiv:Start/Stopp Betrieb nicht möglich

4 Start-Stopp-Systemübersicht

FahrpedalDrehzahlgeberBremsunter-drucksensorBremsschalter

GangangabeGetriebe-temperatur

AGMBatterie

LIN-Batteriesensor

LIN-Generator

LIN-Gleichspannungs-wandler

Verkabelungs-optimierung

Fahrgeschwin-digkeitBremsdruckZustand PSM

Start/StoppBedientasterKlimatisierung

Fahrzeug-niveau-regulierung

Stillstands-managementAutonomeHold Funktion

ElektrischesEnergie-managementSicherstellungLeistungs-reserve undeinesminimalenStartspannungs-niveaus beiWiederstart

CAN Signale vom KoordinatorMotor_StoppMotor_Start

CAN Signale von den SGVeto MotorstoppWiederstartanforderung

DME

Bordnetz

PassiveTeilnehmer Kombi

PDK(Getriebe)

PSM(Bremse)

PASM(Niveau)

BKE(Klima)

Gateway(eEM)

Start/StoppKoordinator

Start/StoppStarter

3 Start-Stopp-taster

TITELTHEmA ELEKtrIFIZIErunG

156

Page 4: start-Stopp-System im Porsche Panamera

autonome Hold-Funktion genutzt, um ein Rückrollen des Fahrzeugs durch Hal-ten des hydraulisch eingestellten Fahrer-bremsdrucks zu unterbinden.Sollte ein Kunde die Start-Stopp-Funk-tion einmal nicht nutzen wollen, so kann er diese auch über den Start-Stopp-Taster deaktivieren, 3.

fUNKTIoNSREALISIERUNG

Die beschriebenen Anforderungen an eine Start-Stopp-Funktion erforderten eine Viel-zahl von Funktionserweiterungen an beste-henden Systemen und den Einsatz neuer Komponenten. Die Integration und Abstim-mung der Einzelfunktionen im vernetzen Fahrzeugverbund zählen dabei zu den anspruchsvollen Aufgaben. Eine Übersicht der beteiligten Systeme, Komponenten und der zugehörigen Funktionen zeigt 4.

Ein automatisch abgeschalteter Motor soll den Fahrzeuginsassen möglichst alle Funktionen des normalen Fahrbetriebs wie bei laufendem Motor vermitteln. Im Gegensatz zu dem „Schlüssel-Erststart“

:

des Motors werden daher bei den auto-matischen Schnellstartvorgängen keine Komfort- oder Funktionseinschrän-kungen akzeptiert. Die Basis-Betriebs-strategie wird im Wesentlichen durch den zentralen Funktionskoordinator im Motorsteuergerät abgebildet. Durch die genannten Entwicklungsvorgaben erhöht

sich die Komplexität des Gesamtsystems erheblich und muss als verteilte Funktion über viele Steuergeräte hinweg partitio-niert werden.

Zahlreiche Steuergeräte im Fahrzeug-verbund beeinflussen als so genannte „aktive Teilnehmer“ die Start-Stopp-Funk-tion direkt. So überwacht beispielsweise

5 Stabilisierte Spannung im Wiederstart

Zeit [ms]S

pann

ung

[V]

Stabilisierte SpannungBatteriespannung

13

12.5

12

11.5

11

10.5

10

9.5

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Page 5: start-Stopp-System im Porsche Panamera

das Klimasteuergerät über Feuchte- und Temperatursensoren den Klimakomfort im Fahrzeug und kann über die CAN-Kom-munikation zum zentralen Koordinator einen Motorstopp temporär unterbinden. Oder während eines aktiven Motorstopp-Betriebs fordert dieses Steuergerät einen automatischen Wiederstart an.

Darüber hinaus gibt es etliche „passive Teilnehmer“ im Start-Stopp-Verbund, die keinen direkten Einfluss auf den Start-Stopp-Betrieb ausüben, jedoch den Zustand

der Funktion kennen müssen, um Sonder-funktionen auszuführen. So müssen diverse automatische Verstellvorgänge, wie die der Sitzverstellung, Fensterheber, Schiebedach und Heckklappe, auch während dem Wie-derstartvorgang weiterlaufen und bei extre-mer Unterspannung ihren Automatiklauf definiert unterbrechen. Alle übrigen Kom-ponenten im elektrischen Fahrzeugver-bund müssen die Zeit des Wiederstart-spannungseinbruchs ohne Funktionsbe-einträchtigung oder Ausfall überdauern.

Durch Optimierung des Spannungsni-veaus einzelner Komponenten durch Soft- und Hardwareänderungen konnte die Bordnetztopologie als klassisches 12-V-Netz mit nur einer Fahrzeugbatterie reali-siert werden. Hierdurch kann auf einen zweiten Energiepuffer samt Verkabelung und Ansteuerung verzichtet werden. Zusatzgewicht und Mehrkosten werden hier vermieden.

Beim Startvorgang bricht die Versor-gungsspannung an den Verbrauchern kurz-zeitig stark ein – in Abhängigkeit der Verka-belung und des Batteriezustands. Um Aus-wirkungen des Startspannungseinbruchs auf das Unterhaltungs- und Kommunikati-onssystem oder die Innenraumbeleuchtung zu verhindern, wird ein Gleichspannungs-wandler verwendet, der während des Wie-derstarts die spannungssensiblen Verbrau-cher mit einer stabilisierten Spannung ver-sorgt. 5 zeigt exemplarisch die Spannung am Ausgang des Gleichspannungswandlers im Startvorgang in Korrelation mit der Batteriespannung.

Das elektrische Energiemanagement stellt sicher, dass eine minimal zulässige Startspannungsschwelle an den Kompo-nenten eingehalten wird, dass ausrei-chende Leistungsreserve sowie der Schutz der in den Stoppphasen und während des Wiederstarts hochbelasteten Batterie gewährleistet ist. Ein Batteriesensor ermit-telt aus den Messgrößen Spannung, Strom und Poltemperatur den aktuellen Batterie-zustand und überträgt die Informationen an das elektrische Energiemanagement. Die modellierte Säuretemperatur, der Lade- und Gesundheitszustand (Innenwi-derstand) der Batterie lassen sich somit überwachen. Ein Motorstopp kann bei-spielsweise bei drohender Überhitzung der Batterie durch ein Stoppverbot des elektrischen Energiemanagements unter-bunden werden.

opTImIERUNG DER KompoNENTEN-LEBENSDAUER

Eine Vielzahl von Komponenten müssen entsprechend der höheren Anzahl von Motorstartvorgängen über die Fahrzeug-lebensdauer und die neuartige Belastung durch den neuen Fahrzeugzustand „Motorstopp“ angepasst werden. Dazu zählen in erster Linie der Elektrostarter. Porsche legt die Komponente mit einer etwa achtfachen Startzahl im Vergleich

7 Brauchbarkeitsdauer in Jahren in Abhängigkeit von der mittleren Batteriesäuretemperatur [1]

Temperatur [˚C]

Bra

uchb

arke

itsd

auer

[Ja

hre]

20 25 30 35 40 45 50

12

10

8

6

4

2

0

Zyklen

Entladetiefe [%K20]

AGM-BatterienNassbatterien

120

115

110

105

100

95

90

85

80

75

70

65

60

55

50

45

40

35

30

25

20

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000 1100 1200 1300

6 Einfluss der Entladetiefe auf die Zyklenlebensdauer [Moll GmbH]

TITELTHEmA ELEKtrIFIZIErunG

158

Page 6: start-Stopp-System im Porsche Panamera

zum konventionellen Starter aus. Die Starterbatterie hat in Verbindung mit Start-Stopp die Aufgabe, das Bordnetz während der Motorstopps zu versorgen. Dadurch wird die Zyklisierung der Batte-rie etwa dreifach erhöht. Um dennoch die gewohnte Lebensdauer des Energie-speichers zu ermöglichen, werden Bleibatterien in AGM-Technologie einge-setzt. Diese Technologie ist gegenüber den bisher verwendeten Nassbatterien deutlich zyklenfester und ermöglicht auch unter Start-Stopp-typischer Belas-tung die gewohnte Batterielebensdauer, 6. Neben der Zyklisierung ist auch die Temperatur von entscheidender Bedeu-tung für die Lebensdauer der Batterie, 7. Um diese vor extremen Temperaturen zu schützen, platzierten die Ingenieure den Energiespeicher im Innenraumbereich unterhalb des Kofferraumbodens.

ABSTELL- UND WIEDER-STARTVERHALTEN

Für die Kundenakzeptanz der Start-Stopp-Funktion in Oberklasse-Fahrzeu-gen wie dem Porsche Panamera gilt es einen möglichst unauffälligen und damit schnellen und ruckfreien Abstell- und Wiederstartvorgang zu designen. Hierfür wird für den Schnellstart des Verbrennungsmotors (starterunterstütz-ter Direktstart) die Kenntnis der genauen Kurbelwellenposition vorausgesetzt. Zur Ermittlung des nächst zündfähigen Zylinders wurden bisherige Drehzahl-

sensoren um eine Drehrichtungserken-nung ergänzt.

Desweiteren wurde der Anfahrvor-gang durch Parallelisierung der Initiali-sierungsvorgänge des Motorhochlaufs im Motor- und Getriebesteuergerät opti-miert, 8. So wird die Befüllung der Kupplungen des PDK-Getriebes mög-lichst früh eingeleitet, um den Einkupp-lungsvorgang zu beschleunigen. Ebenso wurde die CAN-Kommunikation zwi-schen dem Motor- und Getriebesteuer-gerät bei der Übertragung des wirk-samen Motormoments für die Initialisie-rung der Anfahrregelung im Getriebe zur Steigerung des Anfahrkomforts sowie der Anfahrgeschwindigkeit für Start-Stopp neu ausgelegt.

STILLSTAND-mANAGEmENT

Das Fahrzeug muss während des Motor-stopps und insbesondere bei Einleitung des Wiederstartvorgangs durch Lösen des Bremspedals vom Bremssystem bis zur Herstellung genügender Vortriebs-

leistung gehalten werden können. Diese Fahrzeugsicherung während des Motor-stopps und insbesondere die Wegrollver-hinderung während des Wiederstartvor-gangs wird dabei durch die autonome Hold-Funktion des PSM-Bremssystems übernommen.

Ein Bremsunterdrucksensor am Bremskraftverstärker bietet dabei eine Überwachung des abnehmenden Unter-drucks im Motorstillstand. Zur Auf-rechterhaltung der Bremswirkung wird weit vor Verhärten des Bremspedals ein Wiederstart des Motors eingeleitet.

VERfüGBARKEIT

Zur Verbrauchsreduzierung ist die maximale Stopp-Verfügbarkeit hoch pri-orisiert. Der mit der Start-Stopp-Funk-tion erzielte Verbrauchsvorteil basiert darauf, dass die für den Ausgleich des elektrischen Leistungsbedarfs des Start-vorgangs und für den Motorstart benö-tigte Treibstoffmenge ab einer Stopp-dauer von zirka 4 s geringer ist, als der

Zeitanteil in [%]

Motor

Fahrer Wechsel Bremse/Fahrpedal

Optimierter Direktstart (anlassunterstützt)bis Leerlaufdrehzahl Motorhochlauf

Befüllung der Kupplung Vorspann Antriebsstrangbis Losrollen

* Einspuren Anlasser

0 5 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

*

Getriebe

Parallelisierung des Anfahrvorgangs aus dem Motorstopp-Betrieb

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Page 7: start-Stopp-System im Porsche Panamera

ansonsten ohne Start-Stopp-Funktion benötigte kumulierte Leerlaufverbrauch des Motors, 9.

Zusammen mit dem PDK-Getriebe wird eine Verbrauchseinsparung im NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) von 0,6 l/100 km beziehungsweise 14 g/km CO2 erreicht. Im innerstädtischen Betrieb las-sen sich Einsparungen von bis zu 1,5 l/100 km beziehungsweise 35g/km CO2 einfahren.

Zur Sicherstellung der Sicherheits-, Per-formance- und Komfortkriterien können circa 130 Vetos der aktiven Teilnehmer die Verfügbarkeit des automatischen Motor-stopps bei Fahrzeugstillstand einschränken. Die Vetos können eingeteilt werden, in

für den Fahrer nachvollziehbare Vetos, die über Fahreraktivitäten im Fahrzeug ausgelöst werden – zum Beispiel Sport-Modus aktiviert, Rangierbetrieb erkannt

:

oder maximale Innenraumkühlung angefordert Systemvetos, deren Ursache für den Fahrer unter Umständen nicht eindeu-tig ersichtlich sind – beispielweise Motordiagnosen im Leerlauf aktiv oder die Batterietemperatur ist zu hoch.

Darüber hinaus können auch noch Kom-ponentenfehler auftreten, die zu einer Start-Stopp-Deaktivierung führen. Dazu zählen Fehler an den Bauteilen Gleich-spannungswandler, Bremsunterdrucksen-sor und interne Fehler der aktiven Teilnehmer.

Die große Herausforderung während der Entwicklung ist eine maximale Stopp-Verfügbarkeit unter Vermeidung von Kom-forteinbußen und die Nachvollziehbarkeit des Funktionsverhaltens für den Kunden durch die Applikation der Funktion darzustellen.

:

Dies soll an zwei Bespielen erklärt werden. Während des Motorstopps fehlt die mechanische Leistung des Motors für den Antrieb des Klimakompressors und des Generators. Das Bordnetz wird aus der Starterbatterie versorgt. Die Klimaan-lage schöpft die Kühlleistung aus der Speicherkapazität des Kühlkreislaufs und die Heizleistung aus der Wärmekapazität des Wärmetauschers. Da beides endlich ist, muss ein Wiederstart des Verbren-nungsmotors erfolgen, bevor eine Verän-derung des Klimakomforts für den Fahrer spürbar wird. ❿ zeigt qualitativ darge-stellt die Abhängigkeit der maximalen Stoppdauer relativ zu der Außentempera-tur und der Sonneneinstrahlung. Anhand des Diagramms wird deutlich, dass auf-grund der in der Entwicklungsphase im Straßenverkehr ermittelten mittleren Stoppdauer von rund 15 s klimaanlagen-bedingte Wiederstarts nur selten bezie-hungsweise bei extremen Außentempera-turen auftreten.

Dadurch, dass die Wiederstartanforde-rung von inneren Fahrzeugzuständen abhängt, die für den Fahrer nicht direkt ersichtlich sind (zum Beispiel Temperatur-differenz des Wärmetauschers), sind Wie-derstarts oder Stopp-Vetos nicht jederzeit direkt nachvollziehbar. Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, wäre, temperatur-abhängige Stopp-Vetos oder Wiederstart-anforderungen nicht von der Bauteiltem-peratur, sondern von der für den Fahrer direkt ersichtlichen (durch Anzeige im Kombiinstrument) Außentemperatur abhängig zu machen. Durch eine direkte Abhängigkeit der Stoppverfügbarkeit von der Außentemperatur werden eventuelle Vetos zwar direkt nachvollziehbar, aber dafür weniger reproduzierbar (schnell veränderliche Lufttemperatur und Son-neneinstrahlung) und die Systemverfüg-barkeit wird zusätzlich eingeschränkt.

Ein weiteres Beispiel eines temperatur-abhängigen Vetos ist die Batteriesäuretem-peratur, die für Start-Stopp mindestens minus ein Grad Celsius betragen muss. Durch die hohe Wärmekapazität der Starterbatterie und die Unterbringung im Fahrzeuginnenraum bleibt Start-Stopp auch bei Außentemperaturen unterhalb minus ein Grad Celsius verfügbar. Bei der hohen erwarteten Anzahl von Kunden, die das Fahrzeug nachts in einer Garage oder Tiefgarage abstellen, wird Start-Stopp auch im Winter die meiste Zeit verfügbar sein.

❿ Qualitative Darstellung der maximal möglichen Motorstopp-Dauer vor Eintritt einer Wiederstartanforderung der Klimaanlage in Abhängigkeit von der umgebungstemperatur

Umgebungstemperatur [˚C]

Sonneneinfluss möglich

Wiederstart Wiederstart

max

imal

e S

topp

daue

r [s

]

kein Einfluss

mittlere Stoppdauer

-20 -10 0 10 20 30 40

9 Verbrauchseinsparung pro Motorstopp bezogen auf den nEFZ in Abhängigkeit von der Zeit des Fahrzeugstillstands

Standzeit [s]

0,85 Sekunden Stopp-VerzögerungEinspritzmenge undAnlassenergie beim Stoppsofort berücksichtigt

0,056 l/100 km bereitsbei einem Stopp

Break-even nach

ca. 4 Sekunden

l/10

0 k

m

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

0,07

0,06

0,05

0,04

0,03

0,02

0,01

0

-0,01

-0,02

-0,03

TITELTHEmA ELEKtrIFIZIErunG

160

Page 8: start-Stopp-System im Porsche Panamera

fAZIT UND AUSBLICK

Mit dem Panamera führt Porsche die Start-Stopp-Funktion in Verbindung mit dem Porsche-Doppelkupplungsgetriebe ein und zeigt, dass die Start-Stopp-Funktion in sportlichen Oberklasse-Fahrzeugen erfolg-reich umgesetzt werden kann. Die hohe Ausrüstungsrate von 90 bis 95 % war einer der Gründe dafür, Start-Stopp für das PDK-Getriebe zu entwickeln.

Porsche wird zukünftig die Mehrzahl aller Fahrzeuge mit einer Start-Stopp-Funktion ausrüsten. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Start-Stopp- Funktion werden die Systemkosten redu-ziert, die Betriebsstrategie optimiert und

Funktionsverfügbarkeit auch in Verbin-dung mit anderen Systemen – zum Bei-spiel bei ACC-Betrieb (radargestützter Tempomat) – erweitert.

Künftig lassen sich Kosten reduzieren, indem die Ingenieure modellbasierte Software-moduls einsetzen, die das Bremsunterdruck-niveau ermitteln und damit Bremsunterdruck-sensoren überflüssig machen.

Inwieweit es notwendig sein wird, dem Fahrer mehr Informationen zur Verfügung zu stellen, zum Beispiel zusätzliche Kombimel-dungen zur Nachvollziehbarkeit bei automa-tischen Wiederstart-Situationen sowie Hand-lungsempfehlungen bei systembedingten Stopp-Vetos, muss auf Basis von Rückmel-dungen aus dem Markt entschieden werden.

LITERATURHINWEIS[1] Handbuch für stationäre verschlossene Gel-Batterien. teil 2: Montage, Inbetriebnahme und Betrieb. Exide technologies. nov. 2008

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Den Co-Autoren danken wir sehr für ihre Mit-

arbeit an diesem Artikel: Dr. Frank-Steffen

Walliser, Leiter Hardwareintegration; Dr.-Ing.

Steffen Kehl, verantwortlich für elektrische Ver-

brauchsmaßnahmen; Dipl.-Ing. Martin roth,

Leiter Konzepte & Funktion Energiemanage-

ment, Gesamtfahrzeugprojektleiter Start-Stopp

bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG in Stuttgart.

Danke

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