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Optimierung der Füllstandsregelung der ND-Trommel einer GuD-Anlage Ahmed El-Guindy, Simon Rünzi und Kai Michels Institut für Automatisierungstechnik, Universität Bremen Fabian Nickel und Julian Niedermeier SWM Services GmbH E INFÜHRUNG In der Industrie sind PI- oder PID-Regler der Standard für die Regelung des Füll- stands in Kesseltrommeln. Obwohl diese Regelung im Normalfall ausreichend ist, um den Füllstand innerhalb sicherheitsrelevanter Grenzwerte zu halten, bleibt der Prozess kri- tisch, denn es handelt sich um ein multi- variables Nichtminimalphasensystem mit in- verser Anfangsreaktion und verkoppelten Eingangsgrössen, das je nach Betriebssitua- tion auch noch variieren kann. Die nicht optimale Wahl der PID-Regelparameter führt bei dynamischer Blockführung, wie sie bei regelleistungsfähigen Anlagen notwendig ist, leicht zu einem mangelhaften Regelverhal- ten, das letztendlich zum Abschalten des Blocks führen kann. Wir stellen eine moder- ne, beobachterbasierte Mehrgrössenregelung vor, die in einem 450 MW GuD-Kraftwerk der Stadtwerke München zum Einsatz kommt. Diese Regelung wurde so in die bestehenden Strukturen integriert, dass sie vom Betriebs- personal gut beherrschbar ist. Z IEL 1. Identifizierung der wesentlichen Mängel in der vorhandenen Regelstruktur 2. Entwurf eines realisierbaren, modernen Regelkonzepts, ausgelegt auf das Worst- Case-Szenario der Doppelhöckerkurve 3. Umsetzung der Regelung im Mauell Kraftwerksleitsystem mit minimalem Eingriff in die vorhandene Regelstruktur 4. Implementierung einer Umschaltlogik, die den Wechsel zwischen der alten und neuen Regelstruktur während des Be- triebs durch den Bediener ermöglicht V ORGEHENSWEISE Die bisherige Sollwertregelung mit Ist- wertrückführung wird durch eine Regelung mit Zustandsrückführung unter Verwendung eines Riccati-Reglers mit Beobachter ersetzt. Dadurch wird ein ausgewogenes Verhält- nis aus Effizienz und Regelungsaufwand er- reicht. Die daraus resultierende optimierte Verstärkungsmatrix stabilisiert den Regelkreis und minimiert zugleich die Gütefunktion J . Das erzeugte Stellsignal für die Öffnung der Durchflussregelventile dient der Sollwert- nachführung und dem Störgrössenausgleich und reagiert auf Lastwechsel der Gasturbine. J = Z 0 (x T (t)Qx(t)+ u T (t)Ru(t))dt L ND-Trommel beobachter -F Stellventil ND-Trommel Prozess -I w y u x z - - - z Zustandsreglung Abb. 1: Blockdiagramm der neuen Regelstruktur Z UGRUNDELIEGENDES M ODELL Betrachtet wird das Åström-Bell-Modell [1]. Der Hauptteil des Systems kann durch ein nichtlineares Modell vierter Ordnung abgedeckt werden, indem man Massen- und Energieerhalt definiert. Das Modell wurde im Vorfeld in einer MATLAB/Simulink-Umgebung implementiert und intensiv untersucht, bevor es im Mauell-Leitsystem umgesetzt wurde. Durch die Verwen- dung der vorhandenen Echtzeit-Messdaten zur Korrektur fungiert das Modell als Luenberger- Beobachter in einem dynamischen System. Absolute pressure Steam Turbine valve Bypass valve Buttefly valve Over- the-roof valve Feed- water valve State variables Actuating variables State Controller Observer Abb. 2: Screenshot aus dem Mauell-Bedienbild mit dem neuen Regler E RGEBNISSE Die erarbeiteten Ergebnisse der neuentwickelten Regelung zeigen, dass die verwendete mul- tivariable Regelungstechnologie den bisherigen PID-Regler in vielen Aspekten übertrifft. Das Regelungsverhalten wird signifikant verbessert, während die Regelabweichung bei Lastwechseln viel geringer ausfällt, sogar im Worst-Case-Szenario. 0 10 20 30 40 50 60 4.2 4.4 4.6 4.8 Druck ND-Trommel Zbard 0 10 20 30 40 50 60 250 150 75 75 0 150 200 200 250 Niveau ND-Trommel Zmmd 0 10 20 30 40 50 60 70 60 70 80 90 100 110 120 Gasturbine Wirkleistung ZMWd Alte PID-regler Zust andsreglung Semi -Zust andsregl ung Abb. 3: Regelverhalten bei Abfahren der Doppelhöckerkurve L ITERATURVERZEICHNIS [1] K.J. Åström, D. Bell: Drum-Boiler Dynamics, Auto- matica, 36: 363-378, 2000. [2] D. G. Luenberger: Observers for multivariable sys- tems, IEEE Trans. on Automatic Control, 11: 190-197, 1966. P ROJEKTPARTNER Diese Arbeit ist ein Gemeinschaftsprojekt des Instituts für Automatisierungstechnik (IAT) der Universität Bremen und der Stadtwerke München (SWM).

Stellventil - TUM · Stellventil ND-Trommel Prozess-I w y u x z---z Zustandsreglung Abb. 1: Blockdiagramm der neuen Regelstruktur ZUGRUNDELIEGENDES MODELL Betrachtet wird das Åström-Bell-Modell

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Page 1: Stellventil - TUM · Stellventil ND-Trommel Prozess-I w y u x z---z Zustandsreglung Abb. 1: Blockdiagramm der neuen Regelstruktur ZUGRUNDELIEGENDES MODELL Betrachtet wird das Åström-Bell-Modell

Optimierung der Füllstandsregelung derND-Trommel einer GuD-Anlage

Ahmed El-Guindy, Simon Rünzi und Kai MichelsInstitut für Automatisierungstechnik, Universität Bremen

Fabian Nickel und Julian NiedermeierSWM Services GmbH

EINFÜHRUNGIn der Industrie sind PI- oder PID-Regler

der Standard für die Regelung des Füll-stands in Kesseltrommeln. Obwohl dieseRegelung im Normalfall ausreichend ist, umden Füllstand innerhalb sicherheitsrelevanterGrenzwerte zu halten, bleibt der Prozess kri-tisch, denn es handelt sich um ein multi-variables Nichtminimalphasensystem mit in-verser Anfangsreaktion und verkoppeltenEingangsgrössen, das je nach Betriebssitua-tion auch noch variieren kann. Die nichtoptimale Wahl der PID-Regelparameter führtbei dynamischer Blockführung, wie sie beiregelleistungsfähigen Anlagen notwendig ist,leicht zu einem mangelhaften Regelverhal-ten, das letztendlich zum Abschalten desBlocks führen kann. Wir stellen eine moder-ne, beobachterbasierte Mehrgrössenregelungvor, die in einem 450 MW GuD-Kraftwerkder Stadtwerke München zum Einsatz kommt.Diese Regelung wurde so in die bestehendenStrukturen integriert, dass sie vom Betriebs-personal gut beherrschbar ist.

ZIEL1. Identifizierung der wesentlichen Mängel

in der vorhandenen Regelstruktur2. Entwurf eines realisierbaren, modernen

Regelkonzepts, ausgelegt auf das Worst-Case-Szenario der Doppelhöckerkurve

3. Umsetzung der Regelung im MauellKraftwerksleitsystem mit minimalemEingriff in die vorhandene Regelstruktur

4. Implementierung einer Umschaltlogik,die den Wechsel zwischen der alten undneuen Regelstruktur während des Be-triebs durch den Bediener ermöglicht

VORGEHENSWEISEDie bisherige Sollwertregelung mit Ist-

wertrückführung wird durch eine Regelungmit Zustandsrückführung unter Verwendungeines Riccati-Reglers mit Beobachter ersetzt.Dadurch wird ein ausgewogenes Verhält-nis aus Effizienz und Regelungsaufwand er-reicht. Die daraus resultierende optimierteVerstärkungsmatrix stabilisiert den Regelkreisund minimiert zugleich die GütefunktionJ . Das erzeugte Stellsignal für die Öffnungder Durchflussregelventile dient der Sollwert-nachführung und dem Störgrössenausgleichund reagiert auf Lastwechsel der Gasturbine.

J =

∫ ∞

0

(xT (t)Qx(t) + uT (t)Ru(t))dt

L

ND-Trommelbeobachter

-F

StellventilND-Trommel

Prozess-I

wy

u

x

z

-

-

-z

Zustandsreglung

Abb. 1: Blockdiagramm der neuen Regelstruktur

ZUGRUNDELIEGENDES MODELL

Betrachtet wird das Åström-Bell-Modell [1]. Der Hauptteil des Systems kann durch einnichtlineares Modell vierter Ordnung abgedeckt werden, indem man Massen- und Energieerhaltdefiniert. Das Modell wurde im Vorfeld in einer MATLAB/Simulink-Umgebung implementiertund intensiv untersucht, bevor es im Mauell-Leitsystem umgesetzt wurde. Durch die Verwen-dung der vorhandenen Echtzeit-Messdaten zur Korrektur fungiert das Modell als Luenberger-Beobachter in einem dynamischen System.

Absolute pressure

Steam Turbinevalve

Bypass valve

Buttefly valve

Over-the-roof

valve

Feed-watervalve

Statevariables

Actuatingvariables

State Controller

Observer

Abb. 2: Screenshot aus dem Mauell-Bedienbild mit dem neuen Regler

ERGEBNISSEDie erarbeiteten Ergebnisse der neuentwickelten Regelung zeigen, dass die verwendete mul-

tivariable Regelungstechnologie den bisherigen PID-Regler in vielen Aspekten übertrifft. DasRegelungsverhalten wird signifikant verbessert, während die Regelabweichung bei Lastwechselnviel geringer ausfällt, sogar im Worst-Case-Szenario.

0 10 20 30 40 50 60

4.2

4.4

4.6

4.8

Druck ND-Trommel Zbard

0 10 20 30 40 50 60−250

−150

75

−75

0

150200

−200

250Niveau ND-Trommel Zmmd

0 10 20 30 40 50 60 7060

70

80

90

100

110

120Gasturbine Wirkleistung ZMWd

Alte PID-regler Zustandsreglung Semi-Zustandsreglung

Abb. 3: Regelverhalten bei Abfahren der Doppelhöckerkurve

LITERATURVERZEICHNIS

[1] K.J. Åström, D. Bell: Drum-Boiler Dynamics, Auto-matica, 36: 363-378, 2000.

[2] D. G. Luenberger: Observers for multivariable sys-tems, IEEE Trans. on Automatic Control, 11: 190-197,1966.

PROJEKTPARTNERDiese Arbeit ist ein Gemeinschaftsprojekt desInstituts für Automatisierungstechnik (IAT)der Universität Bremen und der StadtwerkeMünchen (SWM).