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(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut ftir Genealogie und Demographie der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatric in NIiinchen.) Sterblichkeit uud Tuberkulosesterblichkeit in den Familien Geisteskranker und in der Durchschnittsbeviilkerung. Von Bruno Schulz, Assistent des Instituts. Mit 1 Textabbildung. (Eiugegaugen am 2. August 1933.) In meiner Arbeit zur Erbpathologie der Schizophrenie 1 habe ich unter anderem auch fiber die H/~ufigkeit des Todes an Tuberkulose unter den Geschwistern und Eltern der einzelnen yon mir gebildeten Probanden- gruppen beriehtet. Bei der Berechnung dieser H~ufigkeit habe ich in der an dem Institut seit li~ngerer Zeit fiblichen Weise alle wiihrend eines bestimmten Lebensalters an Tuberkulose verstorbenen Probanden- geschwister auf alle fiberhaupt in den betreffenden Lebensaltern ver- storbenen Probandengeschwister bezogen; die gewaltsamen Todes ge- storbenen, zum Teil auch die geisteskranken Probandengeschwister, wurden dabei ausgeschal~et. Nun hat mir auf die Arbeit hin Weinberg brieflich Bedenken gegen- fiber dieser Methode ge~ul~ert, denen ich mich nieht verschlieBen kann, um so weniger, als z. B. bei der Ausz~hlung der H~ufigkeit der Suicide mich selbst ~hnliche Bedenken bereits veranlal3t batten, seit einigen Jahren auBer der Berechnung der Suicidh/~ufigkeit durch Beziehung der Suicidfi~lle auf die Verstorbenen aueh eine Bereehnung vorzunehmen, bei der die Zahl der Selbstmorde auf alle fiberhaupt in Beobachtung getretenen Personen mit Ausnahme der Kleinverstorbenen bezogen wurde 2. Wenn in der Arbeit zur Erbpathologie der Schizophrenie und auch in den anderen bisher aus dem Institut ersehienenen Arbeiten die Todesfs an Tuberkulose nach wie vor nur auf die Verstorbenen 1 Z. Neur. 143, 175 (1932). 2 Siehe Z. Neur. 120, 52, FuBnote (1929); ebendort (S. 62, Fullnote) spraeh ich auch bereits yon der MSglichkeit, die Todesursaehen wie Tuberkulose usw. auf Lebende und Tote zu beziehen.

Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit in den Familien Geisteskranker und in der Durchschnittsbevölkerung

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Page 1: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit in den Familien Geisteskranker und in der Durchschnittsbevölkerung

(Aus dem Kaiser Wilhelm-Institut ftir Genealogie und Demographie der Deutschen Forschungsanstalt fiir Psychiatric in NIiinchen.)

Sterblichkeit uud Tuberkulosesterblichkeit in den Familien Geisteskranker und in der

Durchschnittsbeviilkerung.

Von

Bruno Schulz, Assistent des Ins t i tu ts .

Mit 1 Textabbildung.

(Eiugegaugen am 2. August 1933.)

In meiner Arbeit zur Erbpathologie der Schizophrenie 1 habe ich unter anderem auch fiber die H/~ufigkeit des Todes an Tuberkulose unter den Geschwistern und Eltern der einzelnen yon mir gebildeten Probanden- gruppen beriehtet. Bei der Berechnung dieser H~ufigkeit habe ich in der an dem Inst i tut seit li~ngerer Zeit fiblichen Weise alle wiihrend eines bestimmten Lebensalters an Tuberkulose verstorbenen Probanden- geschwister auf alle fiberhaupt in den betreffenden Lebensaltern ver- storbenen Probandengeschwister bezogen; die gewaltsamen Todes ge- storbenen, zum Teil auch die geisteskranken Probandengeschwister, wurden dabei ausgeschal~et.

Nun hat mir auf die Arbeit hin Weinberg brieflich Bedenken gegen- fiber dieser Methode ge~ul~ert, denen ich mich nieht verschlieBen kann, um so weniger, als z. B. bei der Ausz~hlung der H~ufigkeit der Suicide mich selbst ~hnliche Bedenken bereits veranlal3t batten, seit einigen Jahren auBer der Berechnung der Suicidh/~ufigkeit durch Beziehung der Suicidfi~lle auf die Verstorbenen aueh eine Bereehnung vorzunehmen, bei der die Zahl der Selbstmorde auf alle fiberhaupt in Beobachtung getretenen Personen mit Ausnahme der Kleinverstorbenen bezogen wurde 2. Wenn in der Arbeit zur Erbpathologie der Schizophrenie und auch in den anderen bisher aus dem Inst i tut ersehienenen Arbeiten die Todesfs an Tuberkulose nach wie vor nur auf die Verstorbenen

1 Z. Neur. 143, 175 (1932). 2 Siehe Z. Neur. 120, 52, FuBnote (1929); ebendort (S. 62, Fullnote) spraeh

ich auch bereits yon der MSglichkeit, die Todesursaehen wie Tuberkulose usw. auf Lebende und Tote zu beziehen.

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bezogen wurden, so geschah dies, weil uns hier die Berechnung auf die Verstorbenen doeh ein hinreichend genaues Bild yon den Beziehungen tier Tuberkulose zu den jeweils untersuchten Personengruppen zu geben schien; wenigstens wenn - - wie wit es taten - - die yon Luxenburger angegebene Korrektur (Abzug der Geisteskranken und gewaltsamen Todes Gestorbenen) vorgenommen wurde und auSerdem nur ent- sprechende Altersgruppen miteinander verglichen wurden. (In ge- wissem Sinne ist es ja vor allem die Nichtberticksichtigung des Alters- aufbaues, da yon diesem zum groSen Tell die Zahl der Verstorbenen ab- h/~ngt, wodureh sich, wenn man nut auf die Verstorbenen bezieht, bei verschieden altem Material nieht recht vergleiehbare Werte ergeben. - - Bei der Bereehnung der Suieidhi~ufigkeit z.B. pflegten wit den Alters- aufbau eben nieht zu beriicksichtigen.) Jedenfalls glaubte ich reich flit die Berechnung der Tuberkulosesterblichkeit mit der bisher gefibten Methode auch in meiner letzten Arbeit begnfigen zu kSnnen, und ieh ta t dies um so lieber, als es mir sehr unangenehm gewesen ware, wenn ieh die ohnehin sehon sehr umfangreiehe Arbeit dureh Darlegung einer neuen Berechnungsmethode noch mehr hi~tte ansehwellen lassen miissen.

Die yon Weinberg erhobenen Bedenken abet lassen es mir nun doch angezeigt erseheinen, auch mit der yon ihm empfohlenen und ange- wandten Methode das Material des Inst i tuts in bezug auf Tuberkulose- sterbliehkeit zu uatersuchen. Es kommt hinzu, dub in letzter Zeit mehr und mehr aueh BevSlkerungen aus anderen Gegenden in gleieher Weise untersucht wurden, wie dies "con seiten des Inst i tuts an bayerisehem Material geschehen ist. So hat Kallmann (Herzberge) in den letzten Jahren ein groBes Material in Berlin gesammelt, das aus Kindern und anderen Verwandten dortiger Sehizophrener besteht. Und unabh~ngig yon Weinberg kamen Kallmann, als er nun an die Verarbeitung seines Materials gehen wollte, Bedenken, ob er bei Beziehung der Tuberkulose- todesfi~lle nut auf die Verstorbenen die so sich ergebende Tuberkulose- sterblichkeit seines Materials mit der unseres Materials vergleichen kSnne, da man ja nicht wisse, ob nieht in seinem grol~st/~dtisehen Ma- terial eine ganz andere allgemeine Sterblichkeit als in dem bisher yon unserem Inst i tut gesammelten herrsche.

Xhnliche Gedankeng~nge finden sich in der Literatur mehrfaeh or- w~hnt, so in Westergaards Bueh: ,,Die Lehre yon der Mortalit/~t und Morbilit~t" ~. Und eben um etwaige 5rtliche oder auch zeitliche Ver- sehiedenheiten der allgemeinen Sterblichkeit auszugleichen, hatte Luxen- burger die obenerw~hnte Korrektur eingefiihrt, won ch z.B. die gewalt- samen Todes Gestorbenen ausgesehaltet werden. In entsprechender Weise sind nun aber nach Luxenburger auch an Seuehen usw. Ge- storbene aus der Berechnung auszuschalten 2, wenn die Seuchen nur

1 Jena 1901 (dort vor allem auf S. 12 und 215). 2 Z. Neur. ll2, 417 (1928).

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in den Familien Geisteskranker und in der Durchschnittsbev61kerung. 353

die eine oder an@re der zu vergleiehenden Materia.lgruppen betroffen haben. Hier beginnt die Sehwierigkeit. Soll man z.B. aueh Todesf~lle an Grippe yon der Berechnung ausschalten, weil die Grippe in be- stimmten Jahren und an bestimmten Orten mehr Opfer fordert als an anderen, bzw. bei wieviel Prozent Steigerung der Grippetodesfs wird man die Ausschaltung vornehmen miissen ? Ja, ist die Sterbliehkeit an jeder einzelnen einer Anzahl yon Krankheiten in einer Materialgruppe aueh nur um ein geringes erhSht, so kann dies insgesamt die gleiehe ErhShung der Todesf/~lle hervorrufen wie eine einzige Seuche, oder all- gemein gesagt, wie eine einzige bestimmte Todesursaehe, die einseitig die Sterblichkeit nur der einen Materialg~appe ansteigen ls •lle derartigen F~lle aber lassen sieh nieht aussehalten, es kSnnte sonst dahin kommen, da6 letzten Endes, wenn wir die Saehe einmal auf die Spitze treiben wollen, nur noeh an Tuberkulose und Altersschw~,ehe Gestorbene iibrig blieben.

Zwar wird eine einseitige Steigerung o@r auch Abnahme bestimmter anderer Todesursaehen sieh natiirlieh aueh geltend maehen bei einer Berechnungsart, die die zur Untersuehung stehende Todesursaehe, in unserem Falle also die Tuberkulose, auf die Gesamtheit der in Beob- aehtung Getretenen bezieht. Sterben in einer bestimmten Gruppe in einem bestimmten Lebensalter mehr Personen an Ruhr, an Entbin- dungen usw., verungliieken mehr, so wird sich unter diesen auch die eine oder andere Person fin@n, die sonst an Tuberkulose gestorben w~re. Soweit dies jedoeh nieht der Fall ist, ist die sieh bei dieser Be- reehnungsart ergebende Ziffer fiir die Tuberkulosesterbliehkeit vSllig unabhs yon der Zahl der Todesf~lle im ganzen. Der Einflufl der H6he der allgemeinen Sterblichlceit auf die H6he der Tuberkulosesterblich- keit wird also bei dieser Berechnungsart im allgemeinen nur gering sein, und darin liegt der Vorteil dieser Methode.

Bei der Bereehnungsart dagegen, bei d e r n u r auf die Todesfiille im allgemeinen bezogen wird (wir wollen sie die T-Berechnungsart nennen, die Berechnungsart, bei der auf die Gesamtheit aller in Beobaehtung Getretenen bezogen wird, die G-Bereehnungsart), wird jede Erh6hung der allgemeinen Sterbliehkeit bei einer gleiehbleibenden Zahl yon Tuber- kulosetodesf~llen eine tIerabsetzung der sich als Tuberkulosesterblieh- keit ergebenden Ziffer zur Folge haben, eine Herabsetzung der all- gemeinen Sterbliehkeit jedoeh entspreehend eine Erh6hung der Tuber- kuloscJsterbliehkeitsziffer.

Wie nun die G-Berechnungsart bei einem auf dem Wege der Familien- forsehung gewonnenen Material anzuwenden ist, um es auf seine Sterb- liehkeit iiberhaupt, wie auf Sterblichkeit an bestimmten Todesursaehen zu untersuehen, findet sieh bereits in Weinbergs Arbeit ,,Die Kinder der TuberkulSsen" dargelegt 1. Es diirfte jedoeh dem Leserkreis dieser

1 Leipzig 1913, besonders S. 63f. Z. f. d. g . N e u r . u . P s y c h . 148. 23

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354 Bruno Sehulz: Sterbliehkeit und Tuberkulosesterbliehkeit

Zeitschrift wil lkommen sein, wenn aueh hier wenigstens an e inem Bei- spiel die Art der Berechnung ns gesehildert wird.

Es erseheint mir zweckmiiBig, dies an H a n d des yon Luxenburger und mir gesammelten Durehschni t tsmater ia ls zu tun. Denn eben dieses Material finder sich verwendet in der Arbei t 1, in der Luxenburger 1927 die Berechnung der Tuberkulosesterbl iehkei t naeh der T-Methode be-

sehreibt.

Allerdings finden sich in jener Arbeit nieht die vollsti~ndigen Geschwister- schaften wiedergegeben, sondern nur die verstorbenen Mitglieder dieser Geschwister- schaften. Die vollst~ndigen Gesehwisterschaften finden sich aber in Luxenburgers Arbeit in Z. Neur. 112, 453 zuspmmengestellt, und die Zahl der Tuberkulosetodes- fMle finder sich in der gleicheh Arbeit in Tabelle 2, S. 362, soweit das Material Luxenburgers in Frage kommt, und in Z. Neur. 109, 36, soweit mein Material in Frage kommt.

Ftir die nunmehr zu sohildernde Berechnung ist es noch nStig, die Zahl der gewaltsamen Todes gestorbenen Personen zu kennen. Sie lassen sich aus Luxen- burgers Tabelle 2, Z. Neur. 112, und aus meiner Tabelle 3, Z. Neur. 109, entnehmen. Ebenso ist es n6tig, zu wissen, welehe der 28 auf S. 453 der Luxenburgerschen Arbeit angefiihrten Geisteskranken lebend und welche tot aus der Beobachtung geschieden sind. Hier teilte ich die geisteskranken Probandengesehwister meiner Arbeit auf Grund des kasuistischen Nachweises meiner Arbeit a in lebende und tote auf. (Ich reehnete hierbei auger den 14 yon mir als geisteskrank ausgezithlten Probandengesehwistern auch noeh den in der Fuflnote zu S. 33, Z. Neut. 109, an- gefiihrten Oligophrenen mit, da Luxenburger diesen in seiner Zusammenstellung ebenfalls mit als geisteskrank gefiihrt hatte.) Die geisteskranken Probanden- geschwister der Luxenburgersehen Untersuchung teilte ich auf Grund seiner Ta- belle 8 a in lebende und verstorbene, richtete mich allerdings bei der Zuordnung seines Epilepsiefalles nach der entsprechenden Notiz in seiner Kasuistik auf S. 390 seiner Arbeit.

Tabelle 1. D u r c h s e h n i t t s m a t e r i a l Luxenburger-Schulz (Z. Neur. 112, 453). Bereehnung der Sterbliehkeit und Tuberkulosesterblichkeit (ohne Abzug).

V ~ o r - Ausgeschieden ~ An Tuberkulose Gestorbene

/Lbsolute Prozent- in Jahren lebend tot ] . . . . . . . . I storbenen Zahlen zahlen ! ! b c d e f g

0-- 10 I 1127 3 429 1125,5 38,1 - - - - 11-- 20 ~ 695 1 20 694,5 2,9 2 0,29 21-- 30 ~ 674 22 40 663,0 6,0 12 1,81 31-- 40 I 612 45 60 589,5 10,2 10 1,69 41-- 50 I 507 139 54 437,5 12,3 7 1,60 51-- 60 [ 314 128 45 250,0 18,0 3 1,20 61-- 70 I 141 67 35 107,5 32,7 - - - - 71--100 I 39 18 21 30,0 70,0

I n der Tabelle 1 vorliegender Arbei t sind n u n die Ziffern der Spal ten b und e identiseh mi t den Ziffern der entsprechenden Spal ten der Tabelle 28

z Z. Neur. 109, 313 (1927). 2 Z. Neur. 109, 15 (1927). 3 Z. I~eur. 112, 394 (1928).

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in den Famihen Geisteskranker und in der Durehschnittsbev61kerung. 855

auf S. 453 der Arbei t Luxenburgers. Die Ziffern der Spalte a sind in folgender Weise gewonnen: Die Ziffer 1127 ist die Summe aller Ziffern aus den Spai ten b und c. Die Ziffer 695 ist gewonnen durch Abzug der Ziffern der obersten Reihe der Spal ten b und c (3-4-429) yon 1127, die Ziffer 674 durch Abzug der Ziffern der zweitobersten Reihe der Spal ten b u n d c (1 + 20) yon 695 usf. Die Ziffern der Spalte d sind dadurch gewonnen, dal~ innerhalb jeder waagerechten Reihe die Ziffer der Spalte a um die H/~lfte der Ziffer der Spalte b verminder t wurde. Also 1125,5 wurde gewonnen durch Verminderung der Ziffer 1127 u m die H/ilfte yon 3, die Ziffer 694,5 wurde gewonnen durch Verminderung der Ziffer 695 u m die H/~lfte yon 1 usf.

Die l~berlegung, die zu diesem Vorgehen ffihrt, ist folgende: Im ganzen treten 1127 Personen in Beobaehtung. Von ihnen werden jedoch 3 + 429 Personen nicht 1/~nger Ms bis zum Alter von 10 Jahren beobaehtet, da sie bereits im Alter yon weniger als 11 Jahren starben (das tun 429) oder w~hrend dieses Alters lebend unserer Beobachtung entschwanden (das tun 3).

Da nun in unserem Falle yon 1127 Personen im Alter yon bis zu 10 Jahren 3 + 429 ausscheiden, so treten in das zweite Lebensjahrzehnt nur 695 Personen ein, usf.

(Bei einem Material, dessen durehsehnittliches Geburtsjahr weit yore Jahre des Absehlusses der Beobaehtung zuriiekliegt, wird das ,,lebend aus der Beob- aehtung Ausseheiden", soweit es sieh um in jungen Jahren Ausgesehiedene handelt, etwa dadurch bedingt sein, dab die Kinder in Pflege, unbekannt wohin, gegeben wurden; soweit es sieh um Ausseheiden in h6herem Alter handelt, wird es oft dureh Auswanderung der Betreffenden bedingt sein, bei den meisten der in h6herem Alter lebend Ausgesehiedenen aber -- und vor allem dann, weun das Material zeitlieh noeh nieht so weit zurfiekliegt -- wird es sieh um Personen handeln, deren Sehieksal sich bis zum Jahre des Absehlusses der Beobaehtung verfolgen lieB, die aber in diesem gahre noeh lebten, so dab sie nun als in dem Alter lebend Aus- gesehiedene gefiihrt werden, das sic in dem Jahre des Abschlusses der Untersuchung erreieht hatten.)

Befassen wir uns abet nunmehr mit der Berechnung der Sterbliehkeit inner- halb des ersten Jahrzehntes. Eingetreten sind in dieses Jahrzelmt, wie wir ja bereits sahen, 1127 Personen. Beobaehtet bis ans Ende dieses Jahrzehntes, hier besser Jahrelftes, bzw. bis zum Tode sind jedoeh nicht alle 1127. Vielmehr sind 3 Personen vorher ausgeschieden; es wird nun angenommen, dall das Ausseheiden dieser 3 Personen sieh etwa gleiehmal3ig auf das erste Jahrzehnt (Jahrelft) ver- teilt, so dall etwa eine dieser Personen im Alter yon fiber 2 Jahren, die 2. im Alter yon fiber 5 Jahren, die 3. im Alter yon fiber 7 Jahren aussehied, alle 3 zusammen jedenfalls die Halfte yon 33 Jahren beobaehtet wurden. (Die erste Altersklasse umfallt bei uns 11 Jahre; 3 Personen w~ren also zusammen 33 Jahre beobaehtet, werm sic his zum Absehlul~ des ersten Jahrzehntes (Jahrelftes) beobachtet worden wiiren.) So gelangen wit dazu, sagen zu k6nnen, dall 1125,5 Personen 11 Jahre beobaehtet wurden. Von ilmen starben nun 429 Personen = 38,1%; an Tuber- kulose starb niemand = 0%. Entsprechend ergibt sieh fiir das zweite Jahrzehnt: Es starben 20 Personen yon 694,5 = 2,9%, an Tuberkulose 2 yon 694,5 = 0,29%. Zu beaehten ist, dall alas 2. Jahrzehnt und die folgenden nieht 11, sondern 10 Jahre unffassen.

Es sei noeh einiges darfiber gesagt, dab wit Sterbliehkeit und Tuberkulose- sterblichkeit ffir einen Zeitraum yon 11 bzw. 10 Jahren bereehnet haben. Es ist in der Allgemeinstatistik, und zwar mit Reeht, nieht iiblieh, die Sterbliehkeit

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ftir ein Lebensjahrzehnt zu berechnen, sie wird vielmehr fiir ein Lebensjahr be- reehnet. Auch Weinberg hat dies in seiner erw/~hnten Arbeit getan. Wegen der Kleinheit der absoluten Ziffern abet hat e rda und dort mehrere Lebensjahre zu- sammengefa$t. Auch in vorliegender Arbeit babe ieh verschiedene Zusammen- fassungen vorgenommen, zum Tell auf folgende Weise, die ich die A-Methode nennen mSchte: Ich habe die in jedem einzelnen der zusammenzufassenden Jahre Beobaehteten zusammengez~hlt, ebenso die in diesen Jahren tot Ausgeschiedenen zusammengez~hlt, und habe dann bereehnet, wieviel Prozent die Summe der Toten yon der Summe der Beobaehteten ansmacht. Die so erhaltene mittlere Sterbliehkeit fiir den zusammengefai]ten Zeitraum bezieht sich auf 1 Jahr. Um die Sterblichkeit zu erhalten, die sich auf den ganzen zusammengefal~ten Zeit- raum bezieht, habe ieh mit der Zahl der zusammengefaBten Jahre mnltipliziert.

Weinberg hat die Zusammenfassung anseheinen4 in etwas anderer Weise vor- genommen, doeh erhielt ich dort, wo ieh das gleiehe Material verwandte, mit der eben geschilderten Methode Ergebnisse, die den seinen praktiseh gleich sind.

~qun ist das eben yon mir gesehilderte Vorgehen, die Sterbliehkeit yon mehreren Jahren zusammenzufassen, indem man zun~chst die mittlere Sterbliehkeit w/~hrend des ganzen znsammengefal~ten Zeitraums ftir 1 Jahr berechnet und diese dann mit der Zahl der zusammengefa$ten Jahre multipliziert, nicht immer anzuwenden. Weisen n/imlieh die einzelnen zusammengefaBten Jahrg~nge eine voneinander betr~chtlich abweiehende Sterbliehkeit auf, so erhalten wir auf die beschriebene Weise eine ganz andere Sterblichkeitsziffer ffir den zusammengefaBten Zeitraum, als werm wir die Sterbliehkeit naeh folgender, gleichsam unmittelbarer Methode berechnen, die hier die B-Methode genannt sei: Wir berechnen, wieviel Prozent die in dem gesamten Zeitraum Gestorbenen ansmachen yon allen, die w/~hrend des betreffenden Zeitraums beobaehtet sind (also nieht yon 4er Summe der in jedem einzelnen der zusammengefallten Jahrg/mge Beobaehteten). Die w/~hrend des ge- samten betreffenden Zeitraums Beobachteten erhi~lt man, wie eigentlich bereits auf S. 355 angegeben, dadureh, da$ man alle zu Beginn des Zeitraums, also etwa des Jahrzehntes, in Beobachtung Getretenen vermindert um die I-I~lfte aller w~hrend des Zeitraums, also etwa w~hrend der folgenden 10 Jahre lebend Aus- geschiedenen.

Nun liegt unser Familienmaterial - - wenigstens wenn wit auf bereits gruppiertes Material zurfickgreifen wollen - - im allgemeinen nur naeh Lebensjahrzehnten (nieht nach einzelnen Lebensjahren) aufgeteilt vor. Wollen wir also Vergleiehs- material fiir das Familienmaterial heranziehen (etwa aus der allgemeinen Be- vSlkerungs- und Medizinalstatistik), so werden wir auch fiir dieses Material die Sterbliehkeit fiir Lebensjahrzehnte bzw. (ffir die jiingste Altersgruppe) fiir ein Lebensjahrelft bereehnen, und zwar naeh der B-Methode, da wir die Ziffern ftir unser Familienmaterial ja aneh gleiehsam yon vornherein nach der B-Methode gewormen haben und gewinnen mul3ten. Wir werden darauf noch sp~ter zuriiek- kommen.

Auf entspreehende Weise wie bei der in unserer Tabelle 1 dargestel l ten Durchsehni t tsbevSlkerung h~tte ich n u n auch gem die Sterblichkeit und Tuberkulosesterbl iehkeit in den yon Luxenburger in seiner Arbei t fiber die Tuberkulosesterbl iehkei t benu tz ten Geschwisterschaften der Sehizophrenen und Manisch-Depressiven nach der G-~Iethode erreehnet and die Ergebnisse hier wiedergegeben. Leider s tand das Urmate r ia l n ieht mehr zur Verffigung. Ieh habe reich daher begnfigen mfissen, mein eigenes Schizophreniematerial entspreehend zu berechnen. Die Ergebnisse f inden sich mi t anderen Ergebnissen zusammen in Tabelle 3

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in den Familien Geisteskranker und in der DurchschnittsbevSlkerung. 357

und 4 dieser Arbeit. Wir kommen sparer au~ die Tabellen noch zurfick. Vorerst aber wollen wir unsere Abb. 1 n&her betrachten (vgl. hierzu auch Tabelle 2), um an diesem Beispiel den theoretisch an~jenommenen Vorteil der G-Methode zu i~berpri~fen.

Die Kurven im unteren Tell tier Abbildung stellen die Tuberkulose- todesfi~lle in Prozent der Todesffille fiberhaupt dar (T-Kurven). Die Kurven im oberen Teil der Abbildung stellen die Tuberkulosetodesfiille in Prozent der gesamten in Beobachtung getretenen Personen dar

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Jahre Abb. 1. Tuberkuloses terbl ichkei t un te r Geschwistern yon Schizophrenen und in tier Durch- schni t tsbevi i lkerung, e r rechnet nach verschiedenen ) I e thoden . G1 u n d T1 Geschwister- schaf ten ohne Abzug. G2 und T2 Geschwis terschaf ten nach Abzug der gewa] t samen Todes Gestorbenen. G~ und T3 Geschwis terschaf ten nach Abzug der Geis teskranken. G, und T,

Geschwis terschaf ten nach doppel tem Abzug. ) i e in Schizophreniemater ia l . . . . . DurchscLni t t smate r ia l L u x e n b u r g e r - S c h u l z . - - L u x e n b u r g e r s Schizophrenie-

mater ia l . - - - - Geis teskranke Geschwister meines Schizophreniemater iaIs .

(G-Kurven). Die starke gestrichelte Kurve T 4 ist identisch mit der Durchschnittskurve der Abb. 1 in Luxenburgers Tuberkulosearbeit 1, die zarte ausgezogene Kurve T 4 ist identisch mit der Schizophrenie- geschwisterkurve ebendort. (Aus den im vorigen Absatz angegebenen Grfinden mul~ bei den G-Kurven eine Darstellung des Luxenburgerschen Schizophreniematerials fehlen.)

Wir betrachten nun zun~chst die Kurven der Abbildungen T 1 un4 T2, und zwar beschranken wir uns dabei vorerst auf die stark ge- strichelten Durchschnittskurven und die stark ausgezogenen Kurven meines Schizophreniematerials: Auch ohne jeden Abzug liegt die Schizo- phreniekurve deutlich fiber der Durchschnittskurve (siehe T1) ; nur die Jahresklasse 21--30 macht eine kleine kusnahme. Durch Abzug der gewaltsamen Todes Gestorbenen aber werden beide Kurven stark in die HShe getrieben (siehe T~), da man ja durch diesen Abzug die

1 Z. Neur. 109, 323.

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358 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit

Bezugsziffern verkleinert. Und zwar ist die Verkleinerung der Bezugs- ziffer bei der Durchschnittsbev61kerung nicht so stark wie bei den Schizophreniegeschwistern (vielleicht weil sich unter diesen verh~ltnis- re&Big mehr Selbstm6rder finden).

Wir erkennen abet hier gleichzeitig, yon welcher Wichtigkeit der Abzug der gewaltsamen Todes Gestorbenen ist. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, da6 die Zahl der gewaltsamen Todes Gestorbenen bei den Schizophreniegeschwistern noch bedeutend gr56er ware (etwa weft diese Gruppe einen Krieg mitgemacht hat). Die Schizophreniekurve T 1 k6nnte dann leicht unter die Durchschnittskurve T 1 fallen. Anderer- seits aber wurde bereits darauf hingewiesen, da6 nicht nur der gewalt- same Tod eine die tatsgchlichen (konstitutionellen) Verhi~ltnisse :ver- schleiernde Rolle spielen kann.

Sehen wir nun die Kurven G 1 und G~ an, so bemerken wir, dag bei dieser Berechnungsart der Abzug der gewaltsamen Todes Gestorbenen, der bei den Kurven T 1 und T 2 zu so deutlichen Unterschieden ffihrte (und bei einem anderen Material leicht zu noch deutlicheren ffihren kann), hier kaum zu einer Vergnderung des Unterschiedes zwischen Schizophreniekurve und Durchschnittskurve ffihrt. Der Unterschied zwischen den beiden G1-Kurven ist fast genau der gleiche wie der zwischen den beiden entsprechenden G2-Kurven. Die Annahme, dari die Be- rechnung nach der G-Methode deshalb von Varteil ist, well sich bei ihr in weitgehendem Marie auf Abzii, ge verziehten l~irit, ohne daft dadurch eine etwaige Verschiedenheit oder Gleichheit in bezug auf Sterblichkeit an einer bestimmten Todesursache verschleiert wi~rde, finder sich also an unserem Beispiel best~itigt.

Betrachten wir nun die Kurven, die sich durch Abzug der Geistes- kranken ergeben (T a und Ga). Ein solcher Abzug braucht auch bei der T-l~Iethode nicht etwa deshalb vorgenommen zu werden, well man befiirchten miigte, da6 sich ohne ihn in zwei Materialgruppen v611ig verschiedene Prozentziffern fiir die Tuberkulosesterblichkeit ergeben kSnnten trotz (auf die Gesamtheit der Lebenden und Toten bezogen) gleicher (unkorrigierter) Prozentzahl der Todesf~lle an Tuberkulose in den beiden Gruppen (wie das ja bei der T-Methode ohne Abzug etwa der gewaltsamen Todes Gestorbenen durchaus m6glich ist). Den Vor- schlag, die Geisteskranken aus der Berechnung fortzulassen, hat Luxen- burger vielmehr darum gemacht, well es ihm datum zu tun war, kon- stitutionelle Unterschiede festzustellen, u n d e r andererseits argw6hnte, es m6chten Geisteskranke besonders leicht deshalb an Tuberkulose sterben, weil sie unter hiefffir besonders gfinstigen Umweltbedingungen lebten.

Vergleichen wir unter diesem Gesichtspunkte die Kurven T 1 mit den Kurven Ta, so sehen wir, da6 mein Schizophreniemateria] bei Nicht- berficksichtigung der Geisteskranken eine viel geringere Tuberkulose-

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m den Familien Geisteskranker und in der DurchschnittsbevSlkerung. 359

sterblichkeit aufweist als ohne deren Abzug. Die hShere Prozentzahl der Tuberkulosetodesf~lle unter den verstorbenen Geschwistern meiner Schizophrenieprobanden gegenfiber der hier benutzten Durchsehnitts- bevSlkerung zeigt sich also, wenigstens zun~chst bei Anwendung der T-Methode, zu einem grol3en Toil durch die Geisteskranken unter den Geschwistern meiner Probanden bedingt, wenn auch nieht nur durch sic.

Das Material Luxenburgers (zart ausgezogene Linie) zeigt diesen Unterschied zwischen der T z- und T3-Kurve nicht. Aueh aus Luxen- burgers Tabelle 1 in seiner Arbeit fiber Tuberkulose als Todesursache usw. z geht ja ohne weiteres horror , dab bei ihm die geisteskranken Gesehwister seiner Sehizophrenieprobanden keineswegs h~ufiger an Tuberkulose sterben als die geistesgesunden. (DaB dieser Erscheinung keine All- gemeingfiltigkeit zukommen dfirfte, wird auch durch unsere Befunde in bezug auf Tuberkulosesterblichkeit unserer Schizophrenieprobanden wahrscheinlich gemacht [vgl. vorliegende Arbeit S. 373, Absatz 1].)

I n bezug auf die Gesehwister meiner Schizophrenieprobanden zeigt sich nun aber auch bei einem Vergleich der Kurven G z und G 3, daB dor t die hohe Tuberkulosesterblichkeit in der Hauptsaehe auf die hohe Tuberkulosesterblichkeit der geisteslcranken Schizophreniegeschwister zu- rfiekzuffihren ist. Nur soweit die 11--20 Jahre alten Personen in Frage kommen, ist dor t auch unter den geistesgesunden Geschwistern meiner Schizophrenieprobanden die Tuberkulosesterblichkeit deutlich hSher als unter den geistesgesunden Geschwistern der DurchsehnittsbevSlkerung.

Man k6nnte hier versucht sein, zu vermuten, dab die vor dem 20. Jahre an Tuberkulose gestorbenen Schizophreniegeschwister eben vielfach gestorben sind, bevor sie Gelegenheit hatten, geisteskrank zu werden. Aber auch das lieBe sich vermuten, daft mSglieherweise die geistesgesunden Personen mit Anlage, an Tuber- kulose zu sterben, in den Sehizophreniegeschwisterschaften nur friiher sterben als die entspreehenden geistesgesunden Angeh6rigen yon Durehschnittsgeschwister- schaften, dab also letzten Endes die Anlage zum Tode an Tuberkulose unter den Geistesgesunden beider Gruppen ann~hernd gleich verbreitet ist, in den Ge- schwisterschaften der Sehizophrenen sich nur friiher manifestiert. Aber bevor wir die versehiedenen Erkl~rungsm6glichkeiten ernsthaft gegeneinander abw~gen, wird es nStig sein, nachzupriifen, ob denn fiberhaupt die hier vorliegenden Zahlen- verh~ltrdsse allgemeine Giiltigkeit haben (vgl. hierzu aueh S:370, Zeile 7).

Auch das wird natiirlich nachzuprfifen sein, ob die Tuberkulosesterblichkeits- ziffer unter den Geschwistern der Schizophrenieprobanden Luxenburgers, und zwar den geistesgesunden und geisteskranken insgesamt, eher Allgemeingfiltigkeit beanspruehen kann als die unter den Geschwistern meiner Schizophrenieprobanden. Auf die gleiche Weise errechnet (T-Methode) linden sich ja bei Luxenburgers Ma- terial (vgl. Tabelle 2 vorliegender Arbeit) Prozentziffern yon 37,4 und 45,1, bei mir dagegen Prozentziffern yon nur 27,7 und 37,1.

Fiir den Abzug der Geisteskranken wird man besonders genau umgrenzen miissen, wann ein Geschwister als geisteskrank im Sinne der Untersuchung anzusehen ist. Vielleicht wird man anstatt der Geisteskranken insgesamt in diesem Falle auch nur die in einer Anstalt untergebrachten Sehizophrenen ausschalten.

z Z. Neur. 109, Tabelle 1, S. 320.

Page 10: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit in den Familien Geisteskranker und in der Durchschnittsbevölkerung

360 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterbl ichkei t

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Ob die Tuberkulosesterblichkeit gerade unter den geisteskranken Ge- schwistern der Schizophrenen be- sonders hoch ist, l~Bt sich natfir- lich auch direkt berechnen. Die nach der T-Methode aus meinem S chizophreniematerial gewonnenen Kurven sind in die Abbildung am entspreehenden Orte eingezeichnet (zarte gestrichelte Linien), und zwar bei T 1 und T a fiir alle geistes- kranken Schizophreniegeschwister, bei T 2 und T 4 nach Abzug der gewaltsamen Todes gestorbenen geisteskranken Schizophreniege- sehwister. Die G-Methode liefert am gleichen Material so hohe Werte, daft yon einer Einzeichnung am ent- sprechenden Orte unserer Abbildung aus Griinden der Raumeraparnis Abstand genommen werden muflte. Die Werte ffir die 5 in vorliegen- der Arbeit verwendeten Jahres- klassen lauten bei der Berechnung nach der G-Methode (ohne Abzug) ffir GI: 1,4%, 6,0%, 10,4%, 9,6%, 5,3~ mittlerer Weft 6,1% (vgl. Tabelte 4). Eine direkte Bereeh- nung nach der T-Methode unter den geisteskranken Schizophrenie- geschwistern Luxenburgers liefert die unwahrscheinlich niedrigen Zif- fern 0%, 33%, 22 0/0, 25%, 0%, mitt lererWert 21,0 % 1, denen unter den geistesgesunden Schizophrenie- geschwistern seines Materials die Ziffern 50,6%, 42,2%, 37,1%, 26,2 %, 3,8 %, mittlerer Wert 38,3 % gegenfiber stehen (vgl. Tabelle 2 vorliegender Arbeit). Allerdings handelt es sich bei den geistes-

1 Errechnet aus Z. Neur. 109, Ta- belle 1, S. 320.

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862 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit

kranken Probandengeschwistern Luxenburgers nur um sehr kleine absolute Ziffern.

Wir wenden uns nun der Betrachtung der Tabelle 3 zu, die einen ~]berblick iiber die Sterblichkeit verschiedener Gruppen gibt. Ieh war der Az~sicht, dab die HShe der Sterblichkeit der verschiedenen Gruppen besonders dann berficksichtigt werden mfiBte, um ein richtiges Bild yon der Tuberkulosesterbliehkeit in diesen Gruppen zu erhalten, wenn wir diese Bereehnung nieht nach der G-Methode, sondern nur naeh der T-Methode angestellt h/~tten 1. Es wurde ja schon darauf hingewiesen, dab die T-Methode uns mSglieherweise nur deshalb eine hohe Tuber- kulosesterbliebkeit hi~tte errechnen lassen kSnnen, well die allgemeine Sterbliehkeit in der betreffenden untersuehten Gruppe besonders goring ist. Wie gleieh noeh n/~her erSrtert werden wird, glaubte Weinberg iibrigens in der Tat bereits festgestellt zu haben, dab die Gesehwister der Schizophrenieprobanden in Riidins Arbeit 2 eine auffallend geringe allgemeine Sterbliehkeit aufweisen. Allerdings vermutete er, dab das Zurfiekbleiben der Sterbliehkeit nieht den Tatsachen entspreehe, sondern auf mangelhafte Erforsehung durch Riidin zurfickzuffihren sei. Gerade darum aber erseheint es aueh ohne jede Beziehung zur Tuberkulose- sterblichkeit wertvoll, einmal die Sterblichkeit einiger Gruppen genauer zu untersuchen. Das Ergebnis soleher Untersuehungen mag dem AuBen. stehenden gleiehzeitig dureh Vergleieh mit den Ziffern der allgemeinen Statistik in gewissem Sinne als Priifstein dienen ffir die Genauigkeit der Familienuntersuehungen und Stichprobenuntersuchungen des Instituts.

Wie eben gerade erw/ihnt wurde, hat Weinberg, und zwar mehrfach, davon gesprochen, dab die Gesehwister der Sehizophrenen Riidins eine zu ger~nge Sterblichkeit aufwiesen; er fiihrt das darauf zurfiek, dab Riidin bei seiner Untersuchung fiber die Gesehwister der Sehizophrenen die Wanderungen nicht geniigend beriicksichtigt habe.

Er schreibt z. B. a: ,,Der Autor, dem ich an die Hand ging, war der Ansicht, dab die Geistliehen kleiner Ortschaften fiber ihre frfiheren Beichtkinder meist gut unterriehtet sind und dab diese Kontrollo praktisch geniige. Immerhin fanden sich relativ geringe Sterbeziffern, insbesondere in den h6chsten Altersklassen, und es muB also damit gerechnet werden, daB die Zahl der Lebensjahre der hSheren Altersklassen daduroh, dab alle nicht ausdrficklich als gestorben Ermittelten als am SchluB des Jahres 1911 noch lobend in Rechnung gesetzt wurden, nicht un- wesentlich zu groB und daher die Sterblichkeit anscheinend welt geringer ausfiel, als selbst der neuesten Sterbetafel entspricht, so dab die Geschwister Geistes- kranker als eine besonders giinstige Auslese erscheinen." DaB Ri~din die Auskfinfte der Pfarr/imter durch die Befragung zahlreicher Verwandter kontrolliert habe, erwi~hnt Weinberg allerdings gleichfalls.

Wieweit diese Bemerkung Weinbergs zutrifft, vermag ieh nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Riidin h~lt es nieht fiir ausgesehlossen, dab das eine odor andere seiner Probandengeschwister, das erals lebend gefiihrt

1 Vgl. hierzu jedoch S. 370. z Monograph. Neur. 12 (1916). s Allg. statist. Arch. 9, 514 (1915).

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in den Familien Geisteskranker und in der DurchschnittsbevSlkerung. 868

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364 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit

habe, in Wirklichkeit schon verstorben gewesen sein kSnne. Es sehien mir jedoeh nieht der Miihe wert zu sein, gerade an Riidins Material nach- zupriifen, bis zu welchem Grade dieses Zuriickbleiben der Sterbliehkeit etwa doch auf Tatsachen beruhen kSnnte, so dal~ man etwa die Selten- heit des pyknischen ]-Iabitus unter den Gesehwistern der Schizophrenen fiir eine tats~chlich vorhandene geringere Sterblichkeit verantwortlich maehen miil~te. Und zwar habe ich deshalb yon einer Nachpriifung ab- gesehen, weil die Mehrzahl der Riidinschen Gesehwisterschaften ohnehin inzwischen von mir aufs neue untersucht women war; es ist das Material, das atteh den betreffenden Kurven der Abb. 1 vorliegender Arbeit zu- grunde liegt und dort als ,,mein Schizophreniematerial" bezeiehnet ist.

Von diesem Material aber kann ieh nun mit aller Best immtheit be- haupten, dab jeder Fall, der in ihm als in einem bestimmten Alter ]ebend gefiihrt wurde, auch wirklieh in diesem Alter lebte. Es geniigte hier nie die Auskurdt des Pfarrers oder Gemeinderates des Geburtsortes, sondern stets nur entweder die Anskunft des Gemeinderats oder Pfarr- amts des Sterbeortes oder augenblieklichen Wohnortes des Betreffenden oder eines genau orientierten Verwandten. In weitaus der Mehrzahl lagen Auskiinfte yon mehreren Seiten vor.

Weinberg stiitzt seine Ansicht, dab die Schizophreniegesehwister- sehaften Riidins mangelhaft erforscht seien, darauf, dab er dort be- senders in den h6heren Altersjahren eine unwahrseheinlieh niedrige Sterbliehkeit gefunden zu haben glaubte. Ich gebe seine Ziffern Ifir die Zeit vom 21. Jahre ab im unteren Teil der Tabelle 3 vorliegender Arbeit wieder 1. Wenn wir jedoeh die Ziffern eines derartigen Materials mit der allgemeinen Statistik vergleiehen wollen, so miissen wir beriicksichtigen, dab ein genauer Vergleieh deshalb nicht m6glich ist, weft das durch Familienuntersuchungen erhobene Material sieh stets auf eine Zeit- epoehe von mehreren Jahren, ja meist yon mehreren Jahrzehnten ver- teilt; und da es sieh ungleichms verteilt, ist ein genauer Vergleieh selbst dann nicht mSglieh, wenn wir die mittleren Ergebnisse einer Reihe von Jahren arts der Allgemeinstatistik zum Vergleieh benutzen wiirden.

DaB die Befunde der Allgemeinstatistik fiir diesen Zweck in der Weise umgereehnet werden mnBten, die ich auf S. 356 als B-Methode ge- schildert habe, wurde ebenda schon angedeutet. (Die yon Weinberff erreohneten lmd einander gegeniibergestellten Ziffern sind - - sowohl fiir Riidins Material wie fiir das ~a te r ia l der Allgemeinstatistik - - , in einer Weise bereehnet, die praktiseh zu den gleichen Ergebnissen fiihrt wie die auf S. 356 dieser Arbeit als A-Methode beschriebene Art; sie sind also mit den yon mir nach der B-l~Iethode errechneten Ziffern im oberen Teil der Tabelle 3 nieht vergleiehbar.)

1 Die Ziffern fiir die Altersklassen yon 0--10, 11--20 und 11--60 Jahren babe ich nach Weinbergs Methode aus Riidins Material [Monographien Neur. 12, 38 bis 40 (1916)] erreohnet.

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in den Famflien Geisteskranker und in der Durchschnittsbev61kerung. 365

Vergleichen wir nun die yon mi r naeh der B-Methode er rechneten Ziffern aus der Al lgemeins ta t i s t ik 1 mi t den en tsprechenden Ziffern d,.+r Fami l i enun te r suehungen (oberer Teit de r Tabel le 3), so zeigen sieh ffir mein Sehizophreniemater ia l Abweiehungen yon der Allgemein- s ta t i s t ik eigentl ich nur in der le tz ten und (in ger ingem Grade) in der vor le tz ten Gruppe. Diese Abweichung aber dfirfte folgende Ursaehen haben �9

Besonders dor t , we es sich n ieht (wie e twa bei den Gesehwistern der Seni l -Dementen) u m ein ganz weir zuri iekl iegendes (also v611ig oder beinahe abgelebtes) Mater ia l hande l t , ha t bei e inem auf dem Wege der Fami l ienforsehung gewonnenen Mater ia l die Mehrzahl der als fiber 70 Jahre geffihrten Fs hSehstwahrscheinl ich das 70. J a h r gerade erst f iberschri t ten. Die Sterbl ichkei t dieser Fs dfirfte also so gering sein, da6 sie sieh n icht m i t einer Sterbeziffer aus der Al lgemeins ta t i s t ik ffir die Al tersklassen yon 70- -100 J a h r e n vergleiehen 1s denn gerade in den Jah ren fiber 70 s te igt die S terb l iehkei t yon J a h r zu J a h r rap ide an. Wit k6nnen also die auf die genannte Weise berechnete Sterblichkeit der iiltesten Altersgruppen unseres Schizophreniematerials nicht mit den entspreehenden Ziffern der Allgemeinstatistik vergleichen, ja eigentlich auch nieht die entsprechenden Ziffern der verschiedenen Gruppen unseres dutch Familienforsehung erhobenen Materials untereinander vergleichen, soweit die Geburtsjahre der Mitglieder dieser Gruppen bei den einzelnen Gruppen verschieden weit veto Jahre des Abschlusses der Beobachtung zuriickliegen 3. I n ger ingerem MaBe gi l t dies aueh fiir die Gruppe yon 60- -70 Jahren .

1 Die Bereohnung der Sterbliohkeit in Bayern 1901--1910 und 1891--1900 nahm ieh an Hand der Sterbetafeln im Statistisehen Jahrbueh fiir das KSnig- reich Bayern [|8, 52, 53 (1915)] und an Hand der Deutsehen Sterbetafeln, Statistik des Deutsehen Reiehes [200 (1910), Tabellenwerk S. 16] vor. Bei Berechnung nach der B-Methode gelten hier als Beobachtete alle die in das erste Jahr des zusammen- gefaBten Jahrzehntes (bzw. Jahrelftes, bzw. in die Altersgruppen fiber 70) Ein- tretenden. Fiir M~nner und Frauen nahm ich bei dieser Bereehnung gleiche H/~ufig- keit an. Das ist nieht korrekt, und zum Teil wird es darauf zurtiekzuffihren sein, dal~ aueh bei Bereehnung naeh der A-Methode (unterer Teil der Tabelle 3) meine Ziffern yon denen Weinbergs ein wenig abweiehen. Weinberg hatte die Ziffern, korrekter als ieh, unter der Annahme berechnet, dal3 auf 1000 lebend geborenen Miidchen 1056 Knaben fallen (s. Monographien Neur. 12, 41, Tabelle 18). Die da- dureh entstandenen Untersehiede sind aber so gering, dab wir sie ffir unsere Be- traehtung vernaehli~ssigen k6nnen.

2 Das durchschnittliche Zuriiekliegen der Geburtsjahre der einzelnen Personen bei jeder Gruppe li~l~t sieh hier nur bedingt als Maflstab verwenden. Ni~mlich nur dann, wenn die Geburtsjahre bei allen Personen anntthernd gleieh welt yore Jahre des Absehlusses der Beobaehtung zurfiekliegen, also eine geringe Streuung haben. Das trifft ungefi~hr zu ffir die Mehrzahl der in Tabelle 3 dieser Arbeit ver- wendeten, auf dem Wege der Familienforsohung gewonnenen Gruppen, unter ihnen vielleieht noch am wenigsten ffir die yon mir untersuehten Gesehwister- sehaften yon Krankenhauspatienten (Z. Neur. 186), die zum groBen Tell ziemlieh junge Leute (Dienstmi~dehen) waren, zum Tell aber aueh sehr a r e Personen, deren

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866 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterbtichkeit

Berfieksichtigen wir dies, so ist die ~bereinst immung der Sterbens- wahrseheinlichkeit meiner Schizophreniegeschwister mit der der all- gemeinen Statistik recht gut, ja selbst die Befunde bei den geistes- gesunden Geschwistern der Sehizophrenen weichen nicht in auffallender Weise yon den Befunden der Allgemeinstatistik ab.

Die 3 letzten Reihen der Tabelle bringen die Ziffern, die sieh dutch Zusammenfassung in Jahrzehnte nach der A-Methode ergaben. Sie sind, wie schon erw/~hnt, nur untereinander vergleichbar, wenigstens dort, wo Jahrg/inge mit betr/iehtlich versehiedener Sterblichkeit zusammen- gefaBt wurden, wie im ersten Jahrzehnt und in den hSheren Alters- klassen. Die Jahrzehnte zwisehen 11 und 60 Jahren lassen sieh aller- dings, wie ein Vergleieh der Sterblichkeitsziffern der bayerischen All- gemeinstatistik, berechnet nach A- und B-Methode, zeigt (s. Tabelle 3), reeht gut miteinander vergleichen. Und wenn ich aueh ausftihrte, dal~ ich auf die Differenz der Sterbliehkeitsziffern bei Riidins Material einer- seits und den entsprechenden Ziffern der Allgemeinstatistik anderer- seits in den hSheren Altersklassen keinen besonderen Wert lege, so sei doch hervorgehoben, dab die Ziffern bei Riidins Material (im Gegen- satz zu dem yon mir erforsehten) auch in den jiingeren Altersldassen deut- lich und viel st/~rker als die Ziffern bei meinem Sehizophreniematerial hinter den Ziffern der Allgemeinstatistik zurfickbleiben. Das mag aller- dings zum Tell seine Ursache darin haben, dab Rit'dins Material ja um rund 20 Jahre jiinger ist als meines, soll heiSen, dab seine Erforschung rund 20 Jahre, bevor ieh es erneut durchforschte, abgesehlossen wurde.

I m AnsehluB hieran noch eine Bemerkung: Weinberg hat aus der yon ihm als unwahrseheinlieh gering angesehenen Sterblichkeit in Riidins Material geschlossen, dai~ Riidin auch eine Anzahl Schizophrenien ent- gangen sein diirften, so dal~ sieh eine zu geringe Erkrankungswahrschein- lichkeitsziffer in bezug auf Schizophrenie fiir die Schizophreniegeschwister in Ris Arbeit ergeben habe 1.

Ein derartiger Anhaltspunkt fiir die Annahme einer mangelhaften Erforschung besteht also bei meinem Schizophreniematerial jedenfalls nicht, und, da die yon mir erreehnete Ziffer der Erkrankungswahr- scheinlichkeit an Sehizophrenie in hohem Grade mit der Riidins iiber- einstimmt (vgl. besonders die Ful~note auf S. 254 meiner Schizophrenie-

Geschwister vielfach schon versterben waren. Noch mehr dfirften diese Bemer- kungen gelten fiir ein auf (tem Wege der Familienforschung gewonnenes Material, das, wie das yon Weinberg (1. c.) ebenfalls zum Vergleich herangezogene Lund- borgsche, sich auf fiber 100 Jahre erstreckg. Auch dessen Sterblichkeitsziffem sind mit dem Ri~dinschen Material nicht ohne weiteres vergleichbar.

Ieh daft an dieser Stelle bemerken, dal3 Herr Sanit~tsrat Weinberg, dem ich ffir dauernde Belehrung grSBten Dank schulde, die Giite hatte, das Manuskript dieser Arbeit vor tier Druck]egung 4urchzusehen, und dal~ er meinen Ausffihrungen in dieser I-Iinsicht ira Grunds~tzlichen beipflichtet.

1 Weinberg: Arch. Rassenbiol. 28, 281 (1981).

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in den Familien Geisteskranker und in der DurchschnittsbevSlkerung. 867

arbeit), auch wohl nieht ffir das Material Riidins. Dennoeh kSnnen natiirlich sowohl Riidin wie nftr Sehizophrenief~lle entgangen sein.

Auch aus folgendem Grunde werden wir fibrigens besser tun, das auf dem Wege der Familienforsehung gewonnene Material einem eben- falls auf dem Wege der l%milienforsehung gewonnenen Vergleiehs- material gegenfiberzustellen als einem Material aus der Allgemeinstatistik. Weinberg selbst hat darauf hingewiesen, dal~ die Sterbenswahrsehein- liehkeit yon Gesehwistern in gegenseitiger Abhs voneinander stehen kSnne 1. Ist dies der Fall, so w~re in der Allgemeinstatistik mit einer h5heren Sterblichkeit zu rechnen als bei Geschwisterschaften, die fiber eines ihrer Mitglieder als Probanden gewonnen sind, wenigstens dann, wenn dieses Mitglied erst ein gewisses hSheres Alter erreieht haben mul~, bevor es Proband werden kann, wie das z. B. ffir Schizophrenie- probanden gilt.

Allerdings ersehen wir aus unserer Tabelle 3 aueh, dal~ die Ziffern des auf dem Wege der Familienforsehung gewonnenen Durchsehnitts- materials, das dort ja in grol~er Zahl angefiihrt ist, recht gut mit den Ziffern der Allgemeinstatistik fibereinstimmen; und das l~13t darauf sehliel~en, dab die gegenseitige Abh~ngigkeit der Sterbenswahrseheinlieh- keit zwischen Geschwistern nicht besonders stark ins Gewicht f/~llt.

Auch die Befunde an dem Durehsehnittsmaterial Klemperers, der ja nur fiber stiehprobenm~Big aus den Geburtsregistern herausgesuehte Probanden, nicht fiber deren Verwandte beriehtete, stimmen fibrigens gut mit den Ziffern der Allgemeinstatistik fiberein (s. Tabelle 3 vorliegender Arbeit). Die ErhShung der Sterblichkeit innerhalb des ersten Lebens- jahrzehnts bei seinem Material dfirfte wenigstens zu einem Teil dadureh erkl~rt sein, dal~ sich unter den Probanden seines Materials besonders viel unehelich geborene Personen befinden, die wenigstens in der damaligen Zeit und in den Kreisen, aus denen damals in der GroBstadt geborene Uneheliche stammten, eine besonders hohe Sterblichkeit auf- wiesen.

Auffallend yon diesen Ziffern der Durehschnittsuntersuehungen weieht die Ziffer ffir die Sterbliehkeit der geisteskra~ken Geschwister meiner Sehizophrenieprobanden ab, sowie die der Schizophrenieprobanden selbst. Dc~ die Sterbenswahrscheinliehkeit dieser beiden Gruppen viel hSher ist als die der Durchschnittsgruppen, werden wit also bei Zensusunter- suchungen gerinitere Schizophrenieh~iufigkeit uncI Psychosenh~iufigkeit im allgemeinen finden miizsen als bei Untersuchungen, die lebende u nd ver- storbene Familienmitglieder erfassen 2.

1 Weinberg: Auslesewirkungen der Sterbliehkeit. Arch. Rassenbioh 11, 425 (1914/15).

Vgl. hierzu Brugger: Z. Neur. 145, 519/522 (1933) und Klemperer: Z. Neur. 146, 306/309 (1933).

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368 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit

Schlie•lieh sei t~us Tabelle 3 noeh die verhMtnism~Big hohe Sterb- lichkeit der Gesehwister der Senil-Dementen schon in verh~ltnism~l~ig niederem Alter hervorgehoben. Hierauf hatte sehon Weinberger 1 hin- gewiesen. Seine Befunde kSnnen wir also auch auf Grund der bier an- gewandten Berechnung best~tigen. Allerdings liegt das Material Wein- bergers zeitlich so weit zuriick, dal~ man aueh daran denken mull, dait hier der Umstand eine Rolle spielt, da~ friiher die Allgemeinsterblieh- keit viel h5her war, und auBerdem ist das Material auch so klein, da~ sieh bestimmte Schliisse daraus noch nicht ziehen lassen kSnnen. Wenn es aueh so zu sein scheint, da~ die Geschwister der Senil-Dementen nieht etwa durchschnittlich ~lter werden als die DurehschnittsbevSlkerung, so seheint es doch ~ndererseits noch ein wenig verfriiht, der Vermutung Ausdruck zu geben, die, etwas zugespitzt formuliert, dahin gehen wiirde, daQ, wenn in Geschwisterschaften, deren Mitglieder im allgemeinen kein besonders hohes A~ter erreiehen, ein Mitglied einmal besonders alt wird, es senti-dement wird.

] n d e r letzten Spalte der Tabelle 3 wurden, wie auch in anderen Tabellen dieser Arbeit, der l~bersiehtliehkeit wegen die Altersklassen vom 11.--60. Lebensjahre zusammengefal]t. Diese Zusammenfassung der Altersjahrzehnte in eine Gruppe von 50 Altersjahren geschah naeh der A-Methode. Die Prozentzahlen der Sterblichkeit veto 11. bis 60. Jahre beziehen sich auf ein Jahrzehnt. Von diesen Ziffern daft diejenige fiir das Material Klemperers nicht ohne weiteres mit den anderen Ziffern vergliehen werden. Denn das 3~aterial der Untersuehung Klemperers ist so gesammelt, dab sich keine Person unter ihm befinden kann, die vor 1880 geboren wurde, die also ~lter als 50 Jahre ist. Vor allem aber dfirfen - - man mSehte sagen aus dem umgekehrten Grunde - - auch die Ziffern, die sich bei dieser Zusammenfassung der 5 Alters- jahrzehTlte fiir die Schizophrenieprobanden und ftir die geisteskranken Probandengesehwister ergeben, nicht mit den anderen Ziffern dieser Zusammenfassung vergliehen werden. Denn Sehizophrenieprobanden wie Geisteskranke iiberhaupt finden sich verh~ltnism~ig selten in den jfing- sten Altersjahrzehnten. Diese jiingsten Altersjahrzehnte jedoeh weisen ja eine besonders geringe Sterblichkeit auf, und sind sie in einer mehrere Altersjahrzehnte umfassenden Gruppe nur wenig zahlreieh vertreten, so muB dadureh die Sterblichkeit dieser Gruppe ansteigen. Wir kSnnen hier also nur die Ziffern der gleiehen Altersjahrzehnte untereinander verglei- chen, ja, wir sehen bier wieder, wie wiinschenswert es w~re, wenn wir das Material in kleinere Altersgruppen als Jahrzehnte h~tten ordnen kSnnen.

Einige Worte seien bier noch darfiber gesagt, wie die Sterbliehkeit der Probanden selbst erreehnet wurde ~: Es gesehah das im Grunde

t Weinberger: Z. Neur. 106 (1926). "~ In Tabelle 3 handelt es sich nur um meine Schizophrenieprobanden, nicht

um die Probanden Klem.perers, da diese ~lle bei ihrer Geburt in Beobachtung traten.

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in den Familien Geisteskranker und in der DurchschnittsbevSlkerung. 369

in der gleichen Weise, wie es bei der Beschreibung zu unserer Tabelle 1 dargestellt wurde.

Nur wurde hier die Spalte a in 3 Spalten aufgeteilt (a~, a~, aa). In a 1 wurden die Probanden eingetragen, die aus dem dariiber stehenden Jahrgang iibertreten. In a, sind die Probanden eingetragen, die neu hinzutreten, in a 3 ist die Summe aus diesen beiden Spalten eingetragen. Bei Bildung der Ziffer der Spalte d wurden die neu hinzugekommenen Probanden (also die der Spalte a~) stets nur halb ge- rechnet, wie ja auch die leben4 ausgetretenen der Spalte b hier nur halb gerechnet wurden. Man mud ja annehmen, dal~ nicht alle Probanden, die z.B. im Alter yon 21--30 Jahren neu hinzukommen, bereits mit dem 21. Jahre neu hinzugekommen, sondern dab vielmehr dieses I~inzukommen sich etwa gleichm~Big auf das ganze Jahrzehnt verteilt, wie bei den FMlen der Spalte b das Ausscheiden.

Tabelle 4. P r o z e n t z i f f e r n der T u b e r k u l o s e s t e r b l i c h k e i t bei den Gesehwis tern ve r sch iedene r P r o b a n d e n g r u p p e n bzw. bei den P r o b a n d e n se lbs tL

Durchschnittsmaterial Luxen- burger- Schulz . . . . . .

Durchsehnittsmaterial Magg . Durchschnittsmaterial Schulz Durchschnittsmaterial Klem-

perer . . . . . . . . . . Psyehopathengeschwister . . Alle Schizophreniegeschwister Nicht geisteskranke Schizo-

phreniegeschwister . . . . Geisteskranke Sehizophrenie-

geschwister . . . . . . . Alle Schizophrenieprobanden

Prozent der an Tuberkulose Gestorbenen in den Altersjahren yon

0,4

0,5

0,3 1,8 1,7 0,9 1,2 1,3 1,6 0,6 2,3 0,9 2,1

1,0 1,1 1,8 1,3 1,4 2,2 0,3 0,6 1,2 2,3 2,3 1,9

1,2 2,0 1,5 1,3

1,4 6,0 10,~ 9,6 4,2 14,3 18,1 14,3

1,6 1,2 3,4

1,9

1,~

5,3 11,7 6,7

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An Tuber- kulose

Gestorbene in den

Altersjahren yon 11--60

1,3 34 1,3 24 1,2 14

1,3 16 1,3 22 1,9 159

1,5 116

6,1 43 14,9 173

Nun zur Bet rachtung der Tabelle 4: Die Tuberkulosesterblichkeit in den einzelnen Gruppen der Durchschnittsgeschwisterschaften s t immt auffallend gut un te re inander iiberein. Allerdings sind es in der Durch- schnit tsbevSlkerung Klemperers wie unte r den Geschwistern der yon mir Z. Neur. 136 verSffentlichten Durchschni t tsbevSlkerung nicht ge- rade die j i ingsten Altersklassen yon 11--20 Jahren, die besonders weit in bezug auf die Tuberkulosesterblichkeit h in ter den entsprechenden Jahrgi~ngen der Sehizophreniegeschwister zurfickbleiben. Da die yon Luxenburger (Z. Neur. 112) und mir (Z. Neur. 109) untersuehte Dutch-

1 ~ber die tterkunft des Materials vgl. die Fui~noten zur Tabelle 3. Unter den Schizophreniegeschwistern un4 Schizophrenieprobanden ist hier das in Tabelle 3 vor- liegender Arbeit verwendete Material meiner Arbeit in Z. Neur. 14~ verstanden.

z. f. d. g. Neut. u. Psych. 148. 24

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870 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit

schnittsbevSlkerung, bei der ein derartiges Zurfickbleiben aufgefallen war (vgl. Abb. 1), zeitlich besonders welt zurfickliegt, k6nnte man ver- tauten, dab die geringe Tuberkulosesterblichkeit in den jiingeren Jahr- g/ingen dieser Gruppe mit darauf zurfickzufiihren sein kSnnte, dab in frfiherer Zeit die Tuberkulose nicht so h/~ufig wie jetzt als Todesursache erkannt wurde. Das widerspr/iche also bis zu einem gewissen Grade unseren Bemerkungen auf S. 359, Absatz 3. (Dal3 die Tuberkulose jetzt ziemlich regelm/~ig als Todesursache erkannt wird, dfirfen wir wohl annehmen; und wenn auch tier eine oder andere Fall einmal nicht er- kannt wird, so diirften sich diese F/~lle doch ziemlich gleichmg$ig auf die verschiedenen Gruppen verteilen, so da$ unsere Ziffern zum min- desten Vergleichswert besitzen.)

Auff/~llig ist in der Tabelle 4 auch noch die hohe Tuberkulosesterblich- keitsziffer unter den Geschwistern der Psychopathen gerade in den jiingeren Jahrg/~ngen. Die ffir die dort vom 11.--60. Jahre zusammen- gefaSten Lebensalter erscheint zwar gering. Doch ist diese letzte Ziffer triigerisch: die Psychopathen gehSren einer jungen Zeitepoehe und auch mehr den jungen Altersklassen an. ZeitepoehenzugehSrigkeit, Altersaufbau, soziale ZugehSrigkeit usw. miissen aber auch bei der G-Methode berficksichtigt werden.

Dal3 sich zwei Gruppen in einem oder mehreren dieser Punkte unter- scheiden, daffir kann iibrigens bisweilen eine Verschiedenheit der All- gemeinsterbliehkeit ein Hinweis sein. Und so finden wir denn die ErhS- hung der Tuberkulosesterbliehkeit unter den Psychopathengeschwistern Berlits, die dieser nach der T-Methode festgestellt zu haben glaubte, hier zwar nicht gerade best~tigt; abet, wenn wir die geringe Allgemein- sterblichkeit seines Materials beachten, spricht unser Befund auch nicht gegen die Annahme Berlits, und die hohe Tuberkulosesterbliehkeit in den jiingeren Jahren spricht eher daffir. Xhnliehe Betrachtungen wird man aueh in bezug auf das Material Klemperers anstellen kSnnen, doch ist hier auSerdem die Kleinheit der absoluten Ziffern zu beriicksichtigen, die vielleicht das Schwanken der Ziffern in den einzelnen Lebensjahr- zehnten bedingt.

Gegen einen Vergleieh mit der Allgemeinstatistik habe ich nun bier bei der Tuberkulosesterblichkeit die gleichen Bedenken wie bei der Sterblichkeit fiberhaupt. Beachten wit dies, so kann man aber vielleicht doch yon einer ziemlich guten ~bereinstimmung der Ziffern sprechen. So findet sich nach Prinzing x fiir PreuBen 1925--1926 bei den M/innern fiir das 15.--20, fiir das 20.--25. und fiir das 25.--30. Lebensjahr, auf unsere Bezugsziffern umgerechnet, eine Tuberkulosesterblicbkeit yon 0,796 %, 1,550 % und 1,563 % ; bei uns schwanken die Ziffern der Durch- sehnittsbevSlkerung ~fir die Alter yon 11--20 Jahren zwischen 0,3% bis 1,0% und ffir die Alter zwisehen dem 21.--30. Jahre zwischen 1,1%

1 Prinzlng: I-Iandbuch der Medizinalstatistik, 2. Halbband, S. 367. 1931.

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in den Famflien Geisteskranker und in der Durchschnittsbev61kemng. 371

und 2,3%. Auch den Anstieg linden wir also hier wie dort deutlich ausgepr/igt.

DaB die Gruppe 15--20 Jahre der Allgemeinstatistik nicht so ge- ringe Werte zeigt wie die yon Luxenburger und mir untersuchte und in Abb. 1 verwendete Durchschnittsbev61kerung, lieBe sich auch damit erkl/~ren, dab in diesen Durchschnittsgeschwisterschaften ja die Alters- gruppe nicht vom 15.--20, sondern vom 11.--20. Jahre reicht, die Gruppe vom 11.--15. Jahre aber allgemein eine geringe Tuberkulose- sterblichkeit aufweisen dfirfte.

Die Ziffern der Tuberkulosesterblichkeit ffir Bayern berechnete ich an Hand des Statistischen Jahrbuchs Ifir das K6nigreich Bayern, 11. Jahr- gang 1911, S. 20--21 (Volksz/~hlung ffir 1910) und des gleichen Jahr- buchs, 12. Jahrgang 1913, S. 56--57. (Die Todesf/~lle an Tuberkulosc fiir das Jahr 1910 sind noch nicht nach Lebensjahrzehnten aufgeteilt; ich muBte also die im 12. Jahrgang angegebenen Ziffern ftir Todesfi~lle an Tuberkulose verwenden. Doch ist die Zahl der vom 15.---60. Lebens- jahr an Tuberkulose Gestorbenen im Jahre 1912 annghernd die gleiche, n~mlich 9903, wie die der im Jahre 1910 an Tuberkulose Gestorbenen, ngmlich 10 565.)

Es berechnete sich auf diese Weise eine Tuberkulosesterblichkeit im 2., 3., 4 , 5., 6. Jahrzehnt und ffir die Zeit yore 11.---60. Jahre yon 1,1%, 2,5%, 2,8%, 2,7%, 2,8% und 2,2%. D. h., die Ziffern liegen alle nicht nur fiber den entsprechenden Ziffern bei der durch Familienforschung gewonnenen Durchschnittsbev61kerung, sondern auch fiber den Ziffern bei den Geschwistern Schizophrener (vgl. Tabelle 4). Nun sei zwar unter Beziehung auf S. 370, Abs. 2 betont, dal] ja auch die Ziffern der Sterb- lichkeit fiberhaupt, die der BevSlkerungsstatistik entnommen waren, grSl]er als die entsprechenden Ziffern bei den durch Familienforschung gewonnenen Gruppen gefunden warden. Eine Rolle mag auch spielen, dab ich die Ziffern fiir die Tuberkulosesterblichkeit aus der Allgemein- statistik gewissermaBen nach der A-Methode in Lebensjahrzehnte zu- sammenziehen muBte, wenigstens bei den jfingeren Altersklassen.

Aber ganz abgesehen davon ist auch nach der T-Methode berechnet die Zahl der an Tuberkulose Gestorbenen in der Allgemeinstatistik hSher als bei unserem auf dem Wege der Familienforschung gewonnenen Material. Die Ziffern lauten in der Allgemeinstatistik fiir Bayern im Jahre 1912 im 2., 3., 4., 5., 6. und 2.--6. Jahrzehnt: 40,3%, 51,3%, 41,7%, 26,1%, 14,3% und 31,2%. Demgegeniiber finden sich in der DurchschnittsbevSlkerung Luxenburger-Schulz die Ziffern (vgl. Tabelle 2) 10,0%, 30,0%, 16,6%, 12,1%, 6,7% und 15,5% und unter den in Ta- belle 2 dieser Arbeit angeffihrten Schizophreniegeschwistern 41,6%, 29,6%, 30,6%, 23,0%, 12,6% und 27,7%.

Und zwar ist dieser Unterschied nicht etwa darauf zuriickzafiihxen, dab allgemein 1912 in ganz Bayern etwa eine hShere Tuberkulose-

24*

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872 B r u n o S c h u l z : S t e r b l i c h k e i t u n d T u b e r k u l o s e s t e r b l i c h k e i t

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in den Familien Geisteskranker und in der DurchschnittsbevSlkerung. 373

sterblichkeit geherrseht h~tte als in Miinchen und Umgebung. Das geht einwandfrei aus dem gleichen Statistischen Jahrbuch S. 58 hervor. Viel- mehr mfissen wir hier entweder die besoadere berufliche Sehichtung des auf dem Familienwege gewonnenen Materials verantwortlich machen oder den Umstand, dab das Material fiber verheiratete Personen ge- wonnen ist, oder ~hnliehes.

Auf die hohe Tuberkulosesterblichkeit unter den Schizophrenie- probanden selbst sei ganz besonders hingewiesen 1. Auch hier bestehen natfirlich wieder gewisse Bedenken gegen den Vergleich der Ziffern, die sich bei Zusammenfassung aller Altersklassen yore 11. bis zum 60. Jahre ffir die Gruppe der Probanden und die Gruppe der geisteskranken Probandengeschwister ergeben, mit den Ziffern, die sieh bei der ent- sprechenden Zusammenfassung ffir die anderen Gruppen ergeben. Aller- dings steigt die Tuberkulosesterblichkeit nicht so eindeutig in den hSheren Altersjahrzehnten wie die Sterblichkeit fiberhaupt, und so ist ein Vergleich in bezug auf die Tuberkulosesterblichkeit vielleicht ein wenig unbe- denklicher als in bezug auf die Sterblichkeit fiberhaupt. ~brigens ergibt sich auch nach der T-~ethode eine besonders hohe Tuberkulosesterblieh- keit ffir die Schizophrenieprobanden. Sie betr~gt (vgl. Z. Neur. 143, 221) 59,9%, eine Ziffer, die welt fiber den nach der gleichen Methode errechneten entsprechenden Ziffern fiir die Tuberkulosesterblichkeit unter den Sehizophreniegeschwistern liegt (vgl. Tabelle 2 vorliegender Arbeit).

In Tabelle 5 ist die Tuberkulosesterblichkeit in den Geschwisterschaften der einzelnen yon mir in meiner Schizophreniearbeit gebildeten Probanden- gruppen dargestellt, in Tabelle 6, die wir gleiehzeitig mit Tabelle 5 be- traehten wollen, die Tuberkulosesterbliehkeit unter den Eltern der ein- zelnen yon mir gebildeten Probandengruppen, sowie die Tuberkulose- sterblichkeit unter den einzelnen Gruppen der Probanden selbst.

Wir betraehten zun~ehst die naeh der klinischen Unterform der Krank- heit der Probanden gebildeten Gruppen bei diesen selbst, bei den Eltern und Geschwistern. Bei dem kleinen Material wird man bier wohl oder iibel doeh noeh am besten tun, die Ziffern ffir die aus den Altersklassen vom 11. bis zum 60. Jahre gebildeten Gesamtgruppen miteinander zu vergleiehen, obwohl z.B. ein l~roband, der der klinischen Untergruppe der Dementia paranoides angehSrt, sich seltener in den jfingeren Alters- klassen linden wird als ein Proband, der der klinischen Untergruppe der Hebephrenie angehSrt (vgl. hierzu S. 368, Abs. 2 und diese Seite, Abs. 1). Unter den Probanden selbst ist die Tuberkulosesterbliehkeit bei der K-Gruppe (so bezeiehnete ieh in meiner Sehizophreniearbeit die Probanden mit rein katatonem Krankheitsbilde) am hSehsten, n~mlieh 20,7 % gegen- fiber den n~ehsthSehsten Gruppen mit 16,8%, 13,2%, 10,2%. Bei den Eltern und Gesehwistern dagegen ist sie am hSehsten bei denen der l~robanden der P-Gruppe (Dementia paranoides-Gruppe). Dieser Befund

1 Vgl. S. 359, Abs. 1 vorliegender Arbeit.

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874 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit

bei Eltern und Geschwistern stimmt fiberein mit den in meiner Schizo- phreniearbeit (S. 227 und 257) nach der T-1Kehode erhobenen Befunden. Der Befund bei den Probanden stimmt jedoch nicht mit den nach der T-l~ethode erhobenen Befunden iiberein (dort bei der K-Gruppe 60%, bei der Gruppe PK 74%, bei H K 63%, bei 1~ 61%; S. 221 meiner Schizophreniearbeit).

Wit erkennen hier wieder, wenn ich so sagen daft, einen ~angel der T-YIethode. Die hohe Allgemeinsterblichkeit bei den Probanden der K-Gruppe li~$t die ErhShung der Tuberkulosesterblichkeit bei dieser Gruppe gegeniiber der bei den anderen Gruppen bei Berechnung nach der T-Methode nicht genfigend hervortreten. Aber abgesehen davon linden sich bei Berechnung nach der G-l~Iethode die Befunde in der Schizo- phreniearbeit besti~tigt: Die besonders hohe Tuberkulosesterblichkeit bei den Probanden der K-Gruppe findet sich nieht bei den Eltern und Geschwistern dieser Probandengruppe. Sie diiftte also nichC so sehr

TabeUe 6. Prozent der Tuberkulosesterbl ichkeit unter den Eltern der ein- zelnen in meiner Schizophreniearbei t gebildeten klinischen Untergruppen der Probanden, sowie in den entsprechenden einzelnen P r o b a n d e n g r u p p e n

selbst.

Eltern der

Gruppen

Proban- den der Gruppen

H K P PH HK PK M

Aller Gruppen

H K P PH HK PK M

Unsichere 1 Diagnose

Prozent der an Tuberkulose Gestorbenen in den Altersjahren yon

! !

An Tuber- kulose

Gestorbene in den

Altersjahren yon 11--60

14,3

;,3

0,1

5,2 16,9 10,0

2 ,2 7,2

11,4

11,1

?0 4,3

1,9 0,7

1,9

4,6 26,2

7,6 3,3

19,8 13,6 19,3

9,0

4,8 0,8 1,5 3,5 2,1 4,1 4,3

2,8

8,0 25,3 6,7 4,4 9,8

19,7 12,0

3,3 1,3 3,3 3,4 3,6

3,0

40,0 1,2

10,7

1 ,7 10,5

2,5 1,8

0,7 3,7 2,1

1,8

1;;,o

0,7

1,2 3 1,3 13 2,4 13 1,2 2,2 21 2,2 18 2,0 23

1,9 95

9,2 6 20,7 4 8,3 14 2,3

16,8 37 13,2 34 10,2 37

5,9 4

1 Diese 42 Probanden mit unsieherer Diagnose sind in keiner der sonstigen Gruppen enthalten.

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in den Familien Geisteskranker und in der Durchschnittsbev61kemng. 875

ein konstitutionelles !~erkmal sein, das unabh/~ngig yon der Schizo- phrenie in den l%milien der Katatonen besonders h/iufig auftritt. Viel- mehr diirfte sie eng an die Manifestation der Katatonie gebunden sein, entweder insofern, als gerade diejenige Person, die die Erbanlage hat, an Katatonie zu erkranken, aueh die Erbanlage hat, an Tuberkulose zu erkranken, w/ihrend Personen ohne die Anlage, kataton zu werden, die An]age, an Tuberkulose zu sterben, selbst dann nieht besonders oft haben, wenn sie Verwandte yon Katatonen sind. Vielleicht aber ist die Tuberkulose auch nur eine Folge der Katatonie, sei es mehr /iuBerlich infolge der durch diese Krankheit bedingten unzweckm/iBigen Lebensweise, oder mehr in engerem Zusammenhang stehend infolge des dureh die Krankheit bedingten Darniederliegens der Abwehrkr/ifte. Diese ~berlegung wiirde mSglieherweise bis zu einem gewissen Grade nicht nur in bezug auf die Katatonie, sondern auch in bezug auf die Schizophrenie iiberhaupt gelten, da ja besonders die ge is teskranken

Geschwister der Schizophrenen es sind, die eine hohe Tuberkulosesterb- lichkeit aufweisen. Allerdings hier nur bis zu einem gewissen Grade. Denn wenn wir die hSchste Tuberkulosesterblichkeit unter den Eltern und Geschwistern der Schizophrenen unter den Eltern und Geschwistern der Probanden der P-Gruppe linden, so h/ingt dies nieht damit zu- sammen, dab etwa unter den Eltern und Geschwistern der Probanden der P-Gruppe sieh besonders viele Schizophrene f/inden. Nach Tabelle 20, S. 222, meiner Schizophreniearbeit ist die Sehizophrenieh/iufigkeit unter Geschwistern der P-Gruppe vielmehr eher besonders gering.

Die ganze Frage naehzupriifen bedarf es erneuter Untersuchungen an grSBerem Material. Und besonders wenn sieh herausstellen sollte, dab unter den Verwandten der Schizophrenen oder einer bestimmten klinischen Untergruppe der Schizophrenen in der Hauptsache nur die sch izophrenen Gesehwister eine erhShte Tuberkulosesterbliehkeit auf- weisen, diirfte die Frage nach dem Wesen der Beziehungen zwischen Tuberkulose und Schizophrenie ganz besonders differenzierte Unter- suehungen erfordern. Zu priifen w/ire etwa - - schon L 6 w 1 wies darauf hin - - , wie h/iufig die Katatonen sehon vor Beginn ihrer Katatonie tuberkulSse Erscheinungen bieten im Gegensatz zu Menschen, die sp/iter nicht kataton werden. Solche Untersuchungen werden sieh nach Ein- fiihrung yon Gesundheitsakten natfirlich viel leiehter als jetzt vor- nehmen lassen.

DaB die AuBenumst/inde nieht aussehlaggebend fiir den Tod an Tuberkulose sind, dafiir sprechen vor allem die Zwillingsuntersuehungen Diehls und v. Verschuers ~. Beaehtung seheint mir in diesem Zusammen- hang abet aueh wieder die Bemerkung L 6 w s zu verdienen, dab die Tuber- kulosesterbliehkeit sich aueh in neuen Anstalten a mit hygieniseh

1 L6w: Allg. Z. Psychiatr. 78, 443 (1917). 2 Diehl u. v. Verschuer: Zwillingstuberkulose. Jena 1933. a L6w: 1. c. S. 470.

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876 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit

denkbar giinstigsten Verhgltnissen stark erhSht finder, dab Epileptiker und Paralytiker, auch wenn sie unrein und schlecht atmend dahinvegetieren, betrs weniger oft an Tuberkulose sterben als die Schizophrenen 1 und dab die tuberkulosefreien Geisteskranken oft gerade ein ganz be- sonders unhygienisches Verhalten zeigen 2. Allerdings mfil~ten diese Befunde noch an weiterem Material und unter statistiseh einwand- freiester Berficksichtigung und Inbeziehungssetzung von Dauer des An- staltsaufenthaltes, Lebensalter der Kranken, ihrem Verhalten in der Anstalt, der durch Paralyse und Epilepsie bedingten Todesf~lle im An- fall usw. naehgeprfift werden.

Noch geringer fibrigens als unter den Geschwistern der Gruppe P ist die Sehizophrenieh~ufigkeit unter den Geschwistern der Gruppe PH. Und hier findet sich nun sowohl bei Berechnung nach der T-Methode 3 wie auch bei Bereehnung nach dcr G-Y[ethode (Tabelle 5 und 6 vorliegen- der Arbeit) eine besonders niedrige Tuberkulosesterbliehkeit, und zwar sowohl bei den Probanden selbst wie bei ihren Eltern und Geschwistern. Allerdings mu[~ hier auf die Kleinheit der absoluten Zif~ern hingewiesen werden.

Kiirzer will ich mich in bezug auf die nach Ursach~nangabe, nach Angaben i~ber schlechte Schulleistungen, nach Ausgang in Heilung ge- bildeten Probandengruppen ~assen. Wir finden hier eine besonders geringe Tuberkulosesterblichkeit bei den Geschwistern der Gruppen derjenigen Probanden, bei denen die Schizophrenie nach einer Entbindung, naeh Kopftraumen und Operationen ausbrach. Die Befunde stimmen in bezug auf die Gruppe Entbindungen und Operationen iiberein mit den Befunden der T-Methode 4. Nieht deutlich nach der T-Methode t ra t zutage die geringe Tuberkulosesterblichkeit der , ,Kopftraumatiker".

In l~bereinstimmung mit der T-Methode findet sich aueh bei den Fs mit schlechten Schulleistungen eine verhs geringe Tuberkulosesterbliehkeit 5 und ebenso bei den geheilten Fs ~. Die ,,F~lle mit psyehischen Ursaehen" weisen eine hShere Tuberkulosesterb- liehkeit auf als das Gesamtmaterial.

Sehliel]lieh sei noeh darauf hingewiesen, dab aueh die wegen Un- sieherheit der Diagnose aus meinem Schizophreniematerial ausgeschie- denen Probanden naeh der G-~Iethode wie auch naeh der T-Methode eine besonders geringe Tuberkulosesterbliehkeit aufweisen; auch unter den Gesehwistern dieser F~lle ist die Tuberkulosesterbliehkeit geringer. (Die Befunde der T-l~ethode ftir die Geschwister dieser F~tlle siehe 1. c. S. 261.) DaB die Probanden der Gruppe PH eine noch geringere Tuber- kulosesterblichkeit aufweisen als die Probanden mit unsicherer Diagnose, kSnnte mit der Kleinheit der absoluten Ziffern zusammenhi~ngen. Ent-

1. c. S. 474. 2 1. c. S. 475. ~ Z. Neur. 148, 221, 227 und 257. 4 1. c. Tabelle 33, S. 246 und Tabelle 34, S. 247. 5 1. c. Tabelle 33 und 34, S. 246, 247. 6 1. c. Tabelle 36, 37, S. 249, 250.

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in den Familien Geisteskranker und in der Durchschnittsbev61kerung. 877

sprechendes diirfte gelten ffir einen Vergleich zwischen der Tuberkulose- sterblichkeit unter den Geschwistern der naeh Entbindung erkrankten Schizophrenieprobanden und den Geschwistern der Probanden, die wegen Unsieherheit der Diagnose ausgeschieden wurden.

Wenn nun oben erw/~hnt wurde, dab eine ErhShung der allgemeinen Sterblichkeit (etwa bei den Katatonen) die Erh6hung der Tuberkulose- sterblichkeit, wenn diese nach der T-Methode berechnet wurde, ver- schleiern k6nnte, so kann durch Anwendung dieser Methode unter Um- st/~nden auch einmal der Eindruek hervorgerufen warden, als ob ver- schiedene Todesursachen in einer negativen Korrelation zueinander stiinden, ohne dab dies tats/iehlich der Fall ist. Haben wir z.B. zwei gleich groi]e Gruppen yon gleichem Altersaufbau, aus denen in den gleichen Alters- klassen gleich viel Personen an Tuberkulose sterben, so wird bei Be- rechnung nach der T-Methode diejenige Gruppe eine geringere Prozent- zahl ffir Tuberkulosesterblichkeit aufweisen, bei der die Allgemeinsterb- lichkeit etwa dadurch erh6ht ist, dab hier mehr Personen an Herz- sehlag, Hirnschlag oder Schlag allgemein gestorben sin& Wenn man also bei einer Erhfhung der Sterblichkeit an Krankheiten des GefiiBsystems eine Herabsetzung der Tuberkulosesterblichkeit findet, so kann man daraus, solange dlese Befunde nur nach der T-Methode erhoben sind, noch nicht ohne weiteres schlieBen, dab beide Todesursachen aus bio- logisehen Grfinden in einer negativen Korrelation zueinander stehen. Zwar betrifft die Tuberkulosesterblichkeit haupts/iehlich jfingere Jahr- g/~nge, die Sterblichkeit an Krankheiten des Gefi~Bsystems, vor allem an Arteriosklerose, haupts/~chlich /~ltere; bei einer Anzahl yon Alters- klassen aber spielen beide Axten yon Todesursachen eine betr/iehtliehe Rolle.

Da ieh in den Arbeiten fiber die Geschwister und Eltern yon tIirn- arteriosklerotikern 1, sowie fiber die Geschwister und Eltern yon Hirn- arteriosklerotikerehegatten 2 entsprechende Untersuehungen nach der T-Methode gerade fiber die beiden genannten Todesaxten angestellt habe, habe ich mieh verpflichtet geffihlt, sie bier nach der G-1V[ethode zu fiberprfifen. AUes weitere zeigt die Tabelle 7 a Wie nach dem eben Angeffihrten zu erwarten, gleichen sieh nach der G-Methode die Er- gebnisse aneinander an. Es bleiben abet dennoeh die Untersehiede be- stehen, so dab auch meine damaligen Ergebnisse, wenn auch nicht dem Grade, so doeh der Richtung nach bestehen bleiben k6nnen. Allerdings sind die Unterschiede nunmehr so gering, dab i, hre Best/~tigung an gr6Berem l~aterial durehaus noch abgewartet werden mu$.

x Schulz: Z. Near. 120 (1929). 2 Z. Neur. 109 (1927). a In dieser Tabelle ist unter ,,Todesursachen 4er Gruppe I" verstanden Tod an

Arteriosklerose und Schlag einschliefllich Hirnschlag. N~heres hierfiber siehe in meiner Arbeit fiber die heredit/~ren Beziehungen der I-Iirnarteriosklerose in Z. Neur. 120, 58 f.

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in den Familien Geisteskranker und in der Durchschnittsbev61kerung. 379

Gem h/itte ich auch die Sterblichkeit an Tuberkulose einerseits und Arteriosklerose und Sehlag andererseits in den Familien der yon Kolle 1

untersuchten Paranoiker oder Paraphrenen nach der G-Methode unter- sucht, und zwar um so lieber, als ja die HShe der Ziffern ffir Tuber- kulosesterblichkeit unter den Verwandten der P-Gruppe (Dementia paranoides-Gruppe) in meiner Sehizophreniearbeit in einem gewissen Gegensatz zu den genannten Befunden yon Kolle zu stehen seheint. Da bei Kolle nur die Zahl der toten und nieht auch die der lebenden Ver- wandten der Probanden angegeben ist, muBte ieh leider darauf ver- ziehten.

Zusammenfassung. 1. An Stelle der bisher in den Arbeiten des genealogisehen Ins~ituts

angewandten Methode der Bereehnung der Tuberkulosesterblichkeit durch Beziehung der an Tuberkulose Gestorbenen auf die Zahl aller Gestorbenen, wobei gleiche Altersgruppen vergliehen und gewaltsamen Todes Verstorbene und Geisteskranke ausgesehaltet wurden, wurde in vorliegender Arbeit die Tuberkulosesterblichkeit bereehnet dureh Be- ziehung der an Tuberkulose Verstorbenen auf die gesamten (lebenden und verstorbenen) in der jeweiligen Altersgruppe beobachteten Personen.

Auf diese Weise ergaben sieh Ziffern ffir die Tuberkulosesterblieh- keit, die selbstverst/indlieh viel kleiner sind als die auf die bisher gefibte Weise gewonnenen, die jedoeh bei der Mehrzahl der hier untersuehten Gruppen in gleicher Riehtung voneinander abweichen - - wenn sie auch nicht im gleichen Verh/iltnis zueinander stehen - - wie die Ziffern, die naeh dem bisher yon uns gefibten Verfahren gewonnen wurden.

Dennoeh wird man gut tun, sieh nieht mit dem bisher angewandten Verfahren zu begnfigen, denn hie und da ergeben sieh demloeh Unter- sehiede. So weist z. B. in meiner Arbeit ,,Zur Erbpathologie der Schizo- phrenie" (siehe dort S. 221) die Gruppe der Katatonieprobanden bei der friiher gefibten Bereehnungsart (T-3lethode) gar nicht die hSehste Tuberkulosesterbliehkeit innerhalb der klinisehen Untergruppen der Sehizophrenieprobanden auf (60% gegenfiber anderen Gruppen mit 61%, 63% und 74%), w/~hrend das naeh der in vorliegender Arbeit an- gewandten Methode (G-Methode) durehaus der Fall ist (20,7% gegen- fiber den entsprechenden Gruppen mit 10,2%, 16,8% un4 13,2%; siehe Tabelle 6 vorliegender Arbeit).

In bezug auf den Punkt, auf den es uns bei der Frage nach der Tuber- kulosesterblichkeit hier ankommt, n/~mlieh auf die Feststellung bio- logischer Beziehungen, seheint mir die G-l~Iethode aber die riehtigere Antwort zu geben.

Diese ~Iethode hat aueh den Vorteil, dal3 man bei ihr weitgehend auf ,,Abziige" (etwa der gewaltsamen Todes Gestorbenen) verziehten kann.

1 KolIe: Die prim~re Verrtiektheit. Leipzig 1931.

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380 Bruno Schulz: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit

2. Abgesehen vom Methodologischen ergab die Arbeit: a) Die Sterblichkeit in den bisher am Institut durchforsehten Ge-

schwisterschaften stimmt, soweit sic fiir diese Arbeit untersucht und in ihr wiedergegeben wurden, weitgehend mit den Sterblichkeitsziffern in der allgemeinen BevSlkerungsstatistik iiberein. Eine genauere ~ber- einstimmung mit den Ziffern der Allgemeinstatistik ist bei einem durch Familienforschung erhobenen und noeh nicht abgelebten Material auch nicht zu erwarten. Die Vermutung Weinbergs, der aus dem Zurfick- bleiben der Sterblichkeitsziffern in Riidins Material auf eine mangel- hafte Erforschung dieses Materials sehloB, ist zum mindesten insofern nicht zutreffend, als man aus dem einfachen Vergleich der yon Wein- berg einander gegenfibergestellten Ziffern, wenigstens in den h6chsten Altersklassen, ein iibertriebenes Bild yon der GrSBe des etwaigen Unter- schiedes erh/ilt.

Dagegen ist die Sterblichkeit der Geisteskranken, insbesondere auch die der Schizophrenen, betr/ichtlich grSBer als die Sterblichkeit der Geistesgesunden (siehe Tabelle 3 vorliegender Arbeit). Wir werden uns also nicht wundern, wenn wir bei einer Z~hlung der Geisteskranken in der lebenden BevSlkerung viel Ideinere Ziffern als auf dem Wege der Familienforsehung erhalten.

b) Die Befunde Luxenburgers, der unter den Geschwistern Schizo- phrener mehr Todes/~ille an Tuberlculose land als in der Durehschnitts- bev61kerung, liei]en sieh auch an einem weiteren groBen Material yon Schizophreniegeschwistern und beiAnwendung der G-Methode, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, best~tigen (1,9% gegen/iber 1,3%; siehe Tabelle 4 vorliegender Arbeit).

Ira Gegensatz zu den Befunden Luxenburgers, der gerade auch unter den geistesgesunden Geschwistern yon Schizophrenen die Tuberkulose- sterblichkeit stark erhSht land, land sich bei meinem Schizophrenic- material die Tuberkulosesterbliehkeit bei den geistesgesunden Pro- bandengeschwistern gegen/iber der DurehschnittsbevSlkerung nur gering erh6ht (1,5% gegeniiber 1,3%; siehe Tabelle 4 vorliegender Arbeit). Das liegt jedoch nicht allein an der Methode der Bereehnung, sondern zum Teil aueh an der Versehiedenartigkeit des Materials. So ergab sich aueh nach der T-Methode bei Abzug der Geisteskranken und gewalt- samen Todes Verstorbenen bei Luxenburgers Sehizophreniegesehwistern 46,7% gegen/iber 18,4% bei der DurehschnittsbevSlkerung, bei meinen Schizophreniegesehwistern nur 34,2% gegenfiber 18,4% bei der Dureh- sehnittsbevSlkerung (siehe Tabelle 2 vorliegender Arbeit). -Welchen Be- funden Allgemeingiiltigkeit zukommt, wird sieh also erst durch Unter- suehungen an weiterem Material entseheiden lassen. Die hohe Tuber- kulosesterblichkeit, die das so groBe Material meiner Sehizophrenie- probanden nach der G-Methode wie auch nach der T-Methode aufweist, maeht es jedoch wenig wahrscheinlich, dab allgemein die geisteskranken

Page 31: Sterblichkeit und Tuberkulosesterblichkeit in den Familien Geisteskranker und in der Durchschnittsbevölkerung

in den Famihen Geisteskranker und in der Durchschnittsbev61kerung. 381

Geschwister der Schizophrenen eine so geringe Tuberkulosesterblichkeit aufweisen, wie es die geisteskranken Geschwister der Schizophrenie- probanden Luxenburgers tun. (Alle hier in der Zusaramenfassung ange- ffihrten Ziffern sind 4urchschnittliche Sterblichkeitsziffern ffir ein Jahr- zehnt, berechnet aus den Altersklassen vom 11. bis zum 60. Jahre. Die Bedenken gegen die Zusammenfassung der Ziffern mehrerer /klters- jahrzehnte sind auf S. 368, Abs. 2 und S. 373, Abs. 1 hoffentlich hin- reichend zum Ausdruck gebracht; ganz ls sich aber wohl, wenn man zum SchluB einen ~berblick geben will, doch nicht auf solche Zusammen- fassungen verzichten.)

Were1 wir nun aber auch weiterhin die Tuberkulosesterblichkeit in der Hauptsache bei den geisteskran]cen (schizophreneu) Geschwistern der geisteskranken (schizophrenen) Probanden erhSht finden sollten, so ist damit keineswegs gesagt, dam die Beziehungen zwischen der Tuber- kulose und der Geisteskrankheit, im besonderen der Schizophrenie, nur ~uBerer Natur seien, soll heiBen, nur durch die Lebensweise der Schizo- phrenen bedingt seien. Vielmehr kann die Beziehung sogar eine be- sonders enge konstitutionelle sein, indem gerade Personen einer ganz bestimmten Konstitution die Neigung haben, sowohl an Schizophrenie wie an Tuberkulose zu erkranken. Um diese Frage zu td/~ren, sind jedoch ebenfalls weitere Untersuchungen, und zwar besonderer Art, erforderlich.