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Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse Nummer 2 Mai/Juni 2009 Stille Gehörlos Wie Leonie den Weg raus aus der Stille fand Musik Komponist John Cage lässt die Stille erklingen Hans-Ulrich Doerig Interview mit dem VR-Präsidenten Schnelle Hilfe Reportage aus Chinas Erdbebengebiet Immobilienstudie Das sind die wichtigsten Trends Hernando de Soto Kämpft für die Rechte der Armen bulletin plus Nachfolge

Stille - Credit Suisse

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Seit 1895 das Magazin der Credit Suisse Nummer 2 Mai/Juni 2009

StilleGehörlos Wie Leonie den Weg raus aus der Stille fand

Musik Komponist John Cage lässt die Stille erklingen

Hans-Ulrich Doerig Interview mit dem VR-Präsidenten

Schnelle Hilfe Reportage aus Chinas Erdbebengebiet

Immobilienstudie Das sind die wichtigsten Trends

Hernando de Soto Kämpft für die Rechte der Armen

bulletin plus Nachfolge

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Gold Winner

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1. Rang

Editorial

Im Auge des Orkans herrscht Stille. Nicht dass ich je auch nur in die Nähe eines Wirbelsturmzentrums vorgedrungen oder – noch schlimmer – von ihm überrollt worden wäre. Aber die Vorstellung, dass ausgerechnet in der Mitte von derart grosser Zerstörungskraft Stille herrschen soll, finde ich faszinierend. Wahrscheinlich wünscht sich zurzeit so mancher ins vermeintlich stille Auge der globalen Krise. Doch wer gibt ihm dann die Gewähr, dass es nicht einfach die Ruhe vor dem (nächsten) Sturm ist, um bei einer weiteren Redensart zu bleiben?

Damit sind wir auch schon bei der ersten Grundsatzfrage rund um unser Schwer-punktthema: Ruhe – Stille? Während man im Deutschen sowohl still als auch ruhig sitzen kann und dabei erst noch ruhig im Sinne von gelassen sein kann, funktioniert diese Vieldeutigkeit in den meisten Übersetzungen nicht. Darum haben wir uns bewusst auf eine Ausprägung des Begriffs beschränkt, die der akustischen Stille. Nicht zuletzt auch deshalb, weil uns die optische Umsetzung dieses Zustands reizte. Wie lässt sich Stille in das rein optisch-haptische Erlebnis eines Magazins bringen?

Letztlich sind es für mich aber genau die Bilder des gehörlosen Mädchens Leonie von Katharina Lütscher sowie die Fotoreportage von Andrei Liankevich, die mir das Thema ohne Worte ans Herz legen. Sie widerspiegeln eindrücklich Stille in all ihren menschlichen Facetten. Geradezu poetisch sind die Fotos von Liankevich aus dem verlassenen Dorf Kuzhbej in den Karpaten. Sie halten fest, was bleibt, wenn sich der Mensch aus einer einst belebten Siedlung zurückzieht und ausser Erinnerungen – häufig auch lauten – lediglich Stille zurücklässt.

Und wenn wir schon beim Menschen sind: Überraschenderweise lässt sich auf ihn das anfängliche Bild der Stille im Auge des Orkans innerhalb einer immer lauteren Welt nicht übertragen. Modernste Messmethoden haben gezeigt, dass im Innern eines meditierenden tibetischen Mönchs bezüglich seiner Hirnwellen ein eigentlicher Orkan tobt. Aber lesen und schauen Sie selbst und lassen Sie die stillen Bilder auf sich wirken! Daniel Huber, Chefredaktor Bulletin

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Hallen für neue Kunst | Baumgartenstrasse 23 | CH-8200 Schaf fhausen | Tel. 0041 (0)52 625 25 15 | Fax 0041 (0)52 625 84 74 | hfnk@modern-ar t .ch | www.modern-ar t .ch

HALLENFÜRNEUEKUNST

Mario Merz, Vento preistorico dalle montagne gelate, Hallen für neue Kunst, Schaffhausen, Foto: Raussmüller Collection

«If you are really interested in seeing work of the highest calibre, very well presented, then it is necessary to visit Schaffhausen» (The New York Times)

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Inhalt 5

Der Forest Stewardship Council (FSC) setzt mit 10 Prinzipien und Kriterien den Standard für eine umwelt- und sozialverträgliche Waldbewirtschaftung. Schweizer Papier (Z-Offset, mit 30% FSC-Anteil), aus europäischem Zellstoff, hergestellt von der ISO-14001- AG, Grellingen.

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Stille Der Fotograf Andrei Liankevich besuchte zwei Schwestern in einem ansonsten verlassenen Dorf in den Ukrainischen Karpaten und hält mit eindrücklichen Bildern fest, wie es sich in einem Dorf der Stille lebt.

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6 Erklungen John Cage brachte 1952 mit seinem Werk «4´ 33´´» erstmals die Stille in den Konzertsaal.

10 Verstummt Mit der Kamera zu Besuch in Kuzhbej, einem verlassenen Dorf in den Ukrainischen Karpaten.

17 Wie die gehörlose Leonie dank modernsterTechnik den Weg raus aus der Stille fand.

22 Gefunden Der Mensch braucht seine innere Stille – Gespräch mit Jesuit und Zenmeister Niklaus Brantschen.

25 Analysiert Stille ist nicht einfach ein Nichts, sondern ein Gleichklang hochfrequenter Schwingungen.

Credit Suisse

29 Nachrichten Zum Rücktritt von Verwaltungs-ratspräsident Walter B. Kielholz

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30 Hans-Ulrich Doerig Der neue Verwaltungs-ratspräsident zur Krise und zu seinen Zielen

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32 Nachrichten Initiative in Mexiko – Universiade in China – Unternehmerpreis in der Schweiz

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34 Kultur Tracey Emin in Bern, John M Armleder in Lugano, Ruben Drole in Zürich

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40 Krise Wie man in den verschiedenen Kultur-kreisen mit einer Krise umgeht

41 Bildung 1 Privatschulen sind unentbehrliche Eckpfeiler der Schweizer Bildungslandschaft

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42 Porträt Für die Credit Suisse ist das Tessin eine sehr wichtige Geschäftsregion

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43 Fachstelle Kunst Werk von Klodin Erb für umgebaute Geschäftsstelle in Lugano

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44 Katastrophenhilfe Augenschein im Erd-bebengebiet der chinesischen Provinz Sichuan

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48 Bildung 2 Talentförderung der Credit Suisse im Rahmen des Next Generation Network

49 Bildung 3 Bessere Bildungschancen dank besserer Ernährung in Indonesien

50 Nachrichten Corporate Philanthropy Day – Swisscontact – Kundenstiftungen

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Wirtschaft

52 Immobilienstudie Die wichtigsten Trends des Schweizer Wohnimmobilienmarkts

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_57 Mediensektor Die globale Finanzkrise erhöht den Druck des Strukturwandels

60 Afrika Mit Verzögerung geraten nun auch die Länder Afrikas in den Strudel der Krise

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62 Erneuerbare Energien Werden von den

Invest

65 Aktuelle Analysen und Trends_

Leader

70 Hernando de Soto Der peruanische Ökonom kämpft für die Rechte der Armen

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Service

43 Impressum_

_ 69 Wissenswert

> bulletin plus «Nachfolge» Das Heft im Heft auf Seite 51

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Ihr Link zu unserem Know-how: www.credit-suisse.com/infocus

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6 Stille Musik

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4' 33"Komponierte Stille

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Credit Suisse Bulletin 2/09

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Komponist John Cage bringt die Stille zum Klingen.

«Denn der Raum des Geistes, dort, wo er seine Flügel öffnen kann, das ist die Stille», wusste der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry. Gerade in der Musik lässt sich diese Erfahrung besonders gut machen. Ein feuilletonistischer Streifzug durch die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts – auf der Suche nach den schönsten Variationen der kompo-nierten Stille.

Text: Ingo Petz

1952 wagt der Avantgarde-Komponist John Cage ein Experiment. Unter anderem von den Bildern «White Paintings» des Künstlers Robert Rauschenberg inspiriert, komponiert der damals 40-Jährige das Stück «4' 33"». Der obskure Titel gibt die Dauer des Werkes an: 4 Minuten und 33 Sekunden. Die drei kurzen Sätze staffiert Cage nicht – wie üblich – mit Noten aus, sondern lediglich mit der knappen Spielanweisung «Tacet »: Pause.

Bei der Uraufführung des Stückes am 29. August 1952 im New Yorker Stadtteil Woodstock kommt es zum Skandal. Der junge Pianist David Tudor betritt die Bühne, verbeugt sich, setzt sich vor den Flügel, dann markiert er Beginn und Ende der Sätze jeweils mit dem Öffnen und Schliessen des Klavierdeckels, dazwischen: nichts als Stille und das nervöse Tuscheln, Rascheln und aufgeregte Brummen des Publikums des Benefit Artists Welfare Fund, das an eigenwillige Experimente durchaus gewöhnt ist, sich von Cages radi-kalem Stück aber offensichtlich aufs Äusserste provoziert fühlt. «Die Leute fingen an zu flüstern, manche verliessen sogar den Raum»,

erzählte Cage später. «Sie lachten nicht. Sie waren nur irritiert, als sie bemerkten, dass nichts passieren würde. Und sie haben das selbst 30 Jahre nach der Aufführung nicht vergessen: Sie sind immer noch verärgert.» Cage wird mit dem Stück weltberühmt. «4' 33"» wurde seit seiner Entstehung unzählige Male aufgeführt, auf CD und Vinyl gepresst – mit unterschiedlicher Instrumentierung! Zudem diente es unzähligen Musikern und Künstlern als Inspiration. 2002wurde der britische Komponist Mike Batt wegen seines Stücks «A Minute’s Silence» von den Erben Cages wegen Plagiarismus so-gar verklagt. Man einigte sich auf einen aussergerichtlichen Vergleich, bei dem Batt eine sechsstellige Summe gezahlt haben soll. Batt er-klärte, dass sein Stück ein wesentlich besseres Stück der Stille sei. « Ich habe das in einer Minute gesagt, wofür Cage 4 Minuten und 33Sekunden benötigte.» Der englischen Zeitung «The Independent » sagte er, dass «meine Stille eine originelle ist. Ich habe sie nicht von Cage kopiert.» 2004 wurde das Stück schliesslich live von einem grossen Orchester gespielt und im BBC-Radio 3 ausgestrahlt – ge- folgt von frenetischem Beifall des Publikums. Offensichtlich hatte Cage mit seiner Interpretation der Stille die Welt verändert.

Inspiriert von inneren Tönen

Was war in den US-Amerikaner gefahren, solch ein Stück zu kom-ponieren? Hatte er sich einen Scherz erlaubt ? War er gar verrückt geworden? Dem vielleicht radikalsten Stück der Musikgeschichte war ein Erlebnis Cages vorausgegangen. In den 1940er-Jahren hatte der Künstler, der sich zu jener Zeit auch mit Zen-Buddhismus beschäftigte, die echofreie Kammer an der Harvard-Universität besucht. Er betrat den Raum in der Erwartung, nichts zu hören. Aber wie er später schrieb, hörte er zwei Töne, einen hohen und einen tiefen. «Als ich die Töne dem Toningenieur beschrieb, erklärte der mir, dass der hohe Ton durch mein Nervensystem entstehe und der tiefe durch meine Blutzirkulation, durch meinen Kreislauf.» Er folgerte: «Solange ich lebe, werden Geräusche da sein. Und sie wird es auch nach meinem Tod geben. Über die Zukunft der Musik muss man sich also keine Gedanken machen.»

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8 Stille Musik

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Bild oben l inks Avantgardist John Cage überraschte im Januar 1961 das Publikum mit einem Auftritt an einem Kinder-Miniaturklavier.Bild oben rechts John Cage bei der Arbeit mit David Tudor in der Royal Festival Hall in London im Mai 1972. Bild unten l inks John Cage um 1970 am Experimentieren im Tonstudio. Bild unten rechts Eine Besucherin wird beim faszinierten Betrachten der «Cage-Orgel» fotografiert. Diese befindet sich in der St.-Burchardi-Kirche im ostdeutschen Halberstadt. Nach eineinhalb Jahren kompletter Stille wurde am Freitagabend, 28. Februar 2003, der erste Orgelton des Werks «Organ2/ASLSP» von Cage angespielt. Bis zum Ausklingen des letzten Tons dauert es 639 Jahre.

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Cage hatte herausgefunden, dass es keine elementare Stille gibt, und leitete davon ab, dass jedes Geräusch, jeder Sound Musik sein kann, wenn man ihm einen Rahmen gibt, es mit einer Struktur verbindet, auf ein Konzept stellt, damit der Hörer es mit seinen Ah-nungen, Fantasien, Assoziationen, schliesslich mit Sinn und einem Erlebnis füllen kann. Cages Stück wird deswegen auch als Be- ginn der so genannten Noise -Musik gesehen, also des Stils, der mit intendierten Tönen und zufälligen Nebengeräuschen und Krach arbeitet. «Auch wenn ‹4' 33"› häufig als stilles Stück bezeichnet wird», schreibt der Musikkritiker Peter Gutmann, «ist es alles andere als ein stilles Stück. Während die Aufführung so wenige Geräusche wie möglich macht, bricht Cage mit den traditionellen Grenzen des Konzerts, indem er die Aufmerksamkeit von der Bühne auf den Hörer und darüber hinaus jenseits der Konzerthalle lenkt. Schnell wird man sich so der unglaublichen Fülle der Geräusche und Sounds bewusst, die zwischen banal und profund rangieren, zwischen dem Erwarteten und dem Überraschenden, zwischen dem Vertrauten und dem Kosmischen – wie das Hin- und Herrutschen auf Stühlen, das Rascheln der Programmhefte, das Atmen, die Klimaanlage, quietschende Türen, der Verkehr, Flugzeuge, ein Pfeifen in den Ohren oder eine zurückgewonnene Erinnerung. Dies ist eine zutiefst persönliche Musik, die jeder Hörer entsprechend seinem Leben er-schafft. Konzerte und Platten standardisieren unsere Eindrücke, aber keine zwei Menschen würden ‹4' 33"› gleich empfinden und hören. Es ist der ultimative Sing-along: das Publikum (und die Welt ) wird zum Musiker und Performer.»

Der Urzustand, aus dem alles Tönende aufsteigt

Die Neue Musik des 20. und 21. Jahrhunderts bietet vielerlei Bei-spiele für die Erprobung von extremem Lärm und extremer Stille. Cages «4' 33"» stellt dabei sicherlich einen der extremsten und aussergewöhnlichsten Fälle dar. Wie auch die Arbeiten des Italie-ners Luigi Nono, der ab den 1950er-Jahren mit Maschinenlärm oder Geräuschfetzen experimentierte. Eines seiner zentralen Werke ist das Streichquartett «Fragmente – Stille, an Diotima» aus dem Jahr 1980, in dem man 35 Minuten lang in eine zarte Collage aus Einzel-geräuschen, Gesprächsfetzen oder Einzeltönen abtaucht. «Nono war Venezianer, er lebte auf der Insel Giudecca», heisst es in einer Kritik zu Nonos Werk. «Und wie sich in Venedig das Land in ver-sprengten Inseln aus dem Wasserspiegel der Lagune erhebt, so tauchen in seinem Streichquartett die Klangarchipele aus dem Meer der Stille auf. Die Stille ist der Urzustand, aus dem alles Tönende aufsteigt, und in die Stille sinkt alles wieder zurück. Es wird in dem Stück genauso viel verschwiegen, wie zum Klingen gebracht. Geheimnisvolleres ist kaum je komponiert worden.» Nono, der 1990starb, hat viel für die Sensibilisierung des Hörers getan – die Stille war ihm dabei ein Mittel. «Das Ohr sensibilisieren», schreibt er in seinem Essay «Der Irrtum als Notwendigkeit », «die Augen, das menschliche Denken, die Intelligenz, ein Höchstmass an nach aus-sen gerichteter Innerlichkeit. Das ist heute das Wesentliche.»

Jemand, der sich Pausen und damit die Stille in einem anderen musikalischen Zusammenhang zu Nutze macht, ist der italienische Komponist Ennio Morricone, der vor allem durch seine Filmmelodien berühmt wurde. So mit der eingängigen, Unheil ankündigenden Mundharmonika-Melodie im Western-Klassiker «Spiel mir das Lied vom Tod». Hier ist es vor allem die zwölfminütige Eröffnungssequenz des Films, während der die Kamera einen Bahnhof in einer kargen gottverlassenen Landschaft abfährt und dabei nacheinander die

Killer zeigt, die auf ihr Opfer warten, das mit dem Zug eintreffen wird. Begleitet wird die Sequenz von einer unheimlichen Stille, die vom Wind, dem Quietschen eines Schildes oder dem Summen einer Fliege getragen wird. In sie sticht schliesslich diese unvergessliche Melodie der Mundharmonika, als das vermeintliche Opfer (Charles Bronson) schliesslich am Bahnsteig steht. « In diesem Film», schreibt der Journalist Wolfgang Sandner, « liegt immer etwas Unausge-sprochenes, Vergangenes, Unsichtbares in der Luft, und der Bote dieser sagen wir ‹metaphysischen Sphäre› ist stets die Musik oder das Geräusch.»

Arvo Pärts Spiel mit Zäsuren und Pausen

Geheimnisvolles, Stille, Ruhe, Besinnlichkeit, Mystik, Kontemplation und Langsamkeit sind seit jeher Qualitäten, die die Musik auszu-drücken oder hervorzurufen versucht – gerade in der kirchlichen und sakralen Musik. Ein moderner Vertreter dieser Zunft ist der Este Arvo Pärt. Seine Werke leben von absteigenden Melodiebögen, moderaten Tempi, elementaren Harmonien und Melodien, Zäsuren und den Pausen, die sein Werk wie ein roter Faden durchziehen. In vielen seiner Stücke wie beispielsweise «Fratres» (1977) gibt es Momente des völligen Schweigens. Der Musikjournalist Christian Hoesch ist sogar der Meinung, dass die Momente des Innehaltens, des Schweigens bei Pärt mitunter eine grössere Bedeutungsdichte haben als die der eigentlichen Musik dazwischen. «Der Schlüssel zu diesem Effekt liegt in der totalen Zurücknahme der kompositorischen Mittel », schreibt Hoesch in einem Artikel über Pärt mit dem Titel «Komponierte Stille». «Arvo Pärts Musik ist elementar, bis zu einem solchen Grad, dass es auf den ersten Blick fast stärker verblüfft, was diese Musik alles nicht auszeichnet, welche Mittel sie konse-quent nicht einsetzt.» Pärt selbst soll gesagt haben, dass die Stille immer vollkommener sei als die Musik.

Von der Zeit zwischen den Noten

Aber nur, so könnte man ihm entgegenhalten, wenn der Rahmen stimmt, wenn die Pause so kunstvoll angelegt ist, dass der Hörer seine Ahnungen, Gedanken und sein Leben in sie hineinhauchen kann – damit der Effekt der Stille entsteht. «Auch Pausen sind Musik», sagt die Musikkritikerin Shirley Apthorp. «Auf Japanisch gibt es ein Wort, ‹Ma›. Es heisst Stille oder Ruhe oder genauer: die Zeit zwischen den Noten. Auf die Zeit zwischen den Noten und deren Bedeutung hat mich zuerst ein Cembalo-Spieler aufmerksam ge-macht, seitdem bin ich davon fasziniert. Darin liegt so viel Raum, so viel Flexibilität und Ausdruck.» Apthorp nennt den italienischen Diri-genten Claudio Abbado einen Meister der Stille. «Atemberaubend ist die Fähigkeit Abbados, am Schluss seiner Konzerte bis zu einer ganzen Minute absolute Stille im Raum zu behalten, bevor das Klat-schen beginnt. Dieser spannungsbeladene Meditationsmoment haut mich jedes Mal um.» Abbado, der unter anderem die Berliner und Wiener Symphoniker dirigiert hat, hält die Stille für einen essentiellen Teil der Musik. In Interviews nennt er häufig den vierten Satz der 9. Sinfonie von Gustav Mahler als eines der Beispiele für grosse Musik. Nach den dynamischen und aufwühlenden ersten drei Sätzen endet das Stück mit den immer leiser werdenden Streichern. Wenn schliesslich der letzte Ton erklingt, hat der Hörer das Gefühl, als würde ein Stern an einem glühenden Firmament erlöschen. «Stille wahren zu können», sagt Abbado, «bedeutet, besonders intensiv zugehört zu haben.» Und, so müsste man ihn ergänzen: intensiv gelebt zu haben.

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Heimkehr der Stille

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12 Stille Fotoreportage

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Text: Ingo PetzFotos: Andrei Liankevich, Altemus

Nur vier Kilometer sind es bis dort, immer steil bergauf – aber in Wahrheit sind es Welten. Dann sieht man das verlassene Bauern-haus, aus dessen Kamin Rauch in den Abendhimmel steigt. Im Schein des Mondes wirkt das Haus mit seiner Scheune und seinem Stall, eingebettet in schneebedeckten Weiden, wie ein Ei in einem grossen Nest. Wenn man hier lebt, wo nur die Natur das Sagen hat, sind vor allem zwei Dinge wichtig: Essen und Gott. Von beidem gibt es in der Wohnküche von Hanna und Kalina Brjanik reichlich. Der kleine dunkle Raum, in dem zwei Betten, ein Tisch, zwei Schemel und ein alter Herd stehen und in dem es nach verbranntem Holz,

Wasserdampf und kaltem Schweiss riecht, ist mit grossen Postern verhängt. Jesus, die Mutter Gottes, slawische Heilige, Kirchen und Klöster sieht man auf einigen Postern und Bildern. Auf anderen: Paprika, Hühnchen, Äpfel, Bananen, Ananas, Würste. «Sie müssen ja nicht glauben, dass wir hier wie Wilde hausen», ruft Kalina mit rauer Stimme. Kulleraugen blicken einen durch dicke Brillengläser an. «Ein bisschen schön muss man es sich ja machen. Egal, wo man lebt.» Hanna, hagere Wangen, knöcherne Finger, steht da in der Mitte des Raumes und lächelt unter ihrem Kopftuch. Dann entfährt ihr ein hohes, krächzendes Geräusch. Sie gestikuliert mit den

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Fotoreportage Stille 13

Händen. Die 69-Jährige ist seit ihrer Geburt taubstumm. Die beiden Schwestern leben in dem Bergdorf Kuzhbej (Кужбеї) in den Ukrainischen Karpaten, unweit des Städtchens Mizhgir’ja (Міжгір’я) – zusammen mit zwei Kühen, zwei Schweinen, einer Ziege, zwei Katzen und sechs Hunden, aber ohne Strom und fliessendes Wasser. Genau genommen ist Kuzhbej kein Dorf mehr. Die Siedlung ist seit über 20 Jahren verlassen. Es ist eines der vielen Dörfer, die zerfielen, weil ihre landwirtschaftliche Arbeit nicht mehr rentabel war und die Menschen den Komfort suchten. Nur das kleine Bauernhaus von Hanna und Kalina ist noch bewohnt. 30 Hütten,

so erzählt Kalina, sollen im Hang und auf den Terrassen einmal gestanden haben. Anfang der 1990er-Jahre ist der letzte Nachbar wohl weggezogen. Genau kann sich die 57-Jährige nicht erinnern. Was bedeuten schon Zahlen und Fakten in dieser Umgebung? Wohl kann sie sich aber noch daran erinnern, dass der Nachbar irgendwann mit einem Knüppel ihrer Schwester den Arm gebrochen hat, weil sie das Vieh auf seinen Weiden hat grasen lassen. «Es ist gut, dass der weg ist, der Sauhund! Alleine geht es uns gut.» Kalina, die aufgrund eines Hüftschadens das Haus nicht mehr verlassen kann, steht auf das Geländer gestützt und blickt

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14 Stille Fotoreportage

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hinüber zum Wald. «Schauen Sie nur, wie wunderschön es hier ist. Sie sollten im Sommer kommen. Dann blüht das Leben hier.» Hanna und Kalina sind in Kuzhbej geboren. Keine von beiden war je verheiratet. Bis auf eine kleine Episode Anfang der Acht- zigerjahre haben sie ihr ganzes Leben in Kuzhbej verbracht. «Wo soll ich auch sonst leben?», fragt sich Kalina. «Ausserdem brauchen wir doch einander.» Früher, zur Zeit der Sowjetunion, gab es noch eine Schule in Kuzhbej, einen Kulturclub und Strom. Sogar ein Bus verband die abgelegene Siedlung mit dem Rest der Welt. «Viele Kinder gab es hier. Was haben wir einen Spass gehabt und

was haben wir gelacht !» Nun hört man kein Kinderlachen mehr, die Stille ist überall. Bedeckt von Schnee und Reisig zeugen noch ein paar morsche Zäune und verfallene Holzhütten von der alten Zeit. Auf einem Vorsprung steht eine kleine intakte Holzkirche. Ein Schild verrät, dass sie 1937 gebaut wurde. Einmal im Jahr kommt ein Pope vorbei und hält dort eine Messe. «Es wird bald eine grosse Hungersnot kommen, an der viele Menschen sterben werden. Gott bestraft uns für unsere Sünden. Das hat der Priester gesagt», warnt Kalina drohend. An einer anderen Stelle steht ein kleiner Friedhof, auf dem die Kreuze für die Eltern der Schwestern ins Tal

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Fotoreportage Stille 15

blicken. Darüber der mächtige Himmel der Abenddämmerung und das gewaltige Panorama: mit Tannen bewachsene Berge, Schneekronen und das weite braune Tal. Die nächsten mensch-lichen Nachbarn finden sich bergab in der Gemeinde Sojmi (Сойми). Einmal im Monat läuft Hanna nach Sojmi, um die kleine Rente der beiden bei der Post abzuholen. Einen Grossteil bringt sie zur Bank. Vom Rest kauft sie das Nötigste: Mehl, Nudeln, Reis – und eine Flasche Wodka. Zudem lädt sie Kalinas Handy-Guthaben auf. Ein Mobiltelefon hat der kleine Haushalt seit 2007. Wie auch einen kleinen Dieselgenerator, mit dem Kalina die einzige

Glühbirne in der Wohnküche und ihr kleines Radio betreibt. Mit ihren wurstigen Fingern dreht sie nun am Empfänger. Der Lautsprecher krächzt. Dann ertönt Musik. Kalinas Augen glänzen, ihre dicken Wangen strahlen. Sie greift nach dem Gläschen auf dem Tisch. «Ich bete», ruft sie. «Ich bete, dass Sie 100 Jahre, ach was, nein! 300 Jahre alt sollen Sie werden!» Wenn man dort lebt, wo der Himmel das Sagen hat, scheint alles möglich.

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Andrei Liankevich, 1981 in der belarussischen Stadt Hrodna geboren, gehört zu den bekanntesten Fotografen seines Landes. Er studierte Wirtschaftswissenschaften an der Belarussischen Staatlichen Universität, bevor er sich 2004

kasus-Institut für Medien und schloss mit einer fotogra-

eine Würdigung beim World Press Photo Seminar erhielt.

Liankevich war Fotokorrespondent der belarussischen Kulturzeitung «Nasha Niva» («Unser Acker»). Seine Bilder erschienen in der «New York Times», im «Spiegel», in der «Zeit» sowie in den bekanntesten Publikationen Mittel- und Osteuropas. Die vorliegende Reportage entstand im Rahmen einer Arbeit für Sputnik Photos, einer Vereini-gung von Fotojournalisten aus Mittel- und Osteuropa. www.liankevich.com, www.sputnikphotos.com

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Leonie, fünfjährig: Die Welt der Geräuschlosigkeit kennt sie nur noch vom Baden und Schlafen.

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Sie klingt nach wohltuender Ruhe und geistiger Erholung, die Stille. Für Ertaubte oder gehörlos geborene Menschen und ihre Angehörigen ist sie jedoch Schicksal. Ein technisches Wunder aber, das Cochlea Implantat, kann den Weg zurück aus der Stille ebnen.

«Gell, Papi, ich habe es gut. Ich kann das CI einfach ausziehen, dann höre ich nichts mehr und kann in Ruhe schlafen oder ein Bad nehmen. Das ist praktisch, das können andere Kinder nicht.» Er-wartungsvoll sitzt Leonie am Badewannenrand und lässt sich von ihrem Vater Patrick Lienert die beiden Sprachprozessoren entfernen, die zu ihren Cochlea Implantaten (siehe Box Seite 21) gehören. Leonie ist eine fröhlich plappernde, quirlige Fünfjährige, die gerne in den Kindergarten geht. Und sie ist seit Geburt hochgradig schwer-hörig. Damit ist sie eines von den jährlich etwa 70 Kindern, die in der Schweiz mit dieser Behinderung zur Welt kommen. Leonie hatte Glück, sie hatte optimale Voraussetzungen für ein Cochlea Implantat: Ihr Gehörnerv war intakt und die Cochlea nicht verknö-chert. So konnte ihr das erste Implantat im Alter von elf Monaten, das zweite mit knapp zweijährig eingesetzt werden. Dank diesem Umstand und ihrer guten körperlichen und geistigen Gesundheit ist ihre Behinderung für Aussenstehende nicht sofort erkennbar. Und reduziert sich Leonies Leben in der Stille auf das Schlafen und Baden. Etwas, das für Patrick Lienert bis heute an ein Wunder grenzt, wenn er an Leonie als Baby denkt. «Der Hörscreeningtest im Spital damals nach der Geburt war negativ», erinnert er sich. «Aber das kann noch andere Ursachen haben und hat mich deshalb zu Beginn

Text: Regula Gerber

noch nicht extrem beunruhigt. Mit jeder Abklärung aber nahm die Diagnose an Wahrscheinlichkeit zu und die absolute Gewissheit über Leonies Gehörlosigkeit brachte die Hirnstammaudiometrie im Alter von drei Monaten.» Auch wenn der Schock nicht mehr riesig war, weil man ja etwas darauf vorbereitet gewesen sei, so habe er die definitive Diagnose im ersten Moment trotzdem als niederschmetternd empfunden. Es werde einem nach und nach bewusst, welche weit-reichenden Konsequenzen es für einen als Elternteil und vor allem für das Kind haben könne, über einen derart zentralen und über die Kommunikation entscheidenden Sinn nicht zu verfügen. «Wir Eltern stellten uns bereits vor, wie wir uns mit Leonie in Gebärdensprache unterhalten würden. Wir befürchteten, mit ihr keine umfassende Kommunikation pflegen zu können, auch wenn wir dann die Gebär-densprache bei näherem Hinsehen als reiche Sprache erlebten. All diese Ängste liessen uns auch mit den Statistiken hadern, schliess-lich trifft es doch nur jedes tausendste Neugeborene.»

Die Stille kommt auf leisen Sohlen

Gehadert habe er im ersten Moment noch nicht, sagt Hans-Jörg Studer. Der heutige Präsident der CI Interessengemeinschaft Schweiz und beidseitiger CI-Träger wurde 1975 im Alter von 30 Jah-ren durch eine Viruserkrankung in die Stille gezwungen. Zu diesem Zeitpunkt hatten er und seine Frau – beide studierte Apotheker – ge-rade eine Apotheke in Liestal übernommen. Die dreifache Belastung durch Beruf, Militärengagement und vor allem als frischgebackener Vater, zeitgleich mit einer körperlichen Schwäche, wurde ihm vermutlich zum Verhängnis. Innerhalb von Wochen verschlechterte sich der Zustand kontinuierlich bis hin zur totalen Taubheit. Bei Hans-Jörg Studer sitzt dieses Gefühl von Fassungslosigkeit bis heute tief: « Ich war plötzlich von mir selbst getrennt, das war schreck-lich. Ich schrie zu Hause herum, um wenigstens meine Stimme zu hören. Aber da war nichts.» In dieser Stille sollte er die nächsten 13 Jahre wohnen.

Am Anfang war Hans-Jörg Studer die volle Tragweite dieses Schicksalsschlags noch nicht bewusst. Er lernte durch eine Bekannte sehr rasch Lippen lesen und öffnete sich damit eine Türe zur Kom-munikation, zur Welt der Hörenden. Im Geschäft tauschte er die Rolle mit seiner Frau, die fortan die Beratung für ihn übernahm, während er in das Backoffice wechselte. So stark am Arbeitsplatz und in der Familie eingespannt, wurde ihm seine Vereinsamung und Isolation erst nach etwa drei Jahren bewusst.

Bernd Strauchmann ist Leiter Administration des CI-Zentrums am Universitätsspital Zürich. Er beobachtet dieses Phänomen oft: «Der Rückzug eines Menschen aus seiner Umwelt in die Verein-samung vollzieht sich meist schleichend und über Jahre hinweg. Immanuel Kant hat gesagt: ‹Nicht sehen zu können, trennt von den Dingen – nicht hören zu können, von den Menschen.› Erblindete kön-nen sich geistig und kommunikativ noch weiterentwickeln, Ertaubte nicht mehr. Sie brauchen plötzlich Dolmetscher im Alltag, denn jedes Telefonat, jeder Arztbesuch und Einkauf wird zum Hindernis. Ein gehörloser Mensch muss sich unfreiwillig in die Unselbständigkeit begeben, was meistens eine unheimliche Belastung für eine Part-nerschaft bedeutet.» Das war es auch für das Ehepaar Studer. « Ich habe mich teilweise sehr hilflos und wie ein Kind gefühlt », meint Hans-Jörg Studer. « Im Freundeskreis konnte ich wegen des Lippen-lesens den Gesprächen nicht mehr folgen, auch wenn mir meine Frau half, wo sie nur konnte. Dazu kommt, dass die Spontaneität im Gespräch unheimlich leidet. Mit einer Hörbehinderung sind

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Hans-Jörg Studer: «Nach 13 Jahren Stille wieder Musik und Stimmen zu hören, war für mich wie eine zweite Geburt.»

hören, begreifen und antworten einzelne Schritte und damit Arbeit, weshalb alles länger dauert. Ab und zu tritt man dadurch auch in ein Fettnäpfchen oder wird schon mal irrtümlich als dumm angeschaut.» Hans-Jörg Studer vermisste immer mehr gute Gespräche, klassische Musik, das Vogelgezwitscher, die Stimmen seiner mittlerweile zwei Kinder. Auch an Anlässen mit vielen Leuten fühlte er sich alleine, weil er ja oft nicht wusste, was gerade gesprochen wurde. Da kamen bei Hans-Jörg Studer manchmal Selbstmordgedanken auf. Die Wende kam, als er lernte, sich nicht mehr für das, was er missen musste, zu bedauern, sondern sich an dem, was er alles noch konnte, zu erfreuen. «Zu wissen, was man verloren hat, ist schwierig zu er-tragen. Aber ich ging trotzdem in der ganzen Zeit meiner Taubheit mit meiner Frau ins Theater oder Ballett », erzählt Studer, «den Takt habe ich gespürt und mich einfach an den Bewegungen und Büh-nenbildern erfreut.»

Sprache leben als Traum

Heute müsste Hans-Jörg Studer anstatt 13 Jahre wohl höchstens ein paar Monate warten, bis er wieder etwas hören könnte. Durch seine Arbeit in der Spätertaubten Kommission von pro audito schweiz, aus der die heutige CI Interessengemeinschaft Schweiz entstand, kam er stets mit den neusten technischen CI-Entwicklungen in Kontakt. 1988 schien ihm diese nun weit genug, und er entschied sich für eine Implantation am rechten Ohr.

Der Weg zurück zum Hören ist jedoch nicht leicht, aber mittler-weile bieten Spitäler wie beispielsweise das Unispital Zürich USZ vollumfängliche Beratung und Unterstützung durch ein ganzes Team an. «Wir stehen den Betroffenen im Gespräch zur Seite, aber der definitive Entscheid für ein CI liegt letztendlich bei den Eltern eines Kindes oder bei den Erwachsenen selbst », betont Bernd Strauch-mann. «Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist es wichtig, dass sie selbst diesen Schritt wollen, sonst landet der Sprachprozessor in der Schublade. Aber schliesslich entscheiden sich nur wenige aus medizinischen, kosmetischen oder anderen Gründen dagegen.»

Bis zur Beratung im USZ hatten die Eltern von Leonie noch nie etwas von der Existenz eines CIs gehört. Mit dem ersten Gespräch entwickelte sich eine Perspektive, von der Patrick Lienert sofort überzeugt war. Entscheidend war ein Erlebnis an einer medizinischen CI-Tagung, wo ein Elternpaar von ihrem Kind mit CI erzählten und ein Video zeigten. « Ich sah diese Eltern ganz normal über die Sprache mit ihrem Kind kommunizieren. Das war von da an mein Traum und meine Hoffnung, dass wir dies auch so erleben könnten.» Leonies Mutter hatte noch etwas länger Zweifel und Ängste, weil sie es als grossen Eingriff betrachtete, den das Kind schliesslich nicht mitbestimmen konnte. Doch auch sie entschied sich nach reif-licher Überlegung für die Operation. «Es ist natürlich eine grosse Verantwortung, die man als Eltern trägt, weil man den Verlauf des Lebens so stark beeinflusst », ist sich auch Patrick Lienert bewusst. «Bei uns beiden war aber auch der Respekt vor der Operation da, also dass diese nicht gelingen würde und allenfalls etwas Irrever-sibles entstehen könnte.» Bernd Strauchmann hat dafür vollstes Verständnis und meint: «Für einen Ohrchirurgen ist diese Operation Routine, für die Eltern eines Babys beispielsweise ein grosser Ein-griff. Insgesamt können wir jedoch die Risiken als sehr gering ein-stufen. Nur sehr selten entsteht eine Infektion oder wird einer der durch das Mittelohr laufenden Gesichts- oder Geschmacksnerven beschädigt.» Nebst medizinischen Untersuchungen und Tests zwecks Eignung zur Operation erarbeitet das Team zusammen mit den

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Patienten im Gespräch realistische Erwartungshaltungen und Pro-gnosen. Denn die Ansprüche seien meistens unheimlich hoch, meint Bernd Strauchmann. «Die Patienten haben oftmals feste Vorstellungen, wie beispielsweise wieder telefonieren und Musik hören zu können. Aber mit dem CI geht es für viele Betroffene primär darum, dass Sprache wieder verstanden wird oder dass es eine Unterstützung beim Lippenlesen bietet. Aber nicht, dass man wieder genau gleich hört wie vorher. Und sehr schwierig wird es dann, wenn wegen der Ertaubung in den ersten sieben Jahren keine Sprachentwicklung stattgefunden hat. In diesen Fällen müssen wir klar sagen, dass mit dem CI meist keine Sprache, sondern nur noch ein Geräuscheindruck vermittelt werden kann.»

Zurück in der Welt der Geräusche

Hans-Jörg Studer hielt seine Erwartungen bewusst niedrig. Er wusste, es würde nicht das gleiche Hören wie vorher sein. Er liess sich nicht von den teilweise irreführenden Werbungen beeinflussen und dachte: Alles, was dann besser als Taubsein ist, ist positiv. Und es kam noch positiver ! Immer noch ist er erstaunt, wenn er an diesen ersten Moment des Wiederhörens denkt: «Nach 13 Jahren Stille waren da auf einmal wieder Töne und Geräusche. Das war unbeschreiblich! Es war wie eine zweite Geburt; plötzlich hörte ich mich wieder reden, konnte wieder fernsehen, telefonieren, Musik geniessen. Der Umgang mit Mitmenschen wurde auf einmal ein-facher, besonders bei der Arbeit. Das Leben war für mich wieder dreidimensional; ich hörte die Menschen reden, konnte wieder an-gesprochen werden.» Nach der ersten Freude allerdings kam der harte und lange Weg zum richtigen Hören – das Wichtige vom Un-wichtigen zu unterscheiden –, der bis heute andauert.

Auch für Patrick Lienert ist klar, dass Leonie sich immer noch auf einem Weg befindet, von dem das Ziel nicht bekannt ist. Aber für ihn hatte sich schon ein paar Wochen nach der Operation das Entscheidende herauskristallisiert: «Auch wenn es technische Limi-ten gab, so konnte doch eine sprachliche und kommunikative Aus-einandersetzung mit Leonie stattfinden. Schon allein durch diese Tatsache sah ich meine Erwartungen sehr bald übertroffen. Es hat mich unheimlich berührt und zuversichtlich gestimmt, als Leonie das erste Mal mit Kopfdrehen auf meine Stimme reagierte. Plötzlich liess sie sich durch Zureden beruhigen, bisher hatte sie weitergeschrien. Sie begann, Gefallen an Liedchen und Sprachspielen zu finden.» Und je mehr Leonies Entwicklung sich der Normalität anglich, je mehr Fortschritte sichtbar wurden, umso mehr wich bei Patrick Lienert das Gefühl von Niedergeschmettertsein dem der Dankbarkeit. Zwar setzte die Sprachentwicklung bei Leonie etwas verzögert ein, doch heute ist sie auf dem gleichen Stand wie Gleichaltrige. Schon mit drei Jahren versuchte sich Leonie im Telefonieren, Liedchensingen und Imitieren von Tonlage und Sprachausdrücken ihrer Eltern. Und wenn Leonie heute spricht, hört man ein Mädchen, das grosse Lust an der Sprache, auch an der hochdeutschen, hat. Sie singt oft ein Liedchen vor sich hin und sagt gerne Verslein auf. Für die Eltern besteht die Hörbehinderung im Alltag nunmehr aus organisatorischen Aspekten wie Batterienwechsel und technischen Einstellungen alle paar Monate. Ansonsten ist mit Leonie ein weitgehend normaler, erzieherisch herausfordernder und gar nicht stiller Alltag zu be-streiten. Denn Stille sucht Leonie nicht. Schon bei der ersten Ein-stellung wollte sie ihr CI der Audiopädagogin kaum abgeben, das tut sie bis heute ungerne. Warum denn, Leonie? «Weisst du, ich hör drum gern.» Sagts und zieht summend von dannen.

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Ein Cochlea Implantat (CI) eignet sich für taub geborene oder ertaubte Kinder sowie für nach dem Spracherwerb hochgradig schwerhörig gewordene und ertaubte Erwach-sene. Voraussetzung ist, dass ein funk-tionstüchtiger Hörnerv und eine Cochlea, die nicht verknöchert ist, vorhanden sind.

Das CI ist eine elektronische Innenohr-prothese und übernimmt die Funktion der geschädigten Haarsinneszellen. Ein kleines Mikrofon nimmt Schallwellen auf, die vom

Sprachprozessor in digital kodierte Si-gnale umgewandelt und an die Sendespule des unter der Haut liegenden Implantats übertragen werden. Dort werden die kodierten Signale in elektrische Impulse umgewandelt und an die 22 Elektroden in der Cochlea weitergeleitet. Diese stimulieren die Hörnervenfasern und im Gehirn entsteht ein Höreindruck.

Eine Implantation erfolgt in vier Phasen: 1. Voruntersuchung, Entscheidung und Vorbereitung, 2. Operation, 3. Anpassung und Einstellung des Sprachprozessors, 4. Nachsorge, Hör-/Sprachtraining und Feineinstellung. Diese Schritte ziehen sich über Monate hinweg. Der effektive Erfolg des CIs tritt oft erst nach der Gewöhnung ans «neue Hören» ein, was ein langer und intensiver Prozess ist. Heute tragen welt-weit etwa 140 000 Personen ein Implantat, davon 1400 in der Schweiz.

Informationen und Hilfe rund um das Thema Cochlea Implantat und Adressen zu den bestehen-den CI-Zentren finden Sie hier:

CI Interessengemeinschaft Schweiz (CI IG Schweiz), www.cochlea-implantat.ch

CI-Zentrum Zürich, www.CI-Zentrum.com

Initiative «Ich möchte hören», www.ich-moechte-hoeren.ch

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«Time-out statt Burn-out»

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Lärm beeinträchtigt unser Gehör, unsere Konzentration und unseren Kreislauf. Für den Jesuiten und Zenmeister Niklaus Brantschen hat er aber auch negative Auswirkungen auf die menschliche Seele. Ein Gespräch über die Bedeutung der Stille.

Interview: Michael Krobath

Bulletin: Herr Brantschen, wie viel Stille brauchen Sie pro Tag?

Niklaus Brantschen: 24 Stunden. Ich möchte immer in einer Schwin-gung der Stille leben. Aber um immer in Stille zu sein, muss ich auch gelegentlich Stille pflegen. Und das ist eine Stunde pro Tag.

Was tun Sie, um zur Ruhe zu kommen?

Ich tue nichts. Ich sitze. Das heisst, ich praktiziere Zenmeditation. Stille kann man nicht produzieren. Es hat nichts zu tun mit Getue, Gerede und Gehabe. Es ist ein Kontrapunkt zur Geschäftigkeit des Alltags.

Klingt simpel.

Aber gerade deshalb ist es auch so schwierig. Dazu folgende Ge-schichte: Als Michelangelo 1504 seinen David enthüllte, fragten ihn die Florentiner: «Wie hast du das gemacht?» Seine Antwort: «Es war

ganz einfach, ich musste nur weglassen, was nicht David war.» Die grosse Kunst ist es, wegzulassen, was man nicht ist. Und dann entsteht eine Qualität der tiefen inneren Ruhe.

Was soll das bringen?

Wenn ich gesammelt sitze und auf den Atem achte, dann erfahre ich, wer ich bin. Es ist wie bei einem See: Wenn ich nicht darin wühle und keine Steine hineinwerfe, glättet er sich, und ich sehe bis auf den Grund. Stille bringt mich zu mir selbst. Sie schafft Klarheit.

Ihr Buch «Weg der Stille» ist ein Plädoyer für eine

Rückbesinnung der Menschen auf Stille. Warum dieser Appell?

Mit dem dänischen Philosophen Søren Kierkegaard geantwortet: «Wenn ich Arzt wäre und man mich fragte: Was rätst du? – Ich würde antworten: Schaffe Stille.» Unser Alltag wird zunehmend hektischer, das Rad der Wirtschaft und Gesellschaft dreht sich immer schneller. Dieser Stress macht uns an Leib und Seele krank. Die Stille ist eine wirksame Medizin. Ein probates Mittel, das keine Nebenwirkungen hat.

Medizin beurteilt man nach ihrer Wirksamkeit. Woran

lichkeit ?

Wer Stille sucht und pflegt, ist ausgeglichener und entspannter, in der Regel auch umgänglicher, zentrierter, präsenter. Und wer prä-sent ist, wird zu einem Präsent – zu einem Geschenk – für die ande-ren. Die Mitmenschen schätzen das, sei es in der Familie oder im Betrieb. Ein Chef, der Stille liebt, ist ein guter Chef.

Evolutionsgeschichtlich scheint die Stille dem Lärm zu

unterliegen. Möglicherweise braucht der Mensch heute keine

Stille mehr?

Tatsächlich können Menschen heute mit einer sehr grossen Kom-plexität umgehen und sie haben die Fähigkeit zum Multitasking ent-wickelt. Aber ich glaube nicht, dass der Mensch längerfristig auf die Qualität der Stille verzichten kann. Gerade wenn der Lärm immer grösser wird, braucht er eine Rückzugsmöglichkeit. Die Sehnsucht nach Stille ist da.

Trotzdem lassen sich die Menschen freiwillig immer mehr

berieseln. Kontemplation und Meditation scheint nicht die Sache

der Generation iPod?

Einspruch. Meditieren und Beten ist etwas ganz Menschliches. Es ist etwas Natürliches, genau wie das Atmen. Natürlich gibt es Zweifler, die damit Exotik oder Frömmigkeit verbinden, aber die meisten Men-schen haben eine Antenne dafür. Auch die Jugendlichen sind nicht so verkümmert, wie wir meinen. Im Übrigen muss es nicht Zen oder Kontemplation sein, es gibt auch andere Wege, die Stille zu pflegen, etwa bei Wanderungen oder Spaziergängen im Wald. Wichtig ist es, die Angst vor der Stille zu verlieren und dafür offen zu werden.

Als Mitbegründer des Lassalle -Instituts wenden Sie

sich in erster Linie an Manager. Was suchen die Manager,

die in Ihre Kurse kommen?

Sich selbst. Sie sind sich selbst abhanden gekommen. Ihr Wunsch ist es, Stress abzubauen, besser schlafen zu können oder mit der Partnerin ins Reine zu kommen. Andere versuchen herauszufinden, ob sie sich beruflich neu orientieren sollen, oder sie wollen bei uns Kraft tanken, um für den Alltag wieder fit zu sein.

Instantstille als Fitnesstraining für die Seele?

Zen ist keine Trimm-dich-fit-Methode. Unser Bemühen ist es, eine Veränderung des Bewusstseins in Gang zu setzen. Es geht um die Sinnfrage des Lebens, darum, was mich wirklich erfüllt. Das geht nicht ohne Stille, Zeit und Einkehr.

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Wie erleben Sie gestresste Manager, die plötzlich

mit Stille konfrontiert sind?

Es erinnert an eine Vollbremsung. Zuerst gibt es einen Ruck, danach holt man tief Atem. Und dann merkt man: Zum Glück ist es gut ge-gangen. Die Manager werden nachdenklicher. Stille ist auch ein Vorgang des Zurücktretens. Sie erlaubt es, sich einen neuen Über-blick zu verschaffen und neue Prioritäten zu setzen. Statt Neben-sächlichkeiten hinterherzurennen, rücken wieder die wirklich zu-kunftsweisenden Themen ins Zentrum des Schaffens.

Sie schreiben, der Homo oeconomicus sei die Schrumpf-

gestalt des Menschen. Was meinen Sie damit ?

Dieser Ausdruck stammt vom Physiker Hans-Peter Dürr. Er be-schreibt Menschen, die wichtige Bereiche ausblenden, etwa das Herz oder die spirituelle Intelligenz. Spirituelle Intelligenz meint die Art und Weise, wie ich stehe, wie ich atme und wie ich die Welt betrachte, ob ich eine ganzheitliche Sicht der Dinge habe oder nur das Naheliegende berücksichtige. Wir Menschen sind uns auf Ge-deih und Verderb in diesem Raumschiff namens Erde ausgeliefert, und deshalb sollten wir vernetzt denken und handeln. Einigen global agierenden Topmanagern ist das bis heute zu wenig bewusst. Ihnen fehlt die nötige Distanz, um richtige Prioritäten zu setzen. Hier sehe ich auch einen Grund für die gegenwärtige Wirtschafts- und Finanzmisere.

Braucht die Wirtschaft Spiritualität ?

Oh ja ! Sonst wird sie zum Leerlauf. Sie funktioniert wie ein Hamster im Rad. Das geht so lange gut, bis etwas Unvorsehbares geschieht. Die Frage lautet: Ist der Konsumzwang der Weisheit letzter Schluss, oder könnte weniger mehr sein?

Steht Verzicht nicht im Widerspruch zu unserem Wirtschafts-

system? Schliesslich lebt dieses davon, dass wir immer mehr

produzieren und konsumieren.

Ich halte den Zwang zum Konsum für einen Teufelskreis, der die Menschen kaputt macht. Die Spirale kann nicht ständig höher gedreht werden. Es braucht ein radikales Umdenken. Es gilt, be-scheidener zu werden. Masshalten ist eine zentrale, neu entdeckte Tugend.

In Ihrem Buch schreiben Sie, es sei zu einer gesellschaft-

lichen Aufgabe geworden, gegen den Lärm und für mehr

Stille zu kämpfen. Wie ist die Gesellschaft zu organisieren,

um dem Lärm und Kommunikationsoverkill zu entgehen

und Freiräume zu schaffen?

Zum einen braucht es die bekannten äusseren Massnahmen: Ver-kehrsberuhigung, Lärmschutzwände, Ruheräume in öffentlichen Gebäuden, Ruheabteile im Zug. Aber die Abwesenheit von Lärm ist noch nicht Stille. Ein Zaun um den Garten macht noch kein gutes Gemüse. Es muss gepflegt und kultiviert werden.

Wie soll das konkret geschehen?

Es braucht eine Kultur der Stille, eine Erziehung der Stille. Diese fängt bereits im Mutterschoss an. Das Wort stillen kommt von Stille. Wenn eine Mutter ihr Kind in einer lauten Umgebung stillt und ge-danklich ganz woanders ist, dann wird das Kind höchstens genährt, aber nicht gestillt. Weiter geht es in der Schule, wo es schon heute Lehrer gibt, die ihre Schüler zu Beginn der Stunde einige Minuten stillsitzen lassen. Bewusste Manager wiederum haben in ihren Be-trieben einen Raum der Stille eingerichtet. Um Stille zu pflegen, ist es unerlässlich, ihr einen Platz im Alltag einzuräumen. Denn ohne Übung geht es nicht. Man muss die Geschäftigkeit zurücklassen, nur so erfährt man die Kraft der Stille.

Aufgrund der Bevölkerungsexplosion, der zunehmenden

Verstädterung und des erhöhten Verkehrsaufkommens

gibt es immer weniger Oasen der Ruhe. Entwickelt sich Stille

zu einem Luxusgut für die Wohlhabenden?

Diese Folgerung gilt zwar für materielle Werte, nicht aber für geistige Werte. Stille ist überall zu haben. Man kann sie nicht kaufen. Im Wald wird sie mir gratis offeriert. Oder in den Bergen. Es ist keine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Zeit, die man sich dafür nimmt.

Zeit ist Geld und die Betriebsamkeit der Menschen wird

immer grösser. Droht Ihnen nicht das Schicksal des einsamen

Rufers in der Wüste?

Man sagt, Not mache erfinderisch, und ich stelle fest, dass immer mehr Leute sagen: Jetzt nehme ich mir erst recht Zeit. Denn sie spüren, dass die Zeit, die sie sich für die Pflege der Stille nehmen, sehr gut investiert ist. Sie sind danach viel präsenter, was sich wohl-tuend auf ihr Leben, ihre Arbeit und ihre Leistung auswirkt. Ich bin voller Hoffnung, dass immer mehr Menschen realisieren: Time-out statt Burn-out.

Anwalt der Stille Niklaus Brantschen, geboren 1937 in Randa VS, ist Jesuit, Priester und autorisierter Zenmeister. 1995 gründete er mit Pia Gyger das Lassalle -Institut in Bad Schönbrunn ZG, das

tet hat. Manager und Politiker achten seine Lehren genauso wie das breite Publikum. Brantschen ist ein weltweit gefragter Referent und Autor zahlreicher Bücher. Sein Buch «Weg der Stille. Orientierung in einer lärmigen Welt» erschien 2004 im Herder Verlag.

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Im Gleichklang hochfrequenter SchwingungenStille ist nicht einfach nichts. Neuropsychologisch be-trachtet ist Stille ein Zustand hoher Konzentration. Physika-lisch gesehen besteht sie wie andere Geräusche auch aus Frequenzen, die wir «hören» können. Das kann auch praktisch genutzt werden: Bestimmte Geräusche suggerieren Stille, Lärm kann mit Lärm ausgeschaltet werden. Und wahre innere Stille lässt sich durch Meditation erreichen.

Text: Elke Bunge

Es ist Donnerstagabend. Neun Frauen und drei Männer liegen im Kreis auf ihren Wolldecken. Sie tragen bequeme Kleidung, im Raum ist das Licht abgedunkelt, und es ist still.

Eine Yogastunde mit Meditation. Die Lehrerin beginnt: «Wir atmen tief ein und aus, mit jedem Ausatmen geben wir unseren Körper mehr an den Boden ab. Wir konzentrieren uns auf den Stirnraum. Wie fühlt er sich an? Wie bewegt ist der Geist ? Wir entspannen in die Breite, Höhe und Tiefe der Stirn. Verweilen Sie in diesem Gefühl der Ent-spannung. Wenn Gedanken, Gefühle, Erinnerungen oder innere Bilder auftauchen, lassen Sie sie vorbeiziehen wie Wolken am Himmel.» Alle Teilnehmer dieses Kurses sind hochkonzentriert, die Gruppe kennt sich schon seit einigen Jahren. Die Meditation, ein Moment der höchsten Konzentration, will erst erlernt werden. Anna Trökes, eine bekannte Yogalehrerin und Autorin vieler Bücher auf diesem Gebiet, schreibt in ihrem «Grossen Yogabuch»: «Meditation kann nicht gemacht oder gar erzwungen werden. Wenn Sie das ver-suchen, werden Sie merken, dass Ihr Geist wie ein störrischer Esel steif und bockig wird.» Sie schreibt weiter: «Meditation bedeutet, im inneren Raum still werden.»

Wissenschaftliches Experimentieren mit der Stille

Doch was heisst «Still werden im inneren Raum»? Für diese Frage interessiert sich auch die Wissenschaft. Der amerikanische Neuro-

psychologe Richard Davidson von der University of Wisconsin in Madison machte dafür beeindruckende Experimente. Mit hoch-empfindlichen Elektroenzephalogrammen (EEG) untersuchte er acht Menschen, die ihr Leben der Meditation gewidmet haben: Acht buddhistische Mönche des Dalai Lama erklärten sich zu ausser-ordentlichen Experimenten bereit. Einer von ihnen ist Matthieu Ricard. Er ist gebürtiger Franzose und gilt als enger Vertrauter des Dalai Lama. Matthieu Ricard und Richard Davidson veröffentlichen in den «Proceedings of the National Academy of Sciences» gemein-sam mit drei weiteren Wissenschaftlern, Antoine Lutz, Lawrence L. Greischar und Nancy B. Rawlings, ihre aussergewöhnlichen Ergebnisse.

Veränderungen im Gehirn während der Meditation lassen sich durch Hirnstromanalysen messen. Lange Zeit schon haben Wissen-schaftler nach einer Frequenz der Stille gesucht, sie aber in einem vollkommen anderen Bereich vermutet. Bislang achteten Forscher im EEG vor allem auf die so genannten Alphawellen. Ihr Auftreten setzten sie mit «meditativer Entspannung» gleich. Alphawellen ent-stehen, wenn man mit geschlossenen Augen vor sich hin träumt. Sie haben eine Frequenz zwischen 8 und 13 Hertz. Beim Schlafen gehen sie dann in Thetawellen mit einer Frequenz von 4 bis 8 Hertz über. In diesem Frequenzbereich liessen sich jedoch keine funda-mentalen Veränderungen feststellen:Deltawellen 0– 4 Hz (Tiefschlaf ) Thetawellen 4–8 Hz (Schlaf, Trance) Alphawellen 8–13 Hz (Entspannung) Betawellen 13–30 Hz (Aufmerksamkeit) Gammawellen 30–70 Hz (Konzentration)

Bahnbrechende Entdeckung im Bereich der Gammawellen

Bei den Untersuchungen an der University of Wisconsin legte man das Augenmerk auf eine ganz andere Region: die Gammawellen. Dies sind Hirnströme über 30 Hertz, die vor allem bei kognitiven Höchstleistungen produziert werden. In diesem Bereich konnten die Wissenschaftler eine bahnbrechende Entdeckung machen. Matthieu Ricard, der nicht nur buddhistischer Mönch, sondern auch studierter Molekularbiologe mit Promotion in Zellulargenetik ist, meditierte unter wissenschaftlichen Bedingungen. Die Elektroden eines EEGwaren während der geistigen Übung an seinem Kopf angebracht und notierten seine Hirnströme: Es kam zu einem signifikanten Ausschlag auf das Dreissigfache in diesem Bereich. Auch bei den anderen sieben tibetischen Mönchen, die seit mehr als 15 Jahren ihr Leben dem mentalen Training und der Meditation gewidmet haben, liessen sich diese Beobachtungen machen. Zehn Vergleichspersonen, ohne vorherige Meditationserfahrungen, jedoch mit einem hohen Inte- resse an dieser Methode, zeigten in diesem Bereich keine charakte-ristischen Veränderungen.

Auch an der Universität Giessen wird an diesem Thema gear-beitet. Professor Ulrich Ott vom Bender Institute of Neuroimaging bezeichnet die Ergebnisse seiner Kollegen aus den Vereinigten Staaten als «das EEG der Erleuchtung». Der signifikante Ausschlag im Bereich der Gammawellen nennt er «die Schwingung der Stille». So entspannt ein buddhistischer Mönch wirken mag, sein Gehirn ist während der Meditation keineswegs abgeschaltet. Im Gegenteil: Im Moment der Versenkung herrscht höchste Aufmerksamkeit. «Still werden im inneren Raum», wie Anna Trökes die Meditation beschreibt, bedeutet nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen also einen Moment höchster innerer Konzentration, in der jede

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Auf der Suche nach der inneren Stille: Mit Hilfe eines mit 256 Elektroden bestückten Geodesic-Sensor-Netzes können die Hirnströme äusserst exakt gemessen und analysiert werden.

Lärm mit Gegenlärm bekämpfen: In den Saab-2000-Propeller-maschinen werden über Lautsprecher Gegenwellen ausgesendet, welche die Wellen des Motorenlärms teilweise neutralisieren.

Nervenzelle eine hochfrequente Schwingung aussendet. Aber noch in einem weiteren Punkt sind sich die Wissenschaftler einig: Im Moment der inneren Einkehr entsteht ein Gleichklang der einzelnen Schwingungen, die dem Gehirn entströmen. Dieser Gleichklang hochfrequenter Schwingungen, so glauben die Forscher heute, ist verantwortlich für das Gefühl vollkommener innerer Zufriedenheit. Professor Ulrich Ott stellt bereits im Jahr 2000 in seiner Disser- tation die These auf, dass die Einstimmigkeit, mit der die Gamma-wellen vom Gehirn ausgesendet werden, unsere Hirnareale zu syn-chronisieren vermögen. Diese Synchronisation aber macht er für das menschliche Bewusstsein verantwortlich. Meditation und innere Stille sind also ein Moment der höchsten inneren Konzentration und des Sichbewusstwerdens.

Innere Stille ist somit eine Frequenz, die die Neuronen in unter-schiedlichen Hirnarealen im Gleichtakt aussenden. Sie ist kein Geschenk, sondern will über Jahre erlernt werden. Erlernt werden in einer Zeit, in der Stille ein immer seltener gewordenes Gut ist. Von aussen dringen Unruhe, Hektik, Stress auf uns ein. Die Städte werden grösser und lauter, die Arbeit immer aufreibender und be-lastender, die Menschen sind überreizt und nervös. Erschöpft von den Belastungen des Alltags sehnen wir uns nach innerem Einklang und nach Ruhe. Die Stille lässt sich durch Yoga und Meditation wieder hervorrufen.

Dem Gehirn äussere Stille vortäuschen

Kann man aber Stille auch von aussen künstlich erzeugen? Lässt sich Stille simulieren, in Augenblicken, in denen keine Stille vorhan-den ist ? Auch dieses Thema beschäftigt die Wissenschaft. Forscher sind heutzutage in der Lage, dem menschlichen Gehirn in bestimm-ten Situationen äussere Stille vorzutäuschen. «Sound Engineering» nennen die Fachleute dieses Gebiet. Und es ist durchaus keine graue Theorie. So hatte die Schweizer Crossair die Methode benutzt, um den Lärm in ihren Propellermaschinen zu verringern. In der Saab

2000, einer der schnellsten Turbopropellermaschinen für Passagiere, fingen 72 Mikrofone in den Kabinen den durch die Propeller er-zeugten Lärm auf. Ein elektronisches «noise control system» erzeugte in kürzester Zeit Gegenwellen und speiste diese in den Passagier-raum über weitere Lautsprecher ein. Bei diesem Prinzip sollten sich die durch den Propeller erzeugten Wellen und die künstlich herge-stellten Gegenwellen auslöschen. Bei den vielen unterschiedlichen Frequenzen, die ein Propeller erzeugt, erforderte dies eine kompli-zierte Berechnung. Zunächst wurde eine Frequenzanalyse der von den Propellern erzeugten Schwingungen erstellt. Mit der Fourier-Transformation, einer komplexen mathematischen Operation, wurde eine zeitlich versetzte Schwingung berechnet, die die analysierte gerade auslöschte. Etwa die Hälfte aller vom Propeller erzeugten und in den Passagierraum übertragenen Schwingungen liessen sich so auslöschen. Für die Passagiere wurde es ruhig in der Kabine. In-zwischen ist das Geschichte: Crossair-Nachfolger Swiss fliegt nur noch Düsenmaschinen.

Lärmlinderung durch «weisses Rauschen»

Die Auslöschung von Geräuschen ist keine neue Erfindung. Bereits 1936 liess sich der deutsche Physiker Paul Lueg beim United States Patent Office in der Veröffentlichung «Process of Silencing Sound Oscillations» diese Idee schützen. Er gilt als Vorreiter auf dem Ge-biet, das heute als «active noise control » bezeichnet wird. Seine Kernaussage: Zwei gleiche Töne, wenn sie phasenverschoben – exakt um eine halbe Schwingung versetzt – aufeinandertreffen, löschen sich gegenseitig aus. In seinem Patent unterscheidet Lueg ganz bewusst zwischen der aktiven Lärmunterdrückung durch Er-zeugung phasenverschobener Gegenwellen und einer Geräusch-unterdrückung einzelner unangenehmer Frequenzen durch Ein-streuung anderer Frequenzen, die dann die Wahrnehmung unan-genehmer Geräusche unterbindet. Die Geräuschunterdrückung, von der Lueg sein Patent abgrenzt, war bereits vor 1936 bekannt.

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Dabei wird die Wahrnehmung von Lärm durch Sinnestäuschung re-duziert. Auch diese Methode ist aktueller denn je. Sie findet seit kurzer Zeit in Grossraumbüros Anwendung. Denn elektronische Geräte am Arbeitsplatz machen immer mehr Lärm. Telefone, Com-puter, Drucker, Kopierer und dazu Stimmengewirr schaffen eine stressige Umgebung, und das in einer Zeit, in der immer mehr Men-schen durch psychische Faktoren erkranken. Die deutsche Ärzte-zeitung veröffentlichte in einer Ausgabe vom Februar 2009 einen Artikel mit dem Titel «Immer mehr Fehlzeiten durch psychische Erkran-kungen». Im vergangenen Jahr erkrankten 8,3 Prozent der Versicher-ten der AOK, einer der grössten deutschen Krankenkassen, durch psychische Leiden. Mangelnde Stille gehört mit Sicherheit zu den Auslösern. Und so arbeiten die Techniker an neuen Lösungen, um unserer immer lauter gewordenen Gesellschaft etwas entgegenzu-setzen. Über Lautsprecher wird ein so genanntes weisses Rauschen in die Arbeitsräume eingespeist. Es täuscht im Bürogebäude Privat-atmosphäre vor, die gar nicht besteht. Wie ein Rauschen im Wald, wenn der Wind sanft durch die Blätter streicht, soll es uns Menschen ein entspannteres Arbeiten bescheren. Das physikalische Prinzip ist denkbar einfach: Eine eingestreute konstante Verteilung unter-schiedlicher Frequenzen lässt uns bestimmte unangenehme Töne nicht mehr wahrnehmen. Der Name «weisses Rauschen» wurde in Analogie zum weissen Licht gewählt, das alle Frequenzbereiche des sichtbaren Lichts enthält.

Das Auslöschen bestimmter Töne oder Einstreuen unterschied-licher Frequenzen sind heute somit zwei Möglichkeiten, Stille zu erzeugen oder aber auch vorzutäuschen. Innere Stille ist eine an-dere Variante, die sich erst durch über lange Zeit erlernte Medita-tion erreichen lässt. Die physikalische Gemeinsamkeit dieser unter-schiedlichen Arten von Stille ist die emittierte Schwingung. Die emo-tionale Gemeinsamkeit: In einer Zeit, in der das Leben immer un- ruhiger wird, werden Ruheräume geschaffen, die unserem Körper Kraft schenken.

So genanntes weisses Rauschen soll in den Grossraumbüros einen Hauch von akustischer Privatsphäre vortäuschen.

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Credit Suisse Bulletin 2/09

Credit SuisseBusiness / Sponsoring / Unternehmerische Verantwortung

Schweiz

Private Banking Schweiz personell verstärkt

Rolf Bögli hat am 1. April die Lei-tung des Private Banking Switzer-land übernommen. Bögli hat in den letzten 30 Jahren verschiedene Front- und Stabsbereiche bei der UBS geleitet. Zuletzt war er als Chief

-ment Advisor Group USA tätig. Urs Dickenmann konzentriert sich inner-halb des Private Banking künftig als Leiter Ultra High Net Worth Indi-viduals Segment Management auf die Betreuung einer strategisch be-sonders wichtigen Kundengruppe.

New York

American Renaissance

Wenn es Amerika gut geht, geht es der ganzen Welt gut. Befindet sich Amerika in einer Krise, dann leidet die ganze Weltwirtschaft massiv darunter. Deshalb war der dritte Credit Suisse Salon dem Thema «American Renaissance» gewidmet. Nach Kofi Annan und Muhammad Yunus konnte am 17. April General Colin L. Powell, ehemaliger Nationaler Sicherheits-

berater und Aussenminister der Vereinigten Staaten, für ein Referat und die anschliessende, rege ge-nutzte Diskussion mit Gästen gewonnen werden. Im Harold Pratt House in New York erhielten die beiden Gastgeber der Credit Suisse, Robert Shafir, Regional CEO Americas, und Toni De Chellis, Leiter Private Banking Americas, wert-volle Unterstützung durch Sir John Major, den früheren britischen Premierminister.www.credit-suisse.com/infocus >

Gesellschaft bzw. Wirtschaft

Schweiz, EMEA

Euromoney: Klassenbeste unter den Privatbanken

Das renommierte britische Fach-magazin «Euromoney» hat die Aus-zeichnungen für 2009 verliehen. Gemäss umfangreichen Kundenbe-fragungen ist die Credit Suisse die beste Privatbank in der Schweiz sowie in Russland, Katar und Singa-pur (Best Private Banking Services Overall ). In Grossbritannien und Russland ist sie die beste ausländi-sche Bank (Best Foreign Bank). Hinzu kommen verschiedene Kate-gorienawards. www.euromoney.com

Offenheit und Transparenz Die offene Berichterstattung über ein schwieriges Geschäftsjahr trägt dazu bei, das Vertrauen von Kunden, externen Anspruchsgruppen und Mitarbeitenden zu stärken. Neben dem detaillierten Geschäftsbericht legen wir auch das Unternehmensporträt und den Bericht Unternehmerische Verantwortung vor. Siehe Bestelltalon

Wechsel an der Spitze der Credit Suisse

Zum Rücktritt von Walter B. Kielholz

Nach sechs Jahren als Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse hat sich Walter B. Kielholz entschlossen, von diesem Amt zurückzutreten, um sich auf seine neue Tätigkeit als Verwaltungsrats-präsident bei Swiss Re zu konzen-trieren. Walter B. Kielholz verbleibt im Verwaltungsrat. Wir möchten ihm an dieser Stelle für den äusserst wertvollen Beitrag danken, den er als Präsident für die Aktionäre, Kunden und Mitarbeitenden der Credit Suisse geleistet hat.

Zu seinen herausragenden Verdiensten gehört zweifellos die führende Rolle bei der Entwicklung der Strategie der integrierten Bank. Grosse Bedeutung für ihn hat ein starker Verwaltungsrat. Deshalb verwendete er viel Energie in die – erfolgreiche – Suche nach geeigne-ten Führungspersönlichkeiten für dieses Gremium. Darüber hinaus hat er dafür gesorgt, dass unsere Corporate-Governance-Standards höchstes Niveau erreichen, und er hat dazu beigetragen, ein starkes Managementteam aufzubauen.

Von unschätzbarem Wert für uns war sein Beitrag an den Dialog mit Politikern, Regulatoren und anderen Meinungsführern, insbe-sondere in der Schweiz. Dieser Dialog war in den beiden letzten Jahren eine eigentliche Schlüssel-aufgabe. Gleichzeitig vermittelte Walter B. Kielholz der Geschäfts-

leitung in allen wichtigen Fragen fundierte Analysen, lieferte ihr zukunftsgerichtete Impulse und un-terstützte sie bei allen Entscheiden von Tragweite für unsere Bank.

Auf eine solche Persönlichkeit verzichten zu müssen, fällt schwer. Der starke Start ins Geschäftsjahr 2009 und unsere sehr gute Positio-nierung, die wir nicht zuletzt ihm verdanken, sind uns aber eine Hilfe. Wir dürfen feststellen, dass wir in den beiden letzten Jahren mar-kante Fortschritte erzielen konnten.

Heute sind wir eine der best-kapitalisierten Banken der Welt. Die Credit Suisse verfügt über eine gesunde Kapitaldecke, eine klare Strategie und eine vorzügliche Ver-ankerung bei den Kunden. Auf einen erfahrenen Verwaltungsrat und ein kompaktes Management-team bauend, sind wir überzeugt, dass jetzt ein geeigneter Zeitpunkt ist, um den Wechsel an der Spitze zu vollziehen und gemeinsam unsere Unternehmensstrategie erfolgreich weiterzuentwickeln.

Im Namen der Aktionäre, Kun-den und Mitarbeitenden möchten wir uns bei Walter B. Kielholz ganz herzlich bedanken für den ent-scheidenden Beitrag, den er für die Credit Suisse geleistet hat. Gleichzeitig wünschen wir ihm alles Gute für seine neue Aufgabe. Hans-Ulrich Doerig, Präsident des

Verwaltungsrats, und Brady Dougan, CEO

Walter B. Kielholz führte die Credit Suisse von 2003 bis 2009 als Präsident des Verwal-tungsrats. Dem Ver-waltungsrat gehört er seit 1999 an.

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«Wir sind eine Bank in Bewegung mit unternehmerischem Geist»Am 24. April 2009 wurde Hans-Ulrich Doerig zum neuen Verwaltungsratspräsidenten der Credit Suisse gewählt. Er übernimmt den Konzern in einer Zeit, die er selbst als grösste Krise seit 1929 bezeichnet. Trotzdem blickt er optimistisch in die Zukunft. Die heutige Credit Suisse könne sowohl in einem weiterhin schwierigen Umfeld gut bestehen als auch von einem Aufschwung besser als andere profitieren.

Bulletin: Woher kommt Ihre Vorliebe für gelbe Krawatten?Hans-Ulrich Doerig: Tatsächlich trage ich schon seit Jahren – mit wenigen Ausnah-men – gelbe Krawatten. Zweifellos gibt es auch sehr schöne nicht gelbe Krawatten. Ich finde einfach, dass eine gelbe Krawatte einen frühlingshaft fröhlichen Kontrast-punkt zu den in unserer Branche üblichen dunklen Anzügen setzt. Vielleicht sind gelbe Krawatten auch etwas direkter und aggressiver. Gelb ist für mich grundsätzlich aber eine sehr positive Farbe. Doch keine Angst, ich trage keine gelben Anzüge.

Sie übernehmen als Verwaltungsrats-präsident die Leitung der Credit Suisse in einer Zeit, die für viele ein eigentlicher Wendepunkt in der Geschichte der Finanzbranche ist. Wie sehen Sie das?Wir erleben zurzeit die grösste Krise seit 1929. Das heisst für mich nicht zwingend, dass wir in eine eigentliche Depression laufen, aber sicher in eine sehr seriöse Rezession. Anders als in den 1930er-Jah-ren gibt es aber heute Sozialwerke und Instrumentarien, die seitens der Regierun-gen sehr rasch eingesetzt wurden und nun bald greifen sollten. Von daher zeichne ich das Bild der Zukunft – speziell für die Schweiz – nicht so extrem schwarz wie viele andere. Wir müssen uns zudem vor schlag-zeilenträchtiger Panikmache hüten. Es gibt auch positive Signale, wie zum Beispiel wenn die Swiss mit der Lufthansa für über 2,5 Milliarden Franken neue Flugzeuge bestellt. Positive Signale sind so wichtig – und bedürfen der Wiederholung.

Und wie soll die Credit Suisse mit der Krise umgehen?Auch wir dürfen unser Geschäft nicht nur aufs nächste Quartal ausrichten. Natürlich müssen wir weiter vorbereitet sein, um adäquat auf zusätzliche Ver-

schlechterungen reagieren zu können. Andererseits müssen wir uns auch schon für die Zeit nach der Krise wappnen.

Wie beurteilen Sie rückblickend auf die letzten 18 Monate das Krisen-management der Credit Suisse?Ich glaube, Verwaltungsrat und Geschäfts-leitung haben schnell und gut reagiert. Klar, haben wir 2008 schmerzhafte Ab-schreiber in Kauf nehmen müssen. 2007

war aber das zweitbeste Resultat in der Geschichte. Zum Glück haben wir vor allem Subprime-Papiere frühzeitig abgestossen. Heute wären die Abschreiber noch grösser. Insofern hat das Krisenmanagement funk-tioniert. Und das wird insbesondere im Ausland auch als gute Leistung gewürdigt.

In der Schweiz nicht ?Hierzulande werden unsere Leistungen viel kritischer gesehen – ein vermehrter Vergleich mit der Auslandssituation wäre aufschlussreich! Es wird oft vergessen, dass wer in einem so wichtigen Markt wie den USA eine führende Position innehatte, gegenüber den Kunden und Mitarbeitern nur schwer rechtfertigen konnte, auf ein Geschäft zu verzichten, das noch sehr gut lief. Beim Subprime-Geschäft sind wir zum Glück trotzdem früh ausgestiegen. Wären wir damals aber auch noch aus den anderen sehr profitablen Bereichen aus-gestiegen, die sich im Nachhinein als so problematisch erwiesen, dann hätten wir riskiert, dass unsere Glaubwürdigkeit gegenüber Kunden, Angestellten und Markt verloren gegangen wäre.

Und wie steht die Credit Suisse im April 2009 da?Nehmen wir die 50 –100 grössten Bank-institute der Welt und ziehen von denen alle staatlichen ab, dann bleiben nicht mehr sehr viele, die bislang ohne Staatshilfe durch die Krise gekommen sind. Dass wir

zu diesen gehören, darauf dürfen wir ruhig ein bisschen stolz sein. Andererseits weiss man natürlich nie, was noch alles kommen wird. Doch aus meiner Sicht spricht bei der Credit Suisse nichts dafür, dass wir auf Staatshilfe angewiesen sind. Wir stehen sehr gut da: Wir sind gut kapitalisiert, haben eine gute Liquidität, verfolgen die richtige und diversifizierte Strategie und haben eine kompakte Managementspitze. Ich kenne Brady Dougan seit 20 Jahren.

Welche Prioritäten haben Sie sich für Ihr erstes Amtsjahr gesetzt ?Da wäre in erster Linie das Durchschiffen der momentanen Verwerfungen mit einer gewissen Flexibilität, doch unter Beibe-haltung einer grösstmöglichen Konstanz – ohne staatliche Unterstützung. Das schliesst die Rückkehr des Unternehmens zur Profitabilität ein. Dazu braucht es aber keine tiefgreifenden Veränderungen. Wir müssen das von meinem Vorgänger Walter Kielholz mit Brady Dougan – zu-sammen mit VR und Geschäftsleitung – erfolgreich eingeführte Geschäftsmodell der integrierten Bank weiterführen. Team-work ist für mich matchentscheidend.

Also keine Rede von Rückbesinnung auf die alten Stärken, sprich dem Verkauf des in die Kritik geratenen Investment Banking?Das wäre auch völlig falsch und würde gerade der Schweiz letztlich schaden. Wer sich in Zukunft von der globalen Konkur-renz differenzieren will, braucht ein intaktes

«Wir müssen uns vor schlagzeilenträchtiger Panikmache hüten.»Hans-Ulrich Doerig

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Investment Banking. Klar, musste es teil- weise restrukturiert werden. Zusammen mit den alten Stärken wie Zuverlässigkeit, Besonnenheit, Berechenbarkeit und Per-formance haben wir mit unseren drei Säulen eine Riesenchance, die es zu nutzen gilt.

Sie sprechen von Chance. Dann gehört für Sie die Credit Suisse in gewisser Weise gar zu den Gewinnern dieser Krise?Das mag sich angesichts des Verlusts im Jahr 2008 etwas seltsam anhören, aber in einer gewissen Weise sehe ich das tatsächlich so. Denn im Vergleich zu den verschiedenen Instituten haben wir einiges gut gemacht. Ich bin überzeugt, dass, wenn es nur einigermassen mit den Märkten wieder bergauf geht, wir besser als viele davon profitieren können und rückblickend als die Bank dastehen werden, welche die grösste Krise mit Erfolg gemeistert hat. Kommt dazu, dass ganz simpel die Zahl unserer direkten Konkurrenten im vergan-genen Jahr kleiner geworden ist.

Sie sind seit vier Jahren Leiter des Risk Committee. Wie kalkulierbar ist das Risiko im Bankgeschäft ?Risikomanagement ist kein Programm, sondern ein Prozess, der über Jahre hinweg entwickelt werden muss. Auch unsere Modelle werden laufend überprüft und ver-bessert. Grundsätzlich haben sie sich aber bewährt. Zusätzlich zu all den mathe-matischen Modellen und Systemen gehört zu einem guten Risikomanagement aber auch Marktverständnis sowie Intuition und ein Abschätzen der gesunden Propor-tionalität von Risiken. Die Abkürzung CS

steht für mich denn auch nicht nur für Credit Suisse, sondern auch für Common Sense, also gesunden Menschenverstand. Und das spielt beim Risikomanagement eine wichtige Rolle.

Was hat Sie 35 Jahre bei der Credit Suisse gehalten?Ich hatte und habe das Glück, dass ich das, was ich mache, sehr gerne mache. Meine Aufgaben haben innerhalb des Konzerns immer wieder geändert und mich laufend

«CS steht für mich auch für Common Sense, also gesunden Menschenverstand.» – Hans-Ulrich Doerig, neuer Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, vor dem Hauptsitz am Zürcher Paradeplatz.

«Die Zahl unserer direkten Konkurrenten ist im vergangenen Jahr kleiner geworden.»Hans-Ulrich Doerig

Zur PersonHans-Ulrich Doerig wurde 1940 in Zug geboren. Er wuchs in St. Gallen auf, wo er an der Universität in Wirtschaftswissenschaften doktorierte. 1968 stieg er über ein Ausbildungsprogramm bei der Investmentbank J. P. Morgan ein und arbeitete fünf Jahre in New York. 1973 wechselte er zur damaligen Schweizerischen Kreditanstalt in Zürich. Dort wurde er 1982 in die Geschäftsleitung berufen, wo er danach in verschiedensten Funktionen tätig war. Zuletzt war er ab 2003 vollamtlicher Vizepräsident des Verwal-tungsrates und als solcher Vorsitzender des Risk Committee. Neben seiner Karriere bei der Credit Suisse war Hans-Ulrich Doerig während zehn Jahren Lehrbeauftragter an der Universität Zürich und der Swiss Banking School und hat verschiedene Fachbücher und Publikationen herausgegeben. Er ist unter anderem Mitglied im Universitätsrat und Spitalrat des Unispitals Zürich sowie beim Rotkreuz-Museum in Genf und bei der Fondation Simón I. Patiño. Auch ist er Präsident der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde. Hans-Ulrich Doerig ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern. >

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vor neue Herausforderungen gestellt. Wir sind eine Bank in Bewegung mit unter-nehmerischem Geist, in der das einzelne Individuum immer noch konkret etwas bewegen kann. Das hat mir immer gefallen.Ich war auch immer stolz, für die Credit Suisse zu arbeiten: Ein Unternehmen, das in guten wie in schlechten Zeiten seit 1856 jedes Jahr eine Dividende ausbe- zahlt hat, fasziniert mich.

Sie waren immer auch ein Mann für alle Fälle, also sehr flexibel einsetzbar.Das kann man so sehen. Als Joe Ackermann 1996 die Bank verliess, habe ich inner- halb von 24 Stunden die operative Leitung übernommen.

Und trotzdem sind Sie auch immer wieder ins zweite Glied zurückge- treten. Entsprechend haben Teile der Presse Sie auch als ewigen Vize begrüsst. Ärgert Sie das?Überhaupt nicht. Haben Sie mich je un-glücklich gesehen? Wenn ich schon früher Präsident geworden wäre, hätte ich die vielen anderen Aufgaben, die ich im Neben-amt mache, nicht ausüben können – zudem war ich Autor verschiedener Bücher. Ich konnte immer Dinge tun, die mir Spass machten.

Haben Sie nicht sogar zu viele freiwillige Nebenämter?Solche freiwilligen Engagements sind wichtig und gehören zu unserem Verständ-nis von Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Klar, macht es mir nicht immer Spass, wenn ich mich am Sonntagnach-mittag vier Stunden auf die monatliche Unispitalrat-Sitzung vorbereite. Das geht immer auf Kosten anderer Dinge im Leben. Aber das Leben ist ein Abwägen und Ge-wichten der unterschiedlichen Möglich-keiten. Der Tag hat nur 24 Stunden. Aber ich glaube, ein Manager muss auch diese Verantwortung wahrnehmen. Übrigens werde ich wohl einige Ämter abgeben und neue übernehmen müssen. Daniel Huber

«Ein Unternehmen, das in guten wie schlechten Zeiten seit 1856 jedes Jahr eine Dividende ausbezahlt hat, fasziniert mich.»Hans-Ulrich Doerig

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Wechsel im Verwaltungsrat

An der Generalversammlung vom 24. April wurde Hans-Ulrich Doerig zum Präsidenten des Verwaltungs-rats der Credit Suisse Group ge-wählt. Walter B. Kielholz bleibt im Verwaltungsrat. Das Amt des vollamtlichen Vizepräsidenten hat neu Urs Rohner, vormals Chief Operating Officer und General Counsel, übernommen. Ebenfalls neu in den Verwaltungsrat gewählt worden sind Andreas Koopmann, CEO Bobst Group, sowie John Tiner, CEO Resolution und früherer CEO der UK Financial Services Authority. Richard E. Thornburgh, Mitglied des Verwaltungsrats seit 2006, leitet neu den Risikoaus-schuss (Risk Committee). Wegen Erreichen der maximalen Amts-zeit von 15 Jahren ist Thomas W. Bechtler aus dem Verwaltungs-rat ausgeschieden. Neuer General Counsel ist Romeo Cerutti.

Mexiko

Markt mit riesigem Potenzial

Monterrey

CaracasBogotá

Rio de JaneiroSão Paulo

Santiago

MontevideoBuenos Aires

Lima

PanamaMexiko

Mexiko hat sich zu einer der zwölf wichtigsten Volkswirtschaften der Welt entwickelt, wie Christian Wiesendanger, Leiter Private Ban-king Lateinamerika, betont. Dem-entsprechend hat die Credit Suisse, die seit den 1960er-Jahren in Mexiko tätig ist, ihre Präsenz seit 2002 deutlich verstärkt. Insbeson-dere im Investment Banking ist die Credit Suisse stark vertreten. So hat sie beispielsweise 2007 den Börsengang des Mikrofinanzinsti-tuts Banco Compartamos realisiert. Im März 2009 konnte nun Andrés Borrego, Country Manager Mexico, die Eröffnung der Private-Banking-Tätigkeit unter Leitung von Jorge Rodriguez bekanntgeben. Neben wohlhabenden Kunden will man dabei vor allem auch Unternehmer und ihre Familien betreuen.

Schweiz

Golfjunioren auf Tour

Die Credit Suisse unterstützt als Hauptsponsor verschiedene wich-tige Golfturniere in der Schweiz; so das Zurich Open des Golf &Country Club Schönenwerd, das dieses Jahr am 22./23. Juni statt-findet. Danach folgen der Credit Suisse Challenge des Golfclub Wylihof in Luterbach bei Solothurn (1.– 5. Juli), das Bad Ragaz PGASeniors Open (7.–9. August) sowie als Höhepunkt das Omega Euro-pean Masters in Crans-Montana (3.– 6. September). Im Rahmen der Golf-Nach-wuchsförderung spielt die Credit Suisse Junior Tour eine wichtige Rolle mit Tur-nieren in Küssnacht (bereits gespielt), Lavaux (23./24. Mai), Hittnau (13./14. Juni), Lipperswil (15./16. August) und Appenzell (26./27. September) sowie dem grossen Finale am 17./18. Oktober in Crans-Montana.www.credit-suisse.com/sponsoring

Zürich

Spass erleichtert die Arbeit

Die Liebe geht durch den Magen, heisst es. Und auch der geschäft-lichen Partnerschaft schadet es nicht, wenn man einmal im Jahr zusammen herzlich lacht, bis man, im Idealfall, Bauchmuskelkater bekommt. Nach dem australischen Komiker Rob Spence kam 2009dem Bündner «Ferienplaner » Rolf Schmid diese ernsthafte Aufgabe zu, und nicht nur Urs P. Gauch, Leiter Firmenkunden Schweiz –Grosse Unternehmen, und Albert Angehrn, Leiter Swiss Corporates, waren im Park Hyatt Zürich der Meinung, der «Ersatzhumorist » (Schmid war kurzfristig für einen erkrankten Kollegen eingesprun-gen) habe diese vorzüglich erledigt.

Urs P. Gauch (links) zusammen mit dem Komiker Rolf Schmid.

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Der Export ist der Lebensnerv der Schweiz

Das Forum der Schweizer Aussenwirtschaft, organisiert von der OSEC, dient den Unternehmen zur Standortbestimmung und als Vernetzungsplattform. Zunächst drehte sich die Diskussion um «Multinationale KMU: Globali-sierung als Chance». Neben Politikern und Publizisten kamen auch Wirt-schaftsvertreter ausgiebig zu Wort, so Albert Baehny (Geberit), Rolf Sonder-egger (Kistler), Franziska Tschudi (Wicor) und Paul Bulcke (Nestlé). Auf besonderes Interesse stiess der Vortrag von Nouriel Roubini, New York University’s Stern School of Business. Noch mehr zu reden gab das Thema «USA: Chancen und Stolpersteine». Wiederum äusserten sich dazu Unter-nehmer wie Marcel Hossli (Zimmerli), Uwe Krueger (OC Oerlikon), Thomas W. Jung (Acutronic) und Simon Michel (Ypsomed). Die internationale Sicht brachten Shaun Donnelly, National Association of Manufacturers, Martin Neville, Swiss-American Chamber of Commerce, und David Plouffe, Wahlkampfmanager von Barack Obama, ein. Ein Dossier mit Videos

Sie unter www.credit-suisse.com/infocus > Schweizer Unternehmen.

Lugano

Medacta SA gewinnt Preis

Vor über 1000 Zuschauern konnte Alberto Siccardi von der Medacta International SA Anfang März den zweiten Tessiner Unternehmerpreis des Swiss Venture Club entgegen-nehmen. Medacta wurde im Jahr 1958 als Familienunternehmen in Castel San Pietro gegründet und vermag sich vor allem mit orthopä-dischen Produkten für Knie und Hüfte in einem hart umkämpften Markt zu behaupten. Auf dem zwei-ten Platz landete die New Celio Engineering SA, Ambrì, auf dem dritten Enerproject SA, Mezzovico. Zudem gelangten die Fratelli Roda SA, das Office Rigamonti und die Trecor SA in den Final.www.swiss-venture-club.ch

Zürich

Autoform ausgezeichnet

Der zum zweiten Mal in der Region Zürich verliehene Unternehmer-preis des Swiss Venture Club ging Mitte März an die Autoform Engi-neering GmbH, die Lösungen für den Werkzeugbau und die Blech-umformung in der Automobilindus-trie anbietet. Dank grossem Know-how-Vorsprung besitzt das 1995von Waldemar Kubli gegründete Spin-off-Unternehmen der ETHZürich einen Marktanteil von über 50 Prozent.

An dem von Hans Baumgartner als OK-Präsidenten organisierten Anlass landeten das vegetarische Restaurant Hiltl AG, Zürich, und das Tiefbauunternehmen Eberhard Holding AG, Kloten, auf den Ehren-

plätzen. Ebenfalls in den Final gelangten die Ernst Schweizer AG,Hedingen, die KA-TE PMO AG/Fast Robot AG, Freienbach, und die Kuhn Rikon AG, Rikon. Die Zürcher Volkswirtschaftsdirektorin Rita Fuhrer sowie Hans-Ulrich Müller, Präsident des Swiss Ven-ture Club, überbrachten vor 1500Zuschauern Grussbotschaften.www.swiss-venture-club.ch

Hongkong

Nachwuchsförderung in Kultur und Finanzwesen

Im Februar unterstützte die Credit Suisse das renommierte Hong Kong Arts Festival erstmals als Sponsor. Dabei lancierte sie mit Er-folg die Credit Suisse Emerging Artists Series. Diese bietet jeweils drei hoffnungsvollen asiatischen Nachwuchskünstlern eine Auftritts-möglichkeit, die sie dem interna-tionalen Durchbruch einen ent-scheidenden Schritt näherbringen soll. 2008 profitierten davon der Bassbariton Shen Yang, der Cellist Trey Lee sowie der Tänzer und Choreograph Dick Wong.

Fast gleichzeitig konnten im Suntec Singapore International Convention and Exhibition Centre die ersten 22 Absolventen des Programms Professional Diploma in Global Finance geehrt werden. Diesen 15 Monate dauernden Lehr-gang hat die Credit Suisse zusam-men mit der Chinese University of Hong Kong entwickelt.www.hk.artsfestival.org/en

www.hku.hk

Treffen der Schachkönige: Anand, Karpov, Kasparov, Kortschnoi, Kramnik, Spassky, Ponomariov, Topalov, Polgar. Alle am Brett.Am 22./23. August in Zürich. www.sgzurich2009.ch

Goldhungrige Studentensportler

Die Winteruniversiade ist vor-bei, es lebe die Sommeruni-versiade. Und wenn diese so erfolgreich verläuft wie das Sportfest in Harbin, China, kann man sich aus Schweizer Sicht auf das Treffen vom 1. bis 12. Juli in Belgrad freu-en. Tatsächlich erreichten die 60 Athletinnen und Athleten, angeführt von Delegations-leiter Erich Hanselmann, mit

14 Medaillen und 10 Diplomen das beste Schweizer Ergebnis aller Zeiten. Besonders gold-hungrig waren die Skifahrer:Sandro Boner holte dreimal, Dimitri Cuche zweimal Gold, ebenso Tamara Wolf, Ab-fahrtsjuniorenweltmeisterin von 2003, die nach langem Verletzungspech ein ein-drückliches Comeback gab. Andreas L. Csonka, Präsident des Schweizer Hochschul-sport-Verbands (SHSV), misst dem Erfolg grosse Bedeutung bei, weil sich die Schweiz um die Austragung der Winteruni-versiade 2017 bewirbt. Seine organisatorischen Fähigkeiten beweist der SHSV bereits anlässlich der Studierenden-Europameisterschaft im Bad-minton vom 20. bis 24. Juni in Genf sowie der Schachwelt-meisterschaft für Studenten vom 4. bis 12. September 2010 in Zürich. Die Credit Suisse unterstützt den SHSVseit 1987 als Hauptsponsor.

Weitere Informationen r

www.shsv.ch

Tamara Wolf – ein goldiges Lächeln.

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Dreimal Tracey Emin: 1 «My Bed», 1998, Matratze, Leintücher, Kissen, verschiedene persönliche Gegenstände, 79 x 211 x 234 cm, Saatchi Gallery, London. 2 « It’s Not the Way I Want to Die», 2005, Metall, rezykliert, Bauholz, 310 x 860 x 405 cm, Courtesy of the artist and Jay Jopling/White Cube, London. 3 «The Perfect Place to Grow», 2001, verschiedene Materialien: Strandhütte aus Holz, DVD (1' 45"London. Purchased 2004.

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Ein Sommer ohne Kultur ist kein SommerGerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten darf die Sonne der Kultur nicht tief stehen: Die kulturellen Partner der Credit Suisse sorgen wiederum für viele unvergessliche Erlebnisse und Begegnungen.

Text: Andreas Schiendorfer

Die grössten Ereignisse, sagt Nietzsche, das sind nicht die lautesten, sondern unsere stillsten Stunden. Tatsächlich eignen sich die kommenden Wochen und Monate ideal für einen Gang ins Museum. Dort ist es angenehm kühl und, weil es viele an den Strand zieht, still. Und anregend. Man denke nur an die Ausstellung von Tracey Emin im Kunstmuseum Bern, jene von Künstler-paaren wie Yves Klein und Rotraut im Museo d’Arte in Lugano oder von Christo und Jeanne-Claude in der Fondation de l’Hermi-tage in Lausanne.

Der Reiz der komponierten Stille ist unbe-stritten (siehe Seite 7), doch sollte sich bei den Festivals der klassischen Musik die Stille eher auf die Nachbetrachtung durch den Besucher beziehen, auf das berei-chernde Nachspielen, Nachhören im Geiste all dessen, was man zuvor gehört hat, im Amphitheater, wie in Avenches, im Kloster-hof, wie in St. Gallen, auf der Bastion, wie in Solothurn.

Zu den Höhepunkten gehören die Salz-burger Festspiele – mit der Oper «Al gran so-le carico d’amore» von Luigi Nono – und das Lucerne Festival. An dieser Stelle sei schon jetzt auf das Solokonzert von Andriy Dragan, dem Gewinner des Prix Credit Suisse Jeunes Solistes, verwiesen, der am Dienstag, 25. Au-gust, um 12.15 Uhr im Casineum des Grand Casino Luzern Werke von Béla Bartók, Franz Schubert und Sergej Prokofjew spielt.

Kunstmuseum Bern

Tracey Emin: Retrospektive der Superlative

«You forgot to kiss my soul» – Zitat als Neoninstallation, 2001

«Als ich geboren wur-de, hielten sie mich für tot.» So beginnt «Strangeland», die Au-

Emin. Und sie endet mit dem Satz: «Hab

keine Angst, dich mit der Vergangenheit zu konfrontieren.» Dazwischen der Künstlerin Leben, aufgeteilt in Motherland, Fatherland und Traceyland. Die Sprache ist nie litera-risch, im dritten Teil sogar vulgär bis zur Schmerzgrenze – eben so, wie das Leben selber mit Tracey umgegangen ist. Mit 13 Jah-ren vergewaltigt. Danach ein Dasein ohne Schulabschluss, sich während Jahren nur um Sex, Drogen, Abtreibung drehend.

Ein Leben im ostenglischen Küsten-städtchen Margate, dem die Künstlerin rück-blickend aber auch Gutes abgewinnt. «The Perfect Place to Grow» (Bild 3), ist nicht sarkastisch gemeint, sondern drückt bei aller Existenzangst auch Geborgenheit aus. Margate mit seinem Hotel International und London, das ist ihre Heimat. Alles andere ist für sie – trotz Ferienhaus in Australien und Freund in Schottland – unerträgliches Exil.

Geht man durch die von Kathleen Bühler ausgezeichnet präsentierte Ausstellung, stellt man bei sich ein ambivalentes Gefühl fest. Eigentlich müsste man schockiert sein, ab-gestossen, aber man ist es nicht. Die Werke von Tracey Emin wollen vor allem aufrütteln, aber sie sprechen einen auch ästhetisch an. Und gerade die Vogelzeichnungen, künstle-risch vielleicht nicht besonders wertvoll, be-

rühren den Betrachter, denn sie zeigen die andere Tracey Emin. Die sensible. Die Frau, die endlich auch schwach sein darf, bedauern, dass sie keine Kinder mehr bekommt.

Tracey Emin ist deswegen noch lange nicht angepasst oder altersmilde geworden, doch zwingt sie den Ausstellungsbesucher zur Kenntnis zu nehmen, wie vielschichtig sie ist und dass sie sich nicht auf «My Bed» – bei dem übrigens die Blutspuren zu verblas-sen beginnen – reduzieren lässt. Leicht irri-tiert, ist man dankbar, dass Matthias Frehner, Direktor des Kunstmuseums Bern, richtig-stellt: «Tracey Emin gehört zu den 20 be-deutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Sie hat neue Massstäbe gesetzt.»

Als sie 1999 auf die Shortlist des Turner-Preises kommt, stellt sie in der Tate Gallery ihr zerwühltes Bett aus, mit gebrauchter

Und löst damit eine der hitzigsten Kunst-debatten der Moderne aus. Es geht ihr nicht um Sex, weil der sich gut verkaufen lässt, sondern um die schonungslose Befragung der eigenen Existenz. In einer ungewohnten Offenheit, die für sie – als Zwilling – keinen Bekenntnischarakter hat, sondern natürlich ist. Damit trifft sie, zehn Jahre vor Facebook, den Nerv der Millenniumsgesellschaft.

Ihre Kunst ist grossartig, weil sie höchst authentisch und emotional ist, obwohl sie in Wörtern statt in Bildern denkt. « Ich beginne jedes meiner Werke mit einer Art These oder einem Statement », sagt sie. «Ich sitze nicht einfach da und denke. Ich konstruiere Dinge. Viele Leute halten meine Werke nicht für Kunst, vor allem nicht die bestickten Decken.

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Weil viel Ungereimtes über sie gesagt wird, unterhält sie nun ihre eigene Website www.tracey-emin.co.uk. Ein Besuch dort lohnt sich – doch mehr noch einer in Bern.Tracey Emin. 20 Years. Kunstmuseum Bern.

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1, 2 John M Armleder. Crystal Column, Credit Suisse Lugano, Piazza della Riforma, 2009. Höhe 17,705 Meter, Gewicht 1600 Kilogramm, 378 Glasröhren, 40 356 LED-Punkte (Light-Emitting Diode)

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3 Illuminationsaktion der Credit Suisse anlässlich der Eröffnung der Picasso- Ausstellung in der National Gallery in London.

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Credit Suisse Lugano

John M Armleder: Crystal Column bringt Licht in vielen Spielarten

Durch die Überlage-rung von Leuchtdio-den (LED) mit fein re-

Kristallglas verbindet John M Armleder in der umgebauten Cre-

dit Suisse-Filiale an der Piazza della Riforma in Lugano neue technische Errungenschaften mit traditionellem Kunsthandwerk aus Mura-no. Zusätzlich thematisiert er die Bedeutung und die Funktion des Lichts als Kunstwerk und als Gebrauchsgegenstand. Die Crystal Column überzeugt durch ihre ästhetischen Qualitäten und ist zugleich wesentlicher Bestandteil des architektonischen Licht-konzepts.

Tatsächlich war die Verbesserung der Lichtverhältnisse ein wesentliches Anliegen des mehrjährigen Umbaus. Giraudi Wettstein Architekten reagierten auf die bestehenden, eher dunklen Räumlichkeiten mit der Öff-nung des Dachs im Zentrum des Baukörpers, so dass nun natürliches Licht bis ins Erdge-schoss dringt. Bestimmt wird der neu ausge-schnittene Lichtraum durch einen alle Stock-werke durchdringenden Glaskörper, der sich aus unterschiedlich grossen und verschobe-nen Rechtecken aufbaut.

Armleder nennt ihn Atrium Chimney und setzt ihm seine 17 Meter hohe leuchtende Glassäule Crystal Column entgegen. Die Säu-lenhalle vor dem Eingang adaptierend, wächst die Kristallsäule dem Himmel entgegen und wirft einen hellen Schein über alle fünf Stock-werke des Gebäudes, der nachts auch in den Aussenraum der Piazza strahlt. Nicht zuletzt wird das Licht der Säule in der Glasmembran-

-steht ein Lichtraum im Innern mit unzähligen Spielarten des Lichts.

John M Armleder, 1948 in Genf geboren, gehört zu den vielseitigsten und bedeutends-ten Schweizer Künstlern der Gegenwart. Angefangen hatte er als Musiker unter dem

mit Freunden die Fluxus-Gruppe Ecart und betrieb eine gleichnamige Galerie, in der auch Joseph Beuys und Andy Warhol ausstellten. Grosse Beachtung erlangte der aus einer alten Hotelierfamilie stammende Konzept-, Performance- und Objektkünstler, Maler und

Bildhauer in den 1980er-Jahren mit seinen Furniture Sculptures. Der endgültige inter-nationale Durchbruch erfolgte 1986, als er die Schweiz an der Biennale in Venedig ver-treten durfte. 2004 gründete er mit seiner Freundin Sylvie Fleurie und seinem Sohn Stéphane Armleder das Genfer Plattenlabel Villa Magica Records. So kann er seinen mannigfaltigen Interessen noch besser ge-recht werden.

John M Armleder. Crystal Column. Credit Suisse Lugano, Piazza della Riforma.

National Gallery London

Pablo Picasso: Im Wettstreit mit den alten Meistern

Kaum ein Künstler hat das 20. Jahrhundert derart geprägt wie Pablo Picasso (1881–1973). Der spanische Maler, Grafiker und Bildhauer zeichnete

sich durch eine aussergewöhnliche Inno-vationskraft aus. Deshalb mag es erstaunen, dass Picasso keinen radikalen Bruch mit den alten Meistern suchte, sondern ihnen wesent-liche Impulse verdankte. «Picasso war bes-tens mit der westlichen Tradition der Malerei vertraut, denn er besuchte von Kindheit an Museen», erklärt Christopher Riopelle, Kura-tor der Ausstellung «Picasso: Challenging the Past » in der National Gallery in London. «Als junger Mann setzte er sich dann mit

auseinander. Er erwies den Meistern der Ver-gangenheit die Ehre, indem er sie zum Duell aufforderte.» In der stark beachteten Lon-doner Ausstellung interessiert nicht zuletzt der Raum «Variations». Darin sehen wir bei-spielsweise fünf Werke Picassos, die sich mit den «Femmes d’Alger » von Eugène Delacroix auseinandersetzen, und sogar sieben Bilder, die sich auf Edouard Manets «Le déjeuner sur l’herbe» beziehen. Diesen Picasso zu ent-decken, bedeutet also gleichzeitig, die euro-päische Tradition wieder zu entdecken. Wäh-rend einiger Tage hatte die Credit Suisse mit attraktiver Lichtkunst auf die Ausstellung aufmerksam gemacht.

Pablo Picasso: Challenging the Past. London, National Gallery, Sainsbury Wing.

Kulturkalender Ausland

Museen

National Gallery LondonPicasso: Challenging the PastWie haben die alten Meister Picasso beein-

des 20. Jahrhunderts weckt gleichzeitig das Interesse an der Tradition europäischer Malerei. Noch bis zum 7. Juni.www.nationalgallery.org.uk

Salzburg FoundationChristian Boltanski: «Vanitas»Der 64-jährige Franzose hat das achte Werk des auf zehn Jahre angelegten Projekts der Salzburg Foundation geschaffen: «Vanitas», eine Lichtskulptur für die mittelalterliche Krypta neben dem Dom. Einweihung am 24. Juli. www.salzburgfoundation.at

Shanghai Museumwww.shanghaimuseum.net/en

Singapore Arts Museumwww.singart.com

Taipei Fine Arts Museumwww.tfam.museum

Musik und Tanz

Salzburger FestspieleDie Festspiele vom 25. Juli bis 30. August stehen unter dem Motto «Das Spiel der Mächtigen». Wiederum werden rund 200 Veranstaltungen höchsten Niveaus geboten. Die traditionelle Sommer-begegnung der Credit Suisse mit Medien-

vor der Premiere der Oper «Al gran sole carico d’amore» von Luigi Nono statt.www.salzburgerfestspiele.at

Bangkok Symphony Orchestrawww.bangkoksymphony.org

Beijing Music Festivalwww.bmf.org.cn/1.html

Bolshoi Theatre Moskauwww.bolshoi.ru/en

Hong Kong Arts Festivalwww.hk.artsfestival.org/en

New York Philharmonicswww.nyphil.org

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Bulletin 2/09 Credit Suisse

Opernhaus Zürich/Zürcher Festspiele

Ruben Drole als Guglielmo

«Mit der Stimme kann ich meine Musikalität weitaus besser ausdrücken als mit der Geige.»

Bis kurz vor der Ma-tura sieht es ganz so aus, als ob Ruben Drole Medizin oder Jura studieren würde. Zwar spielt er wie sein Vater Geige; aber et-

was fehlt, um ernsthaft eine Karriere als Musiker anzustreben. Immerhin gibt er nach einer gelungenen Aufführung mit dem Kan-tonsschulchor Winterthur dem steten Drän-gen des Musiklehrers endlich nach und be-sucht, mit 19 Jahren, erstmals eine Gesangs-stunde. In der Oper ist er noch nie gewesen. Doch fortan geht es rasant: Sieben Jahre später – 2005/06 – wird er ins Ensemble des Opernhauses Zürich aufgenommen. «Das Singen fällt mir leicht », stellt er fest. «Mit der Stimme kann ich meine Musikalität, die ich immer in mir gespürt habe, ausdrücken, weit-aus besser als mit der Geige. Ich fühle mich frei.» Doch richtig frei ist er nicht. Das Ar-beitsprogramm ist dicht und anspruchsvoll, fünf Neuproduktionen pro Saison keine Sel-tenheit, und praktisch immer betritt Drole musikalisches Neuland. Doch er selbst be-hält seine Leichtigkeit und seine Stimme ihre aussergewöhnliche Schönheit, Ge-schmeidigkeit und Strahlkraft. Und es kommt eine starke Bühnenpräsenz, ein vielverspre-chendes Schauspieltalent hinzu. Nikolaus Harnoncourt und Martin Kušej erkennen im Februar 2007 das Doppeltalent des Papa-

dem jungen Bariton/Bass Mozart-Rollen zu liegen. Es folgen Figaro, dann Guglielmo. «Wie massgeschneidert in der Rolle des Guglielmo konnte sich Ruben Drole präsen-tieren: Die Stimme wirkt wie Balsam, das Legato ist beachtlich, und Diktion und Rhyth-mik sind sorgfältig ausgearbeitet », so «Der neue Merkur » in seiner «Così fan tutte »- Rezension. Die musikalische Leitung hatte Zsolt Hamar inne, in der Inszenierung von Jürgen Flimm. An den Zürcher Festspielen bildet «Così fan tutte» nun den Abschluss der Mozart -Trilogie von Franz Welser-Möst und Sven-Eric Bechtolf. «Die Premiere vom Sonntag, 28. Juni, verspricht auch darum Spannung, weil mit Anna Bonitatibus (Dora-

bella) und Javier Camarena (Farrando) zwei neue Stimmen das bewährte Zürcher Mozart-Ensemble ergänzen», erklärt Peter F. Weibel, Präsident der Zürcher Festspiele, und ver-weist auf weitere Höhepunkte wie die Ver-leihung des Festspielpreises an Peter Stein oder die Würdigung von Felix Mendelssohn durch das Tonhalle-Orchester Zürich.

«Così fan tutte». Opernhaus Zürich.Premiere 28. Juni, 18.30 Uhr. Aufführungen 30. 6./2. 7./4. 7./7. 7./9. 7./11. 7.

Salzburger Festspiele

Luigi Nono: Unter der grossen Sonne, von Liebe beladen

Als Schlüsselwerk der Salzburger Fest-spiele bezeichnet In-tendant Jürgen Flimm Luigi Nonos Oper «Al gran sole carico d’amore», und dies

obwohl daneben auch Mozarts «Cosi fan tutte» und «Le Nozze di Figaro», Beethovens «Fide-lio», Rossinis «Moïse et Pharaon», Händels «Theodora» und Haydns «Armida» gegeben werden. Im Grunde sei diese Oper ein «gros-ses Requiem auf verschollene Hoffnungen und das Scheitern von Utopien». Grundidee ist «die immerwährende weibliche Gegenwart im Leben, im Kampf, in der Liebe; das Ge-stern, das Heute, das Morgen, vernetzt durch Vorwegnahme und Fragmentierung, von der kubanischen Revolution zur sowjetischen von 1917, von der russischen von 1905 zur Pariser Commune, zur italienischen Resistenza über-gehend». Zweifellos zählt die collagenartige «Azione Scenica» von 1975 zu den grossen Werken des modernen Musiktheaters.

Luigi Nono (1924–1990) entstammt einer venezianischen Malerfamilie und heiratet Nu-ria, die Tochter von Arnold Schönberg. 1952

tritt er der Kommunistischen Partei bei. In der ersten Phase gilt er als führender Vertreter der neuen Seriellen Musik der Darmstädter Schule, danach konzentriert er sich unter Ver-wendung von Tonbändern auf Studien über Raum-Klang und schliesslich zieht er Expe-rimentierprozesse mit Live-Elektronik hinzu. Zuletzt widmet sich Nono vorrangig Werken in kammermusikalischer Besetzung.

Luigi Nono. «Al gran sole carico d’amore». Premiere 2. August, 20.30 Uhr. Weitere Aufführungen: 6.8./9.8./14. 8.

Kulturkalender Schweiz

Festivals

Opernfestival Avenches3. bis 17. Juliwww.avenches.ch

Davos Festival25. Juli bis 8. Augustwww.davosfestival.ch

Lucerne Festival12. August bis 19. Septemberwww.lucernefestival.ch

Classic Openair Solothurn30. Juni bis 11. Juliwww.classic-openair.ch

St. Galler Festspiele26. Juni bis 10. Juliwww.stgaller-festspiele.ch

Zermatt Festival4. bis 20. Septemberwww.zermattfestival.com

Zürcher Festspiele19. Juni bis 12. Juliwww.zuercher-festspiele.ch

Museen

Kunstmuseum Bern Tracey Emin. 20 YearsBis 21. Juniwww.kunstmuseumbern.ch

Fondation de l’Hermitage Lausanne Christo et Jeanne-Claude Over the River, A Work in ProgressBis 24. Maiwww.fondation-hermitage.ch

Museo d’Arte Lugano Yves Klein & Rotraut 16. Mai bis 13. Septemberwww.mdam.ch

Fondation Pierre Gianadda Martigny De Courbet à Picasso 19. Juni bis 22. Novemberwww.gianadda.ch

Kunstmuseum Winterthurwww.kmw.ch

Kunsthaus Zug Roman Signer 30. August bis 22. Novemberwww.kunsthauszug.ch

Kunsthaus Zürich Georges Seurat 2. Oktober 2009 bis 24. Januar 2010www.kunsthaus.ch

Museum Rietberg Zürichwww.rietberg.ch

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1 Der Bewegungschor in der Oper «Armida» von Joseph Haydn. Aufführung an den Salzburger Festspielen 2007. Aus Anlass des 200. Todestags des Komponisten am 31. Mai wird die erfolgreiche Oper wieder ins Programm aufgenommen. 3 Ruben Drole als Guglielmo in «Così fan tutte». Aufführung im Opernhaus Zürich im April 2008.

2 Annette Dasch als Armida und Michael Schade als Rinaldo. 03

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Die Finanzkrise aus regionaler SichtIn jedem Kulturraum reagieren die Menschen unterschiedlich auf Krisen. Die Credit Suisse als global tätiges Unternehmen ist mit diesen verschiedenen Mentalitäten von Kunden, Investoren und Mitarbeitenden täglich konfrontiert.

Geschäftlicher Misserfolg ist in vielen Gesell-schaften schwierig zu akzeptieren. Einst er-

als Tragödie und reagieren zuweilen mit Ver--

gegen ist man eher bereit, Misserfolg auch als eine Chance zu sehen, aus gemachten Fehlern Lehren für die Zukunft zu ziehen. «Durch diese Kultur des Scheitern-Dürfens reagieren betroffene Personen viel weniger emotional und stossen in der Gesellschaft weiterhin auf Akzeptanz», erklärte die Mode-ratorin des Mitarbeiteranlasses «Culture Watch», Nannette Hechler-Fayd’herbe. Dies ist nur ein Beispiel von vielen, wie der kultu-

der Menschen prägt.

Asiaten streben nach Ausgleich

Obwohl der asiatische Kulturkreis sehr ver-schiedene Regionen und Mentalitäten um-fasst, gibt es auch Gemeinsamkeiten. So

das Glücksspiel. «Alles, was mit Risiken und Chancen zu tun hat, war schon immer attrak-tiv», weiss Martin Künzler, Head Key Clients

kannte neben dieser Risikobereitschaft immer auch ein Sicherheitsbewusstsein als Ausgleich. So wurde ein Teil des Geldes je-weils in Anleihen angelegt. «Problematisch ist nun, dass mit diesem konservativen In- vestitionskapital Schwellenmarktpapiere ge-kauft wurden, die wegen der Finanzkrise illiquid geworden sind», erklärt Künzler, der auch Präsident der Schweizerisch-Asia-tischen Handelskammer ist. Die Problem-positionen seien in dieser Region also weni-ger Aktien, sondern Anleihen. Die Investoren mussten reagieren und ihr Geld aus diesen Risikopapieren herauslösen, um die Verluste zu begrenzen. «Wir konnten beobachten, dass in den vergangenen Monaten einige Anlage-gelder nach Hongkong und Singapur ver-lagert wurden.» Martin Künzler ist überzeugt, dass dies primär an den dortigen Staats-garantien liegt.

Unabhängigkeit des Instituts ist wichtig

Eine etwas andere Wahrnehmung der Finanz-krise ist in Russland zu beobachten. Zwar sei bei den Investoren aufgrund der teilweise hohen Verluste eine wohl natürliche Risiko-aversion feststellbar. «Aber für eine der wich-

tigsten Investorengruppen, die so genannten Oligarchen, ist die gegenwärtige Krise fast ein Sturm im Wasserglas», so Michael Richard Vlahovic, Private Banking Russia, Eastern Europe, Central Asia. Der Kurseinbruch an der Moskauer Börse sei zwar gravierend, «im Vergleich zur grossen Währungskrise 1998

ist die Gefahr aber noch nicht existenziell ». Das Wichtigste für die Investoren sei nun der enge Kontakt zum Kundenberater. «Der Kunde will von seiner Bank Ideen hören», betont Vlahovic. Ebenfalls sehr wichtig für das Vertrauen der Investoren sei die Unab-hängigkeit ihres Finanzinstituts. «Die Russen haben in der Vergangenheit schlechte Er-fahrungen mit Staatsbanken gemacht.»

Geduld und grosses Sicherheitsbedürfnis

Zu Beginn der Krise herrschte unter den Schweizer Investoren ein breiter Optimismus. «Als sich jedoch einige Monate später das

wahre Ausmass abzuzeichnen begann, setzte Panik ein», sagt Lothar Cerjak, Head Private

war offensichtlich für viele Investoren der Zeitpunkt, die Anlagestrategie zu wechseln. «Aber die Schweizer sind ihrem Ruf als An-leger mit einem verhältnismässig grossen Bedürfnis nach Sicherheit gerecht geworden, viel Geld war bereits konservativ investiert »,

«Alles, was mit Risiken und Chancen zu tun hat, war schon immer attraktiv.»Martin Künzler

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meint Lothar Cerjak. Entsprechend wichtig sei nun für die Kunden eine nahe Beratung. «Gegenwärtig werden die Anleger vor allem in einfachere, konservativere, liquide Pro-dukte investieren und sich erst in einigen Monaten allenfalls wieder an komplexere Produkte heranwagen», ist Lothar Cerjak überzeugt. Das Vertrauen in die Finanzinsti-tute an sich sei weit weniger gestört als in anderen Ländern. « In der Schweiz ist das Bankwesen traditionell stark in der Gesell-schaft verankert », so Cerjak. Die Loyalität von Mitarbeitenden und Kunden sei während der letzten Monate zwar manchmal auf die Probe gestellt worden. «Aber nach meiner persönlichen Wahrnehmung sind im Zuge der Krise die Mitarbeitenden in der Schweiz näher zusammengerückt.»

USA als Land der Gegensätze

Die USA ist das Land mit dem gleichzeitig grössten Markt für Staatsanleihen und risiko-reiche Hochzinsanleihen. So kennen die Ver-einigten Staaten eine Kultur der Kombination von Hochrisiko und absoluter Sicherheit. Der Risikoappetit ist verständlicherweise auch in Amerika gegenwärtig nicht mehr sehr gross. «Wir haben starke Neugewichtungen der Portfolios beobachtet, im Februar hatten wir ein um 15 Prozent höheres Handels- volumen als letztes Jahr », verrät Silvan Wyss, Private Banking COO

sichere Produkte bevorzugt. «Einige Inves-toren sehen hingegen auch wieder neue Mög-lichkeiten; so haben wir vermehrt Interesse an Distressed Funds, im Bereich von Private Equity oder auch an Buy-out Funds feststel-len können. Der wichtigste Faktor für die amerikanischen Investoren und Kunden ist, neben dem kompetenten Kundenberater, die gut aufgestellte und solide Bank.» Teva Streich

Die Mitarbeitenden der Credit Suisse Schweiz setzen sich aus unterschiedlichen Nationalitäten und Kulturen zusammen. Das Multikultu-relle Netzwerk möchte die Mitarbeitenden für die kultu-rellen Unterschiede sensi-bilisieren, um die Vorteile dieser Vielfalt für das Unter-nehmen optimal zu nutzen.

Bildung: wichtigster Rohstoff der Schweiz Zur hervorragenden Qualität des Schulwesens tragen auch die privaten Bildungsinstitute bei wie das Institut Le Rosey, das Lyceum Alpinum Zuoz und das Aiglon College bei Villars.

Die Nachwuchsförderung wird bei der Credit Suisse auch in der Bildung grossgeschrieben. Die Bank bietet rund 1200 Aus-bildungsplätze an (siehe S. 48).

Darüber hinaus vertieft die Credit Suisse seit einigen Jahren ihre guten Kontakte zu exzellenten Privatschulen auf verschiedenen Ebenen. Die bes-ten Absolventen des Instituts

Le Rosey in Rolle erhalten den Prix d’Excellence, der neben ei-ner Uhr von Girard-Perregaux ein fünftägiges Bankpraktikum beinhaltet. «Dank der Unterstüt-zung des grossartigen Teams der Credit Suisse Gstaad konnte ich mir ein Bild darüber machen, was für ein komplexes Gebilde eine Bank darstellt », erklärt die Polin Monika Wilk, die Gewinne-rin 2007, die nun an der London School of Economics studiert.

Blanco Santos, der Siegerin von 2008, zielt in eine ganz andere Richtung, denn sie studiert nun Architektur in Madrid. Gemein-sam sind den rund 100 000 Schülern und Schülerinnen aus

über 100 Ländern in den rund 260 Privatschulen neben der ganzheitlichen Ausbildung auch tiefe menschliche Erfahrungen. «Le Rosey ist wirklich eine spe-zielle Schule, weil man mit den anderen Schülern und den Lehrern zusammenlebt und lernt und eine multikulturelle Familien-atmosphäre entsteht », betont

hier einige meiner allerbesten Freunde kennen, von denen ich weiss, dass ich sie mein ganzes Leben lang haben werde. Ich war hier einfach nur glücklich.»

Das gilt auch für die Absol-ventenjahrgänge vom Lyceum Alpinum Zuoz, wo die Bank letztes Jahr das Motto mens sana in corpore sano auf spezi-elle Weise umzusetzen half. An zwei Tagen hiess es «Invest in Your Future». Zusammen mit der Universität St. Gallen ermöglich-te es die Credit Suisse St. Moritz den Schülern, einen Tag lang ein Banker zu sein und dabei wichtige menschliche Qualitäten wie Teamarbeit und Leadership weiterzuentwickeln. Höchst-leistungen und gleichzeitig beste Unterhaltung bot das Pro-Am-Goldturnier « Invest in Your Handicap», an dem auch Paolo Quirici, der beste Schweizer Golfer aller Zeiten, teilnahm.

Ein drittes Beispiel betrifft das nach dem Zweiten Welt-krieg durch den Engländer John C. Corlette gegründete und jetzt von Peter Armstrong geleitete Aiglon College bei Villars. Es feiert dieses Jahr sein 60-jähriges Bestehen, und die Credit Suisse wird die vom 1. bis 4. Juli dauernden Jubiläums-feierlichkeiten mitgestalten. schi

Le-Rosey-Winterquartier in Gstaad.

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Bulletin 2/09 Credit Suisse

Starke Präsenz im Tessin Der Kanton Tessin weist für die Credit Suisse eine überdurchschnittlich hohe Bedeutung auf. Seit bald hundert Jahren ist die Bank hier fest verwurzelt und beschäftigt über 900 Mitarbeitende. Vor kurzem konnte in Lugano die aufwändig umgebaute Geschäftsstelle an der Piazza della Riforma wieder eröffnet werden.

Das Tessin ist – nicht zuletzt wegen seiner Nähe zur Wirtschaftsmetropole Lombardei/Mailand – der drittgrösste Finanzplatz der Schweiz neben Zürich und Genf. Der Bank-sektor trägt im Tessin mehr als 18 Prozent zur Wertschöpfung bei, dies ist fast doppelt so viel wie der Schweizer Durchschnitt.

Bereits seit 1913 in Lugano vertreten

Es erstaunt daher nicht, dass die damalige SKA schon sehr früh über einen eigenen Sitz im Tessin verfügte. Nachdem sie 1905 in Basel erstmals eine Filiale ausserhalb Zürichs eröffnet hatte, war sie noch vor dem Ersten Weltkrieg mit einer 1913 gegründeten Ge-schäftsstelle in Lugano auch in der Süd-schweiz präsent. «Heute führen wir Filialen an 18 verschiedenen Standorten», führt Giovanni Bottinelli aus, Leiter Privatkunden Credit Suisse Tessin. «Mit über 900 Mitarbeitenden ist die Credit Suisse Group im Kanton auch personell stark vertreten und gehört zu den wichtigsten Arbeitgebern», ergänzt Alberto Petruzzella, Regionenleiter Tessin.

Die Erfahrung der Mitarbeitenden ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Credit Suisse Tessin. Mehr als ein Viertel des Personals ist

schon über 20 Jahre bei der Bank. 14 Mit-arbeitende konnten in den letzten Jahren ihr 40-Jahre-Dienstjubiläum feiern. Dies zeugt vom guten Teamgeist. Zudem ist es bei dieser

ein Vertrauensverhältnis zu den Kunden und zu den im Tessin wichtigen externen Vermö-gensverwaltern aufzubauen, wie Marco Bertoli, Leiter Private Banking, betont.

Konkrete Geschäftszahlen auf regionaler Ebene gibt die Credit Suisse keine bekannt, doch ein Indiz für die Wertschätzung der Südschweiz durch die Bank, liefert das Pro-jekt Branch Excellence. Bei diesem werden Schweizer Filialen kundenfreundlich und nach neusten ökologischen Erkenntnissen umge-baut. Nach Ponte Tresa, Ascona, Locarno und Tenero wurde Mitte März nach dreijäh-riger Bautätigkeit auch die Geschäftsstelle Lugano-Piazza della Riforma wieder eröffnet. «Das Ganze hat rund 22 Millionen Franken gekostet », meint dazu Alberto Petruzzella. «Aber es hat sich gelohnt. Wir sind glücklich über den gelungenen Umbau und freuen uns schon jetzt auf die nächsten Projekte in Fai-do, Minusio, Lamone und Lugano-Maghetti.»

Gleichzeitig wurde auch den Bedürfnissen der Menschen mit einem Handicap durch Rollstuhlgängigkeit sowie spezielle Banco-maten mit einer Audiosoftware für Sehbehin-derte gebührende Beachtung geschenkt.

Viele exportorientierte KMU

Die Credit Suisse betreut im Tessin auch viele Firmenkunden. « In unserem Kanton sind rund 20 000 kleine und mittlere Unternehmen aktiv. Viele sind international tätig und be-nötigen deshalb eine global aktive Bank

Trade Finance oder Cash Management.»Auch im Tessin müssen viele KMU in naher

Zukunft eine Nachfolge in der Firmenleitung realisieren. Die Credit Suisse hat auf diesem Gebiet reiche Erfahrung gesammelt und einen strukturierten Beratungsprozess entwickelt, damit kein wesentlicher Punkt vergessen

geht (siehe bulletin plus «Nachfolge. Die Krö-nung des Lebenswerks»).

Die Innovationskraft der KMU manifestiert sich jeweils besonders eindrücklich bei den Unternehmerpreisen des Swiss Venture Club, dessen Tessiner Jury von Alberto Petruzzella präsidiert wird. Gewann 2007 die Firma Assos of Switzerland aus Stabio, so schwang Anfang März vor mehr als 1000 Zuschauern die Medacta International SA aus Castel San Pietro obenaus (siehe Seite 33).

Nachwuchsförderung und Sponsoring

Die Credit Suisse stellt im Tessin knapp 50 Ausbildungsplätze zur Verfügung, je zu einem Drittel für Lehrlinge, Praktikanten und Hochschulabsolventen.

Die guten Beziehungen zu den Hochschulen zeigen sich auch beim Credit Suisse Award for Best Teaching, der jährlich an der Univer-sità della Svizzera Italiana USI und an den Fachhochschulen SUPSI verliehen wird. 2008

erhielten der Kommunikationswissenschaftler Professor Filippo Carlo Wezel sowie der Inge-nieur Paolo Ceppi für sein Projekt «SUPSI-Space-Lab» diese Anerkennung als besonders gute Nachwuchsförderer.

Im Sponsoring ragen die Partnerschaften mit dem Estival Jazz in Mendrisio und Lugano sowie mit dem Museo d’Arte in Lugano heraus. Bis zum 13. September ist hier die soeben eröffnete Ausstellung «Yves Klein & Rotraut » zu sehen. Ebenfalls mit Unter-stützung der Credit Suisse wird im Castel-grande in Bellinzona bis zum 28. Juni die Wanderausstellung «Ötzi – der Mann aus dem Eis» gezeigt. Andreas Schiendorfer

600 Mitarbeitende in Italien«Italien ist für die Credit Suisse sehr wichtig», erklärt Franco Müller, Head Market Area Italy. «Wir sind hier seit über 20 Jahren präsent. Seit 1998 mit Erfolg auch im Pri-vate Banking.» Die Bank ist mit rund 600 Mitarbeitenden in 30 Städten mit Agenturen vertreten. Eigene Filialen gibt es in Mailand und Rom sowie seit 2008 in Bologna und Parma.

LocarnoLosone

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Fulminante Kunst in LuganoBereits von draussen, von der Piazza della Riforma her, zieht einen John M Armleders fast 18 Meter hohe gleissende «Crystal Column» in die neue Ge-schäftsstelle Lugano (siehe Seite 36). Um diese Muranoglas-Skulptur im zentralen Lichthof der Filiale gruppieren sich Werke weiterer Schweizer Künst-lerinnen und Künstler aus der Sammlung der Credit Suisse. In 16 Kundenzimmern variieren sie das Thema von Armleders Kristallsäule – das solitäre Leuchten ebenso wie Spiegelungen und Lichtbrechungen – in anderen Formen. Altmeister-lich etwa mutet Klodin Erbs Doppelporträt an. Schläfrig sinkt eine Dame im Abendkleid zurück und wird von einer anderen Frau behutsam gestützt. Die Öl-malerei verleiht der Szene temperamentvolle Präsenz: Verankert zwischen kräftig roten Streifen im Vordergrund – einem Treppenaufgang vielleicht – und einem ebenso intensiv bewölkten Himmel vereinen sich die beiden Figuren in der Bildmitte. Doch dabei vergisst man hier das Motiv: Im Auge der Szene wirbelt vielmehr ein Zyklon luftig freier Malerei, in dessen Zentrum der Hals der Schläf-rigen ruht – hell beleuchtet und schlank wie derjenige eines Schwans. Um diesen ruhenden Pol kreist eine barocke Opulenz der Farben, und zahlreich sind die feinen Verspannungen dieser dichten Komposition. So nimmt die mondän grosse Handtasche der Hingesunkenen die Streifen des Vordergrunds auf – und lässt wunderbar offen, ob als Spiegelung der allfälligen roten Foyer-Treppe oder als textiler Rapport der Tasche selbst. Mehr Informationen unter www.credit -suisse.com/sponsoring Kunst Sammlung Credit Suisse André Rogger, Fachstelle Kunst

Klodin Erb (*1963), Ohne Titel, 2008, Öl auf Leinwand, 220 x 180 cm. Sammlung Credit Suisse. Ausgestellt in der Credit Suisse Lugano-Piazza della Riforma, 1. Obergeschoss.

ImpressumHerausgeberCredit Suisse Postfach 2 CH-8070 Zürich Telefon +41 44 333 11 11Fax +41 44 332 55 55

RedaktionDaniel Huber (Chefredaktor, dhu), Marcus Balogh (mb), Dorothée Enskog (de), Regula Gerber (rg), Mandana Razavi (mar), Andreas Schiendorfer (schi), Valérie Clapasson Fahrni (vcs), Michael Krobath (mk), Teva Streich (tst)

E-Mail redaktion.bulletin@credit -suisse.com

Mitarbeit an dieser Ausgabe Elke Bunge, Eric Güller, Ulrich Kaiser, Steffen Klatt, Christian Kraft, Matthias Meili, Ingo Petz, Robert Ruttmann

Internetwww.credit -suisse.com/infocus

MarketingVeronica Zimnic (vz)

Korrektorat Claudia Marolf, notabene

Übersetzungen Credit Suisse Language Services

Gestaltung www.arnold.inhaltundform.com: Arno Bandli, Monika Häfliger, Petra Siegenthaler, Petra Feusi (Projektmanagement ), Carola Bächi (Korrektorat)

Inserate Daniel Baer, Nübruchweg 22, 8605 Gutenswil, Telefon +41 44 945 38 85, [email protected]

Beglaubigte WEMF 148 050

ISSN-RegistrierungISSN 1423-1360

Druck NZZ Fretz AG /Zollikofer AG

RedaktionskommissionRené Buholzer (Head of Public Policy), Monika Dunant (Head of Communications Private Banking), Urs P. Gauch (Leiter Firmenkunden Schweiz-Grossunternehmen), Fritz Gutbrodt

& Products), Martin Lanz (Economic Research), Hubert Lienhard (Asset Management Distribution Services), Andrés Luther (Head of Group Communications), Charles Naylor (Head of Corporate Communications), Christian Vonesch (Head of Private & Business Banking Aarau)

Erscheint im 115. Jahrgang

englischer Sprache) Nachdruck von Texten gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin der Credit Suisse ».

AdressänderungenBitte schriftlich und unter Beilage des Original-Zustellcouverts an Ihre Credit Suisse Geschäftsstelle oder an: Credit Suisse, ULAZ 12, Postfach 100, 8070 Zürich.

Diese Publikation dient nur zu Informationszwecken. Sie bedeutet kein Angebot und keine Aufforderung seitens der Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertschriften. Hinweise auf die frühere Performance garantieren nicht notwendigerweise positive Entwicklungen in der Zukunft. Die Analysen und Schlussfolgerungen in dieser Publikation

vor ihrer Weitergabe an die Kunden von Credit Suisse bereits für Transaktionen von Gesellschaften der Credit Suisse Group verwendet worden sein. Die in diesem Dokument ver-tretenen Ansichten sind diejenigen der Credit Suisse zum Zeitpunkt der Drucklegung. (Änderungen bleiben vor-behalten.) Credit Suisse ist eine Schweizer Bank.

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Wo die Zukunft auf Trümmern gebaut werden mussIm Mai 2008 zerstörte ein schweres Erdbeben weite Teile der chinesischen Provinz Sichuan. Über 80 000 Menschen verloren ihr Leben. Schnelle und unkomplizierte Hilfe war gefragt. Das Projekt der Soforthilfe ist abgeschlossen. Hat es sich bewährt ? Kommen für den Katastrophe-hilfefonds der Credit Suisse weitere Kooperationen zur Stabilisierung der Lage in Frage?

Rund fünf Millionen Menschen haben beim Erdbeben vom 5. Mai 2008 ihr Zuhause verloren. Container schützen sie vor Sonne und Regen. Die Camps sind jedoch weit von Arbeit und Schule entfernt. Bis sie in ihr Dorf oder ihre Stadt zurückkehren können, wird es noch Jahre dauern.

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Die Millionenmetropole Chengdu im Herzen der Provinz Sichuan ist ein Musterbeispiel der chinesischen Wirtschaftseuphorie. Die Stadt pulsiert, die Geschäfte haben Hochbetrieb, es wird gebaut und expandiert. Nichts erin-nert daran, dass vor weniger als sechs Mo-naten die Region die schlimmste Naturkata-strophe ihrer Geschichte erlebte. Am 5. Mai 2008, Punkt 14.28 Uhr, erschütterte ein Erd-beben mit einem Wert von 7,9 auf der Richter-skala die ganze Provinz. Auch Chengdu, über 95 Kilometer vom Epizentrum entfernt, spürte die Auswirkungen. Die Wolkenkratzer wank-ten bedrohlich, die Menschen rannten in Pa-nik um ihr Leben, der Verkehr brach zusam-men und der Flughafen wurde für 24 Stunden geschlossen. Erst nach mehreren Tagen wur-de das ganze Ausmass dieser Katastrophe in Zahlen und für die Welt ausserhalb des Epi-zentrums greifbar: Über 80 000 Menschen, mehrheitlich Kinder, hatten ihr Leben, gegen fünf Millionen ihr Zuhause verloren.

Weiss-blaue Container-Dörfer

Schon nach einer halben Stunde Fahrt ausser-halb von Chengdu werden die Spuren des Erdbebens sichtbarer. Wie offene Wunden ragen Bautrümmer in die Höhe. Je näher man

begegnet man den charakteristischen Con-tainer-Dörfern, die der vertriebenen Bevöl-kerung eine temporäre Unterkunft bieten. Weisse Baracken mit blauen Dächern, so weit das Auge reicht. Sie werden über Jahre hin-weg die Bleibe von Millionen von Menschen sein, bis ihre Dörfer und Städte wieder auf-gebaut sind.

Dann die Einfahrt in Han, 35 Kilometer vom Epizentrum entfernt. Die einst idyllische Kleinstadt, am Fusse eines Berges gelegen, ist heute ein Ort des Grauens. Gespenstig wirken die leeren und beschädigten Häuser, Hunderte an der Zahl, viele davon Ruinen. Der vormals dicht bewaldete Hausberg ist ei-ne baumlose karge Wüstenlandschaft und die Erde droht jederzeit zu rutschen. Die Bewoh-

-tet vor den Nachbeben, vertrieben aus ihren Häusern, die nicht mehr aufgebaut werden können. Wie ein Mahnmal ragt fast unver-sehrt der Uhrenturm mitten aus den Trümmern heraus. Die Zeiger stehen auf 14.28 Uhr.

Geisterstadt als Mahnmal

Erschüttert stehen wir vor den Ruinen einer Schule. Über 400 Schüler haben die Mauern unter sich begraben. Die Erde bebte

Katastrophenhilfe der Credit Suisse Anlässlich des Tsunami unterstützte die Credit Suisse 2005 erstmals Projekte in Sri Lanka und Indonesien. Im Fokus stand der Aufbau von Schulen, Schulküchen und Bibliotheken. Auch der Hurrikan Katrina und das Erdbeben in Pakistan lösten im gleichen Jahr ein Engagement aus. In New Orleans halfen Credit Suisse Mitarbeitende tatkräftig vor Ort mit. 2008 ereigneten sich fast zeitgleich der Zyklon in Myanmar und das Erdbeben in Sichuan, welche die Solidarität der Credit Suisse und ihrer Mitarbeitenden erforderten. Alle Unterstützungsbeiträge setzen sich aus Geldern aus dem Katastrophenhilfefonds sowie Spenden der Mitarbeitenden zusammen. Insgesamt

US-Dollar in die Katastrophenhilfe.

1 Die Kleinstadt Han ist heute ein Ort des Grauens. 2 Die Kirchenuhr hält den fatalen Moment des Erdbebens für immer fest. 3 Das vom Erdbeben schwer gezeichnete Wenchuan-Tal ist äusserst eng, die Strassen, behelfsmässig instand gesetzt, sind durch die zahlreichen Transporte des Wiederauf- baus überlastet und gefährlich.

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Der Lohn für die weltweite Solidarität: glückliche Kinder beim Spiel.Zusammen mit Oxfam Hongkong baute die Credit Suisse sieben temporäre Schulen auf. Hier die Schule von Taoping.

Nach sechs Wochen konnten die Kinder von Taoping wieder in einer temporären Einrichtung aus Containern zur Schule gehen – ein wichtiger Schritt in Richtung Normalität.1

2 3 Wegen der Container ist der Pausenplatz eng geraten, Sportplätze werden vorübergehend anders genutzt. 4

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mitten in der Schulstunde. Die Regierung trägt sich mit dem Gedanken, die Geister-stadt zum Gedenken als Mahnmal stehen zu lassen. Ein Wiederaufbau kommt jedenfalls wegen des weichen Untergrundes nicht in Frage. Die neue Stadt Han entsteht zwei Kilo-meter westlich.

Die Zukunft auf Trümmern planen

Weiter geht die Reise hinein in das schmale Wenchuan-Tal dem Epizentrum entgegen. Bedrohlich wirken die steilen Felswände, der Berg scheint sich noch nicht beruhigt zu ha-ben. Immer wieder wird die in Rekordzeit neu gebaute Strasse, die Lebensader für die Re-gion, verschüttet. Strassenbauarbeiter beob-achten die rutschenden Abhänge und winken den Verkehr sporadisch durch. Die Fahrt grenzt an russisches Roulette. Die alte Stras-se auf der anderen Seite des Tals ist nicht mehr erkennbar, kaum eine Brücke in der 60 Kilometer langen Schlucht kann repariert und weiter genutzt werden. Am Wegesrand sind häusergrosse Felsbrocken Zeugen der

tödlichen Naturgewalt. Dort, wo das Tal et-was breiter wird und die Stadt Vingxiu 40 000Einwohnern mit stolzen Hochbauten ein Zu-hause bot, präsentiert sich ein Bild der tota-len Verwüstung. Mitten im Epizentrum ge-legen, hinterlässt das Erdbeben eine Land-schaft von Massen an Bauschutt. Wenige Mauerüberreste legen Zeugnis davon ab,dass hier einmal gelebt wurde. Die Menschen harren tatenlos, aber mit bewundernswerter Gelassenheit in ihren Camps am einstma-ligen Stadtrand, ohne Arbeit, in einer unwirt-lichen Umgebung. Noch ist der Wiederaufbau der Stadt nicht im Gange. Die Zufahrtswege geniessen Priorität und erfordern höchste Ingenieurskunst. Viele Einwohner würden den Wiederaufbau der Stadt an einem an-deren Ort befürworten. Doch das enge Wenchuan-Tal bietet ihnen keine andere Option, als ihre Zukunft auf den Trümmern zu planen. Vingxiu wird in acht Jahren wieder komplett aufgebaut sein.

Janine Händel, Geschäftsführerin des

Katastrophenhilfefonds der Credit Suisse

Die Credit Suisse ist überzeugt, dass die unternehmerische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und der Umwelt ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist.

Eine temporäre Schule für Taoping Zusammen mit Oxfam Hongkong baute die Credit Suisse insgesamt sieben temporäre Schulen in zwei Regionen der Provinz Sichuan, um den vom Erdbeben betroffenen Kindern so rasch als möglich den schulischen Anschluss zu ermöglichen. Nach nicht einmal sechs Wochen konnten die Kinder von Taoping ihre temporä-ren Unterkünfte beziehen. Die Primarschule bietet Platz für 263 Schüler und 28 Lehrer, die grösstenteils auch unter der Woche in kleinen Gemeinschafts-schlafzimmern übernachten. Der Bürgermeister des Dorfes erzählt stolz, dass die Schule die erste in der ganzen Region war, die nach dem Beben einge-weiht werden konnte. Da die Lehrer in der Folge auf die Schulferien verzichteten, wurde der Lehrstoff wieder komplett aufgeholt. Der Bezug der erd- bebensicher wieder aufgebauten «alten» Schule ist für Ende 2009 geplant.

«Ohne Schule war es langweilig»Ich befand mich gerade in meinem Schlafsaal der Schule und hielt Mittags-

Beben war so heftig, dass ich erwachte und mit den anderen Kindern auf den Sportplatz rauslief. Wir hatten im Vorfeld geübt, was in solchen Fällen zu tun ist. Daher wusste ich, dass ich nicht im Gebäude drin bleiben durfte. Dann habe ich gewartet, bis meine Eltern mich abholten. Ich hatte schon ein bisschen Angst. Zum Glück wurde in unserem Dorf niemand schwer verletzt. Aber die Häuser sahen zum Teil schrecklich aus. Nach dem Erdbeben mussten wir zuhause bleiben, weil unsere Schule beschädigt war. Das war ungewohnt und auch lang-weilig. Ich gehe sehr gern zur Schule. Ich war froh, als wir in die neuen Schul-container einziehen konnten. Jetzt kann ich wieder lernen und mit meinen Freunden zusammen sein. Auch wenn immer noch Schulmaterial fehlt, fühle ich mich in den Schulcontainern wohl. An das Erdbeben denke ich fast nie mehr. Jiang Zhu

Die zehnjährige Jiang Zhu.

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In der Krise ist die Förderung der Talente in der Bank besonders wichtigDie Credit Suisse wird ihre Ausbildungsplätze 2009 nicht reduzieren und bietet

Lukas Vonesch, Head Campus Recruiting Switzerland, anlässlich des bemerkens-werten Next Generation Networking Event zu hören, an dem auch der damalige Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, Walter B. Kielholz, teilnahm.

«Talentförderung ist keine kurzfristige, son-dern eine langfristige Aufgabe. Dessen sind sich Geschäftsleitung und Verwaltungs- rat der Credit Suisse vollauf bewusst », be-tonte Lukas Vonesch, Head Campus Recrui-ting Switzerland. «Deshalb bieten wir in der Schweiz weiterhin gleich viele Ausbildungs-plätze für Lernende, Praktikanten sowie Mit-tel- und Hochschulabsolventen an, nämlich rund 1200. Und trotz Kostendruck investieren wir auch 2009 gleich viele Mittel in die Talent-förderung.»

80 Prozent bleiben der Bank erhalten

Die zahlreichen Teilnehmer des Next Gene-ration Networking Events 2009 mochten dies gerne gehört haben, doch letztlich interes-sierte sie wohl nur eines: Was passiert mit ihnen selbst, die ihre Ausbildung demnächst abschliessen oder sie vor kurzem beendet haben? «Die Credit Suisse bietet allen Young Talents bei Programmabschluss eine beruf-liche Perspektive, wenn sie bei uns weiterar-beiten möchten und den entsprechenden Leistungsausweis vorweisen können», versi-cherte Vonesch. «Rund 80 Prozent bleiben uns nach ihrer Ausbildung erhalten. Wer nicht bei uns bleibt, tut das in der Regel, um eine Weiterbildung ausserhalb der Credit Suisse zu verfolgen. Falls notwendig, wird der Berufs-einstieg mit einer Programmverlängerung unterstützt.»

Eigeninitiative als Basis der Förderung

Besonders erfolgreich ist Talentförderung durch den Arbeitgeber dann, wenn die Talente Eigeninitiative entwickeln und gewillt sind, sich selbst zu fördern. Ein gutes Beispiel hierfür ist das NGN, das Next Generation Network. Es ist 2004 entstanden, weil zwei Young Talents, Michael Kocher und Michel

Hugentobler, sich mit Gleichaltrigen aus-tauschen und auch von der Erfahrung älterer Mitarbeitender profitieren wollten. Die Tat-sache, dass am jährlichen Grossanlass nach-einander Walter Berchtold, Head Private Banking, Oswald J. Grübel, Chief Executive Officer, und dieses Jahr Walter B. Kielholz, Präsident des Verwaltungsrats, als Haupt-referenten gewonnen werden konnten, be-weist die hohe Akzeptanz dieser Initiative.

Für den beruflichen Alltag wichtiger sind jedoch die monatlichen Treffs und die spon-tane Kommunikation, die in Zukunft dank einer eigenen firmeninternen Website we-sentlich erleichtert wird.

Zwischen Netzwerk und Filz

«Wenn man wie ich in Zürich aufgewachsen ist, in St. Gallen studiert und auch Militärdienst geleistet hat, dann kennt man automatisch viele Leute, die mit einem durch die aktive Periode gehen», erzählte ein sichtlich gut gelaunter Walter B. Kielholz seiner jungen Zuhörerschaft. « Ich mag Menschen, höre ihnen gerne zu und diskutiere mit ihnen. So entstehen automatisch Beziehungen, die einem in bestimmten Situationen nützlich sein können. Wenn man selber dazugehört, spricht man von Netzwerken, ist man nicht dabei, so handelt es sich um Filz.»

Die öffentlichen Debatten könne man lei-der darauf reduzieren, dass in jedem Netz-werk etwas Unanständiges erkannt wird, ausser im eigenen. Der erfahrene Finanz-fachmann warnte gleichzeitig davor, ein per-sönliches Netzwerk nur aus opportunisti-

Gutes Networking findet oftmals in einer Veranstaltungspause statt. Walter B. Kielholz im angeregten Gespräch mit drei der NGN-Teilnehmer.

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Credit Suisse Bulletin 2/09

schen Zwecken zu pflegen und sich ständig zu fragen, ob einem etwas persönlich nüt-zen könne. Dazu sei das Leben zu schade. Für die eigene Zufriedenheit sei es wichtig, historische Freundschaften unabhängig des beruflichen Werdegangs zu pflegen.

Wirtschaftskrisen im Zeitraffer

In seinem eigentlichen Referat ging Walter B. Kielholz auf die verschiedenen Krisen ein, die er im Laufe seiner beruflichen Karriere bereits miterlebt hat, angefangen bei der Ölkrise von 1974. Diese hatte ihn als Mitarbeiter des studentischen Reise-dienstes in voller Härte getroffen, weil die Nachfrage beim damals drittgrössten Reise-büro der Schweiz praktisch über Nacht völ-lig zusammenbrach. Noch frisch in Erinne-rung ist Walter B. Kielholz auch die Schwei-zer Immobilienkrise, bei der die Schweizer Banken zwischen 1991 und 1996 im Inland-kreditgeschäft Verluste in der Höhe von 42 Milliarden Schweizer Franken verkraf-ten mussten – «vor allem, weil man Firmen-kunden viel zu grosse Betriebskredite auf ihre Immobilien gewährte», erklärte er. «Da-bei wurde nicht bedacht, dass eine Be-triebsliegenschaft nach einem Konkurs nur einen geringen Wert besitzt und deshalb anders als eine Wohnliegenschaft taxiert werden sollte.»

Die Lehren ziehen

Walter B. Kielholz kommentierte die ver-schiedenen Krisen aus sehr persönlicher Sicht, weshalb seinen Ausführungen bei aller Ernsthaftigkeit ein wohltuender Unter-haltungswert innewohnte. Jedenfalls scheint der ungetrübte Blick zurück das Meistern aktueller Krisen zu erleichtern. Dabei gilt es nicht nur aus gemachten Fehlern zu lernen, sondern auch zu verhindern, dass die ge-troffenen Massnahmen eine nächste Krise vorbereiten.

Nachfolgeregelung ist entscheidend

Das NGN hat die eigentliche Bewährungs-probe ebenfalls bereits bestanden – die Nachfolgeregelung beim Ausscheiden der Gründergeneration. Tatsächlich steht nun ein hoch motiviertes Team bereit, um die Vision weiter voranzutreiben. Wenn es ge-lingt, die Initiative aus dem Grossraum Zü-rich hinauszutragen, kann das Next Gene-ration Network für die Beteiligten und für das Unternehmen von grossem Nutzen sein. Andreas Schiendorfer

Indonesische Schüler

verbesserter LernumgebungDie Clinton Global Initiative war in Hongkong zu Gast. Aus diesem Anlass gewährte die Credit Suisse in Partnerschaft mit dem Welternährungsprogramm (WEP) der Vereinten Nationen eine finanzielle Unterstützung für philan-thropische Zwecke in der Höhe von 250 000 US-Dollar.

Unter dem Patronat der Clinton Global Initia-tive (CGI) trafen im Dezember 2008 in Hong-kong mehrere Hundert Führungspersönlich-keiten unterschiedlicher Herkunft zusam-men, um die Stärkung der Corporate Social Responsibility zu unterstützen. Im Mittelpunkt der CGI steht das «Commitment to Action», eine konkrete und messbare Verpflichtung, die Ziele in sinnvolle Ergebnisse verwandelt. Seit der Gründung sind CGI-Mitglieder fast 1200 Commitments eingegangen, die sich auf mehr als 200 Millionen Menschen in 150 Ländern ausgewirkt haben. «Die Credit Suisse spielt in der CGI eine aktive Rolle, weil sie die Arbeit unseres Partners – des Welternäh-rungsprogramms der Vereinten Nationen – zu schätzen weiss», erklärte Eoin O’Shea, Chief Operating Officer der Credit Suisse in der Region Asien-Pazifik. «Mit der Unterstüt-zung von Organisationen wie dieser ist die Hoffnung verbunden, dass die CGI weiterhin als Katalysator des Wandels zur Bewältigung von einigen der dringendsten Herausforde-rungen unserer Zeit beitragen wird», betonte Anthony Banbury, der Regionaldirektor des WEP in Asien.

Zusammenarbeit mit dem WEP

Im Fokus der CGI Asia 2008 standen drei Schlüsselthemen: Unterrichtswesen, Energie und Klimawandel sowie öffentliche Gesund-heit. Sie wurden während der zweitägigen Panelgespräche und interaktiven Arbeits-sitzungen diskutiert. Das «Commitment to Action» der Credit Suisse wurde auf das Unter-richtswesen ausgedehnt. Mit dem Verspre-chen, das sie in Partnerschaft mit dem WEPder Vereinten Nationen abgegeben hat, ver-

Unterstützung in der Höhe von 250 000 US-Dollar zu leisten, um die laufende Arbeit des WEP in Indonesien aufrechtzuerhalten. Ziel

des Commitments ist es, die Schaffung einer gesunden Lernumgebung zu fördern und das Wohlergehen und die Ernährung von über 9000 Schulkindern und 384 Lehrerinnen und Lehrern in einem der verwundbarsten Schul-bezirke Indonesiens zu verbessern.

Mit der finanziellen Unterstützung werden tagsüber mit Mikronährstoffen angereicherte Kekse an Schulkinder der Umgebung abge-geben. Entwurmungsbehandlungen, interak-tive Lernwerkzeuge und Informationsposter sowie Schulung in hygienischem und gesun-dem Verhalten werden ebenfalls angeboten. «Solche Massnahmen sind entscheidend, um bei Kindern, die diese Art von Unterstützung empfangen, eine bleibende Wirkung zu er-zielen», führte Eoin O’Shea aus. Das WEParbeitet eng mit örtlichen Bildungs- und Gesundheitsbehörden zusammen, um sicher-zustellen, dass die Botschaften richtig um-gesetzt werden. Susan Sy und Alexandra Pilto

Über 9000 Schüler sowie gegen 400 Lehrkräfte profitieren in Indonesien von der Arbeit des Welter-nährungsprogramms WEP der Vereinten Nationen.

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International Corporate Philanthropy Day

Gesellschaftliche VerantwortungAm 23. Februar 2009 fand der International Corporate

CEO Asset Management und der Region Americas, nahm zusammen mit über 60 CEOs und Vorstandsmitgliedern von einigen der weltweit grössten Unternehmen an einer Konferenz unter dem Titel «Weltführer vor Entscheidungen mit Tragweite» teil. Die Konferenz wurde vom Committee Encouraging Corporate Philanthropy (CECP) in New York organisiert. Das CECP ist ein internationales Forum, das sich für die Verbes-serung des sozialen Engagements der Wirtschaft einsetzt. In einer Diskussionsrunde betonte Rob Shafir das Engagement der Credit Suisse für die Gesellschaft und erklärte: «Wir nehmen unsere Verantwortung auch regional wahr und spielen so in den Gemeinschaften, in denen wir leben und arbeiten, eine aktive Rolle.» In einer Videomitteilung am Ende der Veran-staltung betonte der ehemalige US-Präsident Bill Clinton die Wichtigkeit strategischer Initiativen zur Wahrneh-

weiter: «Ohne die Unterstützung unserer Mitarbeitenden könnten wir jedoch keinen bedeutenden Beitrag leisten. Die Freiwilligenarbeit, die von Mitarbeitenden der Credit Suisse

nehmens umso wertvoller. Es ist ein Privileg, Mitarbeitende zu haben, die sich aktiv an unseren Programmen beteili-gen.» Die Credit Suisse ging anlässlich des International Corporate Philanthropy Day eine neue globale Partnerschaft mit zwei gemeinnützigen Organisationen ein: Habitat for Humanity International und JA Worldwide®. Marcus Balogh

Entwicklungshilfe

Swisscontact – 50 Jahre Entwicklungshilfe für KMU

Swisscontact – die Entwicklungs-organisation der Schweizer Privatwirtschaft – feiert 2009 ihr 50-jähriges Bestehen. Die Stiftung engagiert sich unter dem Motto «Hilfe zur Selbsthilfe» in über 20 Entwicklungsländern und Ost-europa in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Zudem unter-stützt sie die Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen und setzt sich für Umweltschutz ein. Das Swisscontact Senior Expert Corps, eine weitere Dienstleistung, vermittelt pensionierte Fachleute als ehrenamtliche Berater. Die Credit Suisse unterstützt die Arbeit der Stiftung seit deren Gründung. «Vor dem Hintergrund unserer globalen Initiative zur Förderung der Mikrofinanz unterstützen wir zum Beispiel in der Ukraine die Ausbil-

dung von jungen Finanzfachleuten (Bild ) und verbessern in Südafrika den Zugang von kleinen und mitt-leren Unternehmen zu Finanzdienst-leistungen», hält Christian Gut, Vertreter der Credit Suisse im Stif-tungsrat von Swisscontact, fest.

Höhepunkt des Jubiläumsjahres ist eine öffentliche Veranstaltung mit Bundesrätin Doris Leuthard am 20. August 2009 in Zürich.www.swisscontact.ch

«Beyond a Dollar a Day»

Über eine Milliarde Menschen müssen mit weniger als einem Dollar pro Tag überleben. Credit Suisse Verwaltungsrat David W. Syz geht in seinem Dokumen-tarfilm «Beyond a Dollar a Day» der Frage nach, inwiefern Unter-nehmertum eine Rolle bei der Bekämpfung solcher Armut spie-len kann. «Was die Entwicklungs-länder brauchen, sind Investi-tionen», erklärte Syz anlässlich

der Vorführung in Zürich. Im Film zu Wort kommen Experten wie Nestlé-Chef Peter Brabeck oder der peruanische Ökonom Hernando de Soto (siehe auch Leader, S. 70ff ).

Buschbrände

Spenden für die Opfer der Buschfeuer in Australien

Mitte Februar 2008 wüteten im Bundesstaat Victoria die schwers-ten Buschfeuer in der Geschichte Australiens. Die Feuer zerstörten 1800 Häuser, forderten über 180 Todesopfer und machten rund 7000 Menschen obdachlos. Dies löste eine grosse Solidaritäts- welle aus, so auch bei den Credit Suisse Mitarbeitenden in Austra-lien und der ganzen Region Asien- Pazifik (APAC). Die Nieder-lassungen in Sydney, Melbourne, Singapur, Hongkong und teilweise in China organisierten Spenden-anlässe, um Geld für die Opfer zu sammeln. Dabei kamen über 73 000 Franken (93 000 austra-lische Dollar) zusammen. Beein-druckt von diesem Engagement stockten Kai Nargolwala, CEO der Region APAC, und David Trude, Country Head von Australien, im Namen des Credit Suisse Asia Pacific Philanthropy Committee die privaten Spenden weiter auf. Auch der Katastrophenhilfefonds der Credit Suisse Group steuerte eine namhafte Summe bei. Total konn-ten so über 164 000 Franken (209 000 australische Dollar) ans Australische Rote Kreuz über-wiesen werden.

Kundenstiftungen

Kundenstiftungen – 136 unterstützte Projekte

Accentus, Symphasis und Empiris, die drei von der Credit Suisse gegründeten gemeinnützigen Kun-denstiftungen, konnten dank ihren Donatoren 2008 philanthropische Projekte im Wert von mehreren Millionen Schweizer Franken finan-zieren. Insgesamt wurden 136 Pro-jekte unterstützt, darunter vor allem sozial-humanitäre und wissen-schaftliche Themen, aber auch Kul-tur-, Sport-, Natur- und ökologische Projekte. Die Credit Suisse über-nimmt bei allen drei Stiftungen die administrativen Kosten und macht so möglich, dass die Spendengelder weitestgehend den von den Dona-toren ausgewählten Begünstigten zufliessen. Valérie Clapasson Fahrni

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bulletin plus – das Heft im Heft für Schweizer Leser

Nachfolgeregelung – eine Herausforderung für jeden Unternehmer

Das Center for Family Business der Universität St. Gallen hat zusammen mit der Credit Suisse eine fundierte Studie über die Unternehmensnachfolge publiziert. Dieses bulletin plus enthält die wichtigsten Resultate journalistisch aufbereitet. Die Studie verdeutlicht, wie viele Unternehmer sich in den nächsten Jahren dieser Herausforderung stellen müssen. Zunehmend gilt es dabei familienexterne Lösungen ins Auge zu fassen. Dies ist mittlerweile aber weder ein Tabu noch ein Zeichen der Schwäche. Ganz im Gegenteil: Die beste Lösung für das Unternehmen ist letztlich auch die beste Lösung für die Familie des Unternehmers. Mehr Informationen unter www.credit-suisse.com/nachfolge.

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Schweizer Immobilienmarkt: Eigentumswohnungen an zentraler Lage: Reurbanisierungstrend fördert NachfragePreiswachstum: Stagnation ohne schwerwiegende Einbrüche

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Schweizer Immobilienmarkt: Bautätigkeit von Einfamilienhäusern: rückläufig in peripheren RegionenLeerstände: leichter Anstieg, insbesondere ausserhalb der ZentrenÜberbewertungen: Korrekturen von punktuell übertriebenem Preiswachstum nicht auszuschliessen

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Trends im Schweizer WohnimmobilienmarktDie Schweiz hat sich 2008 erneut als Magnet für hochqualifizierte Arbeitnehmer aus dem Ausland erwiesen. Das wirkt sich auf den Immobilienmarkt aus, da die Nach- frage nach Wohnraum sehr hoch ist. Allerdings wird sich diese 2009 konjunkturbedingt abschwächen – ganz im Gegensatz zur Bautätigkeit, deren hohes Niveau auch 2009 wieder für eine starke Wohnraumausweitung sorgen wird. Regional ist ab 2009 mit Überangeboten zu rechnen, wodurch vereinzelt Preisrückgänge möglich sind.

Text: Christian Kraft, Economic Research

Die Bevölkerung ist in der Schweiz im ver-gangenen Jahr so stark gewachsen wie seit 1963 nicht mehr. Treibende Kräfte der sehr dynamischen Bevölkerungsentwicklung wa-ren die per saldo über 100 000 Zuwanderer, die vielen Unternehmen über Personaleng-pässe am Ende der Hochkonjunktur hinweg-geholfen haben. Am stärksten ziehen die Zentren und deren Agglomerationen die Ein-wanderer an. Allein in der Stadt Zürich ist die Bevölkerung 2007 dank der Zuwanderung um zwei Prozent gestiegen.

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Dieser simplen Tatsache verdankt es der Schweizer Immobilienmarkt, dass die zahlreichen Wohn-bauprojekte in der Regel schnellen Absatz fanden. Zwei strukturelle Merkmale der jüngsten Zuwanderungswelle beeinflussen dabei nicht nur die nachgefragte Menge nach Wohnraum, sondern auch die Form. Erstens sind die Zuwanderer, die schwerpunktmässig aus den EU-15-Staaten stammen, gut aus-gebildet. So ist zum Beispiel die Anzahl zu-gezogener Personen, die in akademischen Berufen tätig sind, zwischen 2003 und 2007um 30 Prozent angestiegen – jener in Füh-rungspositionen um 17 Prozent. Insbeson-dere letzterer Personenkreis zeichnet sich erstens durch ein überdurchschnittliches Ein-kommen aus und ist zweitens sehr jung.

Mehrheitlich junge Zuwanderer

Ein Drittel aller 2007 zugewanderten Per-sonen ist zwischen 20 und 29 Jahre alt. Ein

beträchtlicher Anteil kehrt demnach schon bald nach dem Berufseinstieg seiner Heimat den Rücken oder kommt in die Schweiz, um eine höhere Ausbildung zu absolvieren. Ein weiteres Viertel ist zwischen 30 und 39 Jahre alt. Im Gegensatz zu den Unter-30-Jährigen finden sich in dieser Altersgruppe auch Fa-milien mit Kindern. Auf Kinder unter 15 Jah-ren entfallen gut 13 Prozent. Mit steigendem Alter sinkt die Migrationsneigung rapide. Lediglich ein Anteil von sieben Prozent ist älter als 50 Jahre.

Interessante Mieter und Käufer

Die Kombination aus jungem Alter und ho-hem Einkommen macht die gegenwärtig in die Schweiz einwandernden Personen zu einer ausgesprochen interessanten Nachfra-gegruppe auf dem Wohnimmobilienmarkt. Die hohe städtische Lebensqualität sowie die gewünschte Nähe zum Arbeitsplatz för-dern in einem ersten Schritt die Nachfrage nach zentrumsnahen Mietwohnungen des mittleren und gehobenen Segmentes. Mit zunehmender Integration und entsprechender Einkommens- und Vermögensbildung ent-scheiden sich viele Zuwanderer schliesslich für die eigenen vier Wände in Form von Eigentumswohnung oder Einfamilienhaus.

Zyklische Zuwanderungsbewegungen wie jene, die wir zurzeit erleben, beeinflussen die Immobiliennachfrage allerdings nur kurz-fristig. Ob das Nachfrage-Momentum auch 2009 dazu verhelfen wird, neuen Wohnraum

flächendeckend zu füllen, hängt zum Teil davon ab, wie schnell sich der Konjunktur-einbruch auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt. Einstellungsstopp und Stellenabbau entzie-hen der kurzfristigen Immobiliennachfrage den Nährboden. Dennoch sollte der struktu-relle Standortvorteil der Schweiz auch 2009dafür sorgen, dass sich hochqualifizierte Arbeitskräfte weiterhin um attraktive Arbeits-stellen bewerben werden. Insgesamt wird die Zuwanderungswelle somit abebben, aber nicht vollständig zum Stillstand kommen. Das Wachstum der Bevölkerung und der Immo-biliennachfrage dürfte sich auf ein Prozent reduzieren – was im langjährigen Vergleich immer noch überdurchschnittlich ist.

Einfamilienhäuserbau eingebrochen

Im Gegensatz zur Bevölkerungsdynamik dürfte hingegen der Wohnungsbestand mit geschätzten 42 000 zusätzlichen Wohnein-heiten im gleichen Masse ausgeweitet wer-den wie schon im letzten Jahr. Die Auswer-tung der Baubewilligungen verrät, dass die Bautätigkeit insbesondere im Mehrfamilien-haussegment weiterhin boomt, während immer weniger Bewilligungen für den Bau neuer Einfamilienhäuser gesprochen werden. Im Oktober 2006 erreichte das Niveau be-willigter Einfamilienhausprojekte den Höhe-punkt des gegenwärtigen Wohnbaubooms. Seitdem sind die Bewilligungen aus vielfäl-tigen Gründen um 19 Prozent eingebrochen. Die hohen Preise dürften viele Interessenten

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Credit Suisse Bulletin 2/09

Immobilienstudie Wirtschaft 55

zunehmend von der Realisierung ihres Traum-hauses abhalten. Als Konsequenz demo-grafischer Entwicklungen sinkt zudem die durchschnittliche Haushaltsgrösse in der Schweiz – ein Trend, der sich auch zukünftig fortsetzen wird. Laut Schätzungen des Bun-desamtes für Statistik dürfte die durch-schnittliche Schweizer Haushaltsgrösse von 2,23 Personen 2005 auf 2,02 Personen im Jahr 2030 sinken. Mit abnehmender Haus-haltsgrösse und zunehmender Alterung der Bevölkerung verliert das Einfamilienhaus seine wichtigste Kundschaft: junge und kin-derreiche Familien.

Wohnungsgrösse: Weniger wird mehr

Kleinere Haushalte folgen häufig dem Reur-banisierungstrend und suchen Eigentums-wohnungen in zentrumsnahen Lagen. Die Tendenz sinkender Haushaltsgrösse hilft jedoch nicht nur eine Verschiebung vom Einfamilienhaus zum Stockwerkeigentum zu erklären, sondern beeinflusst auch die Veränderung der Wohnungsstruktur selbst. Weniger ist manchmal mehr. Gemäss diesem Motto zeichnet sich angebotsseitig eine leichte Verschiebung von grossen zu kleineren Wohnungen mit zwei und drei Zimmern ab, nachdem sich die Bautätigkeit jahrelang aus-schliesslich auf die grossen Wohnungen kon-zentrierte. So hat das Bestandeswachstum von Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen im Gegensatz zum Bestandeswachstum grosser Wohnungen seit 2006 zugelegt.

Eigentumswohnungen weiterhin beliebt

Absolut gesehen bleibt die Vier-Zimmer-Wohnung mit einem Reinzugang von knapp 16 000 Wohnungen im Jahr 2007 bei neu-erstellten Projekten jedoch die dominante Wohnungsgrösse. Betrachtet man die Miet- und Eigentumsverhältnisse geplanter Bau-projekte, so fällt auch hier eine strukturelle Veränderung auf. Die Anzahl bewilligter Mietwohnungen verdreifachte sich beispiels-weise von 2002 bis 2008 auf 33 Prozent aller bewilligten Wohnungen. Dieser Anstieg widerspiegelt die Reaktion der Investoren auf den Urbanisierungstrend und auf die dyna-mische Zuwanderung. Die Eigentumswoh-nung bleibt mit 41 Prozent der bewilligten Wohnungen allerdings mit Abstand die be-liebteste Wohnform.

Insgesamt Leerstände leicht gestiegen

Dennoch lässt sich eine gewisse Marktsät-tigung für Eigentumswohnungen nicht über-sehen. Insgesamt ist 2008 der Anteil

Die meisten Zuwanderer sind zwischen 25 und 29 Jahre jungAltersstruktur der niedergelassenen Zuwanderer und Jahresaufenthalter 2007Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research

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Schwankender Reinzugang bei stetig wachsendem WohnungsbestandNach der Berg-und-Tal-Fahrt der 1990er-Jahre setzte 2001 eine stete Wachstumsphase beim Wohnungsbau, die nun wieder etwas abflacht. Quelle: Credit Suisse Economic Research, Bundesamt für Statistik

Wohnungsbestand Schätzung/Prognose WohnungsbestandReinzugang Schätzung/Prognose (Reinzugang)

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Angebot an kleinen Neuwohnungen wächstIm Gegensatz zu den grossen Wohnungen hat das Bestandeswachstum bei den kleinen Wohnungen seit 2001 stetig zugenommen. Quelle: Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research

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56 Wirtschaft Immobilienstudie

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leerstehender Wohnungen am Gesamtbe-stand auf 0,97 Prozent gesunken (Vorjahr: 1,07 Prozent). Das heisst, über alle Seg-mente hinweg konnte die starke Nachfrage trotz beeindruckender Bautätigkeit nicht vollständig gedeckt werden. Entgegen dieser Gesamtentwicklung ist die Anzahl leerste-hender Eigentumswohnungen und Einfami-lienhäuser angestiegen.

Obwohl der Wunsch nach Eigentum gross bleibt, ist mit kontinuierlich steigenden Preisen nicht nur die Zahl möglicher Käufer von Einfamilienhäusern gesunken, sondern auch die Zahl potenzieller Käufer von Stockwerk-eigentum. Die Rezession wird zudem bewir-ken, dass Eigenheiminteressenten die Kauf-entscheidung mit zunehmender Vorsicht abwägen. Einerseits bieten äusserst güns-tige Refinanzierungsmöglichkeiten in der Rezession Kaufanreize, denen andererseits Einkommens- und Arbeitsmarktunsicher-heiten entgegenstehen. Der Bestand bleibt allerdings gut positioniert.

Eigentumswohnungen sind vergleichs-weise neu, bedingen gegenüber Einfamilien-häusern weniger Kapital und liegen haupt-sächlich in den stark nachgefragten Zentren oder deren Agglomerationen.

Willkommene Beruhigung in Genf

Der erwartete leichte Angebotsüberhang wird sich regional unterschiedlich bemerkbar machen. In gewissen Regionen wird es 2009zu einer willkommenen Beruhigung der an-gespannten Situation kommen. So standen am 1. Juni 2008 in der Stadt Zürich 57, in Genf 191 Wohnungen leer. Das heisst, zu diesem Zeitpunkt standen in Zürich ledig- lich 0,03 Prozent, in Genf 0,2 Prozent des Wohnungsbestandes leer.

Während Wohnungssuchende in Zürich in die Agglomeration ausweichen können, ist dies in Genf schwieriger. Denn der Woh-nungsmarkt ist in der gesamten Genfersee-region angespannt. Von Genf bis Vevey/ Lavaux weist keine Region eine Leerstands-ziffer von mehr als 0,5 Prozent auf.

Weniger willkommen wird die nachlas-sende Nachfrage dort sein, wo schon heute erhöhte Leerstände anzutreffen sind. Ent-lang des Jurasüdfusses zwischen Biel und Aarau sowie in der Ostschweiz wird es zu-nehmend schwieriger werden, zusätzlichen Wohnraum abzusetzen. Der Kanton Thurgau zündete die letzte Stufe des Wohnbaubooms erst 2008, weshalb hier besonders mit an-steigenden Leerständen zu rechnen ist. In der Region Aarau reagierten Investoren hin-

gegen sehr viel zügiger auf erste Anzeichen eines Überangebotes als in anderen Re-gionen. Dank intaktem Nachfragepotenzial dürfte es in dieser Region mittelfristig gelin-gen, die Leerstände allmählich abzubauen.

Kein übertriebenes Wachstum

Rückblickend manifestiert sich der solide Schweizer Immobilienmarkt in einem acht-jährigen realen Preiswachstum von 23 Prozent für Eigentumswohnungen und 12 Prozent für Einfamilienhäuser. Im Schweizer Mittel er-scheint dieses Wachstum keinesfalls über-trieben. Obwohl die beschriebenen Entwick-lungen den Preisauftrieb bremsen werden, dürfte es nicht zu dramatischen Preisein-brüchen kommen. Nur vereinzelt können solche nicht ausgeschlossen werden. Im Kanton Genf haben sich die Preise zum Beispiel übermässig stark entwickelt, und das nicht nur im Vergleich zum landesweiten Mittel, sondern auch im Vergleich zur Ent-wicklung der Haushaltseinkommen. Über die letzten zwölf Jahre übertraf das Wachstum der Immobilienpreise im Kanton jenes des Haushaltseinkommens um 67,5 Prozent. Aber selbst in Genf dürften sich die in den nächsten Jahren zu erwartenden Preiskor-rekturen im Rahmen halten. Die regionale Entwicklung ist schliesslich kaum spekulativ getrieben und der grosse Nachfrageüber-hang wird nicht über Nacht wegfallen. Trotz-dem wird der schweizweit intakte Immobili-enmarkt ab 2009 zunehmend mit regionalen Ungleichgewichten kämpfen müssen.

Die ausführliche Studie zum Immo-bilienmarkt Schweiz können Sie über den beigelegten Talon oder unter www.credit-suisse.com/immobilienstudie beziehen.

Beim Hauskauf immer einen Fachmann beiziehen

Interview mit Ansgar Gmür, Präsident des Hauseigentümer-verbands Schweiz

Es stimmt: Die Attraktivität und der Wert einer Liegenschaft werden bestimmt durch Lage, Lage, Lage.

Bulletin: Ist die aktuelle Wirtschafts-

krise negativ für den Immobilienmarkt ?

Ansgar Gmür: Der Schweizer Immobilien-markt ist im Vergleich zum amerika-nischen durchaus intakt. Spüren wird man, dass der Zuzug qualifizierter aus-ländischer Arbeitskräfte stark nachlässt. Anderseits sind wir eine Erbgeneration: Rund 966 Milliarden Franken werden in der Schweiz vererbt. Wenn davon ein Drittel in den Neukauf von Immobilien fliesst, geht es uns noch lange gut.

Die Immobilienpreise werden also

weiter ansteigen?

Machen wir uns nichts vor. Die Zeiten, in denen man alles zu jedem Preis ver-kaufen konnte, sind längst vorbei. Wenn ich heute ein Haus verkaufe, muss ich im Normalfall froh sein, wenn ich das erhalte, was ich selber investiert habe. Dies muss man bedenken, wenn man einen «Spleen» wie etwa einen Swim-mingpool bauen lassen möchte.

Entscheidend ist auch der Standort.

Sicher kennen Sie die Aussage «Drei Dinge sind entscheidend: Lage, Lage, Lage». Ich interpretiere das so: Wichtig ist die Lage innerhalb der Schweiz und innerhalb des Kantons, dies in Bezug auf Erschliessung, Lärmbelastung oder Steuern. Mehr und mehr ist jedoch die Lage auf dem Bauplatz selbst entschei-dend. Ich staune, wie viele Fehler hin-sichtlich Sonneneinstrahlung und Schat-tenwurf oder auch bezüglich der Aus-baumöglichkeiten gemacht werden.

Ein Tipp für den Hauskäufer?

Lassen Sie sich nicht durch den Schein blenden. Ich kann aus eigener Erfahrung bestätigen, dass man kein Haus kaufen sollte, ohne einen Fachmann beizuzie-hen. Bei Neubauten ist dies besonders wichtig. Die Qualität der Bauten steht in einem krassen Gegensatz zu den ständig steigenden Regulierungen. schi

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Strukturkrise bei den europäischen Medien spitzt sich zuWar die Medienlandschaft in den vergangenen Jahren im Zeichen der Digitalisierung vor allem von strukturellen Veränderungen geprägt, stehen in jüngster Zeit wieder

der Konsument sein.

Credit Suisse Bulletin 2/09

Mediensektor Wirtschaft 57F

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Text: Ulrich Kaiser, Equity Research Europe, Zürich

Insbesondere unter dem Einfluss der neuen digitalen Herausforderung war die Medien-landschaft seit Beginn dieses Jahrzehnts geprägt von strukturellen Veränderungen. Aufgrund der globalen Rezession drängen nun aber wieder die zyklischen Einflüsse in den Vordergrund, was keine Überraschung ist, hängt der Sektor doch stark von der Unternehmens- und der Konsumentennach-frage ab. Letztere generiert etwa 20 Prozent des Medienumsatzes, während die Unter-nehmensnachfrage für rund 70 Prozent ver-antwortlich ist. Dieser Löwenanteil erklärt sich im Wesentlichen mit den Werbebudgets der Unternehmen. Bei beiden Nachfrage-arten handelt es sich um verfügbare Nach-fragen, weshalb sie sehr stark vom Wirt-schaftswachstum abhängig sind.

Bei den verschiedenen Subsektoren verschiebt sich das Verhältnis von Konsu-menten- zu Unternehmensnachfrage zum Teil beträchtlich. Für Unternehmen der Sub-sektoren Werbung und Marketing, Gelbe Seiten, Zeitungs- und Zeitschrif-tenverlage, aber auch Fernsehen, vor allem Pri-vatfernsehen, stellen die Werbeeinnahmen oft bis zu 90 Prozent der Einkünfte dar. Entspre-chend gross ist die Abhängigkeit vom Wirt-schaftswachstum. Beim Bezahlfernsehen ist

das Ausmass deutlich geringer und Publikums- und Fachbuchverlage sind kaum von Werbeausgaben abhängig .

Die digitale Herausforderung

In den 1980er-Jahren wie auch in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre erfreute sich die Medienindustrie einer starken Geschäfts-entwicklung. Konfrontiert mit der digitalen Herausforderung – dem Internet – vor der Jahrtausendwende, glaubten viele Markt-beobachter, dass sich das Wachstum fort-setzen, wenn nicht sogar beschleunigen würde. Ähnlich wie in den USA hoffte man, dass das Internet die Medienlandschaft nachhaltig verändern und Mediengesell-schaften entsprechend davon profitieren würden. Es gab kaum ein Medienunter-nehmen, das nicht eine Internetstrategie entwickelte, umfangreich in sie investierte und sie über die Jahre implementierte und

ausbaute. Während sich die pro-gnostizierte Veränderung der Medienlandschaft vollum-fänglich bewahrheitete, traf dies für das Profitieren der Unternehmen nicht zu. Im

Gegenteil, inzwischen wis-sen wir, dass Medienunternehmen im Allge-meinen nicht vom Internet profitieren. Für manchen Subsektor wie beispielsweise die

Gelben Seiten stellt es gar eine Bedrohung des existierenden Geschäfts-modells dar. Im günstigsten Fall rentieren die umfang-

reichen Investitionen dahin-gehend, dass der durch das Internet bedingte Rückgang der bisherigen Geschäfte durch Online -Aktivitäten kompensiert wird. Dies gilt beispielsweise für die Fachverlage, die ihre zu vermarktenden Inhalte teils als Hard-cover oder eben online anbieten, um damit den veränderten Kundenbedürfnissen ge-recht zu werden.

Zunehmende Mobilität als Nachteil

Dem Internet die alleinige Schuld als Verur-sacher des Strukturwandels in der Medien-welt zuzuschieben, wäre unfair. Ein weiterer wichtiger Faktor sind die sich verändernden Lebens- und Arbeitsbedingungen. Diese führen einerseits dazu, dass weniger Zeit zu Hause verbracht wird und die zunehmende Mobilität das Konsumieren traditioneller Medien wie Tageszeitungen und Fernsehen erschwert, teilweise gar verunmöglicht.Andererseits stehen dem Menschen neue Möglichkeiten des Medienkonsums offen, angefangen bei den vor allem bei Pendlern beliebten Gratiszeitungen bis hin zur Infor-mationsbeschaffung über digitale, tragbare Geräte wie beispielsweise Mobiltelefon

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58 Wirtschaft Mediensektor

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oder neuerdings Netbooks. Beides bleibt nicht ohne Folgen für Subsektoren wie Gelbe Seiten, Zeitschriften und insbeson-dere Zeitungen.

Die auf den privaten Konsumenten fokus-sierten Printmedien sind unterschiedlich von der digitalen Herausforderung betroffen und gehen entsprechend auch verschieden damit um. Betroffen sind sie in erster Linie dadurch, dass sich das nachlassende Konsumenten-interesse in einer geringeren Attraktivität für die Werbekunden widerspiegelt. Sowohl Gelbe Seiten als auch Zeitungen und Zeit-schriften finanzieren sich gänzlich (Gelbe Seiten) oder zu einem grossen Teil (Zei-tungen, Zeitschriften, Privatfernsehen) durch Werbeeinnahmen. Sinken deren Auflagen oder Einschalt-quoten, so geht dies einher mit sinkenden Werbeeinnahmen. Darüber hinaus beklagen Zei-tungen immer mehr den Verlust von Kleinanzeigen an Online-Portale oder Gratiszeitungen. Dies wirkt sich insbesondere bei regionalen Zeitungen sehr einschneidend aus. Online-Portale sind für viele Kleinanzei-gen, wie beispielsweise Fahrzeug- oder Immobilienmarkt, attraktiver und effizienter. Diese Einnahmeausfälle können Zeitungen nicht über einen Internetauftritt kompensie-ren. Denn nach wie vor sträuben sich Kon-sumenten, für die Online- Informa-tionsbeschaffung Geld zu bezahlen. Mit dieser Erkenntnis müssen sich auch die Herausgeber der Gelben Seiten abfinden, wenn sie ihre Zukunft darin sehen, ihren Inhalt zusätzlich oder zunehmend online anzubieten. Somit wird die Konso-lidierung bei Zeitungen mit kleiner Auflage oder solchen, die nur regio-nal erscheinen, weitergehen. Preiser-höhungen sind nur teilweise ein Ausweg, führen sie doch oft zu Abonnementskündigungen. Ein höherer Preis für Premium- Content ist zwar denkbar, wird unseres Erachtens aber eher über-regionalen Zeitungen vorbehalten sein. Insgesamt wird er tendenziell zu einer wei-teren Ausdünnung der Leserschaft führen.

Selbst das Fernsehen leidet

Ähnlich wie vielen Printmedien ergeht es auch den Fernsehsendern, weniger den öffentlich-rechtlichen als vielmehr den privaten, die sich grösstenteils über Werbeeinnahmen finanzieren. Private Sender kämpfen mit dem

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Problem, dass ihr Zielpublikum mehrheitlich aus Menschen besteht, die jünger als 50 Jah-re alt sind. Dies wird in der Programmge-staltung berücksichtigt, und entsprechend sind die regelmässig eingestreuten Werbe-pausen auf die Bedürfnisse dieses Zielpu-blikums zugeschnitten. Seit einigen Jahren ist jedoch zu beobachten, dass insbesondere das jüngere Zielpublikum immer mehr Zeit vor dem PC als vor dem Fernseher verbringt. Die Vielfältigkeit der PC-Spiele (auch online), das Downloaden von Musik und Filmen und auch das Surfen und Chatten im Internet haben bei den Einschaltquoten der privaten Fernsehsender deutliche Spuren hinterlassen, was der Werbeindustrie nicht verborgen

blieb. Entsprechend reduziert sie ihre Werbebudgets fürs Fernsehen und platziert die Einsparungen teilweise online, mit dem Ergebnis, dass sie mehr

für ihre Werbebudgets erhält, da ihre Partner an Preismacht verlieren

beziehungsweise diese gar nicht haben.

Verbesserung der Infrastruktur

Der private Konsument sieht sich heutzutage mit einem vielfältigen digitalen Medienan-gebot konfrontiert, das immer mehr zusam-menwächst. Die grösste Hürde stellt nach wie vor an vielen Orten die unzureichende

technologische Infrastruktur dar. Sobald ein leistungs-fähiges Breitband zur Ver-teilung von Fernseh- und In-ternetinhalten, aber auch zum Übertragen von Daten, flächendeckend vorhanden ist, wird der laufende Struk-turwandel in der Medienin-dustrie nochmals intensiviert.

Betroffen sind vor allem Fernsehsender wie auch Anbieter von Inhalten wie

Musik oder Filmen. Spätes-tens dann wird das so ge-

nannte Triple Play (Beziehen von Telefon, Internet und Fern-

sehen aus einer Hand) endgültig seinen Triumphzug durch die Haus-

halte feiern – zum Vorteil des Konsumenten. Er wird vom bereits im Gang befindlichen Konkurrenzkampf profitieren, der sich in im-mer günstigeren und/oder umfangreicheren Angeboten widerspiegelt. Insbesondere werden sich Telekomdienstleister und Kabel-netzbetreiber konkurrenzieren. Schliesslich wird neben den Kosten die Attraktivität des

1 Werbeausgaben und BIP-WachstumDie Werbeausgaben sind eng verknüpft mit dem Wirtschaftswachstum.Quelle: Credit Suisse, ZenithOptimedia

Normales BIP-WachstumWachstum Werbeausgaben

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Jahreswachstumssteigerung

2 Medientitel stärker unter DruckDer Medien-Index hat sich zwischen 2000 und 2007 deutlich schlechter entwickelt als der allgemeine MSCI-Index. Quelle: Datastream, Credit Suisse

MSCI Europa MSCI Europa Medien-Index Relative Performance Medien ggü. MSCI Europa

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3 Zu optimistische GewinnschätzungenDie Konsensschätzungen für 2009 und 2010 wurden revidiert. Quelle: Datastream, Credit Suisse

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Mediensektor Wirtschaft 59

Inhalts ausschlaggebend sein für den Kun-den. Neben Telefonieren und Internetnutzung kann der Kunde fernsehen, auch zeitverzögert. Darüber hinaus kann er meist neben einer ge-bührenfreien Videothek auch auf Bezahlvideos (Video on Demand) zurückgreifen. Damit wird er vom Standardprogramm unabhängiger und so für die Werbung noch schwerer erreichbar.

Der Höhepunkt der Dotcom-Blase liegt nun fast zehn Jahre zurück. In dieser Phase wurde der Mediensektor aus seinem Dornröschen-schlaf gerissen und es gab kaum ein Unter-nehmen, das nicht in einem Atemzug mit den Vorzügen des Internets und dem vermeint-lichen Wachstumspotenzial genannt wurde. Entsprechend wurde Letzteres eingepreist und die Bewertungen wurden in nicht mehr nachvollziehbare Höhen getrieben, mit dem uns bekannten bitteren Ende – dem Platzen der Spekulationsblase. Seit diesem Ereignis befindet sich der Mediensektor in einer Kor-rekturphase.

Anpassungsprozess hält an

Während die Analysten nach wie vor damit beschäftigt sind herauszufinden, welche Unternehmen von der digitalen Revolution profitieren und welche darunter leiden, preist der Aktienmarkt die neuesten Erkennt-nisse laufend ein. Das Ergebnis ist ernüch-ternd, denn trotz kollabierter Aktienkurse infolge der geplatzten Spekulationsblase geht der Anpassungsprozess weiter. Der MSCI -Medien- Index hat sich zwischen 2000 und 2007 schlechter entwickelt als der MSCI-Europa-Index . Die Er-kenntnis, dass es in Europa keine reinen Internetaktien gibt, dürfte zusätzlich dazu beigetragen haben. Erst 2008 hat eine Um-kehr dieses Trends stattgefunden, lange in Erwartung höherer Gewinne .

Was dürfen wir kurz- bis mittelfristig von Medienunternehmen beziehungsweise von deren Aktienkursentwicklung erwarten? Vorderhand, das heisst zumindest bis Jah-resmitte, können wir weiterhin mit einem negativen Nachrichtenfluss rechnen. Darauf deuten die Prognosen hin, die Firmen an-lässlich ihres Geschäftsjahresabschlusses 2008 für die laufende Periode abgeben. Einzelne Subsektoren sind in der Lage und können eine schwächere Nachfrage – das heisst Einbussen beim Umsatz – durch Kos-teneinsparungen teilweise oder ganz aus-

gleichen und damit ihre operativen Margen, Gewinne und Dividenden relativ stabil halten.

Hierzu zählen insbesondere die Fach-buchverlage. Wir sind jedoch der Meinung, dass zu geringes Umsatzwachstum auf Dauer nicht durch Kos-teneinsparungen aufge-fangen werden kann, und er-warten, dass sich die operativen Margen zurückbilden werden. Un-seres Erachtens sollte sich deshalb die bestehende Bewertungsprämie

des MSCI-Medien- Index gegenüber dem MSCI -Europa-Index weiter abbauen, sobald sich das Wirtschaftsumfeld stabili-siert. Denn gegenwärtig dient der Medien-sektor aufgrund seiner Ertragsstabilität und der hohen Dividendenrendite relativ gesehen als sicherer Hafen.

Grosser Gewinner ist der Konsument

Innerhalb des Mediensektors wird es, geprägt durch den Strukturwandel bei den Subsek-toren, zu unterschiedlichen Entwick-lungen kommen. Wir rechnen mit negativen Auswirkungen bei Gelben Seiten, Fernsehen und Publikums-verlagen, während wir die Auswir-kungen bei Fachbuchverlagen und Konglomeraten neutral einschätzen. Einziger Gewinner wird der Konsu-ment sein.

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60 Wirtschaft Afrika

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Nun gerät auch Afrika in den Strudel der globalen KriseLange konnten Afrikas schnell wachsende Volkswirtschaften die Turbulenzen der inter-nationalen Finanzmärkte aus der Distanz verfolgen. Im Gegensatz zu den meisten w estlichen Banken schienen afrikanische Banken geradezu immun gegen die verheerenden Auswirkungen der Subprime-Krise zu sein. In den vergangenen Monaten hat sich aber die Situation entscheidend verändert.

Text: Eric Güller und Robert Ruttmann, Equity Research Europe, Zürich

Bis vor kurzem schienen Afrikas Banken weitgehend von der Subprime-Krise isoliert zu sein, da sie in ihren Bilanzen hauptsächlich Kredite ausweisen und nur wenige hypo-thekenbesicherte Vermögenswerte halten. Darüber hinaus profitierten Afrikas Rohstoff-exporteure von rekordhohen Rohstoffpreisen. Beinahe unersättlich schien die Nachfrage aus China und Indien. Und selbst als im Som-mer 2008 in den USA und Europa vermehrt von einer Rezession die Rede war, schienen Afrikas Volkswirtschaften vom Zentrum des Sturms weit entfernt zu sein.

All das hat sich in den letzten Monaten geändert. Die Finanzkrise hat von den Ban-ken des Westens auf die aufstrebenden Märkte, Währungen und Kreditmärkte über-gegriffen – und Afrika ist nicht verschont geblieben. Auch ist aufgrund des rückläu-figen Welthandels die Nachfrage nach den Ölreserven und Bodenschätzen des Konti-nents geschrumpft, was sich unweigerlich auf die Gewinne afrikanischer Unternehmen auswirkt. Die Frage lautet daher nicht, ob sich die weltweite Abkühlung auf den Konti-nent auswirken wird, sondern ob sich Afrikas Abkühlung eindämmen lässt, damit die Aus-wirkungen die beträchtlichen wirtschaft-lichen und politischen Fortschritte der letzten sechs Jahre nicht gefährden.

Bis vor nicht allzu langer Zeit war Afrikas Image geprägt von bitterer Armut, Menschen-rechtsverletzungen und pandemischen Ge-sundheitskrisen. Viele Anleger betrachteten den Kontinent weniger als aufstrebenden

Markt, sondern vielmehr als einen, der in tie-fer Stagnation gefangen war. Doch in jüngster Zeit hat ein bemerkenswertes Umdenken stattgefunden.

Seit 2004 erzielt Afrika ein reales jähr-liches Wachstum von über sechs Prozent, verglichen mit dem weltweiten Durchschnitt von 4,2 Prozent. Selbstverständlich spielten die steigenden Rohstoffpreise bei der jüngs-ten Beschleunigung des afrikanischen Wirt-schaftswachstums eine wesentliche Rolle. Der Kontinent ist mit über zehn Prozent der weltweit nachgewiesenen Ölreserven, acht Prozent der Gasreserven und 54 Prozent der Goldreserven ausgestattet und verfügt über eine Reihe weiterer Edelmetalle, Industrie-metalle und über Diamanten (> Grafik 3). So besitzt beispielsweise Südafrika 80 Prozent der weltweiten Platinreserven.

Politische Stabilität verbessert

Aber der jüngste Wachstumstrend des Kontinents wurde nicht allein von dessen Rohstoffreichtum getragen. Vielen afrika-nischen Ländern half auch eine bessere makroökonomische Lenkung, die zu deut-lich niedrigeren Inflationsraten als in den 1990er-Jahren, besseren Haushalts- und Zahlungsbilanzpositionen sowie tieferen Auslandschulden führte. Zudem hatte sich die politische Stabilität auf dem gesamten Kontinent verbessert. Während Afrika vor 25 Jahren nur vier Demokratien – Botswana, Senegal, Simbabwe und Mauritius – zählte, unterstehen heute 24 von insgesamt 53

Staaten einer demokratisch gewählten Re-gierung.

Die Kombination aus Rohstoffreichtum, wirtschaftlichen Reformen und erhöhter po-litischer Stabilität auf dem ganzen Kontinent hat die landläufige Meinung, wonach Afrika eine von Kriegen und Armut geplagte Kri-senregion sei, in den letzten Jahren zuneh-mend in Frage gestellt. Den vielleicht über-zeugendsten Beweis für die Anstrengungen des Kontinents, in vollem Ausmass an der Weltwirtschaft teilzuhaben, liefern die Wert-papierbörsen, die in den letzten zwei Jahr-zehnten überall in Afrika in einem Schwall entstanden sind. Angesichts dieses Wachs-tums blicken manche Anleger auf die ver-schiedenen regionalen Volkswirtschaften, welche die nächste Generation von aufstre-benden Märkten hervorbringen werden.

Gleichzeitig offenbarte der weltweite Aus-verkauf des letzten Jahres die Liquiditätseng-pässe vieler kleinerer afrikanischer Märkte. So kamen beispielsweise die Handelsvolu-men an der ghanaischen Wertpapierbörse 2008 praktisch zum Erliegen, sodass Aktio-näre kaum Käufer finden konnten, als die Märkte ins Wanken gerieten. Aufgrund die-ses Liquiditätsmangels weisen viele kleinere afrikanische Börsen gegenüber anderen auf-strebenden Märkten noch immer deutliche Bewertungsaufschläge auf, weshalb sie im gegenwärtigen Umfeld für Anleger unattrak-tiv sind. Trotz dieser Einschränkungen lässt die Tatsache, dass der Kontinent heute 19 Wertpapierbörsen zählt, den Schluss zu,

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Afrika Wirtschaft 61

1dass Afrika ausländischen Anlegern und Unternehmen die Tore geöffnet hat und sich allmählich in die Weltwirtschaft integriert.

Zwei Gefahren für das Wachstum

Die zunehmende Verflechtung mit der Welt-wirtschaft bedeutet aber auch, dass Afrikas Wirtschaftswachstum in der derzeitigen welt-weiten Konjunkturabkühlung anfälliger ist als je zuvor. In diesem Zusammenhang gefähr-det die globale Finanzkrise die in den letzten Jahren auf dem Kontinent erzielten Fort-schritte an zwei verschiedenen Fronten. Erstens dürften die sich abkühlende Welt-wirtschaft und der rückläufige Handel auch die Auslandnachfrage nach Afrikas wich-tigsten Rohstoffen dämpfen, die den jüngsten Boom ausgelöst hatte. Wie > Grafik 1 zeigt, weisen Afrikas grösste Exportmärkte (EU,USA und Asien) deutlich rückläufige Import-quoten auf. Ausserdem werden die afrika-nischen Wachstumsaussichten durch den starken Verfall der Rohstoffpreise getrübt, da fast 60 Prozent der Exporte des Konti-nents von Treibstoffen und über 20 Prozent von Metallen stammen.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wird es die Erdölexporteure am härtesten treffen, ist doch der Preis ihres Erzeugnisses seit dem Allzeithoch im Juli 2008 um fast 70 Prozent gefallen. Und obwohl ölimportierende Länder von diesem Preisverfall profitieren dürften, führen viele dieser Länder weiche Rohstoffe wie Baumwolle, Kaffee und Kakao aus, de-ren Preise in den letzten Monaten ebenfalls eingebrochen sind.

Die zweite grosse Gefahr der gegenwär-tigen globalen Finanzkrise besteht für Afrika in einem voraussichtlichen Rückgang der Kapitalzuflüsse, die bei der jüngsten Ent-wicklung des Kontinents eine wichtige Rolle spielten. In den letzten Jahren verzeichneten afrikanische Länder steigende ausländische Kapitalzuflüsse, darunter ausländische Direkt-investitionen, Portfolioinvestitionen, Rimes-sen und Entwicklungshilfe.

Die meisten Staaten verwenden diese Zuflüsse für die dringend benötigte Infra-strukturentwicklung, wobei der Hauptanteil auf lokale, rohstoffbezogene Investitionen entfällt. Die Finanzkrise hat aber auch die Anleger allgemein veranlasst, Risiken zu re-duzieren und höhere Renditen zu fordern als in den letzten Jahren, als das Geld billig und die Liquidität hoch war. Vor diesem Hinter-grund könnte eine Kürzung der ausländi-schen Direktinvestitionen zu einer Verzöge-rung vieler afrikanischer Infrastrukturvorha-

ben führen, während die Finanzkrise den Anlegerappetit auf exotische Anlagen wei-terhin schwächt. Sollte dies geschehen, dann könnten die Konsequenzen die Wachstums- und Armutsreduktionsziele auf dem Kon-tinent ernsthaft gefährden. Und wenn der Rückgang der Kapitalzuflüsse auf die offi-zielle Entwicklungshilfe übergreift (wie zum Beispiel die 40 Milliarden US-Dollar, welche die USA in den nächsten fünf Jahren für den Kampf gegen HIV/Aids zugesagt haben), könnte dies das Leben von Hunderten Millio-nen Afrikanern, darunter zwei Millionen, die eine Aidsbehandlung erhalten, bedrohen.

Angesichts dieser beiden Gefahren für Afrikas Wachstumsaussichten lautet die Frage nicht, ob der Kontinent von den Tur-bulenzen auf dem globalen Finanzmarkt be-troffen sein wird, sondern in welchem Aus-mass. Und obwohl Afrika 2009 gegenüber einer negativen Wirtschaftsleistung in den entwickelten Volkswirtschaften ein Wachs-tum von 3,3 Prozent erreichen dürfte, be-deutet das relativ geringe Wachstum eine markante Verlangsamung der Dynamik, die den Kontinent in den letzten Jahren aus-zeichnete. Diese Wachstumsverlangsamung dürfte sich wiederum massgeblich auf die afrikanischen Volkswirtschaften auswirken, insbesondere deshalb, weil die meisten ein Bevölkerungswachstum von drei Prozent aufweisen. Dies bedeutet, dass ihr Pro- Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) effektiv stagniert.

Trotzdem intakte Wachstumsaussichten

Ungeachtet aller kurzfristigen Risiken weisen afrikanische Volkswirtschaften auf längere Sicht die nötigen Voraussetzungen für einen nachhaltigen Wachstumstrend auf: verbes-serte makroökonomische und politische Len-kung, junge Bevölkerungen, technologischer Nachholbedarf, deutliche Produktionslücken, kräftiges Bevölkerungswachstum und ver-besserter Zugang zu den Kapitalmärkten, um ein nachhaltiges, privatwirtschaftliches Wachstum zu finanzieren. Obwohl die glo-bale Krise Afrikas kurzfristige Wachstums-aussichten zweifellos beeinträchtigen wird, sollten die von vielen Regierungen des Kon-tinents vorgenommenen Strukturreformen den einzelnen Ländern ermöglichen, besser als je zuvor mit den Herausforderungen einer sich abkühlenden Weltkonjunktur fertig zu werden. Vor diesem Hintergrund bleiben die langfristigen Wachstumsaussichten für die meisten afrikanischen Volkswirtschaften vielversprechend.

Schrumpfende ExporteAfrikas grösste Exportmärkte dürften 2009 durchwegs schrumpfen.Quelle: IWF, Credit Suisse

Importvolumenwachstum 2009

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Asien16% der afrikanischen Exporte

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2 Kurzfristige Ernüchterung des BIPDas afrikanische BIP-Wachstum dürfte 2009 zurückgehen, bevor es wieder ansteigt.Quelle: IWF, Credit Suisse

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3 Afrikas RohstoffreservenÜber 80 Prozent der Platin- und über 50 Prozent der Goldreserven sind in Afrika. Quelle: US Geological Survey, Credit Suisse

Erdgasreserven

Kaffeeproduktion

Ölreserven

Ackerland

Ölproduktion

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Chromreserven

Vermiculitreserven

Goldreserven

Kyanitreserven

Diamantenreserven

Kakaoproduktion

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Anteil an Weltreserven

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Arbeiter der dänischen Firma Vestas bei der Herstellung von Rotor-blättern für Windkraftanlagen.

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Grafik Laut dem Global Wind Energy Council (GWEC) in Brüssel waren Ende 2007 weltweit 94 000 Megawatt an Windkraftkapazität installiert, davon über die Hälfte in EU-Ländern. Bild

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Erneuerbare Energien Wirtschaft 63F

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Erneuerbare Energien mausern sich zur GrossindustrieAuch an den erneuerbaren Energien geht die Krise nicht spurlos vorbei. Wie in anderen Branchen werden Kredite zögerlicher vergeben. Angetrieben durch die weltweiten Konjunkturprogramme könnte ab dem nächsten Jahr der Aufschwung aber weitergehen. Dabei hat die Windkraft den Sprung aus der Nische bereits geschafft, die Sonnenenergie wird folgen.

Text: Steffen Klatt, Fachjournalist, Abu Dhabi

Frank Mastiaux steht für die Zukunft der erneuerbaren Industrien. Der Chemiker leitet Eon Renewables. Mit diesem Tochterunter-nehmen will der Düsseldorfer Energieriese, der seinen Strom bisher vor allem mit fossilen Energieträgern und Kernkraft herstellt, bei der Industrialisierung der alternativen Ener-gien vorn mitspielen. «Das ist unser Motto: Von der Boutique zur Grossindustrie.» Eon will sich dabei auf diejenigen Energien kon-zentrieren, die sich heute schon in einem industriellen Massstab herstellen lassen. Das sind vor allem die Windenergie, etwas Sonnenenergie, ganz wenig Energie aus Bio-masse und praktisch keine aus Erdwärme.

Über 100 000 Megawatt Windkraft

Damit bildet Eon in seiner Strategie die heu-tige Wirklichkeit der erneuerbaren Energien ab. Die Windenergie ist zu einer «reifen» Industrie geworden. Weltweit waren Ende 2007 laut dem Global Wind Energy Council (GWEC) in Brüssel 94 000 Megawatt an Windkraftkapazität installiert. Die EU hatte dabei mit 57 000 Megawatt den Löwenanteil. Damit konnten in der Gemeinschaft der 27 Länder immerhin schon 3,7 Prozent des Strombedarfs mit der Windkraft gedeckt werden. Inzwischen dürfte die installierte Kapazität global die magische Marke von 100 000 Megawatt deutlich überschritten

haben. Denn laut GWEC-Generalsekretär Steve Sawyer hat die Kapazität auch 2008um 28 Prozent zugenommen.

Wettrennen zwischen Land und Meer

Ein Kennzeichen der Reife: Die Technologie ist im Wesentlichen vorhanden. «Es wird wei-tere Verbesserungen geben, aber wohl keine technologischen Sprünge», sagt Ditlev Engel, Chef der dänischen Vestas, des grössten Windturbinenherstellers der Welt. Offen ist «nur » noch die Frage, wo das Wachstum stattfinden wird, ob auf dem Land oder dem Meer. Engel setzt auf das Land. Denn es gebe etwa in den USA noch riesige geeig-nete Flächen. René Umlauft, als Chef von Siemens Renewable Energy direkter Kon-kurrent Engels, setzt dagegen auf das Meer. Die Kosten der Installation und des Betriebs seien zwar doppelt, die des Anschlusses an das Netz sogar vier- bis fünfmal so hoch. Aber sie würden weiter fallen. Und die Ausbeute sei auf dem Meer höher. Am Ende würden sich die Margen angleichen, sagte Umlauft am von der Credit Suisse unterstützten World Future Energy Summit Ende Januar in Abu Dhabi. Am Ende dürften beide recht behal-ten: Grosse Flächenländer mit viel Wind wie die USA und China setzen aus Kostengrün-den auf das Land. Das dicht besiedelte Europa zieht es aufgrund der nachlassenden

Akzeptanz auf das offene Meer. In beiden Fällen wird es um grosse Windparks gehen, nicht um ein paar Windräder.

Eine ähnliche Entwicklung zu grossen Anlagen zeichnet sich bei der Sonnenenergie ab. Auch sie hat mit kleinen Photovoltaik-anlagen begonnen. Doch inzwischen wird das Wachstum der Branche durch grössere Kraftwerksanlagen bestimmt. Laut Asmund Fodstad, Vizepräsident des norwegischen Solaranlagenzulieferers Renewable Energy Corporation, wurden 2007 weltweit insge-samt 2300 Megawatt an Kraftwerksleistung installiert. Solaranlagen auf Wohnhäusern hätten dagegen nur um 590 Megawatt zu-gelegt, Solaranlagen auf gewerblich genutz-ten Gebäuden um weitere 540 Megawatt. Zum Vergleich: Ein Reaktor des Kernkraft-werks Tschernobyl hatte eine Leistung von 1000 Megawatt.

Schwieriges Jahr 2009

Langfristig dürfte die Sonnenenergie die Windenergie mühelos ein- und überholen. «Die Sonnenkraft ist um mehrere Grössen-ordnungen verfügbarer als die Windkraft », sagt Mastiaux von Eon. Einstweilen aber wird das rasante Wachstum der erneuerbaren Ener-gien durch die Folgen der Finanzkrise ab-gebremst. Miroslav Durana, zuständiger Analyst für Alternative Energien bei Credit

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64 Wirtschaft Erneuerbare Energien

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Suisse Private Banking, rechnet für 2009nur noch mit einem Wachstum der Kapazität von 12 bis 15 Prozent. Die Umsätze dürften sogar noch flacher wachsen, zwischen 0 und 10 Prozent. «Das Jahr 2009 wird ein schwie-riges Jahr für die erneuerbaren Energien sein.» Der Grund ist auch hier wie in anderen Branchen die zögerliche Kreditvergabe. Aller-dings rechnet Durana damit, dass diese Krise die Grundlage für weiteres Wachstum legen wird. «Die Industrie wird sich konsoli-dieren. Nur solide Unternehmen überleben», sagt er. «Das eröffnet diesen Unternehmen die Möglichkeit, weiter stark zu wachsen.»

Neue Mitspieler auf dem Markt

Windturbinenhersteller Vestas sieht sich dabei weiter auf der Gewinnerseite. «Krise» ist für den Branchenführer aus Jütland ein relativer Begriff. «Wir hatten für 2009 ur-sprünglich ein Wachstum von 40 Prozent er-wartet », sagt Ditlev Engel. «Nun rechnen wir noch mit 25 Prozent.» Doch andere Pioniere der Industrie werden es schwerer haben – auch wenn kein Beobachter offen Namen nennen will. Dafür drängen neue Teilnehmer auf den Markt. Chinesische Unternehmen etwa profitieren davon, dass ihr Heimmarkt der dynamischste unter den grossen Wind-märkten ist: Die installierte Kapazität ver-doppelt sich dort jedes Jahr.

Auch unter den Zulieferern für die Solarindus-trie wächst die Konkurrenz. «Der Einstieg von Bosch bei Ersol ist ein Signal, dass nun Unternehmen in die Branche hineinkommen, die von der Industrialisierung eine andere Vorstellung haben», sagt etwa Peter Pauli, Chef von Meyer Burger, einem Hersteller von Maschinen zum Trennen von Silizium mit Sitz in Baar im Kanton Zug. «Es gibt auch andere Unternehmen wie LG in Südkorea, die in die Branche eintreten. Somit werden wir eine weitere Konsolidierung sehen.»

Das finanzstarke Emirat Abu Dhabi hat Masdar PV auf den Weg gebracht, einen neuen Hersteller von Photovoltaikanlagen. Das Werk in Thüringen wird bereits gebaut, ab April soll ein zweites und grösseres am Golf errichtet werden. Allein in der ersten Phase stehen 600 Millionen Dollar zur Ver-fügung – insgesamt können es bis zu 2 Mil-liarden werden.

Rückenwind aus der Politik

In der Wind- wie in der Solarenergie wird trotz der Krise weiter mit der grossen Kelle an-gerichtet. GWEC-Generalsekretär Steve Sawyer rechnet mit dynamischen Märkten in Europa und China. Der Markt in den USAhängt aus seiner Sicht unter anderem davon ab, ob das Bankensystem wieder zu funktio-nieren beginnt. Am guten Willen der neuen

Administration fehle es nicht. «Nicht um-sonst hat Präsident Obama in seiner Rede zur Amtseinführung die Windkraft und die Sonnenkraft speziell erwähnt », sagt Sawyer. Auch Peter Pauli von Meyer Burger rechnet mit politischem Rückenwind. «Die Konjunk-turprogramme in den USA und anderswo werden in den nächsten zwölf Monaten anfangen zu wirken, schneller, als wir das je gesehen haben.»

Totale Deckung des Bedarfs möglich

Auch auf internationaler Ebene spiegelt die Politik inzwischen die wachsende Bedeutung der Alternativenergien wider. Ende Januar wurde in Bonn Irena gegründet, die Inter-nationale Agentur für Erneuerbare Energien. Hermann Scheer, Präsident von Eurosolar und SPD-Bundestagsabgeordneter, hatte anderthalb Jahrzehnte dafür gekämpft. Aufgabe der Agentur sei die Beschleunigung der Einführung erneuerbarer Energien. «Die neue Agentur wird ihre Eigendynamik entwi-ckeln», hofft Scheer, der selbst als möglicher erster Generalsekretär von Irena gehandelt wird. Das langfristige Ziel: die Deckung des gesamten Energiebedarfs durch erneuerbare Energien. Das ist ein weiter Weg, aber mög-lich. «Wenn ein Energieexperte das bestrei-tet, ist er entweder ahnungslos oder er heu-chelt », sagt der streitbare Solarpionier. <

Links RechtsProduktionsarbeiten im deutschen Vestas-Werk in Lauchhammer, wo Rotorblätter hergestellt werden. Im Windpark am Kap Comorin (Indien) werden die Windkraftanlagen der Firma Vestas RBB errichtet, einem dänisch-indischen Joint Venture.

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InvestAnalysen und Prognosen

Die wirtschaftliche Lage bleibt weiterhin sehr schwach, obgleich die Früh-indikatoren eine Stabilisierung zeigen. Insbesondere die chinesische Wirt-schaft profitiert von aggressiven politischen Stützungsmassnahmen.

Hauptsächlich aufgrund der Abschwächung der Rohstoffpreise dürfte die Inflation weiter zurückgehen und zeitweise sogar unter null fallen. Viele Zentralbanken haben die Zinsen bereits stark gesenkt, und die Zinsen dürften für geraume Zeit tief bleiben. Einige Zentralbanken haben damit begonnen, die Finanzierungsbedingungen durch den Kauf von Wertpapieren zu lockern.

Wir gehen davon aus, dass die Rally an den Aktienmärkten kurzfristig weitergehen kann und empfehlen, Kursschwächen zum Aufbau von Posi-tionen in Qualitätsaktien zu nutzen.

Bei den Rohstoffen bleiben wir selektiv und empfehlen Investitionen in Edelmetalle und Agrarprodukte, da diese weniger vom Konjunkturzyklus abhängen.

Wir erwarten eine weitere Abschwächung des USD und bleiben vorsichtig bei Währungen von Ländern, die ein Leistungsbilanzdefizitaufweisen.

Rohstoffe

Der Goldpreis pro-

Tiefzinspolitik.

Konjunktur Global

Globale Indikatoren weiterhin schwachUnternehmensbefragungen deuten auf einen weiteren Rückgang der globalen wirtschaftlichen Aktivität im ersten Quartal hin. China ist eine Ausnahme und hat, vermutlich dank deutlicher wirtschafts-politischer Reaktionen, eine Verbesserung der Stimmung erreicht.

Index

35

40

45

50

55

60

65

05 06 07 08 09

Einkaufsmanagerindex, ChinaEinkaufsmanagerindex, global

Unternehmensbefragungen (Einkaufs-managerindizes): China vs. Welt Quelle: Bloomberg, Credit Suisse

Konjunktur Schweiz

Tiefe Rezession in der Schweiz

Die Schweiz ist in einer tiefen Rezession. Das BIP sollte in diesem Jahr um 2% schrumpfen, so stark wie seit der Erdöl-krise 1975 nicht mehr. Insbesondere die Exporte und die Investitionen dürften markant zurückgehen. Einzig der Konsum sollte noch leicht stützen. cm

PMI Wert > 50 = Wachstum BIP zum Vorjahr

35

40

45

50

55

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70

75

95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09

PMI gesamtBIP-Wachstum

–4%

–2%

0%

2%

4%

6%

30

th

PMI: keine Besserung in Sicht. Quelle: Datastream, Credit Suisse

Page 66: Stille - Credit Suisse

Credit Suisse Bulletin 2/09

66 Credit Suisse

mh

et

Übersicht

Ausblick GlobalDie Wirtschaftsindikatoren zeigen Anzeichen einer Stabilisierung, bleiben aber weiterhin schwach.

-gehen und zeitweise unter null fallen. Die Leitzinsen der wichtigsten Notenbanken dürften daher für ge-raume Zeit tief bleiben. Wir gehen davon aus, dass die jüngste Rally an den Aktienmärkten anhalten dürfte, sehen noch keine nachhaltige Er-holung der Rohstoffpreise und erwar-ten eine Abschwächung des USD.

Zinsen und Obligationen

Leitzinsen nahe nullDie globale Finanzmarktkrise und Kon-junkturabschwächung hatten unter anderem einen starken Rückgang des Welthandels zur Folge bzw. äussern sich durch diesen (vgl. Abb.). Die Leitzinsen der wichtigsten Notenbanken wurden stark gesenkt, liegen derzeit nahe bei null und dürften auf abseh-bare Zeit tief bleiben. Es gibt vermehrt An-strengungen, über konventionelle Mittel der Geldpolitik hinaus die Wirtschaft zu stimu-lieren. Hierzu zählt auch der Kauf von Staats-anleihen, der von der Bank of England und der US-Fed begonnen wurde. Wir gehen da-von aus, dass die Inflation vor dem Hinter-grund stark fallender Ölpreise und schwacher Nachfrage in den kommenden Monaten in einigen Märkten zeitweise sogar unter null fallen wird. th

Deutlicher Rückgang des Welthandels (Brasilien, Russland, Indien, China vs. G3 (Europa, USA,Japan)) Quelle: Bloomberg, IMF, Credit Suisse

50

40

30

20

10

0

–10

–20

BRIC-ExporteG3-Exporte

YoY in % (BIP/PPP-gewichtet)

95 97 99 01 03 05 07 09

Aktienmarkt

Kursschwächen für Einstieg nutzen Die schnelle und massive Erholung der Ak-tienmärkte von ihren Tiefständen Anfang März (MSCI World + 25% zwischen 6. März und 16. April) war zu einem grossen Teil auf positiv überraschende Wirtschaftsindika-toren und eine grössere Risikofreude der In-vestoren zurückzuführen. Wir gehen davon aus, dass diese Rally noch andauern dürfte, bevor Bedenken bezüglich der wirtschaft-lichen Erholung gewisse Gewinnmitnahmen auslösen könnten. Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass globale Aktienindizes ihre Tiefstände von Anfang März nochmals er-reichen. Kursschwächen sollten für den Auf-bau von Exposure in Qualitätsaktien genutzt werden. Wir konzentieren uns dabei auf den IT- und Investitionsgüter-Sektor und Value-Aktien. rs

MSCI World hat seit 6. März 25% gewonnen, YTD-Performance aber noch immer negativ. Quelle: Bloomberg

600

400

200

800

1000

1200

1400

1600

1800

Index

04.07 08.07 12.07 04.08 08.08 12.08

MSCI World

Währungen

USD-Schwäche sollte 2009 anhaltenTiefe reale US-Zinsen, ein hohes Zwillings-defizit (Budget und Leistungsbilanz) und quantitative Lockerungen sprechen auch in den kommenden Monaten für einen schwä-cheren USD. Die aufgestockte Liquidität des IMF und der gestiegene Risikoappetit haben das Refinanzierungsrisiko vieler Emerging Markets reduziert und im Umkehrschluss den USD geschwächt. Investoren mit Referenz-währung CHF empfehlen wir deshalb weiter-hin, ihre liquiden Engagements in USD gegen einen schwächeren USD abzusichern. Vor-sichtig bleiben wir weiterhin gegenüber Wäh-

rungen von Ländern mit Leistungsbilanz-defizit wie GBP, AUD, NZD sowie gegenüber osteuropäischen Währungen, auch wenn die Rally dieser Währungen kurzfristig noch an-halten kann.

Realzinsdifferenz weist auf Aufwärtspotenzial für EUR/USD hin. Quellen: Bloomberg, Credit Suisse

EUR/USDReale Zinsdifferenz (2-j. Swap) EUR minus USD (r. S.)

EUR/USD In Bp

1.10

1.20

1.30

1.40

1.50

1.60

1.70

01.05 01.06 01.07 01.08 01.09

–400–300–200–100

0100200300400

Rohstoffe

Edelmetalle und Agrar-produkte mit PotenzialDie Rohstoffpreise wurden seit Anfang März von strategischen Käufen Chinas, dem Über-gang diverser Zentralbanken zu einer quan-titativen Lockerung sowie von einer Stabili-sierung der globalen Frühindikatoren und er-mutigenden Signalen aus China unterstützt. Dennoch bleiben die Abwärtsrisiken für die Rohstoffpreise hoch, solange sich keine klareren Anzeichen für eine Beschleunigung des Weltwirtschaftswachstums einstellen. Wir raten folglich zu einer äusserst selektiven Anlagestrategie und bevorzugen Investi-tionen in Rohstoffe, die weniger konjunktur-sensibel sind, also etwa in Edelmetalle und Agrarprodukte. Die Sektoren Energie und Basismetalle dürften weiterhin unter der schwachen Nachfragesituation leiden.

aber in nächster Zeit seitwärts tendieren. Quelle: Bloomberg

Index Index

Dow Jones AIG Commodity IndexS&P GSCI Commodity Index (r. S.)

200

250

300

350

400

450

500

04.07 08.07 12.07 04.08 08.08 12.08 04.09

3 0004 0005 0006 0007 0008 0009 000

10 00011 000

Page 67: Stille - Credit Suisse

Credit Suisse Bulletin 2/09

Credit Suisse 67

fh

cm

Übersicht

Ausblick SchweizVor dem Hintergrund der deutlichen Verschlechterung der Konjunktur-aussichten haben Bund und National-bank ihre Massnahmen zur Stützung der Scheizer Wirtschaft ausgebaut. Die Ankündigung der SNB, eine wei-tere Aufwertung des Frankens gegen-über dem Euro zu verhindern, dürfte EUR/CHF auf absehbare Zeit in re- lativ engen Grenzen halten. Indessen bieten die defensiven Eigenschaften des Schweizer Aktienmarktes im der-zeit rezessiven Umfeld nach wie vor Vorteile gegenüber anderen Märkten.

Zinsen und Obligationen

SNB ergreift unkonven-tionelle MassnahmenDie Schweizerische Nationalbank (SNB) hat das Zielband für den 3-Monats-LIBOR im März um weitere 25 Basispunkte gesenkt. Faktisch hat die SNB mit ihrem 1-Wochen-Repo-Satz bei 0.05% aber bereits vor dem Zinsentscheid eine Nullzinspolitik betrieben. Weit tiefgreifendere Massnahmen hat die SNB mit der Ankündigung von Währungs-marktinterventionen sowie der Absicht von Anleihenkäufen privater Schuldner getroffen. Auf diese Weise lockert sie die Konditionen am Kapitalmarkt und wirkt den Risiken einer Deflation entgegen. Wir erwarten auf zwölf Monate ein unverändertes Zinsziel für den 3-Monats-LIBOR bei 0.25%. Unsere Pro-gnose für die Rendite der 10-jährigen Eid-genossen haben wir auf 2.3% nach unten korrigiert.

Zielband 3M-LIBOR 3M-LIBOR 1W-Repo-Satz

0.0

0.5

1.0

1.5

2.0

2.5

3.0

%

09.08 10.08 11.08 12.08 01.09 02.09 03.09 04.09

Schweizerische Nationalbank senkt LIBOR-Zielband auf 0%–0.75%. Quelle: Bloomberg, Credit Suisse

Aktienmarkt

Defensives Profil noch immer attraktivIm gegenwärtigen Umfeld bevorzugen wir noch immer den Schweizer Aktienmarkt we-gen seiner defensiven Eigenschaften und strukturellen Vorteilen gegenüber anderen europäischen Märkten. Die gegenwärtige Rally dürfte noch etwas weitergehen und die Aktienmärkte preisen nach Monaten mit ne-gativen Revisionen der Gewinnschätzungen durch die Analysten bereits viele negative News ein. Wir empfehlen, Kursrückschläge zum Aufbau von Exposure zu nutzen. rs

SMIPositive Gewinnrevisionen im letzten Monat, in % zum Total (r. S.)Gleitender 3M-Durchschnitt (positive Gewinnrevisionen im letzten Monat, in % zum Total (r. S.))

%YoY %

0

03.96 03.98 03.00 03.02 03.04 03.06 03.08

–40

–20

20

40

60

01020304050607080

Negative Revisionen der Gewinnschätzungen durch die Analysten sind noch immer in der Mehrheit. Quelle: Datastream, Credit Suisse

Währungen

SNB verhindert weitere FrankenaufwertungDie Schweizerische Nationalbank (SNB) hat im März entschieden, eine weitere Aufwer-tung des Schweizer Frankens ggü. dem EURzu verhindern. Das Potenzial für EUR/CHF,unterhalb 1.50 zu fallen, ist daher beschränkt. Der Aufwertungsdruck aufgrund enger Zinsdifferenz, Leistungsbilanzüberschuss und ausstehender CHF-Kredite im Ausland sollte aber EUR/CHF bei Niveaus um 1.51stabilisieren. mh

SNB dürfte vorerst EUR/CHF um 1.53 (Niveau nach dem Zinsentscheid) anvisieren. Quellen: Bloomberg, Credit Suisse

EUR/CHF in %

EUR/CHFEUR/CHF nach SNB-Zinsentscheid vom 12.03.2009EUR/CHF vor SNB-Zinsentscheid vom 12.03.2009Risikobereinigter Carry (3M), (r. S.)

1.42

1.46

1.50

1.54

1.58

1.62

1.66

1.70

01.07 07.07 01.08 07.08 01.09 07.09

0.100.150.200.250.300.350.400.450.500.550.60

Top-Thema

t

ist hauptsächlich das Resultat der Korrektur an den Erdölmärkten sowie des Struktur-

Konsumgüter. Und diese werden grösstenteils importiert, was die direkte negative Wir-kung auf Schweizer Unternehmen minimiert. Ein globaler preisbedingter Käuferstreik würde die hiesigen Unternehmen aber mit voller Wucht treffen.

Historische TeuerungQuelle: Bundesamt für Statistik

%

–10

–5

0

5

10

15

1930 1937 1944 1951 1958 1965 1972 1979 1986 1993 2000 2007

Page 68: Stille - Credit Suisse

Bulletin 2/09 Credit Suisse

68 Credit Suisse

Bulletin 2/09 Credit Suisse

68 Credit Suisse

20. April 2009

Überblick Prognosen

Aktien und Rohstoffe: Ausgewählte IndizesQuelle: Bloomberg, Credit Suisse

Auswahl Kurs YTD Ausblick 3M 12M Ziele

S&P 500 832.39 –7.8 % 1’050

SMI 5’001.14 –9.6 % in Bearbeitung

FTSE-100 3’922.34 –11.5 % 4’278

Euro Stoxx 600 2’208.51 –9.8 % 2’303

Nikkei 225 8’711.33 –1.7 % 8’000

Gold 893.35 1.3 % 1’150

Öl

Dow Jones AIG Commodity Index

45.88

218.051

2.9 % 70

–7.2 % 260

Devisen (Wechselkurse)Quelle: Bloomberg, Credit Suisse

20.4.2009 3M 12M

USD/CHF 1.17 0.98 – 1.02

EUR/CHF 1.51 1.48 – 1.52

JPY/CHF 1.19 1.09 – 1.13

EUR/USD 1.29 1.48 – 1.52

USD/JPY 98 88 – 92

EUR/JPY 127 133 – 137

EUR/GBP 0.89 0.98 – 1.02

GBP/USD 1.45 1.48 – 1.52

EUR/SEK 11.23 10.20 – 10.40

EUR/NOK 8.83 8.20 – 8.40

AUD/USD 0.70 0.63 – 0.67

NZD/USD

USD/CAD

0.55

1.23

0.51 – 0.55

1.13 – 1.17

Schweizer Wirtschaft

(Veränderung gegenüber Vorjahr in %)Quelle: Credit Suisse

2009 2010

Bruttoinlandprodukt, real –2.0 0.6

Privater Konsum 0.9 0.4

Öffentlicher Konsum 0.7 0.4

Ausrüstungsinvestitionen –7.4 –1.8

Bauinvestitionen –1.9 –0.1

Exporte

Importe

–6.8

–1.5

1.0

–0.1

Reales BIP-Wachstum in %Quelle: Bloomberg, Credit Suisse

2008 2009E 2010E

CH 1.6 –2 0.6

EWU 0.7 –2.4 1

USA 1.1 –2.1 1.9

GB

Japan

0.7

–0.7

–3.4 0.8

–4.5 1.1

Kurzfristzinsen 3M-LIBORQuelle: Bloomberg, Credit Suisse

20.4.2009 3M 12M

CHF 0.50 0.2–0.4

EUR 2.20 1.3–1.5

USD 1.00 0.6–0.8

GBP

JPY

1.70

0.60

1.1–1.3

0.2–0.4

Quelle: Bloomberg, Credit Suisse

2008 2009E 2010E

CH 2.4 0.2 1.0

EWU 3.3 0.4 1.4

USA 3.8 –0.7 1.2

GB

Japan

3.6

1.4

0.8 2.0

–0.2 0.2

Rendite 10-j. StaatsanleihenQuelle: Bloomberg, Credit Suisse

20.4.2009 3M 12M

CHF 2.10 2.2 – 2.4

EUR 2.90 3.1 – 3.3

USD 2.60 3.1 – 3.3

GBP

JPY

3.00

1.30

3.2 – 3.4

1.6 – 1.8

Wichtige InformationDie Informationen und Meinungen in diesem Bericht wurden

von Credit Suisse per angegebenem Datum erstellt und

können sich ohne vorherige Mitteilung ändern. Der Bericht

wurde einzig zu Informationszwecken publiziert und ist weder

ein Angebot noch eine Aufforderung seitens oder im Auftrag

von Credit Suisse zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren

oder ähnlichen Finanzinstrumenten oder zur Teilnahme an

Rechtsordnung. Der Bericht wurde ohne Berücksichtigung

Bedürfnisse eines bestimmten Anlegers erstellt. Der Bericht

enthält keinerlei Empfehlungen rechtlicher Natur oder

hinsichtlich Investitionen, Rechnungslegung oder Steuern. Er

stellt auch in keiner Art und Weise eine auf die persönlichen

Umstände eines Anlegers zugeschnittene oder für diesen

angemessene Investition oder Strategie oder eine andere an

einen bestimmten Anleger gerichtete Empfehlung dar.

Verweise auf frühere Entwicklungen sind nicht unbedingt

massgebend für künftige Ergebnisse.

Die Informationen stammen aus oder basieren auf Quellen,

die Credit Suisse als zuverlässig erachtet. Dennoch

kann keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit

der Informationen geleistet werden. Credit Suisse

lehnt jede Haftung für Verluste aus der Verwendung dieses

Berichts ab.

WEDER DER VORLIEGENDE BERICHT NOCH KOPIEN

DAVON DÜRFEN IN DIE VEREINIGTEN STAATEN

VERSANDT, DORTHIN MITGENOMMEN ODER AN US-

PERSONEN ABGEGEBEN WERDEN. Örtliche Gesetze

oder Vorschriften können die Verteilung von Research-

Berichten in bestimmten Rechtsordnungen einschränken.

Dieser Bericht wird von der Schweizer Bank Credit Suisse

verteilt, die der Zulassung und Regulierung der

Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht untersteht.

Das vorliegende Dokument darf ohne schriftliche Genehmigung

der Credit Suisse weder ganz noch auszugsweise verviel-

fältigt werden. Copyright © 2009 Credit Suisse Group AG

und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte

vorbehalten.

Impressum InvestHerausgeber Credit Suisse, Global Research,

Uetlibergstrasse 231, Postfach 300, CH-8070 Zürich

Redaktion Thomas Herrmann (th), Marcus Hettinger (mh),

Claude Maurer (cm), Roger Signer (rs), Eliane Tanner (et),

Monika Tschudi (mt)

oder auf Anfrage.

E-Mail [email protected]

Internet www.credit-suisse.com/research

Nachdruck gestattet mit dem Hinweis «Aus dem Bulletin

der Credit Suisse»

Page 69: Stille - Credit Suisse

Wirtschaft Wi

Wissenswertssenswert 69

Credit Suisse Bulletin 2/09

Begriffe und Bücher aus der Wirtschaft

Quiet Period [ zeitlich einge-schränkte Schweigepflicht für Un-ternehmen ]: In Zeiten von Schlag-wörtern wie Work Life Balance vermutet man hinter der Quiet Period eine Phase der Entspannung vom strengen Arbeitsalltag. Der Begriff stammt jedoch aus der Finanzkommunikation und bezeich-net einen Zeitraum, in dem Unter-

zu Kapitalmarkt und Öffentlichkeit vorübergehend unterbinden. Dies ist im Vorfeld wichtiger Ereignisse

internen Verfügbarkeit und dem

Geschäftsergebnisses. Es handelt

die verhindern soll, dass jemand einen einseitigen Nutzen aus Infor-mationen ziehen kann. Die Quiet Period besteht vielfach auch vor Aktionen wie einer Fusion mehrerer Unternehmen oder vor dem Börsen-gang, um eine Gleichbehandlung von institutionellen und privaten An-legern zu garantieren. Vergleichbar ist das Ganze mit laufenden Ermitt-lungsverfahren der Behörden: Dazu werden bekanntlich auch keine Informationen abgegeben.

Stillhalter [ Verkäufer von Opti-onsscheinen ]: Auch unter einem

Stillhalter kann man sich mit etwas Fantasie so einiges vorstel-len. Aber nein, es ist keine Fixier-vorrichtung aus der Psychiatrie. Der Stillhalter, ein Akteur aus der Finanzbranche, ist Herausgeber von Optionen. Wie er zu seinem Namen kommt, ist durchaus plausi-bel: Der Verkäufer einer Option entscheidet sich aufgrund einer Prognose, beispielsweise der ver-muteten Kursentwicklung einer Aktie, ein Recht an diese Aktie zu binden und dieses auf den Markt zu bringen. Er muss sich genau überlegen, ob sich das Geschäft für ihn lohnt. Denn sollte sich seine Kurserwartung im Nachhinein als falsch erweisen, können ihm hohe Kosten entstehen. Nachdem der Verkäufer die Option veräussert hat, kann er nur noch abwarten, ob der Käufer die Option ausübt oder nicht. Er muss stillhalten, kann also nicht mehr auf ungüns-tige Entwicklungen reagieren.

Stille Reserven [ nicht bilan-zierte Reserven ]: Ob Konserven-dosen im Keller oder Goldbarren unter der Matratze: Jeder mag sich seine eigene stille Reserveeinrichten. In der Buchhaltung jedoch ergeben sich diese Reser-ven aus der Unterbewertung von Vermögen oder der Überbewer-tung von Schulden in der Bilanz. Liegt also der Bilanzwert von Maschinen, Fahrzeugen oder Immobilien unter dem effektiven Marktwert, so stellt sich das Unternehmen finanziell schlechter, als es in Wirklichkeit ist. Still sind diese Reserven deshalb, weil die Differenz zwischen Bilanz- und Marktwert der Unternehmung zwar bekannt ist, in der offiziellen Buch-führung gegen aussen jedoch nicht ausgewiesen wird. Diese – im Grunde unwahre – Rechnungs-legung ist erlaubt oder gar er-wünscht, da sie ein unsichtbares Polster schafft und somit dem Gläubigerschutz dient. Aber Vor-sicht: Wenn Sie darauf verzichten, der Steuerbehörde ihre persön-lichen Goldrücklagen anzugeben, können Sie sich nicht mit dem Argument herausreden, Sie hätten bloss stille Reserven geschaffen. tst

Lautlos führen

Lautlos führen: Richtig entscheiden im TagesgeschäftJoseph L. BadaraccoGabler Verlag, 2002

195 SeitenISBN-13: 9783409120685

Dieser philosophische Essay zum Thema Leadership handelt nicht von Führungspersönlichkeiten, die auf der Titelseite von Zeitungen erscheinen. Sondern von gewöhnlichen Menschen, die ihre Orga-nisation durch ihre Arbeit auf mittlerer und unterer Stufe voranbrin-gen. Der Autor nennt diese Menschen «Quiet Leaders», also stille Führer. Die Entscheidungen, die sie treffen, scheinen vielleicht nicht weltbewegend zu sein, doch sie müssen dabei viele komplexe Faktoren berücksichtigen. Badaracco schildert die ethischen und moralischen Dilemmas von stillen Führern anhand von Richtlinien aus Fallstudien. Seine Geschichten sind jedoch oft stereotyp und die Schlussfolgerungen so offensichtlich, dass man dieses Buch schlecht als das «unorthodoxe Handbuch» bezeichnen kann, das es gerne wäre. getAbstract empfiehlt das Buch Managern auf mittlerer und unterer Führungsstufe, die nach Alternativen zum herkömmlichen Bild des heroischen Führers suchen. © getAbstract

Stop Pushing Me Around!

Stop Pushing Me Around!: A Workplace Guide for the Timid, Shy, and Less AssertiveIlise BenunCareer Press, 2006

224 SeitenISBN-13: 9781564148827

Ilise Benun behauptet, man könne seine Veranlagung von schüchtern zu durchsetzungsfähig ändern, indem man sich statt auf seine Gefühle auf seine Taten konzentriere. Dazu liefert sie diverse Übungen, die helfen, sich seiner emotionalen Reaktionen und Gewohnheiten bewusster zu werden. Und sie gibt konkrete Ratschläge, wie man Schüchternheit in Berufssituationen überwin-den kann. Leider lässt das Buch in manchen Bereichen die nötige Tiefe missen. Der grundlegende Ratschlag, seine Fähigkeiten über den eigenen Wohlfühlbereich auszuweiten, ist jedoch fundiert und umsetzbar. Also ein Buch für alle, die im Beruf trotz ihres zurück-haltenden Naturells Kontakte knüpfen wollen. © getAbstract

© getAbstract. Fünfseitige Zusammenfassungen dieser Bücher finden Sie auf www.getabstract.com.

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70 Leader Hernando de Soto

Bulletin 2/09 Credit Suisse

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«Wir rütteln am Status quo»Der peruanische Ökonom Hernando de Soto engagiert sich unermüdlich für die Rechte der Armen. Er will ihre gesellschaftliche Position durch die Anerkennung formeller Eigentumsrechte stärken. Denn nur durch diese Rechte gibt es Zugang zu Krediten und Kapital. Wenn die Mehrheit der Bevölkerung eines Landes keine Eigentumsrechte besitzt, kann es auch kein Wirtschaftswachstum geben, so de Soto.

Interview: Dorothée Enskog

Bulletin: Welche Rolle spielen Eigentumsrechte im Kampf

gegen Armut ?

Hernando de Soto: Sie sind von enormer Bedeutung, weil sie offiziell dokumentieren, wo sich die Dinge befinden und wem sie gehören. Über sechs Milliarden Menschen agieren in unserer Wirt-schaftswelt, das heisst, wir tätigen Geschäfte mit Milliarden von Menschen, die wir gar nicht kennen. Im Grunde genommen sind Eigentumstitel die einzigen Dokumente, durch die wir die Identität unserer Geschäftspartner feststellen und die verschiedenen Ressourcen zusammenbringen können – nur so wissen wir, mit wem wir es zu tun haben.

Wie viele Menschen sind Ihrer Schätzung nach von Eigentums-

rechten ausgeschlossen?

Weltwirtschaft: die Bürger Nordamerikas und Europas sowie kleine, elitäre Gruppen in den Entwicklungsländern und den ehe-maligen sozialistischen Sowjetrepubliken. Die übrigen vier Milliarden Menschen leben und agieren ausserhalb des Systems in einer informellen Wirtschaftswelt. Diese Menschen verfügen über keinerlei offizielle Belegdokumente für ihren Besitz, ihre Arbeit oder ihre geschäftlichen Aktivitäten.

Wann haben Sie begonnen, sich für die Eigentumsrechte

der Armen einzusetzen, und wie kam es dazu?

Als ich als junger Mann in mein Heimatland Peru zurückkehrte, war ich überrascht, wie sehr sich die Entwicklungsländer zurück-gezogen hatten. Mir fiel auf, wie schwierig es war, an behördliche Dokumente zu kommen. So dauerte es zum Beispiel ganze drei Jahre, bis ich eine Hausnummer bekam. Ich fing an, mich zu fragen, ob diese Art von Genehmigungsverfahren für die arme Bevölkerung nicht sogar noch schwieriger war. Also heuerte ich einen Professor und einige Studenten an, um inmitten eines Slums in Lima ein kleines Geschäft zu gründen. Sie sollten ganz

Nähmaschinen, geöffnet acht Stunden pro Tag. Sie brauchten 279 Tage, um eine Produktionsgenehmigung zu bekommen. In Ägypten, wo ein ähnlicher Versuch durchgeführt wurde, dauerte es 549 Tage, um eine Bäckerei zu eröffnen.

Zwar sind die entsprechenden Gesetze durchaus vorhanden, doch viele Menschen sind von ihnen ausgeschlossen. Um wirt-schaftlich wachsen zu können, muss man sich am Markt aus-weisen können. Nur so erhält man Zugang zu Krediten und Kapital.

Gab es in den letzten Jahrzehnten Verbesserungen?

Im Allgemeinen gab es in den letzten 20 Jahren durchaus Verbes-serungen. Peru, wo zahlreiche Reformen umgesetzt wurden, kann schon seit ein paar Jahren ein Wachstum von zehn Prozent verzeichnen. Ein Grossteil seiner Wirtschaft beruht auf Baugewer-be, Bergbau und dem Export von agroindustriellen Gütern. Ohne gesicherte Eigentumstitel für die Grundstücke und die Bergwerke hätte es in diesen Bereichen kein Wachstum geben können. Es bleibt immer noch enorm viel zu tun. Eigentumstitel müssen zudem schriftlich dokumentiert und rechtlich geschützt werden und

ein gut funktionierendes Rechtssystem.Was verstehen Sie unter einem gut funktionierenden

Rechtssystem?

Eigentumstitel müssen verschiedene Aspekte berücksichtigen: In erster Linie müssen sie handelbar sein. Jede Transaktion, die einen Titel beinhaltet – Kauf, Verkauf oder Leasing –, muss schriftlich festgehalten werden. Weiterhin müssen Eigentumstitel einheitlich sein, das heisst zugänglich sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten. Sie müssen Eigentum oder Grund nicht nur vor Dritten schützen, sie müssen auch als Sicherheit dienen. Wozu sollte jemand Geld verleihen, wenn er seinen Anspruch im Falle einer Zahlungsunfähigkeit nicht geltend machen

Aber das ist nicht genug.

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Page 73: Stille - Credit Suisse

Credit Suisse Bulletin 2/09

Hernando de Soto Leader 73F

oto:

Gee

Ly

Welche weiteren Faktoren spielen eine Rolle bei der

Schaffung einer modernen, integrativen Marktwirtschaft ?

Zunächst einmal müssen wir den Begriff Eigentum so definieren, dass er auch Geschäftsaktivitäten einschliesst. Derartige Eigen-tumsrechte für Geschäftsaktivitäten müssen so beschaffen sein, dass sie Investoren anziehen. Indem man den Investoren Kontrolle über Kapitalanteile gibt, überträgt man ihnen Rechte an Teilen des Unternehmens.

Den Unternehmen muss weiterhin eine beschränkte Haftung zugesichert werden. Ein Unternehmer muss sicher sein können, dass sich Investitionen in sein Unternehmen nicht negativ auf seine Investitionen an anderer Stelle auswirken.

Ebenso wichtig ist Asset Shielding, das heisst eine zweck-gebundene Kapitalbereitstellung: Wenn sich das Unternehmen verschuldet, sollte der Unternehmer nicht mit dem Kapital davon-laufen können. Unternehmen brauchen zudem feste interne Strukturen mit einer eindeutigen Hierarchie, das heisst einen CEO,einen CFO, Arbeitnehmerrechte usw.

Eine Untersuchung in Lateinamerika hat ergeben, dass nur zehn Prozent aller Unternehmen allen oben genannten Kriterien entsprechen, und in den meisten Entwicklungsländern sieht es wahrscheinlich ähnlich aus.

Sie sind Gründer und Präsident des ILD ( Instituto Libertad y

Democracia) in Peru, das sich genau für die von Ihnen

beschriebenen Themen einsetzt. Erzählen Sie uns mehr davon.

Gegründet wurde das ILD im Jahr 1984 als Forschungseinrichtung. Seitdem hat es sich vom Think-Tank zum Action-Tank entwickelt. Kurz nach unseren ersten Veröffentlichungen erhielten wir Anrufe von der peruanischen Regierung und später auch von anderen Regierungen. Wir untersuchen, wie stark die informelle Wirtschaft in den betreffenden Ländern ist, und erarbeiten Reformpläne. In 20 Ländern in Lateinamerika, Afrika, dem Nahen Osten, der ehemaligen Sowjetunion und Zentralasien haben wir bereits gear-beitet. Auch aus Industrieländern wie den Vereinigten Staaten und Kanada ist man an uns herangetreten. So haben beispielsweise in den USA über 30 Millionen Menschen – hauptsächlich an der mexikanischen Grenze oder in den Armenvierteln der Städte sowie die Ureinwohner – keinen handelbaren Titel für ihr Land. Diesen

Anfragen sind wir jedoch nicht nachgekommen, da dies unsere Möglichkeiten überschritten hätte.

Wie arbeitet das ILD?

Normalerweise tritt der Regierungschef eines Landes an uns heran. Wir entsenden dann ein kleines Team, das von zahlreichen Experten vor Ort verstärkt wird. Zuerst analysieren wir das Aus-mass der informellen Wirtschaft des jeweiligen Landes, anschlies-send erarbeiten wir Reformvorschläge. Danach folgt die Um-setzungsphase. Mit dem weiteren Voranschreiten des Projekts braucht man uns meist nicht mehr – was ein gutes Zeichen ist. Dann können die Teams vor Ort unsere Arbeit übernehmen.

Sind die Regierungen offen für Ihre Ratschläge?

Meist wenden sich Politiker an uns, die von ihren Wählern den Auftrag haben, die Situation in ihrem Land zu verändern. Manch-mal sind sie schockiert über das Ergebnis unserer Analyse, aber es ist ein heilsamer Schock, denn wir liefern eine Erklärung, warum die Dinge in ihrem Land nicht funktionieren. Wenn wir ihnen zeigen können, dass ihr Land ohne rechtsstaatliche Prinzipien nicht funktionieren und gedeihen kann, dann sind sie – wenn sie

den anfänglichen Schreck überwunden haben – meist dankbar für unsere Hilfe. Schliesslich zeigen wir ihnen, dass ihre Probleme lösbar sind. Diejenigen, die vom herrschenden Bürokratismus profitieren (kleine öffentliche und private Bürokratien), mögen uns manchmal nicht so sehr.

Was sind Ihrer Meinung nach die grössten Erfolge des ILD?

Wahrscheinlich einfach die Tatsache, dass es uns noch gibt. Wir rütteln am Status quo, wir greifen traditionelle Vorstellungen von Entwicklungshilfe an – manche glauben, für den Rückstand der Entwicklungsländer sind kulturelle Unterschiede verantwortlich. Tatsächlich sind sich jedoch die Menschen auf der ganzen Welt viel ähnlicher, als es scheint. Nehmen Sie zum Beispiel Barack Obama, Sohn eines Kenianers, der nun zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Oder die vielen anderen erfolgreichen Migranten auf der ganzen Welt. Nicht Kultur und Herkunft stehen der Modernisierung im Weg, sondern vor allem das Fehlen angemessener Institutionen.

Das ILD ist in vielen verschiedenen Ländern tätig gewesen.

In welchem Land wurden in den letzten zehn Jahren die grössten

Fortschritte erzielt ?

Peru und El Salvador haben sich sehr gut entwickelt, genau wie Ägypten und Tansania. In Peru ist der Wert von Häusern in städtischen Gebieten enorm gestiegen, was dort wiederum die Kreditvergabe und die Investitionen angekurbelt und für Frieden gesorgt hat. In Thailand wurde eine Organisation gegründet, die sich erfolgreich der Arbeitsmethoden des ILD bedient. Viele Länder wie zum Beispiel Russland und die Philippinen haben unsere Strategien übernommen, ohne unsere Hilfe jemals direkt in Anspruch genommen zu haben, und sie machen gute Fortschritte.

Es scheint, dass Eigentumsrechte vor allem in ländlichen

Gebieten fehlen. Welche Auswirkungen hat dies?

Hernando de Soto, der den Grossteil seiner Jugend in der Schweiz verbracht hat, kehrte als Erwachsener in sein Heimatland Peru zurück. Die Kompliziertheit

Bürokratie haben ihn zutiefst schockiert und schliesslich dazu veranlasst, das Instituto Libertad y Democracia (ILD) ins Leben zu rufen. Dieser Think-Tank mit Sitz in Lima hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Vermögen der armen Bevölkerung aus der informellen Wirtschaft in die globale Markt-wirtschaft zu überführen. Neben dem ILD-Vorsitz schreibt de Soto zurzeit an einem Buch, das den Ursachen der aktuellen Rezession auf den Grund geht. «Diese Rezession ist nicht etwa das Zerplatzen einer Blase», schreibt er, «sondern Ergebnis des Versagens der Rechtssysteme.»

«Wir greifen traditionelle Vorstellungen von Entwicklungshilfe an»

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74 Leader Hernando de Soto

Bulletin 2/09 Credit Suisse

Bevor die aktuelle Rezession weltweit für Schlagzeilen sorgte, waren Lebensmittel beziehungsweise die Lebensmittelknappheit in einigen Teilen der Welt ein grosses Thema. Der grösste Teil der weltweiten Lebensmittel wird derzeit auf einer Fläche von 1,6 Milliarden Hektaren in Europa, Nordamerika und Australien produziert. Weitere 2,6 Milliarden Hektaren Land in Afrika und Lateinamerika könnten zur Lebensmittelproduktion genutzt werden,

doch für diese landwirtschaftlichen Flächen gibt es keine geregel-ten Eigentumstitel. Es ist nicht klar, wem sie gehören. Das heisst im Umkehrschluss: keine Investitionen, da das Land nicht als Sicherheit dienen kann. Solange diese Fragen nicht geklärt sind, wird es keine Lösung für die Lebensmittelknappheit geben.

Besteht nicht die Gefahr, dass dieses Land in Afrika oder

Lateinamerika billig von ausländischem Kapital aufgekauft wird,

wenn die Eigentumsverhältnisse erst geklärt sind?

Vor der Macht der Reichen – der einheimischen ebenso wie der ausländischen – ist niemand sicher. Die Frage ist doch, wie lässt sich das bessere Geschäft machen, mit oder ohne Eigentumstitel? Ich kann Ihnen versichern, dass die Reichen das Land viel billiger erstehen, wenn keine Eigentumstitel dafür vorhanden sind. So war es auch nach dem Tsunami in Indonesien; die Reichen kamen ins Land und nahmen sich die Grundstücke, ohne dafür auch nur irgendetwas zu bezahlen, da es keine Eigentumstitel gab. Auch New Orleans haben sich die Reichen nach dem Hurrikan Katrina «angeeignet ». Mit dem Unterschied, dass sie hier zu-mindest für das Land bezahlen mussten, da die Armen Titel für ihre Grundstücke besassen. Über einen möglichen «Ausverkauf » der landwirtschaftlichen Flächen in Afrika und Lateinamerika würde ich mir keine allzu grossen Sorgen machen. Die meisten Menschen verkaufen ihr Land gerne, wenn sie können. Sie ziehen in die Städte, weil sie nicht als Farmer leben wollen – nicht weil sie «aufgekauft » wurden.

In welchen Ländern muss an der Schaffung einer integrativen

Marktwirtschaft noch gearbeitet werden?

Überall. Auch für die Industrieländer stellt dies eine Herausforde-rung dar. Nehmen Sie nur die aktuelle Subprime-Krise: Aus den Industrieländern sind Derivate in Höhe von circa 600 Billionen US-Dollar in die Finanzmärkte eingeflossen – Derivate, die in keinem zentralen Register verzeichnet sind. Darum können diese faulen Vermögenswerte nicht aus dem Finanzsystem genommen werden, denn keiner weiss, wo sie sich befinden und wie viele es gibt. Wenn man für Derivate dieselben Regeln anwenden würde wie für die Registrierung von Grundstücken oder Flugzeugen, dann wüsste man, wo sie sich befinden. Genau hierin liegt die Ursache der weltweiten Rezession – das sollten wir nicht vergessen.

Sie sprachen von der Subprime-Krise. Welche Auswirkungen

hat die Krise auf die ärmsten Bewohner der Welt ?

Es sind insgesamt nur etwa 13 Billionen US-Dollar, Euro, Francs usw. als Bargeld verfügbar. Daneben existieren Hypothekarforde-rungen, hypothekarisch gesicherte Wertpapiere oder Credit Default

Swaps, deren Gesamtwert den des verfügbaren Bargeldes um ein Vielfaches übersteigt. Doch das Vertrauen in diese Titel wurde durch die aktuelle Subprime-Krise und die damit verbundene Kreditverknappung tief erschüttert. Die Verfügbarkeit von Krediten ist erheblich eingeschränkt, und davon ist jeder betrof-fen, der einen Kredit braucht – bis hin zu den Ärmsten der Armen.

Worin liegt die Lösung?

Um das Vertrauen wieder herzustellen, müssen die faulen Vermögenswerte so schnell wie möglich aus dem Finanzsystem herausgenommen werden. Das wäre der beste Weg, um die Rezession zu bekämpfen.

Lassen sich diese faulen Vermögenswerte überhaupt

nachverfolgen?

Warum nicht ? Es wird doch alles dokumentiert – von Geburten über Autos bis hin zu Bankkonten. Wir brauchen nicht unbedingt ein globales Register für faule Vermögenswerte, wichtig ist eine einheitliche Dokumentation. Eine Wirtschaft, die ihre Bestandteile nicht ordentlich dokumentiert, wird Schattenwirtschaft genannt – das ist genau die Art informelle Wirtschaft, von der ich spreche.

Viele Menschen profitieren von Mikrokrediten. Das ist erfreulich. Sie erreichen Menschen, die vom traditionellen Bankgeschäft ausgeschlossen sind. Aber sind sie die endgültige Lösung? Ich denke nicht, aber sie sind zumindest ein guter Anfang. Im Kampf gegen die Rezession können Mikrokredite nicht viel ausrichten, sie reichen nicht, um Atomkraftwerke zu bauen oder die Entwicklung voranzutreiben. Dafür braucht es Makrokredite.

der zum Diskutieren anregt

David Syz widmet sich der Frage, inwiefern Unter-nehmertum eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Armut spielen kann. In dem 45-minütigen Film kommen Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen der Finanz- und Politikwelt, aber auch von Institutionen und gemeinnützigen Organisationen zu Wort. «An vielen Orten in der Welt haben die Menschen weniger als einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Über eine Milliarde Menschen sind davon betroffen. Finanzielle Hilfe allein reicht nicht aus, um dieses Problem zu lösen. Was die Entwicklungs-länder brauchen, sind Investitionen», erklärt Syz anlässlich der Vorführung seines Films in Zürich mit anschliessender Podiumsdiskussion. «Investitionen, die in den Entwicklungsländern getätigt werden, müssen nicht nur für die Aktionäre, sondern auch für das Land selbst Vorteile bringen«, sagt Nestlé-Chef Peter Brabeck im Film. Und Hernando de Soto plädiert für die Schaffung funktionierender Gesetz-gebungen, um so das Vertrauen von Investoren zu gewinnen.

«Über einen Ausverkauf der landwirtschaftlichen Flächen würde ich mir keine Sorgen machen»

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Bernhard Russi, Olympiasieger.

Taubblinde Menschen brauchen Ihre Hilfe.

Schweizerischer Zentralverein für das Blindenwesen SZB

PC 90-1170-7, www.szb.ch

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Page 76: Stille - Credit Suisse

Sie denken an Kunst.

Die Credit Suisse unterstützt ausgewählte Kulturinsti-tutionen langfristig. So das Kunstmuseum Bern, das Kunsthaus Zürich, das Kunstmuseum Winterthur,

www.credit-suisse.com/sponsorship