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27. JULI 1935 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 14. JAHRGANG. Nr. 30 lO61 lung der Hyperthyreose oder der durch Sympathicusfiber- erregung erkl/irten Migr/ine. ,,In denjenigen F/illen, in denen nach Ergotamin eine iiberf/illige Regel eintrat, wird es sich nicht um eine Schwangerschaft gehandelt haben, sondern um eine verl/ingerte Luteinisierung" (STEMMER). Wir haben gesehen, dab das Follikulin das Wachstum des Geb~rmuttermuskels und den Aufbau seiner Schleimhaut besorgt. Wir kennen nun Zust/inde yon prim~rer Ovarial- insuffizienz, bei denen zu wenig oder gar kein Follikelhormon gebildet wird. Was hier im einzelnen das Prim/ire ist, ob ein Versagen des Eierstoeks selbst, z. B. bei solchen mit stark hyalinisierten Gef/iBen, daher mangelhafter Ern/ihrung und auch vorzeitigem Klimakterium, oder ob es an der Prolan A- Bildung des HVL. fehlt, all dem Eireifungshormon, ist schwer zu entscheiden. Klinisch linden wir jedenfalls eine Amenorrh6e oder eine Oligomenorrh6e. Bei der Unter- suchung stellen wir lest: Es sind Frauen mit hypoplastischen, infantilen Zeichen, sp/irlichen Pubes, m/iBig entwickelten /iuBeren Genitalien, Muldendamm, kurzer, straffer Scheide, spitzer Portio~ die im VerhMtnis zu dem kleinen Uterusk6rper zu lang ist. Die Ovarien sind klein, kaum zu fiihlen. Andere Zeichen sind Gitterstellung der Z/ihne, hoher spitzer Gaumen, selbstverst/indlich auch eine Unterentwicklung der Brtiste. Kommt es real zu einem Aufbau der Schleimhaut, so geschieht dieser unvollst~ndig ebenso wie die nachfolgende Umwandlung. So kann es bier zu langdauernden]31utungen kommen, da die ungenfigend gebildete Schleimhaut sich mangelhaft abst6Bt. Es blutet bald aus dieser, bald aus jener Stelle, dazu fehlt es bei dem muskelschwachen Uterus an einer nachhaltigen Blutstillung durch Kontraktion der Wand und Abdrosselung der GefABe. So k6nnen auf lange amenorrh6ische oder oligo- menorrh6ische Phasen starke Blutungen folgen. Die richtige kausale Therapie ist schwierig. Versagt prim/ir der HVL., so w/ire es gegeben, das Eireifungshormon Prolan A zu ver- suchen. Die Erfolge sind bisher nicht ermutigend. Die in- suffizienten Eierst6cke spreehen auf A fiberhaupt nicht an. Finder man bei der Urintitration sogar eine Prolan A-Aus- schtittung Ahnlich dem Klimakterium nach erloschener Ovarialfunktion, so besteht eine schwere, kaum zu behebende Minderwertigkeit der Eierst6cke. Eher sind die F~lle yon Oligomenorrh6e oder solche sekund~rer Amenorrh6e an- zugehen, bei denen also schon wenigstens Zeichen einer Eier- stoekst~tigkeit vorhanden gewesen sind. Da kommt es oft auf den Versuch an, mit welchen MAtteln man Erfolg hat. Soviel ist sicher, man muB sehr groBe Hormonmengen geben, um eine Besserung zu erzielen. DaB dazu eine allgemeine Behandlung geh6rt, versteht sich. Zu empfehlen ist auch die Diathermisierung der Genitalorgane. Often ist noch die Frage, ob man nicht besser Pr/iparate der ganzen Ovarial- substanz gibt und nicht die reinen Ausztige, denn es fragt sich, ob bei den reinen Mitteln nicht doch vielleicht irgend etwas fehlt, was in den Organextrakten vorhanden ist und zur Wirksamkeit des Follikulins oder des Luteins n6tig ist. Die Kompliziertheit der Verh~ltnisse mag auch aus der weiteren klinischen ]3eobachtung hervorgehen, dab es nicht immer hypoplastische Frauen sind, die mit Arnenorrh6e oder Oligo- menorrh6e zu tun haben, sondern h/iufig recht kr/iftige Pyknicae. Stellt man da lest, dab sie neben den Zeichen des zwar unterentwickelten Genitale sonst abet gut ent- wickelt sind, yon kr/iftigem Knochenbau yon einem Habitus sogar, der etwas an Akromegalie erinnert, mit einer l~lber- betonung der Akra, mit groben, derben Gesichtsztigen, kr~ftigem Unterkiefer oder bei anderen mit j ener merkwfir- digen Fettverteilung an Ges~B, Hiiften und Oberschenkeln im Sinne der Dystrophia adiposo-genitalis, so wird man ge- neigt sein, die Hypophyse einer Dysfunktion anzuschuldigen. Bei wieder anderen kann man sich des Eindrucks nicht er- wehren, dab die Thyreoidea die Leitdrtise ist fiir die funk- tionelle St6rung der Eierst6cke. So bei Frauen mit einem Einschlag von mehr oder weniger deutlichen basedowoiden oder auch myx6demat6sen Symptomen. Natfirlich sind das GrenzfAlle dieser Erkrankungen. Die exakten klinischen Er- scheinungen kanI1 man oft schwerlich nur herausfinden. Man muB sich mit dem Eindruck, den diese Patienten auf den beobachtellden Arzt machen, h/iufig zufrieden geben. Gerade in dieser Richtung stehen der Hormonforschung noch weite Arbeitsgebiete often. Wie die Ausffihrungen zeigen, sind uns mit der Hormon- lehre die feineren Vorgange bei der Menstruation n~hergebracht worden. ~ltere Vorstellungen sind damit bestAtigt, andere wieder verlassen worden. Eine endgtiltige Klarheit ist natiir- lich auch heute noch nicht erreicht. So hat man den HVL. den Motor ffir die Sexualfunktion genannt, muB aber zu- gleich erkennen, dab dieser Motor abgebremst wird dutch sein ihm untergeordnetes Organ, die Eierst6cke. Keine Be- r~cksichtigung finder in diesem Vortrag die t~olle des Eies selbst. Wieweit dieses in das Getriebe der Sexualfunktion eingeschaltet ist, ob ihm nicht schlieBlich doch eine Primat- stelle zukommt, dartiber wissen wir noch wenig. DaB mit der Kenntnis der hormonalen VorgAnge bei der normalen Regelblutung auch eine solche der unregelmaBigen, krank- haften sich ergibt, konnte welter hier gezeigt werden und ist ja die logische Folge davon, dab uns die Pathologie erst ver- st~ndlich wird, wenn wir fiber die normalen Verh~ltnisse Bescheid wissen*. Literatur: C. CLAUBERG, Die weiblichen Sexualhormoue. Berlin : Julius Springer 1933. -- W. STEMMER, KIinik der weiblicheu Geschlechtshormone. Stuttgart: F. Enke 1933. -- E. PHILIPP, Zbl. GynAk. 193o, 1858. -- SCHULTZE-I:{_HONHOF, Zbl. Gyn/~k. 1933, 2954. -- P. WIRZ, Z. Geburtsh. lO4, 293 (1933). -- t3. ZOND~K, Die Hor- mone des Ovariums und des Hypophysenvorderlappens. Berlin: Julius Springer 1931. ORIGINALIEN. STOFFWECHSEL UND KREISLAUF BEI DER DEKOMPENSATION DES HERZENS*. Mort Dozent Dr. DIETRICH JAHN, Oberarzt an der Medizinischen Universit~tsklinik Freiburg i. Br. (Direktor: Prof. Dr. BOHNENKAMP). Fiir den Arzt ist es eine wichtige Feststellung, dab die Leistungen eines kranken Herzens ganz unabh~ngig yon seiller Gr6Be sind. M/ichtig erweiterte Herzen k6nnen erstaunlich gute Arbeit leisten. Das ~rztliche Urteil, inwieweit ein Herz den Anforderungen des Lebens entspricht, kann sich der Arzt durch die Untersuchuug des Herzens selbst nicht bilden. Er beurteilt die Herzleistung vielmehr aus dem Verhalten des Kreislaufs. Umstellungen, die sich hier abspielen, ver- ursachen Atembeschwerden, Leberschwellung, Stauungs- ~Nostrifikationsrede, gehalten am 13. Dczember 1934. gastritis, Meteorismus, Verminderung der I-Iarnmenge, AI- buminurie, Cyanose ulld Odembildung, k6rperliche und oft auch geistige Leistungsullf/ihigkeit. Die ikrztliche Beob- achtung stellt sich deshalb w/ihrend der Dekompensation des Herzens vielmehr auf die Erscheinungen in der Peripherie als auf das Herz selbst ein. Das dekompensierte Herz zieht sich, nach den Unter- suchungen I-IERMANN STRAUBS 1, langsamer und unvollst~n- diger zusammell, seine Diastole ist weniger ergiebig. Die yon BOHN]~NKAMP ~ studierte diastolische Faserspanllung ist hier yon Bedeutung, wenn man in der Diastole nicht nur die passive Dehnung der Wand durch das eillstr6mende Blut, sondern ein allmlthliches Nachlassen der systolischen Kon- traktion sieht. Dadurch vermindern sich Schlag- und Minuten- volumen des Herzells, die FiXllung des Arteriensystems geh~ * Inzwischen sind Konstitutionsformcl und Synthese des Luteohormons durch BUTE- NANDT u. a. mitgeteilt. S. Z. Gyn. 2 (1935).

Stoffwechsel und Kreislauf bei der Dekompensation des Herzens

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27. J U L I 1935 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 14. J A H R G A N G . Nr. 30 lO61

lung der Hyperthyreose oder der durch Sympathicusfiber- erregung erkl/irten Migr/ine. ,,In denjenigen F/illen, in denen nach Ergotamin eine iiberf/illige Regel eintrat, wird es sich nicht um eine Schwangerschaft gehandelt haben, sondern um eine verl/ingerte Luteinisierung" (STEMMER).

Wir haben gesehen, dab das Follikulin das Wachstum des Geb~rmuttermuskels und den Aufbau seiner Schleimhaut besorgt. Wir kennen nun Zust/inde yon prim~rer Ovarial- insuffizienz, bei denen zu wenig oder gar kein Follikelhormon gebildet wird. Was hier im einzelnen das Prim/ire ist, ob ein Versagen des Eierstoeks selbst, z. B. bei solchen mit stark hyalinisierten Gef/iBen, daher mangelhafter Ern/ihrung und auch vorzeitigem Klimakterium, oder ob es an der Prolan A- Bildung des HVL. fehlt, all dem Eireifungshormon, ist schwer zu entscheiden. Klinisch linden wir jedenfalls eine Amenorrh6e oder eine Oligomenorrh6e. Bei der Unter- suchung stellen wir lest: Es sind Frauen mit hypoplastischen, infantilen Zeichen, sp/irlichen Pubes, m/iBig entwickelten /iuBeren Genitalien, Muldendamm, kurzer, straffer Scheide, spitzer Portio~ die im VerhMtnis zu dem kleinen Uterusk6rper zu lang ist. Die Ovarien sind klein, kaum zu fiihlen. Andere Zeichen sind Gitterstellung der Z/ihne, hoher spitzer Gaumen, selbstverst/indlich auch eine Unterentwicklung der Brtiste. Kommt es real zu einem Aufbau der Schleimhaut, so geschieht dieser unvollst~ndig ebenso wie die nachfolgende Umwandlung. So kann es bier zu langdauernden]31utungen kommen, da die ungenfigend gebildete Schleimhaut sich mangelhaft abst6Bt. Es blutet bald aus dieser, bald aus jener Stelle, dazu fehlt es bei dem muskelschwachen Uterus an einer nachhaltigen Blutstillung durch Kontraktion der Wand und Abdrosselung der GefABe. So k6nnen auf lange amenorrh6ische oder oligo- menorrh6ische Phasen starke Blutungen folgen. Die richtige kausale Therapie ist schwierig. Versagt prim/ir der HVL., so w/ire es gegeben, das Eireifungshormon Prolan A zu ver- suchen. Die Erfolge sind bisher nicht ermutigend. Die in- suffizienten Eierst6cke spreehen auf A fiberhaupt nicht an. Finder man bei der Urinti trat ion sogar eine Prolan A-Aus- schtittung Ahnlich dem K l i m a k t e r i u m nach erloschener Ovarialfunktion, so besteht eine schwere, kaum zu behebende Minderwertigkeit der Eierst6cke. Eher sind die F~lle yon Oligomenorrh6e oder solche sekund~rer Amenorrh6e an- zugehen, bei denen also schon wenigstens Zeichen einer Eier- stoekst~tigkeit vorhanden gewesen sind. Da kommt es oft auf den Versuch an, mit welchen MAtteln man Erfolg hat. Soviel ist sicher, man muB sehr groBe Hormonmengen geben, um eine Besserung zu erzielen. DaB dazu eine allgemeine Behandlung geh6rt, versteht sich. Zu empfehlen ist auch die Diathermisierung der Genitalorgane. Often ist noch die Frage, ob man nicht besser Pr/iparate der ganzen Ovarial- substanz gibt und nicht die reinen Ausztige, denn es fragt sich, ob bei den reinen Mitteln nicht doch vielleicht irgend

etwas fehlt, was in den Organextrakten vorhanden ist und zur Wirksamkeit des Follikulins oder des Luteins n6tig ist. Die Kompliziertheit der Verh~ltnisse mag auch aus der weiteren klinischen ]3eobachtung hervorgehen, dab es nicht immer hypoplastische Frauen sind, die mit Arnenorrh6e oder Oligo- menorrh6e zu tun haben, sondern h/iufig recht kr/iftige Pyknicae. Stellt man da lest, dab sie neben den Zeichen des zwar unterentwickelten Genitale sonst abet gut ent- wickelt sind, yon kr/iftigem Knochenbau yon einem Habitus sogar, der etwas an Akromegalie erinnert, mit einer l~lber- betonung der Akra, mit groben, derben Gesichtsztigen, kr~ftigem Unterkiefer oder bei anderen mit j ener merkwfir- digen Fet tvertei lung an Ges~B, Hiiften und Oberschenkeln im Sinne der Dystrophia adiposo-genitalis, so wird man ge- neigt sein, die Hypophyse einer Dysfunktion anzuschuldigen. Bei wieder anderen kann m a n sich des Eindrucks nicht er- wehren, dab die Thyreoidea die Leitdrtise ist fiir die funk- tionelle St6rung der Eierst6cke. So bei Frauen mit einem Einschlag von mehr oder weniger deutlichen basedowoiden oder auch myx6demat6sen Symptomen. Natfirlich sind das GrenzfAlle dieser Erkrankungen. Die exakten klinischen Er- scheinungen kanI1 man oft schwerlich nur herausfinden. Man muB sich mit dem Eindruck, den diese Patienten auf den beobachtellden Arzt machen, h/iufig zufrieden geben. Gerade in dieser Richtung stehen der Hormonforschung noch weite Arbeitsgebiete often.

Wie die Ausffihrungen zeigen, sind uns mit der Hormon- lehre die feineren Vorgange bei der Menstruation n~hergebracht worden. ~l tere Vorstellungen sind damit bestAtigt, andere wieder verlassen worden. Eine endgtiltige Klarheit ist natiir- lich auch heute noch nicht erreicht. So hat man den HVL. den Motor ffir die Sexualfunktion genannt, muB aber zu- gleich erkennen, dab dieser Motor abgebremst wird dutch sein ihm untergeordnetes Organ, die Eierst6cke. Keine Be- r~cksichtigung finder in diesem Vortrag die t~olle des Eies selbst. Wieweit dieses in das Getriebe der Sexualfunktion eingeschaltet ist, ob ihm nicht schlieBlich doch eine Primat- stelle zukommt, dartiber wissen wir noch wenig. DaB mit der Kenntnis der hormonalen VorgAnge bei der normalen Regelblutung auch eine solche der unregelmaBigen, krank- haften sich ergibt, konnte welter hier gezeigt werden und ist ja die logische Folge davon, dab uns die Pathologie erst ver- st~ndlich wird, wenn wir fiber die normalen Verh~ltnisse Bescheid wissen*.

L i t e r a t u r : C. CLAUBERG, Die weiblichen Sexualhormoue. Berlin : Julius Springer 1933. -- W. STEMMER, KIinik der weiblicheu Geschlechtshormone. Stuttgart: F. Enke 1933. -- E. P H I L I P P , Zbl. GynAk. 193o, 1858. - - SCHULTZE-I:{_HONHOF, Zbl. Gyn/~k. 1933, 2954. -- P. WIRZ, Z. Geburtsh. lO 4, 293 (1933). -- t3. ZOND~K, Die Hor- mone des Ovariums und des Hypophysenvorderlappens. Berlin: Julius Springer 1931 .

O R I G I N A L I E N . S T O F F W E C H S E L U N D K R E I S L A U F BEI D E R

D E K O M P E N S A T I O N DES H E R Z E N S * .

Mort

Dozent Dr. DIETRICH JAHN, Oberarzt an der Medizinischen Universit~tsklinik Freiburg i. Br.

(Direktor: Prof. Dr. BOHNENKAMP).

Fiir den Arzt ist es eine wichtige Feststellung, dab die Leistungen eines kranken Herzens ganz unabh~ngig yon seiller Gr6Be sind. M/ichtig erweiterte Herzen k6nnen erstaunlich gute Arbeit leisten. Das ~rztliche Urteil, inwieweit ein Herz den Anforderungen des Lebens entspricht, kann sich der Arzt durch die Untersuchuug des Herzens selbst nicht bilden.

Er beurteil t die Herzleistung vielmehr aus dem Verhalten des Kreislaufs. Umstellungen, die sich hier abspielen, ver- ursachen Atembeschwerden, Leberschwellung, Stauungs-

~Nostr i f ikat ionsrede, gehalten am 13. Dczember 1934.

gastritis, Meteorismus, Verminderung der I-Iarnmenge, AI- buminurie, Cyanose ulld Odembildung, k6rperliche und oft auch geistige Leistungsullf/ihigkeit. Die ikrztliche Beob- achtung stellt sich deshalb w/ihrend der Dekompensation des Herzens vielmehr auf die Erscheinungen in der Peripherie als auf das Herz selbst ein.

Das dekompensierte Herz zieht sich, nach den Unter- suchungen I-IERMANN S T R A U B S 1, langsamer und unvollst~n- diger zusammell, seine Diastole ist weniger ergiebig. Die yon BOHN]~NKAMP ~ studierte diastolische Faserspanllung ist hier yon Bedeutung, wenn man in der Diastole nicht nur die passive Dehnung der Wand durch das eillstr6mende Blut, sondern ein allmlthliches Nachlassen der systolischen Kon- traktion sieht. Dadurch vermindern sich Schlag- und Minuten- volumen des Herzells, die FiXllung des Arteriensystems geh~

* Inzwischen sind Konstitutionsformcl und Synthese des Luteohormons durch BUTE- NANDT u. a. mitgeteilt. S. Z. Gyn. 2 (1935).

1062 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 14 . J A H R G A N G . Nr. 30 27. JULI 1935

zuriick, der arterielle ]31utdruek sinkt, dagegen ist das Venen- system mit ]31ut iiberftillt, der Venendruck steigt. Das Capillargebiet ist infolge dieser Umstellungen gestaut, in dem wichtigsten Tell des Kreislaufs, dem aus Arteriolen, Capillaren und Venolen bestehenden funktionellen Endgebiet der Strom- bahn, wird dadurch der Stoffaustauseh zwischen Blut und Gewebe behindert.

Die Folgen dieser Stoffweehselst6rung sind schon an dem Verhalten der peripheren Arterien sichtbar. OTFRIED ~V[LILLER 3 land ihre Reaktionslosigkeit aut thermisehe t~eize. Diese Feststellung ist sp~ter mit anderer Methodik durch BICKEN- BACH ~ bestXtigt worden. Die Funktion der Arteriolen, die ftir die Erhal tung des Blutdrucks und ftir die Blutverteilung eine ausschlaggebende Rolle spielt, bi~Bt bei der Dekompen- sation des Herzens ihre regulatorische Funktion ein, ihre muskul6se Wand wird unerregbar, wie bei einer sklerotisehen Starre.

Damit erliseht ihre F~higkeit, nicht in Funktion befind- liche Organe aus der Blutzirkulation weitgehend auszuschalten oder sie bei T~tigkeit in den Strom des schnell zirkulierenden Blutes einzubeziehen, es erlischt ihre Aufgabe, die zirkulie- rende Blutmenge naeh den Bediirfnissen des K6rpers zu ver- gr613ern oder zu verkleinern. Die zirkulierende Blutmenge bei der nicht durch Infektion komplizierten Dekompensation des Herzens ist dadurch stets vergr613ert. Darin liegt eine M6gliehkeit ftir alas Herz, seine Kontraktionsarbeit zu ver- bessern, da eine durch vermehrte Blutftillung bewirkte gr613ere Anfangsspannung der Kammerwand eine stikrkere Kontrak- tion bewirkt, solange der Herzmuskel tiberhaupt dazu in der Lage ist. Bei zunehmender Herzschw~che verursacht die wachsende zirkulierende Blutmenge eine weitere Verschlech- terung der Herzarbeit und eine weitere Herabsetzung der Zirkulationsgeschwindigkeit.

Die zwangslAufig aus derartigen Umstellungen tier Zir- kulation erwachsenden Stoffwechselst6rungen betreffen vor allen Dingen die Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff; denn die Sauerstoffaufnahme durch die Lungen, die an sich schon 3omal langsamer vor sich geht als tier Gasaustausch der Kohlens~ure in den Alveolen, ist nach den Untersuchungen won KROETZ 5 wesentlich abh~ngig vom Zustand der Grenz- schicht zwischen Blut und Alveolarluft, der sich bei Lungen- stauung weitgehend ~ndern kann. Das Blut ist auch ftir alle anderen Stoffe welt aufnahmefithiger als fflr Sauerstoff, yon dem bestenfalls nur etwa 3 ~ mg in ioo ccm Blut gebunden werden k6nnen.

Trotzdem findet man bei der Dekompensation des Herzens im allgemeinen eine gute Arterialisierung des Blutes, also einen normalen Sauerstoffgehalt des Arterienblutes, mit Ausnahnle yon Fi~llen mit starker Lungenstauung, Lungen- 6dem beim Versagen des linken Ventrikels, hochgradigem Emphysem oder einer entztindlichen Infil tration gr613erer Lungenabschnitte, durch die der beatmete Tell der Lungen wesentlich eingeschr/~nkt wird. Im allgemeinen ist also das Problem der Sauerstoffversorgung bei der Herzdekompen- sation keine Frage der Arterialisierung des 13lutes, sondern vielmehr eine Frage der Verschlechterung tier Blutzirkulation im grol3en Kreislauf.

I)enn die durch die Arteriolenstarre bedingte vergr613erte zirkulierende Blutmenge besitzt nicht tiberall dieselbe Strom- geschwindigkeit. In bestimmten Organen kann sich der Blut- strom so verlangsamen, dal3 alas durch w o n ]~ERGMANN

gebrauchte Bild berechtigt erscheint, naeh dem das Blut hier stagniert wie in einem neben einem Flul3bett liegenden Sumpf.

Bei verlangsamtem Blutstrom entn immt die Peripherie dem ]31ut nicht nur 30 % seines Sauerstoffs wie in der Norm, sondern bis zu 7 ~ und 8o%. Naeh LAUTER 6 ist bei schwerer Herzdekompensation das Blut des rechten Ventrikels so gut wie sauerstofffrei. Die optimale Sauerstoffversorgung der Gewebe leidet jedoch schon bei dem Zwang zu 50--60% Ausnutzung Mangel. DaB es sich dabei nicht nur um S~tti- gungsdefizite, sondern auch um Schwankungen des Sauer- stoffdruckes handelt, soll hier nur kurz erwAhnt sein.

Mit dem Entstehen eines Sauerstoffmangels beginnt die Stoffwechselst6rung der KreislaufschwAche; denn die Urn-

setzungen der Gewebe befinden sich in einem sehr rein aus- balancierten Gleichgewicht zwischen den Umsetzungen, die fermentativ ohne Zutr i t t yon Sauerstoff ablaufen, und denen, die nur unter Anwesenheit yon Sauerstoff vor sich gehen k6nnen. Wir kennen alas vor allem yon dem Kohlehydrat- stoffwechsel der Muskulatur. Im Anschlul3 an die Muskel- kontraktion zerfAllt Glykogen in Milchsi~ure anaerob, die in der Erholungsphase oxydat iv resynthetisiert wird.

Es ist das grol3e Verdienst EPPINGERS 7, seine Feststellung eines gesteigerten Milchs~urespiegels bei Herzkranken auf einen Sauerstoffmangel in der Muskulatur bezogen und damit diese interessante Tatsache mit den Ergebnissen der Muskel- physiologen HILL, MEYERHOF und EMBDEN in Beziehung gesetzt zu haben. Der schon in der Ruhe gesteigerte Gehalt des Blutes an Milchs~ure erreicht bei k6rperlicher Arbeit sehr hohe Werte, die naeh Beendigung tier Arbeit nicht wie normalerweise in Minuten, sondern erst nach Stunden den Ruhewert wieder erreichen. Ganz entsprechend diesen Wir- kungen des Sauerstoffmangels auf dell Kohlehydratstoff- wechsel n immt die Sauerstoffaufnahme w~hrend der Herz- dekompensation unter Muskelarbeit nut sehr langsam zu, es entsteht also eine Sauerstoffschuld, die durch eine noch lange nach Abschlul3 der T~tigkeit fortbestehende, abnorm gesteigerte Sauerstoffaufnahme abgetragen wird. EPPINGER hat die vor allem von HILL vertretene Ansicht zur ErklArung dieser Verh~ltnisse t~bernommen, dab der starke Sauerstoff- verbrauch nach der Arbeit zur Beseitigung der aufgeh~uften Milchs~ure verwandt wflrde. Er hat, wie HILL es tat, aus dem Sauerstoffverbrauch die Menge der zu oxydierenden Milch- s~ure errechnet.

Es ist nun kein Zweifel, dal3 die abnorme MilchsAure- bildung in der Muskulatur durch Sauerstoffmangel zustande kommt. Das haben ILPPINGER, LASZLO und SCH/JRMEYER 8 in tiberzeugenden Versuehen am intakten Tier durch die Wirkung des Histamins und Peptonshocks auf den peri- pheren Kreislauf und mit Versuchen mit Drosselung der be- treflenden blutzufflhrenden Arterie bewiesen. Es ist also sicher, dal3 in den Muskeln Herzkranker Sauerstoffmangel herrscht. Wir finden darin eine Erkl~rung ftir das oft un- flberwindliche Ermi~dungsgefi~hl Kranker mit Herzdekompen- sation.

Durch die Vermehrung tier Milchs~urebildung und den Ubert r i t t der S~ure in das kreisende Blut ist unsere Kenntnis von den Ursachen der fiir die Herzdekompensation so kenn- zeichnenden Dyspnoe wesentlich gef6rdert worden. Denn nur bei den schwersten Formen kardialer Insuffizienz haben PETERS und BARR 9 wie EPPINGER und SCHILLER 1~ eine Stauung der KohlensXure im Bhit infolge ungentigender Lungenltiftung gefunden, Nur dann k6nnen wir eine S~uerung des Atemzentrums mit dem Erfolg einer Antreibung der At- mung durch die retinierte Kohlens~ure annehmen. In anderen F~llen wird die Kohlens~ureanreicherung, wie COBET n ge- zeigt hat, vermii3t. Die Atemnot beruht dann auf der An- reicherung des ]3lutes mit Milchs~ure, die bei ausreichender Lungenli~ftung die Abgabe yon Kohlens~ure herbeiftihrt. DaB ferner Dyspnoe auch bei Kohlens~ureverarmung ohne vermehrte MilehsAurekonzentration im Blur vorkommt, hat KROETZ 12 durch die besondere Empfindlichkeit des Atem- zentrums ffir Schwankungen des Sauerstoffdruckes erklArt, der sich bei normaler S~kttigung des ]3lutes mi t Sauerstoff durch ein ~3berwiegen alkalischer Valenzen bis ein Drit tel seines normalen Wertes vermindern kann.

Der Tatsache eines Sauerstoffmangels in den Muskeln steht nun aber die zuerst yon GRAFE la gemaehte Feststellung gegenfiber, dab die Herzkranken auch in der Ruhe einen w.esentlich gesteigerten Sauerstoffverbrauch zeigen, der nach eigenen 1. Versuchen die Norm um durehschnittlich 30 % tiber- schreitet, in EinzelfAllen eine Zunahme um 60 und 7 ~ % er- reichen kann. Es ist schwer einzusehen, dab dieses betr~cht- liche Plus an Sauerstoff den Muskeln zugeffihrt wird, um die dort lagernde Milchs~ure zu beseitigen, selbst wenn man die Erleiehterung der Abgabe des Sauerstoffs aus seiner H~mo- globinverbindung durch Steigerung der Dissoziation des OxyhAmoglobins und die zweifellos bestehende 0ffnung aller

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Muskelcapillaren durch die S~,uerung in Rechnung stellt: denn die Voraussetzung der dauernden abnormell Bildung yon MilchsAure bleibt das 13estehen eines Sauerstoffmangels.

Untersuchungen der Amerikaller MANN und MAGATH 15 haben nun gezeigt, dal3 einmal in das 131ut fibergetretene MilchsAure nicht in der Muskulatur, sondern allein in der Leber oxydiert ulld resynthetisiert werden kann. Als Er- gAnzung hierft~r k6nnen Untersuchungen yon BECKMANN 1~ angeffihrt werdell, nach denen bei Sch~digung der Leber intraven6s zugeffihrte Milchs~ure abnorm lange im 131ut kreist. Und aus eigenen ~2 Milchs~urebelastungsversuchen geht hervor, dal3 diese S~ure bei Herzkranken die Sauerstoff- aufnahme welt fiber das Mal3 steigert, das zu ihrer Ver- brellnung llotwendig w~Lre. Der Ort der vermehrten Ver- brennungen ist deshalb mit Wahrscheinlichkeit nicht allein die Muskulatur. Manches weist vielmehr auf die Leber als Oft der trotz des Sauerstof~mallgels in der Muskulatur zu findenden gesteigerten Oxydationen.

Dafter spricht auch, dab wir all Herzkranken in der Regel eine Steigerung der spezifisch-dynamischen Wirkung des Zuckers gefunden haben, die sicher die engsten Beziehungen zum Stoffwechsel der Leber besitzt. Nach der Zuckerauf- nahnae besteht demnach ebenfalls ein abnorm starker Sauer- stoffverbrauch und, wie wir regelm~13ig feststellen konnten, eine erhebliche Mehrbildung yon MilchsAure, die bei normalen Versuchspersonen fehlt. Der Kohlehydratstoffwechsel ist deshalb nicht nur an den Stellen des Verbrauchs in der Mus- kulatur, sondern auch ill seinem assimilatorischen Tell, der vorwiegend die Leber betrifft, gest6rt.

Wir sehen uns bei der Dekompensation des Herzens also eiller allgemeinen St6rullg des Stoffwechsels gegentiber, die mit ihrer Tendenz zur Steigerullg der Verbrennungsvorg~nge fiber die Grellzen des dutch Milchs~urebildung Notwendigen hinaus den k6rperlichen Bestand des Herzkranken gefXhrdet. Wir sehen hierin eine 13est~tigung der ~rztlichen Erfahrung, dab nach der medikament6s erzwungenen Entw~sserung sich ein oft erschreckend reduzierter Ern~hrullgszustand des Kranken zu erkennen gibt.

Die geschilderten UntersuchungeI1 haben das 13ild der Anderungen in der Peripherie in ihrer Vielgestaltigkeit so fiberraschend aufgedeckt, dal3 es sehr verlockend schien, eine Wechselbeziehung zwischen dem Zustalld des Herzens und den Stoffwechselvorg~ngen der Peripherie anzunehmen, ja es schien unter dem Eindruck der Eppingerschen Feststel- lungen denkbar, dab durctf Stoffwechselst6rungen der Mus- keln mit ihrer reichlichen Milchs~urebildullg die Dekompen- sation eines irgendwie gesch~digtell Herzens eingeleitet we~den k6nnte. Experimentell ist das Fiir und Wider einer solchen Anschauung zu belegen. Dagegen kann die yon

gelang, die schwierige Operation der Herstellung einer kt~nst- lichen Mitralinsuffizienz an Hunden erfolgreich durch- zuffihren. Nach (Dffnung des 13rustraums und Einleitung kfinstlicher Atmung und nach breiter Spaltung des Perikards wurde am schlagenden Herzen eine etwa erbsengroi3e Stelle llahe der Herzspitze umstochen, scharf perforiert, in unmittel- barer Folge ein bleistiftdtinnes Ins t rument mit gedecktem Messer eingeft~hrt und durch den liegenden Faden in der Muskulatur der linken Kammer befestigt. Die grol3e Gefahr yon Extrasystolenbildung mit anschliel3endem Fibrillieren der Kammermuskulatur konllte vermieden werden, indem man die Perforation des Ventrikels an einer besonders muskel- schwachen Stelle dicht neben der Herzspitze vornahm. Das Ins t rument liegt dann unmittelbar neben dem kr~ftigen Papillarmuskel, an dem die Sehllenf~den des aortennahen Mitralsegels inserieren. Durch Wortasten mit dem Inst rument lassen sich die Sehnenf~den leicht in einem Einschnit t des Instruments fassen und dann durch Vortreiben des gedeckten Messers zerschneiden. Es gelang sogar, gelegentlich das innere Mitralsegel selbst durch tiefe Einschnitte schlul3ullf~hig zu machen. Die Operation verl~uft so praktisch ohne 131ut- verlust. Die Erholullg der Hunde ging deshalb rasch voll- statten, sie zeigten klinisch alle Zeichen einer ausgesprochenen Mitralinsuffizienz, die nach Abschlul3 des Versuches 3 bis 4 Monate sp~ter autoptisch best~tigt wurde.

Die Bestimmung des Energiestoffwechsels durch das im New Yorker Laboratorium zur Verffigung stehellde Atwater- Rosasche Respirationscalorimeter war yon besonderem Wert ; denn es gew~hrt durch dell Vergleich der direkten m i t d e r indirektell Calorimetrie, d. h. durch die Gegenfiberstellullg der aus dem Sauerstoffverbrauch ulld aus der W~rmeabgabe dutch Leitung, Strahlung und Wasserverdampfung errech- lleten Calorienzahl eine besondere Sicherheit. Ferner wurden die Versuche mit atmosph~rischer Luft ausgeffihrt, so daI3 der Einwand, die Steigerungen des Sauerstoffverbrauchs k6nnten durch das Atmen der reinen SauerstoffatmosphAre bei bestehender Allox~mie der herzkrankell Hunde ent- stallden sein, nicht erhoben werden kann.

Es ergab sich bei einwandfreier Kompensation des ge- setzten Klappenfehlers keille Steigerung des Grundumsatzes. Diese Feststellung ist wichtig zur Kri t ik aller der auch von mir selbst frt~her gefundenen Grundumsatzsteigerung bei Herz- kranken, die wit wAhrelld ihrer station~rell Behalldlung ffir kompensiert gehalten haben. Mit zunehmender Dekompen- sation abet stiegell Milchs~urekonzentration ulld Sauerstoff- aufnahme, letztere auf einen Durchschnittswert von 3o%, der also unseren Ergebnissen bei herzdekompensierten IZran- ken bei Untersuchung mit reiner Sauerstoffatmung genau entspricht. Ebenso land sich eine v611ige BestAtigung unserer

ROHLlS m i t g ~ i l f ~ T a ~ s a ~ a n g e f i ~ h r t ~ w e r ~ t e r v , ~ l ~ d ~ r ~ i a a ~ s c h e l l Ul l te rsuc4mrvgen~r-c t ie%~eschi lder te~weichuH- Herzmuskel unter den Bedingungen des Lebens keine Milch- sAure bildet, dab er sie vielmehr mit steigender Konzen- trat ion im 131ut aufnimmt ulld mit Energiegewinn verbrenllt. Andererseits ffihren die durch die Milchs~ureacidosis not- wendig werdenden Ausgleichsvorg~nge zur Erhal tung des S~urebasengleichgewichts, wie 13URGER 19 in der yon Krehl- schen Klinik nachwies, zu reichlichem 13bertritt von Kalium aus den roten 131utk6rperchen in das Plasma. Dadurch wird das ffir die ZelltAtigkeit so wichtige Verh~ltnis yon Kalium und Calcium im Plasma zuungunsten des Calciums gegndert, dessert 13edeutung ftir die Kontraktionen des Herzmuskels ja dutch Untersuchullgen yon GROSS ~~ F. ]3. HOFMANN ~1 und B6HM ~3 hinreichend bekannt ist.

M6gen derartige Einfltisse der Peripherie aut den Herz- muskel im Verlau] einer Dekompensation auch eine Rolle spielen, so blieb ffir meinen Lehrer ERNST V. I~OMBERG doch die Arztliche Erfahrung leitend, dab der Ausgangspullkt der St6rung immer und allein ill der Leistung des Herzens selbst liege. Aber bewiesen konnte diese Anschauung erst werden, wenn es gelang, beim gesunden Tier operativ einen Herzfehler zu erzeugen und die Stoffwechselver~nderungen im Zustand der Dekompensation des Herzens wiederzufinden.

GRAHAM LUSK hat mir die Durchffikrung dieser Versuche an der Cornell-UlliversitAt in New York erm6glicht ~3. Es

gen des Arbeitsstoffwechsels und der spezifisch-dynamischen Wirkung. Die auf der klinischen 13eobachtung beruhende Be- urteilung der Zusammenh~nge konnte also durch diese Unter- suchungen bestAtigt werden. Das Nachlassen der Funktion des Herzens war demnach ffir alle in der Peripherie zu beob- achtenden Veri~nderungen allein verantwortlich.

Dariiber hinaus war das Verfolgen der Entstehung der Stoffwechselst6rung besonders aufschlul3reich. Mit zunehmen- der Verschlechterung des Kreislaufs stieg zun~chst die Aus- nutzung des Sauerstoffs im Capillargebiet yon dem norlnalen Wef t yon 30% auf 40--60%. Aber das erfolgte ohne Ver- mehrung der Sauerstoffaufnahme des Tieres. Die gesteigerte Ausnutzung des t31utsauerstoffgehaltes ist also nicht die Folge vermehrter Verbrennullgen, sondern hat ihren Grund in einer Verlangsamung der peripheren Zirkulation. DaB sie ffir den Muskelstoffwechsel schon in diesem Stadium unzureichend ist, beweist der gleichzeitige Anstieg der Milchs~urekonzen- tration im Blur, deren vermehrte 13ildung unter den erw~hnten anaeroben 13edingungen einsetzt. Sie n immt so lange keinen Einflul3 auf die Sauerstoffaufnahme, wie zur Kompensation dieser S~ureentwicklung KohlensAure abgeatmet werden kalln. In dieser Zeit finden sich also erheblich gesteigerte respiratorische Quotienten, als Folge der vermehrten Kohlen- sAureabatmung, deren Schwankungen bei der Untersuchung

l O 6 4 KLINISCHE W O C H E N S C H

h e r z k r a n k e r M e n s c h e n b i she r in k e i n e m e r k e n n b a r e n Zu- s a m m e n h a n g m i t de r S to f fwechse l s t6 rung g e b r a c h t werden k o n n t e n . Es i s t e r s t aun l i ch , d a b wir dieses S t a d i u m der ge- s t e ige r t en K o h l e n s X u r e a b g a b e n n d der e r h 6 h t e n W e r t e de r r e s p i r a t o r i s c h e n Q u o t i e n t e n ohne G r u n d u m s a t z s t e i g e r u n g bis zu 2 M o n a t e n a u s g e d e h n t fanden . Das g ib t uns e inen Begr i f f y o n den S i c h e r u n g s m a B n a h m e n , die der K 6 r p e r gegen eine ~ b e r s ~ n e r u n g zu t r e f f en in de r Lage ist . E r s t rn i t d e m pl6tz- l ichen S is t ie ren der ges te ige r t en I~oh lens~ureaussche idung er fo lg t d a n n die gesch i lder te S te ige rung des G r u n d u m s a t z e s .

Es wa r n u n ffir die wei te re A u i k l ~ r u n g der Stoffwechsel - s t 6 r u n g yon b e s o n d e r e m W e r t , d a b diese S te ige rung des S a n e r s t o f f v e r b r a u c h e s ohne eine Z u n a h m e der Sauers to f f - a u s n u t z u n g in den Mus ke l n erfolgte. Ff i r die n u n e inse tzende V e r m e h r u n g de r V e r b r e n n u n g s v o r g ~ n g e k o n n t e also in der T a t die M u s k u l a t u r n i c h t aus sch l aggebend sein, w e n n wir n i c h t eine ]3eschleunigung der B l u t z i r k u l a t i o n a n n e h m e n wol l ten , die wegen der Z u n a h m e der In su f f i z i enze r sche inungen bei den H u n d e n auszuschl ieBen war .

D e s h a l b wurde n u n u n m i t t e l b a r vor de r T 6 t u n g de r H u n d e B l u r aus der Ar ter ie , das d e m B l u r des l inken Herzens en t - sp r ich t , u n d aus den v e r s c h i e d e n s t e n I~6rpervenen , wie aus d e m r e c h t e n H e r z e n e n t n o m m e n . Dabe i zeigte s ich n n s e r e V o r a u s s e t z u n g bes t~ t ig t , d a b die Ar te r i a l i s i e rung des B lu t e s n i c h t v e r s c h l e e h t e r t war . A b e t der Saue r s to f fgeha l t des L e b e r v e n e n b l u t e s w a r gegen die N o r m e rheb l i ch v e r m i n d e r t u n d lag b e t r ~ c h t i i e h u n t e r d e m der u femoral is , die das B l u r der B e i n m u s k u l a t u r zum r e c h t e n H e r z e n f i ihr t . Abe r n o c h e indrucksvo l l e r w a r die Fes t s t e l lung , d a b de r Sauer- s to f fgeha l t des B lu t e s i m r e c h t e n Herzen , in d e m sich das ven6se B l u r aus a l len Tei len des K 6r pe r s misch t , wenig h 6 h e r wa r als der des L e b e r v e n e n b l u t e s u n d n iedr ige r als der al ler Te i lgebie te des Y e n e n s y s t e m s . D a r a u s geh t he rvor , d a b n i c h t n u t de r S a u e r s t o f f v e r b r a u c h in de r L e b e r p r o z e n t u a l z u g e n o m m e n ha t , s o n d e r n d a b d u r c h eine U m s t e l l u n g der g e s a m t e n B l u t v e r t e i l u n g a b n o r m vim B l u t die L e b e r passier t , d a b d e m n a c h ih r S a u e r s t o f f v e r b r a u e h auch abso lu t , u n d zwar in we l t g r6Berem MaBe, z u g e n o m m e n ha t , als es aus den P ro - z e n t z a h l e n h e r v o r z u g e h e n sche in t .

Mi t diesen F e s t s t e l l u n g e n h a t s ich der W i d e r s p r u c h eines h e r r s c h e n d e n Saue r s to f fmange l s bei ges te iger te r A u f n a h m e yon Sauers to f f aufgek l~r t . Die T r e n n u n g der Stoffwechsel- s t 6 r u n g in die Fo lgen u n z u r e i c h e n d e r Z i r ku l a t i on in den yore H e r z e n we l t abge l egenen S t r o m g e b i e t e n der E x t r e m i t ~ t e n - m u s k u l a t u r u n d der Blu t f ibe r f t i l lung der Leber , die d e m H e r z e n u n m i t t e l b a r vo rge lage r t ist, m i t i h r e r I n t e n s i v i e r u n g der S tof fwechse lprozesse g i b t zugleich ein Bi ld yon den wei t - g e h e n d e n U m s t e l l u n g e n a l ler F u n k t i o n e n , die das Versagen des Kre i s lauIs m i t s ich b r i ng t .

M a n h a t die Lebe r wegen ih re r V o l u m z u n a h m e bei Herz - insuff iz ienz als B l u t d e p o t beze ichne t , in d e m be t rAcht l i che Mengen yon B l u r a b g e l a g e r t we rden k6nnen . REIN ~4 h a t m i t se iner T h e r m o s t r o m u h r die S c h w a n k u n g e n des B l u t g e h a l t e s dieses Organs bes t~ t ig t , abe r h e r v o r g e h o b e n , d a b m i t se inen G r 6 B e n s c h w a n k u n g e n ke ine D e p o n i e r u n g yon B l u r i m e igen t l i chen S inne erfolgt , da es h ie r bei v e r l a n g s a m t e n S t r 6 m e n m i t all se inen E i g e n s c h a f t e n in r o l l e r F u n k t i o n b l e i b t u n d d a b e i a n W e r t a b n i m m t ; d e n n D e p o t b i l d u n g i s t A b l a g e r u n g ohne A u s n u t z u n g .

Die gesch i lde r t en U m s t e l l u n g e n der B l u t z i r k u l a t i o n h a b e n abe r n i c h t n u t ffir den Kohlehydratsto]]wechsel der L e b e r Be- d e u t u n g . U n t e r s u c h u n g e n fiber den Wasse r s to f fwechse l h a b e n i m m e r deu t l i che r die wich t ige Rolle der L e b e r u n t e r den F a k t o r e n e r k e n n e n lassen, die die Ve r t e i l ung u n d die A u s s c h e i d u n g yon W a s s e r regeln . Die Ans ich t , d a b die Oligurie der H e r z k r a n k e n al le in d u r c h die A b n a h m e de r N i e r e n d u r c h b l u t u n g b e d i n g t sei, i s t se i t l a n g e m einer viM- se i t igeren E r k l ~ r u n g gewichen, zu der vo r a l l em das Ver- h a l t e n der Gewebe se lbs t geh6r t . W o h l sp ie l t der d u r c h SCHADE b e s o n d e r s h e r v o r g e h o b e n e Ans t i eg des ven6sen Druckes i t ir die O d e m b i l d u n g eine wich t ige Rolle, abe r zu den V o r a u s s e t z u n g e n des W a s s e r f i b e r t r i t t s aus d e m B l u r in die Gewebe g e h 6 r t n a c h CLAUSSE~ ~5 die u n z u r e i c h e n d e BiN d u n g eines d i u r e s e f 6 r d e r n d e n Stoffes de r L e b e r bei Herz -

R I F T . r 4. J A H R G A N G . N r . 3 ~ 27. JULI 1935

d e k o m p e n s a t i o n , der den Ga l l ens~uren n a h e s t e h t u n d dessen B i l d u n g d u t c h S a l y r g a n e rheb l i ch ges te ige r t wird. DaB solche Bee in f lu s sungen des Wasse r s to i fwechse l s bei H e r z k r a n k e n vor l iegen, g e h t a u c h aus der k l in i schen E r f a h r u n g he rvor , d a b die 0 d e m b i l d u n g s ich ganz f iberwiegend bei ch ron i s chen Herz l e iden m i t l ange dauernder Leberstauung einstel l t . Von 56 in e inem b e s t i m m t e n Z e i t r a u m in der Mf inchener K l in ik VON I:{OMBtt.RG S 26 b e o b a c h t e t e n a k u t e i n g e t r e t e n e n I ) e k o m p e n - s a t i o n e n w a r e n n u r 7 von 0 d e m b i l d u n g begle i te t , w ~ h r e n d u n t e r 77 s n b a k u t e n S t 6 r u n g e n in 74 F~l len 0 d e m e ge funden wurden ,

DaB ferner eine Y e r m e h r u n g der Urob i l in - u n d Urobi l iogen- aus sehe idung m i t d e m au f fa l l enden Wechse l de r H a r n f a r b e , die yore spezi f ischen Gewich t u n a b h ~ n g i g ist, bei H e r z k r a n k e n anf eine S t 6 r u n g de r L e b e r f u n k t i o n weist , i s t eine lange be- k a n n t e u n d gef ib te ~rz t l i che E r f a h r u n g , die HEILMEYER 27 in der Vei l schen I~linik zu e iner e x a k t e n F a r b s t o f f b e s t i m - m u n g s m e t h o d e a n s g e b a u t ha t , d u r c h die die e r s t en Anze ichen b e g i n n e n d e r Herzschwi~ehe l e i ch t e r faBt werden k6nnen .

Mi t der geseh i lde r t en E r w e i t e r u n g unse re r K e n n t n i s s e f iber die Fo lgen de r D e k o m p e n s a t i o n des He rzens i s t s o m i t die Lebe r a u c h in de r Erkenntnis der Z u s a m m e n h ~ n g e p a t h o - logischer u wieder in den M i t t e l p u n k t der B e t r a c h - t u n g gerfickt, in d e m sie Ifir den A r z t s t eh t , w e n n er a m K r a n k e n b e t t die H e r z k r a f t seines P a t i e n t e n zu b e u r t e i l e n ha t . D e n n die Verg r6Berung der Lebe r u n d die V e r m e h r u n g ih r e r K o n s i s t e n z geben ganz vo rwiegend AufschluB fiber e ine A b n a h m e de r L e i s t u n g des Herzens .

L i t e r a t u r : 1 Handbuch der normalen und pathologischen Phys. 7/1,237. -- 2 Klin. Wschr. x929, 433. -- 3 Dtsch. reed. Wschr. 19o6, 1531 und 1577. -- 4 Zit. durchvoN ROMBERG, Verh. Ges. inn. Med. x929 ' 3Ol. _ s Verh. dtsch. Ges. inn. Med. x931, lO 5. -- 6 Mflnch. reed. Wschr. x93o, 526, 593. -- 7 Das Versagen des Kreislaufs. Mit IKISCH und SCHWARZ. Berlin i927. -- s Klin. Wschr. x928, 2231. -- 9 Amer. J. Physiol. 54, 307, 335, 345 (192o). -- x0 Wien. Arch. klin. Med. 2, 581, 192 (1921). -- n Arch. t. exper. Path. x22, 292 (1927). -- 12 Dtsch. Arch. klin. Med. 169, 257 (193o). -- 13 Erg. Physiol. 2x, 45 ~ (1923). -- 14 Verh. dtsch. Ges. inn. Med. x929, 346. -- 15 Erg. Physiol. 21,450 (1923). -- 16 Klin. Wschr. x927, 2229. -- 17 Dtsch. Arch. klin. Med. I66, 257 (193o). -- 12 Klin. Wschr. I934, 1529. -- 19 Dtsch. Arch. klin. Med. x59, 79 (1928). -- 20 Pflflgers Arch. 99, 264 (19~ . -- 21 Z. Biol. 66, 293 (1915). -- 22 Arch. f. exper. Path. 75, 230 (1914). -- 23 Arch. f. exper. Path . 173, 221 (1933). -- 24 Klin. Wschr. x933, I. -- 25 Erg. inn. Med, 43, 764 (1932) �9 -- 26 Verh. Kongr. inn. Med. I929, 3Ol. -- ~= Verh. Kongr. inn. Med. I929, 442.

DIE PHYSIOLOGISCHEN WIRKUNGEN DES KONST- LICHEN MANNLICHEN SEXUALHORMONS

" { A N D R O S T E R O N ) .

y o n

E. TSCHOPP. Aus dem Biologischen Institut der ,,Ciba", Basel.

D u r c h die A r b e i t e n yon RUZlCKA u n d M i t a r b e i t e r n i s t das m~nn l i che S e x u a l h o r m o n A n d r o s t e r o n zu e iner l e i ch t zug~ng- l ichen S u b s t a n z geworden. Mi t d e m kf ins t l ich da rges t e l l t en k rys t a l l i s i e r t en A n d r o s t e r o n w u r d e eine Re ihe yon Ver suchen durchgef f ihr t , die frf iher n u r m i t H o d e n e x t r a k t e n g e m a c h t w e r d e n k o n n t e n . Es i s t n u n m e h r a u c h m6gl ich, m i t m a s s i v e n u n d p r o t r a h i e r t e n I )osen die R e s u l t a t e der K a s t r a t i o n u n d der T r a n s p l a n t a t i o n zu kon t ro l l i e ren u n d zu erwei te rn .

Ff i r d ie jen igen Leser, welche die chemische L i t e r a t u r f iber das A n d r o s t e r o n n i c h t ver fo lg t h a b e n , soll die F o r m e l dieses Stoffes n a c h der Schre ibweise RUZICKAS ange f f ih r t w e r d e n :

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Androsteron