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Neue Kennzeichnung b Seit dem 1. Dezember 2010 ist die neue Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP- Verordnung) für Stoffe verbindlich anzuwenden. Für Gemische tritt sie ab 1. Juni 2015 in Kraft. Grundsätzlich hilft das neue Re- gelwerk, das unübersichtliche Ge- schäft von Einstufung und Kenn- zeichnung geordnet und struktu- riert zu bewältigen. Als Folge der Neuerungen ändern sich aber auch die Etiketten von gefährli- chen Stoffen grundlegend und das führt zu Verunsicherungen. Auf den ersten Blick ist zu er- kennen (Abbildung 1): Die Pikto- gramme sehen anders aus. Aus den orangen Quadraten mit schwarzen Symbolen sind schwar- ze Zeichen in gleichseitigen wei- ßen Rauten geworden, die auf der Spitze stehen und mit einem roten Rand abgesetzt sind. Einige altbekannte Zeichen sind ersetzt, und aufgepasst: Die neuen Symbole stehen zum Teil für sehr gefährliche Eigenschaften. So löst der Torso bei den langfristigen Ge- sundheitsgefahren (Kanzerogeni- tät, Mutagenität, Reproduktionsto- xizität) den Totenkopf ab ( (Abbil- dung 1 unten, sechstes Symbol). Details liefert das Poster der Bun- desanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua): Das Global Harmonisierte System (GHS) in der EU, Einstufung und Kenn- zeichnung. 1) Also alles neu bei Einstufung und Kennzeichnung von Gefahr- stoffen? Keine neuen Risiken b Die Stoffeigenschaften selbst haben sich selbstverständlich nicht geändert. Insofern ist auch die Einstufungslogik gleich ge- blieben, selbst wenn es jetzt in ei- nigen Punkten abweichende Kri- terien oder verfeinerte Erhe- bungsmethoden gibt. Dies trifft besonders auf die physikalischen Eigenschaften zu. Um die Ge- sundheitsgefahren zu ermitteln, gelten aber weiterhin die bekann- ten Testverfahren. Ausnahmen gibt es dann an ei- nigen Stellen durch Verschiebun- gen bei den Einstufungskriterien. Das heißt: Bei gleich bleibenden Risiken führt die neue CLP-Ver- ordnung in erster Linie eine neue Nomenklatur ein. Sabine Darschnik Die Kennzeichnung von gefährlichen Chemikalien ändert sich. Nicht nur die neue Farbgestaltung, sondern auch neue Symbole verunsichern die Nutzer. Zum Beispiel weist ein stilisierter Torso auf die hochgefährlichen Substanzen hin, deren Etiketten ehemals einen Totenkopf zeigten. Entscheidend für die betriebliche Praxis ist jedoch, dass die stoffbedingten Risiken gleich geblieben sind. Stolperstellen bei der Einführung der CLP-Verordnung BChemiewirtschaftV Abb. 1. Piktogramme nach bisherigem (oben) und neuem Regelwerk. Nachrichten aus der Chemie| 59 | September 2011 | www.gdch.de/nachrichten 858

Stolperstellen bei der Einführung der CLP-Verordnung

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Page 1: Stolperstellen bei der Einführung der CLP-Verordnung

Neue Kennzeichnung

b Seit dem 1. Dezember 2010 ist die neue Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung) für Stoffe verbindlich anzuwenden. Für Gemische tritt sie ab 1. Juni 2015 in Kraft.

Grundsätzlich hilft das neue Re-gelwerk, das unübersichtliche Ge-schäft von Einstufung und Kenn-zeichnung geordnet und struktu-riert zu bewältigen. Als Folge der Neuerungen ändern sich aber auch die Etiketten von gefährli-chen Stoffen grundlegend und das führt zu Verunsicherungen.

Auf den ersten Blick ist zu er-kennen (Abbildung 1): Die Pikto-gramme sehen anders aus. Aus den orangen Quadraten mit

schwarzen Symbolen sind schwar-ze Zeichen in gleichseitigen wei-ßen Rauten geworden, die auf der Spitze stehen und mit einem roten Rand abgesetzt sind.

Einige altbekannte Zeichen sind ersetzt, und aufgepasst: Die neuen Symbole stehen zum Teil für sehr gefährliche Eigenschaften. So löst der Torso bei den langfristigen Ge-sundheitsgefahren (Kanzerogeni-tät, Mutagenität, Reproduktionsto-xizität) den Totenkopf ab ( (Abbil-dung 1 unten, sechstes Symbol). Details liefert das Poster der Bun-desanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (Baua): Das Global Harmonisierte System (GHS) in der EU, Einstufung und Kenn-zeichnung.1)

Also alles neu bei Einstufung und Kennzeichnung von Gefahr-stoffen?

Keine neuen Risiken

b Die Stoffeigenschaften selbst haben sich selbstverständlich nicht geändert. Insofern ist auch die Einstufungslogik gleich ge-blieben, selbst wenn es jetzt in ei-nigen Punkten abweichende Kri-terien oder verfeinerte Erhe-bungsmethoden gibt. Dies trifft besonders auf die physikalischen Eigenschaften zu. Um die Ge-sundheitsgefahren zu ermitteln, gelten aber weiterhin die bekann-ten Testverfahren.

Ausnahmen gibt es dann an ei-nigen Stellen durch Verschiebun-gen bei den Einstufungskriterien. Das heißt: Bei gleich bleibenden Risiken führt die neue CLP-Ver-ordnung in erster Linie eine neue Nomenklatur ein.

Sabine Darschnik

Die Kennzeichnung von gefährlichen Chemikalien ändert sich. Nicht nur die neue Farbgestaltung,

sondern auch neue Symbole verunsichern die Nutzer. Zum Beispiel weist ein stilisierter Torso auf die

hochgefährlichen Substanzen hin, deren Etiketten ehemals einen Totenkopf zeigten. Entscheidend für

die betriebliche Praxis ist jedoch, dass die stoffbedingten Risiken gleich geblieben sind.

Stolperstellen bei der Einführung der CLP-Verordnung

BChemiewirtschaftV

Abb. 1. Piktogramme nach bisherigem (oben) und neuem Regelwerk.

Nachrichten aus der Chemie| 59 | September 2011 | www.gdch.de/nachrichten

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Page 2: Stolperstellen bei der Einführung der CLP-Verordnung

Verschärfte Verordnung?

b Für die akute Toxizität und für Gemische, die ätzende, reizende oder reproduktionstoxische Stoffe enthalten, verschieben sich die Einstufungskriterien zur vorsichti-gen Seite hin.

Im Fall der Gemische gelten mit der neuen CLP-Verordnung niedri-gere Konzentrationsgrenzwerte für die Inhaltsstoffe. So muss ein Ge-misch, das einen reizenden Inhalts-stoff enthält, jetzt ab einem Gehalt von 10 % als reizend eingestuft wer-den. Nach bisherigem Regelwerk lag die Einstufungsgrenze bei 20 %.

Komplizierter ist die Situation bei der akuten Toxizität. Die drei Einstufungskategorien des bisheri-gen Systems (gesundheitsschädlich, giftig, sehr giftig) werden mit der neuen CLP-Verordnung auf vier Be-reiche akuter Toxizität aufgespreizt, „Kategorie 1“ bezeichnet die höchs-te Gefährdung (Abbildung 2).

Als Bewertungsparameter dient die LD50, also die Testdosierung bei der im Tierversuch 50 Prozent der Tiere nicht überlebten. Die Aufsto-ckung der Kategorien hat eine Ras-terverschiebung bei den Kriterien zur Folge. Damit gehören einige Stoffe mit Andreaskreuz, deren LD50 im Grenzbereich zu „giftig“ liegt, nach neuer CLP-Verordnung zu Kategorie 3 (anstatt 4) und er-halten ein Piktogramm mit Toten-kopf. Die Details zu diesen Ver-schiebungen finden sich auf dem Baua-Poster „Das Global Harmoni-sierte System (GHS) in der EU, Umwandlungshilfe – Gesundheits-gefahren“.2)

Bewährte Schutzmaßnahmen

b In der Übergangszeit, in der Stoffe schon nach der neuen CLP-Verordnung geregelt sind, Gemi-sche jedoch noch nach der alten Richtlinie 1999/548/EG eingestuft und gekennzeichnet werden dür-fen, ergibt sich für die betriebliche Praxis ein Dilemma: Welche Rege-lung ist Ausgangspunkt für die Ableitung von Arbeitsschutzmaß-nahmen?

Da sich die Erkenntnisse zu den möglichen Risiken nicht geändert haben, fehlt ein inhaltlicher An-lass, bisherige Schutzmaßnahmen zu modifizieren. Die Bekanntma-chung 408 des Ausschusses für Gefahrstoffe legt daher fest, für Arbeitsschutzmaßnahmen in der Übergangszeit auf die alte Einstu-fung und Kennzeichnung Bezug zu nehmen. Im Beispiel zur akuten Toxizität wird damit, salopp ge-sagt, das neue Totenkopfsymbol bewusst ignoriert.3)

Um dies in der Praxis handhab-bar zu machen, muss die alte Ein-stufung und Kennzeichnung bis zum Ablauf der Übergangsfrist im Sicherheitsdatenblatt enthalten sein. Das kann natürlich kein Dauerzustand sein.

Längst beschäftigen sich Ar-beitskreise unter unterschiedlichs-

ten Gesichtspunkten mit der Fra-ge, wie sich die neue Nomenklatur in das komplexe System von Ge-sundheits- und Umweltschutzre-gelungen abbilden lässt. Man darf gespannt sein, zu welchen Vor-schlägen die Experten dabei kom-men. Für die Praxis steht zu hof-fen, dass Lösungen gefunden wer-den, die sich möglichst einfach realisieren lassen, auch wenn dann möglicherweise für einige Chemi-kalien strengere Regeln gelten als bisher.

Sabine Darschnik, promovierte Biologin, ar-

beitet bei der Bundesanstalt für Arbeits-

schutz und Arbeitsmedizin und unterstützt

die Einführung der neuen CLP-Verordnung

in die betriebliche Praxis.

Über Stolpersteine bei der GHS-Umsetzung

aus Sicht einer Bundesbehörde spricht sie

auf dem 3. Forum „Global Harmonized Sys-

tem“ der Chem Academy am 12. September

in Köln. [email protected]

Literatur

1) www.baua.de/de/Publikationen/Poster/

GHS-01.html?nn=746836

2) www.baua.de/de/Publikationen/Poster/

GHS-03.html?nn=746836

3) www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/Ge

fahrstoffe/Einstufung-und-Kennzeich-

nung/Giftig.html

TT+ R28 T R25 Xn R22

Kat. 2 H300 Kat. 3 H301 Kat. 4 H302

25 mg/kg 200 mg/kg

5 mg/kg 50 mg/kg 300 mg/kg

� 5 mg/kg 25 – 50 mg/kg 200 – 300 mg/kg

Kat. 1 H300

Abb. 2. Einstufungskategorien akute orale Toxizität nach altem (oben) und neuem Regelwerk.

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