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Straf- und Massnahmenvollzug im schweizerischen Jugendstrafrecht

Straf- und Massnahmenvollzug im schweizerischen Jugendstrafrecht

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Straf- und Massnahmenvollzug

im schweizerischen Jugendstrafrecht

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Vollstreckung und VollzugIn einem weiten Sinn wird der ganze Bereich der prak-tischen

Umsetzung als „Vollzug“ bezeichnet. In diesem weiten Sinn sprechen auch das JStG, die JStPO und das StGB von „Vollzug“ und von „Vollzugsbehörden“.

In der Theorie wird vielfach unterschieden zwischen „Voll-streckung“ und „Vollzug“ (im engern Sinne). Danach wird die Tätigkeit der vollzugsleitenden Behörden dem Be-reich „Vollstreckung“ zugerechnet. Zur Vollstreckung gehören somit die Auswahl der geeigneten Einrichtung, die Überwachung des Vollzugsverlaufs, Entscheide über allfällige Verlegungen sowie über die bedingte Entlas-sung oder über die Lockerung einer Schutzmassnahme.

Umgekehrt wird alles, was nach dem Eintritt in eine Institution oder nach Beginn einer Therapie geschieht, insbesondere die Vollzugsplanung, die Gestaltung des Alltags und die konkrete Durchführung dem Vollzug im engern Sinn zugerechnet.

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Aufgabenverteilung in 123 BVDie Aufgabenverteilung im Straf- und Massnahmenvollzug

wird durch den Art.123 der Bundesverfassung vorge-nommen. Danach ist der Bund zuständig für die Gesetz-gebung im Strafrecht, d.h. für den Erlass des materiellen Rechts, und für die Gesetzgebung im Strafprozessrecht.

Andererseits sind die Kantone nach Abs.2 zuständig für die Organisation der Gerichte, die Rechtsprechung in Straf-sachen sowie für den Straf- und Massnahmenvollzug, „soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht“. Derartige gesetzliche Einschränkungen finden sich insbesondere in den Vollzugsbestimmungen in JStG, JStPO und StGB.

Seit dem Jahre 2008 hätte der Bund die umfassende Kom-petenz, „Vorschriften zum Straf- und Massnahmenvoll-zug zu erlassen“, doch hat er bisher keinen Gebrauch davon gemacht.

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Bundessubventionen

Gemäss Art.123, Abs.3 BV gewährt der Bund den Kantonen finanzielle Beiträge für die Errichtung von Anstalten, für Verbesserungen im Straf- und Massnahmenvollzug und speziell an Einrich-tungen, die Massnahmen an Jugendlichen und jungen Erwachsenen vollziehen.

Diese Beiträge sind in einem Bundesgesetz über die Leistungen des Bundes für den Straf- und Massnahmenvollzug vom 5.10.1984 und einer gleichnamigen Verordnung des EJPD vom 21.9.2001 geregelt.

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Arten von Bundesbeiträgen

Das Gesetz über die Leistungen des Bundes sieht Baubeiträge für anerkannte Heime vor, die 35 % der Baukosten betragen können, ferner Be-triebsbeiträge, mit denen 30 % der Kosten für das erzieherische Personal übernommen wer-den, und Beiträge an Modellversuche.

Modellversuche sind bewilligte Projekte, in denen gestützt auf Art.387, Abs.4 StGB abweichende Vollzugsformen zwecks Weiterentwicklung der Vollzugsmethoden erprobt und ausgewertet werden.

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Sogenannte „Justizheime“Im Jahre 2014 wurden gemäss dem vom Bundesamt für Justiz ge-

führten Verzeichnis der anerkannten Erziehungseinrichtungen[1] 174 Institutionen durch den Bund unterstützt.

Die anerkannten Einrichtungen, häufig mit gemeinnützig privater Trägerschaft, werden „Justizheime“ (neuerdings auch «Justiz-einrichtungen») genannt, sie unterstehen aber nicht der Strafjustiz und nehmen in der Regel auch oder sogar ausschliesslich Kinder oder Jugendliche auf, die aus andern als strafrechtlichen Gründen, z.B. zum Vollzug zivilrechtlicher Massnahmen oder finanziert durch die IV, untergebracht sind.

Das Qualitätsniveau der vom Bund anerkannten Heime ist im inter-nationalen Vergleich hoch, doch fehlt es dem Bund an Steuerungs-instrumenten, weil er höchstens ungenügende Angebote von Subventionen ausschliessen, nicht aber dringend benötigte neu errichten lassen kann.

[1] www.bj.admin.ch (Betriebsbeiträge)

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Kantonale KompetenzAbgesehen von der finanziellen Unterstützung durch den

Bund und den im JStG und einigen (laut Art.1Abs.2 lit.e-i JStG anwendbaren) Grundsätzen im StGB ist der Voll-zug Aufgabe der Kantone. Das ergibt sich aus Art.123 BV sowie aus den nach Art.1, Abs.2 lit.n JStG sinn-gemäss anwendbaren Artikeln 372-379 StGB.

Danach haben die Kantone die von ihren gerichtlichen Be-hörden ausgefällten Urteile zu vollziehen. Sie müssen die erforderlichen Einrichtungen errichten und betreiben, können sich aber in Konkordaten mit andern Kantonen zusammenschliessen und sichso das Mitbenutzungs-recht an deren Einrichtungen sichern.

Sie können privat geführten Einrichtungen die Bewilligung erteilen, Strafen in Form der Halbgefangenschaft sowie Schutzmassnahmen zu vollziehen.

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VollzugskonkordateDie Strafvollzugs-Konkordate spielten im Erwachsenen-Strafvollzug

schon lange eine zentrale Rolle. Die drei Konkordate der Ostschweiz, der Nordwest- und Inner-schweiz sowie der Lateinischen Schweiz (mit Tessin) unterteilen die Schweiz in drei etwa gleich grosse Vollzugsregionen.

In den letzten Jahren haben die Konkordate auch für den Vollzug im Bereich des Jugendstrafrechts eine Bedeu-tung erlangt, vor allem im Hinblick darauf, dass die im JStG geforderten neuen Einrichtungen für den Vollzug von Jugendstrafen nur in gemeinsamer Anstrengung errichtet werden können.

Die Deutschschweizer Konkordate wurden deshalb im Rahmen der Neufassung durch entsprechende Bestim-mungen ergänzt[1], in der Westschweiz wurde ein sepa-rates Konkordat für den Jugendvollzug gegründet[2].

[1] Ostschweizer Konkordat vom 29.10.2004; Konkordat der Nordwest- und Zentralschweiz vom 5.5.2006

[2] Concordat vom 24.3.2005

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Gesetzliche Defizite im Erwachsenenvollzug

Mit Vorbehalt der im JStG enthaltenen minimalen Vollzugs-regeln wären die Kantone für die gesetzliche Regelung zuständig. In dieser Hinsicht bestehen schon im Erwach-senenvollzug grosse Defizite[1].

Zwar hat das BGer in 117 Ia 465 und in 123 I 221 fest-gehalten, die Haftbedingungen bedürften einer aus-drücklichen und detaillierten Regelung. Diese Regelung müsse, um einen ausreichenden Schutz gegen willkür-liche und verfassungswidrige Haftbedingungen zu gewährleisten, ein Mindestmass an Klarheit und Rege-lungsdichte aufweisen. Doch hat das BGer bedauerli-cherweise nicht auf einer Regelung in einem formellen Gesetz bestanden, sondern zugelassen, dass die Haft-bedingungen in Gefängnisreglementen, d.h. auf Verord-nungsstufe, konkret festgelegt werden.

[1] Baechtold, Strafvollzug, Bern 2005, S.57 ff.

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Fehlende gesetzliche Regelung

Während bei den Erwachsenen wenigstens Regelungen auf Verord-nungsstufe vorgeschrieben und erlassen sind, gibt es im Jugend-strafrecht, abgesehen von einzelnen in Gefängnisreglementen enthaltenen Ausnahmeklauseln, in den meisten Kantonen über-haupt keine gesetzliche Regelung für den Straf- und Mass-nahmenvollzug an Jugendlichen.

Soweit Verordnungen bestehen, erschöpfen sich diese meist in Organisations- und Zuständigkeitsnormen. Im Strafvollzug werden Jugendliche nicht nur in Gefängnissen für Erwachsene unter-gebracht, sie unterliegen dort auch dem gleichen Regime und den gleichen gesetzlichen Bestimmungen wie die Erwachsenen.

Der Grundsatz von Treu und Glauben und das Fairnessgebot (Art.5 und 9 BV, Art.3 Abs.2 lit.a StPO) gelten nicht nur im Strafverfahren, sondern auch im Vollzug (BGer 6B_85/2014, Gutachten Jositsch/ Aebersold/Schweizer).

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Vollzugsgesetze in DeutschlandGanz anders verläuft der Trend in der Bundesrepublik Deutschland.

Der deutsche Bundesgerichtshof erteilte in einem Entscheid vom 31.5.2006 den Bundesländern den Auftrag, bis Ende 2007 spezielle Strafvollzugsgesetze für Jugendliche zu erlassen[1].

Gefordert wurden formelle Vollzugsgesetze, die inhaltlich auf junge Gefangene ausgerichtet sein sollten. Eine „Abschreibe“ des für Erwachsene geltenden Strafvollzugsgesetzes mit einigen Besonder-heiten sei nicht zulässig: „Für den Jugendstrafvollzug bedarf es gesetzlicher Grundlagen, die auf die besondern Anforderungen des Vollzugs von Strafen an Jugendlichen zugeschnitten sind.“

Gestützt auf dieses Urteil haben die deutschen Bundesländer im Jahr 2008 jugendspezifische Vollzugsgesetze in Kraft gesetzt.

[1]NJW 2006, S.2093 ff.; Kommentare von Heribert Ostendorf in Neue Kriminalpolitik, 3/2006, S.91 ff, und von verschiedenen Autoren in ZJJ 3/2006, S.236-260

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StrafvollzugEinen eigenständigen Jugendstrafvollzug gibt es bisher in der

Schweiz nicht. Jugendliche, die eine Freiheitsstrafe zu verbüssen haben, werden in der Regel in Erwach-senen-Gefängnissen (neuerdings räumlich getrennt von Erwachsenen) oder in geschlossenen Abteilungen ein-zelner Erziehungsheime inhaftiert.

In der Gesetzesrevision, die 1971 in Kraft getreten war, hatte der Gesetzgeber zwar in Art.95, Ziff.3 Abs.1 aStGB vorgeschrieben, die Freiheitsstrafe (damals „Einschlies-sung“ genannt) solle in einem für Jugendliche geeigne-ten Raum vollzogen werden, „jedoch nicht in einer Straf- oder Verwahrungsanstalt“.

Die weitaus meisten Freiheitsstrafen wurden danach in Untersuchungsgefängnissen für Erwachsene vollzogen, weil der Gesetzgeber zwar Strafanstalten, aber nicht Untersuchungsgefängnisse ausgeschlossen hatte.

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Trennung von den Erwachsenen

Auf diese Missstände hat das JStG zumindest auf der gesetzlichen Ebene reagiert, indem es sowohl für die Untersuchungshaft (ursprünglich Art.6 Abs.2 aJStG, neuerdings Art.28 Abs.1 JStPO) als auch für den Strafvollzug (Art.27 JStG) eine von Erwachsenen getrennte Unterbringung und eine jugendgerechte Betreuung vorschreibt.

Die Trennungsregeln sind noch nicht konsequent verwirk-licht, doch sind einige Projekte angelaufen, die eine praktische Umsetzung anstreben. Vor allem im Vollzug von längeren Freiheitsstrafen ist davon auszugehen, dass künftig geeignete Plätze zur Verfügung stehen müssen, insbesondere im Hinblick auf die Freiheits-strafen von 1 bis 4 Jahren gemäss Art.25 Abs,2 JStG.

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Neue Einrichtungen erforderlich

Für den Jugendstrafvollzug sollen künftig Einrichtungen zur Verfügung stehen, die den Anforderungen von Art.27, Abs.2-5 JStG genügen: Sie müssen in der Lage sein, die inhaftierten Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsentwick-lung zu fördern, sie erzieherisch individuell zu betreuen und sie auf die soziale Eingliederung vorzubereiten.

Sie müssen Schulbesuch, Lehre oder eine Erwerbstätigkeit anbieten und wenn nötig eine therapeutische Behand-lung sicherstellen. Es ist unbestritten, dass diese An-sprüche in einer bloss verselbständigten Abteilung einer Erwachsenen-Haftanstalt nicht eingelöst werden können. Deshalb sind Projekte in Vorbereitung oder bereits ange-laufen, die im Vollzug längerer Haftstrafen für geeignete Einrichtungen sorgen sollen.

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Planung in den Konkordaten

Da die Zahl der benötigten Plätze nicht allzu gross ist, kann davon ausgegangen werden, dass 4-5 kleinere Ein-richtungen genügen werden. Um das zu bewerkstelligen, müssen die Kantone ihr Vorgehen koordinieren.

Weil die Kantone in den Strafvollzugskonkordaten bereits über ein entsprechendes Instrumentarium verfügen, wird die Planung in diesem Rahmen durchgeführt.

In allen 3 Konkordatsgebieten sind entsprechende Projekte in Vorbereitung. Mehrere Projekte stehen in einem Zusammenhang mit Einrichtungen für junge Erwach-sene (vom Bund in beschränktem Rahmen zugelassen).

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Ostschweiz: Uitikon ZH

In einem fortgeschrittenen Stadium befindet sich das Pro-jekt, das der Kanton Zürich für das Ostschweizer Kon-kordat realisiert. Eine neue Einrichtung wird in das Massnahmenzentrum für junge Erwachsene in Uitikon integriert und im Rahmen der ohnehin erforderlichen Gesamtsanierung erstellt.

Der Kanton stützt sich dabei auf die vom Bundesamt für Justiz erlassene Trennungsvorschrift, wonach in Teil-bereichen eine Durchmischung zwischen Freiheitsent-zug für Jugendliche und Massnahmenvollzug für junge Erwachsene möglich ist, sofern die Wohnbereiche und die Freizeitangebote getrennt bleiben.

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Uitikon / Kooperationsmodell Zürich

Innerhalb des Massnahmenzentrums Uitikon mit insgesamt 60 Platzen sind 16 geschlossene Plätze für längern Freiheitsentzug an Jugendlichen ab 16 Jahren vorge-sehen, wobei Gruppen von 8-10 Jugendlichen gebildet werden. Die Anlage befindet sich nach kostenbedingten Verzögerungen im Bau und soll 2015 eröffnet werden.

Diese Spezialabteilung für Jugendliche ist Teil eines „Ko-operationsmodells Zürich“, dem auch die beiden Ein-richtungen „Durchgangsstation Winterthur“ sowie die Spezialabteilung des neuen Gefängnisses Limmattal in Dietikon angeschlossen sind.

Diese beiden Einrichtungen sollen alle Freiheitsentzüge für Jugendliche unter 16 Jahren sowie die Untersuchungs-haft und Kurzstrafen bis zu 6 Monaten vollziehen.

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NW- und Innerschweiz: Arxhof BLWeniger weit fortgeschritten ist das Projekt, mit dem das

Nordwest- und Innerschweizer Konkordat die Aufgabe angehen will. Es liegt erst ein Konzept für eine neue Anlage mit 18 Plätzen vor, die auf dem Gelände des Massnahmenvollzugszentrums für junge Erwachsene Arxhof im Kanton BL errichtet werden sollte.

Die beiden Einrichtungen sollten getrennt geführt werden, doch könnten Synergien genutzt werden, z.B. in der Verwaltung, im Rechnungswesen oder in der Küche. Die Kosten wurden auf 17,4 Mio. Fr. geschätzt. Das Projekt wurde zwischenzeitlich aufgegeben, weil sich die Kann-tone nicht über die Kostenteilung einigen konnten.

Später wurde das Projekt wieder aufgenommen und 2011 beschloss die BL-Regierung, das Gefängnis zu bauen.

Doch ist die Realisierung zuletzt erneut aufgeschoben worden, weil der Bedarf nicht nachgewiesen sei.

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Westschweizer Konkordat: PalézieuxIm Konkordat der Westschweizer Kantone und des Tessins wurde

am 24.3.2005 ein spezielles Konkordat abge-schlossen. Im gleichen Jahr wurde eine vorläufige Einrichtung für den Vollzug von Jugendstrafen eröffnet.

Zu diesem Zweck war das ehemalige maison d’éducation au travail de Pramont in Granges VS umgebaut und den neuen Bedürfnissen angepasst worden. Diese Einrich-tung umfasst 3 Einheiten zu 6 Plätzen und eine Einheit zu 5 Plätzen. Sie soll später aber der geschlossenen Unterbringung im Massnahmenvollzug dienen.

Für den eigentlichen Strafvollzug ist eine Einrichtung für 36 männliche Jugendliche (Aux Léchaires) in Les Palézieux VD im Bau, die 2015 eröffnet werden soll. Im Kanton NE soltel eine Einrichtung für weibliche Jugendliche entste-hen, doch liegt noch keine Planung vor.

Dass die Romandie mehr Plätze plant, liegt daran, dass häufiger Freiheitsstrafen ausgesprochen werden.

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Massnahmenvollzug

Während ein Strafvollzug für Jugendliche erst eingerichtet werden muss, besteht im Massnahmenvollzug, insbe-sondere im stationären Vollzug der deutschen Schweiz, ein breites und vielfältiges Angebot von mehrheitlich offenen Jugendzentren.

Diese Einrichtungen nehmen auch Jugendliche auf, die zivilrechtlich eingewiesen sind. Mehrere Heime waren zur Zeit ihrer Gründung Pioniereinrichtungen, viele haben sich immer wieder der Entwicklung angepasst und sind bis heute innovativ geblieben.

Die vom Bund anerkannten Einrichtungen weisen im inter-nationalen Vergleich ein hohes Qualitätsniveau auf. Das gilt auch für die Einrichtungen für junge Erwachsene.

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Nur wenig geschlossene Plätze

Das Bundesamt für Justiz anerkennt und subventioniert insgesamt 180 Erziehungseinrichtungen (inkl. Einrich-tungen für Untersuchungshaft und Beobachtungs-stationen). Darunter befinden sich auch Einrichtungen für jüngere oder behinderte Jugendliche, die keine strafrechtlich Eingewiesene aufnehmen.

Allerdings führen nur 15 dieser Einrichtungen geschlosse-ne Abteilungen. Das sind 6 % der zur Verfügung stehen-den Plätze.

Lit. Regula Fierz, Gesicherte Angebote, in InfoBull 2/2013, S.4 ff, und weitere Artikel in der gleichen Ausgabe.

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Wohngruppenvollzug

Die meisten Heime befinden sich in ländlicher Umgebung. Sie verfügen über ein grösseres Gelände, das eine lockere Pavillon-Bauweise zulässt. Sie nehmen 30 bis 60 Jugendliche auf, die in Wohngruppen von 6 bis 10 Jugendlichen untergebracht sind, oft in einem eigenen Haus.

Das Leben im Heim ist deshalb am ehesten mit einer grösseren geführten Wohngemeinschaft zu vergleichen. Die Heime legen Wert auf einen respektvollen und kul-tivierten Umgang, aber auch auf die Einhaltung von fest-gelegten Regeln. Auf Regelverstösse wird in erster Linie mit erzieherischen Mitteln reagiert, erst als ultima ratio mit disziplinarischen Sanktionen.

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Berufliche und schulische Förderung

Die Heime verfügen in der Regel über eine kleine Auswahl von gut ausgestatteten Lehrwerkstätten für handwerk-liche Berufe. In diesen Betrieben sind Berufslehren möglich, aber auch kürzere Ausbildungen (Attest).

Die Jugendlichen besuchen die Gewerbeschule in der Aussenwelt, ausnahmsweise eine interne Gewerbe-schule (z.B. Jugendheim Prêles BE).

Teilweise können Jugendliche, die einen andern Beruf erlernen wollen, auch eine Lehrstelle ausserhalb des Heims antreten. Für Jugendliche, die noch schulpflichtig sind oder schulische Defizite aufweisen, führen die Heime eigene Schulbetriebe mit individuellen Förde-rungsmöglichkeiten.

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Vielzahl von Konzepten

Die Jugendheime sind häufig aus einer karitativen Initiative entstanden und von gemeinnützigen Vereinen oder Stiftungen getragen. Mit dieser Organisationsform und der föderalistischen Zuständigkeit hängt es zusammen, dass das Angebot insgesamt wenig geplant und auf einander abgestimmt ist und deshalb recht zufällig wirkt.

Der Vielfalt der Heime entspricht eine Vielzahl von Kon-zepten, die sich unkoordiniert und wissenschaftlich wenig evaluiert in den einzelnen Einrichtungen ent-wickelt haben. „Die Kinder- und Jugendhilfe präsentiert sich dementsprechend als unübersichtliches System vieler kleiner Anbieter, die sich auf mehr oder weniger ausformulierte und ausgewiesene theoretische Konzepte abstützen“, stellt Kitty Cassée fest.

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Keine einheitliche PlanungIn der Schweiz fehlt es nicht nur an gesetzlichen

Normen, welche die Rechtsstellung der Jugend-lichen regeln, es gibt auch kein übergeordnetes Jugendhilfegesetz, das Leitlinien formulieren könnte zu Fragen wie Planung, Organisation, Koordination, Zuständigkeiten, Vernetzung, Qualitätsanforderungen und Evaluation.

Ein Teil der Kantone verfügt über gar keine Pla-nungsinstrumente, bei den andern macht die Planung an den Kantonsgrenzen halt, obwohl die Platzierungen überall überregional erfolgen.

Lit. Beatrice Kalbermatter, Eine Leidensge-schichte, info bulletin 1/2012, S.16 ff.

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Bund kann nicht wirklich steuern

Der Bund kann nur über die Gewährung von Beiträgen und die zu diesem Zweck formulierten Subventionsbeding-ungen Einfluss nehmen, doch genügt dieses Mittel nicht, um eine konzeptionelle Planung und eine wirkliche Steu-erung durchzusetzen. Sinnvoller Weise müsste der Bund über die nötigen Instrumente verfügen.

Zudem sollte eine Bewilligungspflicht für alle Einrichtungen bestehen. Solange dem Bund die entsprechenden Kom-petenzen fehlen, müssten die Konkordate eigentlich auch im Massnahmenbereich vermehrt Planungs- und Steuerungsfunktionen wahrnehmen. Diese Aufgabe können sie im Massnahmenvollzug bisher nur sehr beschränkt wahrnehmen.

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Wildwuchs

In den 90er-Jahren entstand deshalb ein Wildwuchs, der kaum mehr überblickbar war. Weil die Kantone sparen wollten und gerne Billigangebote berücksichtigten, traten am Markt auch kommerzielle Anbieter auf, die keine ver-gleichbare Qualität garantierten.

Neue Angebote sind in letzter Zeit im teilbetreuten und halb-stationären Bereich entstanden. Konjunktur haben auch kurzfristige Time-out-Programme. Soweit es sich um gute Angebote handelt, können sie im Einzelfall sinnvoll sein. Doch besteht die Gefahr, dass sie aus Kostengründen auch in Fällen eingesetzt werden, wo eine grundsätzlichere Lösung angebracht wäre.

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Regelmässige Überprüfung

Das Bundesamt für Justiz verlor Ende der 90-er-Jahre den Überblick. Es legte danach fest, sich in der Subventionspolitik wieder vermehrt auf Heime mit umfassender ganzjähriger Betreuung zu konzentrieren.

Zudem müssen seit 2004 alle beitragsberechtigten Institutionen (Justizheime) im Vierjahreszyklus ein intensives Überprüfungsverfahren durch-laufen.

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Wissenschaftliche Evaluation

Eine breit angelegte wissenschaftliche Evaluation wurde in 67 Erziehungseinrichtungen durchgeführt. Der Modell-versuch „Abklärung und Zielerreichung“ (MAZ) evaluierte das Abklärungsinstrument BARO.ch und testete ein speziell entwickeltes Evaluationsinstrument.

In der ersten, bis 2009 dauernden Phase (MAZ 1) war die Anwendung auf die deutsche Schweiz beschränkt. Dank der positiven Aufnahme wurde es in der bis 2012 dau-ernden 2.Phase (MAZ 2) auf das ganze Land erweitert.

Die laufende Evaluation wird derzeit fortgesetzt im Projekt EQUALS – Ergebnisorientierte Qualitätssicherung in sozialpädagogischen Einrichtungen.

Lit. Natascha Mathis in info bulletin 1/2010, S.18 ff. und 1/2012, S.22 ff.

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Lücken im Angebot

Trotz des breiten Heimangebots gibt es Lücken, zum Beispiel regional (Westschweiz und insbesondere Tessin) sowie für weibliche Jugendliche. Generell fehlt es an geschlossenen Plätzen im Massnahmenvollzug.

Für psychiatrische Bedürfnisse steht die Modellstation Somosa in Winterthur zur Verfügung, die im Rahmen eines pädagogischen Heims psychiatrische Behand-lungen anbietet. Doch können schwerstgestörte oder akut kranke Jugendliche nicht aufgenommen werden.

Für solche Patienten wurde in den Psychiatrischen Uni-versitätskliniken Basel 2011 erstmals in der Schweiz eine forensische Jugendabteilung eröffnet. Der Bedarf ist damit aber noch nicht genügend abgedeckt.

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Neue Ansätze in HeimenIn der Arbeit der Heime lassen einige Entwicklungstenden-zen

feststellen: Viele Heime arbeiten auf systemischer Grundlage. Sie beschäftigen sich nicht mit dem betreu-ten Jugendlichen allein, sondern beziehen sein Familien-system ein. Oft wird den Eltern ein Coaching angeboten.

Im Umgang mit dem Jugendlichen selbst wird angestrebt, an die Ressourcen anzuknüpfen und nicht die Defizite zu betonen: Der Jugendliche wird angeleitet, Stärken, die er auf einem Gebiet aufweist, z.B. Ausdauer, auf eine an-dere Situation zu übertragen, wo er bisher versagt hat.

Als neuer Ansatz hat das deliktsorientierte Vorgehen Ein-zug gehalten; für gewaltbereite Jugendliche ist es z.B. wichtig, sich mit dem Thema Gewalt auseinanderzu-setzen und an ihren Gewalt legitimierenden Einstel-lungen zu arbeiten. Das kann in sozialpädagogischen Gruppenprogrammen wie dem Anti-Aggressivitäts-Training oder innerhalb von Therapien geschehen.

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Teilstationäre Angebot

Da nicht alle Massnahme-bedürftigen Jugend-lichen eine Unterbringung rund um die Uhr benötigen, gibt es zunehmend teilstationäre Angebote, wo die Verurteilten zu Haus schlafen (und z.T. die Eltern speziell gefördert werden).

Beispiele sind der Modellversuch Beo-Sirius in Bolligen BE, das Angebot Tagesaufenthalter TAplus im Gfellergut ZH und das Tagesklinik-angebot der UPK Basel.

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Hohe Kosten

Erziehungsheime beschäftigen etwa gleich viel Angestellte, wie sie Jugendliche beherbergen. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass der Betrieb ganzjährig während 168 Wochenstunden aufrechterhalten werden muss.

Das pädagogische Personal, aber auch die Angestellten in den Werkstätten, sind gut ausgebildet und motiviert.

Zusätzlich verfügen die Heime über unterschiedliche therapeutische Möglichkeiten, die meist von externen Fachkräften angeboten werden.

Es kann daher nicht verwundern, dass Heimerziehung eine teure Massnahme ist, je nach Einrichtung ist mit Tages-kosten zwischen 350 und 700 Franken zu rechnen.

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Vom Heim zum Kompetenzzentrum

Noch immer sind die Heime durch die Tradition der Kinderretter be-einflusst. Danach wurden Jugendliche möglichst konsequent aus ihrer gefährdenden Umgebung herausgenommen und im «Heim», das die Familie ersetzen und gleichzeitig abbilden sollte, einer umfassenden Erziehung zugeführt.

Neu sind Angebote, die auf den Einzelfall zugeschnitten sind und nach den individuellen Bedürfnissen bestimmte Problembereiche abdecken: Teilstationäre Unterbringung, schulische Förderung, Berufsbildung, gezielte Therapien, Elterncoaching etc.

Die Institution wird so zum Kompetenzzentrum für temporäre und unterschiedlich ausgestaltete sozialpädagogische Förderungs-massnahmen, die auf die Rückkehr in die Gesellschaft ausgerichtet sind. Dementsprechend bezeichnen sich Heime zunehmend als „Jugendzentren“ o.ä.

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Besser fundierte Einweisungen

Fremdplatzierungen erfolgen oft auf der Basis persönlicher Erfahrungen oder zufälliger Platzkapazitäten. Dadurch kommt es immer wieder zu ungenügend abgestützten Platzierungen oder Fehleinweisungen. Andererseits erfolgen nötige Platzierungen manchmal zu spät.

Zuweilen misslingen Einweisungen, weil für die Heime kein Aufnahmezwang besteht und das aus der Sicht der Vollzugsbehörde geeignete Heim die Aufnahme ablehnt.

Umso wichtiger ist vor diesem Hintergrund eine fachlich fundierte Einweisungspraxis. Sowohl die Kosten als auch der mit der Unterbringung verbundene Freiheits-verlust erfordern, dass die Einweisung mit Hilfe von transparenten, verlässlichen und evaluierten Kriterien vorgenommen wird.

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Gezielte Diagnostik

Entscheidend wird in Zukunft sein, ob es gelingt, für die Einweisungsdiagnostik einfach zu hand-habende Instrumente als Standard durchzu-setzen. Eine verlässliche Diagnostik ist die Vor-aussetzung dafür, dass die unterschiedlichen Angebote gezielt genutzt und laufend evaluiert werden können.

Sie ist zudem unverzichtbar, um die hohen Kosten gegenüber den Geldgebern rechtfertigen zu können. Und schliesslich trägt sie dazu bei, die Massnahme gegenüber den Betroffenen und ihren Eltern zu legitimieren und damit ihre Akzeptanz zu verbessern.

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Screening-Verfahren

Im Interesse einer fundierten psychosozialen Diagnostik sind in den letzten Jahren neue Instrumente entwickelt und erprobt worden.

Als Instrumente der Vorabklärung, Begutachtung und Evaluation werden insbesondere Screening-Verfahren (systematisch standardisierte Testverfahren) eingesetzt. Diese sind geeignet, Störungen genauer zu bestimmen. Ein häufig verwendetes Instrument ist in Holland von Doreleijers unter der Bezeichnung BARO (Basis Raads Onderzoek) entwickelt worden.

Der Berner Psychologe Gutschner hat es für die Schweiz bearbeitet und als BARO.ch zur Verfügung gestellt. Das halbstrukturierte Interview fragt systematisch und stan-dardisiert alle wichtigen Lebensbereiche ab und wertet sie mit einem Computerprogramm aus.

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KORJUS

Im Kanton Zürich wird das Modell KORIUS (Kompetenz- und Risikoorientierung in der Jugendstrafrechtspflege) angewendet.

KORIUS ist ein Handlungsmodell für die sozialarbeiterische Abklärung der persön-lichen Verhältnisse, für die Planung und Führung von jugendstrafrechtlichen Schutz-massnahmen sowie für die Evaluation von sozialpädagogischen Massnahmen und in-ternen Arbeitsprozessen.

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Halbstationäre Angebote: z.B. Beo-Sirius

Neue Angebote sind in den letzten Jahren im Bereich der halbstationären und teilbetreuten Angebote entstanden. Oft handelt es sich um Projekte, die wissenschaftlich ausgewertet werden.

Als Beispiel sei das Projekt BEO-Sirius genannt, das die Beobachtungsstation Bolligen BE entwickelt hat. Die Jugendlichen schlafen zu Hause und verbringen nur den Tag in der Einrichtung. Sie werden dort auf allen Ebenen gefördert, insbesondere in der Berufsausbildung.

Der zentrale Ansatz liegt aber in der Arbeit mit den Eltern. Sie werden in ihrer Elternrolle gecoacht und damit ermu-tigt, ihre vergessenen, oft verschütteten Ressourcen wieder zu aktivieren. Das Konzept hat sich in seit mehre-ren Jahren bewährt. Damit es auch andernorts umge-setzt werden kann, wurde ein Leitfaden zur Übertrag-barkeit entwickelt.

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Neue ambulante Angebote: z.B. SUGJ

Noch im Entwicklungsstadium befindet sich das Projekt SUGJ (Soziale Umfeldbeteiligung in der gesetzlichen Jugendhilfe). Es lehnt sich an die Erfahrungen mit der aus Neuseeland stammenden und bereits in vielen Ländern erprobten Family Group Conference an.

Dabei wird ein Coach eingesetzt, der das erweiterte fa-miliäre Umfeld des Jugendlichen zu einer Konferenz einlädt. Die Teilnehmenden werden von den Behörden über den Stand der Abklärungen informiert. Sie werden aufgefordert, unter sich einen Plan zu entwickeln, mit dem die Probleme angegangen werden können.

Der Plan wird danach mit dem Coach modifiziert und mit genauen Aufträgen an die Beteiligten festgelegt. Er wird nach einer vereinbarten Zeitspanne evaluiert und jeweils den neuen Bedürfnissen angepasst.

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Neue Ansätze: z.B.Familieninterventionen

Mit der bereits behandelten Ansätzen Sozialpädagogische Familienbegleitung und Multisystemische Therapie wird angestrebt, das Familiensystem zu stützen, indem die zuständige Fachperson direkt ins Familienleben einbe-zogen wird.

In solchen Ansätzen wird die Tendenz deutlich, die Eltern und die natürliche Umgebung zu stärken und ihnen die Verantwortung zurückzugeben, damit sie dem gefähr-deten Jugendlichen den nötigen Halt bieten können.

Mit Hilfe der aufsuchenden Familieninterventionen soll der sonst drohenden Fremdplatzierung frühzeitig vorgebeugt werden. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Inter-ventionsmöglichkeiten, die in ambulanten oder halbsta-tionären Angeboten liegen, noch nicht ausgeschöpft sind.

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Es braucht auch stationäre Einrichtungen

Trotz des durchaus sinnvollen Ausbaus der ambulanten und halbstationären Angebote werden auch in Zukunft stationäre und speziell geschlossene Einrichtungen nötig sein.

Anzustreben ist eine breite, vielfältige Palette unterschiedlicher und gut aufeinander abge-stimmter Erziehungs-, Behandlungs- und Time-out-Möglichkeiten und eine verbesserte Indi-kationsstellung.

Dringend ist, dass das gesamte Angebot besser koordiniert und gesteuert werden kann.

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Statistik

Nach einer vom BFS veröffentlichten Statistik zum Jugendsanktionsvollzug (JUSAS) waren an einem Stichtag im Jahr 2014 insgesamt 480 Jugendliche jugendstrafrechtlich platziert (ohne UH), davon 225 vorsorglich, 14 im Vollzug einer Freiheitsstrafe. Bei den Platzierungen in Er-ziehungseinrichtungen handelte es sich zu 89% um offene Unterbringungen.

Der Anteil der Mädchen betrug 8%, derjenige von Kindern bis zu 15 Jahren 11%.

Die Fremdplatzierungen haben seit 2010 um 44% abgenommen.

Page 44: Straf- und Massnahmenvollzug im schweizerischen Jugendstrafrecht

Rückfallraten

Laut einer Zürcher Untersuchung wurden von 7356 wegen beliebigen Straftaten verurteilten Jugendlichen 34.9% innert 3 Jahren erneut verurteilt. Allerdings trieb eine kleine Gruppe, die zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden war, den Durchschnitt mit einer Quote von 83.8% nach oben.

Am wenigsten wiederverurteilt wurden Jugendliche, die mit einem Verweis bestraft worden waren (28.8%).

Gesamtschweizerisch liegt die Widerverurteilungsrate von jugendlichen Verurteilten bei 33.1%, in Deutschland bei 45.5%, in Österreich bei 60%. Die höheren Zahlen in diesen Ländern ist vor allem auf die grössere Zahl und die längere Dauer von Freiheitsentzügen in Jugendge-fängnissen zurückzuführen.