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Strafrechtliche Begutachtung Strafrechtliche Begutachtung f Prof. Dr. med. Michael nter Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Sommersemester 2018

Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

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Page 1: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

f GüProf. Dr. med. Michael GünterKlinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie undPsychotherapieSommersemester 2018

Page 2: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Forensische Kinder- und JugendpsychiatrieForensische Kinder und Jugendpsychiatrie

Strafrecht Begutachtung straffälliger Jugendlicher u §§ 20 21 StGB

Strafrecht Begutachtung straffälliger Jugendlicher u. Heranwachsender

§§ 20, 21 StGB, §§ 3, 105 JGG

Glaubhaftigkeitsbegutachtung kindlicher Zeugen

Zivilrecht Familienrecht- Sorgerecht §1671 BGB

g §

- Umgangsrecht §1634 BGB- Sorgerechtsentzug §1666 BGB

geschlossene Unterbringung §1631b BGB

- geschlossene Unterbringung §1631b BGB- Ersetzen d. Adoptionseinwilligung §1784 BGB

- Schadenersatz,Schmerzensgeld- ZivilrechtlicheVerantwortlichkeit bei Schaden

(z.B. Brandstiftung)

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(z.B. Brandstiftung)

Page 3: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Forensische Kinder- und JugendpsychiatrieForensische Kinder und Jugendpsychiatrie

S i l d

Sozial- und Verwaltungsrecht

Opferentschädigungsgesetz

Bundesentschädigungsgesetz (NS-Verfolgung)ImpfschädenHilfe zur Erziehung §27 KJHG

e u e u g § J G

Eingliederungshilfe bei seelischer Behinderung §35a KJHG

Namensänderung

Asylrecht, Abschiebung

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Page 4: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Störung des Sozialverhaltens

F91 0 f d f iliä R h b h ä k S ö d

Störung des Sozialverhaltens

F91.0: auf den familiären Rahmen beschränkte Störung desSozialverhaltens (Grundlage meist Beziehungsstörung, günstigerePrognose, „Battered parents-Syndrom“)F91.1: Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen(keine adäquate Freundschaft mit Gleichaltrigen)F91.2: Störung des Sozialverhaltens bei vorhandenen sozialen Bindungeng g(Freundschaft mit Gleichaltrigen)F91.3: Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem, aufsässigenVerhalten (Kinder leichtere Form?)Verhalten (Kinder, leichtere Form?)F92.0: Störung des Sozialverhaltens mit depressiver StörungF92.8: sonstige kombinierte Störung des Sozialverhaltens und derEmotionen (neurotische Störung)Emotionen (neurotische Störung)

Zahl und Schwere der Symptome entscheidender als Typ derStö

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Störung

Page 5: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Typen der antisozialen Entwicklung 1Typen der antisozialen Entwicklung 1

Dual taxonomy:Dual taxonomy:

Adolescence-limited antisocial behaviorcontemporary maturity gapnormative, adjustive, peer group oriented

Life-course-persistent antisocial behaviorneuropsychological problems (for example ADHD, learning disabilities,

temperament) interact with adverse criminogenic environmental factors temperament) interact with adverse, criminogenic environmental factors and culminate in a pathological personality

(Moffitt, Psychological Review 1993)

Problem: retrospektiv hohe Aufklärung der Varianzprospektiv relativ geringe Vorhersagekraft

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Page 6: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Typen der antisozialen Entwicklung 2Typen der antisozialen Entwicklung 2

Adolescence limited antisocial behavior

Häufig-keit

antisocial behavior

Life-course persistant antisocial behavior

Alter

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(nach Moffitt, Psychological Review 1993)

Page 7: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Typen der antisozialen Entwicklung 3Typen der antisozialen Entwicklung 3

Overt antisocialitydirekt gegen Opfer gerichtete Aggression (Schlagen,Tierquälen; später Körperverletzung, Vergewaltig. etc.)

covert antisocialitynicht direkt gegen Opfer gerichete antisozialenicht direkt gegen Opfer gerichete antisozialeVehaltensweisen (Lügen, Stehlen, Feuerlegen;später Einbrüche, Betrug)p , g)

authority conflictTrotz, Wutausbrüche, später Streunen,S ä f )Schulschwänzen, Weglaufen)

(Loeber und Hay, in: Rutter und Hay, Oxford 1994)

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( y, y, )

Page 8: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Risiko und Resilienzfaktoren 1Risiko- und Resilienzfaktoren 1

Kumulatives Risiko, nicht einzelne FaktorenEntwicklungsgeschichte der Delinquenz als dynamischesGeschehen; kein statisches RisikoGeschehen; kein statisches Risiko

Biologische Ebene Biologische Ebene

Temperamentsfaktoren (Persönlichkeitsentwicklung) perinatale Hirnschädigungen kognitive Defizite (niedrige Intelligenz, Teilleistungs-

störungenstörungen ADHD

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Page 9: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Risiko und Resilienzfaktoren 2Risiko- und Resilienzfaktoren 2

Familiäre Ebene

Konflikte, Disharmonie Misshandlung uneinfühlsame Erziehung etc Misshandlung, uneinfühlsame Erziehung etc. verwahrlosende Erziehung Alkoholismus, Kriminalität, Auflösung der Familie u.a., , g „Multiproblemfamilie“

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Page 10: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Risiko- und Resilienzfaktoren 3

Soziale Ebene

Risiko- und Resilienzfaktoren 3

Soziale Ebene

soziale Brennpunkte, gewalttätige Nachbarschaftsoziale Brennpunkte, gewalttätige Nachbarschaft Migration, Enkulturationsprobleme

Orientierung an delinquenten Peer groups

Dabei sind biologische familiäre und soziale FaktorenDabei sind biologische, familiäre und soziale Faktorenhäufig eng verknüpft im Sinne einer gegenseitigenInterdependenz. Gleichzeitig kumulieren oderInterdependenz. Gleichzeitig kumulieren oderpotenzieren sich die Belastungseffekte und es ergebensich negative Rückkopplungszirkel.

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Page 11: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Risiko- und Resilienzfaktoren 4

P t kti F kt

Risiko und Resilienzfaktoren 4

Protektive Faktoren

einfaches Temperament, Ängstlichkeit sichere Bindung emotionale Zuwendung, Kontrolle und Konsistenz in der Erziehung flexible Anpassung der Ich-Grenzen und der Kontrollinstanzen (egoe b e passu g de c G e e u d de o o s a e (egoresiliency) aktives, nicht vermeidendes Bewältigungverhalten positives Selbstbild (nicht überhöht) positives Selbstbild (nicht überhöht) überdurchschnittliche Intelligenz, Planungsverhalten schulischer Erfolg soziale Beziehungen zu nichtdelinquenten Peers oder gewisse soziale Beziehungen zu nichtdelinquenten Peers oder gewissesoziale Isolation Vorbilder für Resilienz unter widrigen Umständen i l i t i t N hb h ft

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sozial integrierte Nachbarschaft

Page 12: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Jugendgerichtsgesetz - ErziehungsgedankeJugendgerichtsgesetz Erziehungsgedanke

§ 2 JGG§ 2 JGG(1) …(2) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem

St ft t i J dli h dneuen Straftaten eines Jugendlichen oderHeranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zuerreichen sind die Rechtsfolgen unter Beachtung deselterlichen Erziehungsrechts und auch das Verfahrenvorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.

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Page 13: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

SchuldfähigkeitSchuldfähigkeit

§ 20 StGBOhne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegeneiner krankhaften seelischen Störung, wegen einerg, gtiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegenSchwachsinn oder einer anderen schweren seelischenAbartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehenAbartigkeit unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehenund nach dieser Einsicht zu handeln.§ 21 StGB

di hi k i d d h dIst die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tateinzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, auseinem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehungder Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach §49, Abs. 1 gemildert werden.

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Page 14: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Eingangskriterien gemäß § 20 StGBEingangskriterien gemäß § 20 StGB

Sog. Biologische Stufe

- krankhafte seelische Störung- tiefgreifende Bewusstseinsstörungtiefgreifende Bewusstseinsstörung- Schwachsinn- schwere andere seelische Abartigkeit

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Page 15: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Eingangskriterien gemäß § 20 StGBg g g §Schwere seelische Störung

Psychosen

Organisch begründete psychopathologische ZuständeZustände

SubstanzabhängigkeitSubsta ab ä g g e t- akute Intoxikation- akute Entzugssymptomatik oder drohender schwerer Entzug- Depravationssyndrom

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Page 16: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Eingangskriterien gemäß § 20 StGBg g g §tiefgreifende BewusstseinsstörungKriterien nach Saß (+)Kriterien nach Saß (+)

- Spezifische Vorgeschichte und TatanlaufzeitSpezifische Vorgeschichte und Tatanlaufzeit- Affektive Ausgangssituation mit Tatbereitschaft- Psychopathologische Disposition- Konstellative Faktoren- Provokation-Erregung-Tat

abrupter Tatablauf ohne Eigensicherungstendenz- abrupter Tatablauf ohne Eigensicherungstendenz- Einengung der Wahrnehmung und seelischen Abläufe- Vegetative, psychomotorische, psychischeVegetative, psychomotorische, psychische Begleiterscheinungen- Charakteristischer Affektaufbau und –abbau (rechtwinklig)

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- Nachtatverhalten mit schwerer Erschütterung- nur sehr eingeschränkt!: Erinnerungslücke

Page 17: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Eingangskriterien gemäß § 20 StGBg g g §tiefgreifende BewusstseinsstörungKriterien nach Saß (-)

Vorbereitungshandlungen- Vorbereitungshandlungen- Konstellation der Tatsituation durch den Täter- zielgerichtete Gestaltung des Tatablaufeszielgerichtete Gestaltung des Tatablaufes- Komplexer Handlungsablauf in verschiedenen Etappen- länger hingezogenes Tatgeschehen- exakte detailreiche Erinnerung- Vorgestaltung in der Fantasie, Ankündigung, aggressive Handlungen in TatanlaufzeitHandlungen in Tatanlaufzeit

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Page 18: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Eingangskriterien gemäß § 20 StGBg g g §„Schwachsinn“

Biologische Stufe:Biologische Stufe:IQ < 70 + erhebliche Defizite der sozialen und adaptiven FähigkeitenFormal: Ursache identifizierbar: schwere seel StFormal: Ursache identifizierbar: schwere seel. St.

Ursache nicht identifizierbar SchwachsinnPsychologische Stufe:K iti h P üf !Kritische Prüfung!Zusätzliche relevante Psychopathologie

Summation zweier (unterschwelliger) Eingangskriterien möglich

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Page 19: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Eingangskriterien gemäß § 20 StGB

„Schwere andere seelische Abartigkeit“P ö li hk it tö h bli h S h d- Persönlichkeitsstörung von erheblichem Schweregrad

- Perversion im engeren Sinne

Nicht jedoch:- Störung des Sozialverhaltensg- ADHS!- PTBS

N ti h Stö- Neurotische Störungen- „Kleptomanie“

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Page 20: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Rezidivraten bei jugendlichen und erwachsenen begutachteten SexualstraftäternTübinger Adoleszenz-Rückfallstudie Delinquenz (TARD)(Katamnesezeitraum Jugendliche 8-20 Jahre, Erwachsene 9-12 Jahre)

80%Jugendlicheeinschlägig

E h

N = 20 J./28 E. 10 J./9 E. 22 J./29 E. 6 J. /2 E.

50%

60%

70% Erwachseneeinschlägig

Jugendlichegenerell

E h

30%

40%Erwachsenegenerell

0%

10%

20%

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Page 21: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Einzelfallanalyse jugendliche Sexualstraftäter y j g- Klinische Typologie

1. Sexueller Missbrauch von Kindern durch kognitiv und/oder emotional retardierte und kontaktgestörte Jugendliche und Heranwachsende Gute Prognose bei sexualpädagogischer Arbeit ggf Herausnahme aus der Familie undPrognose bei sexualpädagogischer Arbeit, ggf. Herausnahme aus der Familie und stationäre Jugendhilfemaßnahme. Problem: kaum entsprechende Gruppenangebote für Jugendliche verfügbar

2. (Hoch)aggressive Gewaltdelinquenz, auch im Bereich sexueller Gewaltstraftaten. Einschlägige und nicht-einschlägige Rezidivgefahr in Bezug auf die Gewaltdelinquenz Behandlung der GewaltproblematikGewaltdelinquenz Behandlung der Gewaltproblematik

3. Fixierte Perversionen oder deutliche Gefahr der Fixierung aberranter Fantasien und eingeschränkte Impulskontrolle. Gefahr der weiteren Verfestigung, im Einzelfall auch aggressiven Eskalation. konsequente Behandlung dieser komplexen Problematik. Problem: kaum therapeutische Gruppenangebote für Jugendliche

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für Jugendliche

Page 22: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Vergleich Mädchen-JungenDifferenzen bei Vorgeschichte und Befund Differenzen bei Vorgeschichte und Befund

Tübinger Adoleszenz-Rückfallstudie Delinquenz (TARD) N = 2 x 44

Chi square

** ** ** *

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Page 23: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Klassifikation der tatrelevanten B i h d ik Beziehungsdynamik -Tübinger Adoleszenz-Rückfallstudie Delinquenz (TARD)

Opfer ist Ersatz für eine enge Bezugsperson (Mutter, Vater etc.) p = 0,025 Chi square

Tatgeschehen nur verstehbar auf dem Hintergrund der Beziehungsdynamik

p = 0,007

Beziehungsdynamik hat wesentlichen Einfluss auf die Tat

n.s.

"Normale" DelinquenzNormale Delinquenz, Beziehungsdynamik ohne unmittelbaren Einfluss

N

p = 0,000

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Inter-Rater-Reliabilität, kappa = 0,85

Page 24: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

StrafreifeStrafreife

§ 3 JGG§ 3 JGGEin Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit derTat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, dasUnrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handelnUnrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife nicht strafrechtlichverantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wied V d h f i hder Vormundschaftsrichter.

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Page 25: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

HeranwachsendeHeranwachsende

§ 105 JGG(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach denallgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist so wendet der Richter dieallgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter diefür einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4-8,9 Nummer 1,§§ 10,11 und 13-32 entsprechend an, wenn1 di G t ü di d P ö li hk it d Tät b i1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters beiBerücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeitder Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einemJugendlichen gleichstand, oder2. es sich nach der Art, den Umständen und den Beweggründen derTat um eine Jugendverfehlung handelt....(3) das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehnJahre.

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Page 26: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Verurteilung Heranwachsender nach J d t f ht b i ählt D likt tJugendstrafrecht bei ausgewählten Deliktarten(modifiziert nach Günter 2004, Dünkel 2003, 2008, Ostendorf 2003, Heinz 2008)

Delikt Verurteilung nach JGG 1985 in % 2001 in % 2006 in % 2012 in %

Mord, Totschlag 98 % 93 % 81% 77%gRaub, Erpressung 96 % 97 % 97% 90%Sexualdelikte insges. 82 % 85 % 84% 75%Vergewaltigung (incl 88 % 95 % 75%Vergewaltigung (incl. sexuelle Nötigung ab 2001)

88 % 95 % 75%

Diebstahl,U t hl

83 % 73 % 76% 73%UnterschlagungDiebstahl ohneerschwerende Umstände

77 % 68 % 68%

Di b t hl t 92 % 90 % 85%Diebstahl unter erschwerenden Umständ.

92 % 90 % 85%

Betrug 59 % 56 % 57%

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Quelle: Statistisches Bundesamt, Arbeitsunterlage Strafverfolgung

Page 27: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Verurteilung Heranwachsender nach Jugendstrafrecht bei ausgewählten Deliktarten

Delikt Verurteilung nach JGG

Jugendstrafrecht bei ausgewählten Deliktarten(modifiziert nach Günter 2004, Dünkel 2003, 2008, Ostendorf 2003, Heinz 2008)

Delikt Verurteilung nach JGG1985 in % 2001 in % 2006 in % 2012 in %

Einfache Körperverletzun

72 % 76 % 76%Körperverletzun

84%Gefährliche Körperverletz

83 % 91 % 76%

BtM-Delikte 81 % 78 % 69%insgesamt Einfache Verstöße gegen das BtMG

78 % 75 %

Schwere Verstöße gegen das BtMG

92 % 94 %

Straßenverkehrsdelikte

42 % 41 % 44% 51%kteVerstöße gegen das Ausländergesetz

14 % 20 % 26%

Straftaten 62 % 62 % 64% 66%

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Straftaten insgesamt

62 % 62 % 64% 66%

Quelle: Statistisches Bundesamt, Arbeitsunterlage Strafverfolgung

Page 28: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Verurteilung Heranwachsender nach

Bundesland 2012 in %

Jugendstrafrecht nach BundesländernBundesland 2012 in %

Schleswig-Holstein 88%Hamburg 86%Hamburg 86%Saarland 83%Bayern 75%Niedersachsen 75%Niedersachsen 75%NRW 71%Berlin 68%Bremen 63%Rheinland-Pfalz 58%Sachsen-Anhalt 58%Thüringen 56%Brandenburg 51%Baden-Württemberg 50%

Quelle: Statistisches Bundesamt, Arbeitsunterlage Strafverfolgung

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Mecklenburg-Vorpommern 50%Sachsen 49%

Page 29: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Reifemerkmale (modifiziert nach Esser et al.)

Realistische Lebensplanung vs. Leben im AugenblickEigenständigkeit gegenüber den Eltern vs. Starkes

Anlehnungsbedürfnis und HilflosigkeitAnlehnungsbedürfnis und Hilflosigkeit Ernsthafte vs. spielerische Einstellung gegenüber Arbeit und

SchuleÄußerer Eindruck (Gesamteindruck, Gesicht, Figur Größe)( , , g )Realistische Alltagsbewältigung vs. Tagträume, abenteuerliches

Handeln, Hineinleben in Selbstwert erhöhende RollenGleichaltrige oder ältere vs. Überwiegend jüngere Freunde

g g j gBindungsfähigkeit vs. Labilität in den mitmenschlichen

Beziehungen oder Bindungsschwäche Integration von Eros und Sexus (Aufrechterhaltung intimer

Beziehungen über längere Zeit)Konsistente berechenbare Stimmungslage vs. Jugendliche

Stimmungswechsel ohne adäquaten Anlass

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Page 30: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Entwicklung von Risikoverhalten und

P bl b i h A t kt

KontrollfunktionenProblembereich AnsatzpunkteEntwicklungsdysharmonien PersönlichkeitsentwicklungMangelnde Vertrautheit mit Aufklärung, Durchspielen,Mangelnde Vertrautheit mit Konstellationen Aufklärung, Durchspielen,

„Psychoedukation“Gruppeneinflüsse, Gruppennormen

Bedeutung d. Gruppe verstehen, alternative Angebote BedürfnisseGruppennormen

alternative Angebote, BedürfnisseGruppenkultur, Gruppennormenverändern = besser sozial verträglich entwickelnentwickeln

Mangelnde Beachtung von Langzeitfolgen Rasche Reaktion, authentische

AufklärungRisikoverhalten, Sensation seeking z.B. Erlebnispädagogik +

BeziehungsangebotGeringe Stimmungsmodulation Verfügbarkeit von Ansprechpartnern,

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g g g p p ,Beziehungsangebote

Page 31: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

GewaltfantasienGewaltfantasien

Funktionen von Gewalt(fantasien)Normaler Bestandteil der EntwicklunggAbsetzen von Erwachsenenweltschaffen Gruppenidentität eigene IdentitätGrößenfantasien, Macht, narzisstische StabilisierungAbwehr von Ohnmachtsgefühlen, Depression, Wertlosigkeit

Scham sexuellen Ängsten

Selbstwirksamkeit

Grundsätzlich positiv. Wie können wir erreichen, dass sie nicht zu (Gewalt-)delinquenz

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erreichen, dass sie nicht zu (Gewalt )delinquenz führen?

Page 32: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Take home“ Messages„Take home -Messages

1. Entwicklungspsychologische Befunde zeigen, dass Heranwachsendespeziell in für die Begehung von Straftaten relevantenPersönlichkeitsmerkmalen in der Regel noch nicht Erwachsenengleichzustellen sind.

2. Dies gilt besonders für deprivierte, sozial randständige und schulischf l l H h d Ei l t Abhä i k it k kerfolglose Heranwachsende. Eine relevante Abhängigkeitserkrankung

führt meist zu ganz erheblichen Entwicklungsretardierungen, oft zu einerzeitweisen Stillstellung der Entwicklung

3. Impulssteuerungsfunktionen, insbesondere im Kontext einesGruppengeschehens, reifen erst in der zweiten Hälfte des drittenLebensjahrzehnts ausLebensjahrzehnts aus.

4. Die Beurteilung des Reifegrades ist aufgrund der Komplexität deszugrunde liegenden Geschehens und der zu berücksichtigenden

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zugrunde liegenden Geschehens und der zu berücksichtigendenEntwicklungsbereiche schlecht operationalisierbar.

Page 33: Strafrechtliche BegutachtungStrafrechtliche Begutachtung

Maßregelvollzug

§ 63 StGB

Maßregelvollzug

§ 63 StGB1. Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20)oder in der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht dieU b i i i hi i h K k h diUnterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn dieGesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seinesZustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für dieAllgemeinheit gefährlich ist. ...§ 64 StGB1 Hat jemand den Hang alkoholische Getränke oder andere berauschende1. Hat jemand den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschendeMittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird er wegen einer rechtswidrigen Tat,die er im Rausch begangen hat oder die auf seinen Hang zurückgeht, verurteilt odernur deshalb nicht verurteilt weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nichtnur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nichtauszuschließen ist, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einerEntziehungsanstalt an, wenn die Gefahr besteht, daß er infolge seines Hanges

h bli h h id i T b h i d

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erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.2. Die Anordnung unterbleibt, wenn eine Entziehungskur von vornehereinaussichtslos erscheint.

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Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie -Klinikum Stuttgart

Z t fü S li h G dh itZentrum für Seelische GesundheitZentrum für Kinder- und Jugendmedizin – Olgahospital (kooptiert)

Prießnitzweg 24Prießnitzweg 2470374 StuttgartE-Mail: [email protected]

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