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Dr. Torsten Köhne, swb AG Sonderdruck aus Strategie Planung Umweltrecht, Band 7 Strategische Ausrichtung der Abfallverbrennung in einem schwierigen Marktumfeld – Erste Erfahrungen in der Praxis bestätigen effiziente Energieerzeugung mit Mittelkalorik –

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Strategische Ausrichtung der Abfallverbrennung in einem schwierigen Marktumfeld

Dr. Torsten Köhne, swb AG

Sonderdruck ausStrategie Planung Umweltrecht, Band 7

Strategische Ausrichtung der Abfallverbrennungin einem schwierigen Marktumfeld

– Erste Erfahrungen in der Praxis bestätigeneffiziente Energieerzeugung mit Mittelkalorik –

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Torsten Köhne

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Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Strategie Planung Umweltrecht – Band 7 Karl J. Thomé-Kozmiensky, Andrea Versteyl. – Neuruppin: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky, 2013 ISBN 978-3-935317-93-1

ISBN 978-3-935317-93-1 TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky

Copyright: Professor Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Karl J. Thomé-Kozmiensky Alle Rechte vorbehalten

Verlag: TK Verlag Karl Thomé-Kozmiensky • Neuruppin 2013 Redaktion und Lektorat: Professor Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Karl J. Thomé-Kozmiensky, Dr.-Ing. Stephanie Thiel, Elisabeth Thomé-Kozmiensky, M.Sc. Erfassung und Layout: Petra Dittmann, Sandra Peters, Martina Ringgenberg, Ginette Teske, Ulrike Engelmann, LL. M., Ina Böhme Druck: Mediengruppe Universal Grafische Betriebe München GmbH, München

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.

Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien, z.B. DIN, VDI, VDE, VGB Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen.

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Strategische Ausrichtung der Abfallverbrennung in einem schwierigen Marktumfeld

Strategische Ausrichtung der Abfallverbrennung in einem schwierigen Marktumfeld

– Erste Erfahrungen in der Praxis bestätigen effiziente Energieerzeugung mit Mittelkalorik –

Torsten Köhne

Seit zwölf Jahren ist die swb AG mit ihrer Tochtergesellschaft swb Erzeugung GmbH & Co. KG auch im Entsorgungsgeschäft aktiv. Ein wesentliches strategisches Ziel ist es, Energie aus Abfall zu erzeugen. Mit der Modernisierung und energetischen Op-timierung eines rund 40 Jahre alten MHKW und dem Neubau eines Mittelkalorik-Kraftwerkes (MKK) vor wenigen Jahren besitzt die swb jetzt zwei äußerst wettbe-werbsfähige Anlagen zur Erzeugung von Strom und Fernwärme und sichert sich den Verwerterstatus. Die Modernisierungsmaßnahme des MHKW sowie der Betrieb des MKK leisten einen bedeutenden Beitrag zur Klimabilanz und der ökologischen Energie- versorgung der Stadt Bremen.Seit vielen Jahren verfolgt die swb Erzeugung GmbH & Co. KG, eine 100-prozentige Tochter der swb AG, die zum EWE-Konzern gehört, das strategische Ziel, Energie aus Abfall zu erzeugen. Seit Mai 1998 betreibt die swb in Bremen ein MHKW und schafft somit den Brückenschlag zwischen verantwortungsbewusster Abfallentsorgung und umweltbewusster Energieerzeugung. Im Zuge der Überarbeitung der Erzeugungsstra-tegie wurde dieses Ziel insbesondere im Jahr 2007 nach dem Ende des Kohlekraft-werkprojektes Block 21 erneut bekräftigt und bestätigt.Die langfristige Sicherung der Stromerzeugungsposition und darüber hinaus profi- tables Wachstum durch Effizienzsteigerung in der industriellen Energieerzeugung waren wesentliche Zielmarken der swb-Nachhaltigkeitsstrategie 20-20-20: Die nachhaltige Erzeugung von Strom und Wärme aus Abfall sind hierbei ein wichtiger Faktor. Die swb orientiert sich hierbei an den internationalen Klimaschutzzielen für das Jahr 2020, die unter anderem eine 20 %-ige CO2-Einsparung und eine Steigerung der Energieeffi-zienz um 20 % vorsehen. Bei ausgewogenem und beherrschbaren Kapitalkostenrisiko möchte die Gesellschaft 20 % der erzeugten Energie aus regenerativen Energieträgern gewinnen und auf diese Weise das zukünftig zu erwartende CO2-Risiko verringern. Das kann nur gelingen, wenn einerseits der Brennstoffeinsatz diversifiziert wird und gleichzeitig bestehende Anlagen modernisiert werden. Deshalb wurde im Sommer 2010 vom Vorstand und Aufsichtsrat ein umfangreiches Investitionsprogramm beschlossen.Mit Investitionen im hohen zweistelligen Millionenbereich wird das Müllheizkraftwerk (MHWK) Bremen am Standort Bremen-Findorff von 2010 bis Anfang 2013 umfassend modernisiert und energetisch optimiert. Bei gleicher Abfallmenge erzeugt swb Entsor-gung dann die dreifache Menge Strom – und das ohne zusätzliche CO2-Emissionen. Ein wichtiges Investment im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie 20-20-20. Zudem wird mit dieser Maßnahme der Verwerterstatus für diese Anlage gesichert und damit die eigene Position im härter werdenden Wettbewerb um Abfallmengen weiter verbessert.

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Die Erstinbetriebnahme war im Jahre 1969; damals zielte das Anlagendesign auf die Auskopplung von Nutzenergie in Form von Fernwärme für die benachbarte Universität. Seither wurden immer wieder Ergänzungen zur Verbesserungen der Nutzungseffizienz vorgenommen, In den vergangenen zehn Jahren konnten mit Investitionen in Höhe von über 100 Mio. Euro sowohl eine weitere Optimierung der Emissionswerte und des Brennstoffmanagements als auch eine Verbesserung der Feuerungsanlagen erreicht werden. Die Maßnahmen beinhalteten die Errichtung eines neuen Abfallbunkers, die Optimierung der dreistufigen Abgasreinigungsanlage sowie den Austausch der Feue-rungen aller vier Kessellinien und den Einbau von wassergekühlten Vorschub-Rost-feuerungen. 2009 wurden bereits 80.000 Megawattstunden Strom und 205.000 Mega- wattstunden Fernwärme abgegeben, mit der neben der Universität samt angeschlos-senen universitären Einrichtungen auch der über 300 Firmen umfassende Techno-logiepark und das Science-Center Universum, sowie ein Hotel und das Wohngebiet Weidedamm III zuverlässig versorgt wurden.

Trotz der in der Vergangenheit vorgenommenen Umbauten wies das MHKW hin-sichtlich seiner Energieeffizienz noch erhebliche Verbesserungspotentiale auf, weil die Verbesserung der Dampfparameter der Kessel und die damit verbundene Strom-erzeugung nicht Teil der Modernisierungsprojekte in der Vergangenheit war. Des Weiteren stand eine hocheffiziente Stromerzeugung aus Abfall nicht im wesentlichen Focus des wirtschaftlichen Betriebs des MHKWs. So wurde auf Grund der Auslegung der Anlage nur ein geringer Teil der durch die Verbrennung freigesetzten Energie für die Stromerzeugung verwendet. Beide zur Verfügung stehenden Turbinen wurden seinerzeit nur mit Sattdampf beaufschlagt, der in den Kesseln 1 bis 4 erzeugt wurde.

Zur Ermittlung der wirtschaftlichsten Modernisierungsvariante wurden im Jahr 2009 verschiedene Umbaukonzepte untersucht. Neben den 1969 festgelegten niedrigen Dampfparametern schränkte insbesondere die fehlende Möglichkeit zur vollständigen Vakuumkondensation des Dampfes in Perioden mit geringem Fernwärmebedarf die Möglichkeiten des MHKW zur effektiven Energienutzung ein. Die Vorgaben für ein schlüssiges Modernisierungskonzept waren nicht nur die zukünftige Markterwartung für Strom und Abfall, sondern auch die Randbedingungen zum Erhalt des Verwer-terstatus in Form des so genannten R1-Faktors, der größer 0,65 sein sollte. Diese R1-Formel wurde zum Nachweis der Effizienz von Verbrennungsanlagen entwickelt; sie

Bild 1:

Das Luftbild zeigt das MHKW Bremen-Findorff während der Umbauphase

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Strategische Ausrichtung der Abfallverbrennung in einem schwierigen Marktumfeld

stellt eine Relation zwischen der eingebrachten Energie und der in Form von genutzter Wärme und Elektrizität erzeugten Energie her.Der nach der EU Abfall-Rahmenrichtlinie (AbfRRl) errechnete R1-Faktor soll für be-stehende Anlagen (Altanlagen) mindestens den Wert von 0,60 und für neue Anlagen oder Anlagen mit wesentlichen Veränderungen einen Wert von 0,65 erreichen, um den Verwerterstatus zu erhalten.Bei den Voruntersuchungen wurde deutlich, dass das Projektziel einer Effizienzstei-gerung im Vergleich zur heutigen Situation nur mit erhöhten Dampfparametern erreichbar ist. Deshalb gingen alle Umbaukonzepte davon aus, dass zumindest eine Teilmenge des Dampfes in Heißdampf zu überführen ist. Als wirtschaftlichste tech-nisch machbare Variante erwies sich der Umbau der Kessel 1 und 4 auf Heißdampf mit den heute üblichen Dampfparametern von 40 bar und 400 °C. Diese Variante orientiert sich an der erwarteten Marktentwicklung für Strom, Wärme und Abfall. Ein Ausbau der Fernwärme bleibt eine Option für die Zukunft. Die Kessel 1 und 4 sind die größeren Linien der Anlage und stehen zusammen für etwa 2/3 der gesamten Verbrennungskapazität. Die neue Heißdampf-Kondensationsturbine (Turbine 4) muss sowohl den Heißdampf der Kessel 1 und 4, als auch den für die Fernwärmeerzeugung nicht genutzten Sattdampf der Kessel 2 und 3 verarbeiten.

Das für den Betrieb der Turbine erforderliche Vakuum wurde mit einer neuen Luft-kondensationsanlage (LuKo 4) realisiert. Die durch diese Maßnahmen auf etwa 50 MW erhöhte elektrische Leistung der Anlage wird über einen neuen Netzanschluss in das Bremer 110 kV-Netz eingespeist. Die zuvor mit den Turbinen 1 und 2 erzeugbare elektrische Leistung betrug lediglich 15,8 MW.Durch die seriellen Umbauten der Kessel 1 und 4 blieb das MHKW Bremen während der gesamten Projektlaufzeit bis Anfang 2013 durchgängig mit drei Kessellinien in Betrieb. Bereits Anfang 2012 war Kessel 1 wieder in Betrieb. Durch zwei Schäden während der Inbetriebsetzung von Turbine 4 verzögerte sich hier der kommerzielle Betrieb um ein halbes Jahr. Am 18.12.2012 erfolgte die erste Synchronisierung und im Januar 2013 folgte dann der Probebetrieb. Der komplett umgebaute Kessel 4 wurde in der 50. KW 2012 zugeschaltet und das erste Kesselauskochen vollzogen.

Bild 2:

Die Aufnahme zeigt das Ein-bringen der neuen Turbine ins MHKW-Maschinenhaus

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Bild 3: Anlagenschema des MHKW in Bremen

Anfang Januar 2013 begann das so genannte Kesselausblasen. Ziel dieses Vorgangs war, die kleinkörnigen mineralischen Verunreinigungen wie Rostpartikel und Schweißper-len, die nicht ausgespült werden konnten, mit Dampf aus dem Rohrsystem auszublasen. Heißer Dampf strömt dabei mit einer so hohen Geschwindigkeit aus dem Kessel und durch die Rohrleitungen, dass die kleinen Verunreinigungspartikel mitgerissen wer-den. Diese Vorgänge gehören zu einer umfangreichen Testphase, in der das Einhalten der hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards nachgewiesen wird. Erst wenn diese Phase erfolgreich abgeschlossen ist, kann die Anlage ihren 28-tägigen Probebetrieb aufnehmen, was voraussichtlich Mitte Januar 2013 beginnen wird.

Bild 4: Die Emissionen des MHKW im Jahr 2010 lagen alle – teilweise deutlich – unterhalb der Vorgaben der 17. BImSchV

Stromnetz

Heizung

Fernwärme

Trafo Generator

Maschinenhaus

Turbine

Wärmeaustauscher

Luftzugwarm

Luftkondensator Luko

kalt

Speisewasserpumpen

Dampf

Wasser

Klärschlammannahme

Brennwert- und Emissionsoptimierungsanlage (BEO) Feuerung und Kessel (4 Linien) Abgasreinigung (3 Linien)

Spreader

Abfallaufgabeschieber

Tagesbunker

Abfall-kran

TrommelKesselhaus

Sicherheitsventil

Primärluft-ansaugung

V

R

Abgas-Sammelkanal

Elektro-filter

KalkmilchBraunkohlekoksWasser

TrockensorbatGewebe-

filterAbsorber

Kessel-asche

Schlacke Aschesilo

Rezirkulation Saugzug-gebläse

Flugasche

Reststoffsilo

kontinuierlicheEmissionsmengen

Kamin

wassergekühlterVerbrennungsrost

Primärluft-gebläse

Förderband zumTagesbunker Entschlacker

K4K3K2

L3L2L1

Staub

0,7 0,4

8,8

19,3

160

0,00018 0,0003 0,03 0,0009 0,0029

0,10,050,50,030,05502005010 1010

Reingaskonzentrationmg/Nm3

Reingaskonzentrationng/Nm3

Cges HCl

Mittelwerte 1.1.-31.12.2010 Grenzwerte der 17. BImSchV

SO2 NO2 CO Cd+Tl Hg DioxineÜbrigeMetalle

∑ Bap, As,Cd, Co, Cr

14,3

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Strategische Ausrichtung der Abfallverbrennung in einem schwierigen Marktumfeld

Es ist geplant, dass die Probephase Ende Februar 2013 mit der technischen Abnahme der Systeme abgeschlossen sein wird. Dann wird die umgebaute Anlage bei gleichem Abfallaufkommen und einem unveränderten CO2-Ausstoß rund die dreifache Strom-menge produzieren und ins Netz einspeisen. Dies bedeutet insgesamt einen erheblichen Effizienzgewinn. Das MHKW Bremen wird zukünftig sicher im oberen Effizienzdrittel aller in Deutschland betriebenen Anlagen positioniert sein.

Ersatzbrennstoffkraftwerk nutzt die Mittelkalorik (MKK)Die Strategie, Energie aus Abfall zu nutzen, ist damit jedoch nicht komplett erschöpft. Auf dem Betriebsgelände der konventionellen Kohlekraftwerke Bremen-Hafen (Baujahr 1957 und 1968) wurde 2009 das Mittelkalorik-Kraftwerk (MKK) Bremen in Betrieb genom-men, dessen Dampfkreislauf in das Dampfnetz des Kraftwerks Hafen eingebunden ist.Es handelt sich um ein Ersatzbrennstoffkraftwerk und nach dem MHKW Bremens zwei-te Abfallverbrennungsanlage zur Stromgewinnung. Unter Mittelkalorik verstehen wir einen Sekundärbrennstoff aus einer Mischung von Papier, Kunststoff, Holz und Verpa-ckungsresten, die stofflich nicht mehr recycelt werden können. Mittelkalorik besitzt im Vergleich zu gewöhnlichem Verbrennungsmüll mit 12 bis 14 MJ/kg Material einen sehr viel höheren Heizwert als der niederkalorische Hausmüll, der es üblicherweise in Bre-men auf 10,5 kJ/kg bringt. Etwa 50 Prozent dieser Stoffe sind biogenen Ursprungs, also aus Holz, Naturfasern und anderen nachwachsenden Stoffen. Deshalb wird der bei der Verbrennung dieser Stoffe anfallende Anteil CO2 auch als eingespartes CO2 ausgewiesen.

Das Kraftwerk ist ein gleichermaßen ökologisch wie ökonomisch sinnvolles Projekt: Die Mittelkalorik reduziert den Kohleeinsatz und damit die Brennstoffkosten und den CO2-Ausstoß. Das MKK soll circa 230.000 Tonnen mittelkalorisches Material pro Jahr verwerten und stellt rund 30 Megawatt elektrischer Leistung bereit sowie 110 Megawatt Fernwärme. Durch den Einsatz der Mittelkalorik können bei gleicher Stromproduktion über 90.000 Tonnen Kohle jährlich eingespart werden. Darüber ist die Mittelkalorik etwa zur Hälfte biogener Natur und damit teilweise CO2-neutral. Das schont die Ressourcen, senkt den CO2-Ausstoß und auch die Brennstoffkosten.

Bild 5:

Im Mittelkalorik-Kraftwerk (MKK) können pro Tag bis zu 800 Tonnen an heizwertreichem Material energetisch verwertet werden

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Die technischen Daten des Mittelkalorik-Kraftwerks sind:• Feuerungswärmeleistung 110 MW• Brennstoffdurchsatz 28, 3 t/h• Heizwertspektrum 11 – 18 MJ/kg• Dampfmenge 127 t/h• Dampfparameter 40 bar, 400 °C• Elektrische Leistung 33 MWbrutto

• Verfügbarkeit größer 90 %• Jahresdurchsatz 230.000 t• Jahresstromabgabe 235.000 MWh (entspricht dem Verbrauch von 1/3 der

Bremer Haushalte)

Das MKK besteht aus den Hauptkomponenten: Brennstoffbunker, Feuerung, Dampf-erzeuger, Abgasreinigungsanlage, Turbine, Schlackebunker und Nebenanlagen. Nach dem Abschluss der Hauptmontagen wurde die kalte Inbetriebsetzung im Herbst 2008 gestartet. Im Dezember 2008 erfolgte während der heißen Inbetriebsetzung das erste Müllfeuer. Doch die Kinderkrankheiten blieben nicht aus.

Damals zeichnete sich bereits ab, dass es ernste Probleme mit dem Turbinenhersteller Franco Tosi geben würde. Sowohl finanzielle als auch abwicklungstechnische Schwierig-keiten führten dazu, über Alternativen in der Dampfverwertung nachzudenken. Da der Wechsel auf einen anderen Turbinenhersteller keine zeitlich akzeptable Lösung darstellte, wurde entschieden, eine zusätzliche Dampfübergabestation zu installieren. Von hier aus lassen sich sowohl Dampfauskopplungen für die Fernwärme, als auch die Hilfsdampf-versorgung der Kohleblöcke 5 und 6 realisieren. Dieses Vorgehen ermöglicht einen flexiblen Anlagenbetrieb, etwa bei einem Turbinenausfall. Zudem wurden der Bau und die Einbindung des Kondensators der Firma Franco Tosi entzogen, und die Installation erfolgte in Eigenverantwortung mit der Firma E.ON Anlagenservice GmbH. Somit war gewährleistet, dass der Verbrennungsbetrieb jederzeit aufrechterhalten werden konnte.

Bild 6:

Im MKK kam eine Kondensa-tionsturbine von Franco Tosi Meccanica mit einer Leistung von 33 MWbrutto zum Einsatz

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Strategische Ausrichtung der Abfallverbrennung in einem schwierigen Marktumfeld

Zum Jahreswechsel 2008/2009 wurde dann der Brennstoffbunker gefüllt und der Kran zum Auftrag des Brennmaterials in Betrieb genommen. Anfang Februar 2009 erfolgte der Probebetrieb der Verbrennungsanlage zunächst ohne Stromerzeugung. Während dieser Zeit kam es häufiger zu Unterbrechungen in der Brennstoffzufuhr, weil sich im Abfalltrichter durch den Aufgabeschieber Brennstoffrollen bildeten und somit der Aufga-beschacht verstopfte. Dieses Problem wurde mit Hilfe des Kesselherstellers sehr schnell und zielgerichtet gelöst und unverzüglich in einem Wochenstillstand durch die Firma Thyssen Krupp Xervon Energy behoben. Für erfolgreiche Abhilfe sorgte die Erhöhung des Aufgabeschachtes um 180 mm ohne zusätzliche Anpassung der Kesselrohre.Inzwischen waren auch alle Komponenten der Turbine in Bremen eingetroffen. Für die Montage der Turbine wurde sichergestellt, dass sie durch eine von swb zugelassene deutsche Firma unter Aufsicht des Herstellers Franco Tosi erfolgte. Ausgewählt wurde die Firma Babcock Borsig Service. Grund für diese Entscheidung war, dass spätere Revisionen auch unabhängig vom Hersteller abgewickelt werden könnten. Bei der anschließenden Inbe-triebnahme der Powertrain Komponenten wurde großer Wert darauf gelegt, dass durch swb Erzeugung immer eine kontinuierliche Begleitung erfolgte.Danach kam es zu weiteren Schwierigkeiten beim Turbinenhersteller und zudem wei-gerte sich die Firma Siemens als Lieferant, weitere Unteraufträge der Firma Franco Tosi abzuwickeln. Deshalb wurde entschieden, den Vertrag mit dem Turbinenhersteller nach diversen vorherigen Fristsetzungen im September 2009 zu kündigen. Nach Abstimmung mit der Versicherung und dem VGB Bereich Turbine wurde die Inbetriebnahme in Ei-genverantwortung weiter fortgeführt. Noch im September erfolgte die erste Synchronisierung. In den Folgemonaten wurden dann alle Feinabstimmungen durchgeführt und im März 2010 auch der vierwöchige Probebetrieb erfolgreich abgeschlossen. Bei der Abnahme stellte sich dann heraus, dass die garantierte Bruttoleistung von 33 MW erreicht und sich erfreulicherweise ein Eigen-bedarf von nur 2,6 MW im Vergleich zu den erwarteten 3 MW abzeichnete. Im Sommer 2010 wurden wieder Gespräche mit der Fa. Franco Tosi Meccanica aufgenommen. Zum Abschluss dieser Gespräche bestand Einvernehmen darüber, dass der Vertrag nach Abzug aller Aufwände wieder aufgenommen werden sollte. Die Gewährleistung wurde übernom-men und im Dezember 2011 das erste Ersatzteilpaket geliefert.Im Verlauf des weiteren Betriebes der Turbine gab es erneute Betriebsunterbrechungen: Diese waren zunächst bedingt durch eine fehlerhafte Auslegung von Absperrklappen im Turbinenölsystem. Im Turbinenöl- und im Zwischenölkreislauf wurden von der FTM Armaturen gleicher Spezifikation eingesetzt. Die Innengummierung war allerdings nicht tauglich für Turbinenöl. Folglich lösten sich die Gummierungen in den Klappen und ver-teilten sich im kompletten Ölsystem. Dieses erwies sich als besonders kritisch, da einige Klappen hinter dem Ölfilter eingebaut waren. Nach einer Turbinenschnellschlussauslösung infolge von erhöhten Schwingungen im Radial- lager wurden dann diese Gummiablösungen in den Lagerbohrungen entdeckt. Nach der Spülung und Filterung wurde das Ölsystem mit geeigneten Klappen wieder angefahren.Ein defekter Kompensator im Turbinenölsystem war eine weitere Ursache für eine Be-triebsunterbrechung. Durch einen Riss im Kompensator der Vorlaufleitung des Turbinen-ölsystem kam es zu einer Schnellschlussauslösung der Turbine infolge des abgesunkenen

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Ölstands im Turbinenölbehälter. Dabei wurde das Maschinenhaus in diesem Bereich stark verschmutzt. Nach anschließender Reinigung und dem örtlichen Versetzen der Kompensatoren konnte die Turbine wieder angefahren werden. Zusätzlich wurde eine Überwachung der Höhenstandsveränderung im Öltank nachgerüstet.Ein defekter Dichtring am Turbinenlager, der sich aufgrund einer Spielüberbrückung in die Turbinenwelle eingearbeitet hatte, führte wiederum zum Turbinenschnellschluss durch Schwingungen. Der Dichtring wurde entfernt und in der Revision 2010 ausgetauscht.Über einen Zeitraum von mehreren Monaten sind mehrere Lagertemperaturmessungen ausgefallen. Die defekten Temperaturmessaufnehmer PT 100 an den Turbinenlagern wurden während der Jahresrevision 2011 gegen Thermoelemente ausgetauscht. Seit der Revision 2011 läuft die Turbine störungsfrei. In der Revision im Januar 2012 wurden sicherheitshalber weitere Thermoelemente nachgerüstet, um eine Redundanz herzustel-len. Damit kann selbst bei Ausfall eines Thermoelements die Turbinenlagertemperatur zuverlässig ermittelt werden.Der bisherige Kesselanlagenbetrieb übertrifft die Erwartungen an die Verfügbarkeit der Anlage. Trotzdem traten im Bereich des Kessels in den ersten Jahren einige Mängel an einzelnen Komponenten auf: So sind aufgrund der Schwergängigkeit der Rollen am Auf-gabeschieber Schrauben an der Schubstange abgerissen. Diese Rollen sind provisorisch getauscht worden. Im nächsten Stillstand wurden diese Rollen konstruktiv geändert und ausgetauscht. Weiterhin gab es diverse Schäden an Messstutzen oberhalb des Ros-tes. Dort sind zehn Messstutzen angeordnet, die aufgrund unzureichender Kühlung thermisch überhitzten und so zu zwei ungeplanten Stillständen führten. Diese Stutzen wurden in der nächsten Revision durch Rohrpaare ersetzt.

Bild 7: Die Abgasreinigung des MKK besteht aus SNCR-Anlage, Sprühabsorber, Umlenkreaktor, Gewebefilter, Saugzuggebläse und Kamin

KalkmilchBetriebswasser

Sprühabsorber

Entfernt:• Chlor• Schwefel• Fluor

HOKKalk-hydrat

Umlenk-reaktor

TeilaustragReaktionsprodukte Rezirkulat aus

GewebefilterRezirkulat Abgeschiedene

Reaktionsprodukte

Saugzuggebläse

KaminEntfernt:• Feststoffe (Reste von Flugasche)

Reaktionen mit HOK und Kalkhydrat

Gewebefilter

Entfernt:• Dioxine• Schwermetalle

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Strategische Ausrichtung der Abfallverbrennung in einem schwierigen Marktumfeld

Ein Defekt an der Kühlung der Ascheaustragsschnecke führte zu einem weiteren Stillstand, nachdem es zu einer Wasserleckage in die Kesselasche kam. Als Folge mussten die Schnecken gereinigt werden. Im Anschluss wurden die Schnecken ohne Kühlung weiter betrieben. Sie wurden ebenfalls im nächsten Stillstand ersetzt. Auch die Aschetransporteinrichtung, die Knollenbrecher und die Sendegefäße wiesen di-verse Mängel auf. Dort gab es nach dem Probebetrieb die häufigsten Störungen. Die Behebung dieser Mängel war sehr zeitaufwendig, da es diverse Diskussionen mit dem Lieferanten über die Probleme und deren Lösungen gab. Aber letztendlich wurden auch diese Restpunkte zufriedenstellend abgearbeitet.Positiv zu vermerken ist, dass es im Bereich der Abgasreinigung keine stillstands-relevanten Störungen gab. Alle Messwerte werden bislang gemäß 17. BImschV sicher eingehalten. Die abschließende Messung zur Verweildauer der Abgase im Reinigungs-system (850 °C, 2 s) wurde nachgewiesen und ergab, dass die Emissionen im Voll- und Teillastbereich immer unterhalb der erlaubten Grenzwerte blieben. Größtenteils liegen sie erheblich unter den zulässigen Werten.

FazitNach jetzt vier Jahren Betrieb des MKK ist swb sehr zufrieden. Alle erforderlichen Abnahmen sind erfolgreich absolviert worden. Die letzten Restpunkte wurden in der Revision Januar 2012 abgearbeitet. Die Verfügbarkeit der Anlage wird mehr als einge-halten. Aufgrund dieser guten Betriebserfahrungen wurde beim MKK noch eine 10 % Leistungssteigerung im Jahre 2012 genehmigt und durchgeführt. Aktuell werden an-statt 127 Tonnen Frischdampf pro Stunde 140 Tonnen pro Stunde erzeugt und in der vorhandenen Turbine verstromt. Ebenso wurde im Rahmen der Genehmigung das Heizwertband nach unten erweitert. Somit werden im MKK derzeit Durchsatzmengen von 900 bis 1.000 Tonnen pro Tag erreicht.Das MKK hat einen R1-Faktor für das Jahr 2010 von 0,74, der im darauf folgenden Jahr 2011 mit einem Wert von 0,75 noch übertroffen wurde. Für das Jahr 2012 wird ein vergleichbar hoher Wert von 0,75 bis 0,76 erwartet. Damit übertrifft das MKK deutlich die Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie, die einen R1-Faktor von 0,6 vorsieht. Hier-bei wird das MKK als Altanlage eingestuft, weil die Baugenehmigung im Jahre 2008, als die R1-Faktoren festgelegt wurden, bereits erteilt worden war. Das MKK wird sich – ebenso wie das MHKW Bremen – zukünftig sicher im oberen Effizienzdrittel aller in Deutschland betriebenen Anlagen bewegen.

Bild 8:

Der Effizienznachweis der Bre-mer Abfallverbrennungsanlagen sichert den Verwerterstatus nach den Vorgaben der Abfall-rahmenrichtlinie

Quelle: UBA

0

0,1

Eigenbedarf aktuell Berechnungsgrundlage

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

0,8

0,9

1,0

R1-Faktor

Umbau Kessel 1+4 40/400

MKK

Strom und Wärme

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ENTSORGUNG UND ERZEUGUNG – MIT ZUKUNFT Den Kohlendioxidausstoß je produzierter Megawattstunde Strom und Fernwärme zu reduzieren, ist politisches Ziel – die primären Brennstoffe durch Abfälle und Reststoffe aus der Abfallaufbereitung zu ersetzen, unsere technische Antwort.

swb betreibt zwei Anlagen – das Müllheizkraftwerk und das Mittelkalorik-Kraftwerk Bremen – mit einer Entsorgungskapazität von 850.000 Mg/a. Entsorgungssicherheit für Bremen und Niedersachsen mit hoher Energie-effizienz und niedrigen Emissionswerten.

swb Entsorgung GmbH & Co. KG0421 359-79 [email protected]

Unbenannt-1 1 11.02.13 15:18