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16. Jg. / Nr. 4 Dezember 2009 ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT MITTEILUNGEN Preis: 1,10 Euro rung der 1.100 Arbeiter und am 16. Jän- ner die Entlassung der gesamten Beleg- schaft zur Folge hatte. 4 Die Behörden reagierten energisch: Begleitet von ei- nem massiven Gendarmerieeinsatz wur- den zahlreiche Verhaftungen vorgenom- men, die Rote Fahne, das Zentralorgan der KPÖ, meldete, dass über Grünbach „der Belagerungszustand“ verhängt wor- den sei. 5 Die der KPÖ nahe stehende proletarische Unterstützungsorganisation Rote Hilfe organisierte Solidaritätsaktio- nen mit den Streikenden. Nach Verhandlungen der Gewerk- schaftskommission mit dem Neunkirch- ner Industriellenverband erklärte sich die Direktion zur Wiederaufnahme des Be- triebes unter der Bedingung bereit, dass die Arbeiterschaft dem Abbau von 60 Ar- beitern und vier Betriebsräten zustimme. Zuvor hatte sie die Entlassung von 236 Arbeitern, aller Verhafteten und von acht Betriebsräten verlangt. 6 Dieser von der Roten Fahne als „Diktat“ charakterisierte Kompromiss wurde am 28. Jänner nach zwei Wochen Streik und Aussperrung in einer Vollversammlung der Belegschaft mit 565 gegen 258 Stimmen bei zehn Stimmenthaltungen abgelehnt. Vor allem die kommunistischen Betriebsräte Franz Honner und Franz Loistl traten den sozial- demokratischen Gewerkschaftsfunk- tionären entgegen und forderten die Kum- pels zu einer Fortführung des Kampfes auf. Da jedoch die Geschlossenheit der Belegschaft nicht mehr gegeben war und die Gewerkschaft ihre Unterstützung ver- weigerte, empfahlen in dieser Situation auch die Kommunisten die Wieder- aufnahme der Arbeit. 7 60 Arbeiter und vier Betriebsräte – unter ihnen auch Hon- ner – wurden entlassen, die Forderung nach einer Lohnerhöhung konnte nicht durchgesetzt werden. Die Rote Fahne be- tonte die gesamtösterreichische Bedeu- tung der Vorfälle und charakterisierte sie als „Probeangriff der Großbourgeoisie mit faschistischen Methoden“. 8 Der allgemeine Niedergang der Partei nach 1927 kam in Grünbach sowohl auf Wiener Juteindustrie im Mai 1931. Im Juli 1931 hatten KommunistInnen gar die Führung des Streiks bei der Firma Neuman in Marktl inne. 1932 spielten kommunistische GewerkschafterInnen beim der Streik der Wiener Seidenfärbe- reibetriebe von Ende Juli bis Dezember eine führende Rolle. Der bedeutendste Streik, an dessen Organisierung KPÖ und RGO in den Jahren der Weltwirtschafts- krise Anteil hatten, fand um die Jahres- wende 1932/33 im Grünbacher Stein- kohlebergwerk statt. Mehr als fünf Wo- chen lang, vom 30. November 1932 bis zum 6. Jänner 1933, standen die Berg- arbeiter im Streik für eine Lohnerhöhung, erhöhte Sicherheitsmaßnahmen und Ver- besserungen des Kollektivvertrages, wo- mit die Bewegung von Beginn an den Charakter eines Offensivkampfes hatte. „Probeangriff der Bourgeoisie“ Die KPÖ war in der niederösterreichi- schen Bergbaugemeinde Grünbach am Schneeberg traditionell gut verankert und seit 1921 auch im Gemeinderat mit Mandaten vertreten. Bereits im Jänner 1925 standen Kommunisten an der Spit- ze einer Streikbewegung, die einen Höhepunkt des Kampfes der KPÖ gegen die „Genfer Sanierung“ – gegen „Hun- gersanierung, Lohndruck und Teuerung“ 2 – darstellte. Der Streik der Arbeiter des seit dem Ersten Weltkrieg zum Schoeller-Konzern gehörenden Steinkohlebergwerks 3 begann am 14. Jänner 1925 mit spontanen Arbeits- niederlegungen, nachdem deren Forde- rung nach einer 15-prozentigen Lohner- höhung abgelehnt worden war und der als Scharfmacher berüchtigte Werksdi- rektor Robert Ott sich geweigert hatte, das Verhandlungsergebnis den Arbeitern selbst mitzuteilen. Ott, der „sich nicht den Anflegelungen des Pöbels ausset- zen“ wollte – wie die Bezirkshaupt- mannschaft Neunkirchen in Zusammen- fassung der Ereignisse berichtete –, wur- de darauf von einer aufgebrachten Men- ge verprügelt, was zunächst die Aussper- I n den Jahren der Weltwirtschaftskrise orientierte die Kommunistische Partei Österreichs auf sozialökonomische Massenkämpfe als Schwerpunkt ihrer Po- litik. Zuvor war sie, vor allem infolge der ultralinken Wendung der Kommunis- tischen Internationale, in die völlige Iso- lation geraten, ihr politischer Einfluss er- reichte 1928/29 ebenso wie der Mitglie- derstand der Partei einen Tiefpunkt. Im wirtschaftspolitischen Tageskampf ge- gen die Auswirkungen der Weltwirt- schaftskrise – in Lohnkämpfen, Streiks und Arbeitslosenaktionen gegen Aus- steuerungen und Unterstützungskürzun- gen – gelang es der Partei in den Jahren 1931 bis 1933, schrittweise aus der Isola- tion auszubrechen und eine Phase der Aufwärtsentwicklung einzuleiten. Im Zuge ihrer 1931 beschlossenen „Wen- dung zur Massenarbeit“ 1 rückte die Vor- bereitung, Organisierung und selbststän- dige Führung der Wirtschaftskämpfe im Betrieb und unter den Arbeitslosen ganz ins Zentrum ihrer Politik. Im Kampf ge- gen die Lohnabbau-Offensive der Unter- nehmer, gegen ihre Angriffe auf die Kol- lektivverträge und gewerkschaftlichen Rechte, gegen Massenentlassungen und Betriebsstilllegungen, gegen Aussteue- rungen und Arbeitsdienstpflicht, Kür- zungen der Notstandsunterstützung und Verschlechterungen in der Sozialversi- cherung sollte die ArbeiterInnenklasse auf künftige Klassenkämpfe vorbereitet und ein revolutionärer Ausweg aus der Wirtschaftskrise geöffnet werden. Das Schwergewicht der Partei wurde im Rahmen dieser Neuorientierung in die Betriebe verlagert. Organisatorische Plattform des Kampfes um die die Ta- gesinteressen der ArbeiterInnenklasse war die so genannte Rote Gewerk- schaftsopposition (RGO). Ab 1931 ge- lang es KPÖ und RGO, in mittleren Be- trieben in Streikaktionen gegen drohende Lohnsenkungen, Entlassungen und Ver- schlechterungen der Arbeitsbedingungen einzugreifen, z.B. in der Pottendorfer Spinnerei im Februar/März und in der Streik im „Todesbergwerk“ Die Streikbewegung im Grünbacher Steinkohlebergwerk 1932/33 MANFRED MUGRAUER

Streik iim „„Todesbergwerk“ - Alfred Klahr Gesellschaft · 2 Beiträge 4/09 betrieblicher und kommunaler Ebene, als auch in organisatorischer Hinsicht zum Ausdruck: Bei den

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16. JJg. // NNr. 44Dezember 22009AALLFFRREEDD KKLLAAHHRR GGEESSEELLLLSSCCHHAAFFTT

MITTEILUNGEN PPrreeiiss:: 11,,1100 EEuurroo

rung der 1.100 Arbeiter und am 16. Jän-ner die Entlassung der gesamten Beleg-schaft zur Folge hatte.4 Die Behördenreagierten energisch: Begleitet von ei-nem massiven Gendarmerieeinsatz wur-den zahlreiche Verhaftungen vorgenom-men, die Rote Fahne, das Zentralorgander KPÖ, meldete, dass über Grünbach„der Belagerungszustand“ verhängt wor-den sei.5 Die der KPÖ nahe stehendeproletarische UnterstützungsorganisationRote Hilfe organisierte Solidaritätsaktio-nen mit den Streikenden.

Nach Verhandlungen der Gewerk-schaftskommission mit dem Neunkirch-ner Industriellenverband erklärte sich dieDirektion zur Wiederaufnahme des Be-triebes unter der Bedingung bereit, dassdie Arbeiterschaft dem Abbau von 60 Ar-beitern und vier Betriebsräten zustimme.Zuvor hatte sie die Entlassung von 236Arbeitern, aller Verhafteten und von achtBetriebsräten verlangt.6 Dieser von derRoten Fahne als „Diktat“ charakterisierteKompromiss wurde am 28. Jänner nachzwei Wochen Streik und Aussperrung ineiner Vollversammlung der Belegschaftmit 565 gegen 258 Stimmen bei zehnStimmenthaltungen abgelehnt. Vor allemdie kommunistischen Betriebsräte FranzHonner und Franz Loistl traten den sozial-demokratischen Gewerkschaftsfunk-tionären entgegen und forderten die Kum-pels zu einer Fortführung des Kampfesauf. Da jedoch die Geschlossenheit derBelegschaft nicht mehr gegeben war unddie Gewerkschaft ihre Unterstützung ver-weigerte, empfahlen in dieser Situationauch die Kommunisten die Wieder-aufnahme der Arbeit.7 60 Arbeiter undvier Betriebsräte – unter ihnen auch Hon-ner – wurden entlassen, die Forderungnach einer Lohnerhöhung konnte nichtdurchgesetzt werden. Die Rote Fahne be-tonte die gesamtösterreichische Bedeu-tung der Vorfälle und charakterisierte sieals „Probeangriff der Großbourgeoisie mitfaschistischen Methoden“.8

Der allgemeine Niedergang der Parteinach 1927 kam in Grünbach sowohl auf

Wiener Juteindustrie im Mai 1931. ImJuli 1931 hatten KommunistInnen gardie Führung des Streiks bei der FirmaNeuman in Marktl inne. 1932 spieltenkommunistische GewerkschafterInnenbeim der Streik der Wiener Seidenfärbe-reibetriebe von Ende Juli bis Dezembereine führende Rolle. Der bedeutendsteStreik, an dessen Organisierung KPÖ undRGO in den Jahren der Weltwirtschafts-krise Anteil hatten, fand um die Jahres-wende 1932/33 im Grünbacher Stein-kohlebergwerk statt. Mehr als fünf Wo-chen lang, vom 30. November 1932 biszum 6. Jänner 1933, standen die Berg-arbeiter im Streik für eine Lohnerhöhung,erhöhte Sicherheitsmaßnahmen und Ver-besserungen des Kollektivvertrages, wo-mit die Bewegung von Beginn an denCharakter eines Offensivkampfes hatte.

„„PPrroobbeeaannggrriiffff ddeerr BBoouurrggeeooiissiiee““Die KPÖ war in der niederösterreichi-

schen Bergbaugemeinde Grünbach amSchneeberg traditionell gut verankertund seit 1921 auch im Gemeinderat mitMandaten vertreten. Bereits im Jänner1925 standen Kommunisten an der Spit-ze einer Streikbewegung, die einenHöhepunkt des Kampfes der KPÖ gegendie „Genfer Sanierung“ – gegen „Hun-gersanierung, Lohndruck undTeuerung“2 – darstellte. Der Streik derArbeiter des seit dem Ersten Weltkriegzum Schoeller-Konzern gehörendenSteinkohlebergwerks3 begann am14. Jänner 1925 mit spontanen Arbeits-niederlegungen, nachdem deren Forde-rung nach einer 15-prozentigen Lohner-höhung abgelehnt worden war und derals Scharfmacher berüchtigte Werksdi-rektor Robert Ott sich geweigert hatte,das Verhandlungsergebnis den Arbeiternselbst mitzuteilen. Ott, der „sich nichtden Anflegelungen des Pöbels ausset-zen“ wollte – wie die Bezirkshaupt-mannschaft Neunkirchen in Zusammen-fassung der Ereignisse berichtete –, wur-de darauf von einer aufgebrachten Men-ge verprügelt, was zunächst die Aussper-

In den Jahren der Weltwirtschaftskriseorientierte die Kommunistische ParteiÖsterreichs auf sozialökonomische

Massenkämpfe als Schwerpunkt ihrer Po-litik. Zuvor war sie, vor allem infolge derultralinken Wendung der Kommunis-tischen Internationale, in die völlige Iso-lation geraten, ihr politischer Einfluss er-reichte 1928/29 ebenso wie der Mitglie-derstand der Partei einen Tiefpunkt. Imwirtschaftspolitischen Tageskampf ge-gen die Auswirkungen der Weltwirt-schaftskrise – in Lohnkämpfen, Streiksund Arbeitslosenaktionen gegen Aus-steuerungen und Unterstützungskürzun-gen – gelang es der Partei in den Jahren1931 bis 1933, schrittweise aus der Isola-tion auszubrechen und eine Phase derAufwärtsentwicklung einzuleiten. ImZuge ihrer 1931 beschlossenen „Wen-dung zur Massenarbeit“1 rückte die Vor-bereitung, Organisierung und selbststän-dige Führung der Wirtschaftskämpfe imBetrieb und unter den Arbeitslosen ganzins Zentrum ihrer Politik. Im Kampf ge-gen die Lohnabbau-Offensive der Unter-nehmer, gegen ihre Angriffe auf die Kol-lektivverträge und gewerkschaftlichenRechte, gegen Massenentlassungen undBetriebsstilllegungen, gegen Aussteue-rungen und Arbeitsdienstpflicht, Kür-zungen der Notstandsunterstützung undVerschlechterungen in der Sozialversi-cherung sollte die ArbeiterInnenklasseauf künftige Klassenkämpfe vorbereitetund ein revolutionärer Ausweg aus derWirtschaftskrise geöffnet werden.

Das Schwergewicht der Partei wurdeim Rahmen dieser Neuorientierung indie Betriebe verlagert. OrganisatorischePlattform des Kampfes um die die Ta-gesinteressen der ArbeiterInnenklassewar die so genannte Rote Gewerk-schaftsopposition (RGO). Ab 1931 ge-lang es KPÖ und RGO, in mittleren Be-trieben in Streikaktionen gegen drohendeLohnsenkungen, Entlassungen und Ver-schlechterungen der Arbeitsbedingungeneinzugreifen, z.B. in der PottendorferSpinnerei im Februar/März und in der

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MANFRED MUGRAUER

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betrieblicher und kommunaler Ebene, alsauch in organisatorischer Hinsicht zumAusdruck: Bei den Betriebsratswahlenging die Stimmen- und Mandatszahl derRGO in Jahren 1928 bis 1930 von 308bzw. fünf auf 167 bzw. zwei zurück.9

Von den vier im Jahr 1924 errungenenGemeinderatsmandaten konnten 1929nur zwei gehalten werden.10 Die Mitglie-derzahl der Grünbacher Parteigruppesank von 139 im Jänner 1927 auf 29 imJänner 1929.11 Ab 1931 machte sichauch in Grünbach die Aufwärtsentwick-lung der Partei bemerkbar: Bei den Be-triebsratswahlen am 24. Juli 1931 erhieltdie RGO 334 der 876 abgegebenen Stim-men und konnte sich gegenüber 1930von zwei auf fünf Mandate steigern,12

die auch im Folgejahr gehalten werdenkonnten: So standen bei den Wahlen am13. August 1932 342 Stimmen für dieRGO 543 für die sozialdemokratischeListe (acht Mandate) und 65 für dieNazi-Liste gegenüber (ein Mandat).13

VVoomm UUllttiimmaattuumm zzuurr UUrraabbssttiimmmmuunngg

Unmittelbarer Anlass des am 30. No-vember 1932 im Grünbacher Kohleberg-werk ausgebrochenen Streiks war eintödlicher Arbeitsunfall, der auf die man-gelnden Sicherheitsvorkehrungen unddie Antreiberei der Direktion zurückzu-führen war. Allein im Ostfeld, wo insge-samt 500 Arbeiter beschäftigt waren, er-eigneten sich im Jahr 1932 501 Unfälle.Aufgrund der Arbeitshetze waren 1932insgesamt sieben Todesopfer zu bekla-

digte die Belegschaft im Oktober 1932auf Initiative der RGO den Kollektivver-trag und forderte als Ausgleich für dieLohnsenkungen der Vorjahre eine zehn-prozentige Lohnerhöhung.18 Verhand-lungen über diese Forderung wurden sei-tens der Direktion wochenlang ver-schleppt.19 Sie kamen erst zustande,nachdem auf Druck der RGO-Gruppeund der RGO-Betriebsräte von der sozi-aldemokratischen Betriebsratsmehrheiteine Betriebsvollversammlung für den13. November einberufen worden war, inder ultimativ die sofortige Festsetzungvon Verhandlungen gefordert wurde.20

Am 15. und 24. November erklärten je-doch die Vertreter des Werks gegenüberdem Metall- und Bergarbeiterverband imBeisein der Betriebsräte, dass eine Lohn-erhöhung angesichts der weltweit herr-schenden Krise unmöglich sei.21 Die For-derungen wurden „schroff abgewiesen“,wie der Neunkirchner Bezirksbote, dassozialdemokratische Regionalblatt, überdie Verhandlungen beim NeunkirchnerIndustriellenverband berichtete.22 DieUnternehmer hätten sich geweigert,„über diese Forderungen auch nur zu ver-handeln“, vermeldete die Rote Fahne.23

Nachdem in dieser Situation der HäuerJosef Haller am 25. November mit sei-nem Förderwagen in den Stapelschachtstürzte und nur mehr tot geborgen wer-den konnte,24 wurde in einer von denRGO-Betriebsräten am selben Tag ein-berufenen Schachtversammlung einstim-mig ein bis 27. November befristetes Ul-timatum an die Direktion beschlossen,endlich die Lohnforderung zu erfüllen.Sollten bis dahin die Forderungen derArbeiter nicht bewilligt werden, so solltetags darauf, am Montag, der Streik be-ginnen.25 Haller war am selben Tag un-mittelbar vor seinem Unfall von einemIngenieur für den Fall, dass er nicht mehrleisten würde, die Kündigung angedrohtworden, was die Antreiberei im Betriebdeutlich machte. Als nach der ablehnen-den Antwort des Unternehmens alle Zei-chen auf Streik standen, startete dersozialdemokratische Zentralsekretär derSektion Bergbau im Metall- und Bergar-beiterverband Franz Melkes eine Initiati-ve, die auf eine Verhinderung des Streikshinauslaufen sollte: In der Belegschafts-versammlung am Sonntag, den 27. No-vember, in der nach Zurückweisung desUltimatums durch das Unternehmen ent-scheidende Beschlüsse gefasst werdensollten, trat die RGO mit der Parole„Streik zur Durchsetzung der Forderun-gen!“ auf.26 Damit sollte der zwei Tagezuvor gefasste Beschluss der Schacht-

gen, der Betrieb wurde zum „Todesberg-werk“. Die Rote Fahne rechnete vor,dass im Zuge der Rationalisierung in denJahren 1923 bis 1931 die Belegschaft imSteinkohlebergbau um ca. 40 Prozentzurückgegangen, die Leistung der Arbei-ter und die Jahresförderung jedoch um45 Prozent gestiegen waren. In Grünbachsoll die Kohleproduktion gar um 150Prozent gesteigert worden sein, währenddie Zahl der Bergarbeiter von 1.600 auf1.060 reduziert worden war. Trotz guterKonjunktur und günstiger Auftragslagewaren die Löhne in den beiden Vorjah-ren um bis zu 30 Prozent gesenkt wor-den.14 „Aus dem Blut und den Knochender Bergarbeiter haben Schöller und Ottdie Dividenden für die Herren des Be-triebes herausgeschunden“, prangerte dieStreikzeitung der RGO das Antreiber-und Ausbeutertum in Grünbach an.15

Gleichermaßen für Erregung sorgte diebewusste Durchbrechung des Kollektiv-vertrages durch die Direktion: So nahmDirektor Ott, der sich selbst gerne als„der Gott von Grünbach“ bezeichnete,16

nur solche Arbeiter auf, die auf den kol-lektivvertraglichen Grundlohn verzichte-ten. Da der Kollektivvertrag vorsah, dassVerheiratete eine Hausstandszulage zuerhalten haben, wurden verheiratete Ar-beitssuchende abgewiesen bzw. indirektgezwungen, sich als ledig auszugeben.Neuaufgenommenen verheirateten Ar-beitern wurde die kollektivvertraglichfestgesetzte Deputatkohle verweigert.17

Vor dem Hintergrund dieser prekärenLohn- und Sicherheitsverhältnisse kün-

Bergarbeiterdemonstration in Grünbach im Jänner 1925. Vorne (von links): FranzHonner, Franz Loistl, Hans Schöpf, Fritz Lauscher (ZPA der KPÖ, Bildarchiv).

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Belegschaft in einem Flugblatt der Ver-trauensmänner und Betriebsräte der sozi-aldemokratischen Freien Gewerkschaftauf die „Eventualitäten“ aufmerksam ge-macht wurde, „die aus diesem Kampfentstehen können“: „Wir warnen […] dieKollegenschaft, auf eine von den Kom-munisten betriebene Demagogie einzu-gehen und sich bei der […] Urabstim-mung nur von ihrer eigenen Vernunft undDurchhaltungsmöglichkeit leiten zu las-sen!“, wurde darin gegen die kommunis-tische Streikparole Position bezogen.33

AAuussssppeerrrruunngg uunndd „„MMaasssseennssttrreeiikkppoosstteenn““

Nach dem in der Urabstimmung gefas-sten Streikbeschluss standen am Montagder Förderschacht und die Hunte still.Kein einziger Arbeiter fuhr am Morgendes 30. November zur Frühschicht ein.Die Direktion antwortete auf den Streikmit der Aussperrung der Arbeiter. DieSchachtanlagen wurden von der Gendar-merie besetzt. Alle Arbeiter, die sichnicht zur Schicht meldeten, wurden fürentlassen erklärt. „Die Belegschaft quit-tierte diese Kundmachung mit Geläch-ter“, berichtete die Rote Fahne über diegeschlossene Streikfront.34 Zugleich ließdie Direktion verlautbaren, dass am3. Dezember die Auszahlung der ausste-henden Löhne stattfinden solle. Dabeiseien auch die Grubenlampen abzugeben.Die 500 unverheirateten Bergmänner, diein den „Ledigenheimen“ des Werkeswohnten, hätten die Wäschesorten abzu-geben, andernfalls würden ihnen zehnbzw. 15 Schilling abgezogen werden. Be-absichtigt war also die vollständige Ent-lassung und Abrechnung der Arbeiter.Nachdem die Bezirkshauptmannschaftvor diesem Hintergrund „ernste Unru-hen“ befürchtete, ersuchte sie die Landes-regierung um die Zuweisung weiterer 20bis 25 Gendarmen. Um die Lage vor Ortunter Kontrolle zu behalten, genehmigteder Staatssekretär für SicherheitswesenEmil Fey der Entsendung der Schulabtei-lung der Gendarmerie nach Grünbach,für den Fall größerer Unruhen wurdeüberdies die Zustimmung des Heeresmi-nisteriums zur Inanspruchnahme derWiener Neustädter Garnison eingeholt.35

Im weiteren Verlauf wurde Grünbachvon insgesamt 120 Gendarmen besetzt.36

Als dann bei der Auszahlung am3. Dezember der Abrechnung keine Ent-lassungsscheine beigefügt waren, wurdedies von der Roten Fahne „als ein Rück-zug der Direktion“ gewertet. Vielmehrwaren den Lohnkuverts ein Schreibenvon Philipp Schoeller, dem Präsidenten

der Grünbacher Steinkohlenwerke-A.G.und geschäftsführenden Verwaltungsratder Schoeller-Bleckmann StahlwerkeA.G.,37 beigelegt, in dem er um ein ra-sches Ende des Streiks ersuchte. Wie vonder Bezirkshauptmannschaft gefordert,wurden zu diesem Anlass Überfallsautosund die Schulmannschaft der Gendarme-rie, ausgerüstet mit Stahlhelmen, ausWien nach Grünbach dirigiert. Vor demHintergrund der Konzentration dieses„riesigen Gendarmerieaufgebots“38 gingdie Auszahlung ruhig vor sich, die Gru-benlampen wurden „anstandslos abgelie-fert“ bzw. die „hiefür festgesetzten Ab-züge“ hingenommen.39

Die Direktion beabsichtigte, den Be-trieb mit neu aufgenommenen Arbeiternaus der Steiermark und Zillingdorf weiter-zuführen.40 Die Anwerbung von Streik-brechern scheiterte jedoch an der solidari-schen Haltung der Arbeitslosen. Eine vonder RGO einberufene Versammlung derarbeitslosen Bergarbeiter von Zillingdorf,wo 1931 das Braunkohlewerk geschlos-sen und alle Arbeiter gekündigt wordenwaren,41 protestierte gegen die Absichtder Industriellen BezirkskommissionWiener Neustadt, Streikbrecher von Zil-lingdorf nach Grünbach zu vermitteln.42

Als die Direktion am 5. Dezember ver-lautbarte, in der Werkkanzlei 200 Arbei-ter aufzunehmen, erschien infolge der So-lidarität der Arbeitslosen kein einzigerStreikbrecher.43 Es blieb zunächst bei„fünf ärmlichen Kreaturen“, die von Be-ginn an Streikbruch verübten.44

Als am 14. Dezember weitere Streik-brecher aufgenommen wurden, die unterGendarmerieschutz im Schachtgebäudeeinquartiert wurden,45 kam es abends zuheftigen Zusammenstößen zwischenStreikenden und Streikbrechern. EinigeStreikbrecher wurden verprügelt, zweimussten sogar in das Sanitätszimmer ge-bracht werden. Zwei Streikende wurdenverhaftet, jedoch tags darauf wieder frei-gelassen. Die Rote Fahne berichtete,dass vier aus Breitenau angeworbenenStreikbrecher Grünbach darauf wiederverlassen und der Arbeiterschaft dasVersprechen gegeben hätten, die Streik-brecherarbeit einzustellen.46 Der revolu-tionären Streikleitung gelang es auch inweiterer Folge mit „Massenstreikposten“die Bemühungen der Direktion, den Be-trieb mit Streikbrechern weiterzuführen,zu vereiteln. Gleich zu Beginn derStreikbewegung wurde in einer Ver-sammlung der Bergarbeiterfrauen einKampfkomitee gewählt, die sich ebensofür Streikpostendienste zur Verfügungstellten.47 Als am 19. Dezember acht aus-

versammlung bestätigt werden, im Falleiner negativen Antwort der Direktionden Streik zu proklamieren. Angesichtsder entschlossenen Kampfstimmung derArbeiter argumentierte Melkes zunächstoffen gegen einen Streikbeschluss, mitHinweis auf die „schlechte Konjunktur-lage“. Er erklärte, die Gewerkschaft kön-ne keine Verantwortung übernehmenund im Falle eines Streiks nur die ge-werkschaftlich organisierten Arbeiterunterstützen. Von den insgesamt knapp1.050 Arbeitern waren 750 erschienen,weshalb Melkes mit Hinweis auf die feh-lenden 300 Arbeiter für eine Verschie-bung der Beschlussfassung und eine Ur-abstimmung am Dienstag, den 29. No-vember, eintrat. Seine ebenso erhobeneForderung, dass der Streik nur mit einerDreiviertelmehrheit beschlossen werdenkönne,27 war ganz offensichtlich von derÜberlegung geleitet, dass eine solchdeutliche Mehrheit letztlich nicht zustan-de kommen werde. Bereits in der Phaseder Verhandlungen mit dem Unterneh-merverband hatte der Gewerkschaftsfüh-rer versucht, „die bei der Arbeiterschaftvorhandene Kampfstimmung abzuwür-gen“, und war im Rahmen einer Beleg-schaftsversammlung am 20. Novembermit Hinweis auf die bevorstehende näch-ste Verhandlungsrunde am 24. gegen ei-nen Streik aufgetreten.28 Die Rote Fahnewarnte vor diesem Hintergrund vor wei-teren „Bremsversuche(n) und Be-schwichtigungsmanöver(n)“29 der Ge-werkschaftsfunktionäre. In der entschei-denden Belegschaftsversammlung am27. November gelang es Melkes jedoch,nachdem 300 Arbeiter die Versammlungbereits verlassen hatten, seinen Antragauf Durchführung einer Urabstimmungdurchzusetzen. „Wiewohl sich diesemVorschlag ursprünglich die Kommuni-sten widersetzten, schlossen auch siesich ihm schließlich doch an“, berichtetedie Bezirkshauptmannschaft Neun-kirchen an die Landesregierung.30

An der Urabstimmung am 29. Novem-ber 1932 beteiligten sich 988 der 1.026Arbeiter. 817 stimmten für den Streikund 166 dagegen,31 womit sich – gegenden Willen der sozialdemokratischenGewerkschaftsführung – 82 Prozent derzur Abstimmung erschienenen Arbeiterfür eine Niederlegung der Arbeit aus-sprachen und tatsächlich die von Melkesgeforderte Dreiviertelmehrheit übertrof-fen wurde. „Lasst Euch nicht längerzurückhalten! Schlagt los! […] Stimmtgeschlossen bei der Urabstimmung fürden Streik!“, hatte die RGO zuvor in ei-nem Flugblatt gefordert,32 während die

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wärtige Arbeiter die Arbeit aufnehmenwollten, besetzten Streikposten die Zu-gangswege zum Schacht, worauf dieStreikbrecher den Rückzug antreten mus-sten.48 Die Grünbacher „haben die Streik-brecher aus dem Betrieb geholt, obwohldie Gendarmerie einen wahren Belage-rungszustand über die Arbeiterkolonieverhängt hat. Jeden Tag stehen jetzt Mas-sen-Streikposten auf den Zufahrtsstraßen,denen es auch gelingt, die paar Streik-brecher abzuhalten. Wenn einmal aufUmwegen doch ein paar zum Schacht ge-raten, so werden sie am nächsten Tagherausgeholt“, berichtete die kommunis-tische Illustrierte Rote Woche.49 Jenesechs Streikbrecher, denen es gelang,dennoch in den Betrieb zu kommen, wur-den in der Roten Fahne namentlich anden Pranger gestellt.50 Am 24. Dezemberwurden die Streikbrecher, die unter Gen-darmeriebegleitung den Betrieb ver-ließen, von den Streikenden mit Steinenbeworfen, worauf die Gendarmerie mitVerhaftungen reagierte.51 Zum Jahres-wechsel arbeiteten unter starker Gendar-meriebedeckung 16 Streikbrecher im Be-trieb, wobei es sich dabei ausschließlichum auswärtige angeworbene Arbeiterhandelte,52 die mit den hiesigen BeamtenErhaltungsarbeiten durchführten.

RReevvoolluuttiioonnäärree SSttrreeiikklleeiittuunnggDie zentrale Entwicklungsfrage der

Grünbacher Streikbewegung war die Ge-schlossenheit der Belegschaft, der ein-heitliche Charakter ihrer Führung unddamit im Zusammenhang die Politik dersozialdemokratisch geprägten Gewerk-schaft. Insgesamt verfolgte die Gewerk-schaftsführung in den Jahren der Welt-wirtschaftskrise eine „kooperative Kri-senstrategie“ und verlangte von den Ar-beiterInnen „wirtschaftliche Mäßigungund politische Disziplin“.53 Ihre Kon-sens- und Kapitulationspolitik war maß-geblich verantwortlich für die sinkendeWiderstandskraft der ArbeiterInnenbe-wegung gegen den autoritären Kurs ihres„antimarxistischen“ Gegenübers aus Un-ternehmern und bürgerlichen Parteien.Die Zahl der Gewerkschaftsmitgliederging in den Jahren der Weltwirtschafts-krise ebenso drastisch zurück wie dieAnzahl der Streikkämpfe. Wurden 1929noch ca. 200 Ausstände gezählt mit23.800 Streikenden und 286.000 ver-säumten Arbeitstagen, so sank diese Zahlim Jahr 1930 auf 83 Streiks mit 6.170Beteiligten. 1931 ging die Anzahl orga-nisierter Arbeitsniederlegungen auf 56zurück (8.500 Streikende), 1932 und1933 zählte man nur noch 30 bzw. 23

mobilisierten. Die RGO war die Initiato-rin des Ultimatums an die Direktion undauch der Streikbeschluss war letztlich ih-rer Agitation geschuldet. Zur Wahl einerStreikleitung kam es jedoch erst in derBelegschaftsversammlung am 27. No-vember. Zwar hatte die Rote Fahne be-reits vor Beginn der Verhandlungen mitdem Unternehmerverband die Wahl ei-ner Kampfleitung gefordert, „in welcheralle politischen und gewerkschaftlichenGruppierungen der Grünbacher Bergar-beiter sowie die Unorganisierten vertre-ten sein müssen“,57 jedoch gelang es ihrin dieser frühen Phase des Arbeitskamp-fes nicht, diese Zielsetzung in die Tatumzusetzen. Die Grünbacher Genossenmussten vor diesem Hintergrund gar eineöffentliche Schelte des eigenen Zentral-organs einstecken, wurde doch in der Ro-ten Fahne kritisiert, dass die RGO-Grup-pe in der Belegschaftsversammlung am20. November „den Brems- und Abwür-gungsversuchen des Reformisten Melkesnicht genügend scharf entgegen“ getre-ten sei, „um sich nicht in den Verdachtzu setzen, daß man sie als ,Spalter‘ derEinheitsfront bezeichne“. Dieser „Op-portunismus“ der Grünbacher Genossenhabe „Melkes die Hinausschiebung einesKampfbeschlusses ermöglicht“.58

Letztlich führte die Frage der Streiklei-tung bereits in der Anfangsphase zu ei-ner Spaltung der Kampffront: Als in derBelegschaftsversammlung am 27. No-vember, zwei Tage vor dem Streik-beschluss, eine Streikleitung aus 25Mann gewählt wurde, geschah dies zu ei-nem Zeitpunkt, als Melkes nach Durch-setzung der Urabstimmung die Sitzungbereits demonstrativ verlassen hatte.59

Nach den Vorstellungen von KPÖ undRGO sollte diese aus kommunistischen,sozialdemokratischen und parteilosenArbeitern bestehende Streikleitung in ei-ner bevorstehenden Streikversammlungerweitert werden. Von jeder Einflussnah-me sollten jedoch jene ausgeschlossenbleiben, die im Vorfeld des Kampfes sei-nen Ausbruch zu verhindern versuchthatten „und sich erst jetzt in verdächtigerWeise an die Streikenden heranzumachenversuchen werden“, nämlich „die refor-mistischen Bürokraten und die von ihnenentsandten Lakaien“.60 Gegenüber derAuffassung der RGO, dass die Streiklei-tung von der Arbeiterschaft gewählt wer-den müsse, standen die Gewerkschafts-sekretäre auf dem Standpunkt, dass diesein den Händen des Betriebsrates und derGewerkschaftsleitung liegen müsse undnur sie zu Verhandlungen berechtigt sei-en. Dahingehend trat in einer ersten

Streiks mit 5.400 bzw. 5.000 Teilnehme-rInnen.54 Die kommunistische Agitationrichtete sich demgemäß gegen die sozial-demokratische „Gewerkschaftsbürokra-tie“ und einzelne Betriebsräte, die ver-suchten, die Kampfstimmung der Beleg-schaft zu bremsen, einen Verhandlungs-kompromiss zu erzielen bzw. bereits aus-gebrochene Streiks mit Manövern abzu-würgen. Dies belegten die Erfahrungenaus den Streikkämpfen in Pottendorf undder Juteindustrie im Jahr 1931 und denWiener Seidenfärbereien in der zweitenJahreshälfte 1932 und sollte sich aucham Grünbacher Beispiel bestätigen.

Die Auseinandersetzungen zwischenden freigewerkschaftlichen Funktionärenund der RGO kreisten in Grünbachzunächst vor allem um die Frage, wer dieFührung des Streiks innehabe. Vorrangi-ges Ziel der Kommunisten war es, eineunter ihrem Einfluss stehende Streiklei-tung zu etablieren, von der die sozial-demokratischen Gewerkschaftsfunk-tionäre ausgeschlossen bleiben sollten.Insgesamt stand die Bildung revolutionä-rer Kampfleitungen als Organe der „Ein-heitsfront von unten“ im Mittelpunkt derseit 1929 verfolgten kommunistischenStreiktaktik. Sie sollten von den Arbeite-rInnen in Vollversammlungen zur Vorbe-reitung bzw. selbstständigen Führung dersozialökonomischen Kämpfe gewähltwerden, da „der reformistische Gewerk-schaftsapparat und der übergroße Teil derBetriebsräte zu einem Hemmnis derKämpfe der Arbeiter“ geworden seien.55

Zwar wurde aus den kommunistischbeeinflussten Streikkämpfen des Jahres1931, u.a. aus dem Streik in der Potten-dorfer Baumwohlspinnerei und in derWiener Juteindustrie, die Lehre gezogen,dass die Führung dieser von der RGO in-itiierten Kämpfe nur dann behauptetwerden könne, wenn schon im Vorfeldrechtzeitig Kampfleitungen geschaffenwerden würden. Dennoch wurde inGrünbach die frühzeitige Bildung einesKampfausschusses, der bei Streikaus-bruch in eine Streikleitung umgewandelthätte werden können, außer Acht gelas-sen, was zu einem späteren Zeitpunktselbstkritisch reflektiert wurde.56 Sowurde zwar bereits im Oktober auf In-itiative der RGO die Kündigung des Kol-lektivvertrages beschlossen, die in die-sem Zuge erhobenen Lohnforderungenwurden von der RGO vorgeschlagen.Die entscheidenden Belegschaftsver-sammlungen wurden von denkommunistischen Gewerkschaftern ein-berufen, die auf die Auslösung von Teil-kämpfen hinarbeiteten und für den Streik

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Streikversammlung am 30. Novemberauch der Gewerkschaftssekretär Kohnauf, der anstelle des offenbar diskreditier-ten Melkes erschienen war. Im Gegensatzzu Melkes gebärdete sich Kohn dort„sehr radikal“61 und ließ „eine andereWalze laufen“: „Wie bei allen Streiks“,so die Einschätzung der RGO, „war esauch hier. Nachdem die Arbeiter gegenden Willen der Gewerkschaftssekretärein den Streik getreten waren, versuchtennun diese Gegner des Streiks sich an dieSpitze des Kampfes zu stellen, um ihnmöglichst rasch abwürgen zu können.“62

Da die RGO jedoch entschieden dage-gen auftrat, dass jene Gewerkschafts-funktionäre, die gegen den Streikaus-bruch agitiert hatten, in die Streikleitungaufgenommen werden würden, konntein dieser Streikversammlung keine Eini-gung über die Führung des Kampfes er-zielt werden. Streikgegnern kritiklos dieFührung des Streiks zu überlassen, hieße„den Bock zum Gärtner machen“, soFranz Honner, der in seiner Eigenschaftals Gewerkschaftssekretär der KPÖ undLeiter der RGO-Arbeit an der Streik-bewegung Anteil nahm.63 NachdemKohn während der Rede von Honner de-monstrativ die Versammlung verlassenhatte und infolge dieser „Sprengungs-und Spaltungsversuche“ keine Beschlüs-se gefasst werden konnten,64 wurde vonder RGO am Abend des 1. Dezember ei-ne Versammlung einberufen, in der vonden dort anwesenden 300 Arbeitern dieStreikleitung auf 75 Mitglieder – Kom-munisten, Sozialdemokraten und Partei-lose – erweitert wurde.65 Honner hielthier eine „mehrstündige Rede“, in der er– laut einer Reportage der Roten Fahne– die Anwesenden „überzeugte, daß ein-zig und allein der Weg der RGO. zumSieg führt“.66 Diese Streikleitung be-trachtete sich selbst als provisorisch undsollte – zur endgültigen Klärung dieserAngelegenheit – erst in einer vom Be-triebsrat einberufenen neuerlichen Be-legschaftsversammlung am 3. Dezemberbestätigt werden.67

Zu einer solchen Vollversammlungzur Wahl einer einheitlichen Streiklei-tung sollte es jedoch nicht kommen. Dieexakten Hintergründe der Ereignisse biszum 3. Dezember lassen sich aus denvorhandenen Quellen aufgrund einigerWidersprüche in der zeitgenössischenBerichterstattung nicht klären: Nachdemam 30. November keine Einigung erzieltwerden konnte und die RGO in Reaktiondarauf eine Streikleitung hatte wählenlassen, kam überraschend ein paritätischzusammengesetztes Streikkomitee aus

Kommunisten und Sozialdemokratenzustande, dessen Existenz jedoch nurvon kurzer Dauer war. In der Streikzei-tung war zu lesen, dass die Bildung ei-ner Streikleitung aus 150 Arbeitern undden Betriebsräten am 30. November aufAntrag von Honner beschlossen wordensei,68 was jedoch vor dem Hintergrundder Ereignisse unwahrscheinlich er-scheint und auch sonst in der Berichter-stattung der Roten Fahne keinen Nieder-schlag fand. Dort wurde vielmehr ver-meldet, dass die „reformistischen Büro-kraten“ bereits nach der Streikversamm-lung am 30. November eine eigeneStreikleitung mit den reformistischenBetriebsräten und dem Gewerkschafts-sekretär „zusammengeschoben“ hätten,deren geplante erste Sitzung am 1. De-zember jedoch mit der Begründung ab-gesagt wurde, dass „ohnehin nichts Neu-es los sei“.69 Tags darauf war von Ver-suchen der „Reformisten“ zu lesen, nachder Wahl der RGO-nahen Streikleitungam 1. Dezember „eine ihnen ergebeneStreikleitung zusammenschieben (zu)lassen“, um diese „mit der bereits ge-wählten Streikleitung (zu) vereinigen“.70

Im Rückblick war von einem „Einheits-manöver“ der Gewerkschaftsbürokratiedie Rede, die eine Streikleitung aus Be-triebsrat, örtlicher Gewerkschaftsleitungund je 50 „reformistischen“ und RGO-nahen Arbeitern propagierte.71

Letztere Variante scheint die nahe lie-gende Vermutung zu bestätigen, dasssich die Gewerkschaftsführung der man-gelnden Autorität ihrer „von oben“ einge-setzten Streikleitung bei den Arbeiternbewusst gewesen sein dürfte und zurWahrung ihres Einflusses hinter den Ku-lissen den Vorschlag lanciert hat, eine pa-ritätische Leitung einzusetzen. Zuberücksichtigen ist, dass nur 160 derknapp 1.050 Grünbacher BergarbeiterGewerkschaftsmitglieder waren und vondiesen wiederum einige der RGO an-gehörten und damit der Sozialdemokratienicht nahestanden.72 Der organisierte

Einfluss der Gewerkschaft war demnachbescheiden. Die RGO schätzte die Zahlder Anhänger von Kohn auf insgesamtca. 20073 und führte den geringen Anteilgewerkschaftlich organisierter Arbeiterauf die Abwürgung des Streiks im Jahr1925 durch die Gewerkschaftsbürokratiezurück.74 Die Arbeiter-Zeitung wiederumschrieb den geringen Anteil der Gewerk-schaftsmitglieder auf die „in Wirklichkeitkonterrevolutionäre, nur die Unterneh-merfront stärkende Hetze“ der RGO zu.75

Die Behörden gingen von etwa 300 orga-nisierten Arbeitern aus, die entweder demMetall- und Bergarbeiterverband, derRGO oder der NS-Betriebszelle angehör-ten und von diesen Organisationen eineUnterstützung bezogen.76 Als dann am3. Dezember 50 Mitglieder der von derRGO initiierten Streikleitung mit 50 ge-werkschaftstreuen Arbeitern, der Orts-gruppenleitung der Gewerkschaft unddem Betriebsrat zu einer ersten Sitzungzusammentraten, erhob der Betriebsrats-obmann Harrer die bereits bekanntesozialdemokratische Forderung, dass ei-ne „engere Streikleitung“ bestehend ausdem Betriebsrat und dem Gewerkschafts-ausschuss gebildet werden solle, was dieeben erfolgte Etablierung einer paritäti-schen Streikleitung als Manöver enttarn-te. Zugleich gestand Harrer ein, dass erbei der Urabstimmung dagegen gestimmthabe und auch jetzt noch gegen denStreik sei. Die Betriebsratssitzung unddie von der RGO geforderte Beleg-schaftsversammlung zur Bestätigung derStreikleitung wurden abgesagt. Da diesvon der RGO nicht akzeptiert werdenkonnte und sie auf einer Wahl der Streik-leitung durch die Gesamtbelegschaft be-harrte, endete die Sitzung ergebnislos.77

Nachdem die SP-Betriebsräte und sozi-aldemokratischen Mitglieder der Streik-leitung die Sitzung des paritätischen Ko-mitees verlassen hatten,78 hielt die be-reits bestehende revolutionäre Streiklei-tung am 3. Dezember ihre konstituieren-de Sitzung ab, in der eine Exekutive und

Streikzeitung der revolutionären Streikleitung der Grünbacher Bergarbeiter.

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verschiedene Kommissionen gebildetwurden, u.a. ein Streikschutzkomitee zurAufstellung von Streikposten, ein Soli-daritätsausschuss, eine Kommission fürPropaganda sowie eine Frauen- und Ju-gendkommission. Die Streikleitung zogvom Arbeiterheim in das als RGO-Lokalfungierende Gasthaus Jägersberger, dassich in der Nähe der Schachtanlage ne-ben den Wohnbaracken befand.79 DieRGO rief dazu auf, dieser von der Beleg-schaft gewählten Streikleitung Vertrauenzu schenken und nur ihr die Vollmachtzur Führung von Verhandlungen zuzuge-stehen. Gleichzeitig warnte sie vor wei-teren Manövern, Spaltungs- und Abwür-gungsversuchen der „reformistischenBürokraten“.80 Am 5. Dezember wurdedie revolutionäre Streikleitung in einerBelegschaftsversammlung neuerlich be-stätigt. Bei den 400 anwesenden Strei-kenden soll es sich um fast alle Arbeitergehandelt haben, die in Grünbach selbstwohnten. Laut Behördenbericht sprachin dieser Versammlung neben Honnerauch der kommunistische Betriebsrat-sobmann der Wiener Schuhfabrik Zeilin-ger81 Wilhelm Kment. Die Gewerk-schaftssekretäre waren nicht mehr er-schienen.82 Hinsichtlich der Auseinan-dersetzungen über die Führung desStreiks berichtete der Bezirkshauptmannvon Neunkirchen, dass die Sozialdemo-kraten „die Leitung ganz in gewerk-schaftl. Hände legen (wollen), event. un-ter Zuziehung von ein paar Kommunis-ten. […] Die Sozialdem. sagen, sie wol-len sich von Weibern nicht führen lassen.Es scheint nämlich, dass auf kommun.Seite die Weiber kommandieren“, soHofrat Lukas an die Niederösterreichi-sche Landesamtsdirektion.83 RGO-Se-kretär Honner, der bereits im Jänner1925 an der Spitze der Streikbewegungin Grünbach gestanden war, wurde vonder Bezirkshauptmannschaft erneut alsder „geistige Leiter des Streikes“ ausge-macht. Er gehe „äußerst vorsichtig vor,hetzt in öffentlichen Versammlungenüberhaupt nicht, sondern sagt dortselbstden Leuten immer, sie sollen mit den öf-fentlichen Organen nicht in Konflikt ge-raten“.84 Am 7. Dezember musste dieBehörde einschätzen, dass sich der Streik„in die Länge ziehen“ dürfte. Die Lagesei „bereits sehr kritisch geworden“, dieKommunisten erhielten einen starkenZulauf, so Hofrat Lukas.85 Auch eine am8. Dezember von der RGO einberufeneStreikversammlung war mit 400 Arbei-tern sehr gut besucht und soll laut RoterFahne „von einem glänzenden Kampf-geist getragen“ worden sein.86

senstreikposten zwei weitere Punkte imMittelpunkt: Zum einen die Initiierungeiner Solidaritätskampagne mit den Strei-kenden, sowie die Ausweitung derStreikfront auf andere Kohlenreviere.Gemeinsam mit dem Bund proletarischerSolidarität (BPS), der als Nachfolgeorga-nisation der im Juni 1932 verbotenenÖsterreichischen Arbeiterhilfe94 gegrün-det worden war, riefen KPÖ und RGOzur „proletarischen Solidarität mit denstreikenden Grubensklaven von Grün-bach“ auf.95 Täglich trafen in GrünbachBegrüßungstelegramme und Solidaritäts-resolutionen ein, worüber in der RotenFahne detailliert berichtet wurde. Bei-spielsweise beschloss die Arbeiterschaftder Spinnerei Nagler und Opler in Wei-gelsdorf am 3. Dezember in einer Beleg-schaftsversammlung die Unterstützungdes Streiks.96 Am 8. Dezember warnte ei-ne Versammlung der Wiener Färbereiar-beiter, deren mehrmonatiger Streik infol-ge der Einstellung der gewerkschaftli-chen Unterstützungszahlungen eben zuEnde ging, die Grünbacher Kumpels „vorden Manövern und Verrätereien der Ge-werkschaftsbürokratie“.97 In den Betrie-ben wurde zu Sammelaktionen und zurBildung von Solidaritätsausschüssen auf-gerufen.98 Zahlungen an den Kampf- undStreikfonds von RGO und BPS gingenu.a. vom Arbeiterschachklub Josefstadtoder von der Zeitschrift der Spielgrup-penbewegung, Der Rote Trommler, ein.99

Die Spielgruppe Rotes Tempo sammelteAnfang Dezember in zwei Gemeindebau-ten Ottakrings durch Sprechchöre undAnsprachen Geld für die Streikenden.100

Das Internationale Komitee der Berg-arbeiter der Roten Gewerkschaftsinter-nationale forderte gar die Bergarbeiterder ganzen Welt zu Sammlungen für dieStreikenden in Grünbach auf.101 Insge-samt brachten die Solidaritätsaktionen bisAbschluss des Streiks einen Betrag vonfast 10.000 Schilling zur Unterstützungder Streikenden ein.102

Am 16. Dezember gelang es dem Bundproletarischer Solidarität, in Grünbacheine Solidaritätsküche zu eröffnen, dietäglich Ausspeisungsaktionen im Um-fang von 300 Portionen für die Streiken-den und ihre Familien durchführte.103 Zudiesem Zweck hatte sich der BPS bereitsin den Vorwochen an die Bauern undGewerbetreibenden der Umgebung mitder Bitte um Geld- und Lebensmittel-spenden gewandt, worauf in eigenen So-lidaritätsautos Tausende Kilogramm anKartoffeln, Krauthäupel, Rüben, Äpfelund Milch an die Streikenden geliefertwurden.104 Auch aus Salzburg, Kärnten

Nachdem die sozialdemokratischenGewerkschafter damit gescheitert waren,eine unter ihrer Führung stehende Streik-leitung durchzusetzen, setzten sie inKonkurrenz zur revolutionären Kampf-leitung ein eigenes Streikkomitee ein.Nach außen hin wurde versucht, den An-schein zu erwecken, als stehe der Kampfder Grünbacher Bergarbeiter unter des-sen Führung. So wurde in der Arbeiter-Zeitung lakonisch vermeldet, dass sichdie Streikleitung im Arbeiterheim befin-de,87 ohne auch nur mit einem Wort aufdie langwierigen Auseinandersetzungenum die Streikleitung in der Vorwocheeinzugehen. Darüber hinaus wurde imsozialdemokratischen Zentralorgan –ganz im Gegensatz der Roten Fahne, diedie Ereignisse tagtäglich in den Mittel-punkt rückte – kaum über die Streik-bewegung berichtet. In der zweiten De-zemberwoche verstieg sich die Arbeiter-Zeitung sogar zu den unwahren Behaup-tungen, die Forderung nach einer zehn-prozentigen Lohnerhöhung sei von denfreigewerkschaftlichen Betriebsräten er-hoben und der Streik von der Beleg-schaft „unter der Führung der freien Ge-werkschaft“ beschlossen worden.88 „DieUrheber dieses Streikes sind auf kommu-nistischer Seite zu suchen“, berichtetehingegen die Bezirkshauptmannschaft.89

Der Wahrheit näher kam auch ein weite-rer Bericht des Bezirkshauptmannes vonNeunkirchen, wonach „das Mitgehen dersozialdemokratisch organisierten Arbei-ter in Grünbach […] mehr daraufzurückzuführen (ist), dass die sozial-demokratische Partei die Führung derBewegung nicht ausschließlich denKommunisten überlassen will“.90

Während der SP-Parteiobmann vonGrünbach in der Arbeiter-Zeitung be-hauptete, dass das sozialdemokratischeStreikkomitee die Bewegung in Grün-bach führe,91 bilanzierte die Zeitschriftder Kommunistischen Internationale,dass die „große Masse der Streikenden“diesem „Privatkomitee […] keinerlei Be-achtung“ schenke.92 Einen Hinweis aufdie relative Einflusslosigkeit der sozial-demokratischen Leitung gibt auch dasnach Abschluss des Streiks in der freige-werkschaftlichen Presse zu lesende Resü-mee, dass die Gewerkschaft erst in dervierten Streikwoche die Möglichkeit er-halten habe, in den Kampf einzugreifen.93

„„FFüürr pprroolleettaarriisscchhee SSoolliiddaarriittäätt““Zur Durchführung des Kampfes stan-

den für RGO und KPÖ neben der Eta-blierung einer revolutionären Streiklei-tung und der Aufstellung von Mas-

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und dem Burgenland sandten Bauern Le-bensmittel.105 Im Grünbacher Gemeinde-rat war am 9. Dezember der kommunis-tische Antrag auf Ausspeisung der Kin-der der Streikenden auf Kosten der Ge-meinde von den sozialdemokratischenund bürgerlichen Gemeinderäten de factoabgelehnt worden.106 Im Rahmen einer„Kinderaktion“ sollten die Kinder derStreikenden auf die Dauer des Streiksnach Wien in Pflege übernommen wer-den.107 200 Kinder erhielten Weih-nachtspakete und Kleider.108 Auch derReinerlös einer Solidaritätsveranstaltungdes BPS in Wien, an der u.a. der deutscheSchriftsteller Erich Weinert mit der Rezi-tation revolutionärer Gedichte mitwirkte,wurde für die Kinderaktion verwendet.109

Erst unter dem Eindruck dieser gewalti-gen Anstrengungen des BPS erschien am18. Dezember auch in der Arbeiter-Zeitung ein Aufruf an die sozialdemokra-tischen Parteimitglieder zur Sammlungfür die Bergarbeiterkinder,110 allerdingssollten diese Gelder nur sozialdemokrati-schen Streikenden zukommen,111

während die Sammlungen des BPS an al-le Arbeiter unabhängig ihrer Parteizu-gehörigkeit gingen.

Insgesamt dürfte die Einschätzung derRGO nicht verfehlt sein, dass der Grün-bacher Streik „getragen (war) von denSympathien breiter Massen“ und „bei al-len Schichten der werktätigen Sympa-thie“ fand.112 Die Behörden reagiertenmit Argwohn auf die Solidaritätsbewe-gung mit den streikenden Bergarbeitern.Das „Sammelunwesen zugunsten derGrünbacher Bergleute“ nehme überhand,sowohl in den Dörfern als auch im Neun-kirchner Stadtgebiet, beklagte die Be-zirkshauptmannschaft,113 die offenbarauf eine „Aushungerung“ der Streiken-den spekuliert hatte. Ende Dezember lei-tete die Gendarmerie eine Verfolgungs-kampagne gegen die Sammelkolonnendes BPS ein. Sammelaktionen für dieStreikenden wurden von der Polizei undGendarmerie behindert, die Sammelko-lonnen wurden zur Anzeige gebracht.114

Am 31. Dezember wurde vom Grün-bacher Solidaritätsausschuss im Einver-nehmen mit dem Zentralkomitee desBPS eine Deputation der streikendenBergarbeiter zum Wiener BürgermeisterSeitz entsandt, um von ihm zweierlei zuerreichen: Zum einen sollte die Gemein-de Wien als Hauptabnehmerin der Grün-bacher Kohle Druck auf die Direktionausüben zur Erfüllung der Forderungender Streikenden, zum anderen sollte vonSeitz eine Aufhebung des Sammelver-bots gefordert werden, um in Wien eine

öffentliche Sammlung zur Unterstützungdes Streiks durchführen zu können.115 InWien–Meidling erwarteten die Kumpelsnicht nur demonstrierende Arbeiter, son-dern ein übermächtiges Polizeiaufgebot„mit Überfallsautos und Berittenen“.116

In Bergmannstracht gelangte die Delega-tion letztlich über die Mariahilfer Straßeziehend ins Rathaus, wo Seitz jedoch fürsie nicht zu sprechen war. Sein erster Se-kretär Gschlacht, der sich nach längererUnterhandlung bereit erklärte, eine drei-köpfige Abordnung zu empfangen, ließdieser mitteilen, dass der Bürgermeisterkeine Bewilligung für eine Straßen- undHaussammelaktion erteilen könne. Vonder Entgegnung des BPS-Sekretärs Leo-pold Stift, dass die sozialdemokratischeGemeindeverwaltung sehr wohl Samm-lungen für Kirchen erlaube, ließ sichGschlacht nicht beeindrucken.117

Neben der Solidarität mit den Grün-bacher Bergarbeitern stand die Erweite-rung der Kampffront auf die übrigenBergbaubetriebe im Mittelpunkt derkommunistischen Zielsetzungen. Unmit-telbar nach Beginn des Streiks richtetedie revolutionäre Streikleitung an die Ar-beiter in den Alpine Montan-Betriebenin Fohnsdorf, Seegraben und Köflach,im Wolfsegg-Traunthaler Revier sowieim Alpine-Gebiet von Hart die Aufforde-rung, sich dem Streik anzuschließen unddie „allgemeine Streikfront in allenBergbaurevieren Österreichs“ herzustel-len.118 „Die Kampffront der Grubenskla-ven muß erweitert werden! Alle Grubenmüssen stillgelegt werden“, lautete diekommunistische Parole.119 Im BezirkNeunkirchen gelangte ein Flugblatt zurVerbreitung, in dem die Arbeitslosen zur

Erhebung von Forderungen in den Ver-mittlungsstellen und die Betriebsarbeiterzur Aufstellung von Lohnforderungenaufgefordert wurden: „Wenn die Unter-nehmer ablehnen, dann ebenfalls herauszum Kampf, heraus zum Streik!“120 DieOrganisations- und Agitationskommissi-on der revolutionären Streikleitung orga-nisierte Versammlungen in den umlie-genden Dörfern, in denen Bergarbeiterwohnten, z.B. in Höflein, Maiersdorf,Willendorf und Puchberg, um auch hierörtliche Streikkomitees zu bilden, wasallerdings erst in der Schlussphase desStreiks gelang.121

Die RGO hatte von Beginn an für eineAusweitung des Lohnkampfes auf dieanderen Gruben agitiert. Schon im No-vember, im Vorfeld des Streikbeschlus-ses, traten die kommunistischen Gewerk-schafter dafür ein, dem Beispiel derGrünbacher Bergarbeiter zu folgen undLohnforderungen an die Unternehmer zustellen. Tatsächlich entwickelte sich imNovember im gesamten Bergbau eineLohnbewegung: In Fohnsdorf, wo dieRGO im Betriebsrat mit zwei Mandatenvertreten war,122 überreichten die Berg-arbeiter am 10. November ebenfallsLohnforderungen, die mit einem befri-steten Ultimatum an die Direktion derAlpine Montan-Gesellschaft verbundenwurden.123 Auch im benachbartenBraunkohlewerk von Hart nahe Glogg-nitz, in dem die RGO im Betriebsrat übereine starke Position verfügte,124 erhobdie Belegschaft am 20. November unterEinfluss der RGO und unter dem Ein-druck der Ereignisse in Grünbach die ul-timative Forderung nach einer 20-pro-zentigen Lohnerhöhung.125 Sowohl nach

Solidaritätsaktion der Arbeiterhilfe beim Streik in der Pottendorfer Spinnerei 1931.In Grünbach richtete der Bund proletarischer Solidarität eine Solidaritätsküche ein.

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Die in der Streikversammlung am16. Dezember anwesenden 400 Arbeiterbeschlossen drei Forderungen: Die Ein-stellung der Werbung von Streikbre-chern, die Aufnahme von Verhandlungenmit der Streikleitung auf Grundlage dervon den Arbeitern gestellten Forderun-gen, sowie den Abzug der Gendarmerieaus Grünbach. Im Rahmen eines Demon-strationszuges wurden diese Forderun-gen unter Führung einer viergliedrigenDelegation der Direktion überbracht.142

Tags darauf, am 17. Dezember, wurde inder Sitzung der auf 100 Mitglieder er-weiterten Streikleitung die Einberufungeiner Streikvollversammlung am 21. De-zember beschlossen. Im Anschluss daransollte eine gemeinsame Demonstrationder Bergarbeiter mit den NeunkirchnerArbeitslosen stattfinden.143 Zu derenVorbereitung fanden auch in den Dör-fern in der der Umgebung von GrünbachVersammlungen statt. So sprachen Hon-ner und Gregor Kersche, Mitglied desKPÖ-Parteivorstands und Sekretär desReichskomitees werktätiger Bauern, u.a.in Maiersdorf, Höflein und Puchberg.144

Die Vorgänge am 21. Dezember ma-chen die Kluft deutlich, die sich zwischensozialdemokratischen Funktionären undden mit der RGO verbundenen Arbeiternaufgetan hatte. Angesichts des Aufrufeszur Demonstration trat die Bezirkshaupt-mannschaft mit der Staatsanwaltschaft inVerbindung, „ob nicht gegen die Mitglie-der der revolutionären Streikleitung, wel-che derartige Aufrufe erlässt, mit derVerhaftung vorgegangen werden soll“.Versammlung und Demonstration wur-den auf Grundlage des allgemeinen Ver-sammlungsverbots untersagt.145 Als

Hart, als auch nach Fohnsdorf wurdenAnfang Dezember jeweils zwei Grünba-cher Betriebsräte in Belegschaftsver-sammlungen entsandt.126 In beiden Berg-werken wurden jedoch die Lohnforde-rungen der Arbeiter von der Alpine-Di-rektion abgelehnt. In Hart wurde eineKundmachung an die Arbeiterschaft er-lassen, in der mit der Stilllegung desWerkes im Falle eines Ausstandes ge-droht wurde.127 In Fohnsdorf, einerHochburg der „gelben“ UnabhängigenGewerkschaft, waren es die UG-Funk-tionäre, die die Kampfstimmung brem-sten,128 in Hart verhinderten in den Au-gen der KPÖ „die Reformisten […] denAusbruch des Streiks“, indem Gewerk-schaftssekretär Kohn die Weiterleitungdes Ultimatums hintertrieb.129

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In der kommunistischen Presse wurdestets auf die Geschlossenheit der Streik-bewegung hingewiesen, was jedoch vordem Hintergrund der vorhandenen Diffe-renzen mit den sozialdemokratischenGewerkschaftssekretären vor allem alsAppell zu verstehen war: „Einig und ge-schlossen verharrt die Arbeiterschaft amBeginn der dritten Streikwoche in ihremKampf um mehr Lohn und Brot für sichund ihre Familie“, wurde in der Grünba-cher Streikzeitung nach zwei Wochendie Kampfbewegung bilanziert.130 „DieStreikstimmung ist bei der Arbeiter-schaft nach wie vor eine glänzende“,eröffnete die Rote Fahne auch die vierteStreikwoche mit Betonung der Festigkeitder Streikfront: „Geschlossen steht dieArbeiterschaft auf dem Standpunkt, daßes diesmal kein Nachgeben gibt undwenn der Streikkampf noch einige Wo-chen dauern sollte.“131 Mit Hinweis dar-auf, dass die aktuelle Antreiberei undAusbeutung sowie die schlechten Lohn-verhältnisse die Folgen der Streiknieder-lagen der Jahre 1923 und 1925 seien,wurden die Grünbacher Bergarbeiterzum Durchhalten aufgerufen.132

Indessen blieb die Frage nach derFührung des Streiks weiter aktuell, wes-halb die RGO auf die Einberufung einerStreikvollversammlung zur Vereinheitli-chung seiner Führung und zur Wahl ei-nes Verhandlungskomitees drängte.Schoeller und Ott ließen frühzeitig ver-lautbaren, dass sie nicht gewillt seien,mit der RGO und der revolutionärenStreikleitung zu verhandeln,133 was aufkommunistischer Seite die Befürchtungaufkommen ließ, dass die Direktion un-ter Umgehung der Kampfleitung zu ei-

nem Übereinkommen mit der kompro-missfreudigen sozialdemokratischen Ge-werkschaftsbürokratie zu gelangen stre-be.134 Demgegenüber blieb die RGO beiihrer Auffassung, dass allein die von derArbeiterschaft gewählte Streikleitung zuVerhandlungen berechtigt sei, woraufdie Einberufung einer Streikvollver-sammlung in den Mittelpunkt der Aus-einandersetzungen zwischen sozialde-mokratischen Gewerkschaftern undkommunistischen Streikführern rückte.Eine diesbezügliche Forderung der RGOwurde am 9. Dezember von der sozialde-mokratischen Betriebsratsmehrheit abge-lehnt.135 Auch in der Sitzung des Be-triebsrats am 13. Dezember wurde einVorschlag der RGO-Betriebsräte zurVerbreiterung und Vereinheitlichung desStreiks auf Grundlage einer von der Ar-beiterschaft selbst gewählten Streiklei-tung zurückgewiesen.136 Der Gewerk-schaftssekretär Kohn verlangte vielmehrdie Ausschaltung von Honner aus derKampfleitung und die Übergabe derFührung in seine Hände.137

Die daraufhin für den 16. Dezembervon der Streikleitung in Eigenregie ein-berufene Streikversammlung wurde vonden Sozialdemokraten sabotiert. In einemFlugblatt forderten sie vielmehr dazu auf,nur den Weisungen der SP-Vertrauens-männer und der Gewerkschaft zu fol-gen.138 In der Zeitung des Metall- undBergarbeiterverbandes wurde vor der„Demagogie“ der RGO und Franz Hon-ners gewarnt: „Wir werden uns sicherlichnicht von diesen Demagogen beirren las-sen, sondern bleiben nach wie vorbemüht, den Kampf der Belegschaft sozu führen, daß die Belegschaft endlich er-kennt, wie man Lohnkämpfe nicht mitlaut tönenden Phrasen, sondern nur aufder Basis einer starken gewerkschaftli-chen Organisation erfolgreich führenkann“,139 wurde dort erneut auf der Auto-rität der Gewerkschaft in Konfrontationzur revolutionären Kampfleitung beharrt.Die RGO und die Streikleitung wandtensich in dieser Situation mit einem Appellan alle Arbeiter zur Herstellung der Ein-heitsfront: Darin erklärten sie sich bereit,die Streikleitung auf Grundlage einerWahl durch die Belegschaft um sozialde-mokratische und freigewerkschaftlicheArbeiter zu erweitern. Einen Tag zuvor,am 15. Dezember, hatte die NS-Betriebs-zellenorganisation, die sich zunächst demStreik angeschlossen hatte, ihre Rechtfer-tigung des Streiks zurückgezogen.140 DieNazis zeigten sich nun als „gemeineStreikbrecher und Unternehmerknechte“,wie die Rote Fahne feststellte.141

1933 erschienene Broschüre der RGO.

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zialdemokratischen Gewerkschaftsfüh-rern abgelehnt. Eine Streikvollversamm-lung wurde von ihnen letztlich erst danneinberufen, als sie bereits mit den Unter-nehmervertretern eine Plattform zum Ab-bruch des Streiks ausverhandelt hatten.

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Während die RGO auch zu Jahresbe-ginn 1933 für eine Fortsetzung desStreiks bis zur Erfüllung der Forderun-gen der Streikenden eintrat, wurde aufsozialdemokratischer Seite nach einemAusweg im Sinne eines Verhandlungs-kompromisses mit der Direktion gesucht.Nach fast sechswöchigem Streik undVerhandlungen des Metall- und Berg-arbeiterverbandes mit der Direktion undder Unternehmervereinigung wurde denausgesperrten Arbeitern Anfang Jänner1933 von der sozialdemokratischen Ge-werkschaftsleitung vorgeschlagen, dieArbeit zu den alten Lohnbedingungenwieder aufzunehmen.

Die Initiative zu solchen Verhandlun-gen ergriff der sozialdemokratische Bür-germeister von Grünbach Eduard Lint-ner, der – glaubt man den Verlautbarun-gen in der Parteipresse – aus eigenemAntrieb im Interesse der Gemeinde aktivgeworden sein soll. Man wird jedochkaum fehlgehen mit der Annahme, dasses sich um eine mit den sozialdemokrati-schen Partei- und Gewerkschaftsfunk-tionären abgestimmte Aktion, ja sogarum Geheimdiplomatie in deren Auftraghandelte. So bekannte der sozialdemo-kratische Nationalrat Paul Schlesingernach Ende des Streiks offen, dass „unterAusschaltung der kommunistischenEmissäre“ Verhandlungen vorbereitetworden seien.154 Am 2. Jänner 1933 refe-rierte Lintner in einer eigens einberufe-nen Versammlung der sozialdemokrati-schen und freigewerkschaftlichen Ver-trauensmänner des Schneeberggebietesüber den von ihm gestarteten Vermitt-lungsversuch, der bereits am 4. Jännereine Verständigung mit der Bergwerks-direktion und dem Unternehmerverbandermöglichen könne. Die in Grünbach ta-gende Vertrauensmännerversammlungbeschloss eine Resolution, diese vonLintner herbeigeführten Verhandlungenmit einer Delegation aus sieben Betriebs-räten und Vertrauensmännern unterFührung von Schlesinger und des Leobe-ner Gewerkschaftssekretärs Krainer zubeschicken und am 5. Jänner erneut zu-sammenzukommen, um einen Berichtüber Verlauf und Ergebnis der Verhand-lungen entgegen zu nehmen.155

In der Roten Fahne wurde hierin richti-gerweise das Signal zur Abwürgung desStreiks erkannt:156 Während die sozial-demokratischen Gewerkschaftsführerüber Wochen hinweg eine Streikvollver-sammlung verhindert hatten, in der eineVerhandlungsdelegation hätte gewähltwerden können, ließen sie sich nun vonden sozialdemokratischen Vertrauens-männern, und nicht von den GrünbacherKumpels, zu Verhandlungen legitimie-ren, um zu einer Beilegung des Bergar-beiterstreiks zu kommen. Um einiger-maßen das Gesicht zu wahren, wurdeder Grünbacher Bürgermeister – ein„Du“-Freund von Direktor Ott – vorge-schoben. KPÖ und RGO lehnten solcheVerhandlungen entschieden ab und er-neuerten ihre Forderung nach sofortigerEinberufung einer Belegschaftsver-sammlung, um hier ein Verhandlungs-komitee zu wählen,157 jedoch war denKommunisten mit dem Vorstoß vonLintner und den bevorstehenden Ver-handlungen die Initiative entglitten.

Am 4. Jänner fanden in Wien die Ver-handlungen zwischen Unterhändlern desMetall- und Bergarbeiterverbandes so-wie Vertretern der Direktion und demNeunkirchner Industriellenverband statt.Die kommunistischen Betriebsräte unddie revolutionäre Streikleitung bliebenausgeschlossen. Die Arbeiter-Zeitungberichtete tags darauf vom schwierigenVerlauf der Verhandlungen, weil die Un-ternehmer unannehmbare Forderungengestellt hätten, jedoch sei eine Basis ge-funden worden, auf der „Vereinbarungenüber den Abbruch des Streiks“ möglichseien.158 Man einigte sich letztlich aufdie Wiedereinstellung der Belegschaft zuden alten Lohnbedingungen, der Urlaubfür das laufende Jahr wurde halbiert. Da-mit war von Gewerkschaft und Unter-nehmervertretern eine „Plattform für denAbbruch des Streiks festgelegt wor-den“.159 Zunächst sollen die Unterneh-mer einen fünfprozentigen Lohnabbau,eine Änderung des Kollektivvertragesund den Verlust der Rechte aller Arbei-ter, insbesondere der Urlaubsansprüche,gefordert haben. Gewiss konnte jedochauch in diesem Punkt eine solcheSprachregelung über den Verlauf derGespräche gefunden werden, die es derGewerkschaft ermöglichte, das Verhand-lungsergebnis als Erfolg darzustellen.„Nach vielstündigen zähen Verhandlun-gen“ sei es gelungen, die Forderungender Unternehmer abzuwehren, berichteteSchlesinger in der Vertrauensmännerver-sammlung am 5. Jänner, die dem Ver-handlungsergebnis zwar „unter Protest“,

Franz Honner am 21. Dezember die Ver-sammlung im Arbeiterheim dennocheröffnete, wurde diese von der Gendar-merie aufgelöst und mit der Räumungder Straße begonnen. Die sozialdemo-kratische Presse sprach von 150 erschie-nenen Arbeitern,146 laut Bericht derBehörden waren in diesem Zuge jedoch600 Personen zu verdrängen,147 einigeArbeiter wurden verletzt. Die Rote Fah-ne beschuldigte den SP-Obmann, dieOrdnungskräfte ins Arbeiterheim einge-lassen zu haben.148 Die Arbeiter-Zeitunghielt dem entgegen, Gschweidl habe dieArbeiter beruhigen wollen.149 Am Vor-tag hatten die freigewerkschaftlichen Be-triebsräte und die SP-Lokalorganisationvor einer Teilnahme an der Demonstrati-on und einem drohenden „Blutbad“ ge-warnt. Erst diese „erbärmliche Hetze ge-gen die Kommunisten“ hätte der Staats-macht den Vorwand geliefert, die Ver-sammlung und Kundgebung zu verhin-dern, so die Kritik der RGO.150 AmNachmittag des 21. Dezember erschiendann ein SP-Flugblatt folgenden Inhalts:„Wir sind hart an einer Katastrophe vor-beigegangen, wir haben hart ein Blutbadverhütet […].“151 Tags darauf wurde ineiner Konferenz sozialdemokratischerPartei- und Gewerkschaftsvertrauens-männer des Schneeberggebietes eine vonGschweidl eingebrachte Resolution be-schlossen, in der „die fluchwürdige, ver-brecherische Taktik der Kommunistenund ihrer Führer […] auf das entschie-denste“ verworfen wurde.152

Ende Dezember wiederholte die RGOihre Initiative zur Vereinheitlichung derStreikbewegung, indem sich die revolu-tionäre Streikleitung an die Bergarbeiter,an die Ortsgruppenleitung der Freien Ge-werkschaft und an den Betriebsrat mit derForderung wandte, eine – bisher von SPund FG boykottierte – allgemeine Streik-vollversammlung zur „Wahl einer ein-heitlichen Streikleitung“ einzuberufen,die vom Vertrauen der gesamten Arbei-terschaft getragen werde. Ferner verlang-te die RGO die Auszahlung der durch dieGewerkschaften und Betriebsräte gesam-melten Streikunterstützungen in gleicherHöhe an alle Streikenden, mit Berück-sichtigung ihrer Familienverhältnisse, je-doch ohne Rücksicht darauf, ob es sichum gewerkschaftlich Organisierte oderUnorganisierte handle, sowie die „Ergrei-fung von Maßnahmen zur Ausbreitungdes Streiks auch auf andere Bergbaube-triebe“.153 Dahingehende, auf eine Stär-kung der Kampffront abzielende Vermitt-lungsvorschläge der RGO blieben aberohne Resonanz bzw. wurden von den so-

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len, ist nur vor dem Hintergrund derwechselseitigen Polemik verständlichbzw. lässt die Vermutung aufkommen,dass eine argumentative EinflussnahmeHonners auf die entscheidende Ver-sammlung unter allen Umständen ver-hindert werden sollte, um den angestreb-ten Streikabbruch nicht zu gefährden.

Nach dieser Abstimmung referierte Na-tionalrat Schlesinger über die Vereinba-rungen mit der Direktion, danach spra-chen Betriebsratsobmann Harrer und –wie dem Bericht der Bezirkshauptmann-schaft zu entnehmen ist – die kommunis-tischen Betriebsräte Wurmbrand undJocha. Die Arbeiter-Zeitung vernahm ausderen Munde nur „ein unsäglich unfläti-ges Schimpfen auf die Gewerkschaften“,die Rote Fahne wiederum berichtete vonder „wüsten Kommunistenhetze“ Schle-singers. Nicht eindeutig zu klären ist diezentrale Frage dieser Belegschaftsver-sammlung, nämlich jene nach der Urab-stimmung über einen Abbruch desStreiks. Laut Darstellung der Roten Fah-ne griffen die Gewerkschaftsbürokratenin diesem allgemeinen Tumult zu einemTrick, um den Abbruch des Streiksdurchzusetzen: So kündigte Betriebsrats-obmann Harrer den Beginn der Urabstim-mung an, wozu sich die Arbeiter im Hofdie Stimmzetteln holen sollten. Als dar-auf die große Mehrheit der Arbeiter denSaal verließ, soll er plötzlich erklärt ha-ben, dass sich diese damit für den Strei-kabbruch entschieden hätten und erklärteden Streik für beendet. Danach räumtedie Gendarmerie das Arbeiterheim.174

Die Arbeiter-Zeitung wiederum stelltedie Geschehnisse so dar, als hätten die

sen der ausgesperrten Belegschaft, auchsogar bei einem Teile der Bergarbeiter,die zu den Kommunisten stehen“.167 Dieoffensichtliche Kompromissbereitschaftder Gewerkschaftsführung befördertesolche Stimmungen. Eine Nichtannahmedes Verhandlungsergebnisses würde be-deuten, dass die Unternehmerorganisati-on am nächsten Tag ihre Zugeständnissezurückziehen würde,168 wurde von dieserSeite in Richtung Annahme der Verein-barungen Druck ausgeübt. Nicht zu ver-nachlässigen ist auch die materielle Seiteder langen Streikdauer, kontrollierte dieGewerkschaft doch die Unterstützungs-gelder, die nur organisierten Gewerk-schaftsmitgliedern zukamen und somitals „wirtschaftliches Druckmittel“ einge-setzt werden konnten.169

In der Belegschaftsversammlung amNachmittag des 6. Jänner 1933 konntedie Gewerkschaftsführung schließlichden mit den Unternehmern ausverhan-delten Streikabbruch durchsetzen.170 Dievon 800 bis 1.000 Bergarbeitern, und da-mit von beinahe der gesamten Beleg-schaft besuchte Versammlung nahm ei-nen stürmischen Verlauf, der die tiefenDifferenzen zwischen den kommunis-tischen Streikbefürwortern und den sozi-aldemokratischen Gewerkschaftsfunk-tionären deutlich macht. Wie bereits inden Vorwochen fanden prinzipielle Dif-ferenzen nicht in auf Klärung abzielen-den Diskussionen, sondern vor allem inschwer durchschaubaren Manövern Aus-druck: Zunächst wurde Franz Honner,der für die RGO führend in die Streikbe-wegung eingegriffen hatte, mit Hinweisauf seine Nichtzugehörigkeit zur Beleg-schaft der Zutritt zur Versammlung ver-wehrt, wofür – laut Rote Fahne – eine„Prügelgarde“ Sorge trug. 300 bis 400Arbeiter sollen vor dem Tor für den Ein-lass Honners demonstriert haben. Einezu Beginn im Saal durchgeführte Ab-stimmung soll in den Augen des kommu-nistischen Zentralorgans eine „großeMehrheit“ für die Zulassung Honners er-geben haben, was jedoch „von den Bon-zen in das Gegenteil umgefälscht wur-de“.171 Laut Berichterstattung der Arbei-ter-Zeitung sollen hingegen „kaum hun-dert“ für eine Teilnahme Honners ge-stimmt haben,172 laut Neunkirchner Be-zirksboten 150,173 was allein vor demHintergrund des großen kommunisti-schen Anhangs unter den GrünbacherBergarbeitern weitgehend unrealistischerscheint. Auch der im sozialdemokrati-sche Zentralorgan formulierte Vorwurf,Honner hätte eine Sprengung der Beleg-schaftsversammlung herbeiführen wol-

jedoch einstimmig zustimmte und denGrünbacher Arbeitern dessen Annahmeempfahl.160 Zu diesem Zweck wurde am6. Jänner eine Belegschaftsvollversamm-lung einberufen, also zu einem Zeit-punkt, als es nur mehr darum ging, diestreikenden Kumpels vor vollendete Tat-sachen zu stellen.

Seitens der Behörden wurde in dieserSituation noch einmal Härte demon-striert: Vor dem Hintergrund der bevor-stehenden Belegschaftsversammlungwurde das Gendarmerieaufgebot in Grün-bach um weitere zehn Beamte verstärktund ein Zug der Schulabteilung in Bereit-schaft gehalten.161 Als am 5. Jänner dreiStreikbrecher von kommunistischenStreikposten abgefangen wurden, schrittdie Gendarmerie mit großer Brutalität einund nahm eine Reihe von Verhaftungenvor, darunter auch von Gregor Kersche,der Wochen lang inhaftiert blieb.162 Unterder Arbeiterschaft habe der Gendarmerie-einsatz „große Erregung verursacht“, be-richtete die Bezirkshauptmannschaft andie Landesregierung. Weil der Posten-kommandant in Grünbach sogar eine Be-freiungsaktion der Arbeiterschaft be-fürchtete,163 wurden Kersche und derkommunistische Arbeiter Rudolf Jakosch„vorsichtshalber dem Kreisgerichte inWr. Neustadt überstellt“.164 Die Arbeiter-Zeitung, der eine weitere Radikalisierungin dieser Situation gewiss ungelegenkam, kommentierte diese Aktion mit derFeststellung, dass die Grünbacher Arbei-ter „sowohl mit den paar Streikbrechern,wie auch mit den kommunistischenWichtigmachern […] schon allein fertigwerden“ würden.165

Die Kommunisten lehnten den von densozialdemokratischen Gewerkschafts-funktionären ausverhandelten „Schand-pakt“ entschieden ab. Eine von der revo-lutionären Streikleitung einberufeneVersammlung trat am 5. Jänner für dieAufrechterhaltung der alten Forderungennach einer zehnprozentigen Lohner-höhung, für die Wiedereinstellung allerStreikenden und die Entlassung allerStreikbrecher ein.166 Die Tatsache, dassin der Roten Fahne über die Anzahl derTeilnehmer dieser Versammlung nichtinformiert wurde, lässt auf eine geringeBeteiligung schließen, was einen Hin-weis auf die Stimmung unter den Strei-kenden nach Wochen des Kampfes gibt.Die Belegschaft war zu diesem Zeit-punkt mehr als fünf Wochen lang uner-schütterlich im Streik gestanden. In denersten Jännertagen beobachtete die Be-zirkshauptmannschaft jedoch eine unver-kennbare Streikmüdigkeit „in allen Krei-

Franz Honner (1893–1964). Streikführerin Grünbach, Mitglied des ZK der KPÖ,1945 Staatssekretär für Inneres.

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schaftsbürokratie abgewürgt und im Zu-sammenspiel mit Unternehmer undStaatsapparat zerschlagen worden. Vordem Hintergrund der Lohnbewegung imgesamten Bergbau wäre Grünbach „einSignal für die Entwicklung einer Wellegroßer Kämpfe und Streiks gewesen“.180

Die KPÖ unterstrich die „über den Rah-men eines betrieblichen Lohnkampfes“hinausgehende politische Bedeutung die-ses Streiks, der den „Charakter eines Of-fensivkampfes unter den Bedingungender Vertiefung der Weltwirtschaftskriseund des Endes der kapitalistischen Stabi-lisierung“ trug. Durch das „aktive Ein-greifen“ der RGO und der KPÖ sei es ge-lungen, „trotz der Spaltungsversuche derreformistischen Gewerkschaftsbürokratiedie Streikfront sechs Wochen unerschüt-tert“ aufrechtzuerhalten.181 Die Parteiknüpfte damit an ihre optimistische Ein-schätzung der Entwicklung der Klassen-kräfte an, erwartete die KPÖ doch mitVertiefung der Weltwirtschaftskrise eineZuspitzung der Klassengegensätze unddas Heranwachsen eines neuen revolu-tionären Aufschwungs: „Der Kampf be-ginnt nun auch in Österreich die Formvon Massenstreiks anzunehmen!“,182

prognostizierte die Rote Fahne bereitsam ersten Streiktag eine Linksentwick-lung und Radikalisierung. In weitere Fol-ge wurde der Streik in Grünbach als „Be-ginn einer Welle des Widerstandes derösterreichischen Arbeiterschaft gegen dieneubevorstehende Welle von Kollekti-vvertragskündigungen und des Lohnab-baues von seiten der Unternehmer“183

und als „erste(r) Schritt dieser Offensivedes Proletariats“184 gewertet.

Der Grünbacher Streik wurde in denAugen der KPÖ deshalb abgewürgt, weilnach seinem Vorbild sonst weitere Streiksfür Lohnverbesserungen ausgebrochenwären, die „Reformisten“ jedoch die Auf-fassung vertraten, „daß es in Krisenzeitennicht möglich sei, erfolgreiche Wirt-schaftskämpfe zu führen“. Deren „Theo-rie von der Unmöglichkeit des Kampfesin der Krise“ hätte am Grünbacher Bei-spiel bestätigt werden müssen.185 DieserEinschätzung kamen Veröffentlichungenin der sozialdemokratischen Presse ent-gegen: „Der Streik selbst verlief trotz derkommunistischen Quertreibereien undVerleumdungen nicht anders, als ebenein Streik in jetzigen Zeit verlaufenkann“, war im Organ des Metall- undBergarbeiterverbandes zu lesen.186 Da-mit lagen sozialdemokratische Partei undGewerkschaft ganz auf der Linie des da-maligen wirtschaftspolitischen Main-streams, vertrat doch auch der Öster-

reichische Volkswirt die Auffassung,dass der „leichtfertige“ Streik in Grün-bach und auch jener der Wiener Seiden-färber „entsprechend der wirtschaftlichenKampflage mit der Unterwerfung der Be-legschaften endeten, enden mußten“.187

Während die Gewerkschaftssekretäreversprochen hatten, dass alle Streikendenwieder eingestellt werden würden, warenbis 10. Jänner von den ca. 1.050 Kum-pels der alten Belegschaft erst 800 wie-der aufgenommen worden.188 Am11. Jänner wurde bekannt, dass 80 revo-lutionäre Arbeiter – Kommunisten undRGO-Anhänger – nicht mehr eingestelltund an ihrer Stelle neue Arbeitskräfteaufgenommen werden sollten. Unter denGemaßregelten befanden sich alle fünfRGO-Betriebsräte. Der Betrieb wurde zudiesem Zeitpunkt immer noch von derGendarmerie besetzt gehalten.189 EinAmtsvermerk der niederösterreichischenLandesamtsdirektion macht deutlich,dass die Kommunisten zurecht die„Packelei“ zwischen Gewerkschaft undUnternehmern kritisiert hatten, berichte-te doch Werkspräsident Philipp Schoel-ler bereits am 4. Jänner über die Ver-handlungen, dass ca. 50 Arbeiter, „wel-che die radikalsten waren, nicht mehraufgenommen werden. Sie werden vonder Nichtaufnahme erst in der nächstenWoche verständigt.“190 Wenig späterwurde auch publik, dass die gewerk-schaftlichen Unterhändler bei den Ver-handlungen in Wien der vorzeitigen Auf-lösung und Neuwahl des Betriebsrats zu-gestimmt hatten, um damit dem Unter-nehmer die Möglichkeit zu geben, dieBetriebsräte der RGO zu entlassen.191

Der Bund proletarischer Solidarität riefdazu auf, die entlassenen Kumpels nichtim Stich zu lassen und für den Gemaß-regeltenfonds zu sammeln.192

Als Hauptproblem wurde neben orga-nisatorischen Schwächen in der Vorbe-reitungsphase des Streiks die fehlendeinnergewerkschaftliche Arbeit von KPÖund RGO erkannt: Die Parteizelle Grün-bach umfasste zu diesem Zeitpunkt zwar70, die RGO-Gruppe des Kohleberg-werks sogar 100 Mitglieder, von denKommunisten waren jedoch nur elf, vonder RGO nur 25 Mitglieder der Gewerk-schaft.193 In der lokalen Ortsgruppe desMetall- und Bergarbeiterverbandes wur-de keine RGO-Fraktion gebildet, um inder „reformistischen Gewerkschaftsgrup-pe“ Oppositionsarbeit zu leisten.194 Dieshabe zur völligen Isolierung von den ge-werkschaftlich organisierten Arbeiterngeführt.195 Eine Lehre aus dem Grün-bacher Streikkampf wurde insofern darin

Kommunisten mit Geschrei eine Urab-stimmung verhindert, weshalb Harrer inden Saal gerufen habe, dass diejenigen,die für die Annahme der zuvor unterbrei-teten Vorschläge seien, in den Hof hin-ausgehen sollten, worauf sich der Saalleerte.175 Schlesinger behauptete gar, dieKommunisten hätten erklärt, „eine Ab-stimmung, ob geheim oder öffentlich,über den Abbruch des Streiks nicht zuzu-lassen“.176 Etwas Licht in diese Fragebringt der Bericht der Bezirkshauptmann-schaft Neunkirchen an die Landesregie-rung: Demnach sollen es die Kommunis-ten gewesen sein, die eine Abstimmungdarüber verlangten, „ob unter den derVersammlung bekanntgegebenen Bedin-gungen der Streik beendet werden soll“.Es kann also ausgeschlossen werden, dassdurch einen kommunistischen Tumult ei-ne solche Abstimmung verhindert wordenist. Nachdem verlautbart wurde, dass je-ne, die für die Wiederaufnahme der Ar-beit seien, den Saal verlassen sollen, blie-ben laut Behördenbericht 120 Personenzurück.177 Zwar muss die Frage offenbleiben, ob in der Tat – wie von kommu-nistischer Seite behauptet – eine Mehrheitgegen die Annahme des Verhandlungser-gebnisses gewesen wäre.178 Gewiss hättesich jedoch in einer formellen Urabstim-mung, die in schriftlicher Form geplantwar, eine weitaus höhere Anzahl gegenden Verhandlungskompromiss ausgespro-chen als jene 120, die in der unklaren Si-tuation im Saal verblieben.

Einen Tag nach der Belegschaftsver-sammlung, am 7. Jänner, wandte sich dierevolutionäre Streikleitung mit einemFlugblatt an die Arbeiterschaft, in demdie Wiedereinstellung aller Streikenden,die Bezahlung der alten Löhne, keineMaßregelungen und Entlassungen, sowiedie Wahl eines Verhandlungskomitees ineiner Schachtversammlung gefordertwurden, an eine Fortführung des Streikswar in dieser Situation angesichts derZermürbung der Arbeiterschaft jedochnicht mehr zu denken. Um sich nicht vonden Arbeitern zu isolieren, erklärte auchdie RGO am 6. Jänner den Streik für be-endet.179 Am 7. Jänner wurde im Grün-bacher Steinkohlebergwerk die Arbeitwieder aufgenommen.

„„VVeerrrraatt ddeerr BBoonnzzeenn““In der kommunistischen Kritik wurden

die Ereignisse der ersten Jännerwocheals Organisierung des „offenen Streik-bruchs“ zusammengefasst: Unmittelbarvor seinem Erfolg sei „der heldenhafteKampf der Kumpels“ durch den Verratder sozialdemokratischen Gewerk-

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erkannt, dass alle KommunistInnen undRGO-AnhängerInnen den „reformisti-schen“ Gewerkschaften beitreten müs-sen, um hier systematische Arbeit zu lei-sten. Insgesamt setzte in der KPÖ EndeDezember 1932 eine regelrechte Kampa-gne zur Forcierung der innergewerk-schaftlichen Arbeit ein. Vor dem Hinter-grund der bevorstehenden Jahresver-sammlungen der Ortsgruppen mit derNeuwahl der unteren Leitungen des Ge-werkschaftsapparats wurde die Forderungerhoben, wählbare Funktionen zu er-obern, um „den Bürokraten ihren Durch-führungsapparat“ zu entreißen. Jede Zahl-stelle, jede Ortsgruppe unter revolutionä-rer Führung wäre „ein Hebel für eine ge-waltige Steigerung der Solidaritätsaktionfür Grünbach, ein Zentrum der Organi-sierung der proletarischen Gegenoffensi-ve nach dem Beispiel von Grünbach“, soder Appell der Roten Fahne.196

Auch die Sozialdemokratie führte die„unerfreulichen Organisationsverhältnis-se in Grünbach“, also den geringen ge-werkschaftlichen Organisierungsgradund das „Fehlen einer schlagkräftigenGewerkschaft“, als eine der Ursachen fürden Misserfolg des Streikkampfes insTreffen, jedoch aus einem anderenBlickwinkel: „Wären die GrünbacherBergarbeiter alle Mitglieder ihrer Orga-nisation gewesen, dann hätten sie dieLohnerhöhung vielleicht sogar ohneStreik durchsetzen können“, wurde imLeitartikel der Arbeiter-Zeitung auchnach Ende des Streiks die Linie der Ver-handlungsbereitschaft und Kampfent-wöhnung prolongiert.197 Gemäß ihrerAuffassung, dass die Einheit der Arbeite-rInnenklasse in ihren Reihen und nichtmittels einer Einheitsfront der sozialde-mokratischen und kommunistischen Ar-beiterInnen zu verwirklichen sei, wurdeden Grünbacher Bergarbeitern als Lehredes Streiks die Mahnung mitgegeben,„den kommunistischen Maulhelden denihnen gebührenden Fußtritt“ zu geben.198

Die Kommunisten erschienen in dieserSicht nicht als potenzielle Bündnispart-ner gegen die Angriffe des Bürgertumsund die faschistische Bedrohung, son-dern als Spalter der Arbeiterbewegungund Demagogen. Die Schlussfolgerungder KPÖ wiederum war, dass „jede Ein-flußnahme der Gewerkschaftsbonzen aufdie Vorbereitung und die Kampf-führung“ ausgeschaltet werden müsse,um bei vorhandener Kampfstimmungder Arbeiter Streikkämpfe auch erfolg-reich zu Ende bringen zu können.199

Insgesamt stand die sozialdemokrati-sche Bilanz ganz im Zeichen der Ausein-

die Stimmenzahl der RGO zwar von 342auf 260 zurück, dies hatte jedoch vor al-lem mit der Entlassung von 100 revolu-tionären Arbeitern nach Streikende undderen Ersetzung durch Heimwehrler undNazis zu tun. Die Zahl der Betriebsrats-mandate für die RGO sank von fünf aufvier. Jedoch ging auch die Stimmenzahlder freigewerkschaftlichen Liste von 543auf 524 zurück (acht Mandate wie zu-vor), die Nationalsozialisten konntensich von 66 auf 138 Stimmen und damitvon einem auf zwei Mandate steigern.205

Wenige Monate später, am 26. Mai1933, wurde die KPÖ vom Ministerratverboten und in die Illegalität gedrängt.Nach Aufrichtung der faschistischenDiktatur und der vollständigen Ausschal-tung der ArbeiterInnenbewegung wurdeder Grünbacher Betriebsrat im Jahr 1934nicht mehr frei gewählt, sondern von derstaatlich gelenkten Kammer für Arbeiterund Angestellte ernannt.206

Die KPÖ blieb zwar in den Jahren derWeltwirtschaftskrise eine kleine Partei,dort wo sich Protest gegen Lohnsenkun-gen und den Abbau von Sozialleistungenregte, war dieser jedoch maßgeblich vonKommunistInnen beeinflusst. Auch beimgroßen Streik der Grünbacher Bergarbei-ter zum Jahreswechsel 1932/33 spieltenKPÖ und RGO eine führende Rolle. Diesmag auch der Hauptgrund dafür sein,dass der Grünbacher Streikbewegung inder Zweiten Republik nur in der kommu-nistischen Erinnerungspolitik und Ge-denkkultur jene Bedeutung beigemessenwurde, die ihrem Platz in der Geschichteder österreichischen ArbeiterInnenbewe-gung gerecht wird: Als kämpferischeTradition einer politisierten ArbeiterIn-nenschaft, die die Kapitaloffensive unddie politischen Angriffe der Reaktionnicht widerspruchslos hinnahm.

Anmerkungen:1/ Wendung der Partei, in: Die Rote Fahne(i.d.F. RF), 18.1.1931, S. 5.2/ Was ist Grünbach, in: Der Rote Kumpel. Be-triebszellenorgan Grünbach der K.P.Oe., Nr. 2,1925, S. 5.3/ Vgl. Stadler, Gerhard A.: Das industrielle Er-be Niederösterreichs. Geschichte – Technik –Architektur. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag2006, S. 275.4/ Niederösterreichisches Landesarchiv (i.d.F.NÖLA), Amt der n.ö. Landesregierung(ANÖLR), Präsidium, RegZ XII/171b,Zl. 405/2–1925, Bezirkshauptmannschaft Neun-kirchen an das Präsidium der n.ö. Landesregie-rung, Betr.: Grünbacher Steinkohlenwerke,Misshandlung des Direktors Ing. Robert Ottdurch die Arbeiterschaft, 17.1.1925. An dieser

andersetzung mit den Kommunisten, wo-mit die Sozialdemokratie von der in denVorjahren praktizierten Taktik des Tot-schweigens der KPÖ abgehen musste.Dies gibt auch einen Hinweis darauf, wiesehr die KPÖ aufgrund ihres sozialöko-nomischen Engagements als potenzielleKonkurrenz zur Sozialdemokratie er-starkt war und angesichts der Radikali-sierung der ArbeiterInnenschaft von die-ser als Herausforderung wahrgenommenwurde. War im Streikverlauf noch dieBehauptung aufgestellt worden, derKampf sei auf Initiative und unterFührung der Freien Gewerkschaft ausge-brochen, gestand Nationalrat Schlesingernach Streikende offen ein, dass es sichbeim Grünbacher Kampf mehr oder we-niger um eine unliebsame kommunisti-sche Aktion gehandelt habe: Er beklagtenun die „maßlose Agitation“ der Kom-munisten „für den sofortigen Ausbruchdes Streiks“, die nach der Ablehnungder Forderungen der Arbeiter durch dieDirektion Ende November eingesetzt ha-be. Weiters behauptete Schlesinger, dassdie Kommunisten unter dem Eindruckeines tödlichen Arbeitsunfalls eine Ab-stimmung für den Streik hätten durchset-zen können, was so nicht den Tatsachenentsprach, war doch die Urabstimmungin Wahrheit vom GewerkschaftssekretärMelkes gefordert worden. Diese wieder-um habe sich dann, so Schlesinger, „un-ter dem maßlosesten Terror der Kommu-nisten“ vollzogen. Gleichermaßen mus-ste Schlesinger eingestehen, dass eine„revolutionäre Streikleitung“ dieFührung des Streiks an sich gerissen ha-be. Die Freie Gewerkschaft hätte es dar-auf als „ihre Pflicht“ erkannt, „den Strei-kenden beizustehen, um eine Niederlagezu verhindern“.200

Entgegen der sozialdemokratischenPrognose, dass die Kommunisten infolgeder Streikniederlage abgewirtschaftetund einen „geradezu katastrophalenDurchfall […] erlebt“ hätten,201 vermel-dete die Rote Fahne sowohl im Streik-verlauf als auch nach Ende des Streikseinen organisatorischen Aufschwungvon KPÖ und RGO: Im Dezember 1932seien 18 Arbeiter der Grünbacher KPÖbeigetreten, die RGO habe 27 neue Mit-glieder gewonnen.202 Nach Abschlussdes Streiks habe sich der Mitgliederstandder Partei um weitere 22, jener der RGO-Gruppe um 35 Arbeiter erhöht.203 ImZentralorgan wurde ein offener Briefvon drei sozialdemokratischen Arbeiternveröffentlicht, die demonstrativ ihrenÜbertritt zur KPÖ erklärten.204 Bei derBetriebsratswahl am 11. März 1933 ging

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Beiträge 1133Stelle sei Dr. Stefan Eminger (Niederösterreichi-sches Landesarchiv) für seine Hilfe gedankt.5/ Der Belagerungszustand in Grünbach. GrößteKampfentschlossenheit der Arbeiterschaft, in:RF, 20.1.1925, S. 2.6/ Neuerliche Verhaftungen in Grünbach, in:Arbeiter-Zeitung (i.d.F. A.-Z.), 26.1.1925, S. 2;Vor der Entscheidung in Grünbach, in: RF,27.1.1925, S. 1.7/ Niederlage des Reformismus in Grünbach.Die Bonzen erzwingen das Kompromiß, in: RF,29.1.1925, S. 1; Freitag Betriebsaufnahme inGrünbach, in: A.-Z., 29.1.1925, S. 2.8/ Der Unternehmerfaschismus von Grünbach –ein Angriff auf das Gesamtproletariat!, in: RF,30.1.1925, S. 1.9/ Neuwahl der Betriebsräte im GrünbacherSteinkohlenwerk, in: RF, 2.11.1928, S. 5; DieGrünbacher Betriebsratswahlen, in: RF,29.7.1930, S. 3.10/ Gemeinderatswahl, in: Werks-Zeitung derGrünbacher-Steinkohlewerke A.G., 1. Jg., Nr. 6,Dezember 1929, S. 94–95, hier S. 94.11/ Rossijskij gosudarstvenuyj archiv social’no-policeskoj istorii [Russisches Staatsarchiv fürSozial- und Politikgeschichte, Moskau] (i.d.F.RGASPI) 495/80/246/37–39, [Hans] Volkmann:Mitgliederbestand der K.P.Oe. in der Provinzohne Wien, o.D. [Eingangsstempel 29.11.1929],hier Bl. 37. Kopie im Zentralen Parteiarchiv(i.d.F. ZPA) der KPÖ.12/ RGO. erobert in Grünbach drei neue Be-triebsratsmandate, in: RF, 28.7.1931, S. 7.13/ Lehren der Betriebsratswahl in Grünbach,in: RF, 23.8.1932, S. 5.14/ Solidarität mit Grünbach, in: RF, 1.12.1932,S. 1–2, hier S. 1; Ein Tag bei den Streikenden inGrünbach, in: RF, 4.12.1932, S. 7; Streik in derKrise. Die Lehren des Grünbacher Streiks. Wien[Verlag der RGO] o.J. [1933], S. 4f.15/ Grünbachs Bergarbeiter im Streik, in: Streik-Nachrichten, hg. von der rev. Streikleitung d.Grünbacher Bergarb., Nr. 1 [Dezember 1932],S. 1–7, hier S. 1.16/ Kreiner, Hans: Der Grünbacher Steinkohlen-bergbau und seine Zeit 1823–1965. Grünbach:Eigenverlag 19942, S. 303.17/ Streik in der Hölle von Grünbach, in: Neun-kirchner Bezirksbote, 2.12.1932, S. 4–5, hierS. 4; Nicht nur Todesbergwerk, sondern auchSchindergrube, in: RF, 13.12.1932, S. 3.18/ Grünbacher Bergarbeiter ergreifen die Of-fensive, in: RF, 17.10.1932, S. 5.19/ Neues Unglück in Grünbach. Ein Arbeiterzwei Stunden im Bergwerk verschüttet, in: RF,9.11.1932, S. 3.20/ Wieder schwerer Unglücksfall im Grün-bacher Bergwerk, in: RF, 11.11.1932, S. 7.21/ Der Streik der Bergarbeiter in Grünbach, in:Österreichischer Metall- und Bergarbeiter,17.12.1932, S. 6.22/ Streik in der Hölle von Grünbach (wieAnm. 17), S. 4.

23/ Ausdehnung des Lohnkampfes im Bergbau,in: RF, 26.11.1932, S. 3.24/ Abermals ein gräßlicher Unfall im Grün-bacher Bergwerk, in: RF, 26.11.1932, S. 2.25/ Ultimatum der Grünbacher Bergarbeiter, in:RF, 26.11.1932, S. 1.26/ Das Todesbergwerk, in: RF, 27.11.1932,S. 1–2, hier S. 1.27/ Heute Streikabstimmung in Grünbach, in:RF, 29.11.1932, S. 1–2, hier S. 1.28/ Bergarbeiter eröffnen den Kampf um dieLohnerhöhung, in: RF, 24.11.1932, S. 3.29/ Ultimatum der Grünbacher Bergarbeiter (wieAnm. 25).30/ NÖLA, ANÖLR, Präsidium, RegZ XII/171b,Zl. 246/1932, Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II, Telefonat mit der Be-zirkshauptmannschaft Neunkirchen (L.R.R.Hentl) am 28.11.1932.31/ Streik in der Hölle von Grünbach (wieAnm. 17), S. 4.32/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b, Zl.246/1932, Flugblatt der Betriebsgruppe der Revo-lutionären Gewerkschaftsopposition „GrünbacherBergarbeiter!“, Zl. 250–21/1932 v. 3.12.1932.33/ Zit. nach: Der Betriebsratsobmann fälschtdie Geschichte des Streiks, in: RF, 13.12.1932,S. 4; Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 6f.34/ Geschlossene Streikfront in Grünbach. DieArbeit restlos niedergelegt – Die übrigen Revie-re müssen folgen, in: RF, 1.12.1932, S. 1.35/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b,Zl. 246/1932, [Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II], Telefonat mit der Be-zirkshauptmannschaft Neunkirchen (L.R.R.Hentl) am 2.12.1932, S. 2f.36/ G.Z. [Guido Zamis]: Zwei Wochen Streik imösterreichischen Steinkohlenrevier, in: Interna-tionale Presse-Korrespondenz, 12. Jg., Nr. 104,13.12.1932, S. 3320.37/ Dumreicher, Hans Frh. v.: 100 Jahre HausSchoeller. Aus Vergangenheit und Gegenwart. Wi-en: Eigenverlag von Schoeller & Co. 1933, S. 48.38/ Der große Streik im Todesbergwerk, in: RF,4.12.1932, S. 1–2, hier S. 1.39/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b,Zl. 246/1932, [Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II], Telefonat mit der Be-zirkshauptmannschaft Neunkirchen (Hofrat Dr.Lukas) am 3.12.1932, S. 1.40/ Verschärfung in Grünbach, in: RF,2.12.1932, S. 1–2, hier S. 1.41/ Elian, Claudia: Zur Geschichte des Braun-kohlenbergwerks Zillingdorf. Diplomarbeit Uni-versität Wien 2003, S. 63–70.42/ Zillingdorfer Arbeitslose solidarisch, in: RF,4.12.1932, S. 1.43/ Der 7. Tag des Streiks in Grünbach.Schändliches Zusammenarbeiten der Direktionmit den Bürokraten, in: RF, 7.12.1932, S. 2;Kein Streikbrecher in Grünbach!, in: A.-Z.,8.12.1932, S. 3.44/ Ein Tag bei den Streikenden in Grünbach

(wie Anm. 14).45/ Grünbacher Werkdirektion holt Streikbre-cher heran, in: RF, 15.12.1932, S. 3.46/ Streikbruch erfolgreich abgewehrt, in: RF,16.12.1932, S. 1.47/ Ein Tag bei den Streikenden in Grünbach(wie Anm. 14).48/ Massenstreikposten in Aktion. Kein Platz in Grün-bach für Streikbrecher, in: RF, 20.12.1932, S. 3.49/ Helft den Streikenden in Grünbach, in: Illu-strierte Rote Woche (i.d.F. IRW), 25.12.1932, S. 2.50/ Massenstreikposten in Aktion (wie Anm. 48).51/ Neuerlich erfolgreiche Abwehr des Streik-bruchs, in: RF, 25.12.1932, S. 3.52/ Streikversammlung in Grünbach verboten,in: RF, 31.12.1932, S. 3.53/ Weber-Felber, Ulrike: Wege aus der Krise:Freie Gewerkschaften und Wirtschaftspolitik derErsten Republik. Wien, Zürich: Europaverlag1990 (Materialien zur Arbeiterbewegung,Bd. 56), S. 130 und 217f.54/ Tomandl, Theodor: Streik und Aussperrungals Mittel des Arbeitskampfes. Wien, New York:Springer-Verlag 1965 (Arbeits- und sozialrecht-liche Schriftenreihe, Bd. 1), S. 34f.55/ RGASPI 495/80/244/38–39, [Rundschrei-ben des ZK der KPÖ], o.D. [Ende 1929], hierBl. 38. Kopie im ZPA der KPÖ.56/ Honner, F. [Franz]: Einige organisatorischeLehren des Grünbacher Streikkampfes, in: Org-nachrichten, Nr. 1–2, März/April 1933, S. 6–9,hier S. 6f.; Die Lehren von Grünbach. Die Kum-pels zurückgeschlagen, aber nicht besiegt, in:RF, 25.1.1933, S. 5–6, hier S. 5.57/ Wieder schwerer Unglücksfall im Grün-bacher Bergwerk (wie Anm. 20).58/ Bergarbeiter eröffnen den Kampf um dieLohnerhöhung (wie Anm. 28).59/ Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 6.60/ Grünbach streikt. Die Sabotage der Ge-werkschaftsbürokraten mißglückt – Die Arbeiterfolgen dem Kampfruf der RGO., in: RF,30.11.1932, S. 1–2, hier S. 1.61/ Vor der Entscheidung im Harter Gebiet. DieSolidaritätsbewegung mit dem GrünbacherStreik, in: RF, 3.12.1932, S. 1.62/ Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 7.63/ Ebd., S. 8.64/ Geschlossene Streikfront in Grünbach (wieAnm. 34).65/ Vor der Entscheidung im Harter Gebiet (wieAnm. 61). Davon abweichend sprach eine nachStreikende erschienene RGO-Broschüre von400 Arbeitern, die eine „einheitliche revolutionä-re Streikleitung“ aus 50 Arbeitern wählten(Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 8).66/ Gute Kampfstimmung in Grünbach. Eine glän-zende Versammlung, in: RF, 3.12.1932, S. 2.67/ Ein Tag bei den Streikenden in Grünbach(wie Anm. 14).68/ Grünbachs Bergarbeiter im Streik (wie Anm.15), S. 5.69/ Verschärfung in Grünbach (wie Anm. 40), S. 1.

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70/ Vor der Entscheidung im Harter Gebiet (wieAnm. 61).71/ Die Lehren von Grünbach (wie Anm. 56), S. 5.72/ Der Betriebsratsobmann fälscht die Ge-schichte des Streiks (wie Anm. 33).73/ Grünbachs Bergarbeiter im Streik (wieAnm. 15), S. 4.74/ Durch Verrat geschlagen, in: RF, 8.1.1933,S. 1–2, hier S. 1.75/ Jetzt hinein in die Organisation! Der Grün-bacher Bergarbeiterstreik beendet, in: A.-Z.,7.1.1933, S. 1–2, hier S. 2.76/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ IV/219,Zl. 821/1933, Situationsberichte der Bezirks-hauptmannschaften, BezirkshauptmannschaftNeunkirchen an die nö. Landesamtsdirektion,Zl. I–5/16 v. 4.1.1933, S. 1.77/ Die Lehren von Grünbach (wie Anm. 56),S. 5; Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 8f.78/ Grünbachs Bergarbeiter im Streik (wie Anm.15), S. 5f.79/ Ein Tag bei den Streikenden in Grünbach(wie Anm. 14).80/ Der große Streik im Todesbergwerk (wieAnm. 38), S. 1.81/ RGO. im Vormarsch, in: RF, 6.10.1931, S. 5.82/ Eine Woche Streik in Grünbach, in: RF,6.12.1932, S. 1; Der 7. Tag des Streiks in Grün-bach (wie Anm. 43).83/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b,Zl. 246/1932, Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II, Telefonat mit der Be-zirkshauptmannschaft Neunkirchen (Hofrat Dr.Lukas) am 5.12.1932.84/ Ebd., Telefonat mit der Bezirkshauptmann-schaft Neunkirchen (Hofrat Dr. Lukas) am6.12.1932.85/ Ebd., Telefonat mit der Bezirkshauptmann-schaft Neunkirchen (Hofrat Dr. Lukas) am7.12.1932, S. 1f.86/ Die Streikenden fest – die Direktion versuchtzu verhandeln, in: RF, 10.12.1932, S. 3.87/ Kein Streikbrecher in Grünbach! (wie Anm. 43).88/ Gschweidl, Rudolf: Warum streiken die Grün-bacher Kumpels, in: A.-Z., 11.12.1932, S. 11.89/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ IV/219,Zl. 821/1933, Situationsberichte der Bezirks-hauptmannschaften, BezirkshauptmannschaftNeunkirchen an die nö. Landesamtsdirektion,Zl. I–284/15 v. 5.12.1932, Wirtschaftliche undpolitische Lage im Bezirk Neunkirchen.90/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b,Zl. 246/1932, Niederösterreichische Landes-amtsdirektion an das Bundeskanzleramt, Gene-raldirektion für die öffentliche Sicherheit,Zl. 250–20/1932 v. 1.12.1932, Harter Kohlen-werke, Streikpropaganda, S. 2.91/ Gschweidl: Warum streiken die GrünbacherKumpels (wie Anm. 88).92/ G.Z.: Zwei Wochen Streik (wie Anm. 36).93/ Der Streik in Grünbach, in: ÖsterreichischerMetall- und Bergarbeiter, 21.1.1933, S. 6.94/ Oesterreichische Arbeiterhilfe auf Grund ei-

nes Gesetzes vom Jahre 1867 aufgelöst, in:Internationale Presse-Korrespondenz, 12. Jg.,Nr. 53, 28.6.1932, S. 1675.95/ ZPA der KPÖ, Flugblatt des Zentralkomi-tees des Bundes proletarischer Solidarität „Brü-der! Genossen!“, o.D. [Dezember 1932].96/ Solidarität für Grünbach, in: RF, 8.12.1932, S. 1.97/ Solidarität mit den streikenden GrünbacherKumpels, in: RF, 11.12.1932, S. 3.98/ Grünbacher Aktion des Bundes für proletari-sche Solidarität, in: RF, 1.12.1932, S. 2.99/ Kinder der Streikenden nach Wien! Bildetüberall Solidaritätsausschüsse, in: RF,8.12.1932, S. 3.100/ Solidarität mit den Grünbacher Kumpels,in: RF, 6.12.1932, S. 3.101/ Solidarität mit Grünbach, in: IRW,18.12.1932, S. 3.102/ Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 11.103/ Verdoppeln! Sorgt für eine zweite Solida-ritätsküche!, in: RF, 20.12.1932, S. 3; Heute fährtdas Solidaritätsauto, in: RF, 24.12.1932, S. 3.104/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ IV/219,Zl. 281/1933, Flugblatt der KPÖ „An die bäuerli-che und gewerbetreibende Bevölkerung desBezirkes Neunkirchen!“; Solidarität für Grün-bach (wie Anm. 96); Solidarität bis zum Sieg, in:IRW, 31.12.1932, S. 5.105/ Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 12.106/ Nicht nur Todesbergwerk, sondern auchSchindergrube (wie Anm. 17). Laut Beschluss desGemeinderates sollte die Ausspeisung erst abdem dritten Kind beginnen, d.h. für eine Familiemit drei Kindern wurde für ein Kind eine Mahlzeitabgegeben (Streik in Grünbach, in: NeunkirchnerBezirksbote, 16.12.1932, S. 4–5, hier S. 4).107/ An die Solidaritätsfront für die GrünbacherKumpels, in: RF, 13.12.1932, S. 4.108/ Verstärkte Solidarität für Grünbach bis zurersten Lohnauszahlung, in: RF, 10.1.1933, S. 2.109/ Ein großes Fest der Solidarität in Wien, in:RF, 16.12.1932, S. 3; Glänzender Erfolg desSolidaritätsfestes, in: RF, 27.12.1932, S. 4.110/ Eine Weihnachtsgabe für die GrünbacherBergarbeiterkinder!, in: A.-Z., 18.12.1932, S. 1.111/ Die „A.-Z.“, das Organ der Streikbruch-bonzen, in: RF, 12.1.1933, S. 5.112/ Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 11f.113/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b,Zl. 246/1932, Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II, Telefonat mit der Be-zirkshauptmannschaft Neunkirchen (L.R.R.Hentl) am 19.12.1932, S. 1.114/ Streikversammlung in Grünbach verboten,in: RF, 31.12.1932, S. 3.115/ Morgen kommt die Grünbacher Delegationnach Wien, in: RF, 30.12.1932, S. 1.116/ Solidarität, nicht Packelei für die Grün-bacher Kumpels, in: IRW, 7.1.1933, S. 2.117/ Grünbacher Kumpels in Wien, in: RF,1.1.1933, S. 1–2, hier S. 1.118/ Grünbach streikt (wie Anm. 60), S. 1.119/ ZPA der KPÖ, Flugblatt des Zentralkomi-

tees des Bundes proletarischer Solidarität „Brü-der! Genossen!“, o.D. [Dezember 1932].120/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b, Zl.246/1932, Flugblatt der KPÖ BezirksorganisationNeunkirchen und der RGO-Gebietsleitung Neun-kirchen „Streik in Grünbach! An die Betriebsarbei-ter und Arbeitslosen des Bezirkes Neunkirchen“.121/ Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 10.122/ Betriebsratswahl in Fohnsdorf. RGO. ge-winnt zwei Mandate, in: RF, 8.7.1932, S. 1.123/ Ausdehnung des Lohnkampfes im Berg-bau (wie Anm. 23).124/ RGO.-Sieg im Harter Kohlenwerk, in: DerProlet, Nr. 3/4, Mitte Juni 1931, S. 2.125/ Bergarbeiter eröffnen den Kampf um dieLohnerhöhung (wie Anm. 28).126/ Vor der Entscheidung im Harter Gebiet(wie Anm. 61).127/ Alpine lehnt Ultimatum der Harter Kumpelsab, in: RF, 4.12.1932, S. 1; NÖLA, ANÖLR,Präs., RegZ XII/171b, Zl. 246/1932, [Niederöster-reichische Landesamtsdirektion, Referat II], Tele-fonat mit der Bezirkshauptmannschaft Neun-kirchen (Hofrat Dr. Lukas) am 2.12.1932, S. 1.128/ Nazi- und UG-Bonzen drohen mit Streik-bruch, in: RF, 9.12.1932, S. 3.129/ G.Z.: Zwei Wochen Streik (wie Anm. 36);Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 12.130/ Zwei Wochen Streik!, in: Streik-Nachrichten,hg. von d. rev. Streikleitung d. Grünbacher Berg-arbeiter, Nr. 2 [Dezember 1932], S. 1–4, hier S. 1.131/ Massenstreikposten in Aktion (wie Anm. 48).132/ Grünbachs Bergarbeiter im Streik (wieAnm. 15), S. 3.133/ Der 7. Tag des Streiks in Grünbach (wieAnm. 43).134/ Die Streikenden fest – die Direktion ver-sucht zu verhandeln (wie Anm. 86).135/ Nicht nur Todesbergwerk, sondern auchSchindergrube (wie Anm. 17).136/ Verschärfung in Grünbach. Massenwiderstandvereitelt Streikbruch, in: RF, 16.12.1932, S. 1.137/ Zwei Wochen Streik (wie Anm. 130), S. 4.138/ Grünbacher Werkdirektion holt Streik-brecher heran, in: RF, 15.12.1932, S. 3.139/ Der Streik der Bergarbeiter in Grünbach(wie Anm. 21), S. 6.140/ Die Verschärfung der Lage in Grünbach,in: RF, 17.12.1932, S. 1–2, hier S. 2.141/ Verschärfung in Grünbach (wie Anm. 136).142/ Demonstration in Grünbach, in: RF,17.12.1932, S. 3.143/ Vom Grünbacher Streik. Kumpels werdendemonstrieren, in: RF, 18.12.1932, S. 1.144/ Neuerliche Demonstration der GrünbacherKumpels, in: RF, 21.12.1932, S. 3.145/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b,Zl. 246/1932, [Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II], Telefonat mit der Be-zirkshauptmannschaft Neunkirchen (L.R.R.Hentl) am 20.12.1932, S. 3.146/ Streik in Grünbach. KommunistischeLügenberichterstattung, in: Neunkirchner

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Beiträge 1155Bezirksbote, 30.12.1932, S. 5.147/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b,Zl. 246/1932, Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II, Telefonat mit der Be-zirkshauptmannschaft Neunkirchen (Oberkom-missär Siretean) am 21.12.1932, S. 1.148/ Gendarmerie attackiert in Grünbach. Vonden Führern der SP. gerufen!, in: RF,22.12.1932, S. 1; Die Gendarmerieattacke inGrünbach, in: RF, 23.12.1932, S. 3.149/ Eine verbotene Kommunistendemonstra-tion in Grünbach, in: A.-Z., 22.12.1932, S. 6.150/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII/171b,Zl. 246/1932, Flugblatt „Verrat! Schande! / Ein-heitsfront der sozialdemokratischen Führer mitder Gendarmerie in Grünbach“, Zl. 251–27/1932v. 30.12.1932.151/ Zit. nach: Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 14.152/ Streik in Grünbach (wie Anm. 146).153/ Alles für den Sieg in Grünbach!, in: RF,31.12.1932, S. 1.154/ Schlesinger, Paul: Wer hat verraten? EinSchlußwort zum Streik in Grünbach, in: Öster-reichischer Metall- und Bergarbeiter, 18.2.1933,S. 1–2, hier S. 1.155/ Ein erster Schritt zur Beilegung des Berg-arbeiterstreiks in Grünbach, in: A.-Z., 3.1.1933,S. 1; Ein erster Schritt zur Beilegung des Grün-bacher Bergarbeiterstreiks, in: NeunkirchnerBezirksbote, 6.1.1933, S. 4.156/ Die Gewerkschaftsführer wollen den Grün-bacher Streik abwürgen, in: RF, 3.1.1933, S. 1.157/ Der geplante Verrat in Grünbach, in: RF,4.1.1933, S. 1.158/ Die Verhandlungen in Grünbach, in: A.-Z.,5.1.1933, S. 1.159/ Bonzen und Unternehmer einig. Verein-barung von Gewerkschaftsführern und Direktionzur Abwürgung des Grünbacher Streiks. Arbeiter,durchkreuzt den Verrat, in: RF, 5.1.1933, S. 3.160/ Der Grünbacher Streik vor dem Abschluß,in: A.-Z., 6.1.1933, S. 1.161/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII,Zl. 231/1933, [Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II], Telefonat mit der Fa.Schoeller-Bleckmann A.G. (Verw.Rat PhilippSchoeller) am 4.1.1933.162/ Verhaftung revolutionärer Streikführer, in:RF, 6.1.1933, S. 1; Heraus mit dem verhaftetenGenossen Kersche!, in: RF, 18.1.1933, S. 4.163/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII,Zl. 231/1933, Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II, Telefonat mit der Be-zirkshauptmannschaft Neunkirchen (Hofrat Dr.Lukas) am 5.1.1933.164/ Ebd., Telefonat mit der Bezirkshauptmann-schaft Neunkirchen (Hofrat Dr. Lukas) am6.1.1933.165/ Der Grünbacher Streik vor dem Abschluß(wie Anm. 160).166/ Schandpakt der Bonzen in Grünbach, in:RF, 6.1.1933, S. 1.167/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ IV/219,

Zl. 821/1933, Situationsberichte der Bezirks-hauptmannschaften, BezirkshauptmannschaftNeunkirchen an die nö. Landesamtsdirektion,Zl. I–5/16 v. 4.1.1933, S. 2.168/ Schlesinger: Wer hat verraten? (wieAnm. 154), S. 2.169/ Bonzen und Unternehmer einig (wie Anm. 159).170/ Schandpakt der Bonzen in Grünbach (wieAnm. 166); Offener Streikbruch der Gewerk-schaftsführer in Grünbach, in: RF, 7.1.1933, S. 1.171/ Offener Streikbruch der Gewerkschafts-führer in Grünbach (wie Anm. 170).172/ Der Grünbacher Streik beendet, in: A.-Z.,7.1.1933, S. 1.173/ Das Ende des Grünbacher Streiks, in:Neunkirchner Bezirksbote, 13.1.1933, S. 6–7,hier S. 7.174/ Offener Streikbruch der Gewerkschafts-führer in Grünbach (wie Anm. 170).175/ Der Grünbacher Streik beendet (wie Anm. 172).176/ Schlesinger: Wer hat verraten? (wieAnm. 154), S. 2.177/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII,Zl. 231/1933, Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II, Telefonat mit der Be-zirkshauptmannschaft Neunkirchen (Hofrat Dr.Lukas) am 6.1.1933.178/ Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 18.179) Der Heldenkampf im Todesbergwerk ab-gewürgt, in: RF, 8.1.1933, S. 1.180/ Ebd.; Eine höhere Stufe des Verrats. Vonder Streikabwürgung zum Streikbruch, in: RF,13.1.1933, S. 1–2.181/ Die Lehren von Grünbach (wie Anm. 56),S. 5; Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 20.182/ Grünbach streikt (wie Anm. 60), S. 1.183/ Solidarität mit Grünbach (wie Anm. 14), S. 2.184/ Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 3.185/ Verrat nach sechs Wochen Kampf. Das„Todesbergwerk“ bleibt Todesbergwerk, in:IRW, 14.1.1933, S. 2; Ist der Kampf in der Krisemöglich?, in: RF, 17.1.1933, S. 1–2, hier S. 2.186/ Der Streik in Grünbach (wie Anm. 93).187/ Gewerkschaften und Lohnbewegung, in:Der oesterreichische Volkswirt, 25. Jg., Nr. 16,14.1.1933, S. 354–355, hier S. 354.188/ Grünbacher Werksdirektion nimmt Maß-regelungen vor, in: RF, 11.1.1933, S. 4.189/ RGO.-Betriebsräte gemaßregelt, in: RF,12.1.1933, S. 1.190/ NÖLA, ANÖLR, Präs., RegZ XII,Zl. 231/1933, [Niederösterreichische Landes-amtsdirektion, Referat II], Telefonat mit der Fa.Schoeller-Bleckmann A.G. (Verw.Rat PhilippSchoeller) am 4.1.1933.191/ Die Entlassung der RGO.-Betriebsräte inGrünbach war vereinbart, in: RF, 17.1.1933, S. 3.192/ Solidarität mit den gemaßregelten Kum-pels von Grünbach!, in: RF, 17.1.1933, S. 3.193/ Großmann, Oskar: Einige Fragen der Mas-senarbeit der KP. Oesterreichs, in: Internationa-le Presse-Korrespondenz, 12. Jg., Nr. 105,16.12.1932, S. 3383–3384, hier S. 3384.

194/ Honner: Einige organisatorische Lehren(wie Anm. 56), S. 7.195/ Die Lehren von Grünbach. Die Kumpelszurückgeschlagen, aber nicht besiegt, in: RF,21.1.1933, S. 3–4, hier S. 4.196/ Kampf um die Gewerkschaftsfunktionen,in: RF, 30.12.1932, S. 7.197/ Jetzt hinein in die Organisation (wieAnm. 75), S. 2; Der Grünbacher Streik beendet,in: Neunkirchner Bezirksbote, 13.1.1933, S. 4.198/ Schlesinger: Wer hat verraten? (wieAnm. 154), S. 2.199/ Streik in der Krise (wie Anm. 14), S. 21.200/ Schlesinger: Wer hat verraten? (wieAnm. 154), S. 1.201/ Das Ende des Grünbacher Streiks (wieAnm. 173), S. 6.202/ Die Werbeoffensive des Kommunismus, in:RF, 22.12.1932, S. 1.203/ Sechzig Kumpels in Grünbach in zweiWochen der Partei und RGO. beigetreten, in:RF, 19.2.1933, S. 5.204/ Abrechnung mit den Streikbrecherorgani-sationen! „Man hat uns auf das schändlichsteverraten!“, in: RF, 22.1.1933, S. 3.205/ Die Betriebsratswahlen in Grünbach, in:RF, 12.3.1933, S. 4.206/ Betriebsrat der Arbeiter, in: Werks-Zeitungder Grünbacher Steinkohlenwerke A.G., 6. Jg.,Nr. 7, Juli 1934, S. 48.

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1166 Beiträge

Die jetzige Jahrhundertkrise kannnicht losgelöst gesehen werdenvom Wegfall der kooperativen

Rahmenbedingungen, die nach demZweiten Weltkrieg geschaffen wurden.Diese Entwicklung beginnt bereits mit

dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Abkommens Anfang der 1970erJahre, bekommt aber einen Turboschubmit der Zeitwende 1989/90. Mit dem

Wegfall der Systemalternative bricht diehemmungslose Konkurrenz innerhalb desverbliebenen Systems durch. Das hat vorallem für Westeuropa eine besondere Be-

deutung. Denn gerade hier hatte sich imSchatten des so genannten Ost-West-Konflikts eine spezifische Konstellationherausgebildet: Machtpolitisch traten dieWesteuropäer in die zweite Reihe,während sozialpolitisch eine dynamische

Entwicklungeinsetzte, abge-sichert durchein hohes Maßan öffentlichemEigentum, wirt-schaftlichenRegulierungenund starke Ge-werkschaften.Für die Macht-eliten Westeu-ropas, insbe-sondereDeutschlands,

öffnete die Wende 1989/90 die histori-sche Chance, diese Entwicklung umzu-kehren, d.h. sich machtpolitisch wieder indie erste Reihe der Weltpolitik zu drän-

gen und sozialpoli-tisch den Rück-wärtsgang einzule-gen. Um die teil-weise erheblichenWiderstände inden einzelnen Na-tionalstaaten aus-zuhebeln, wurdeund wird dieseEntwicklung vorallem über die EU-Ebene vorangetrie-ben. Das Pro-gramm der hem-

mungslosen Konkurrenz wurde in härte-sten politischen Beton, in das EU-Primär-recht, gegossen, wo es seit dem Maas-tricht-Vertrag heißt: Die EU-Staaten

„verpflichtensich zu einerWirtschaftspo-litik der offe-nen Marktwirt-schaft mit frei-em Wettbe-werb“. DieEnthemmungder Konkur-renz ist keinspontaner öko-nomischer Pro-zess, sondern

gezielte Klassenpolitik von oben. Dennsie bedeutet letztlich, dass die Starkenstärker, die Schwachen schwächer undaus kleinen Unterschieden große werden.Die Zunahme von Ungleichheit nimmtrasant zu. Dieser Prozess soll im folgen-den vorwiegend anhand der österreichi-schen Entwicklung seit dem EU-Beitrittnachgezeichnet werden.

WWaacchhsseennddee UUnngglleeiicchhvveerrtteeiilluunnggzzwwiisscchheenn KKaappiittaall uunndd AArrbbeeiittDie Großindustriellen haben die wach-

sende Arbeitslosigkeit und die kapital-freundlichen Rahmenbedingungen seitdem EU-Beitritt zu einem gewaltigenRaubzug sowohl an den individuellen alsauch an den kollektiven Löhnen undGehältern (Sozialversicherung) genutzt.Während im Jahrzehnt vor dem EU-Bei-tritt diese Lohnquote nur leicht zurück-ging, ist sie seither richtiggehend abge-stürzt (Grafik 1). Im Jahr 1995 betrug derAnteil der ArbeitnehmerInnen-Entgelte(Bruttolohn inkl. Sozialversicherung)62% der Bruttowertschöpfung. DieserAnteil ist bis 2008 auf rund 55% zurück-gegangen1. Die Gewinn-Einkommensind spiegelbildlich von 38% auf 45%angestiegen. Anders ausgedrückt: Seitdem EU-Beitritt gibt es für die Arbeit-nehmerInnen keine Reallohnsteigerun-gen mehr, obwohl das BIP pro Kopf derBevölkerung nach wie vor deutlich zu-nimmt (Grafik 2). Gleichzeitig geht auchinnerhalb der unselbstständig Beschäf-tigten die Schere immer weiter auseinan-der. Das unterste Quartil (25% verdienenweniger, 75% verdienen mehr) der Ar-beitnehmerInnen verlor zwischen 1997und 2006 über 12% (netto, real); das1. Quartil der ArbeiterInnen stürzte indiesem Zeitraum gar um über 20% ab.

Noch extremere Klüfte zeigen sich in-nerhalb der Gewinneinkommen. Die ge-samten Gewinneinkommen stiegen brut-to im Zeitraum 1995 bis 2007 um 111%(zum Vergleich: ArbeitnehmerInnen-Einkommen +38%), die Einkommen derSelbstständigen um 73%, und die Aus-schüttungen an die Aktionäre um sensa-tionelle 299% (Grafik 3). Diese Entwick-lung setzt sich auch im Krisenjahr 2008fort, wie eine Studie der Österreichi-schen Gesellschaft für Politikberatungund -entwicklung zeigt, die die wirt-schaftliche Entwicklung der an der Wie-ner Börse gehandelten Unternehmungen

Gewinner, VVerlierer uund TTriebkräfte dder KKriseGERALD OBERANSMAYR

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chen Budgets austrocknen und bereitendamit den Boden für eine groß angelegtePrivatisierungsoffensive. Im Raum derEU fanden im Zeitraum 1977 bis 20061.177 Privatisierungen mit einem Volu-men von 708 Milliarden Euro statt –95% davon seit Einführung des EU-Bin-nenmarktes, das sind die Hälfte aller glo-balen Privatisierungen in diesem Zeit-raum3 (Grafik 4). Der damalige EU-In-dustriekommissar Bangemann hatte dasBinnenmarkt-Projekt als das „größte De-regulierungsprogramm der Wirtschafts-geschichte“ gerühmt. Auch in Österreichist der Zusammenhang zwischen demEU-Beitritt und der Zerschlagung derVerstaatlichten offensichtlich. Bereits imAvis der EU-Kommission zum bevorste-henden EG/EU-Beitritt Österreichs hattedie EU-Kommission den „hohen Staats-anteil“ in der österreichischen Wirtschaftgerügt. Die Machteliten beeilten sich,dieses Hindernis aus dem Weg zu räu-men. Zwischen 1994 und 2005 wurde al-leine im Rahmen der ÖIAG öffentlichesEigentum im Wert von zwölf MilliardenEuro privatisiert und damit die verstaat-lichte Industrie faktisch zerschlagen.

DDeerr ggrrooßßee RRaauubbWie stehen diese Entwicklungen nun

im Zusammenhang mit der Wirtschafts-und Finanzkrise? Um diese Frage zu be-antworten, hilft ein Rechenexempel wei-ter: Wir vergleichen, was die Arbeitneh-merInnen tatsächlich bekommen haben,mit dem was sie erhalten hätten, wenn die

Verteilungs-verhältnissezwischen Ka-pital und Ar-beit von 1995konstant ge-blieben wäre.Das Ergebnisist erstaunlichund offenbartden bestver-hüllten Raubder jüngerenösterreichi-schen Sozial-

untersuchte2. Im Zeitraum 2004 bis 2008vervierfachten sich die Dividenden die-ser ATX-Konzerne von 1,03 Mrd. auffast vier Milliarden. Selbst im Krisenjahr2008 wuchsen die Gewinnausschüttun-gen noch einmal kräftig, obwohl gleich-zeitig die Gewinne bereits deutlichzurückgingen. Fazit: 2008 wurden sageund schreibe 93% der Gewinne derATX-Unternehmen an die Aktionäreweitergereicht. Spitzenreiter ist dabei dieteilprivatisierte Post AG, die in den letz-ten beiden Jahren 38% bzw. 42% mehran Gewinn ausgeschüttet als erwirtschaf-tet hat. Gleichzeitig wurden hundertePostämter geschlossen und derKollektivvertrag für NeueinsteigerInnenum ein Drittel gesenkt.

AAuussttrroocckknnuunngg ddeerr ööffffeennttlliicchheennHHaauusshhaallttee uunndd PPrriivvaattiissiieerruunnggEine wachsende Ungleichverteilung

lässt sich auch auf der Ebene der Sekun-därverteilung auf der Ebene der öffentli-chen Haushalte erkennen. Mit der Entfal-tung des EU-Binnenmarktregimes undder Liberalisierung des Kapitalverkehrswird das Steuerdumping bei Kapital- undGewinnsteuern vorangetrieben, währendMassensteuern erhöht werden. Seit derEinführung des EU-Binnenmarktes sindfaktisch in allen EU-Staaten die Gewinn-steuer gesenkt und die unsozialen Mehr-wertsteuern angehoben worden (Tabelle1). Wegbrechende Steuereinnahmen unddas restriktive Korsett der Maastricht-Konvergenzkriterien lassen die öffentli-

und Wirtschaftsgeschichte. Über denZeitraum dieser 15 Jahre akkumuliert ent-sprechen die Lohn- und Gehaltsverlustesage und schreibe 98,3 Milliarden Euro.Das ist mehr als ein Drittel des gesamtenBIP von 2008, das den ArbeitnehmerIn-nen seit dem EU-Beitritt geraubt wordenist. Knapp 57,5 Milliarden davon sindNettolöhne/-gehälter, also das, was denMenschen unmittelbar aus der Briefta-sche gezogen wurde. 15,3 Milliarden sindentgangene Lohnsteuer des Staates (diez.T. über andere Steuern kompensiertwurden) und 25,6 Milliarden sind entgan-gene Einnahmen der Sozialversicherung,also des Kollektivlohnes der Unselbst-ständigen, um sich gegen die existenziel-len Risiken von Krankheit, Unfall, Alterund Arbeitslosigkeit zu schützen. Es lässtsich leicht ausrechnen, dass sich all dasGezeter um die Unfinanzierbarkeit derPensionen und des Gesundheitswesenserübrigen würde, wenn sich die Vertei-lung zwischen Kapital und Arbeit seit1995 nicht zuungunsten der Letzterenverschoben hätte. Schauen wir uns dasim Detail an: Derzeit wird den Kranken-kassen von Finanzminister Pröll wegeneines Schuldenstandes von 1,2 Milliar-den der Rotstift aufgezwungen. Aberdurch die Umverteilung von Arbeit zuKapital wurde der Krankenversicherungseit 1995 Geld in der Höhe von 5,2 Milli-arden Euro geraubt, also mehr als dasVierfache! Oder ein anderes Beispiel:Die von den PensionistInnenverbändengeforderte Rentenerhöhung in der Höhedes so genannten Pensionstenpreisindexvon 1,9% verursacht Mehrkosten vonrund 200 Millionen. Das sei unfinanzier-bar, warnen die Industriellenvereinigungund ihre Medienfreunde. Doch niemandschreibt, dass durch die Umverteilungvon Arbeit zu Kapital seit 1995 den so-zialen Pensionskassen 15,4 Milliardenvorenthalten wurden.

PPrrooffiittqquuoottee sstteeiiggtt –– IInnvveessttiittiioonnssqquuoottee ssiinnkktt

Nun stellt sich die Frage: Sind durchdiese enorme Umverteilung von Löhnenzu Gewinnen zumindest die Investitio-nen entsprechend angekurbelt worden,wie es die neoliberale Dogmatik prophe-zeit? Mitnichten! Der Anteil der Brutto-investitionen an der Wertschöpfung istvon 28,1% (1995) auf 25,4% (2008)zurückgefallen. Stellt man dasselbe Re-chenexempel wie vorhin an, d.h. ermit-telt man die Höhe der Investitionen,wenn die Investitionsquote von 1995konstant geblieben wäre, so errechnetsich in diesem Zeitraum ein akkumulier-

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ter Investitionsausfall zwischen 45 und55 Milliarden Euro – je nachdem ob mansich auf die Brutto- oder Nettoinvestitio-nen. Zum Vergleich: Das von der Regie-rung geschnürte Konjunkturpaket beträgt– großzügig gerechnet – rund drei Milli-arden Euro. Die öffentlichen Bruttoinve-stitionen (Bahn, Schulen, Gemeindein-frastrukturen, usw.) haben sich – gemes-sen am BIP – in diesem Zeitraum sogarhalbiert, die öffentlichen Nettoinvestitio-nen sind mittlerweile sogar negativ ge-worden, was auf den zunehmenden Ver-schleiß öffentlicher Infrastrukturen hin-deutet (z.B. Stilllegung/Nicht-Erneue-rung von Bahnverbindungen, veralteteSchulen). Gerade die Vernachlässigungder sozialen und ökologischen Infra-struktur trifft die unteren Bevölkerungs-gruppen besonders hart. Dieser negativeZusammenhang zwischen steigendemGewinn- und sinkenden Investitionsan-teilen lässt sich für den gesamten EU-Raum nachweisen (Grafik 5).

Wohin ist das Geld also gewandert?Einerseits in den Kapitalexport: Dieösterreichischen Nettokapitalexporte ha-ben in den letzten Jahren enorm zuge-nommen, alleine im Jahr 2008 betrugendie Überschüsse des Kapitalexports überden Kapitalimport über zehn MilliardenEuro. Vielfach fällt darunter die Teilnah-me österreichischer Unternehmen undBanken an der fieberhaften Privatisie-rung öffentlichen Eigentums in Osteuro-pa, die auch dort keinen Reichtum ge-schaffen, aber viele Menschen arbeitslosgemacht hat. Zum anderen explodiertendie Gewinnausschüttungen an die Ak-tionäre. Die Neoliberalen haben verspro-chen: Die Gewinne von heute sind dieInvestitionen von morgen und die Ar-beitsplätze von übermorgen. Tatsächlichhat es sich anders herum verhalten. Diewachsende Ungleichverteilung hat nichtnur die Massenkaufkraft und die sozialenKassen, sondern auch die realen Investi-

Aufweichung von Kollektivverträgenund Arbeitszeitbestimmungen. Das EU-Establishment ist durch die Krise offen-sichtlich keineswegs in seinem Glaubenan die neoliberale „Lissabon-Agenda“abgerückt, im Gegenteil: Es sieht diewachsende Massenarbeitslosigkeit of-fensichtlich als Chance, diese Agendabeschleunigt durchzusetzen. Die Wirt-schafts- und Sozialpolitik, die die Kriseaufbereitet hat – Schwächung der unte-ren Einkommen, Aushungerung der öf-fentlichen Haushalte – wird uns nun alsTherapie aus der Krise empfohlen.

Wenn wir aus dieser neoliberalen Sack-gasse herauskommen wollen, müssen wirüber den Tellerrand des EU-Regimes hin-ausschauen. Wir brauchen die Umvertei-lung von oben nach unten, die Stärkungder sozialen Kassen und des öffentlichenEigentums. Statt Aktionärsportfolios auf-zufetten, brauchen wir mehr, und zwarviel mehr Geld für Bildung, Gesundheit,öffentlichen Verkehr, ökologische Ener-giewende und die Bekämpfung der Ar-mut. Das ist der Kern einer „solidari-schen, ökologischen und demokratischenWende“, wie sie auch die Werkstatt fürFrieden und Solidarität in ihrem Aufrufvorgeschlagen hat. Den Kampf um dieDurchsetzung einer solchen Wende müs-sen wir führen und – bei Strafe sozialerVerwüstungen – gewinnen.

Anmerkungen:1/ Wo keine eigenen Quellenangaben gemachtwerden, stammen die Zahlen von der StatistikAustria, www.statistik.at.2/ Österreichische Gesellschaft für Politikbera-tung und -entwicklung, Wichtige Kennzahlenbörsennotierter Unternehmen in Österreich2004–2008, Oktober 2009.3/ Privatisierungsbarometer, in: Rainer Rilling:Die Eigentumsfrage kehrt zurück, Rosa Luxem-burg-Stiftung, 2007.4/ Zit. nach Tagesspiegel, 10.9.2009.5/ Bad Ischler Dialog, „Wege aus der Krise“,5.10.2009.

tionsströme ausgetrocknet, sodass zu-nehmend ein prekärer Wirtschaftskreis-lauf in Schwung gekommen ist: Luxus-konsum statt Absicherung der Grundbe-dürfnisse, Spekulation und Privatisie-rung statt Investitionen in Basisinfra-strukturen. Hier liegen die tieferen Ursa-chen für die schwere Wirtschaftskrise.

EEUU:: KKrriisseennuurrssaacchhee wwiirrdd aallss TThheerraappiiee vveerroorrddnneett

Geht es nach EU-Kommission, Eu-ropäischer Zentralbank und Regierung,dann sollen die Lasten der Krise nun vollauf dem Rücken jener geladen werden,die schon durch die Entwicklung, die zurKrise geführt hat, enorm verloren haben:die ArbeitnehmerInnen und all jene, diemaßgeblich auf den Sozialstaat angewie-sen sind. So fordert die EZB von den Eu-ro-Ländern einen „strikten Sparkurs“:„Da Steuern und Sozialabgaben in denmeisten Euro-Ländern bereits hoch seien,müsse auf der Ausgabenseite gespart

werden. DiestrukturellenKonsolidie-rungs-bemühungenwerden denim Stabilitäts-und Wachs-tumspakt fest-gelegtenRichtwert von0,5% desBruttoinlands-produkts proJahr deutlichübersteigen

müssen.“4 Die EU-Kommission stelltvielen EU-Staaten, darunter Österreich,mit der Eröffnung von Defizitverfahrenbereits die Rute ins Fenster. Wo gespartwerden soll, zeigen die Vorstöße desösterreichischen Finanzministers: im Ge-sundheitssystem, bei den PensionistIn-nen und nicht zu letzt bei den Gemein-den, die immer weniger Spielraum füröffentliche Investitionen in die Absiche-rung von Basisinfrastrukturen haben.

Weiteres soll die Krise genutzt wer-den, um Löhne und Arbeitsbedingungenweiter zu verschlechtern. Gertrude Tum-pel-Gugerell, österreichisches Mitgliedim EZB-Direktorium, fordert – ange-sichts von 400.000 Arbeitslosen! – „dieErhöhung von Arbeitsanreizen“, sprichdie Verschlechterungen der Leistungender Arbeitslosenversicherung, sowie „ei-ne der individuellen Arbeitsproduktivitätentsprechende Entlohnung“5 – eine vor-nehme Umschreibung für die weitere

Der vorliegende Text basiert auf demReferat von Gerald Oberansmayr beimSymposium der Alfred Klahr Gesell-schaft und des Bildungsvereins der KPÖSteiermark zum Thema „1929 – 2009:Wirtschafts- und Finanzkrise – damalsund heute“, das am 17. Oktober in Grazbzw. am 31. Oktober dieses Jahres inWien stattgefunden hat.Ein Protokollband mit sämtlichenBeiträgen der Konferenz ist in Vorberei-tung und wird 2010 in der Reihe „Quel-len & Studien“ der Alfred Klahr Gesell-schaft erscheinen.

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Nach dem Scheitern der Räterepublikrichtete sich der Hass der nun wieder andie Macht gelangten (Groß-)Bauern auchgegen Georg Wurm sen. Sollte er ur-sprünglich noch in ein Internierungslagervon der Art des berüchtigten Steinam-brückl, wo der spätere Landeshauptmann-Stellvertreter Ludwig Leser (SDAP) bei-nahe ums Leben kam, eingeliefert wer-den, so nahm man mit Rücksicht auf sei-ne Familie davon Abstand. Dies geschahjedoch nicht aus Mitleid, vielmehr herr-schte die Angst, die Kinder würden derGemeinde zur Last fallen, wenn es kei-nen Vater mehr gab6. Von subtilerenFormen der Bestrafung wollte die„weiße“ Gegenrevolution in Gols jedochkeineswegs absehen: Wurm wurde seineweitere musikalische Betätigung ebensoverboten wie seinen Kindern der Zugangzu gesellschaftlichen Ereignissen. Dasich die damaligen Dreschgesellschaftenweigerten, das Korn der Familie zu dre-schen, musste dieses manuell (d.h. mitdem Dreschflegel) verrichtet werden7.Die Familie führte in den Jahren bis zurösterreichischen Landnahme Westun-garns und der solcherart erfolgten Kon-stitution des Bundeslandes „Burgenland“das Leben von Aussätzigen. Der Wech-sel der Staatszugehörigkeit wurde vonder Familie daher als Erleichterung emp-funden. Noch im Jahr 1921, nur kurzeZeit nachdem österreichisches Verbändein Westungarn einmarschiert waren, or-ganisierte Georg Wurm die erste Orts-gruppe der SDAP in Gols und wurdeauch zu ihrem Obmann gewählt8. Beiden folgenden Kommunalwahlen zog erin den Gemeinderat ein, dem er bis zuseinem Ausschluss aus der SDAP 1928angehören sollte9. Beeindruckend mutetdas kulturelle Programm an, das er imRahmen der sozialdemokratischen Parteiin Gols verwirklichte: er gründete eineMusikkapelle, einen Chor sowie eineTheatergruppe, die im Pferdewagen auchdie umliegenden Dörfer bespielte10.

GGeeoorrgg WWuurrmm uunndd ddiiee KKPPÖÖDie politischen Aktivitäten von Georg

Wurm sen. und seiner Familie für dieKPÖ setzten bereits vor dem für die Par-teientwicklung so entscheidendem Jahr1934 ein. Wurm fühlte sich auch inner-halb der sozialdemokratischen Partei im-

Über das Leben von Georg Wurmsen. haben sich einige Informa-tionen erhalten, die zum größten

Teil von seiner ältesten Tochter Susanne(verheiratete Allacher) stammen. Alla-cher, geboren 1900, hat im Jahr 1972 ih-re Erinnerungen an ihren Vater niederge-schrieben und auf diese Weise eine ein-zigartige Quelle geschaffen1, die in denarchivalischen Beständen der KPÖ auf-bewahrt wird (und als Kopie auch imDokumentationsarchiv des österreichi-schen Widerstandes einsehbar ist).

Georg Wurm stammte aus einer mehr-köpfigen Golser Landarbeiterfamilie undwuchs in ärmlichen Verhältnissen auf.Die Familie selbst verfügte über kaumnennenswerten Grundbesitz und mussteihren Lebensunterhalt daher am Hofgrößerer Bauern des Seewinkels finden.Die Kinder wurden nach Absolvierungeiner minimalen Schulzeit bereits voll inden Arbeitsalltag integriert. Nach sechs-jähriger Volksschule, im Alter von nurzwölf Jahren musste so auch Georg alsTaglöhner auf einer Bauernwirtschaftzum Familieneinkommen beitragen. Diefeudalen Arbeitsbedingungen, verbun-den mit einer faktisch beinahe völligenRechtlosigkeit der Landarbeiterschaft inBezug auf soziale Sicherheit oder dieGewährung elementarster Mindeststan-dards im Arbeitsprozess, resümiert Alla-cher für die Person ihres Vaters mit denschlichten Worten, hier habe dieser dieNöte des Arbeiters kennengelernt2. ImJahr 1900 heiratete er, der ersten TochterSusanne sollten bis 1916 noch weitereneun Kinder folgen.

Die einschneidende Veränderung imLeben Georg Wurms begann mit demErsten Weltkrieg. Wurm stand in Serbienan vorderster Frontlinie und hörte dortzum ersten Mal in seinem Leben etwasvom Sozialismus, der in den Landge-meinden Westungarns bislang ein„Fremdwort“ geblieben war, wie Alla-cher festhält3. Im Selbststudium setzte ersich mit der marxistischen Theorie aus-einander und vermittelte sie auch an sei-ne Kinder weiter. Als im März 1919 dieungarische Räterepublik ausgerufenwurde4, wirkte Georg Wurm in seinerHeimatgemeinde Gols an vordersterStelle mit und übernahm die Funktiondes Gemeindekassiers5.

mer dem linken Flügel zugehörig. Ent-täuscht über das Verhalten derParteiführung im Zuge der Schattendor-fer Ereignisse und über ihre zögerlicheHaltung in der Frage der Durchführungeiner Bodenreform im Burgenland ent-faltete er einen intensiven und äußerstkritischen Diskussionsprozess innerhalbder Golser Ortsorganisation, verbundenmit einer schonungslosen Abrechnungmit führenden Funktionären der Partei11.Im Jahr 1928 wurde er bezeichnender-weise mit der Begründung, er sei einKommunist, aus der SDAP ausgeschlos-sen und trat wenig später in die im Bur-genland zu diesem Zeitpunkt noch kaumverankerte KPÖ ein12.

Die Ortsgruppe Gols der kommunisti-schen Partei, deren Leitung Georg Wurmsen. auch formell übernahm13, etabliertesich in der Folgezeit auch im überaus akti-ven Seewinkler Bezirk als eine der schlag-kräftigsten kommunistischen Organisatio-nen, wie Vinzenz Böröcz in seinem Be-richt über die Konsolidierung der KPÖnach 1934 im Burgenland anerkennendfeststellt14. Zu ihren zentralen Aktivitätengehörten die Verbreitung kommunisti-scher Ideen sowie vor allem die Agitationgegen den aufziehenden Austro- und spä-teren Hitler-Faschismus, dessen Gefähr-lichkeit für die Arbeiterklasse und dieMenschheit im Allgemeinen Georg Wurmfrüh erkannte. Die illegalen Treffen fan-den dabei zumeist in der elterlichenWohn- und Schlafstube seines Hausesstatt, so auch in den Februartagen des Jah-res 1934, als Wurm sen. den Kontakt mitWien herstellte, Wurm jun. mit einerGruppe Jugendlicher aus der ehemaligenSozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) inAlarm- und Rufbereitschaft stand und manauf das Signal zum Aufstand wartete15 –das nie kam. Dies demonstrierte der Fami-lie nicht nur die prinzipielle Richtigkeit ih-rer Abwendung von der Sozialdemokratie,sondern ließ auch keine Zweifel über dieNotwendigkeit ihres weiteren Kampfesgegen den Faschismus. Die Tagesproto-kolle der Gendarmerieexpositur von Golsliefern hierbei ein detailliertes Bild überdie Tätigkeiten der örtlichen Gruppe16. ImRapport von 2. September 1937 wird dasHaus Georg Wurms als Zentrum der kom-munistischen Agitation in Gols nament-lich erwähnt17. Demnach konnten die

„Du lliebes HHeimatland, wwie bbist ddu mmir sso ffern…“BBrroossaammeenn zzuumm ppoolliittiisscchheenn LLeebbeenn uunndd ddiicchhtteerriisscchheenn WWiirrkkeenn

ddeess GGoollsseerr WWiiddeerrssttaannddsskkäämmppffeerrss GGeeoorrgg WWuurrmm sseenn.. ((11887777––11994455))MARTIN KRENN

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Behörden über abgefangene Briefe einesMitglieds der Gruppe in Erfahrung brin-gen, dass Wurm „von der Kommunis-tischen Partei unentgeltlich ein Radioap-parat ausgefolgt werden soll, damit vonihm und den Parteigängern die russischenSendungen abgehört werden können. Wei-ters wurde angegeben, daß bei Wurm im-mer geheime Treffungen kommunisti-scher Parteigänger stattfinden sollen.“18

Die kommunistische Organisation inGols sollte sich nach der am 11. März1938 erfolgten Machtergreifung der bur-genländischen Nationalsozialisten in Ei-senstadt zu einer der größten Wider-standsgruppen im Burgenland formieren.Den Kern bildete nach wie vor die Fami-lie Wurm – neben Georg Wurm sen. en-gagierten sich im Innersten der Gruppeauch noch sein Sohn Georg Wurm jun.,die Töchter Susanne (verheiratete Alla-cher) und Theresia (verheiratete Spieß)sowie sein Bruder Gregor Wurm, derebenso wie Georg eine kleine Landwirt-schaft betrieb. Die Organisation konntesich im Verlauf der nächsten zwölf Mo-nate zunehmend festigen und personellverstärken, indem sich antifaschistischgesinnte und klassenbewusste Arbeiterwie Andreas Heinrich, ein aus Golsstammender Bediensteter der Raab-Ödenburg-Ebenfurther Eisenbahn, oderJohann Karner, Schuhmachermeister inGols, der Gruppe anschlossen19. ÜberHeinrich verliefen auch intensive Kon-takte zur kommunistischen Widerstands-gruppe im benachbarten Mönchhof, dieebenso wie die Golser Gruppe eine regeAktivität entfaltete20.

Die formelle Leitung der Gruppe inGols hatte Georg Wurm jun. inne, wenn-gleich seine Schwester in ihrem im Par-teiarchiv der KPÖ aufbewahrten Lebens-bericht die entscheidende Rolle seinesVaters bei der Organisation der Arbeitsowie der Koordinierung der Verbindun-gen zu Wiener Kreisen bzw. zu leitendenFunktionären der illegalisierten KPÖ imBurgenland betont21. Neben der Aufrecht-erhaltung der illegalen Parteiorganisationund ihrer Agitation gegen den Faschismuswar es ein zentrales Anliegen der GolserGruppe, regelmäßige Sammlungen für dieRote Hilfe durchzuführen22. Die Anklage-schrift gegen Georg Wurm sen. vermerktvom September 1943 vermerkt so etwain lakonischen Worten, dass Wurm anBesprechungen teilgenommen habe, „beidenen die Einrichtung des kommunis-tischen Systems erörtert wurde“23. Su-sanne Allacher selbst findet für dieTätigkeiten in ihrem Lebensbericht diefolgenden Worte: „Wir zahlten unseren

von „Vorbereitung zum Hochverrat“aus31. Am 14. Dezember wurde er vomOLG Wien ebenso wie sein Bruder zusechs Jahren Zuchthaus verurteilt32 undgemeinsam mit diesem in die Justiz-anstalt Straubing bei München eingelie-fert. Ende April 1945 war er nach Aus-kunft seiner Tochter Susanne noch amLeben, befand sich jedoch aufgrund dererlittenen Entbehrungen während derHaftzeit im Krankenrevier. Anfang Maifand ihn dort ein ebenso in Straubing in-haftierter Nickelsdorfer tot auf33 – un-mittelbar nach seinem 68. Geburtstagund dem Einmarsch der Amerikaner inMünchen, den Wurm offenbar noch alssein „schönstes Geburtstagsgeschenk“bezeichnet hatte34. Als sein Bruder Gre-gor von der Todesnachricht erfuhr, ver-weigerte er aus Gram jede weitere Es-sensaufnahme und starb am 29. Mai1945 ebenfalls in Straubing35.

DDaass ddiicchhtteerriisscchhee SScchhaaffffeennvvoonn GGeeoorrgg WWuurrmm3366

Georg Wurm sen. war ein hoch begab-ter und gleichsam disziplinierterMensch. Er spielte mehrere Musikinstru-mente, leitete Anfang des 20. Jahrhun-derts in Gols eine Musikkapelle, fand da-neben noch die Zeit, vier seiner Kinder,die das musikalische Talent von ihm ge-erbt hatten, selbst auszubilden37 – undbesaß ein ausgeprägtes Gespür für Spra-che und Sprachklang, wie seine Gedichtebezeugen. Das ungeheure Potenzial, dasin Georg Wurm vorhanden war, ließ sichtrotz seiner nur rudimentären Schulbil-dung und den Widrigkeiten des Arbeit-salltages nicht niederhalten; sein dichte-risches Schaffen steht hier gleicher-maßen für eine tatsächliche „Ästhetikdes Widerstands“, deren gestalterischeKraft bis heute zu beeindrucken vermag.Die besten humanistischen Traditionender Arbeiterbewegung verkörpernd be-stellte er sich massenhaft Bücher perPost (darunter auch das Marx’sche „Ka-pital“), die er dann bis spät in die Nachthinein las. „Unsere Mutter“, so Allacher,„war schon sehr um ihn besorgt, sie sagteihm immer wieder, das kannst du für dieDauer nicht aushalten, aber er sagte nurdie zwei Worte, laß mich.“38

Dank der Aufzeichnungen seiner Toch-ter sind einige Stücke, zumeist Gedichte,erhalten geblieben39. Die Gedichte sindnicht immer datiert, können jedoch in denmeisten Fällen aufgrund der beschriebe-nen Zeiträume gut datiert werden. Wurmhat offenkundig zeit seines Lebens gegen-wärtige Erfahrungen festgehalten und ver-arbeitet; die überlieferten Stücke zeugen

Mitgliedsbeitrag und sammelten Gelderfür die ‚Rote Hilfe‘, ein Genosse ausWien holte dieses Geld ab, sein Namewurde geheim gehalten. Als er aberplötzlich nicht mehr kam, ahnten wir das[sic] etwas los ist und unsere Ahnunghatte uns nicht getäuscht.“

Aufgrund ihrer exponierten Stellungim Dorf stand die Familie Wurm bereitsvom ersten Tag des faschistischen Regi-mes an unter Druck. Den Tag ihrerMachtergreifung im Burgenland begin-gen die lokalen Nationalsozialisten auchin Gols mit einem Fackelzug; eine Stati-on dieses Zuges führte auch vor dasHaus der Wurms, das mit Steinen bewor-fen wurde. Susanne Allacher berichtetvon einer ständigen Beobachtung der Fa-milie und ihrer Aktivitäten: „[…] abendslagen sie [die Golser Nationalsozialisten,M.K.] vor meinem Elternhaus im Stras-sengraben, um zu beobachten, wer ausund ein ging.“ Trotz der Gefährlichkeitder Lage, in der sie sich befanden,bemühten sich die Familienmitgliederkeineswegs um politische Opportunitätund verweigerten konsequenterweiseden Hitler-Gruß als nun zwingendes Zei-chen der öffentlichen Zustimmung mitden neuen Machthabern: „Alle grüßtensich auf der Gasse mit erhobener HandHeil Hitler, aber wir haben unsere Handnie erhoben und grüßten mit einem gutenTag“24, so Allacher in ihren Erinnerun-gen. Es spricht angesichts dieser Mo-mente für das ungeheure Organisati-onstalent und die Arbeitsdisziplin derFamilie Wurm wie der anderen Mitglie-der der Golser Gruppe, der Verhaftungdurch die Gestapo bis zum Frühjahr1943 entgehen zu können. Im März 1943jedoch schlug das Regime zu.

Als die beiden Ersten wurden am24. März 1938 Gregor Wurm sowie Jo-hann Karner verhaftet25. Am 26. Märzverschafften sich Gestapo-Beamte vomzuständigen Kommissariat EisenstadtZutritt bei Georg Wurm sen.26, der, ge-warnt durch die Verhaftung seines Bru-ders Gregors, gerade dabei war, belas-tendes Material in seinem Garten zu ver-graben27. Wurm wurde abgeführt undsollte sein Haus nie wieder sehen28; we-nig später wurden auch seine beidenTöchter29 sowie – durch kriegsbedingteVerzögerung erst im November – auchsein Sohn Georg Wurm jun. verhaftet,der sich als Soldat der Wehrmacht zudiesem Zeitpunkt bei einem Transport-regiment in der Sowjetunion befand30.Die nach halbjähriger Untersuchungshaftim September 1943 gegen Georg Wurmsen. ausgefertigte Anklageschrift ging

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spiels in den Kontext der faschistischenHerrschaft seiner politischen Gegenwartgesetzt, richtet er den letzten Vers – glei-chermaßen als Aufforderung zur Tat imSinne der „Internationale“:„Nehmt in die Hand den eisernen Besen,streicht sie herab von ihrem Thron,den sie seit tausend Jahr bestiegen, demarmen Volk zu Spott und Hohn.“

Sein dichterisches Schaffen konnte Ge-org Wurm sen. auch vom Gefängnis ausfortsetzen. Briefe von ihm aus Straubingwaren wohl meistens auch mit kürzerenoder längeren Versen versehen. Erhaltenhat sich etwa ein Schreiben vom 23. Ok-tober 1944, in dem er in einem eindringli-chen Gedicht seine Liebe zur Heimat be-schwört. Er sollte sie nie wieder sehen.

Aus gegebenem Anlass:Georg Wurm sen.: Ein Neujahr in derkapitalistischen Weltordnung [undatiert]Das neue Jahr ist vor der Tür, das alteist dahin.Aus den alten Sorgen sind wir herausund in den neuen drin.Das neue Jahr, so ist bestimmt, es wirddem alten gleichen.Die Armen werden, bei Wasser und Brot,arbeiten für die Reichen.Voll Hoffnung treten wir in’s neue Jahr,doch die Täuschung bleibt nicht aus.Kummer uns Sorge, das ist fürwahr, diebleiben auch heuer im Haus.Drum Volk der Arbeit, denk fürwahr, sowar es schon viel tausend Jahr.Soll es immer so bleiben?Macht diesem Zustand bald ein End’, ihrhabt die Macht in euren Händ’.Bekämpft euch nicht im Bruderkrieg,dann ist gewiss bei euch der Sieg.Baut nicht fortan auf Gott, den Herrn,haltet die Reichen nicht mehr in Ehr’n. Dann winkt euch zu ein neues Jahr, dasdie Freiheit bringt immerdar.

Anmerkungen:1/ Zentrales Parteiarchiv der KPÖ, Kurze Bio-graphie über das Leben und der [sic] politi-schen Tätigkeit meines Vaters Georg Wurm[…], geschrieben von seiner ältesten TochterSusanne Allacher. Gols, 20.11.1972 (im Fol-genden: ZPA, Allacher).2/ ZPA, Allacher, S. 1.3/ Ebd., S. 2.4/ Da der Anschluss des Burgenlandes anÖsterreich erst 1921/22 vollzogen wurde,gehörte das als Westungarn bezeichnete Ge-biet nach wie vor zum ungarischen Territorium.Zur wechselvollen Geschichte der Räterepublikin Westungarn im Kontext der komplexen„Landnahme“ des Burgenlandes durch Öster-reich vgl. einen im Jahr 2010 erscheinenden

Aufsatz des Verfassers.5/ ZPA, Allacher, S. 3.6/ Vgl. ebd.7/ Vgl. ebd., S. 4.8/ Vgl. ebd.9/ Vgl. Gols. Geschichte einer Marktgemeinde.Red. von Hugo Huber. Gols 2006, Chronikteil.10/ Vgl. ZPA, Allacher, S. 4.11/ Vgl. ebd.12/ Vgl. ebd.13/ Vgl. ebd.14/ Vgl. ZPA, Vinzenz Böröcz: Die Geschichteum die illegale KPÖ-Zeitung „Der Rote Ring“, dieim Winter 1934/35 im Bezirk Neusiedl am Seeim Burgenland erschienen ist. Eisenstadt,15. Juli 1976, S. 5f. Kopie im DÖW (Nr. 12.310),teilweise abgedruckt in: in: Widerstand und Ver-folgung im Burgenland. Eine Dokumentation.Hg. vom Dokumentationsarchiv des österreichi-schen Widerstandes. Wien 1983, S. 60f.15/ Vgl. ZPA, Allacher, S. 5.16/ Vgl. Burgenländisches Landesarchiv (BLA),Forschungsarchiv, A-VIII-14, Berichte der Gen-darmerieexpositur Gols an die Bezirkshaupt-mannschaft Neusiedl am See.17/ Vgl. BLA, Forschungsarchiv, A-VIII-14, Be-richt der Gendarmerieexpositur Gols an die Be-zirkshauptmannschaft Neusiedl am See betref-fend kommunistische Aktivität in Gols vom2.9.1937. Kopie im DÖW (Nr. 11.220), auszugs-weise abgedruckt in: Widerstand und Verfol-gung im Burgenland, S. 71.18/ Ebd.19/ Vgl. die einschlägigen Berichte zur GruppeGols in: Widerstand und Verfolgung im Burgen-land, S. 190ff.20/ Vgl. ebd., S. 168f.21/ Vgl. ZPA, Allacher, S. 6.22/ Vgl. ebd. sowie Widerstand und Verfolgungim Burgenland, S. 168 u. S. 192ff.23/ DÖW, Anklageschrift des Generalstaatsan-waltes Wien gegen Ferdinand Moispointner undandere wegen Vorbereitung zum Hochverratvom 30.9.1943 (Nr. 9.164), S. 3; teilweise abge-druckt in: Widerstand und Verfolgung im Bur-genland, S. 192–193, hier S. 193.24/ ZPA, Allacher, S. 6.25/ Vgl. Tagesbericht Gestapo Wien Nr. 2 vom2.–5.4.1943. In: Widerstand und Verfolgung imBurgenland, S. 190.26/ Vgl. ebd.27/ Vgl. ZPA, Allacher, S. 6. Zwar konnte dasPaket im letzten Material noch von seiner Toch-ter Theresia weggeschafft werden; an der An-klage und seiner späteren Hinrichtung solltedies jedoch nichts ändern.28/ Insgesamt wurden zwölf Personen der GruppeGols sowie vier weitere der Gruppe Mönchhof ver-haftet und zu unterschiedlichen Strafen verurteilt.29/ Vgl. Online-Datenbank des DÖW: Nichtmehr anonym. Fotos aus der Erkennungs-dienstlichen Kartei der Gestapo Wien. EinträgeTheresia Spieß und Susanne Allacher. In:

dabei von einer Intensität, Einfühlsamkeitund Zuversicht, deren man sich wederentziehen kann noch will. Die Themenumfassen nahezu alle Lebensbereiche,wenngleich die von Allacher überlieferteAuswahl die Gewichtung auf dichterischeArbeiten gegen den Hitler-Faschismuslegt und von höchster politischer Sensibi-lisierung zeugen. Als das unbestritteneMeisterwerk in diesem Kontext kann seinzur Melodie des „Deutschland-Liedes“gedichtetes Anti-Deutschland-Lied vom2. Jänner 1937 gelten, das hier in origina-ler Länge wiedergegeben werden soll:

I. Nazi-Deutschland, armes Deutschland,Armut, Armut in der Welt.Tanke, Kanonen, Maschinengewehre,nur, dass Fleisch und Butter fehlt.Krieg und Raub ist dein Gewerbe,anders keine Möglichkeit.Nazi-Deutschland, armes Deutschland,dein sicheres Ende ist nicht weit!II.Nazi-Deutschland, armes Deutschland,zu wenig Platz hast auf der Welt.Ein Stück von Russland möchtest haben?Doch der Mut zum Kampf dir fehlt.Solltet ihr es doch mal wagen,und die Russen greifen an,Nazi-Deutschland, armes Deutschland,dein letztes Stündlein schlägt sodann.III.Nazi-Deutschland, armes Deutschland,Hitler sitzt auf deinem Thron.Ja, er sitzt sehr fest im Sattel,dem deutschen Volk zum Spott und Hohn.Doch die Zeit rückt immer näher,wo des Volkes Zorn erglüht,und der Tag ist nicht mehr ferne,wo die deutsche Freiheit blüht.

Georg Wurm sen. blieb auch in seinenGedichten immer von einer persönlichenBescheidenheit, die dem Leser unweiger-lich Respekt abverlangt. Selbst als er imApril 1939 schwer erkrankte und bereitsmit seinem bevorstehenden Tod rechnete,vergaß er nicht auf seinen politischen An-spruch. Keine Spur von Verzweiflungoder Haderei mit dem Schicksal tragendiese Zeilen, wohl aber ein empathischesBekenntnis zum Kampf für eine gerechteGesellschaft. Als „Rat“ an die Nachkom-menden gibt er diesen den Vers mit:„Erobert euch die schöne Erde, bautdarauf die neue Welt,dass es einmal Friede werde, dass es je-dermann gefällt.“

Gegen die herrschende Klasse, als„morsche Sippe“ gekennzeichnet undmittels eines ausgeklügelten Sprach-

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www.doew.at [28.11.2009].30/ Vgl. DÖW, Urteil des VGH gegen Georg

Wurm [jun., M.K.] und andere wegen Vorberei-tung zum Hochverrat vom 12.11.1943(Nr. 1.437). Offenbar wurde Georg Wurm jun.aber auch schon zuvor kurzzeitig inhaftiert,denn Susanne Allacher notiert eine Verhaftungim Juni (vgl. ZPA, Allacher, S. 9).31/ DÖW, Anklageschrift des Generalstaats-anwaltes Wien gegen Ferdinand Moispointner.– Georg Wurm jun., der ebenso wie sein Vaterwegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ ange-klagt wurde, wurde dagegen zum Tode verur-teilt und am 19. Mai 1944 hingerichtet (vgl. Onli-ne-Datenbank des DÖW: Nicht mehr anonym.Eintrag Georg Wurm jun.).32/ Vgl. Widerstand und Verfolgung im Burgen-land, S. 192, Anm. 1.

urteilt.2 Im Sommer 1944 fiel Josefschließlich einer groß angelegten Ver-haftungswelle durch die Gestapo zumOpfer und blieb bis zu Kriegsende inKlagenfurt in Haft.

In diesen Jahren entwickelte sich MariaPeskoller zu einer herausragenden Per-sönlichkeit des Villacher Widerstandes.Sie unterhielt ein vielfältiges politischesKontaktnetz, das von den PartisanInnenin Leoben-Donawitz rund um Max Mu-chitsch über die kärntner-slowenischenPartisanInnen, entflohene Zwangsarbei-terInnen bis hin zu den Widerstandszel-len innerhalb der Deutschen Reichsbahnreichte. Maria selbst agierte auf lokalerEbene im Rahmen ihres persönlichenNetzwerkes und Freundeskreises, der ei-nerseits aus führenden KP-Persönlichkei-ten Kärntens bestand – etwa den FamilienKazianka und Bucher – anderseits ausPersonen, die sich antifaschistisch undantinazistisch positionierten. Mit RosaEberhard und Margarete Jessernig ver-band Maria Peskoller neben einer politi-schen auch eine enge persönliche Freund-schaft – drei Frauen, die in räumlicherNähe zueinander lebten und deren Kinderebenfalls befreundet waren. Die dreiFrauen stützen sich wohl auch im Alltaggegenseitig – ihnen war nicht zuletzt ge-meinsam, dass ihre Männer aus unter-schiedlichen Gründen abwesend waren.Marias Mann befand sich seit dem Jahr1934 über weite zeitliche Strecken in po-litischer Haft, Rosa Eberhards MannAndreas war als Obergefreiter der Luft-waffe an der Front3, Margarete Jessernig,deren Mann ebenfalls Eisenbahner gewe-sen war, lebte seit 1942 als Witwe.4

Marias ältere Tochter Helga wuchs in-nerhalb dieses sozialen Gefüges in dieantifaschistische Arbeit hinein. Siegehörte zwar aufgrund ihres jugendlichenAlters nicht zum engeren Kreis der politi-schen AktivistInnen, übernahm aber im-mer wieder verschiedene Kurierdienste.1944 – Helga war fünfzehn – versuchtesie eine Pistole von Villach nach Eisen-kappel/elezna Kapla zu transportieren –ein Versuch, der zwar aufgrund des hefti-gen Bombardements von Klagenfurtscheiterte – allerdings ein deutliches In-diz für die politische ZusammenarbeitMaria Peskollers mit den slowenischenPartisanInnen darstellt. Helga war, eben-so wie Margarete Jessernigs Tochter Gre-ti (Margarete), an der Übermittlung vonpolitischen Nachrichten und am Trans-

res Mannes, ihr Hauptaugenmerk galt je-doch nach den Geburten ihrer TöchterHelga (1928) und Roswitha (1932) in er-ster Linie der Familie. 1932 übersiedel-ten die Peskollers berufsbedingt von Li-enz nach Villach. Zwei Jahre später er-lebte die Familie durch die faschistischeMachtübernahme mit Engelbert Dollfußan der Spitze die ersten drastischen Ein-schnitte: Für Josef begann nun aufgrundseiner exponierten Stellung als langjähri-ger sozialdemokratischer Personalvertre-ter eine elfjährige Phase von Verfolgung,Repression und Illegalität. Als bekannter„Roter“ wurde er bei den österreichi-schen Bundesbahnen bereits 1934 in ei-nen zeitlich begrenzten Ruhestand ver-setzt. Noch im selben Jahr folgte die er-ste von mehreren Verhaftungen wegenillegaler kommunistischer Betätigung,1935/36 eine achtmonatige Inhaftierungim Anhaltelager Wöllersdorf. MariaPeskoller hielt die Familie inzwischenmit Haushalts- und Schneiderarbeitenüber Wasser. Am 11. Juni 1940 wurdeJosef Peskoller in Villach verhaftet undam 21. Februar 1941 nach Klagenfurtüberstellt. Ihm wurde seitens des Unter-suchungsrichters des Volksgerichtshofsvorgeworfen, gemeinsam mit einigen an-deren ein „hochverräterisches Unterneh-men“ vorbereitet zu haben, indem er ei-nerseits durch die Organisation eines po-litischen Zusammenschlusses und ande-rerseits durch „Beeinflussung der Mas-sen durch Verbreitung von Schriften“mit Gewalt die Verfassung des Reicheszu ändern versuchte. In der Hauptver-handlung vom 20. Februar 1942 wurdeer zu einer 20-monatigen Haftstrafe ver-

„Wilde MMinze“LISA RETTL/CLAUDIA KURETSIDIS-HAIDER

Am 6. November feierte ein neuerösterreichischer Dokumentarfilmin Villach seine Österreich-Pre-

miere: „Wilde Minze“ von der Filmema-cherin Jenny Gand und der HistorikerinLisa Rettl portraitiert auf Basis von Inter-views die heute achtzigjährige Villache-rin Helga Emperger. Der 85-minütigeFilm erzählt nicht nur die Geschichte ei-ner wenig bekannten Partisanengruppeim Raum Villach, sondern vor allem auchdie Geschichte einer Mutter-Tochter-Be-ziehung über den Tod hinaus, von derVergangenheit in der Gegenwart und denlanglebigen Folgen des Nazi-Terrors. DiePremierenvorstellung in Wien findet imRahmen der „FrauenFilmTage“ vom25. Februar bis 3. März 2010 statt.

DDiiee PPeesskkoolllleerrss:: ffaammiilliiäärreerr HHiinntteerrggrruunndd uunndd ssoozziiaalleess NNeettzzHelga Emperger, geboren in Lienz,

wuchs mit ihrer jüngeren Schwester Ros-witha in einem sozialdemokratisch ge-prägten Umfeld auf. Für ihren Vater Jo-sef Peskoller waren sein Beruf als Eisen-bahner und die Arbeiterbewegung dasprägende Element seines Lebens: Als23-Jähriger trat er der Sozialdemokrati-schen Arbeiterpartei bei, seine endgülti-ge politische Heimat fand er Mitte der1930er Jahre in der KPÖ.1 Helgas Mut-ter, Maria Peskoller (geborene Greil),entstammte ursprünglich einer bäuerlich-konservativen Familie aus dem osttirole-rischen Dölsach und arbeitete vor ihrerEheschließung als Köchin in Tirol. ZuBeginn der 1930er Jahre trat sie politischnoch nicht in Erscheinung. Sie unter-stützte zwar die politischen Anliegen ih-

33/ Vgl. ZPA, Allacher, S. 9.34/ Vgl. ebd.35/ Vgl. ebd. sowie Online-Datenbank desDÖW: Nicht mehr anonym. Eintrag GregorWurm.36/ Offenkundige Schreibfehler wurden still-schweigend berichtigt. Die Überlieferung folgthierbei den Stücken, die Susanne Allacherihrem Lebensbericht ihres Vaters beigelegt hat.37/ Vgl. ZPA, Allacher, S. 1.38/ Ebd., S. 3.39/ Nicht geklärt werden konnte zum gegen-wärtigen Zeitpunkt und trotz intensiver Recher-chen des Verfassers, wer den Nachlass vonGeorg Wurm sen. verwaltet bzw. ob ein solcherüberhaupt vorhanden ist. Die diesbezüglicheKontaktierung der Nachkommen der FamilieWurm in Gols blieb bislang ohne Ergebnis.

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trale Versorgungsbasis im VillacherRaum, die die PartisanInnen im Wald mitNahrung, Informationen, Waffen und an-deren Hilfestellungen unterstützte. Eineandere Versorgungsbasis lag in Keller-berg, wo Maria Jennes die Gruppe aktivunterstützte. Zum Kern der Partisanen-gruppe gehörten neben einigen nament-lich unbekannten ZwangsarbeiterInnendie Deserteure Erich Ranacher und JosefRibitsch, die zuvor schon bei den slowe-nischen PartisanInnen eine Ausbildungerhalten hatten und sich einige Tage inder Peskoller-Wohnung versteckt hielten,ferner der Deserteur Heinrich Brunnerund der Wehrdienstverweigerer FranzNajemnik, dessen Flucht in die Wälderebenso über den Weg der Peskoller-Woh-nung in der Sonnenstraße führte. Letzte-rer entging als einziger dem engmaschi-gen Fahndungsnetz der NS-Behörden.

DDiiee VViillllaacchheerr PPaarrttiissaanneennggrruuppppee In der kurzen Bestandszeit der Kern-

gruppe, die sich in etwa von Septemberbis November 1944 erstreckte, lebte diePartisanengruppe in abgeschiedenen,selbstgebauten Waldbunkern in der Um-gebung von Villach. Ihr Aktionsradiuserstreckte sich auf einen Teil des Drau-tales rund um Kellerberg sowie auf dasGegendtal. Aktenkundig belegt sind Ak-tionen für die Ortschaften Winklern,Wernberg, Treffen, Niederdorf, Kras,Köttwein, Puch, Unterwollanig, Verditzund Arriach.7 In einer Gesamtbeurtei-lung lässt sich sagen, dass der eigene po-litische Anspruch der PartisanInnen sichwohl nur begrenzt realisieren ließ – diescharfe Verfolgung durch Landwacht,Gendarmerie und Gestapo einerseits unddie Heterogenität und Instabilität derGruppe andererseits, gepaart mit einemMangel an Waffen und Unterstützung ei-ner breiteren Bevölkerungsbasis, ließ nurwenig Spielraum für größere, militäri-sche Aktionen. Einträge in den Gendar-meriechroniken des Gegendtales zeigen,dass die Gruppe vor allem mit der Be-schaffung von Waffen und Lebensmit-teln, und sehr bald schon mit einem pu-ren Überlebenskampf beschäftigt war –zu schlagkräftigen politisch-militäri-schen Aktionen kam es nicht. Zwischenden PartisanInnen und den nationalsozia-listischen Verfolgungsbehörden kam esin der kurzen Bestandszeit der Gruppe zumehreren Feuergefechten. Im Verlauf ei-nes solchen Gefechts wurde ein Land-wachtmann getötet, Erich Ranacherselbst erlitt einen Armdurchschuss.

Der Erfolg dieser kleinen Partisanen-gruppe zeigte sich weniger in ihrer

tatsächlichen militärischen Schlagkraft, alsvielmehr in psychologischen Hinsicht undder damit verbundenen Destabilisierungdes Systems. Die Gruppe, die in ihremHöchststand in etwa aus acht bis zehn Per-sonen bestand, hatte innerhalb kürzesterZeit eine tiefe Verunsicherung bei der Be-völkerung und im lokalen Machtgefügeder Nazis herbeigeführt, die in einer drasti-schen Verstärkung des NS-Sicherheitsap-parats mündete – zu einem Zeitpunkt, wodie Deutsche Wehrmacht an allen FrontenNiederlagen erfuhr und die Alliierten mitmassiven Bombardements den Glauben aneinen nationalsozialistischen „Endsieg“langsam zermürbten.

DDaass EEnnddee ddeerr VViillllaacchheerr PPaarrttiissaannIInnnneenn

Zwischen 11. und 19. November 1944gelang es der Gestapo in mehreren Etap-pen, fast die gesamte Gruppe festzuneh-men. Betroffen war der Kern der bewaff-neten Partisanengruppe im Wald ebensowie das Netzwerk, das ihnen Unterstüt-zung und Hilfe gewährte.

Als erstes, am 11. November, wurdeMaria Peskoller mit ihren Töchtern Hel-ga und Roswitha, sowie Margarete Jes-sernig mit ihrer Tochter Greti verhaftet.Roswitha, damals zwölf, wurde wiederentlassen und zunächst in die Obhut ei-ner NSV-Schwester übergeben. Durchein Täuschungsmanöver gelang es ihr,diese abzuschütteln und sich zu Ver-wandten durchzuschlagen, bei denen siebis zu Kriegsende verblieb. Helga bliebin Gestapoeinzelhaft und wurde schließ-lich mit ihrer Mutter in das Landesge-richtsgefängnis Klagenfurt überstellt.

Die drei Tage später erfolgte Verhaftungder flüchtigen Deserteure Erich Ranacher,Josef Ribitsch und Heinrich Brunner, die

port von Flugblättern beteiligt.5 Eine an-dere wesentliche Aufgabe fiel ihr auf-grund ihrer Stenokenntnisse zu: Nächtensstenographierte Helga die illegal gehör-ten Kriegsnachrichten und Frontberichteder so genannten „Feindsender“ (Nach-richtensender der Alliierten), auf derenBasis wiederum antinazistische Flugblät-ter entstehen konnten.

SSoommmmeerr 11994444::AAuuffbbaauu ddeerr PPaarrttiissaanneennggrruuppppee Im Sommer 1944 wurde Helgas Vater,

Josef Peskoller, erneut festgenommen.Wenig später beteiligte sich MariaPeskoller gemeinsam mit ihren Freundin-nen Rosa Eberhard und Margarete Jesser-nig sowie dem ebenfalls befreundetenValentin Klementin aus Seebach am Auf-bau einer Partisanengruppe im Raum Vil-lach. Inwiefern die Bildung dieser Grup-pe mit den politischen Bemühungen desFrühjahres 1944 zur Bildung einer Öster-reichischen Freiheitsfront in Kooperationmit der slowenischen Befreiungsfront inVerbindung zu bringen ist, kann nichteindeutig geklärt werden. Auf höhererpolitischer Ebene der verschiedenen Wi-derstandskräfte wurde dieses Projekt imFrühsommer mehr oder weniger als ge-scheitert betrachtet, nicht desto Trotz er-scheint die Villacher Gruppe in ihrerStruktur als ein später Ausläufer dieserKooperationsbemühungen. Mit der slo-wenischen Befreiungsfront (OF, Osvobo-dilna fronta) stand Maria Peskoller je-denfalls bereits seit den Anfängen derPartisanenbewegung in Kärnten in Ver-bindung. Ein wesentlicher Faktor, dass esüberhaupt zur Bildung einer kämpfenden,im Wald lebenden Partisanengruppe imFrühherbst 1944 kommen konnte, warendie schon seit längerem gepflegten Kon-takte der Peskollers zu verschiedenen,teils entflohenen ZwangsarbeiterInnen imRaum Villach. Bereits vor 1944 leistetendie Peskollers in diesem Zusammenhangunterstützende Hilfe und unterhielten po-litische Kontakte.6 Mit Marias Verbin-dungsnetz wurden im Frühherbst 1944über die Peskoller-Wohnung in der Son-nenstraße mehrere Deserteure und Wehr-dienstverweigerer in den Wald ge-schleust, wo Maria bereits den Kontaktzu entflohenen ZwangsarbeiterInnen her-gestellt hatte. Diese bildeten für kurzeZeit eine in den Wäldern lebende Partisa-nengruppe, die durch kleinere Sabotage-akte und Anschläge das lokale NS-Sy-stem destabilisierte. Rosa Eberhard, Mar-garete Jessernig und Maria Peskoller bil-deten mit Valentin Klementin und demgebürtigen Kroaten Milan Jeliè die zen-

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versucht hatten, sich nach Lienz durch-zuschlagen, dürfte eher ein Zufallserfolgfür die Gestapo gewesen sein.

Am 16. November wurde JosefRanacher, Erichs Vater, verhaftet, am18. der Klagenfurter Kraftfahrer JosefErmenz. Seine Verbindungen zur Grup-pe ließen sich nicht genau klären. Am19. November erfolgte die Verhaftungvon Rosa Eberhard und Valentin Kle-mentin. Über das Festnahmedatum vonMilan Jeliè schweigen die Quellen, inder Anklageschrift wird nur Mitte No-vember vermerkt.8

Von den insgesamt 13 verhafteten Per-sonen überlebten lediglich fünf: HelgaPeskoller, die ohne Prozess bis April1945 in Klagenfurt inhaftiert blieb, Ma-ria Jennes, die zu drei Jahren Gefängnisund Josef Ermenz, der zu einem Jahr Ge-fängnis verurteilt wurde. DesgleichenMargarete Jessernigs siebzehnjährigeTochter Greti, die zu zwei Jahren Ju-gendgefängnis verurteilt wurde sowieJosef Ranacher, der zu drei JahrenZuchthaus verurteilt wurde. Letztererüberlebte mit Glück. Als die InsassInnendes Zuchthauses Straubing in Bayern inden letzten Kriegstagen zur Liquidationnach Dachau deportiert werden sollten,gelang Josef Ranacher die Flucht.9

DDiiee UUrrtteeiillee ddeess DDeeuuttsscchheenn VVoollkkssggeerriicchhttsshhooffssDem Prozess gegen die Villacher Par-

tisanInnen wurde, nachdem der aus dem„Altreich“ angereiste Volksgerichtshof-präsident Freisler persönlich den Vorsitzführte, seitens des NS-Regimes großeBedeutung beigemessen. Dies erstauntnur wenig, nachdem in Kärnten der Par-tisanenkampf partout nicht in den Griffzu bekommen war und Anfang 1944Teile Kärntens von Himmler offiziellzum „Bandenkampfgebiet“ erklärt wer-den mussten. Die Angst, dass sich dieserWiderstand auf andere Kärntner Gebieteausdehnen könnte, war dementspre-chend groß – die Gelegenheit, die Ver-haftung als „großen Schlag gegen dasBandenunwesen“ zu verkaufen, für dieNazis überaus günstig.

Der Prozess gegen Josef Ribitsch,Heinrich Brunner, Valentin Clementin,Milan Jeliè, Maria Peskoller, MargareteJessernig, Rosa Eberhard und ErichRanacher fand am 17. und 18. Dezemberim Landesgericht Klagenfurt statt. DieTodesurteile wurden am 23. Dezember1944 gefällt und in Graz vollstreckt, dieErmordeten am Grazer Zentralfriedhofverscharrt. Die genaue Grabstelle derHingerichteten konnte nie eruiert werden.

Anmerkungen:1/ Aspekte zur beruflichen und politischen Kar-riere von Josef Peskoller finden sich in der An-klageschrift des Strafverfahrens des Volksge-richtshofs gegen Josef Peskoller u.a.,29.10.1941, Urteil 2H 153/41–6J 101/41g, in:Online-Datenbank K.G. Saur Verlag [12.1.2009].2/ Ebd.3/ Protokoll des Amtsgerichts Villach, aufge-nommen von Dr. Alois Gombotz (Richter) mitAndreas Eberhard betreffs Sorgerecht für denSohn Hubert Eberhard, Villach, 29.1.1945.Privatbestand Hubert Eberhard.

Am 28. November 2009 fand imCafé 7Stern im siebten Wiener Ge-

meindebezirk die Generalversammlungder ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT statt.Nach der Begrüßung durch den Präsi-denten der Gesellschaft, Dr. WaltherLeeb, referierte Dr. Harald Walser, Ab-geordneter zum Nationalrat und Bil-dungssprecher der Grünen, zum Thema„Schule und Gerechtigkeit. Problemeunseres Schulsystems und möglicheAuswege“. An den Gastvortrag, zu demüber die Mitglieder unserer Gesellschafthinaus einige ZuhörerInnen erschienenwaren, schloss sich eine Diskussion an.

Die Generalversammlung wurde mitdem Bericht des Präsidenten und demKassabericht (DI Friedl Lerch) fortge-setzt. Walther Leeb informierte überdie Arbeit des Vorstands und die Akti-vitäten der ALFRED KLAHR GESELL-SCHAFT im abgelaufenen Jahr 2009.Unser Periodikum Mitteilungen der Al-fred Klahr Gesellschaft ist gewohnter-weise vier Mal im Jahr erschienen.Darüber hinaus wurden drei Publikatio-nen in der Reihe „Quellen & Studien“herausgegeben: Eine Untersuchungüber die Geschichtsschreibung derösterreichischen Arbeiterbewegung vor1934 von Peter Goller, sowie das Pro-tokoll des Arbeitertages 1916, heraus-gegeben von Hans Hautmann. Im De-zember ist der Band „90 Jahre KPÖ.Studien zur Geschichte der Kommunis-tischen Partei Österreich“ erschienen,der neben den Referaten vom Symposi-um der AKG im November 2008 wei-tere Beiträge zum Thema umfasst.

Neben kleineren Veranstaltungen hatdie ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT imOktober 2009 gemeinsam mit ihremKooperationspartner, dem Bildungsver-ein der KPÖ Steiermark, ein Symposi-um zum Thema „1929 – 2009: Welt-wirtschaftskrise – damals und heute“

ausgerichtet, zunächst in Graz, sowie inleicht modifizierter Form zwei Wochenspäter in Wien. Es referierten GeorgFülberth, Fritz Weber, Gerhard Senft,Manfred Mugrauer, Hans Hautmann,Gerald Oberansmayr und Franz StephanParteder. In Graz fand am Vorabend desSymposiums eine Podiumsdiskussionstatt, an der Prof. Georg Fülberth, Er-nest Kaltenegger, Mag. Karl Snieder,Dr. Gerald Heschel und Mag. WernerKogler teilnahmen. Abschließend hieltPräsident Leeb fest, dass es der Gesell-schaft gelungen sei, die Krise, in der sienach der Generalversammlung im Jahr2005 befunden hatte, zu überwinden. Erdankte allen, die durch ihre konstruktiveTätigkeit für die ALFRED KLAHR GE-SELLSCHAFT dazu beigetragen haben.

Alle vier Jahre wird im Rahmen derGeneralversammlung auch der Vor-stand der AKG neu gewählt. Neben denbisherigen Mitgliedern – Dr. WaltherLeeb (Präsident), Irma Schwager (Vi-zepräsidentin), Univ.-Prof. Dr. GerhardOberkofler (Vizepräsident), DI FriedlLerch (Kassierin), Dr. Elke Renner(Schriftführerin), Dr. Winfried R. Gar-scha, Univ.-Doz. Dr. Peter Goller, Dr.Heimo Halbrainer, Univ.-Prof. Dr.Hans Hautmann, Mag. Dr. Claudia Ku-retsidis-Haider, Mag. Simon Loidl,Mag. Manfred Mugrauer, Dr. Lisl Ri-zy, Fini Seif, Ass.-Prof. Mag. Dr. Va-lentin Sima, Dr. Willi Weinert – wur-den Mag. Alexander Dinböck, Dr. LutzHolzinger und MMag. Martin Krennneu in den Vorstand gewählt. Auf An-trag des Vorstands wurde zudem be-schlossen, die Generalversammlungkünftig im Zweijahresintervall auszu-richten. In der ersten Sitzung des neugewählten Vorstands, der am 11. De-zember zusammentrat, wurde ManfredMugrauer als wissenschaftlicher Se-kretär bestätigt. M.M.

Generalversammlung 22009

4/ Anklageschrift des Volksgerichtshofes,Klagenfurt, 16.12.1944, 11 J 418/44, S. 6.5/ Interview mit Helga Emperger, September2009.6/ Ebd. 7/ Vgl. Anklageschrift des Volksgerichtshofes,Klagenfurt, 16.12.1944, 11 J 418/44.8/ Zu den Verhaftungsdaten vgl. Anklageschriftdes Volksgerichtshofes, Klagenfurt, 16.12.1944,10 J 418/44.9/ Interview mit Ernst Ranacher, Lienz,6.3.2009.

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Tücke des menschlichen Vorstellungsver-mögens gleich in der ersten Dialog-wendung zwischen Edi und Fritzi (denbeiden Hauptpersonen des Stückes, zu de-nen sich wenig später der Automat bzw.Motor Pepi gesellt) direkt anspricht, ziehtder Autor die Leserin, den Leser bzw. dieZuschauerin, den Zuschauer unvermitteltin den Bann des Stücks und sein zentralesThema. Das liest sich so:

EDI: Aber vor sechs Jahr, da hättest mi ken-nen sollen. Wiar i no a Arbeit ghabt hab.FRITZI: Is do a Schmäh.EDI: Gar ka Schmäh. In der Zeit habendie ganzen Spezi a Arbeit ghabt. FRITZI: San ja Märchen.

Edis Freundin Fritzi kann einfach nichtglauben, was in der gesellschaftlichenWirklichkeit der Republik Österreich imJahr 1936, in dem Jura Soyfer das Stückgeschrieben hat, einfach undenkbar war:Vollbeschäftigung oder wenigstens Ar-beit für alle ihre unmittelbaren Bekann-ten. Dabei erweist Fritzi sich im weiterenVerlauf des Auftrittsdialogs als eherleichtgläubiges Wesen.

EDI: Immer das Hollywood! Glaubst, iwar net in Hollywood?FRITZI: Wirkli wahr?EDI: Freili – damals auf der Urlaubsrei-se halt – und in Rio de Bombay war i a –und in San Singapore – bei – bei die Kaf-fern halt.FRITZI gläubig: Das hast du mir no nieerzählt.EDI: Weil’s net der Rede wert is – über-haupt, wann i’s mit Haiti vergleich. ...Fritzi: Haiti?EDI: Dort leben, wie du vielleicht weißt,die schönsten Frauen der Welt – herst,und anhabn tun’s nix – nur Blumenkrän-ze im Haar. Nimosien -FRITZI: Warst ma untreu?EDI: Aber wo – zwar, mir Burschenwarn dort fesch beinand, in Haiti, alleham a Arbeit ghabt -FRITZI: Jetzt fangst wieder mit deSchmäh an –

Edi weist den Vorwurf von Fritzi, ererzähle bloß Märchen, zurück und be-nennt den Grund für Fritzis Skepsis:„Gar kane Märchen. Nur kannst du dir’shalt nimmer vorstelln. Weilst zu jungbist. Jeden Erschten hab i meine 190

Schilling auszahlt kriegt.“ Der Autorspricht damit eine Problematik an, diespeziell in Österreich besonders ausge-prägt zu sein scheint: Sie besteht immangelnden Vermögen der meistenMenschen und damit auch der Arbeiter-schaft, sich eine grundlegende Verände-rung der herrschenden Verhältnisse vor-zustellen. Ob dieser Mangel an Phantasiedamit zu tun hat, dass die Habsburger imBereich des heutigen Österreich die Ge-genreformation unter Ausweisung bzw.Ausmerzung nahezu der gesamten Intel-ligenz besonders brutal ausgerottet ha-ben, bleibt bis auf weiteres unerforscht.

Zurück zum Stück: Im ersten Bild trittbereits der Motor Pepi auf, der Edi ver-meintlich arbeitslos gemacht hat. Mitt-lerweile wurde er in der Schuhfabrik, inder er ursprünglic mit Edi zusammen ge-arbeitet hat, selbst ausgemustert. Er ver-passt seinem ehemaligen Anwender in-sofern eine Retourkutsche, als nun erihm vorwirft, seine Kaufkraft nicht ent-sprechend eingesetzt zu haben:

EDI: Aber sag amal, wieso bist du ar-beitslos worn?MOTOR: Da bist du schuld, mei Liaber.EDI: I!MOTOR: No – wann hast das letzte PaarSchuh kauft?EDI: Eh – wart amal – vur ans – zwa –drei, na vor vier – na, vor –MOTOR: Und davon soll i als Schuhma-cher leben?EDI: Das is wahr. Und i hab immerglaubt, du bist schuld – dabei bin i selber– oder na, i bin ja a net – ah was. ...

Schließlich sind die beiden sich einig,dass die Ursachen für ihre Arbeitslosig-keit in der Vergangenheit zu suchen seinmüssen. Mit Hilfe von Pepi sind Edi undFritzi in der Lage, eine Zeitreise zurückin die Geschichte der Menschheit anzu-treten. Über diverse Stationen gelangensie zu Erfindern und Entdeckern, die ih-re Errungenschaften aufgrund der vonEdi und seinen beiden Begleitern kol-portierten Folgen am liebsten zurück-nehmen möchten. Am Ende erreichensie sogar das Himmelstor – gerade un-mittelbar vor der Erschaffung von Adamund Eva. Edi plädiert gegenüber demvor der Himmelstür agierenden Portierleidenschaftlich dafür, von dieser Erfin-dung gänzlich Abstand zu nehmen. Frit-

Der vor 70 Jahren am 16. Februar1939 im KZ-Buchenwald an ei-ner Infektion 27-jährig verstorbe-

ne Jura Soyfer war ein Ausnahmeschrift-steller vom Rang eines Bertolt Brechtoder Ödön von Horvath. Sein früher Todund seine Parteinahme für die KPÖ ha-ben dazu beigetragen, dass einerseits dasWerk schmal ist und andererseits derAutor nach dem Krieg nahezu in Verges-senheit geriet. Helmut Qualtinger unddie Schmetterlinge haben wesentlich da-bei mitgewirkt, Anfang der 1970er Jahreeine Renaissance des Werks von JuraSoyfer einzuleiten.

Im Grunde ist es eine seltsame Koinzi-denz, dass der hervorragendste Kritikerder Sozialdemokratie auf literarischenGebiet (siehe das Romanfragment „Sostarb eine Partei“) und der tiefschürfen-ste Analytiker des Arbeitslosigkeit aufder Bühne (siehe „Der Lechner Edischaut ins Paradies“) ausgerechnet zudem Zeitpunkt ausgegraben wurde, indem die SPÖ sich auf dem Höhepunktihrer Entfaltung befand. Tatsächlich sinddie 1970er Jahre der einzige Abschnitt inder Zweiten Republik, in der die SPÖ inNationalratswahlen absolute Mehrheitenerrang und die Zahl der offenen Stellenzeitweise die der Arbeitslosen übertraf.

Damals hat die von Soyfer auf die Büh-ne gestellte Arbeitslosigkeit ähnlich wiedie Marx’sche Theorie von der proletari-schen Reservearmee den Anschein einerhistorischen Reminiszenz erweckt. DerKapitalismus beeilte sich allerdings, so-wohl dem Schriftsteller als auch demTheoretiker der Arbeitsbewegung Ge-rechtigkeit widerfahren zu lassen. Nachund nach wurde die Wirklichkeit des bür-gerlichen Wirtschaftssystems wieder vomKopf auf die Beine gestellt: In relativerHochgeschwindigkeit hat sich ein bishernicht gesehenes Ausmaß an Arbeitslosig-keit entwickelt. Nach einer aktuellenOECD-Prognose werden in der Europäi-schen Union im kommenden Jahr 25 Mil-lionen Menschen von ihr betroffen sein.

Es gehört zum Genie Jura Soyfers, dasser die Vorstellungen der Menschen, diePhänomene wie die Arbeitslosigkeit beiihnen auslöst, ohne viel herum zu lavieren,auf den Punkt bringt. Wenn Arbeitslosig-keit herrscht, erscheint Vollbeschäftigungabsurd; und wenn Vollbeschäftigung herr-scht, erscheint umgekehrt Arbeitslosigkeitnahezu unvorstellbar. Indem er diese

Jura SSoyfers ggroßer WWurfLUTZ HOLZINGER

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zi spricht sich hingegen vehement fürdas Gegenteil aus. Daraufhin wird dieserGegensatz das Grundprinzip, nach demder Mensch geformt wird:

PORTIER kommt freudig: Ich gratu-lier. Der Mensch ist soeben geschaffenworden. EDI: Doch?PORTIER: Tun`s net so erstaunt. Ihrhabts ja selbst den entscheidenden Kon-struktionsvorschlag gemacht.EDI: I?PORTIER: Ihr beide zusammen. Neinund ja. Wir ham a Gemisch aus nein undja gmacht, a Patzerl Lehm rundumgepickt, und auf ja und nein war derMensch da. MOTOR: Ja und nein, das ist ein Gegen-satz. Do muss do wer logischerweise dieEntscheidung ham?PORTIER: Die is dem Menschen in dieHand gelegt worden. Und von dem Mo-ment an war er lebendig. ...

Quintessenz dieser Szene ist die Er-kenntnis, dass es darauf ankommt, dasSchicksal selbst in der Hand zu nehmen.Konsequenterweise schließt das Stückmit folgender Äußerung Edis: „Frag netso vül – auf uns kommt`s an!“ Soyfersjugendlicher Optimismus ist 1936 unge-brochen. Er hofft ganz offensichtlich aufdie Emanzipation der Arbeiterklassetrotz der Machtübernahme des klerikalenFaschismus in Österreich und des Natio-nalsozialismus in Deutschland.

Aufgrund der gegenwärtigen wirt-schaftlichen Rahmenbedingungen liestdas Stück sich heute äußerst frisch undaktuell. Sein Vorzug besteht neben demAufbau als lockerer Bilderbogen vor al-lem in seinem Wortwitz. In dieser Kunstkann Jura Soyfer als unmittelbarer Nach-fahre von Johann Nepomuk Nestroy be-trachtet werden. Er lässt den sprachli-chen Schmäh nicht nur wie dieser in derBühnenprosa rennen, sondern ist seinemVorgänger auch im Schmieden lockererCouplets ebenbürtig.

Ein anderer Punkt ist die wenig rosigePerspektive einer grundlegenden gesell-schaftlichen Veränderung in Österreichund in den meisten Teilen der Welt.Trotz zunehmend umfassender Krisen-erscheinungen des kapitalistischenWirtschafts- und Gesellschaftssystemszeichnet sich derzeit kein historischesSubjekt ab, das in der Lage wäre, dieherrschenden Verhältnisse über denHaufen zu werfen. Bleibt zu hoffen,dass sich bald einmal in drei Tagenmehr verändert als in 30 Jahren.

preisen oder als Dokumente von Groß-ereignissen wie Massenaufmärschen,Maifeiern oder Arbeitersportveranstaltun-gen zugleich Zeugnisse revolutionärerSelbstdarstellung sind. Eines der rarenBeispiele eines abendfüllenden Spielfilmswar der Streifen „Die vom 17er Haus“,der im Wiener Landtagswahlkampf 1932zum Einsatz kam und in Form einer Fami-liengeschichte eine Zukunftsvision sozial-demokratischer Aufbauarbeit entwirft, dieüber das rückwärtsgewandte, fortschritts-feindliche „Alt-Wien“ triumphiert. Aufder Strecke blieb letztendlich die Risiko-bereitschaft, eine eigenständige, avantgar-distische Formensprache des Arbeiter-films zu entwickeln.

Ein umfangreicher Beitrag erschließtein bisher unbekanntes Kapitel proletari-scher Kulturarbeit im Österreich derZwischenkriegzeit: die Filmarbeit derKommunistischen Partei und der Organi-sationen in ihrem Umfeld, in akribischerKleinarbeit rekonstruiert von Peter Grab-her. Kommunistische Filmarbeit bliebmangels materieller und wohl auchkünstlerischer Ressourcen notgedrungenauf das Gebiet der Publizistik (als Film-kritikerInnen betätigten sich Georg Lu-kacs, Frida Rubiner, Kurt Landau, LeoKatz oder Hugo Huppert) und den Ver-trieb von Produktionen sowjetischer unddeutscher Herkunft beschränkt. Überlie-fert ist lediglich die Herstellung zweierkurzer Schmalfilme über eine Arbeitslo-sendemonstration im Februar 1931 undüber den Maiaufmarsch der Partei im sel-ben Jahr, die bedauerlicherweise als ver-schollen gelten müssen. Mit zahlreichenAufführungen sowjetischer Spielfilmetrugen Organisationen wie die Öster-reichische Arbeiterhilfe (ÖAH) oder dieÖsterreichische Rote Hilfe zur Verbrei-tung dieses Genres bei. Mit der im Jänner1926 im Wiener Stafa-Kino ausgerichte-ten österreichischen Uraufführung von„Sein Mahnruf“ kann die ÖAH für sich inAnspruch nehmen, den Beginn der „Rus-senfilm-Welle“ eingeleitet zu haben. Un-ter der Arbeiterschaft wurden diese Filmebald über die Parteigrenzen hinaus po-pulär. Weitere Einsatzgebiete des proleta-rischen Films waren Veranstaltungen derPartei- und Hilfsorganisationen auf loka-ler Ebene, bei denen Dokumentationenmit Agitationscharakter zur Unterstüt-zung tagespolitischer Anliegen und Soli-daritätskampagnen vorgeführt wurden.Die inhaltliche Ausrichtung folgte meistdem stereotypen Muster der Kontrastie-rung des sowjetischen Aufbauwerks mitdem Elend in Österreich, namentlich imRoten Wien, für das die sozialdemokrati-

Christian Dewald (Hg.): Arbeiterkino.Linke Filmkultur in der Ersten Republik.Wien: Filmarchiv Austria 2007, 351 S.

Der Sammelband „Arbeiterkino“ er-hellt ein zuvor nur ansatzweise be-

forschtes Terrain der österreichischenFilmgeschichte: den Versuch der Arbei-terbewegung, eine eigene Filmkultur undFilmpolitik zu begründen. Ausgehendvon einer teils prekären Quellenlagewidmen sich die Beiträge den definitori-schen Voraussetzungen und ästhetischenImplikationen des proletarischen Films,in dessen Zentrum die Massen standen,wie auch dem politischen, sozialen und(alltags-)kulturellen Umfeld, in demFilmpolitik betrieben wurde. Weiterswerden die institutionellen und wirt-schaftlichen Strukturen des Filmbetriebsuntersucht, einzelne Werke des proletari-schen Kinos, aber auch Dokumentarfil-me mit thematischem Bezug zur Arbei-terbewegung analysiert. Filmkritiken, ei-ne Bestandsaufnahme einschlägiger Fil-mplakate, biografische Beiträge, reichesBildmaterial und ausführliche Filmogra-fien runden das Bild eines kulturellenPhänomens ab, das mit der Zerschlagungder Arbeiterbewegung durch das austro-faschistische Regime ein gewaltsamesEnde fand und möglicher Entwicklungs-perspektiven beraubt wurde.

Standen die Organisationen der Arbei-terbewegung dem Medium Film ur-sprünglich skeptisch gegenüber, ver-suchten sie seit der ersten Hälfte derzwanziger Jahren das aufklärerische Po-tenzial dieser Kunstgattung für die eige-nen Anliegen zu nutzen. Vorweg mussfestgestellt werden, dass dieser Versuchnur in Ansätzen realisiert wurde und einVergleich mit den Leistungen des deut-schen proletarischen Films oder gar dessowjetischen Kinos unangemessen ist.Die Gründe liegen nicht nur darin, dassdie wirtschaftlichen Voraussetzungenfehlten, um dem bürgerlichen Kino eineAlternative entgegenzusetzen.

Die Sozialdemokratische Partei hattemit ihrer Kinobetreibergesellschaft Kibaund der Produktions- und VerleihfirmaAllianz zwar eine filmökonomische Infra-struktur geschaffen, verfolgte aber eineProgrammpolitik, die weniger an denIdeen der Arbeiterbewegung als an kom-merziellen Erfolgskriterien orientiert war– was auch in den eigenen Reihen, etwavon Seiten des Filmkritikers der Arbeiter-Zeitung, Fritz Rosenfeld, nicht unwider-sprochen blieb. Immerhin entstandenzahlreiche Dokumentar- und Werbefilme,die die Errungenschaften des Roten Wien

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Heimatstadt Wien gezeigt, sondern aucheine kritisch solidarische Sicht auf dieDDR vermittelt hat, oder mit Mia Schön-feld, die sie als Vertreterin der Interna-tionalen Demokratischen Frauenfödera-tion (IDFF) in der UNO kennengelernthat. Die Autobiographie von Helga Hörzdokumentiert eine zeitlich sehr nahe,aber doch schon längst dahin gegangenedeutsche politische Kultur.

GERHARD OBERKOFLER

Stefanie Mayer: „Totes Unrecht“? Die„Beneš-Dekrete“ – eine geschichtspoli-tische Debatte in Österreich. Frank-furt/M.: Peter Lang 2009 (PolitischeKulturforschung, hg. von Samuel Salz-born, Bd. 2), 159 S.

Entstanden als Diplomarbeit am Insti-tut für Politikwissenschaft der Uni-

versität Wien untersucht Stefanie Mayerin ihrem Buch die Auseinandersetzungum die Beneš-Dekrete, die in den Jahren2000 bis 2002 im Zusammenhang mitdem EU-Beitritt der Tschechischen Re-publik in Österreich hohe Wellen schlug.Die Studie versteht sich als Diskurs-analyse der damaligen medialen Bericht-erstattung, konzentriert auf die Tageszei-tung Der Standard.

Ob von der Autorin beabsichtigt odernicht: heraus kommt ein geradezu nie-derschmetterndes Bild der Verlotterungder politischen Kultur in Österreich. DieRegierung Schüssel I, in die jüngste Zeit-geschichte eingegangen durch das Koa-lieren mit einem Hauptbetreiber dieserAbwärtsentwicklung, der FPÖ des JörgHaider, machte sich daher folgerichtigdas Thema der Beneš-Dekrete als Be-standteil ihres reaktionären Wendekurseszu Eigen: Tschechien müsse die „allenMenschenrechten Hohn sprechendenEnteignungs- und Vertreibungsdekrete“aufheben, wolle es Mitglied der „EU-Wertegemeinschaft“ werden.

Gleich den Figuren aus derSchreckenskammer des Panoptikumsziehen in Stefanie Mayers Publikationdie bereits ausrangierten wie noch akti-ven Wortführer der seinerzeitigen Debat-te an einem vorbei: Riess-Passer („EinBeitritt Tschechiens mit den Dekretenund dem AKW Temelin kommt nicht inFrage“), Hans Achatz, Hans-Jörg Schi-manek und Peter Westenthaler („DieFPÖ wird eine Aufnahme Tschechiens indie EU ohne Aufhebung der Dekrete kei-nesfalls akzeptieren“), der seinerzeitigeFPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky(„Die Enteignungs- und Vertreibungser-lässe sind rassistisch und faschistisch“),

und der unvermeidliche Otto Habsburg(„Die Abschaffung der Präsidentende-krete sollte sehr wohl eine Bedingung fürden Beitritt zur Europäischen Unionsein“). In ähnlicher Weise äußerten sichJustizminister Böhmdorfer, der FPÖ-Klubchef Schweitzer, der Nachfolgervon Riess-Passer als Vizekanzler, Her-bert Haupt, und natürlich Jörg Haider.

Den Vogel schoss dabei ein Herr ab, dermittlerweile eines der höchsten Ämter derRepublik Österreich bekleidet, MartinGraf. In seiner Funktion als „Vertriebe-nensprecher“ der FPÖ nannte er die Aus-siedlung der Sudetendeutschen 1945/46den „einzigen europäischen Genozid inFriedenszeiten“ (!), der den „klassischenTatbestand des Völkermordes“ erfülle,und forderte die „Restitution der enteigne-ten Güter“ samt „Recht der Rückkehr indie Heimat“. Dass SPÖ und ÖVP bei derWahl Grafs zum dritten Nationalratspräsi-denten von keinen Bedenken ob einer sol-chen Geisteshaltung geplagt wurden,stellt dem Zustand der permanenten Ver-wahrlosung politischer Ethiknormen inunserem Land ein weiteres Zeugnis aus.

So nebenbei erfährt man in dem Buchauch, dass das in Wien-Landstraße be-findliche „Haus der Heimat“, das „Kul-turzentrum“ der Vertriebenenverbände,in dem bei Veranstaltungen prominenteRechtsextremistInnen als ReferentInnenauftreten, im September 2002 auf ein-stimmigen (!) Beschluss des Nationalratsvier Millionen Euro an öffentlicher För-derung lukrierte, ein Betrag, den dieBundesländer mit zusätzlichen 3,25 Mil-lionen auffetteten. Also haben auch dieSPÖ und die Grünen dabei mitgemacht.An den Prioritäten für die Geldausschüt-tung nebst deren Höhe erkennt man seinePappenheimer, vulgo die politischen In-tentionen unserer Machteliten.

Fiel es der FPÖ noch leicht, im Windihrer deutsch-völkischen Ideologie auf ei-nem konsequenten Kurs wüster Attackengegen Tschechien zu steuern, tat sich dieÖVP ungleich schwerer. Die Eiertänze,die dabei Kanzler Schüssel, Außenmini-sterin Ferrero-Waldner oder der oberö-sterreichische Landeshauptmann Pührin-ger zwischen 2000 und 2002 vollführten,sind in dem Buch bis in die – teils groteskanmutenden – Details beschrieben. Eswar der Wirtschaftsflügel der ÖVP, ver-körpert in Leuten wie Peter Mitterbauer(Industriellenvereinigung) und ChristophLeitl (Wirtschaftskammer), dem dann derGeduldsfaden riss, der den Ordnungsruferschallen ließ und die Partei auf Liniebrachte. Für ihn war Tschechien als Ob-jekt ökonomischer Expansion viel zu

Helga E. Hörz: Zwischen Uni und UNO– Erfahrungen einer Ethikerin. Berlin:Trafo-Verlag 2009 (Reihe Autobiogra-phien, Bd. 37), 392 S., 29,80– Euro.

Helga Hörz (geb. 1935), langjährigeUniversitätslehrerin für Ethik an der

Sektion Philosophie der Humboldt-Uni-versität und Vertreterin der DeutschenDemokratischen Republik in der UNO-Kommission „Zum Status der Frau“, hatihre Erfahrungen niedergeschrieben.Hörz stammt aus einer Arbeiterfamilie,ihr Lebensweg war deshalb so nur in derDDR möglich. Nach deren Implosionwar in dem wieder zu Kriegsverbrechenaufgerüsteten Deutschland das gesell-schaftliche Denken und Handeln vonHörz nicht mehr zeitgemäss, zumal dieseder Auffassung ist, dass die Lebensfra-gen der Menschheit zutiefst Frauenfra-gen sind und diese sich eben nicht vonFragen des Friedens trennen lassen. Hörzgehörte durch ihr wissenschaftlich hu-manistisches Engagement zu den vomStaatsapparat der DDR herangezogenenund geförderten Kadern. Auf vielenKonferenzen und Foren hat sie Gelegen-heit gehabt, unter komplizierten Bedin-gungen ihre Position zu vertreten und inGesprächen mit bedeutenden Persönlich-keiten zu erweitern. Sehr warmherzig be-schreibt Hörz ihre Begegnungen mitÖsterreicherinnen und Österreichern, mitWalter und Violetta Hollitscher, mit En-gelbert Broda, der ihr nicht nur seine

sche Politik verantwortlich gemacht wur-de, zugespitzt in der „Sozialfaschismus“-These. Im Übrigen war auch die Filmpo-litik der Sozialdemokraten aufgrund ihrerkommerziellen Ausrichtung – nicht ganzzu Unrecht – Zielscheibe heftiger An-griffe seitens der kommunistischen Film-kritik. Überschattet wurden die Filmakti-vitäten vom mühseligen Hürdenlauf ge-gen die Zensurbehörden, die nicht seltenAufführungsverbote oder -einschränkun-gen verhängten.

Der Band gibt nicht zuletzt Einblick inden Werdegang und das Schicksal derProtagonisten des österreichischen Ar-beiterkinos. Während etwa die BrüderHamber oder Josef Szende kurz nachdem „Anschluss“ deportiert und im Kon-zentrationslager ermordet wurden, ver-stand es Franz Rossak, sich geschmeidigden neuen Machthabern anzudienen –um nach der Befreiung als engagierterAntifaschist den Mythos von Österreichals Opfer der nationalsozialistischen Ag-gression in Filmbilder zu bannen.

CHRISTINE KANZLER

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Mitteilungen der ALFRED KLAHR GESELLSCHAFT

Herausgeber und Medieninhaber:ALFRED KLAHR GESELLSCHAFTPräsident: Dr. Walther LeebMitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Hans Hautmann, Lutz Holzinger, Christine Kanzler, Martin Krenn, Claudia Kuretsidis-Haider, Manfred Mugrauer, Gerald Oberansmayr, Gerhard Oberkofler, Lisa RettlRedaktion und Grafik: Manfred MugrauerAdresse: Drechslergasse 42, 1140 WienTel.: (+43–1) 982 10 86E-Mail: [email protected]: GZ 02 Z 030346 SP.b.b., Verlagspostamt 1140 Wien

wertvoll und interessant, um den Nach-barn durch einseitige Solidarisierung mitden lärmend-erpresserischen Hetztiradender FPÖ und der SudetendeutschenLandsmannschaften vor den Kopf zustoßen. Als dann im Oktober 2002 dasvom Europäischen Parlament in Auftraggegebene Gutachten des deutschen Völ-kerrechtsexperten Jochen Frowein aufdem Tisch lag, in dem dieser zur Schlus-sfolgerung gelangte, dass das EU-Rechtkeine Anhaltspunkte bietet, um vonTschechien anlässlich seines EU-Beitrittseine Aufhebung oder Änderung seinerGesetze (und damit auch der Beneš-De-krete) zu fordern, flaute die Debatte inÖsterreich schlagartig ab und ver-schwand in der Versenkung. Auch einLehrstück, wohin Politik unter den Be-dingungen großkapitalistischer Herr-schaft letztlich auszumünden pflegt.

Stefanie Mayer listet das alles anhandder Widerspiegelung der Beneš-Dekrete-Debatte im Standard akribisch und me-thodisch sauber auf. Sie wählte dieseZeitung, weil sie „in Österreich als libe-rale Qualitätszeitung gilt“ (S. 15). IhrUrteil über die Art der Berichterstattungfällt für den Standard allerdings wenig

schmeichelhaft aus, was insofern nichtverwundert, weil „Qualität“ in der öster-reichischen Zeitungslandschaft ein sehrrelativer Begriff ist. Sie kommt zum Er-gebnis, dass der Standard „häufig den zudiesem Thema bereitstehenden rechts-extremen Erzählmustern verhaftet“ bliebund die „daraus resultierende Kluft zuraktuellen historischen Forschung (...) füreine Qualitätszeitung überraschendgroß“ gewesen sei (S. 146). Eine weitereOhrfeige für den österreichischen Um-gang mit der Vergangenheit ist ihr Fazit:„Die unkritische Übernahme äußerstrechter geschichtspolitischer Positionenquer durch das politische Spektrum kannals warnendes Beispiel für den prekärenStatus differenzierter Sichtweisen auf dieGeschichte gewertet werden“ (S. 152).

Samuel Salzborn, Professor für Politik-wissenschaft an der Universität Gießenund ein Wissenschafter mit großen Ver-diensten bei der Richtigstellung destatsächlichen historischen Kontexts derBeneš-Dekrete, hat die Diplomarbeit inseiner Schriftenreihe herausgegeben undmit einem Vorwort versehen. StefanieMayers Buch ist wichtig und lehrreich.

HANS HAUTMANN

Völlig unerwartet verstarb am 10. Ok-tober 2009 Erich Böröcz in Eisenstadt.Erich wurde am 5. März 1939 im bur-genländischen Winden am See als

Sohn einerklassenbewus-sten Landarbei-terfamilie gebo-ren. Sein VaterVinzenz warantifaschisti-scher Wider-standskämpferund nach 1945langjähriger

Obmann der KPÖ Burgenland. Nacheiner Ausbildung zum Maschinen-schlosser im Wr. Neustädter Raxwerkarbeitete er bis zu seiner Pensionie-rung als Monteur bei der JenbacherWerke A.G. Politisch der kommunisti-schen Arbeiterbewegung bereits vonklein auf verbunden, waren ihm dieFortführung des antifaschistischen En-gagements seines Vaters, die Unter-stützung der täglichen politischen Ar-beit seines Bruders Bruno sowie dieUmsetzung volksbildnerischer Initiati-ven zur Geschichte der burgenländi-

schen Arbeiterbewegung ein besonde-res Anliegen, auch im Rahmen derAlfred Klahr Gesellschaft, deren Ver-anstaltungen Erich stets besuchte. Ins-besondere für die junge Generation,der er immer mit tatkräftiger Hilfe zurSeite stand, hinterlässt sein Ablebeneine schmerzhafte Lücke.

Im Alter von 87 Jahren starb am11. Dezember Willi Gaisch an denFolgen eines Schlaganfalls. Gaisch

stammte aus ei-ner Arbeiterfa-milie und lerntedas Tischler-handwerk. Be-reits 1936 trater dem Kom-munistischenJugendverbandund im Jahr1938 der KPÖ

bei. Zweimalige Verhaftung und Ver-folgung durch die Gestapo hielten ihnnicht ab, am antifaschistischen Wider-standskampf teilzunehmen und für einselbstständiges, freies und demokrati-sches Österreich einzutreten. Nach

1945 arbeitete er als Redakteur der Ta-geszeitung Wahrheit, als KPÖ-Bezirkssekretär in Graz, als Landes-sekretär und von 1979 bis 1991 alsLandesobmann der KPÖ Steiermark.Zwischen 1961 und 1991 war er Mit-glied des Zentralkomitees, dem Polit-büro gehörte er in den Jahren 1987 bis1990 an. In den letzten Jahren hatteGaisch großen Anteil an der Schaffungdes Landesprogramms der steirischenKPÖ und auch an der Kooperation derAlfred Klahr Gesellschaft mit dem Bil-dungsverein der KPÖ Steiermark.

Wir trauernum AlfredHrdlicka, ei-nen der be-deutendstenbildendenKünstler, dieÖsterreich jehervorbrachte.Hrdlicka warvon 1994 bis

zu seinem Tod Mitglied der AlfredKlahr Gesellschaft, deren Anliegen ersich stets verbunden fühlte.

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