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Bachelorarbeit
Stress in der Arbeit: Ursachen und Bewältigung
eingereicht von
Krnjic Monika
Mat. Nr.: 1033241
zur Erreichung des akademischen Grades
Bachelor of Science (BSc)
an der
Medizinischen Universität Graz
unter der Anleitung von
Bernhardt Birgit, MAS
Lehrveranstaltung:
Didaktik
Graz, 03. Jänner 2014
Krnjic Monika
2
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die
den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe. Weiters erkläre ich, dass ich diese Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch
keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt habe.
Graz, 03. Jänner 2014 Unterschrift
Krnjic Monika
3
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung………………………………………………………………………….7-8
2. Begriffsdefinitionen……………………………………………………………........9
2.1 Stress………………………………………………………………….9-11
2.2 Stressoren…………………………………………………………...11-12
2.3 Distress & Eustress…………………………………………………......12
2.4 Chronischer Stress……………………………………………………...12
2.5 Stressbewältigung………………………………………………………13
3. Stressmodelle………………………………………………………………………..13
3.1 Das biologische Stressmodell nach Selye……………………………13-15
3.2 Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus………………………15-16
4. Stress entsteht im Gehirn…………………………………………………………...16
4.1 Die beteiligten Systeme………………………………………………16-17
4.2 Die neuroendokrine Stressantwort…………………………………...17-18
4.3 Stress formt das Gehirn: Das zentrale Adaptionssyndrom nach
Hüther……………………………………………………………………..19-20
5. Auswirkungen von Stress…………………………………………………………..20
5.1 Kurzfristige Stresssymptome………………………………………...20-21
5.2 Auswirkungen von chronischem Stress……………………………...21-23
6. Stress und Arbeit…………………………………………………………………….23
6.1 Arbeitsbedingter Stress………………………………………………23-24
6.2 Kennzeichen stressgefährdeter Arbeitsplätze: Arbeitsbezogene
Stressmodelle………………………………………………………….24-26
6.3 Stressoren am Arbeitsplatz…………………………………………...26-28
6.4 Stress beeinflussende Faktoren………………………………………28-29
6.4.1 Stressverstärker………………………………………………...29-31
6.4.2 Stresspuffer (Bewältigungsressourcen)……………………….31-32
6.4.2.1 Personale Ressourcen………………………………….32-34
6.4.2.2 Externale Ressourcen………………………………….35-37
Krnjic Monika
4
7. Stressbewältigung (Coping)………………………………………………………...37
7.1 Copingstrategien……………………………………………………...37-39
7.2 Stressbewältigung in der Arbeit………………………………………39-40
7.3 Individuelles Stressmanagement …………………………………….40-43
8. Resümee…………………………………………………………………………..44-45
Literaturverzeichnis
Krnjic Monika
5
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bestandteile des Stressgeschehens……………………………………………..11
Abbildung 2: Zwei Achsen der körperlichen Stressreaktion………………………………....18
Abbildung 3: Reaktion des Körpers auf Stress……………………………………………….21
Abbildung 4: Anforderungs- Kontroll- Modell bei der Arbeit von Karasek…………………25
Abbildung 5: Stress und Coping aus transaktionaler Perspektive……………………………39
Abbildung 6: Gesamtkonzept der Stressbewältigung………………………………………...41
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Gesundheitliche Auswirkungen von chronischem Stress 1……………………….22
Tabelle 2: Gesundheitliche Auswirkungen von chronischem Stress 2……………………….23
Tabelle 3: Persönliche Leistungsvoraussetzungen und Eigenschaften……………………….28
Krnjic Monika
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Abstract
Zeit- und Leistungsdruck, Überforderung und Hektik prägen den Arbeitsalltag von vielen
ArbeitnehmerInnen. Aus diesem Grund bleibt sehr häufig nur wenig Zeit für ausreichende
Erholungsphasen. Nicht zuletzt dadurch hat das Thema Stress im Beruf in der heutigen
Gesellschaft eine sehr große Bedeutung. Die vorliegende Bachelorarbeit beschäftigt sich
daher mit dem wichtigen Thema Stress in der Arbeit. Es soll untersucht werden, was die
Ursachen für den zunehmenden Stress am Arbeitsplatz sind und welche Möglichkeiten den
ArbeinehmerInnen zur Verfügung stehen, um diesen Stress bestmöglich zu bewältigen. Im
Zentrum der Arbeit stehen dabei das sogenannte Coping sowie die individuellen Ressourcen
der Stressverarbeitung und -bewältigung. Darüber hinaus wird ein Überblick über die
Entstehung von Stress im Allgemeinen und in der Arbeitswelt im Besonderen gegeben.
Abschließend werden einige Möglichkeiten zur Vermeidung beziehungsweise Verminderung
von Stress am Arbeitsplatz angeführt und diskutiert.
Schlagwörter: Stress, Arbeit, psychische Belastungen, Coping, Stressbewältigung
Time pressure and pressure to perform, excessive demands and hectic characterise the daily
work life of many employees. Therefore the time for recovery phases is very often limited.
That’s one of the reasons why stress at work has become more and more important in today’s
society. The following Bachelor´s thesis will deal with the important topic of stress at work.
It’s the aim to examine the reasons for the increasing stress at the workplace and furthermore
to find out the available possibilities for employees to reduce stress at its best. The major part
of the thesis is the so called coping, as well as the individual resources of controlling and
managing stress. In addition, an overview about the origin of stress in general and especially
at work will be given. Finally, some opportunities how to reduce and to avoid work- related
stress will be mentioned and discussed.
Keywords: stress, work, mental strain, coping, stress management
Krnjic Monika
7
1. Einleitung
Heutzutage gehört Stress zu unserem alltäglichen Leben. Sei es nun am Arbeitsplatz, in der
Schule oder in der Freizeit, Stress kommt in jeder erdenklichen Alltagssituation vor. Die
Gesellschaft hat sich dahingehend entwickelt, dass sie von jedem Einzelnen Höchstleistungen
erwartet. Von Kindesbeinen an bekommen wir vermittelt, dass nur wer sein Bestes gibt,
Chancen hat, erfolgreich zu sein und etwas in seinem Leben zu erreichen. Redewendungen
wie „Von nichts kommt nichts“ oder „Ohne Fleiß kein Preis“ veranschaulichen diese
Tatsache. Konkurrenzdenken und ein stets präsenter Wettbewerb sind Kennzeichen unserer
heutigen Gesellschaft geworden. Der daraus resultierende und immer größer werdende Druck
in Form von Stress auf die Menschen, wird dabei oft außer Acht gelassen. Die Intention
dieser Arbeit ist es, das Phänomen Stress mitsamt seinen Ursachen, Folgen und
Bewältigungsmöglichkeiten näher zu erläutern und dabei den Fokus auf den Stress im Beruf
zu legen. Nahezu jeder dritte Beschäftigte in Europa leidet nach Umfragen der Europäischen
Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz an arbeitsbedingtem Stress.
„Arbeitsbedingter Stress ist eine stark negativ ausgeprägte emotionale Reaktion auf die
Arbeit.“ (OSHA Magazin 5 2002: 3) Dieser Stress stellt aufgrund der Bedrohung des
Wohlbefindens, der möglichen gesundheitlichen Schädigungen und der finanziellen Einbußen
eines der größten Risiken der Zukunft dar. Das betrifft sowohl ArbeitnehmerInnen als auch
ArbeitgeberInnen gleichermaßen (vgl. OSHA 2002: 3f). Deshalb ist es von immenser
Bedeutung, die Ursachen von Stress in der Arbeit herauszufinden und gegebenenfalls
angemessene Bewältigungsstrategien zu erlernen und anzuwenden.
Zu Beginn dieser Arbeit werden einige Begrifflichkeiten genauer erklärt. Neben der
Bedeutung von Stress, den unterschiedlichen Arten und den Stressauslösern, wird ebenso der
wichtige Begriff Stressbewältigung, auch Coping genannt, definiert. Danach wird auf zwei
bedeutende Stressmodelle, nämlich jene von Selye und Lazarus Bezug genommen, um die
verschiedeneren Perspektiven von Stress zu verdeutlichen. Im vierten Kapitel wird Stress im
Zusammenhang mit dem Gehirn betrachtet. Es soll veranschaulicht werden, wie das Gehirn
auf Stress reagiert und welche Vorgänge dabei stattfinden. Im Anschluss darauf folgt eine
Erläuterung der Auswirkungen von Stress, aufgeteilt in kurz-und langfristige Folgen. Das
nächste Kapitel, welches den Kern dieser Arbeit bildet, widmet sich der Thematik Stress und
Arbeit. Dabei werden unter anderem die Kennzeichen stressgefährdeter Arbeitsplätze und die
wichtigsten Stressauslöser in diesem Setting beschrieben. Außerdem wird auch auf Faktoren
näher eingegangen, die die Entstehung, die Ausprägung und die Folgen von Stress im
Krnjic Monika
8
positiven und negativen Sinn beeinflussen können. Der letzte Abschnitt der Arbeit widmet
sich dem wichtigen Thema Stressbewältigung. Einerseits werden allgemeine
Stressbewältigungsstrategien erläutert, andererseits werden ebenso Methoden erwähnt, die
sich speziell auf die Stressbewältigung in der Arbeit beziehen. Im abschließenden Resümee
werden die Ergebnisse der Arbeit noch einmal kurz aufgegriffen und die Forschungsfragen
abschließend beantwortet.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, die beiden folgenden Forschungsfragen zu beantworten:
1. Was sind die Ursachen, die zu erhöhtem Stress im Berufsleben führen?
2. Welche Methoden und Strategien zur erfolgreichen Stressbewältigung können
Arbeitnehmer anwenden?
Krnjic Monika
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2. Begriffsdefinitionen
Um Missverständnisse von Beginn an auszuschließen und etwaiges fehlendes Fachwissen auf
diesem Gebiet zu kompensieren, sollen zu Beginn einige wichtige Begriffsdefinitionen zu
dieser Thematik vorgenommen werden. Neben dem zentralen Begriff Stress werden auch
Begrifflichkeiten, die in engem Zusammenhang mit diesem Begriff stehen, erläutert.
2.1 Stress
Der Begriff Stress hat sich in der heutigen Gesellschaft zu einem Modewort entwickelt und ist
aus dem Alltag fast nicht mehr wegzudenken. Dennoch sind die wissenschaftliche Bedeutung
und die unterschiedlichen Ausrichtungen und Betrachtungsweisen von Stress nur den
Wenigsten geläufig. Die Komplexität dieses Begriffs macht eine allgemein gültige
Begriffsbestimmung nicht möglich, weil je nach Disziplin (Psychologie, Soziologie, Biologie,
Medizin usw.), theoretischem Ansatz oder favorisiertem Praxisfeld auch die Definition von
Stress variiert (vgl. Ulla 2006: 3; Selye 1974: 56). Laut Nitsch (1981: 39) bezeichnet Stress
„…recht unterschiedliche Gegebenheiten wie direkte Einwirkungen schädlicher Reize,
körperliche Anstrengung, subjektive Bedrohung, physiologische Reaktionsmuster oder
bestimmte psychische Zustände.“ Außerdem gibt es auch unterschiedliche Bezeichnungen für
die gleichen Erscheinungen. Neben Stress werden gleichbedeutend auch Begriffe wie Angst,
Konflikt, Aktivierung, Frustration oder Emotion verwendet. Andere Gründe für die
Begriffsverwirrung sind sprachliche, nationale und weltanschauliche Barrieren. Was aber
festgehalten werden kann, ist, dass es keine „richtige“ oder „falsche“ Stressdefinition gibt.
Jeder Forschungsbereich hat das Recht auf eine eigene Begriffsbestimmung und darauf
Untersuchungen zu Stress in unterschiedlicher Weise durchzuführen (vgl. Nitsch 1981: 39).
Zumindest für die Umgangssprache kann gesagt werden, dass der Begriff Stress
einigermaßen einheitlich verwendet und dabei als alltägliche Belastungssituation definiert
(vgl. Nitsch 1981: 29). Weiters besteht eine Übereinstimmung darin, dass sich alle
Begriffsdefinitionen von Stress auf „…Vorgänge und Erscheinungen, die im Zusammenhang
mit Problemen der Anpassung von Lebewesen an ihre Umwelt…“ (Nitsch 1981: 29) beziehen.
In der Stressforschung gibt es unterschiedliche Definitionsansätze zur Erklärung des
Phänomens Stress. Stress kann als Reizvariable, als Reaktionsvariable oder als Transaktion
zwischen Person und Umwelt betrachtet werden.
Eine reizorientierte Definition von Stress, die auf Holmes und Rahe 1967 zurückgeht, liefert
Rice (2005). Demnach ist Stress gleichzusetzen mit >einschneidenden Lebensereignissen<.
Krnjic Monika
10
„Lebensereignisse dieser Art sind >Stress<, der adaptive Anstrengungen erfordert.“ (Rice
2005: 36)
In reaktionsorientierten Theorien wird Stress als unabhängige Variable, also als Stressreaktion
behandelt. Es spielt dabei keine Rolle, um welche Art von Reiz oder Belastung es sich
handelt. Sei es nun die Trauer um einen geliebten Menschen oder die Freude bei einem
Wiedersehen, es werden immer dieselben Reaktionen im Körper ausgelöst. Dazu ein
veranschaulichendes Zitat von Faltermaier (2005:74): „Eine reaktionsbezogene Definition
geht davon aus, daß [sic!] das als Stress bezeichnete Reaktionsmuster in ähnlicher Form bei
allen Reizen auftritt, die als Stressoren charakterisiert werden.“ Selye (1974: 58) definiert
Stress folgendermaßen „Stress ist die unspezifische Reaktion des Körpers auf jede
Anforderung, die an ihn gestellt wird.“ Ergänzend dazu Nitsch (1981: 46): Stress ist „…die
Gesamtheit der organismischen Anpassungsreaktionen, die auf die Aufrechterhaltung oder
Wiederherstellung des inneren und/oder äußeren Gleichgewichts abzielen.“
Aus transaktionaler Perspektive wird Stress als Beziehungskonzept verstanden, in dem es
durch Anpassungsprobleme und -prozesse zwischen einer Person und seiner Umwelt zur
Entstehung von Stress kommt. Vor allem der Psychologe Richard Lazarus hat dieses
Stresskonzept geprägt und die Bedeutung der betreffenden Person hinsichtlich des
Stressgeschehens in den Vordergrund gerückt. Ob und wie stark Stress empfunden wird,
hängt seiner Meinung nach maßgeblich von der subjektiven Bewertung der Situation, den
eigenen Ressourcen sowie den Bewältigungsmöglichkeiten des Individuums ab. An
Anlehnung an Lazarus hält Myers (2005: 669) fest: „Stress ist der gesamte Prozess, durch
den wir Bedrohungen und Herausforderungen unserer Umwelt bewerten und bewältigen.“
Auch in der Definition von Rice (2005: 37) spiegeln sich Lazarus´ Ansätze wider: „Stress
wird erlebt, wenn die Anforderungen einer Situation die Ressourcen der Person belasten oder
übersteigen und irgendeine Art von Schädigung oder Verlust antizipiert wird.“ (Rice 2005:
37) Außerdem steht in diesem Stressmodell nicht die Stressreaktion sondern die
Stressverarbeitung im Vordergrund.
Sowohl das reaktionsorientierte als auch das transaktionale Stressmodell nehmen in der
Stressforschung einen hohen Stellenwert ein. Die aktuellen Forschungen orientieren sich zwar
nicht mehr am Reaktionsansatz von Selye, jedoch hat dieser wichtige Grundlagen für die
Erforschung von Stressreaktionen im Körper gesetzt, die heute noch gültig sind. Auch
Lazarus hat mit seinem (psychologischen) Stressmodell einen weiteren Meilenstein in der
Stressforschung gelegt, indem er die Bedeutung von individuellen Bewertungs- und
Krnjic Monika
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Bewältigungsprozessen in stressigen Situationen in den Fokus gestellt hat. Aufgrund ihrer
Relevanz für die Stressforschung wurden die beiden genannten Stressmodelle ausgewählt und
werden in Kapitel 3 detaillierter erläutert.
Stresstrias
Kaluza (2007: 5f) gliedert Stress in drei Bestandteile, die unwiderruflich miteinander in
Verbindung stehen, aber getrennt voneinander betrachtet werden müssen (Abb.1). Zu Beginn
des Stressgeschehens gibt es immer einen Stressauslöser, genannt Stressor. Das können
sowohl physische als auch psychische Belastungen und Anforderungen sein, denen der
Mensch im täglichen Leben ausgesetzt ist. Für die endgültige Entstehung einer Stressreaktion
sind neben den Stressoren auch die persönlichen Einstellungen, Bewertungen und Motive, die
Kaluza als persönliche Stressverstärker bezeichnet, ausschlaggebend. Die persönlichen
Stressverstärker haben, wie der Begriff es bereits erahnen lässt, einen wesentlichen Einfluss
auf das Empfinden eines Stressors und auf die Stressreaktion selbst. Stress entsteht demnach
erst durch das Zusammenwirken dieser drei Bestandteile.
Abb.1: Bestandteile des Stressgeschehens (Kaluza 2007:6)
2.2 Stressoren
Stressoren sind äußere oder innere Reize unterschiedlicher Art, mit denen der Mensch in
seiner Umwelt konfrontiert wird (vgl. Kaluza 2007: 7). Stressoren sind, wie bereits erwähnt,
Stressauslöser und rufen beim Individuum Reaktionen hervor, die sich entweder positiv oder
negativ auswirken können. In den meisten Fällen, wie auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit,
wird mit einem Stressor eine negative Reaktion assoziiert (vgl. Ulla 2006: 5). In Folge
Krnjic Monika
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unausreichender Bewältigung des negativen Stressors kann es zu gesundheitlichen
Beeinträchtigungen und Einschränkung des Wohlbefindens kommen.
Kaluza (2007: 7) unterscheidet verschiedene Arten von Stressoren, die allgemein
physikalischen, physischen, mentalen und sozialen Ursprungs sein können. Zu den
physikalischen Stressoren gehören Lärm, Hitze, Kälte oder Nässe. Charakteristisch für
körperliche Anforderungen sind Schmerz, hierbei vor allem chronische Schmerzen, Hunger,
Durst, Bewegungseinschränkungen oder Juckreiz. Jene Stressoren, die am häufigsten
vorkommen und darüber hinaus in der Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung gewinnen, sind
psychische und soziale. Psychische oder auch mentale Stressoren werden meist mit
Leistungsanforderungen, wie beispielsweise Prüfungen, hoher Verantwortung oder Zeitdruck
in Verbindung gebracht. Soziale Anforderungen hingegen sind Stressoren, die durch die
Interaktion mit Menschen, durch Konflikte mit anderen Personen, durch Trennung, Isolation
oder Konkurrenzsituationen charakterisiert werden. Eine Anforderung muss aber nicht bei
jeder Person automatisch Stress auslösen. Es spielt eine elementare Rolle, wie die jeweilige
Person den Stressor wahrnimmt und einschätzt. Dabei nehmen die sogenannten Ressourcen,
die in Kapitel 6.4.2 erläutert werden, einen hohen Stellenwert ein.
2.3 Distress & Eustress
Stress ist unabwendbar. Der Körper ist andauernd Reizen und Ereignissen ausgesetzt. Je
nachdem, ob diese positiv sind, wie zum Beispiel die Freude bei einem Wiedersehen, oder
negativ, wie etwa die Trauer um einen Verstorbenen, wird zwischen verschiedenen
Stressarten unterschieden. Im Falle einer negativen Stresserfahrung handelt es sich um
Distress, der langfristig gesehen zu chronischem Stress und dadurch auch zu erheblichen
gesundheitlichen Schädigungen führen kann. Das Pendant zum Distress ist der Eustress, der
durch freudige Ereignisse hervorgerufen wird (vgl. Selye 1974: 62f; Kirchler 2008: 283). Im
weiteren Verlauf der Arbeit wird mit der Bezeichnung Stress immer der negative Distress
zum Ausdruck gebracht.
2.4 Chronischer Stress
Um chronischen Stress handelt es sich, wenn ein Stressor über längere Zeit andauert und dem
Körper dadurch keine ausreichenden Entspannungs- oder Erholungsphasen geboten werden.
Infolgedessen kann es zu unterschiedlichen körperlichen und psychischen Schädigungen
kommen (siehe auch Kapitel 5) (vgl. Glaser & Molnar 2013: 6).
Krnjic Monika
13
2.5 Stressbewältigung (Coping)
Stressbewältigung beziehungsweise Stressmanagement oder Coping zielt darauf ab Wege zu
finden, mit den gegebenen Anforderungen des Alltags gelassener und sicherer umzugehen.
„Stressmanagement ist
- Stressprävention, wenn es um die Vorbeugung akuter und chronischer
Stressreaktionen geht,
- Stressintervention, wenn es um den Abbau von Stressreaktionen und –folgen sowie
ihrer Ursachen geht“ (Rudow 2004: 115)
Es wird davon ausgegangen, dass die belastende Situation gehandhabt werden kann, indem
sie toleriert, vermieden oder verändert wird, oder indem die Auswirkungen dieser Situation
reduziert werden (vgl. Rice 2005: 34).
3. Stressmodelle
Bei der Begriffsdefinition von Stress wurde bereits auf die Vielschichtigkeit der
Betrachtungsweisen hingewiesen. Es haben sich viele unterschiedliche Forschungsrichtungen
dieser Materie angenommen und Stress genauer untersucht. Daraus sind wiederum
unterschiedliche Stresskonzepte beziehungsweise Stressmodelle entstanden. Zwei von ihnen,
die aus historischer Perspektive besonders relevant sind, nämlich das reaktionsorientierte
(biologische) und das transaktionale (psychologische) Stressmodell, werden in diesem Kapitel
näher erläutert.
3.1 Das biologische Stressmodell nach Selye Hans
Die Stressforschung erhielt durch die Untersuchungen des kanadischen Arztes Hans Selye
einen entscheidenden Aufschwung. Er war in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts
einer der Ersten, der sich mit der Stressforschung beschäftigt und diese auch maßgeblich
mitgeprägt hat. Aus diesem Grund wird er auch als „Vater der Stressforschung“ bezeichnet.
Selye befasste sich mit dem biologischen Stresskonzept, auch Reaktionsansatz genannt, in
dem er die physiologischen Reaktionen des Körpers auf unterschiedliche Reize untersuchte.
Durch Tierversuche mit Ratten, denen er diverse Substanzen injizierte, fand er heraus, dass
egal um welche Substanz es sich handelte, diese im Körper der kleinen Tiere immer dasselbe
Syndrom hervorriefen. „Vergrößerung der Nebennieren, thymikolymphatische Involution und
Magen-Darm-Geschwüre waren die allgegenwärtigen Anzeichen körperlicher Schädigung
Krnjic Monika
14
bei Belastung“ (Selye in Nitsch 1981: 166) Anhand der Ergebnisse aus der Tierwelt wurde
auf den Menschen geschlossen und diese drei genannten Veränderungen waren der Baustein
für die Entwicklung des gesamten Stresskonzeptes, das unter dem Namen Allgemeines
Adaptionssyndrom (A.A.S.) oder biologisches Stresssyndrom bekannt ist. Schlussfolgernd
daraus lautet Selyes Definition von Stress: „Stress ist die unspezifische Reaktion des Körpers
auf jede Anforderung, die an ihn gestellt wird.“ (Selye 1974: 58)
Das allgemeine Adaptionssyndrom nach Selye
Selyes Erkenntnissen nach verläuft die Reaktion auf einen Stressor immer ähnlich. Es macht
keinen Unterschied, ob es sich um positive oder negative Ereignisse oder Empfindungen
handelt, denn im Körper werden immer dieselben Mechanismen ausgelöst. Wenn es nun zu
einer vermeintlichen Bedrohung kommt, wird alles versucht, um die Balance im Organismus,
genannt Homöostase, wiederherzustellen und zu bewahren. Diese physiologischen
Veränderungen, die im Körper bei einer Stresssituation stattfinden, bezeichnete Selye als
allgemeines Adaptionssyndrom oder Anpassungssyndrom (AAS), mit dem der Körper
versucht seine Funktionsfähigkeit wiederherzustellen. Das Anpassungssyndrom lässt sich in
drei Phasen unterteilen (vgl. Faltermaier 2005: 76):
1. Alarmreaktion: Der Reiz löst im Körper eine Alarmreaktion aus, in der biochemische
und morphologische Veränderungen, wie in Abbildung 3 dargestellt, stattfinden.
Dabei werden die Schockphase und die Gegenschockphase unterschieden. Die
Schockphase zeichnet sich durch eine Passivität des Organismus aus - die
Körpertemperatur, der Blutdruck und der Muskeltonus sinken. Die Gegenschockphase
folgt unmittelbar darauf und führt zu einer Gegenregulation mit
Verteidigungsaktivitäten. Stresshormone werden ausgeschüttet und die Symptome aus
der Schockphase gehen zurück (vgl. Faltermaier 2005: 76).
2. Widerstand: Dauert der Stressor längere Zeit an, entwickelt der Körper einen
Widerstand gegen diesen und mobilisiert die körpereigenen Abwehrkräfte, um sich
der Situation so weit wie möglich anzupassen und wieder ein inneres Gleichgewicht
herzustellen (vgl. Faltermaier 2005: 76).
3. Erschöpfung: Wenn der Körper der stressauslösenden Situation zu lange ausgesetzt
ist, kann der Widerstand nicht länger aufrechterhalten werden und es folgt ein
Zusammenbruch der Anpassungsmechanismen des Organismus. Die
Erschöpfungsphase tritt ein und die anfänglichen Symptome der Alarmreaktion
werden dauerhaft und irreversibel. Schwerste Organschädigungen, Zerstörung von
Krnjic Monika
15
Körpergewebe und im Extremfall der Tod können eintreten (vgl. Faltermaier 2005:
76).
3.2 Das transaktionale Stressmodell nach Lazarus
Selye hat zum Verständnis von physiologischen Stressreaktionen einen großen Beitrag
geleistet, aber wesentliche Aspekte, wie die individuellen Unterschiede im Erleben von Stress
und die Bewältigungsfähigkeiten, wurden von ihm außer Acht gelassen. Lazarus greift diese
bedeutenden Aspekte auf und distanziert sich von Selyes biologischer Sichtweise. Er
beschäftigte sich mit dem psychologischen beziehungsweise transaktionalen Stressmodell.
Lazarus sieht die Ursache von Stress in der Wechselwirkung von Umweltbedingungen und
den Fähigkeiten jeder einzelnen Person mit Anforderungen umzugehen. Aus dieser Sicht
entsteht Stress also nur dann „…wenn die Anforderungen die Anpassungskräfte des
personalen Systems beanspruchen oder übersteigen, d.h. wenn ein Ungleichgewicht zwischen
Umgebung und Person besteht.“ (Faltermaier 2005: 75)
Stress setzt sich aus verschiedenen physiologischen, emotionalen und
verhaltensbeeinflussenden Faktoren zusammen und führt erst zu einer Stressreaktion, wenn
ein Stressor auch subjektiv als stressvoll wahrgenommen wird. Die individuell kognitive
Bewertung von Anforderungen, zu der unter anderem persönliche Motive, Ziele oder
Ressourcen zählen, ist entscheidend dafür, inwieweit eine Belastung als solche erlebt wird
und wie stark physische und psychische Stressreaktionen auftreten (vgl. Lenert 2010: 6f;
Meifert 2010: 13ff; Ulla 2006: 4, 67ff). Diese Bewertung lässt sich in drei Formen unterteilen
und bildet das Kernstück der Stresstheorie von Lazarus.
1. In der Primärbewertung (>primary appraisal<) wird eingeschätzt, wie sich die gegebene
Situation auf das eigene Wohlbefinden auswirken könnte. Dabei kann die Person das Ereignis
als irrelevant, günstig/positiv oder stressend betrachten. Tritt letzteres ein, wird ein
Stressprozess ausgelöst und weitere drei Möglichkeiten der Situationsbewertung tun sich auf.
Sie kann interpretiert werden (a) als Schädigung/Verlust (>harm - loss<), das bedeutet, dass
eine Schädigung bereits eingetreten ist, (b) als Bedrohung (>threat<), hierbei handelt es sich
um eine zukünftige Beeinträchtigung, oder (c) als Herausforderung (>challenge<), das heißt,
dass die stressende Situation auch mit positiven Folgen oder einem Nutzen verbunden wird
(vgl. Faltermaier 2005: 78; Lazarus & Launier in Nitsch 1981: 233ff).
2. In der Sekundärbewertung (>secondary appraisal<), die auch parallel zur primären
Bewertung ablaufen kann und nicht immer unmittelbar nach ihr stattfinden muss, werden die
persönlichen Bewältigungsmöglichkeiten und -fähigkeiten eingeschätzt, um die Belastung
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16
erfolgreich abzuwenden und das Wohlbefinden aufrechtzuerhalten (vgl. Faltermaier 2005: 78;
Lazarus & Launier in Nitsch 1981: 238).
3. Die Neubewertung (>reappraisal<) zeichnet sich dadurch aus, dass durch die
kontinuierliche Veränderung der Transaktionen zwischen Person und Umwelt auch die
vorangegangenen Bewertungen stets überprüft, verändert oder umgedeutet werden müssen.
Eine vermeintliche Belastung kann danach möglicherweise als Herausforderung
wahrgenommen werden oder die eigenen Bewältigungsfähigkeiten sind vielleicht besser als
angenommen (vgl. Faltermaier 2005: 78f; Lazarus & Launier in Nitsch 1981: 240f).
Des Weiteren betont Lazarus in seinem Stressmodell die besondere Bedeutung von
Bewältigungsmöglichkeiten und -fähigkeiten (>coping<) einer Person. Lazarus & Folkman
definieren Coping als Bewältigung von internen und externen Anforderungen, die die eigenen
Ressourcen übersteigen. „Bewältigung wird als Gesamtheit der Anstrengungen
konzeptualisiert, mit deren Hilfe wahrgenommene Bedrohungen abgeschwächt oder
Stressemotionen gehandhabt werden sollen (emotionsfokussierte und problemfokussierte
Bewältigung).“ (Rice 2005: 37) Auf das Thema Coping wird hier nicht näher eingegangen,
weil sich Kapitel 8 dieser Thematik ausführlich widmen wird.
4. Stress entsteht im Gehirn
In den Anfängen der Stressforschung wurde Stress vorwiegend aus biologischer Perspektive
betrachtet, in der die physiologischen Reaktionen im Organismus auf Stressoren untersucht
wurden. Cannon fand heraus, dass in den Nerven und Drüsen eine Abfolge von Aktivitäten
ausgelöst wird, die den Körper auf Gegenwehr und Kampf oder auf Flucht in die Sicherheit
vorbereitet. Er nannte diese Stressreaktion „fight-or-flight“- Syndrom (Kampf-oder-Flucht-
Reaktion) (vgl. Gerrig & Zimbardo 2008: 480). Ein Stressor versetzt den Körper in
Alarmbereitschaft und löst im Gehirn diverse biochemische Prozesse aus, die den Organismus
dazu bringen, mit der mutmaßlichen Gefahr fertig zu werden. Der Stressmechanismus, der
dabei ausgelöst wird, ist ein komplexes Zusammenspiel des zentralen und vegetativen
Nervensystems sowie des Hormonsystems (vgl. Meifert 2010: 16).
4.1 Die beteiligten Systeme
Das Zentralnervensystem (ZNS) besteht aus dem Gehirn und dem Rückenmark. Es hat die
Aufgabe sowohl die von außen kommenden Reize, wie zum Beispiel Umwelteinflüsse oder
Berührungen, als auch innere Reize, die aus dem Körper selbst kommen, aufzunehmen und zu
Krnjic Monika
17
verarbeiten. Außerdem ist das Zentralnervensystem für die Regulation des Ablaufs aller
Körperfunktionen zwischen den Organen und Systemen verantwortlich.
Das vegetative (autonome) Nervensystem (VNS) lässt sich in zwei Bereiche unterteilen: den
Sympathikus und den Parasympathikus. Ersterer wird bei Angriffs- oder Fluchtverhalten oder
bei außerordentlichen Anstrengungen aktiviert und bewirkt eine Leistungssteigerung des
Organismus. Aus diesem Grund wird er auch als „Arbeitsnerv“ bezeichnet. Der
Parasympathikus hingegen ist für den Stoffwechsel, die Regeneration und den Aufbau
körperlicher Reserven zuständig, weshalb er „Erholungsnerv“ genannt wird. Die primären
Aufgaben des VNS sind die Aufrechterhaltung des inneren Milieus des Körpers, der
Homöostase, und die Anpassung der Regulation der Organfunktionen bei wechselnden
Umweltbedingungen. Die wichtigste Steuerungszentrale des VNS ist dabei der Hypothalamus
(Zwischenhirn), der eine beachtliche Rolle in der Stressreaktion einnimmt. Neben der
Beteiligung an einer Reihe von emotionalen Reaktionen, ist er auch eine zentrale Schaltstelle
für das endokrine System (Hormonsystem). Der Hypothalamus ist dort für die Aktivierung
der Hypophyse (Hirnanhangdrüse) verantwortlich. Aufgrund seiner vielseitigen Bedeutung im
Stressmechanismus wird das Zwischenhirn auch gelegentlich als Stresszentrum bezeichnet
(vgl. Gerrig & Zimbardo 2008: 480).
Die Abstimmung und Steuerung der zahlreichen Körperfunktionen (Organe, Systeme) ist die
Aufgabe des Hormonsystems. Dies geschieht durch ein Zusammenspiel von dreißig
Hormonen, die von den endokrinen Drüsen, wie zum Beispiel Hypophyse, Nebenniere,
Schilddrüse, gebildet werden (vgl. Meifert 2010: 16; Frotscher & Kahle 2009: 294).
4.2 Die neuroendokrine Stressantwort
Die neuroendokrine Stressantwort wird von einem Hormon-Schaltstellensystem gesteuert,
das den Sympathikus, den Hypothalamus, die Hypophyse und die Nebenniere involviert und
zudem zwei Teilachsen bildet (siehe Abbildung 2). Die erste Teilachse, Sympathikus-
Nebennierenmark, ist für eine verstärkte Ausschüttung von Katecholaminen (Adrenalin,
Noradrenalin) verantwortlich, die zweite Achse hingegen, Hypothalamus-Hypophyse-
Nebennierenrinde, für die Ausschüttung von Kortisol (vgl. Knoll et al. 2005: 183).
Krnjic Monika
18
Abb. 2: Zwei Achsen der körperlichen Stressreaktion (Kaluza 2011: 19)
Aus dem Hypothalamus wird das Kortikotropin-releasing-Hormon (CRH) freigesetzt und
gelangt über ein Gefäßsystem zur Hirnanhangdrüse, der zentralen Hormondrüse des Körpers.
Dort wird die Sekretion des adrenokortikotropen Hormons (ACTH) stimuliert, das innerhalb
von nur wenigen Sekunden über die Blutlaufbahn in die Nebennieren gelangt. Diese schütten
wiederum die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin aus und bewirken, dass alle zur
Verfügung stehenden Abwehrkräfte mobilisiert werden. Zwei weitere Hormone, nämlich das
DHEA und das Kortisol, die aus der Nebennierenrinde stammen, beteiligen sich an der
Abwehr des Schadens. Das Kortisol erhöht den Energiestoffwechsel (Blutzucker) und die
Aufmerksamkeitsschwelle aller Sinne, woraufhin es zur Mobilisierung der Kraftreserven
kommt und dadurch eine Stressanpassung des Körpers ermöglicht. Damit die hormonelle
Stressreaktion nicht überschießt, besitzt das System einen Rückkopplungsmechanismus, der
auch für die Beendigung der Stressreaktion verantwortlich ist. Eine positive Stressreaktion
äußert sich in der Anpassung des Körpers an die einwirkende Anforderung. Im Gegensatz
dazu führt eine mangelhafte Anpassung zu einer negativen Stressreaktion, zu Dauerstress und
letzten Endes zu psychischen und körperlichen Schädigungen (vgl. Jacobi 2003: 140; Kaluza
2011: 19). Abbildung 3 in Kapitel 5.1 veranschaulicht die einzelnen physiologischen
Stressreaktionen.
Krnjic Monika
19
4.3 Stress formt das Gehirn - Das zentrale Adaptionssyndrom nach Hüther
Bisher wurde das Gehirn ausschließlich als Ausgangspunkt der Stressreaktion betrachtet, das
gewisse Hormone und Botenstoffe freisetzt und dadurch verschiedene physiologische
Reaktionen auslöst. Der deutsche Neurologe Gerald Hüther sieht das Gehirn aber auch als
Zielorgan der Stressreaktion und nennt sein Stresskonzept „Zentrales Adaptionssyndrom“
(vgl. Hüther 1997: 38). In diesem Konzept spielen die Auswirkungen der Stresshormone
Kortisol und Norandrenalin eine bedeutende Rolle. Sie haben nämlich einen wesentlichen
Einfluss auf die neuronalen Verschaltungen im Gehirn.
Jede Stressreaktion beginnt damit, dass durch die Einwirkung eines Stressors das Gehirn
aktiviert wird. Dabei werden in Sekundenbruchteilen alle vorhandenen Verschaltungen im
Hirn nach einer passenden Lösung des Problems abgesucht. Reichen die bisher angelegten
Verschaltungen aus, um das Problem zu lösen, ist die Gefahr gebannt und die Stressreaktion
kontrollierbar. Bei kurzfristigen kontrollierbaren Stressreaktionen kommt es zur Aktivierung
des großen noradrenergen Systems. Noradrenalin wird verstärkt ausgeschüttet und führt zu
einer Reihe von funktionellen und metabolischen Veränderungen in Nerven- und Gliazellen,
die zur Stabilisierung und Bahnung sowie zum Ausbau und zur Verbesserung der Effizienz
der neuronalen Verschaltungen beitragen. Dies führt dazu, dass es zu einer ganz bestimmten
Spezialisierung kommt, die dazu beiträgt, dass bei wieder auftretenden Herausforderungen
rascher Lösungen gefunden werden. Das Hirn merkt sich die Verhaltensmuster, die zur
Problemlösung geführt haben, und greift in ähnlichen Situationen auf diese zurück. Außerdem
treibt eine angemessene Dosis Stress zu Höchstleistungen an und aktiviert den Geist, indem
im Gehirn Botenstoffe ausgeschüttet werden, die die Konzentrationsfähigkeit erhöhen.
Sollte es sich um eine vollkommen neuartige Anforderung handeln, für die keine vorhandenen
Verhaltens- beziehungsweise Verdrängungsstrategien einer Person geeignet sind, um die
Bedrohung abzuwehren, führt dies zu einer unkontrollierbaren Stressreaktion. Sie kann Tage
oder sogar Wochen andauern und bewirkt eine massive und lang anhaltende
Kortisolausschüttung durch die Nebennierenrinde. Das Kortisol beginnt die neuronalen
Netzwerke, in denen die Verhaltensmuster gespeichert sind und die sich als unwirksam zur
Beseitigung der Bedrohung erwiesen haben, zu hemmen und abzubauen. Der erhöhte
Kortisolspiegel führt demnach zu einer sogenannten Destabilisierung und Degeneration
bestehender neuronaler Verschaltungen (vgl. Hüther 1997: 33ff; Kaluza 2011: 20f). „Das
Gehirn löscht gewissermaßen diese Verhaltensmuster und schafft damit die Vorraussetzung
dafür, dass wir neue Verhaltensweisen entwickeln und ausprobieren.“ (Kaluza 2011: 20)
Krnjic Monika
20
Eine Feststellung von Hüther (1997: 81) verdeutlicht ebenfalls die Bedeutung
unkontrollierbarer Stressreaktionen: „Schwere, unkontrollierbare Belastungen ermöglichen
durch die Destabilisierung einmal entwickelter, aber unbrauchbar gewordener
Verschaltungen die Neuorientierung und Reorganisation von bisherigen Verhaltensmustern.“
Hüthers Stresskonzept ist deshalb so interessant, weil er auch über positive Nebeneffekte von
Stress berichtet und nicht nur, wie so oft, die zahlreichen negativen Auswirkungen zum
Ausdruck bringt.
5. Auswirkungen von Stress
Eine Stressreaktion kann sich auf drei Ebenen bemerkbar machen. Es können
verhaltensbezogene, kognitiv-emotionale oder physiologisch-somatische Veränderungen
hervorgerufen werden. Dieser Abschnitt wird die wichtigsten kurzfristigen Auswirkungen von
Stressreaktionen aufzeigen und im Anschluss die Auswirkungen von lang anhaltendem Stress
erläutern.
5.1 Kurzfristige Stresssymptome
Verhaltensbezogene Ebene:
Der Stressor kann zu gesundheitsbeeinträchtigendem Verhalten führen, das für
Außenstehende meist sichtbar ist. Beispiele sind Betäubungsverhalten (erhöhter Tabak-,
Alkohol-, oder Medikamentenkonsum), sinkende Produktivität, konfliktreicher Umgang mir
anderen Menschen, hastiges oder ungeduldiges Verhalten (schnell und hektisch sprechen,
andere unterbrechen, unruhiges Hin- und Herlaufen, Fingernägel kauen) geänderte
Essgewohnheiten, Abschottung oder erhöhte Fehlerhäufigkeit bei
durchgeführten/durchzuführenden Aufgaben.
Kognitiv-emotionale Ebene:
Auf dieser Ebene ist die Reaktion für Außenstehende häufig nicht erkennbar. Dazu zählen
Hilflosigkeit, Angst, Anspannung, Unruhe, Nervosität, Denkblockaden, Schlafstörungen oder
Depressionen.
Physiologisch-somatische Ebene:
Hierbei äußert sich die Stressreaktionen in einer Steigerung der körperlichen Aktivierung und
Energiemobilisierung wie beispielsweise schnellerer Herzschlag, schnellere Atmung oder
erhöhte Muskelanspannung. Weitere kurzfristige körperliche Stressreaktionen sind in
Abbildung 3 aufgelistet. Sollte diese Reaktion regelmäßig auftreten oder über einen längeren
Krnjic Monika
21
Zeitraum andauern, kann dies zu Erschöpfungszuständen und zu psychosomatischen
Beschwerden führen (vgl. Ulla 2006: 7f).
In Situationen, in denen der Körper damit beschäftigt ist, einen bestimmten Stressor
abzuwehren, stehen ihm nicht ausreichend Reserven zur Verfügung, um gleichzeitig
einwirkenden Anforderungen Widerstand zu leisten. Das ist auch der Grund dafür, warum
jene Menschen, die häufig unter Stress leiden, meist anfälliger für die Entwicklung von
Infektionskrankheiten, wie grippale Infekte, sind als andere (vgl. Lenert 2010: 11).
Abb. 3: Reaktionen des Körpers auf Stress (Gerrig & Zimbardo 2008: 470)
5.2 Auswirkungen von chronischem Stress
Stress wird immer gefährlicher und gesundheitsbeeinträchtigender je länger er andauert. Folgt
auf eine Anspannung eine angemessene Entspannung und Erholung bleiben Stressfolgen
meistens aus. Erst die wieder auftretenden Anspannungen in kurzen Zeitperioden und die
dabei fehlenden Entspannungsphasen führen letztendlich zur Daueranspannung
beziehungsweise zu Dauerstress. Demzufolge hat Dauerstress oder chronischer Stress
gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit (vgl. Glaser & Molnar 2006: 11; Litzcke &
Krnjic Monika
22
Schuh 2010: 35). Neben der direkten schädlichen Wirkung kann andauernder Stress auch
indirekt Erkrankungen verursachen. Anhand der drei Ebenen, auf denen sich Stress auswirken
kann, wurde bereits auf das gesundheitsbeeintrachtigende Verhalten hingewiesen. Genau auf
dieses wird in den nächsten Zeilen Bezug genommen. Viele Menschen neigen in
Stresssituationen dazu Genussgüter, wie Alkohol, Kaffee, Tee, Nikotin oder Nahrungsmittel,
in größeren Mengen zu sich zu nehmen, mit dem Ziel einen „künstlichen“
Entspannungszustand herbeizuführen. Dass sie dabei gesundheitliche Konsequenzen
riskieren, wissen viele nicht oder wollen es nicht wahrhaben und verdrängen diese Tatsache
deshalb. Alkohol zum Beispiel wirkt in höheren Dosen beruhigend und wird aus diesem
Grund gerne zum Abbau von Stress und Spannungen konsumiert. Folglich kann es zur
Gewöhnung und zur Sucht kommen. Auch das Essverhalten kann sich unter Stress zum
Negativen verändern. Viele Personen essen über ihren Sättigungspunkt hinaus, weil erstens
die innere Anspannung das Sättigungsgefühl unterdrückt und zweitens das Essen als
Entspannung empfunden wird. Resultierend daraus können Gewichtsprobleme auftreten. Der
verstärkte Griff zu Zigarette, Kaffee und Tee sind ferner Probleme im Zusammenhang mit
Stress. All diese Mittel können bei Überdosierung zusätzliche Stressreaktionen im
Organismus auslösen, die sich durch permanente innere Unruhe, Schwitzen und Zittern der
Hände bemerkbar machen (vgl. Litzcke & Schuh 2010: 41f). Die Auswirkungen von
Dauerstress auf den anderen beiden Ebenen, physiologisch-somatisch und kognitiv-emotional,
sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tabelle 1: Gesundheitliche Auswirkungen von chronischem Stress 1 (nach Meifert 2010: 28; Kaluza 20011: 26)
Physiologisch- somatische Auswirkungen
Herz- Kreislauf: Herzrasen,
Herzstolpern, Arteriosklerose,
Herzinfarkt
Immunsystem: erhöhte
Krankheitsanfälligkeit im Bereich
der Atemwege
Muskulatur: Kopf- und
Rückenschmerzen, Zähneknirschen
im Schlaf
Schmerz: verringerte
Schmerztoleranz, erhöhtes
Schmerzerleben
Sexualität: Libidoverlust,
Zyklusstörungen, Impotenz
Sinnesorgane: erhöhter Augeninnendruck,
Ohrgeräusche, Tinitus, Hörsturz
Stoffwechsel: erhöhter Blutzuckerspiegel/
Diabetes, erhöhter Cholesterinspiegel
Verdauungsorgane: Störungen der Verdauung,
Magen- Darmgeschwüre
Hauterkrankungen
Schilddrüsenüberfunktion
Appetitlosigkeit/ verstärkter Appetit
Schlafstörungen mit chronischer Müdigkeit
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23
Tabelle 2: Gesundheitliche Auswirkungen von chronischem Stress 2 (nach Meifert 2010: 28; Kaluza 20011: 26)
6. Stress und Arbeit
Bereits seit den 1960er Jahren lässt sich eine negative Veränderung der Arbeitssituation
feststellen. Durch den Wandel von einer Industriegesellschaft zu einer Dienstleistungs- und
Informationsgesellschaft, sind Erwerbstätige gegenwärtig mit anderen Arbeitsanforderungen
konfrontiert als noch vor einigen Jahren. Waren es früher vor allem körperliche Belastungen,
denen die Menschen am Arbeitsplatz ausgesetzt waren, nehmen heutzutage die psychischen
Belastungen immer mehr zu und verursachen sowohl für den/die ArbeitnehmerIn als auch für
den/die ArbeitgeberIn beträchtliche Schäden (vgl. Ulla 2006: 131).
Dieses Kapitel wird sich explizit mit dem Thema Stress im Beruf beschäftigen und dabei
unter anderem zwei arbeitsbezogene Stresstheorien erläutern, die die Merkmale besonders
stressgefährdeter Arbeitsplätze beschreiben. Ferner wird ein Überblick der wichtigsten
Stressoren in der Arbeit gegeben und auch auf die Faktoren, die Stress begünstigen oder
vermindern können, wird näher eingegangen.
6.1 Arbeitsbedingter Stress
Im Allgemeinen wird unter Stress im Beruf meist Arbeitsüberlastung, Hektik, Zeit- und
Termindruck oder psychische Anspannung verstanden. Zimmermann (1982: 35) definiert
diesen Begriff wie folgt: „Unter Stress versteht man den von einer Person wahrgenommen
Widerspruch zwischen objektiven Arbeitsanforderungen und Belastungen und persönlichen
Arbeitsvoraussetzungen.“ Zu den persönlichen Arbeitsvoraussetzungen gehören eigene
Kenntnisse und Fähigkeiten. Stress entsteht demnach, wenn die zur Verfügung stehenden
Ressourcen für die Bewältigung nicht ausreichen oder ein Verlust an Kontrolle über die
Situation wahrgenommen wird. Außerdem ist die Entstehung von Stress ein Zusammenspiel
von diversen Faktoren, wie unter anderem Persönlichkeit, Ressourcen,
Leistungsvoraussetzungen sowie der beruflichen und außerberuflichen Situation, in der sich
Kognitiv- emotionale Auswirkungen
Wahrnehmungsstörungen
Lern- Gedächtnisstörungen
Rückgang von Interessen
Alpträume
Geistige Erschöpfung
Beeinträchtigung des Wohlbefindens
Angststörungen
Depressionen
Persönlichkeitsstörungen
Gefühlsarmut
Allgemeine Lustlosigkeit
Apathie
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24
die Person befindet. Sind es früher vor allem ManagerInnen oder ähnliche Berufsgruppen mit
vollem Terminkalender gewesen, die unter großem Stress litten, betrifft es heute Angehörige
aller Gesellschaftsschichten (vgl. Glaser & Molnar 2013:7ff; Ulla 2006: 131).
In der Europäischen Union gilt arbeitsbedingter Stress seit zehn Jahren als eines der größten
Probleme am Arbeitsplatz. „Studien deuten darauf hin, dass zwischen 50-60% aller
verlorenen Arbeitstage mit Stressproblemen in Zusammenhang stehen.“ (OHSA 2002: 4)
Dieser Stress äußert sich in einer stark negativ geprägten emotionalen Reaktion auf die Arbeit
und hat neben den gesundheitlichen Folgen für die Beschäftigten auch beträchtliche
Auswirkungen für die Organisation. Arbeitsbedingter Stress kann die Lebensqualität
beeinträchtigen und das Verhalten einer Person erheblich verändern. Er kann schlechte
Stimmung, Lustlosigkeit sowie sinkende Leistungs-, Konzentrations- und Merkfähigkeit zur
Folge haben. Aus dem Blickwinkel von Organisationen kann Stress am Arbeitplatz zu hohen
Fehlzeiten und Personalfluktuation oder schlechter Arbeitsmoral führen und dadurch
beträchtliche betriebs- und volkswirtschaftliche Kosten verursachen.
6.2 Kennzeichen stressgefährdeter Arbeitsplätze: Arbeitsbezogene Stressmodelle
Es gibt umfangreiche Studien von Arbeitswissenschaftlern, die die Merkmale
stressgefährdeter Arbeitsplätze genauer erforschen. Die Ergebnisse dieser Studien stützen sich
auf das „Anforderungs-Kontroll-Modell“ von Richard Karasek und Töres Theorell und auf
das „Modell beruflicher Gratifikationskrisen“ des Medizinsoziologen Johannes Siegrist (vgl.
Kaluza 2007: 50).
Hohe Anforderungen und geringer Entscheidungsspielraum
Karasek und Theorell sind der Meinung, dass das Entstehen von Stress am Arbeitsplatz, oder
psychische Beanspruchung, wie die Arbeitspsychologie diesen Begriff bezeichnet, vom
Verhältnis zwischen bestimmten quantitativen Arbeitsanforderungen einerseits und dem
persönlichen Kontrollspielraum andererseits abhängt. Laut Ulich (2005: 476) „…ist Stress
insbesondere verbunden mit - tatsächlichem oder vermeintlichem - Kontrollverlust, der mit
dem Gefühl der Bedrohung, des Ausgeliefertsein, der Hilflosigkeit und der Abhängigkeit
einhergeht.“ Zu den wichtigsten Stress verursachenden quantitativen Arbeitsanforderungen
zählen unter anderem Zeitdruck und Hektik, die als hohe Arbeitsintensität zusammengefasst
werden können. Unter Kontrollspielraum werden die Entscheidungs- und
Handlungsmöglichkeiten eines/einer ArbeitnehmerIn verstanden. Dazu gehören
Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Planung und Ausführung der Arbeit sowie
Krnjic Monika
25
Mitbestimmung über Pausenzeiten, über die Zusammenarbeit mit KollegInnen und über die
Arbeitsaufteilung. Merkmale von geringem Handlungs- und Entscheidungsspielraum, die zu
Stress führen können, sind Nicht-Durchschaubarkeit der Arbeitsabläufe, Nicht-
Vorhersehbarkeit von Ereignissen in der Arbeit und Nicht-Beeinflussbarkeit von
Arbeitsbedingungen.
Karasek und Theorell haben untersucht, bei welcher Kombination von Arbeitsintensität und
Kontrollspielraum Stress begünstigt oder Stress vermindert wird. Die Ergebnisse dieser
Untersuchung (siehe Abb.4) zeigen, dass besonders jene ArbeitnehmerInnen an hohem
psychischen Stress leiden, die großen und schwierigen Anforderungen am Arbeitsplatz
ausgesetzt sind und gleichzeitig keine oder nur geringe Mitbestimmung und Kontrolle über
ihre Arbeitstätigkeiten und Arbeitsabläufe haben. Beispiele für Arbeitsplätze, bei denen diese
Konstellation sehr häufig vorkommt, sind Fließbandarbeit oder statusniedrige Büro- und
Dienstleistungsberufe wie Telefonisten oder Krankenpfleger. Ebenso besagen einige
besonders aussagekräftige Längsschnittsstudien, dass hohe Anforderungen und geringer
Entscheidungsspielraum/Kontrolle in der Arbeit die Entstehung von Herz-
Kreislaufkrankheiten begünstigen (vgl. Kaluza 2007: 50; Zimmermann 1984: 134ff).
Abb. 4: Anforderungs- Kontroll- Modell bei der
Arbeit von Karasek (Kaluza 2011: )
Mangelnde Belohnung bei hohem Einsatz
Der deutsche Medizinsoziologe Johannes Siegrist verweist in seinem Stressmodell, Modell
der beruflichen Gratifikationskrisen, auf die Bedeutung einer angemessenen Anerkennung
und Belohnung der erbrachten Arbeitsleistung. Sollte eine Person bei hoher Verausgabung am
Arbeitsplatz eine zu geringe Belohnung erhalten, handelt es sich um berufliche
Gratifikationskrisen, die eine chronifizierte Form sozialer Krisen darstellen und insbesondere
chronischen Stress erzeugen können. „Eine hohe berufliche Verausgabung kann sowohl
durch externe Anforderungen am Arbeitsplatz als auch durch intrinsische berufliche
Krnjic Monika
26
Kontrollbestrebungen, d.h. durch eine stark ausgeprägte Leistungsbereitschaft der
arbeitenden Person, zustande kommen.“ (Faltermaier 2005: 98) Eine stark ausgeprägte
Leistungsbereitschaft bedeutet, dass manche Menschen oftmals dazu neigen, sich zu stark mit
den beruflichen Anforderungen zu identifizieren und zu hohe und unrealistische
Leistungserwartungen an sich selbst und an die Belohnung zu stellen. Sie leisten mehr, als
von ihnen erwartet wird. Die Belohung bezieht sich nicht nur auf das finanzielle Einkommen
einer Person sondern auch auf die wahrgenommene Anerkennung und Wertschätzung von
KollegInnen und Vorgesetzen oder auf die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten und die
Sicherheit des Arbeitsplatzes. Die Angst vor einem Arbeitsplatzverlust und die dadurch
drohende Arbeitslosigkeit belasten heutzutage immer mehr Menschen. Deshalb ist dieser
Aspekt der Belohnung in der heutigen Gesellschaft wohl als wichtigste Ursache für das
Entstehen von beruflichen Gratifikationskrisen zu sehen.
Durch eine über sechseinhalb Jahre dauernde Längsschnittstudie mit Industriearbeitern konnte
nachgewiesen werden, dass hohe berufliche Verausgabung und geringe Belohnung
Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen, wie erhöhten Blutdruck und erhöhte
Blutfette, sind. Außerdem steigt das Risiko einen Herzinfarkt zu erleiden um das drei- bis
vierfache, unabhängig davon, ob auch andere Risikofaktoren vorliegen (vgl. Faltermaier
2005: 97f; Kaluza 2007: 50f).
6.3 Stressoren am Arbeitsplatz
Um zu verstehen, wieso ArbeitnehmerInnen immer häufiger unter Stress am Arbeitplatz
leiden, wird nun in Anlehnung an Kaluza (2007: 47f), Kerner (2005: 67f), Lenert (2010: 13ff)
und Ulla (2006: 132ff) ein Überblick der häufigsten Stressoren im Beruf gegeben:
Aufgabenbezogene Stressoren, hervorgerufen durch eine Diskrepanz von
Arbeitsanforderungen und den vorhandenen Ressourcen
Quantitative Überforderung: Hoher Zeitdruck und zu viel Arbeit in der zur Verfügung
stehenden Zeit; monotone, einförmige Arbeitstätigkeiten unter Zeitdruck (zum Beispiel
Montageplätze).
Qualitative Überforderung: Schwierigkeits- oder Kompliziertheitsgrad einer Aufgabe
übersteigt die vorhandenen Ressourcen einer Person; Unvereinbarkeit von
Arbeitsaufgaben; schwierige emotionale Anforderungen, wie andauernde Freundlichkeit
im Umgang mit Kunden.
Krnjic Monika
27
Quantitative Unterforderung: zu geringes Arbeitsvolumen verglichen mit der
Leistungskapazität; eintönige Arbeitsaufgaben wie beispielsweise Fließbandarbeit und
langes Warten auf ein Signal wie bei Überwachungstätigkeiten.
Qualitative Unterforderung: Arbeitsaufgaben entsprechen der eigenen Qualifikation
nicht; vorhandene Fähigkeiten und Fertigkeiten werden ungenügend gefordert, was
oftmals zu psychischen Sättigungs- und Frustrationserlebnissen sowie
Arbeitsplatzunzufriedenheit führt.
Stressoren in der zeitlichen Dimension
Außergewöhnliche Arbeitszeiten wie Schicht- und Nachtarbeit: Nachtarbeit gegen den
physiologischen Tag-Nacht-Rhythmus; Wechseldienste; unflexible Arbeitszeiten;
Arbeitszeit auf Abruf und, damit verbunden, geringe Planbarkeit des eigenen
Tagesablaufs; überlange Arbeitszeiten
Stressoren durch mangelnde Arbeitsorganisation
Überforderung der Konzentrationsfähigkeit durch überdurchschnittliche Anforderungen
an die Daueraufmerksamkeit; mangelhafte Infrastruktur: schlechtes Werkzeug, fehlende
Unterstützung; Mangel an Handlungsspielraum: eingeschränkte Eigenständigkeit und
Mitgestaltungsmöglichkeiten.
Organisatorisch bedingte Stressoren
Ständige und unerwartete Störungen des Arbeitsablaufs vor allem durch KollegInnen;
Unterbrechungen bei der Arbeit; fehlerhafte und inadäquate Prozessabläufe; isolierte
Arbeit an Einzelarbeitsplätzen; erzwungene Gruppenarbeit
Soziale Bedingungen und Stressoren
Konflikte mit dem/der Vorgesetzten oder KollegInnen; schlechtes Arbeitsklima und
unfaire Behandlung; Mobbing; Rollenkonflikte und Rollenambiguität; Konkurrenzkampf;
mangelnde gegenseitige Unterstützung
Stressoren in der Berufskarriere
Stagnation der Karriere oder Ungewissheit über deren zukünftige Entwicklung;
erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten reichen für ein ganzes Berufsleben meist nicht
aus: rasante Technologien oder innerbetriebliche Veränderungen erfordern lebenslanges
Lernen; örtliche und zeitliche Flexibilität wird gefordert.
Physikalisch-chemische Stressoren
Schädliche Umgebungsbedingungen: Hitze, Kälte Nässe, toxische Substanzen,
Strahlungen; schlechte Luft, ungenügende oder falsche Beleuchtung, belastendes
Raumklima, Lärm, Staub, Zugluft, einseitige Körperhaltung.
Krnjic Monika
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Soziokulturelle Rahmenbedingungen als Stressoren
Mangelnde Anerkennung und geringe Wertschätzung der Arbeit; zu geringe oder
einseitige Informationen; mangelnde Kommunikation; ungerechtes Entlohnungssystem;
Angst vor Arbeitsplatzverlust und dem dadurch drohenden sozialen Abstieg.
Stressoren an der Schnittstelle von Arbeit und Privatleben
Konflikterzeugende Anforderungen der beiden Lebensbereiche: Kindererziehung und
Berufstätigkeit (Doppelbelastung).
(vgl. Kernen 2005: 67f; Kaluza 2007: 47ff; Lenert 2010: 13ff)
Für die Entstehung von Stress sind des Weiteren noch folgende Eigenschaften, die in Tabelle
3 angeführt sind, von besonders großer Bedeutung:
Tabelle 3: Persönliche Leistungsvoraussetzungen und Eigenschaften (vgl. Lenert 2010: 16)
Körperbau
Körpergröße
Geschlecht
Lebensalter
Körperliche &
geistige
Leistungsfähigkeit
Seelische Verfassung
Berufliche Ausbildung
Einstellung zur Arbeit
Berufserfahrung
Berufliche Kenntnisse
und Fertigkeiten
Persönliche
Bewertungen und
Einstellungen
Gesundheitszustand
Angst vor bestimmten
Arbeitsaufgaben
Selbsteinschätzung und
Selbstbewusstsein
Individuelle
Arbeitsweise
Handlungsfähigkeit in
Konfliktsituationen
Grad der Einarbeitung
6.4 Stress beeinflussende Faktoren
Der Mensch ist Stress oder besser gesagt Stressoren im Alltag oder am Arbeitsplatz nicht
hilflos ausgeliefert. Die Vulnerabilität, sprich die Anfälligkeit und Verwundbarkeit gegenüber
Stressoren unterscheidet sich von Mensch zu Mensch und ist ein Zusammenspiel
verschiedenster Faktoren, die das Stresserleben beeinflussen und sich entweder positiv oder
negativ auf den Umgang mit, aber auch auf die Bewältigung von Stress auswirken können
(vgl. Butcher et al. 2009: 180). Dazu gehören unter anderem die Persönlichkeit, erbliche
Veranlagung, frühere Erfahrungen oder soziale Unterstützung. Es kann vorkommen, dass eine
Person überaus sensibel auf kritische Bemerkungen von Seiten des/der Vorgesetzten reagiert,
Krnjic Monika
29
eine andere wiederum nimmt diese Äußerungen nicht allzu ernst und lässt sich davon nicht
aus der Ruhe bringen. Laut Ulla (2006: 8f) reagiert „… ein Individuum mit geringer
Vulnerabilität erst bei hoher Stressintensität mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen,
während ein Individuum mit hoher Vulnerabilität bereits bei einem niedrigem Stressniveau
krank wird.“
Das Gegenstück zur Vulnerabilität, sprich die Verwundbarkeit gegenüber Stressoren, ist die
Resilienz oder synonym auch Invulnerabilität. Hierbei handelt es sich um die „psychische
Widerstandsfähigkeit“, die den Menschen resistenter gegen einwirkende Belastungen macht.
Die Resilienz gehört in der Gesundheitspsychologie dem salutogenetischen Ansatz an. Dieser
geht der Frage nach, wie und warum einige Personen unempfindlicher gegenüber
beeinträchtigenden Umständen, wie unter anderem akutem und chronischem Stress oder der
Manifestation von Krankheiten, sind, als andere (vgl. Knoll et al. 2005: 134ff). Knoll et al.
(2005: 136) bezeichnen Resilienz als „Gelungene Anpassung unter schwierigen
Bedingungen“.
Die nachfolgenden Absätze werden sich detailliert mit einzelnen Stress begünstigenden und
vor allem Stress vermindernden Faktoren befassen.
6.4.1 Stressverstärker
Stressverstärker sind Motive, Bewertungen und Einstellungen, die sich negativ auf das
Stressempfinden auswirken und eine Stressreaktion begünstigen. Dazu zählen:
Interne Erwartungen an sich selbst
Diese beinhalten soziale Normen, die schon verinnerlicht wurden, oder persönliche
Bedürfnisse, Wünsche und Ziele, die zur Erfüllung des Wohlbefindens und Selbstwertgefühls
beitragen. Kaluza (2007: 66f) nennt folgende interne Anforderungen und Erwartungen als
Beispiele:
„Sei perfekt“: Dahinter verbirgt sich das Leistungsmotiv mit dem Wunsch nach Erfolg
und Selbstbestätigung durch gute Leistung. Dieses Motiv ist verbunden mit
perfektionistischen Leistungsverhalten und kann bei übermächtiger Ausprägung vor
allem in Situationen, in denen Misserfolg, Versagen oder eigene Fehler drohen, zu
einer deutlich erhöhten Stressanfälligkeit führen. Aus diesem Grund wird tunlichst
versucht, solche Situationen zu vermeiden. Ein perfektionistisches Leistungsverhalten
ist aber nicht immer nur ein Übel. In Aufgabenbereichen, in denen es um höchste
Genauigkeit und Perfektion geht, ist diese Eigenschaft sogar von Vorteil.
Krnjic Monika
30
Problematisch wird es erst, wenn sich dieses Verhalten auf alle Lebensbereiche
ausdehnt und sowohl auf berufliche Tätigkeiten als auch auf private Aktivitäten
übertragen wird. „Dies führt über kurz oder lang unweigerlich in die
Selbstüberforderung und schließlich Erschöpfung.“ (Kaluza 2007: 66)
„Sei beliebt“: Dahinter verbirgt sich das Anerkennungsmotiv mit dem Wunsch nach
Zugehörigkeit und nach Angenommensein. Dieses Motiv ist verbunden mit dem
Drang es allen Recht machen zu wollen und kann bei übermächtiger Ausprägung vor
allem in Situationen, in denen Ablehnung, Kritik oder Zurückweisung drohen, zu einer
deutlich erhöhten Stressanfälligkeit führen. Außerdem empfinden Personen mit dieser
Eigenschaft es als belastend, wenn Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten mit
anderen bestehen, oder wenn sie ihre eigenen Interessen vertreten und gleichzeitig
andere enttäuschen müssen. Es wird deshalb versucht, solche Situation zu vermeiden
oder zu entschärfen. Natürlich ist es oftmals notwendig und sinnvoll Kompromisse zu
schließen und auch nachzugeben, problematisch wird es erst, wenn dies in
übertriebenem Maße getan wird.
„Sei stark“: Dahinter verbirgt sich das Autonomiemotiv mit dem Wunsch nach
persönlicher Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Dieses Motiv ist verbunden mit
dem Bedürfnis das Bild von Stärke und Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten und kann
bei übermächtiger Ausprägung vor allem in Situationen, in denen eine Abhängigkeit
von anderen oder Hilfsbedürftigkeit drohen, zu einer deutlich erhöhten
Stressanfälligkeit führen. Das Annehmen von Hilfe und Unterstützung fällt dabei
schwer. Weitere Merkmale von Personen mit dieser Eigenschaft sind, dass sie
Aufgaben am liebsten alleine erledigen und auftretende Probleme, Schwierigkeiten
oder Ängste mit sich selbst ausmachen.
„Sei vorsichtig“: Dahinter verbirgt sich das Kontrollmotiv mit dem Wunsch nach
Sicherheit und Kontrolle. Dieses Motiv ist verbunden mit ständigen Sorgen über
Risiken und Gefahren und kann bei übermächtiger Ausprägung vor allem in
Situationen, in denen Kontrollverlust, Fehlentscheidungen und Risiken möglich sind,
zu einer deutlich erhöhten Stressanfälligkeit führen. Aus diesem Grund wird auch
versucht, solche Situationen zu vermeiden. Menschen mit diesem Stressverstärker
wollen möglichst alles selbst unter Kontrolle haben.
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Die genannten internen Erwartungen beruhen auf allgemeinmenschlichen Wünschen und
Bedürfnissen und deshalb trägt sie auch jeder Mensch, der eine mehr, der andere weniger, in
sich. Wie ausgeprägt dieser Stressverstärker ist, hängt von der individuellen Erfahrung mit der
Erfüllung beziehungsweise Nichterfüllung von Bedürfnissen und Wünschen aus der
Vergangenheit ab (vgl. Kaluza 2007: 65ff).
Typ A- Verhalten
Wenn es um die Art und Weise geht, wie Personen mit stressigen Situationen am Arbeitsplatz
oder im Privatleben umgehen, werden zwei wesentliche Verhaltenstypen unterschieden. Jene
Persönlichkeiten, die hohe Leistungsmotivation, verbissenen Ehrgeiz, Erfolgsstreben,
ausgeprägtes Konkurrenzdenken, Feindseligkeit sowie Ungeduld oder Hektik zu ihren
Charaktereigenschaften zählen, gehören zum Typ A-Verhalten. Dieser Typus neigt dazu seine
eigenen Bedürfnisse, wie ausreichende Entspannung, zu vernachlässigen oder unterzuordnen
und sich selbst noch mehr zu stressen. Dies wiederum begünstigt die Entstehung
gesundheitlicher Beschwerden und Krankheiten. Es konnte nämlich ein Zusammenhang
zwischen dem Typ A-Verhalten und dem zunehmenden Auftreten koronarer
Herzerkrankungen nachgewiesen werden. Ebenso sind die Risikoverhaltensweisen, wie unter
anderem Rauchen, erhöhter Kaffee- beziehungsweise Alkoholkonsum oder abnorme
Essgewohnheiten, beim Typ A-Verhalten stärker ausgeprägt als bei anderen
Verhaltensmustern (vgl. Schwarzer 2004: 170). Das Gegenteil des Typ A-Verhaltens stellt
das Typ B-Verhalten dar. Personen mit diesem Verhaltensmuster weisen geringes
Arbeitsengagement, wenig Ehrgeiz und Motivation sowie eine niedrige Widerstandsfähigkeit
gegenüber Belastungen auf (vgl. Bamberg et al. 1998: 378f).
6.4.2 Stresspuffer (Bewältigungsressourcen)
Stresspuffer sind Eigenschaften, die dazu beitragen, dass Stress vermindert wird oder gar
nicht erst entsteht. Sie können auch als Ressourcen bezeichnet werden, die in der Bewältigung
von Stress eine enorm wichtige Rolle einnehmen. Genau mit solchen Ressourcen werden sich
die nachfolgenden Abschnitte beschäftigen.
Ressourcen sind für die Bewertung und Bewältigung von Situationen und somit für den
gesamten Stressprozess von zentraler Bedeutung. Es werden personale und externale
Ressourcen unterschieden. Zu den wichtigsten personalen Ressourcen am Arbeitsplatz
Krnjic Monika
32
gehören internale Kontrollüberzeugungen (allen voran der Kohärenzsinn),
Selbstwirksamkeitskompetenz, Hardiness, Bewältigungs- und Problemlösekompetenz
(Coping, siehe Kapitel 7.2). Bedeutende externale Ressourcen in der Arbeit sind hohe
Handlungs- und Entscheidungsspielräume, Anforderungsvielfalt, soziale Unterstützung,
zeitliche Spielräume genauso wie Durchschaubarkeit und Transparenz der Arbeitssituation
und Arbeitsaufgaben (vgl. Ulla 2006: 142). Einige der genannten Ressourcen werden nun
genauer erläutert.
6.4.2.1 Personale Ressourcen
Internale Kontrollüberzeugung
Der Begriff Kontrollüberzeugung bedeutet, dass sich eine Person einer Belastungssituation
nicht hilflos ausgeliefert fühlt, „… sondern glaubt, sich selbst durch ein bestimmtes Verhalten
schützen zu können, eine Gefahr abzuwehren oder ein Risiko vermindern zu können.“
(Faltermaier 2005: 184) Solche Personen haben ein geringeres Risiko für körperliche und
psychische Störungen und somit auch für Stress.
Kohärenzsinn
Ob und wie Stress erlebt wird, hängt wesentlich von der subjektiven Wahrnehmung der
Anforderung und den Bemühungen, diese Anforderung erfolgreich zu bewältigen, ab. Den
modernsten Stressforschungen nach sind Maßnahmen zur erfolgreichen Stressverhinderung
und Stressbewältigung von drei grundsätzlichen Voraussetzungen abhängig, die dem Konzept
des Kohärenzerlebens nach Antonovsky nachempfunden sind: dem Gefühl der
Verstehbarkeit, dem Gefühl der Machbarkeit und dem Gefühl der Sinnhaftigkeit.
1. Gefühl der Verstehbarkeit (comprehensibility):
Was ist das eigentliche Problem und ist es erklärbar, woher die Belastung kommt?
Lautsatz: „Ich verstehe, warum ich Stress empfinde!“
2. Gefühl der Handhabbarkeit (manageability):
Hat die Person die erforderlichen Ressourcen zur Bewältigung der Stresssituation? Will
sich die Person ändern, um an der derzeitigen Situation etwas zu verändern? Lautsatz:
„Ich kann daran etwas ändern!“
3. Gefühl der Sinnhaftigkeit (meaningfulness):
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Sieht die Person die Belastung als Herausforderung, die es wert ist, sich dafür einzusetzen
und zu engagieren? Lautsatz: „Ich will daran etwas ändern!“ (vgl. Meifert 2010: 48ff)
In diversen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Personen mit hohem Kohärenzsinn
über höheres subjektives Wohlbefinden und über bessere körperliche Gesundheit verfügen.
Dies resultiert wahrscheinlich daraus, dass sie in belastenden Situationen ein besseres
Bewältigungsverhalten aufweisen. Dem Konzept des Kohärenzsinns sehr ähnlich sind einige
andere persönliche Schutzfaktoren, wie beispielsweise Optimismus, Kontrollüberzeugung
oder Selbstwirksamkeitserwartung, auf die ebenfalls noch näher eingegangen wird (vgl. Knoll
et al. 2005: 137f).
Hardiness
Eine weitere personale Ressource hinsichtlich der Entstehung und dem Umgang mit Stress ist
Hardiness. Der Begriff bedeutet Widerstandskraft beziehungsweise Unempfindlichkeit.
Kobasa, der das Hardiness-Konzept („H“-Konzept) am intensivsten erforschte, sieht darin
einen Persönlichkeitsstil, der durch Kontrolle, Verpflichtung und Herausforderung
gekennzeichnet ist. Personen mit diesen Eigenschaften gehen mit negativen oder
ungewöhnlichen Situationen weniger stressreich um, leiden seltener an Burnout und
psychischer Erschöpfung und weisen eine große Selbstsicherheit im Umgang mit hohen
Anforderungen auf. Ferner werden solche Personen in Stresssituationen signifikant weniger
krank als jene, denen es an Hardiness mangelt. Hardiness wirkt demnach als Stresspuffer und
auch die Stresswahrnehmung ist geringer. Der Grund dafür ist, dass Personen mit hoher
Hardiness-Ausprägung viel eher zu einer problemorientierten anstatt zu einer vermeidenden
Bewältigungsstrategie neigen als Personen mit geringer Hardiness-Ausprägung. Aus diesem
Grund hat diese Charaktereigenschaft eine immense Bedeutung für die Gesundheit und
beeinflusst diese positiv (vgl. Knoll et al. 2005: 138f; Weinert 2004: 289).
Selbstwirksamkeitserwartung
Der Begriff Selbstwirksamkeitserwartung lässt sich gleichsetzen mit Kompetenzerwartung
oder dem Empfinden von Optimismus in Anforderungssituationen. Knoll et al. (2005: 29)
definieren den Begriff wie folgt: „Selbstwirksamkeit ist das Vertrauen einer Person, ein
Verhalten auch in schwierigen Situationen ausführen zu können.“ Sie ist ein wichtiges
Merkmal kompetenter Selbstregulation. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung führt dazu,
dass Personen sich höhere Ziele setzen, Handlungen schneller durchführen und bei
Schwierigkeiten und Barrieren im Leben nicht so schnell aufgeben. Des Weiteren können
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selbstwirksame Personen mit Misserfolgen und Rückschlägen besser umgehen als jene mit
geringer Selbstwirksamkeit. Wenn jemand schon von vornherein glaubt, einer Anforderung
nicht gewachsen zu sein oder eine Handlung nicht kompetent ausführen zu können, wird es
ihr/ihm auch nicht gelingen. Mangelndes Vertrauen in die eigenen Kompetenzen kann
folglich Stress auslösen und sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Kaluza (2007: 121)
stellt hierzu fest: „Stress entsteht immer dann, wenn wir uns die erfolgreiche Bewältigung
einer Anforderung nicht zutrauen.“ Es kann vorkommen, dass die eigenen Fähigkeiten zur
erfolgreichen Bewältigung tatsächlich nicht ausreichen, oder aber, und dies ist oftmals der
Fall, Menschen unterschätzen ihre persönlichen Kompetenzen einfach. Es stellt sich nun die
Frage, wie Selbstwirksamkeit gefördert werden kann. Laut Bandura gibt es vier Quellen, aus
denen sich die Selbstwirksamkeit entwickeln kann:
1. Erfolgreiche Ausführung einer Handlung (stärkste Quelle):
Wenn zum Beispiel ein Student es schafft, während eines Referates seine Nervosität in den
Griff zu bekommen, und er diesen Erfolg seinem eigenen starken Willen und seiner eigenen
Kompetenz zuschreibt, wird das seine Selbstwirksamkeit für das nächste Referat erhöhen.
2. Stellvertretende Erfahrung:
Der oben genannte Student sieht bei einem Kommilitonen, dass dieser ohne jegliche
Nervosität ein Referat abhält und schließt daraus, dass er dazu auch in der Lage ist.
3. Symbolische Erfahrung:
Das können beispielsweise verbale Überzeugungen von anderen sein. Der Student bekommt
von seinen Kommilitonen den Zuspruch, dass er es sicherlich schaffen wird, seine Nervosität
vor dem Referat unter Kontrolle zu halten. Das Vertrauen der anderen in seine Kompetenzen,
könnte ebenso den Studenten davon überzeugen, dass er es auch wirklich schafft.
4. Emotionale Erregung (schwächste Quelle):
Dabei wird davon ausgegangen, dass eine Person durch emotionale Erregungen auf ihre
Kompetenzen schließt. Als Beispiel dient wieder die Nervosität des Studenten vor einem
Referat. Wenn der Student es schafft, diese emotionale Reaktion nicht nur negativ sondern
auch positiv zu beurteilen, wird das seine Selbstwirksamkeit erhöhen.
(vgl. Knoll et al. 2005: 29ff)
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6.4.2.2 Externale Ressourcen
Zu den wesentlichen externalen Ressourcen gehören, wie bereits erwähnt, Handlungs- und
Entscheidungsspielraum (Kontrolle), Anforderungsvielfalt, soziale Unterstützung genauso
wie zeitliche Spielräume und Durchschaubarkeit der Arbeitssituation und Arbeitsaufgaben.
Die ersten drei Ressourcen werden nun genauer erläutert.
Handlungs- und Entscheidungsspielraum
Bevor näher auf diese externale Ressource eingegangen wird, gilt es zu ergänzen, dass unter
der Bezeichnung Handlungs- und Entscheidungsspielraum häufig auch die Termini Kontrolle,
Freiheitsgrad, Autonomie oder Einfluss verstanden werden. Weil in der Literatur für
unterschiedliche Begriffe dieselbe Bedeutung verwendet wird, kann es dementsprechend zu
Unklarheiten kommen. Die Bedeutung von Handlungs- und Entscheidungsmöglichkeiten im
Beruf wurde bereits in Kapitel 6.2 verdeutlicht. Dabei zeigten die Ergebnisse der Studie von
Karasek und Theorell, dass hohe Anforderungen am Arbeitsplatz nicht zwangsläufig Stress
verursachen, sondern in Abhängigkeit zu den vorhandenen Freiheitsgraden betrachtet werden
müssen. Demnach können ausreichende Freiheitsgrade hohe Anforderungen kompensieren,
sodass am Ende kein Stress entsteht (vgl. Richter & Hacker 2012: 26). Außerdem weisen
Warr & Clapperton (2011: 75) darauf hin, dass das Ausmaß an Freiheitsgarden in der Arbeit
sehr eng mit Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden korreliert. Die erlebte Autonomie im
Beruf wirkt sich auch auf andere Bereiche aus. Sie trägt dazu bei, dass die zeitliche Abfolge
von Arbeitstätigkeiten beeinflusst werden kann, dass mehr Abwechslung in den Arbeitsalltag
gebracht wird, und dass die Zusammenarbeit mit den KollegInnen verbessert wird (vgl. Warr
& Clapperton 2011: 76).
Anforderungsvielfalt
Bei den Stressoren wurde bereits darauf hingewiesen, dass Unterforderung am Arbeitsplatz
früher oder später Stress verursachen kann. Ist die Arbeit geprägt von Monotonie, Langeweile
und wenig herausfordernden Arbeitsaufgaben kann dies auf Dauer zu Unzufriedenheit und
folglich zu Stress führen. Besteht der Arbeitsalltag aus eintönigen, sehr übersichtlichen
Tätigkeiten verringert dieser Umstand auch die Arbeitsmotivation und Freude an der Arbeit.
Die meisten Menschen möchten sich in ihrer Arbeit entfalten können und ihre individuellen
Fähigkeiten einbringen. Dazu gehören eben auch unterschiedliche Aufgaben mit
unterschiedlichem Anforderungsniveau. Abwechslung und Anforderungsvielfalt sind gefragt.
Vor allem junge MitarbeiterInnen möchten in ihrer Arbeit gefordert werden, über sich
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hinauswachsen und mit neuen Situationen konfrontiert werden, um die eigenen Fähigkeiten
zu erweitern und die persönlichen Leistungsgrenzen kennenzulernen. Um Stress und
Unzufrieden am Arbeitsplatz vorzubeugen, sollten ArbeitgeberInnen auf ein moderates
Niveau an Anforderungen achten, denn schließlich soll Arbeit erfüllend sein und
zufriedenstellen (vgl. Warr & Clapperton 2011: 76).
Soziale Unterstützung
Soziale Unterstützung ist „die von einer Person wahrgenommene Menge an Hilfeleistung, die
aus sozialen Beziehungen abgeleitet werden kann.“ (Weinert 2004: 287) Meist sind es
Familienangehörige und Verwandte, Freunde, ArbeitskollegInnen oder Nachbarn. Soziale
Unterstützung wird als Ressource verstanden, die von anderen Personen bereitgestellt wird.
Dabei kann es sich um materielle Unterstützung, wie unter anderem Geld, Wohnung,
Fortbewegung, oder praktische Hilfe handeln. Letzteres können unter anderem Ratschläge,
Informationen oder Hinweise sein, wie ein Problem gelöst werden kann. Auch die emotionale
Unterstützung ist von zentraler Bedeutung. Hierzu zählen Mut machen, Trost, Liebe oder
Vertrauen schenken sowie Wertschätzung und Akzeptanz entgegenbringen, ist von zentraler
Bedeutung. Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Belege dafür, dass ein gutes soziales
Netzwerk die Gesundheit schützt, die Anfälligkeit für Stress reduziert und die Bewältigung
von Belastungssituationen erleichtert. Das Gefühl und der Gedanke daran, dass jemand hinter
einem steht und für einen da ist, wenn Hilfe benötigt wird, motiviert, gibt Kraft und steigert
das Wohlbefinden. Im Arbeitsleben ist Unterstützung seitens der KollegInnen oder
Vorgesetzten ein wirksamer Schutz vor Burnout und auch die Arbeitszufriedenheit, die
Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit steigen dadurch erheblich. Wenn die soziale
Unterstützung fehlt, entsteht besonderst leicht das Gefühl von Überforderung, Unsicherheit,
Hilflosigkeit, Angst und Einsamkeit. Ferner leiden Personen mit mangelnden Beziehungen
überdurchschnittlich häufig an psychosomatischen Erkrankungen, Depressionen und einem
geschwächten Immunsystem. Menschen sollen immer Teil eines sozialen Netzes sein und sich
nicht isolieren, denn die soziale Isolation kann zu mangelnder Bewältigung führen und Stress
verursachen.
Zu beachten ist aber auch, dass sich soziale Unterstützung ebenso negativ auswirken kann.
Diese negativen Aspekte können durch zusätzliche Emotionalisierung, Überengagement oder
erzwungene oder falsche Hilfe in Erscheinung treten und die Stressreaktionen verstärken.
Außerdem ist es möglich, dass negative Wirkungen von sozialer Unterstützung in engem
Zusammenhang mit Freiheitsbeschränkung, sozialer Kontrolle oder einem
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Verpflichtungsgefühl stehen. Aus diesem Grund gehört zu einem gesundheitsförderlichen
Verhalten auch die Fähigkeit, Unterstützung abzulehnen, sich von einem Überangebot an
Hilfe zu distanzieren und sich vor Eingriffen in die Autonomie zu schützen (vgl. Kaluza 2007:
89f; Kaluza 2011: 42; Lenert 2010: 17; Zimbardo 1992: 494).
7. Stressbewältigung (Coping)
Stress ist unvermeidlich und lässt sich auch nicht gänzlich aus dem Leben verbannen,
dennoch kann einiges getan werden, um mit ihm besser klarzukommen und ihn in manchen
Situationen sogar zu vermeiden. Damit sind die Bewältigungsmöglichkeiten gemeint. Wie der
Mensch mit den Belastungen und Anforderungen im Leben umgeht, blieb in der
Stressforschung für lange Zeit unbeachtet. In der heutigen Zeit ist das Konzept der
Bewältigung (Coping) aus dem Stressprozess nicht mehr wegzudenken. „… [D]en
Bewältigungsversuchen der betroffenen Person wird eine zentrale vermittelnde Rolle
zwischen Stressoren und möglichen Krankheitsfolgen zugeschrieben.“ (Faltermaier 2005:99)
Stress verursacht erst dann negative gesundheitliche Auswirkungen, wenn er nicht
angemessen bewältigt werden kann (vgl. Faltermaier 2005: 99). Der Begriff Coping oder
Stressbewältigung wurde am Beginn bereits definiert und „…bezieht sich auf den Versuch,
den Anforderungen unserer Umwelt so zu begegnen, daß [sic!] negative Konsequenzen
vermieden werden.“ (Zimbardo 1992: 490)
Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden die unterschiedlichen Copingstrategien erklärt
und, um den Bezug zur Arbeit wiederherzustellen, werden ebenso verschiedene
Interventionen erläutert, die zu einer erfolgreichen Stressbewältigung am Arbeitsplatz
beitragen.
7.1 Copingstrategien
Es gibt viele verschiedene Bewältigungsstrategien. Einige von diesen Strategien wenden
Personen ganz von selbst und gewohnheitsmäßig an, andere wiederum müssen erlernt werden
und erfordern Übung. Lazarus hat neben der Entwicklung seines weltbekannten Stressmodells
auch die Forschung zur Stressbewältigung, genannt Coping, maßgeblich vorangetrieben und
zu deren Verbreitung beigetragen. Er unterscheidet in seiner transaktionalen Stresstheorie das
problemorientierte (instrumentelle) und emotionsorientierte (palliative) Coping. Die
problemorientierte Bewältigung zielt auf die Veränderung der Person-Umwelt-Beziehung ab
und versucht das Problem beziehungsweise den Stressor zu identifizieren und direkt zu
bewältigen oder zu mindern. Dabei werden die Ressourcen, die zur Bewältigung zur
Verfügung stehen und die Situation bewertet und die Person führt anschließend eine direkte
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Handlung aus, die für die Beseitigung oder Verringerung der Belastung angemessen ist. Ein
Beispiel hierfür ist das Lernen für eine Prüfung, um schlechte Noten zu vermeiden. Die
emotionale Bewältigung hingegen bezieht sich auf die Linderung der Belastungssymptome
und die Regulation der Emotionen. Laut Zimbardo (1992: 480) geht es um die Veränderung
von sich selbst und nicht um die Veränderung des Stressors. Ziel ist die Abschwächung der
emotionalen Auswirkungen von Stress. Diese Form der Bewältigung setzt am Körper oder an
der Psyche an und beinhaltet kognitive Prozesse, die die negativen „Stressgefühle“ wie Angst
oder Überforderung vorbeugen oder abbauen sollen. Dazu zählen unter anderem
Selbstgespräche, das Vermeiden von bestimmten Handlungen, Uminterpretieren und
Bagatellisieren von stressigen Situationen oder Versuche negativen Situationen etwas
Positives abzugewinnen. Aber auch Sportaktivitäten und Methoden systematischer
Entspannung oder Medikamente gehören zu Strategien des emotionsorientierten Copings.
Diese Art von Coping eignet sich am besten für die Bewältigung von unkontrollierbaren
Stressoren, wohingegen Problemlösebemühungen am wirksamsten sind, wenn die Situation
kontrollierbar ist und der Stressor durch eigenes Handeln verändert oder bewältigt werden
kann. Abbildung 3 soll Stress und Coping noch einmal aus transaktionaler Sichtweise
darstellen. Dabei wird die Bedeutung von Coping auch schon ersichtlich. Es trägt nämlich
wesentlich dazu bei, dass das Wohlbefinden, die Gesundheit und das Sozialverhalten des
Menschen positiv beeinflusst werden.
Des Weiteren wird auch zwischen reaktivem, antizipatorischem, präventivem und proaktivem
Coping unterschieden. Bei den drei letzteren Methoden hat das Stressereignis noch nicht
stattgefunden und es geht im Prinzip darum, sich bestmöglich auf kritische Ereignisse
jeglicher Art vorzubereiten und einzustellen. Das reaktive Coping bezieht sich auf vergangene
Ereignisse und Wege, mit diesen umzugehen. (vgl. Rudow 2004: 114; Schwarzer 2004:
159ff).
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Abb.5: Stress und Coping aus transaktionaler Perspektive (Schwarzer 2004: 155)
7.2 Stressbewältigung in der Arbeit
Um Belastungen am Arbeitsplatz zu bewältigen oder zu reduzieren, werden im
Stressmanagement verschiedene Ebenen, auf denen Stressmaßnahmen ansetzen können,
unterschieden. Sie zielen darauf ab, die Stressbewältigungskompetenz zu verbessern.
Die Ebenen lauten (vgl. Ulla 2006: 148):
Individuelle Ebene, die bei den ArbeitnehmerInnen ansetzt,
organisatorische Ebene, die sich auf das gesamte Unternehmen bezieht und
individuell/organisatorische Ebene, die als Schnittstelle der beiden anderen Ebenen
betrachtet wird.
Ziel der Interventionen auf individueller Ebene ist es, bei den MitarbeiterInnen das
Bewusstsein für Stress und seine gesundheitlichen Folgen zu stärken und ihnen mögliche
Präventionsmaßnahmen aufzuzeigen. Dazu gehören Entspannungstechniken (Autogenes
Training, Progressive Muskelrelaxation, Meditation) genauso wie körperliche Betätigung und
Anleitung zur Änderung des Lebensstils. Außerdem zählen Verhaltenstraining (Belastbarkeit
und Ressourcen verbessern oder Zeitmanagement), kognitives Training (Einstellungsreflexion
und -modifikation, Selbstinstruktion oder systematisches Problemlösen) sowie Biofeedback
zu den gängigsten individuellen Stressbewältigungsmethoden (vgl. Ulla 2006: 148; Rudow
2004: 116). Die in Kapitel 7.3 genannten Interventionen sind ebenfalls mögliche individuelle
Stressbewältigungsmethoden am Arbeitsplatz und können somit als weitere Beispiele
betrachten/ herangezogen werden.
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Die organisatorische Ebene zielt darauf ab, Stressoren abzubauen und personelle Ressourcen
zu erhöhen. Dabei soll durch die Veränderung von unternehmerischen, technischen,
organisatorischen und/oder sozialen Bedingungen auch die Stressbelastung der
MitarbeiterInnen verringert werden. Beispiele hierfür sind Neugestaltung oder
Umstrukturierung der Arbeitstätigkeit, Veränderung der Arbeitsabläufe und Zuständigkeiten,
Änderung der hierarchischen Strukturen oder Mitarbeiterbeteiligung.
Maßnahmen auf individuell/organisatorischer Ebene dienen dazu, bestehende Rollenkonflikte
zu lösen oder die kollegiale Zusammenarbeit sowie die Beteiligung der ArbeitnehmerInnen an
Entscheidungen zu stärken. Beispiele hierfür sind der Einsatz von unterstützenden
Peergruppen zum beruflichen Austausch sowie für Feedback-Gespräche oder ein persönlich
angepasstes Arbeitsumfeld.
Die Maßnahmen auf diesen drei Ebenen können sich überschneiden oder ergänzen.
Individuelle Stressinterventionen werden in der Praxis am häufigsten angewendet und auch
die bisherigen wissenschaftlichen Studien widmen sich vorwiegend diesen Maßnahmen (vgl.
Ulla 2006: 148). Es wird darauf verwiesen, dass „…bei bereits vorliegenden stressbedingten
Beschwerden, individuelle Maßnahmen die erste Wahl sein sollen.“ (Ulla 2006: 150) Die
Gründe für die hohe Präsenz der individuellen Stressbewältigungsmethoden liegen laut Ulla
(2006: 148) unter anderem darin, dass sie in bereits existierende Strukturen leicht zu
implementieren und integrieren sind, dass sie keinen Einfluss auf grundlegende Strukturen
und funktionale Veränderungen innerhalb des Unternehmens haben, und dass sie leichter zu
evaluieren sind, als komplexe organisatorische Maßnahmen.
7.3 Individuelles Stressmanagement
Stressbewältigung kann an unterschiedlichen Ebenen im Stressgeschehen (siehe Kap. 2.1
Stresstrias) ansetzen, wie Abbildung 5 veranschaulicht. Zu allererst muss die betroffene
Person aber verstehen, was die Ursache sprich was der Stressor ist. Außerdem muss die
Person auch etwas an der Situation ändern wollen und schließlich muss sie sich in der Lage
sehen, den belastenden Zustand ändern zu können. Erst dann kann Stressbewältigung
erfolgreich sein. Die Interventionsebenen von Stressmanagement sind nun: Stressoren
reduzieren und vermieden, Stressverstärker erkennen und verändern oder die Stressreaktion
dämpfen und vorbeugen.
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Abb. 6: Gesamtkonzept der Stressbewältigung (Meifert 2010: 50)
Instrumentelles Stressmanagement
Der Ansatzpunkt hierbei sind die Stressoren. Das Ziel ist es, einerseits die äußeren
Anforderungen, sprich die Stressoren, zu beeinflussen, zu verändern, zu verringern oder sogar
ganz abzubauen. Andererseits können aber auch eigene Kompetenzen zur
Anforderungsbewältigung entwickelt und erlernt werden (vgl. Kaluza 2007: 79).
Beispiele für instrumentelles Stressmanagement sind:
- Arbeitsaufgaben gezielt strukturieren und delegieren
- Zeitplanung verändern
- „Nein“- sagen
- persönliche/berufliche Prioritäten definieren
- nach Unterstützung suchen, soziales Netzwerk aufbauen
- Fort- und Weiterbildungen besuchen
- Klärungsgespräche mit KollegInnen und/oder Vorgesetzten führen
(Kaluza 2007: 80)
Mentales Stressmanagement
Der Ansatzpunkt hierbei sind die Stressverstärker. Bei dieser Stressmanagementmethode liegt
das Ziel darin, sich die eigenen Stress erzeugenden und Stress verstärkenden Motive,
Bewertungen und Einstellungen bewusst zu machen und diese dementsprechend zu verändern
und durch positive zu ersetzen (vgl. Kaluza 2007: 79).
Beispiele für mentales Stressmanagement sind:
- Perfektionistische Leistungsansprüche kritisch überprüfen
- Blick auf das Wesentliche bewahren
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- Optimismus an den Tag legen
- Realität akzeptieren
- falschen Stolz ablegen und „Demut“ lernen
(Kaluza 2007: 81)
Regeneratives Stressmanagement
Der Ansatzpunkt hierbei ist die Stressreaktion. Es sollen körperliche Anspannungen gelöst,
innere Unruhe und Nervosität gedämpft und die eigene Widerstandskraft gegenüber
belastenden Situationen verbessert werden (vgl. Kaluza 2007: 80).
Beispiele für regeneratives Stressmanagement sind:
- Einnahme von Psychopharmaka oder Alkohol
- Entlastende Gespräche und Trost
- Entspannungsübungen praktizieren
- Pflege außerberuflicher sozialer Kontakte
- Regelmäßige Bewegung
- Gesunde abwechslungsreiche Ernährung
- Ausgleich durch Hobbies und Freizeitaktivitäten
- Ausreichend Schlaf
(Kaluza 2007: 82)
Diese Beispiele verdeutlichen die zahlreichen Möglichkeiten der individuellen
Stressbewältigung und lassen die Frage aufkommen, welche davon nun die effektivste ist.
Aufgrund der Heterogenität der Anforderungsbedingungen und der Verschiedenheit von
Personen hinsichtlich ihrer Ziele, Werte, Normen und dadurch auch ihrer
Bewältigungspräferenzen kann nicht verallgemeinert werden, welche
Stressmanagementmethode nun die beste und erfolgversprechendste ist. Vielmehr kommt es
auf den Einsatz unterschiedlicher situationsangemessener Methoden an, die dem jeweiligen
Individuum am meisten zusagen. Eine Person sollte sich ein Repertoire an verschiedenen
Verhaltensmustern zulegen und am besten eine Balance zwischen instrumentellen, mentalen
und regenerativen Stressmanagementmethoden aufrechterhalten, auf die in vermeintlich
stressigen Situationen zurückgegriffen werden kann. Außerdem hängt eine erfolgreiche
Bewältigung auch von den Fähigkeiten einer Person ab, in drohenden Stresssituationen die
passende Stressbewältigungsmethode auszuwählen (vgl. Kaluza 2011: 55; Ulla 2006: 71).
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Ob Stress erfolgreich bewältigt wird, hängt nach Lazarus & Launier (in Nitsch 1981: 251)
nicht nur von der Wahl einer angemessenen Bewältigungsintervention ab sondern „…
beinhaltet auch, daß [sic!] man vermeidet, sich von beeinträchtigenden oder bedrohenden
Lebensbedingungen nicht entmutigen zu lassen, oder um es anders auszudrücken, daß [sic!]
man trotz eines Verlustes, einer Niederlage oder einer unabwendbaren Bedrohung eine
positive Lebensmoral aufrechterhält.“ (Lazarus & Launier in Nitsch: 1981: 251)
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8. Resümee
Das Thema Stress hat in den letzten Jahrzehnten einen bedeutenden Aufschwung erfahren.
Zahlreiche Forschungsbereiche haben sich mit dieser wichtigen Thematik beschäftigt und
unter anderem den Stress in der Arbeit genauer untersucht. Der Arbeitsplatz ist für viele
Menschen jener Ort, an dem sie die meiste Zeit ihres Lebens verbringen. Aus diesem Grund
ist es auch von großer gesundheitlicher Bedeutung, dass dieser Bereich
arbeitnehmerfreundlich gestaltet wird. Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in welchen die
körperlichen Belastungen, wie zum Beispiel schweres Heben, die primären Ursachen für
Überarbeitung waren, sind es heutzutage die psychischen Belastungen, die den Menschen
ihren Arbeitsalltag erschweren. Es gibt zahlreiche Ursachen für den zunehmenden Stress am
Arbeitsplatz. Die häufigsten davon sind in der heutigen Gesellschaft permanenter Leistungs-
und Termindruck, Konkurrenzdenken und Zeitmangel. Aber auch Unterforderung in Form
von eintönigen Arbeitsaufgaben oder geringem Arbeitsvolumen kann eine Quelle von Stress
sein. Außerdem haben Arbeitswissenschaftler Merkmale stressgefährdeter Arbeitsplätze
untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen besagen, dass besonders jene
Arbeitsumstände Stress begünstigen, die durch hohe Anforderungen und geringen
Entscheidungsspielraum sowie mangelnde Belohnung bei hohem Arbeitseinsatz
gekennzeichnet sind. Stress im Beruf ist in vielen Fällen unvermeidbar und auch keineswegs
nur unerwünscht. Meist wird mit diesem Begriff etwas Negatives assoziiert, aber Stress kann
auch positive Auswirkungen haben. In angemessener Dosis treibt er zu Höchstleistungen an,
fördert und verbessert den Ausbau neuronaler Verschaltungen, die die Problemlösekompetenz
stärken und aktiviert zudem den Geist. Nichtsdestotrotz kann vor allem Dauerstress für
zahlreiche gesundheitsbeeinträchtigende Folgen mitverantwortlich sein. Dazu gehören Herz-
Kreislauf-Probleme, Schwächung des Immunsystems, Schlaf- und
Konzentrationsschwierigkeiten oder Magen-Darm-Geschwüre. Aus diesem Grund ist es
außerordentlich wichtig, dass wirksame Stressbewältigungsmethoden angewendet und
gegebenenfalls auch erlernt werden. Dabei können entweder Stressauslöser vermieden,
Stressverstärker reduziert oder Stressreaktionen vermindert werden. Bezogen auf die Arbeit
werden individuelle, organisatorische oder individuell/organisatorische Maßnahmen fürs
Stressmanagement unterschieden. Die Wissenschaft hat sich bis dato am häufigsten mit den
individuellen Stressbewältigungsinterventionen beschäftigt und diese sind auch in der Praxis
die gängigsten. Gründe dafür sind unter anderem die leichte Integration und Implementierung
dieser Maßnahmen in den Arbeitsalltag und in die Organisation sowie die leichte Evaluierung
des Erfolgs dieser Maßnahmen. Einige Beispiele individueller Stressmanagementmethoden
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sind Entspannungstechniken, Biofeedback, Zeitmanagement, Bewegung oder Optimismus
bewahren. Stressmindernde Effekte lassen sich ebenso durch die Reduktion der eigenen
Anforderungen an sich selbst und durch das Vorhandensein sozialer Unterstützung
beziehungsweise den Ausbau und die Pflege sozialer Kontakte erzielen.
Des Weiteren spielen die individuellen Ressourcen von Personen eine bedeutende Rolle in der
Stressbewältigung. Ressourcen sind persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten und äußere
Gegebenheiten, wie beispielsweise soziale Unterstützung, auf die in belastenden Situationen
zurückgriffen werden kann. Ebenso sind sie mitentscheidend dafür, ob und in welchem
Ausmaß Stress überhaupt entsteht, und wie dieser bewältigt wird. Dennoch sind Menschen
nicht immun gegen Stress, aber es kann einiges getan werden, um sein Auftreten zu mindern
und seine Auswirkungen reduzieren. Letztlich ist eine erfolgreiche Bewältigung von Stress im
Beruf davon abhängig, ob die betroffene Person geeignete Stressmanagementmethoden
besitzt und diese gezielt anwenden kann. Es gibt keine beste oder erfolgversprechendste
Stressbewältigungsmethode und nicht jede Maßnahme erweist sich bei jedem als gleich
wirksam. Vielmehr geht es darum, dass sich ArbeitnehmerInnen ein Repertoire an
unterschiedlichen Methoden aneignen und ihre Ressourcen stärken, damit sie in den
jeweiligen Situationen auf die passenden Maßnahmen zurückgreifen können. Nur unter diesen
Umständen kann Stress erfolgreich bewältigt und die Entstehung von Stress vermindert
werden.
Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass es unterschiedliche Ursachen für Stress in der
Arbeit gibt und damit einhergehend auch die diversen Strategien, wie mit diesem
arbeitsbedingtem Stress umgegangen werden kann.
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