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1 Stress und Burnout – Stressbewältigung und Work Life Balance 1 Stress am Arbeitsplatz und im Leben 2 Stress als Modewort und Normalzustand 3 Wie reagiert mein Körper auf Dauerstress? 4 Stressdiagnostik: Stressbelastung, Burnout-Gefährdung 5 Wie kann ich meinen Stress besser bewältigen und meine Work-Life-Balance verbessern? WoLiBal-Wippe 6 Möglichkeiten der Stressbewältigung: Praktische und unpraktische Ratschläge 6.1 Bestandsaufnahme 6.2 Lebensstil ändern 6.3 Auszeiten, Freizeit, Zeitplanung 6.4 Mentales Training 7 Zusammenfassung Vortragsfassung Bund der Selbständigen / Deutscher Gewerbeverband Mittwoch, den 31. Oktober 2007 Gerd Wenninger

Stress und Burnout – Stressbewältigung und Work Life Balance · 2 1. Stress am Arbeitsplatz und im Leben Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Stress als eine der größten

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Stress und Burnout –Stressbewältigung und Work Life Balance

1 Stress am Arbeitsplatz und im Leben

2 Stress als Modewort und Normalzustand

3 Wie reagiert mein Körper auf Dauerstress?

4 Stressdiagnostik: Stressbelastung, Burnout-Gefährdung

5 Wie kann ich meinen Stress besser bewältigen und meineWork-Life-Balance verbessern? WoLiBal-Wippe

6 Möglichkeiten der Stressbewältigung: Praktische undunpraktische Ratschläge

6.1 Bestandsaufnahme6.2 Lebensstil ändern6.3 Auszeiten, Freizeit, Zeitplanung6.4 Mentales Training

7 Zusammenfassung

VortragsfassungBund der Selbständigen / Deutscher Gewerbeverband

Mittwoch, den 31. Oktober 2007Gerd Wenninger

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1. Stress am Arbeitsplatz und im Leben

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Stress als eine der größtenGefahren für das menschliche Wohlergehen im 21. Jahrhundert ein. Stress giltals Krankmacher Nr. 1.

Einige Zahlen zum Krankmacher Stress im Arbeitsleben:

1. In Europa klagen 30% über Stress am Arbeitsplatz und fühlen sich durchdas geforderte Leistungspensum und den Zeitdruck, das Arbeitstempo ständigüberfordert (Studie aus dem Jahr 2000)

2. EU-weite Studien weisen darauf hin, dass etwa die Hälfte der Fehltage amArbeitsplatz auf zu großen Stress zurückzuführen sei.

3. Nach einer deutschen Studie des Bundesverbandes derBetriebskrankenkassen (BKK) lassen sich 31 % allerArbeitsunfähigkeitstage beruflichen psychischen Belastungen zuordnen(Zahlen von 1998). Und zwischen 2001 und 2006 haben nach Angaben desBKK die Fehlzeiten durch Überlastungen und Stress um 17% zugenommen –also auf etwa 50%!

4. Schließlich noch: Man geht aufgrund von Untersuchungen von 15.000Herzpatienten in 52 Ländern davon aus, dass dauerhafter Stress dasHerzinfarktrisiko verdreifacht und fast ein ebenso hohes Risikopotential insich birgt wie das Rauchen.

Neben dem zunehmenden dauerhaften Stress bzw. „Druck“ imArbeitsleben kennt wohl jeder von uns außerdem Stresszustände als Folgevon großen Zäsuren, Lebensereignissen und Schicksalsschlägen, die dasweitere Leben dramatisch verändern und nicht selten zu schweren Sinnkrisenführen können (Arbeitsplatzverlust, Trennung vom langjährigen Partner,Todesfälle oder schwere Krankheiten in der Familie).

Und schließlich sind es vor allem auch die ständigen Alltagsprobleme undtäglichen Missgeschicke, die uns den Nerv rauben und uns fürchterlich aufden Geist gehen können: Reparaturen im Haushalt oder am Auto, überhöhteRechnungen eines Handwerkers, nicht funktionierende ISDN-Anlage, Ärgermit der Schulleitung, aber auch Probleme mit mir selbst: Gewichtsprobleme,Probleme mit meinem Aussehen/Älterwerden.

Wenn sich auf jeder dieser drei Ebenen gleichzeitig etwas „tut“ –Schicksalsschlag, Ärger mit Mitarbeitern, Autoreparatur – kann sich der„angespannte“ Zustand ohne weiteres mal in Herz-Rhythmus-Störungenbemerkbar machen. Jedenfalls leiden Wohlbefinden und Lebensqualitätbeträchtlich, was nicht nur zu einer schnelleren Alterung führen soll(feststellbar am Gesamteindruck und der Ausstrahlung eines Menschen),sondern auch zu ernsthaften Gesundheitsschädigungen und psychischenStörungen bis hin zum Burnout.

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Was kann und sollte ich also tun, damit es mich nicht vom Stangerl haut,damit ich nicht frühzeitig in der Gruft oder im Rollstuhl lande oderausgebrannt in der Stube Däumchen drehe, depressiv vor mich hinstarre undmeine Familie tyrannisiere? Wie kann ich Karoshi verhindern“, so heißt inJapan der „Tod durch Überarbeitung“ (Herzinfarkt, Gehirnschlag, Freitod)?

Wie kann ich verhindern, dass mir meine Arbeit zur Droge wird – ca. 300.000Menschen in Deutschland leiden unter Arbeitssucht, unter Workaholismus– und Freizeit und Familie zur Nebensache?

Wie schaffe ich es, die für mich richtige Balance zwischen Beruf und Arbeitsowie Privatleben und Freizeit zu erreichen, gesund zu bleiben und – wasauch immer jeder darunter versteht – glücklich zu leben? Wie lassen sich beioder trotz Stress neue Kraftquellen aktivieren, wie mehr Gelassenheit undArbeitsfreude erreichen?

Als ich gestern die Teilnehmerliste für diese Veranstaltung erhielt, zog beimir handfester Stress auf: Zum einen wegen der hohen Teilnehmerzahl undzum anderen kamen mir Zweifel, ob mit den ähnlich lautenden Sätzen imAnkündigungstext nicht zu dick aufgetragen wurde. Denn Sie, die Sie zudiesem Vortrag gekommen sind, sind nach Ihren Firmenbezeichnungen undFunktionen – Bürgermeister, Hausverwaltung, Zahnarzt, Bankvorstand,Kosmetikstudio, Modehaus, Getränkemarkt, Restaurantbesitzer, TÜV,Autohaus, Chemieunternehmen, um nur einige zu erwähnen –völlig unterschiedlichen Stress-Situationen ausgesetzt – sowohl was dieHäufigkeit, als auch Tragweite und Konsequenzen Ihrer Entscheidungen alsInhaber, Leiter oder Geschäftsführer betrifft. Nun – es wird sich zeigen, welcheDenkanstöße und Tipps Sie für Ihren Stressalltag dennoch mit nach Hausenehmen.

Ein Impulsvortrag laut Einladungsschreiben könnte bedeuten, maximaleine halbe Stunde mehr oder weniger ketzerische Thesen zum Stressthemavorzutragen, die dann in einer nachfolgenden Diskussionsrunde oder inGruppen weiter zu vertiefen wären. Das ist bei 150 Teilnehmern schlichtwegnicht zu organisieren. Ich habe deshalb einen Vortrag von ca. 60 Minutenzusammengestellt, dessen Aufbau Sie an der Pinwand verfolgen können:

1 Stress am Arbeitsplatz und im Leben

2 Stress als Modewort und Normalzustand

3 Wie reagiert mein Körper auf Dauerstress?

4 Stressdiagnostik: Stressbelastung, Burnout-Gefährdung

5 Wie kann ich meinen Stress besser bewältigen und meine Work-Life-Balance

verbessern? WoLiBal-Wippe

6 Möglichkeiten der Stressbewältigung: Praktische und unpraktische Ratschläge

6.1 Bestandsaufnahme

6.2 Lebensstil ändern

6.3 Auszeiten, Freizeit, Zeitplanung

6.4 Mentales Training

7 Zusammenfassung

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Anschließend können wir gerne unsere Stress-Erfahrungen austauschenund gemeinsam überlegen, welche Methoden besonders geeignet oder auchungeeignet sind. Die Vortragsfassung steht morgen als PDF-Datei zumRunterladen auf meiner Website: www.hof-boedldorf.de

2. Stress als Modewort und Normalzustand

Als ich noch ein kleiner Bub war, da gab es noch keinen „Stress“ – ich meineden Begriff „Stress“! Damals hieß dieser Zustand noch Ärger, Wut, Zoff,Angst oder Furcht. Heute ist fast alles Stress: Die Situation ist „stressig“ –das Einkaufen, vor allem zu zweit, es gibt Stress in der Schule, Stress auf derAutobahn, Scheidungsstress, Freizeitstress und natürlich Arbeitsstress. Ichfühle mich „gestresst“, ich stehe unter „Stress“ oder: Der Mann/die Frau/dieKinder: Ihr alle stresst mich schrecklich. Es gibt exogene Stressoren – Lärm,Arbeitsbelastung, Termine, Hitze, die von außen auf uns einwirken (und unsstressen) und endogene Stressoren wie Hunger, Durst, Schmerz, ungelösteKonflikte, die uns Stress bereiten.

„Stress“ wurde 1957 in Deutschland über das Buch von Hans Selye, demPionier der Stressforschung, publik gemacht: „Streß beherrscht unserLeben“ . hieß der Titel. Und seine Botschaft war: „Komplette Freiheit vonStress ist der Tod“. Ein Leben ohne jeglichen Stress gibt es nicht.

Insofern stehen die Sätze, die jedem von uns immer wieder locker über dieLippen kommen: „Ich bin total im Stress“ oder auch „Der Stress machtmich kaputt“ nicht ohne Grund ganz oben auf der Hitliste der häufigstenAussprüche. Über Stress und hohe Belastungen im Alltag und im Beruf zuklagen, gehört schon fast zum guten Ton. Nicht selten wird die Zahl derStraßenkilometer pro Jahr (35.000!) oder der Flugmeilen so beiläufig genannt.Zeigt sich denn darin nicht ganz eklatant, wie leistungsfähig und wichtig manals Mitarbeiter in der Firma ist?

Auf Belastungen ist eine akute Stressreaktion normal und war früher – in derSteinzeit – grundsätzlich überlebenswichtig und ist auch heute in vielenFällen noch lebensnotwendig. Damals hat die akute Stressreaktion dafürgesorgt, dass unsere frühzeitlichen Ahnen für die Herausforderungen desLebens gewappnet waren: entweder für die Jagd oder den Kampf um dieRangfolge in der Gruppe oder für die Flucht.

Auch heute kommt es bei einem lauten Knall, bei intensivem Brandgeruch,wenn ein Auto auf mich Fußgänger zurast, wenn ich in der Nacht einerunbekannten Person begegne, zu einem Sinnesreiz, der inentwicklungsgeschichtlich alten Gehirnzellen einläuft. Bewertet dasZwischenhirn diesen Sinnesreiz als Gefahr, wird automatisch Alarmausgelöst. Stresshormone (Adrenalin, Noradrenalin, Cortisol) versetzen denKörper in Flucht- oder Kampfstimmung.

Die akute Stressreaktion führt also dazu, den Körper schnell zu mobilisieren,Energien bereitzustellen und das Nervensystem „scharf“ zu schalten. Der

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Blutdruck steigt, die Herzfrequenz ebenfalls – wir bekommen den nötigenKick. Der Stresszustand sorgt dafür, dass wir in unterschiedlichstenUmgebungen und Situationen die Herausforderungen annehmen könnenund zu Höchstleistungen fähig sind – auf einer überfüllten Autobahn, vorjeder Prüfung, vor jedem wichtigen Gespräch.

So gesehen ist es zuerst einmal ein positiver Erregungszustand, ja manchmalEuphorie, in die wir geraten, wenn unser Körper die Energien bereitstellt, diewir für die Bewältigung einer bestimmen Situation oder Aufgabe brauchen.Dann sprechen wir von Eustress.

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3. Wie reagiert mein Körper auf Dauerstress?

Wenn nun aber berufliche oder/und private Belastungen zu lange, zu oft undzu heftig auf uns einwirken, gerät die vegetativ-hormonelle Regulation ausdem Takt. Das Nervensystem, das Herzschlag und Blutdruck in ruhigerenMomenten wieder dämpft, versagt. Dadurch rutscht der Dauergestresste inständige Anspannung und Alarmbereitschaft. Dauergestresste habeneinen ständig erhöhten Spiegel des Stresshormons Cortisol, der an dietatsächlichen Belastungen nicht angepaßt ist.

Das heißt: Die muskuläre Anspannung und Kampfbereitschaft des Körpers istdauerhaft hoch. Es fließt ständig mehr Energie in die Blutbahnen, alsverbraucht wird. Das kann auf Dauer nicht nur dick machen, sondern auch zuAblagerungen an den Gefäßwandungen führen. Die Adern verlieren anGeschmeidigkeit, der Blutdruck bleibt chronisch erhöht – das Herzinfarktund Schlaganfallrisiko steigt. Es ist wie bei einer Herdplatte: Einmal ganz aufden Wert 12 aufgedreht, dauert es sehr lange, bis die Platte wieder abglüht,selbst wenn der Strom abgeschaltet ist.

Stark gestresste Menschen klagen über plötzliches Schwitzen, trockenenMund, Kurzatmigkeit, flaues Gefühl im Magen, Kloß im Hals, weiche Knie –oder darüber, dass ihnen in bestimmten Situationen plötzlich Tränen in dieAugen steigen. Die Alarmsignale für die Überlastung können im ganzenKörper auftreten: Zittern der Finger, starre Mimik, Stottern, Kopf- undRückenschmerzen, Muskelschmerzen, Magenschmerzen. Aber auch:Gereiztheit, Gedächtnisprobleme, Unkonzentriertheit, Erschöpfung.

Dahinter muß natürlich nicht immer Stress stecken. Nicht alle Menschen, dieständig unter „Strom“ stehen, deren Körper in ständiger Alarmbereitschaft ist,die – ohne dass sie es merken – in Gegnerschaft gegenüber der Welt undihren Mitmenschen sind, eine erhöhte Muskelspannung haben und die ihreHandlungs- und Aggressionsimpulse nicht abreagieren können, werdenzwangsläufig krank. Es ist auch eine gewisse Anfälligkeit oder „Sensibilität“in einem bestimmten körperlichen System oder Körperteil notwendig.Manchen schlägt der Stress auf die Muskulatur, manchen vor allem auf denMagen, manchen aufs Herz.

Genauso wichtig ist außerdem die psychische Verarbeitung von Stress –wie ich mich davon beeindrucken lasse, ob ich optimistisch bin, die Lagemeistern zu können und das Ganze versuche, mit Humor zu nehmen undFreunde als Hilfestellung in Betracht ziehe – oder von vorneherein glaube, esnicht zu schaffen und schnell in Resignation falle. In Fragebögen werdensolche Einstellungen z.B. folgendermaßen abgefragt:

„Ich denke oft daran, dass ich an den zukünftigen Anforderungenscheitern werde“ (Bedrohungs-Skala)„Ich bin niedergeschlagen, weil ich mit meiner schwierigenLebenssituation einfach nicht zurecht komme“ (Verlust-Skala)

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Die möglichen Einzelfolgen von Dauerstress können sich in fast jedemKörperteil und jeder Körperfunktion bemerkbar machen:

• in einem geschwächten Immunsystem mit z.B. erhöhter Anfälligkeit fürSchnupfen und Infekte

• in der Lunge aufgrund der erhöhten Atemfrequenz in Form von Asthma;• in Einschlaf- und Durchschlafstörungen (von Sonntag auf Montag haben

die meisten Menschen die schlechteste Schlafqualität, von Freitag aufSamstag die beste)

• im Verdauungstrakt in Form von Magenschleimhautentzündungen;• in Muskelverspannungen, Kopfschmerzen und Migräne• in Hörsturz und Tinnitus• in erhöhtem Cholesterinspiegel und ggfs. Diabetes• im Herz-Kreislauf-System: Bluthochdruck, Arteriosklerose und erhöhtes

Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko. Die erhöhte Herzleistung wird nicht inkörperliche Bewegung umgesetzt: Knapp 4.000 Frauen starben nach Datender Techniker-Krankenkasse (SZ, 25.10.2007) daran in Bayern im Jahr2006, wobei der Anstieg bei Frauen zwischen 55 und 65 mit 12 %besonders hoch war – das ist die Gruppe, in der auch die Raucherquote umein Drittel zugenommen hat.

• Auch Krebs soll angeblich durch Stress verursacht werden, so liest manjedenfalls immer wieder, auch in der STERN-Serie im September undOktober, da hieß es: Wenn Stress chronisch wird, dann verringere sichvemutlich auch die Leistung der natürlichen Killerzellen, die Krebszellenbekämpfen. – erst letzte Woche wurde in der SZ auf Seite 1 unter derÜberschrift „Krebs trifft auch die Glücklichen“ eine Studie veröffentlicht,wonach dem keineswegs so sei: Es gäbe keine Zusammenhänge zwischenStressstärke und Auftreten von Krebs, der Einfluss psychischer Faktoren –die Krebspersönlichkeit – existiert demnach nicht.

Auf folgende psychische Probleme – Beziehungsprobleme,Sexualprobleme und Burnout – möchte ich als mögliche, ja wahrscheinlicheFolgen von Dauerstress kurz eingehen:• Beziehungsstörungen: PARTYWEISHEIT: An einer Beziehung muß

man nicht arbeiten, wahre Liebe hält auch stressige Zeiten aus. DieserSicht stimme ich nicht zu. Früher hieß es: „Bis dass der Tode Euchscheide“. Jetzt: „Bis dass der Stress Euch scheidet“. Stress tötet dieLiebe und die Beziehung: Mittlerweile wird die Hälfte aller Ehen geschieden– wie kommt das? Größere Bedrohungen oder Schicksalsschlägeschweißen eher zusammen, zumindest für kurze Zeit. In einer Reihe vonStudien ließ sich aber zeigen, daß einer der wichtigsten Faktoren für dieTrennung der tägliche Stress ist, den beide Partner in die Beziehungtragen.Liebe allein reicht in der Regel nicht aus, um den Alltag als Paar zuüberstehen. Besonders zerstörerisch wirken eher alltägliche Sorgen undÄrgernisse: wenn man im Betrieb ständig Zeitdruck ausgesetzt ist, Ärgermit Freunden oder Schulprobleme der Kinder hat. Bei diesen aufreibendenKlein-Klein-Dingen mangelt es häufig an der nötigen gegenseitigenUnterstützung und am Verständnis. Man sieht auch am Abend in derFamilie die Welt nur noch mit Scheuklappen, man nimmt nur die Problemedes Tages wahr, die noch im Inneren arbeiten, man ist gereizt, kann sich

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nicht freuen. Man hat meist zu wenig Zeit für den anderen, es gibt immerweniger gemeinsame Erlebnisse und Genüsse, das Wir-Gefühl schwindet,die gemeinsame Zeit reicht nur noch für das Nötigste: Wer bringt morgendie Kinder zur Schule – wer fährt das Auto zum TÜV?

• Sexualstörungen: Auch die menschliche Sexualität wird natürlich vonStress beeinflußt. Überlastungen im beruflichen Bereich spielen dabeigenauso eine wichtige Rolle wie private Probleme undBeziehungsprobleme. Der Aufbau sexueller Erregung, sexuellenVerlangens, von Lust hängt zum einen vom Grad unserer Entspanntheitab. Sexuelle Erregung wird vom Parasympathikus bewirkt, jenem Teil desvegetativen Nervensystems, der für Erholung und Entspannung zuständigist. Hat der Sympathikus die Oberhand, der für Aktivierung undAnspannung zuständig ist, so kann sich der Parasympathikus schwerdurchsetzen. Sexuelle Erregung ist im Stresszustand schwer möglich. Umsexuelles Verlangen, die Lust auf den Partner/die Partnerin zu haben oderzu bekommen, ist eine gewisse Ruhe und Beschaulichkeit notwendig unddie Abkehr von den alltäglichen Sorgen. Wer ständig mit seinerbeängstigenden wirtschaftlichen Situation beschäftigt ist und gedrückterStimmung ist, hat in der Regel keine besondere Lust auf Sex. Natürlichspielt auch eine Rolle, welche Beziehung man zum Partner hat, ob maneine Nebenbeziehung hat, ob man seinen Partner inzwischen hasst und nurnoch nicht den Mut zur Konsequenz einer Trennung hat.Ist die Lust denn doch mehr schlecht als recht aufgekommen und lässt mansich auf das Spiel ein, kann es zu weiteren normalen Störungen kommen,die jeder von uns das eine oder andere Mal oder auch öfters im Lebenschon erfahren hat: Es fehlt zwar an der Steife, aber umso schneller kommtmann. Fehlendes Lustempfinden und fehlender Höhepunkt bei der Frau:Wie sollte es auch bei Dauerstress in einer langjährigen Beziehung anderssein können.

• Burnout: Burnout entsteht aus einer unausgeglichenen Lebensführung,die typisch ist für „immer nur arbeiten, keine Entspannung“ „Bei Burnoutversiegt jede Energie, und man hat das Gefühl, man würde von denProblemen überwältigt. Man neigt verstärkt zu Pessimismus, ja Zynismusund zu einer negativen Grundeinstellung“: „Ich habe das Gefühl, mich ganzverausgabt zu haben“. „die Luft ist raus“, „der Akku ist völlig leer“, „ich kann nicht mehr“ – so dieBeschreibungen von Ausgebrannten.

Burnout, ein Begriff, 1974 zum ersten Mal für diese Symptome vomPsychoanalytiker Herbert Freudenberger verwendet, ist ein bildhafterBegriff: wie ein Gebäude ausbrennen, selbst wenn die äussere Hülle nochmehr oder weniger unversehrt erscheinen mag – ein Zustand chronischerErschöpfung als Ergebnis ursprünglich hoher beruflicher Motivation – manhat gebrannt vor Lust und Eifer, war in dauerhafter beruflicherHochspannung, verspürt nun aber Symptome der Depresssion (vor allemam Morgen, noch im Bett liegend), hat Schlafstörungen, Kopfschmerzen,Magenschmerzen, Versagensängste und Schuldgefühle und sieht keinenSinn mehr in der derzeitigen Arbeit – ja am Leben überhaupt.

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Von Überbelastungen, chronischem Stress und/oder Burnout sind manchePersonen und Berufsgruppen mehr, andere weniger betroffen.• Familien, die ihre Eltern zuhause pflegen• Lehrer (Cyber-Mobbing, Drehtür-Unterricht) und Schüler (Nachilfe-Boom,

nachmittägliche Talk-Shows)• Sportler (Bayern-Star Deisler, Bayern-Trainer Otto Hitzfeld)• Musiker, Schauspieler, TV-Sprecher: vor ihrem Auftritt• Einsatzkräfte und Soldaten: sekundäre Traumatisierung• und natürlich: Führungskräfte, Unternehmer, Manager – also wohl alle,

die hier in diesem Raum nicht ohne Grund versammelt sind.

Ich teile diese Sicht als Angehöriger der letztgenannten Berufsgruppe.Allerdings und jedoch: Stressforscher haben in den letzten Jahren immerwieder festgestellt, dass die zunehmend verdichtete Arbeitszeit oder immermehr Verantwortungsübertragung allein nicht die größten Stressquellen sind.Kommen wenig Anerkennung für die Arbeit, Misserfolge nach großenpersönlichen Hoffnungen, keine Aussicht auf Änderung der misslichenSituation, geringe Erholungszeiten dazu und befinde ich mich in einerwirtschaftlich dauerhaft angespannten Situation, dann stehen Belastung undKraftquellen schnell nicht mehr im nötigen Balanceverhältnis.

Insofern ist Stress vorrangig auch keine Manager- oder garPolitikerkrankheit – selbst wenn dies in den Medien immer wiederhervorgehoben wird. Vielmehr sind entscheidend zum einen der erhöhteArbeitsdruck, der fast allen Berufsgruppen und Lebensbereichen derIndustrienationen den Stempel aufdrückt, zum anderen vor allem dieArbeitsbedingungen und die Möglichkeiten, für einen Ausgleich derStressoren, für eine Balance, zu sorgen.

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4. Stressdiagnostik: Stressbelastung, Burnout-Gefährdung

1. Wie stressbelastet bin ich?

Stressbelastungen und Burnoutgefährdung lassen sich mit Hilfe vonFragebögen und medizinischen Untersuchungen erfassen. Sie müssen aufSkalen einstufen,wie stark Sie sich belastet fühlen:• wie viel arbeiten Sie?• wie stark stehen Sie unter Zeitdruck• wie gut schlafen Sie?• wie gesund oder erschöpft fühlen Sie sich?und wie viel Ausgleich Sie gegenüber Ihren Belastungen haben:• durch Familie, Freunde und Kollegen• durch angemessenen Lohn• durch hohe AnerkennungUnd medizinische Werte geben Auskunft:• Cortisol-Spiegel im Tagesverlauf• Herzfrequenzvariabilität

2. Bin ich burnout-gefährdet?

Die Ratgeber zum Burnout sind nicht mehr überschaubar. In unzähligen Titelnwerden vor allem den sozialen Berufen mit hohem Engagement gegenüberanderen Menschen – Ärzten, Pflegepersonal, Krankenschwestern,Einsatzkräften (Rettungsdiensten) und Lehrern, aber auch im Service-Bereich(Gaststätten, Banken) – Anregungen und Hilfestellungen gegeben, wie siedem Burnout entkommen oder erst gar nicht hineingeraten können. Sie sollenden Balanceakt zwischen Nähe und Distanz meistern lernen, damit sie nichtschleichend und dann aber dauerhaft ausbrennen und Frühinvalide werden.Auch hier ist man auf Fragebögen angewiesen:

Freizeitbezogene Fragen:O Ich kann nach der Arbeit oft schlecht abschalten: grüble ständig, habeSchlafstörungen, kann mich nicht konzentrieren, bin angespanntO Mir graut oft vor dem nächsten Arbeitstag (Angst vor Fehlern, Angst davor,die Arbeit nicht zu schaffen)O Ich habe spürbare Gesundheitsprobleme (Verdauung, Kreislauf, Muskel /Skelett)O zum Feierabend bin ich fix und fertig (erschöpft, keine Lust auf irgendetwas)O meine Freizeit wird durch die Arbeit aufgefressen (keine Zeit mehr für dieFamilie oder Freunde, Hobbies liegen brach, habe das Gefühl, nie genug Zeitzu haben)

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Arbeitsbezogene Fragen:O ich arbeite oft länger als geplantO meine Tätigkeit frustriert mich oftO die Zusammenarbeit mit den Kollegen frustriert mich oft (fühle michgemobbt, Konflikte)O die Arbeit macht mich gefühlsmäßig fertig – ich will hier raus

Was sind Warnsignale? – ich brauche dazu nicht unbedingt Fragebögen alsIndikatoren, Selbstbeobachtung hilft auch schon:O rasche, häufige Ermüdung bis zur totalen ErschöpfungO schnelle Gereiztheit, ständige UngeduldO Gleichgültigkeit, Wurstigkeitsgefühl auch gegenüber anderen MenschenO keine Kreativität mehrO keine Lust mehr, null BockO Gefühl, keine Reserven mehr zu haben, auf dem Zahnfleich zu gehenO Schwarz-Weiß-DenkenO SchlafstörungenO Sinkende Hemmschwelle zu Alkohol und Medikamenten

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5. Wie kann ich meinen Stress besser bewältigen und meine Work-Life-Balance verbessern?

Sind Sie mit sich und der Welt rundum zufrieden? Haben Sie Ihre Mittegefunden oder gar den Sinn des Lebens? Schaffen Sie ohne weiteres denBalance-Akt, Beruf und Familie, Arbeit und Freizeit miteinander zuvereinbaren? Sind Sie glücklich? Glücklich an oder mit seinem Arbeitsplatz istnach einer neueren Untersuchung von September 2007 (SZ 12.9.07)inzwischen nur jeder achte deutsche Beschäftigte. Nur jeder 8. der Befragtengab an, eine sinnstiftende Arbeit zu haben und sich in seinem Job entwickelnzu können.

Für unsere „Work-Life-Balance“ ist es nötig, belastende und erholendeAktivitäten in der Arbeit und im Privatleben auszutarieren. Es gilt, nicht nur imBetrieb richtig mit dem Stress umzugehen und Mehrarbeit zu reduzieren,sondern auch im Privatbereich mit seinen vielen Ärgernissen fertig zu werdenund gegenzusteuern.

Mit Hilfe der WoLibal –Wippe lassen sich unsere Stressoren und dieRessourcen im Kampf gegen die Stressoren besser in den Blick nehmen.

Auf der linken Seite befinden sich die Stressoren, die für unseren Dauer-Stress bei der Arbeit verantwortlich sind. Auf der rechten Seite befinden sichdie Ressourcen, Bewältigungsmöglichkeiten, die Stressbekämpfer, die Anti-Stress-Mittel.

Zu viele Stressoren werfen uns aus dem Gleichgewicht, drücken uns nieder,kosten Energie, führen zu Fehlern und stören unser Wohlbefinden. DieWoliBal-Wippe ist dann linkslastig. Auf der linken Seite könnte zum Beispielstehen: finanzieller Druck, zu viel Arbeit, Termindruck, Nachtarbeit,Personalmangel, Wettbewerbsdruck, viele Umgebungsbelastungen (Lärm), zuwenig Zusammenarbeit, wenig Mitsprache, viele Störungen, wenig Zeit für dieFamilie, Uns wird zu viel aufgebürdet oder wir tun es aus freien Stücken –weil wir perfekt sein wollen.

Die Ressourcen auf der rechten Seite sind unsere Stoßdämpfer für dieStressoren, deren Gegenspieler – unsere verfügbaren Möglichkeiten undHilfsmittel, um die Wirkung von Stressoren zu verhindern, zuvermindern/abzumildern oder auszugleichen. Die Ressourcen müsseneventuell erst geschaffen, vermehrt oder erweitert werden, damit sich dieGewichte auf der linken Seite ausgleichen lassen. Es kann sich um äußereRessourcen handeln – Mitwirkungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz,Unterstützung durch die Kollegen, flexible Arbeitszeit, gutes Gesprächsklima.oder um innere Ressourcen – mehr Fitness und anderer Lebensstil, dieFähigkeit zum Entspannen, neue Herangehensweise an die Stressoren.

Zu starkes Abwippen auf der linken Seite sollte unbedingt verhindertwerden. Wir sollten nie völlig auf dem Zahnfleisch gehen, sondern allenfallsnur zu 2/3, um die Gefahr des Burnout und der totalen Erschöpfung klein zuhalten.

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Zwei Beispiele mit der WoLiBal-Wippe

Beispiel 1Restaurant-Inhaber R., 50 Jahre, verheiratet, erzählt:„Mein Restaurant gíbt es seit 20 Jahren, aber der Druck wird immer größer.Die Gäste werden anspruchsvoller, und gutes Personal ist nur noch schwer zubekommen. Vor kurzem bin ich aber in einem Zeitungsbericht wegen meinerguten Küche lobend erwähnt worden.“

PersonalmangelFinanzieller DruckWettbewerbsdrucksind schwere Lasten und wippen durch

SelbständigkeitÖffentliche Anerkennungsind ausgleichende Gewichte, die den Stress irgendwie noch ertragen lassenund abfedern

Stressfolgen bei Herrn R.: „Von meinen Arbeitszeiten will ich erst gar nichtreden. Ich fühle mich wie in einer Tretmühle. Meine Frau sagt immer. Ich sollendlich etwas gegen meinen hohen Blutdruck unternehmen ....“

Anti-Stress-Maßnahmen:Stressoren verändern, Ressourcen ausbauen„Ich plane einen Arztbesuch, um den Blutdruck in den Griff zu bekommen, undich achte darauf, dass ich regelmäßig Pausen mache“.Ich werde kleine Umorganisationen vornehmen und attraktivereArbeitsbedingungen für das Personal schaffen – dannbekomme ich auch gutes Personal.

Dadurch entsteht möglicherweise in Bälde eine neue Balance-Situation:

PersonalmangelFinanzieller DruckWettbewerbsdruck

SelbständigkeitÖffentliche AnerkennungUmorganisationAttraktivere ArbeitPausenBlutdrucksenkung

Stressoren könnten sich abbauen lassen, Ressourcen aufbauen.Balance steht in Aussicht

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Beispiel 2LKW-Fernfahrer Herr B., 49 Jahre, verheiratet, 1 Kind„Durch den starken Verkehr kann ich meine Termine kaum noch einhalten.Deshalb weiche ich auf Fahrten in der Nacht aus. Auf der Straße bin ich meineigener Herr. Allerdings sehe ich meine Familie nur noch selten.“

NachtfahrtenZeit- und TermindruckZu wenig Zeit für Frau und Kindsind schwere Lasten und wippen durch

Unabhängigkeit auf der Straßeist ausgleichendes Gewicht, das den Stress kaum noch ertragen läßt undschlecht abfedern kann

Stressfolgen für Herrn B.: Seitdem ich überwiegend nachts fahre, habe ichSchlafprobleme. Ich schlafe nicht mehr so gut und habe Alpträume: Ein paarMal habe ich schon geträumt, dass ich auch bei den Nachtfahrten zu spätkomme und dass ich einen Sekundenschlaf hatte. Das schlägt sich bei mirschon auf den Magen.“

Anti-Stress-Maßnahmen:Stressoren verändern, Ressourcen ausbauen„Ich habe mit meinem Chef gesprochen und ihm meine Probleme anvertraut.Unser Betriebsarzt hat mir Tips gegeben, damit ich besser durchschlafenkann, und auch Tips gegeben, wie ich mich bei dieser speziellen Belastungam besten ernähre. Und mein Chef will sich selbst zur Fahrtzeitenoptimierungberaten lassen.“

Dadurch entsteht eine neue Balance-Situation:

NachtfahrtenZeit- und TermindruckZu wenig Zeit für Frau und Kind

Unabhängigkeit auf der StraßeEinbezug von ChefSchlaf- und ErnährungsberatungFahrtzeitenoptimierung

Stressoren könnten sich abbauen lassen, Ressourcen aufbauen.Balance steht in Aussicht

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6. Möglichkeiten der Stressbewältigung: Praktischeund unpraktische Ratschläge

Wir werden in den Medien mit Ratschlägen eingedeckt, wie wir der Invasionder Stressoren begegnen können, auf welche Methoden und Strategienzurückzugreifen ist, um den Stress bewältigen, dem Burnout entgegensteuernund unsere Work Life Balance zurückgewinnen oder aufrechterhalten zukönnen.

Bei mir ist das so: Nur mit wenigen Tips kann ich mich anfreunden und kannund konnte sie auch in meinem Leben und Arbeiten umsetzen. Viele Tips undAnregungen würden zu große Eingriffe und Änderungen in meinemgegenwärtigen Leben nach sich ziehen.

Jeder muß nach seinen Vorlieben und Möglichkeiten auswählen undprobieren. Jeder muß letztlich sein eigenes Anti-Stress-Konzept entwerfen –und vielleicht dabei auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. DieVerantwortung für die Wegbeschreitung liegt bei Ihnen allein – nur Sieselbst können in intimer Kenntnis Ihrer Person und Lebensumständeabschätzen, was Sie schaffen könnten oder nicht und welche Methoden sichlohnen, zumindest mal ausprobiert zu werden.

Die folgenden allgemeinen und speziellen Ratschläge, Tipps, Methoden undStrategien sind Möglichkeiten, die Ressourcen-Seite auf der WoLiBal-Wippezu stärken und die schädliche Wirkung der Stressoren auf der linken Seite derWippe abzumildern oder aufzuheben. Sie sind grundsätzlich geeignet, dasLeben zu entschleunigen und mehr Gelassenheit, Lebensgenuss undArbeitsfreude zu erfahren.

Es ist freilich nicht leicht, alte und lieb gewonnene Handlungsmuster über Bordzu werfen. Entschleunigung ist schwieriger zu bewerkstelligen alsBeschleunigung. Es gibt auch in diesem Bereich keine Wundermittel. Wersolche verspricht, ist ein Scharlatan. Schnelle und spektakuläreVerbesserungen sind oft nur kurzlebig – wenn die Motivation für eineVerhaltensänderung nicht von innen kommt, und dafür muss in der Regel derLeidensdruck schon sehr hoch sein.

Wenn Sie bei Google Stressmanagementkurs, Stressbewälltigung oderStressimpfungsrtraining eingeben, landen Sie etwa 1 Million Treffer – undstoßen auf eine unübersehbare Anzahl von Trainern, Beratern, Coaches undTherapeuten, die Ihnen Linderung und Heilung versprechen. Bisweilen lautendie Versprechungen so: Gut sein, wenn`s drauf ankommt – wie man in Stress-Situationen perfekt funktioniert“. Wenn denn das bloß so einfach wäre.

Denn:Stress ist nicht gleich Stress!!Mensch ist nicht gleich Mensch!!Und Situation ist nicht gleich Situation!!

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6.1 Bestandsaufnahme

Der erste Schritt ist eine Bestandsaufnahme, um sich darüber klar zuwerden, was mich denn eigentlich alles belastet, was mich stört, was ichanders haben möchte, wo meine Stärken und Schwächen sind, wie ich inZukunft arbeiten und leben möchte.

Die Bestandsaufnahme können Sie durchaus alleine in Angriff nehmen.Quartieren Sie sich für einen oder 2 Tage in einem Kloster oder in einemGasthof im Bayrischen Wald ein, ohne Fernseher, nehmen Sie etwas zumSchreiben mit und notieren Sie, was Ihnen zum Beispiel zu folgenden Frageneinfällt:

Wie will ich eigentlich leben? Will ich in meiner Beziehung bleiben?Wie viel will ich arbeiten und läßt es sich finanziell machen? Vollzeit,Teilzeit, Jobsharing, Überstundenabbau?Wann will ich arbeiten? Geblockte Arbeitszeiten, flexible, jährliches AZ-Konto, Schicht, Wechselschicht mit Überstunden usw.Wo will ich arbeiten? Im Büro, am Standort, zuhause?

Der zweite Schritt ist, die Rahmenbedingungen in meinem Privatbereichund in meinem Unternehmen, in meiner Verwaltung auszuloten: Wo lassensich familiäre Belastungen eventuell reduzieren und Erleichterungen erzielen?Kann ich Auszeiten nehmen? Kurzes oder längeres SabbaticalWelche sonstigen stressreduzierenden Maßnahmen bietet meinUnternehmen an?

Sie können die Bestandsaufnahme und Analyse der Rahmenbedingungenauch mit Ihrer Partnerin/mit Ihrem Partner machen – oder auch mit IhrenMitarbeitern, mit Ihrem Team. Sie brauchen im Team zumindest ein Flipchartoder am besten auch eine Pinwand. Entscheidend ist,• dass die Antworten auf diese Fragen nicht verloren gehen und• dass Sie nicht auseinander gehen, bevor abgemacht ist, wer was mit wem

ab wann bis wann unternimmt, um übernommene Aufgaben abzuarbeiten.

Wichtigster und schwierigster Punkt: als erstes erkennen, wie sehr manselbst durch überkommene Denkmuster und überzogene Ansprüchezum Stress beiträgt, welche stressverschärfenden Denk- undVerhaltensmuster, welche „inneren Antreiber“ – „Du mußt“ – man sichangeeignet hat:• alles perfekt machen zu wollen• alles schnell machen zu wollen• alles alleine bewältigen zu müssen• Widrigkeiten persönlich zu nehmen (Immer habe ich Pech)• schnell schwarz zu malen (das kann ja nichts werden)

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6.2 Lebensstil ändern

Körperbezogene Tipps gegen Stress lauten meist so: Bewegung,regelmäßig Sport, mehr Ruhe, mehr Schlaf, richtig atmen, gesundeErnährung, weniger Trinken, kein Rauchen, mehr Entspannung und:Meditieren Sie am besten 1 Stunde am Tag – wenn das alles nur soeinfach umzusetzen wäre.

Mit Sport und Bewegung und körperlicher Fitness zur Ruhekommen und widerstandskräftig werden (leichter gesagt alsgetan)

Wir begegnen dem Sport gerne mit Vorbehalten oder Denkfehlern:1. Ich kenne ganz viele, die haben sich nie bewegt und sind noch gesund2. Ich habe keine Zeit für Sport3. Ich weiß doch gar nicht, welcher Sport für mich geeignet ist4. Sport ist mir viel zu anstrengend und hat Verletzungsrisiko5. Bis ich 5 kg abgenommen habe, vergeht doch eine Ewigkeit6. Mir geht es gut – warum soll ich mich anstrengen`?7. Ich kann bei meinen Beschwerden doch gar keinen Sport machen

Der positive Zusammenhang zwischen Sport und Gesundheit ist allgemeinbekannt und unbestritten. Dennoch: 45 % der Erwachsenen in Deutschlandbetreiben überhaupt keinen Sport!! Der Anteil nimmt mit dem Alter dramatischzu: bis zu 75 % der 70-79Jährigen. Nur 13% der Deutschen erreichen dieEmpfehlung, mindestens eine halbe Stunde pro Tag Sport zu betrieben.

Jedoch schon kleine Bewegungsimpulse von ca 10 Minuten pro Tag solleneine positive Wirkung auf die Gesundheit haben. Also: „Nur wer es in denBeinen hat, hat es auch im Kopf!“

Eine morgendliche Runde im Stadtwald kann eine Wunderwaffe gegen denAlltagsstress sein. Das Laufen kann Ruhe und Kraft für den ganzen Tagschenken, beim Laufen lassen sich schwierige Situationen, die auf einenwarten, „abarbeiten“ und private Dinge, die einen beschäftigen, besserverarbeiten.

Regelmäßiges Sporttreiben trainiert neben Atmung und Muskelnoffensichtlich auch das Stressystem aus Gehirn, Nervensträngen undhormonproduzierenden Drüsen – wie das geht, weiß man noch nicht genau.Und es beschert Erfolgserlebnisse – das gute Gefühl, eine Leistung zuerbringen und bestimmte Dinge im Griff zu haben – und bestärkt zumindestein wenig das Selbstvertrauen, auch andere schwierige Situationen zumeistern

Mehrstündige körperliche Arbeit (hohe Belastung) bewirkt eine Zunahmeder Serotininproduktion, wodurch die Stimmung positiv beeinflußt wird.

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Zwei- bis dreistündige Wanderungen pro Woche beugenAlterungsvorgängen im Gehirn vor.

Es gibt keine perfekte Sportart gegen Stress, es muß auch nichtAusdauersport wie Laufen oder Rudern oder Schwimmen sein (was aber eineum 30% erhöhte Durchblutung des Gehirns bewirkt, auch derEndorphinspiegel steigt und damit das Wohlbefinden). Es kann auchAbenteuersport, Kraftsport oder Mannschaftssport sein. Der Sport sollte einGegenpol zum Alltag werden und mehr Abwechslung ins Leben bringen.Dabei sollten einige Punkte beachtet werden• regelmäßig aktiv sein, und: regelmäßig in der Woche 2 x aktiv sein bringt

mehr als nur einmal• fixe Sporttermine setzen, möglichst mit festen Trainingspartnern• Sport muß zum Tagesablauf passen. Wer lange abends arbeitet, sollte wohl

besser am Morgen starten• Sportarten mit geringem Verletzungsrisiko wählen• Gute Fitness-Studios bieten Entlastung an indem sie Kinderbetreuung

während der Fitnesszeit anbieten

Essen, Alkohol und Zigaretten (leichter gesagt als getan)• Wer auf Stress mit Heißhunger reagiert (bei steigendem Spiegel der

Stresshormone kann das im Gehirn Appetit auslösen): Dieselben Hormonefördern auch die Ablagerung von Fett im Bauchraum. Genau dort aber istFett höchst unerwünscht, weil speziell der Bauchspeck das Risiko fürGefäß- und Herzerkrankungen fördert

• Plan B für Essattacken zurechtlegen: und lieber mit Freundin/Freunddarüber sprechen, als allein mit Gummibärchen auf dem Sofa sitzen

• Betätigung für Abreaktion finden: Gartenarbeit, Spazierengehen, oderSport!!

• Wenn essen, dann: Möhren, Kohlrabi und Paprika und Obst, statt Chipsund Schokolade

• Wie steht es mit Alkohol am Tag: Alkohol ist ein Zellgift, hemmt dieÜbertragung von Nervenimpulsen ins Gehirn und damit auch dieStressempfindung – Vorsicht: Regelmäßiger Konsum steigert das Risiko,depressiv zu werden bis hin zum Suizid.

• Nikotin: durch Neurotransmitter Dopamin kurzfristig Freude, Wachheit,erhöhte Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit

Gesunder Schlaf (leichter gesagt als getan)• regelmäßige Ruhezeiten• Mittagsschläfchen halten• vor dem Zubettgehen nichts „Schweres mehr tun“, weil das Stresssystem

ein Weilchen braucht, um wieder herunterzufahren• im Bett nicht für die Firma arbeiten• für Wegdämmern nicht auf Alkohol zurückgreifen; Alkohol erleichtert zwar

das Einschlafen, bringt aber den Rhythmus der Schlafphasendurcheinander.

• Schnarchen Sie und haben Sie Aussetzer? Dann ab ins Schlaflabor undTest auf Schlaf-Apnoe

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Atmung umstellen (leichter gesagt als getan)langsamer atmen, Ansteigen des Kalzium- und CO2-Spiegels – man wirdruhiger (schnelles Atmen bewirkt vermehrte CO2 Abgabe, Blut wird akalisch,Kalzium-Mangel, nervöse Unruhe steigt)bewusstes Ausatmen zum Durchbrechen des Angst-Mechanismus, damit dem Ausatmen ein Entspannungsreflex verbunden ist. Wenn also derAtem leicht stocken könnte .... vor dem Telefonieren, vor einer Begrüßung, beieiner Begegnung im Aufzug: unbedingt zuerst Ausatmen und erst am Endeder Ausatmung mit der Anrede beginnen, wenn Sie schon fast keine Luft mehrbekommen.Zwerchfellatmung gegen Hyperventilation – zu rasches , verstärktesAtmen, bei dem mehr Kohlendioxyd abgeatmet wird, als der Körper produziert.Ein bestimmter Kohlendioxydspiegel ist aber notwendig für eine ausreichendeOrgandurchblutung, da Kohlendioxyd die Gefäße weit stelt und damitdurchblutungsfördernd wirkt.Bewußtes, erfahrbares AtmenIlse Middendorf, inzwischen 97jährige Professorin an der Hochschule fürMusik und Darstellende Kunst, hat die Technik des „Erfahrbaren Atems“erfunden, um den Folgen des zunehmenden Leistungsdrucks im Arbeitsalltagzu begegnen. Wer ständig unter Druck ist, atmet flacher, unregelmäßig undhält unwillkürlich die Luft an – meist, ohne dass es einem bewußt ist. Dadurchwird die Lunge nur unzureichend mit Sauerstoff versorgt, reagiert der gesamteOrganismus darauf: Man ermüdet schneller, schläft schlechter, wird anfälligerfür Rückenschmerzen oder Migräne. Und nicht zuletzt leidet die Stimme –gerade bei Lehrern und Beratern hört man das sofort.Wie geht die Technik? Es geht darum, den normalerweise unbewußten,unwillkürlichen Atem wahrzunehmen, ihn zu spüren, ohne ihn verändern zuwollen. Manche brauchen ein paar Stunden, manche Jahre. DEHNEN SIEMAL IHRE HÄNDE – dann merken Sie, dass Sie mit der Dehnbewegungunwillkürlich einatmen und beim Loslassen wieder ausatmen – das ist derAtem, den ich angesprochen habe. Und jetzt warten Sie, bis der Atem vonalleine kommt – er hat eine ursprüngliche Kraft, die Sie innerlich weit macht.

Meditation und Entspannung (leichter gesagt als getan)Achtsamkeit und Innenschau und Gelassenheit erlernen. Neuerdings heißt esstatt „Meditation“: Mitgefühl und Achtsamkeit sich selbst gegenüber, zweiwichtige Tugenden des Buddhismus, die als Grundpfeiler östlicher Heilkunstbei Stresserkrankungen helfen sollen.Erinnerungspunkte (selbstklebend) auf Gegenstände und Möbel kleben, andenen Sie während des Tages öfters vorbeikommen/hinschauen, um Kontrolleüber den Spannungs-/Entspannungszustand zu bekommen:a) Gehen Sie kurz in sich und stellen Sie fest: Bin ich angespannt oder

entspannt?b) Wenn angespannt oder erregt: wenden Sie eine Entspannungsmethode

(durchatmen) anc) Nach einige Wochen können Sie die Punkte entfernen, Sie spüren von

selbst, wenn Sie angespannt sind und können Spannungsreduktionbetreiben.

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Eine Methode wird MBSR genannt: Mindful Based Stress Reduction-Methode oder auf Deutsch: „Stressbewältigung durch die Praxis derAchtsamkeit“, im Jahr 1979 vom amerikanischen Arzt und MeditationslehrerJon Kabat-Zinn entwickelt und angeblich zunehmend in Universitätsklinikenund Krankenhäusern praktiziert. Es ist ein 8-wöchiges-Stressbewältigungs-Programm für Menschen, die unter großer Belastung stehen, und soll dazuhelfen, mit Belastungen aller Art besser umgehen zu können, klareEntscheidungen zu fällen und wieder zur eigenen Mitte zu finden. Es ist keineschnelle Methode, sondern beruht auf einem langsamen Aufbau vonWachheit und Bewußtheit bei all unseren alltägliche Verrichtungen: d.h. aufachtsame Weise seine Schuhe auszuziehen oder den Müll wegzubringen.Diese Tätigkeiten sollen ihre scheinbare Sinnlosigkeit verlieren, jeder einzelneMoment des Lebens ist wertvoll, durch das Leben im Hier und Jetzt habennegative Gedanken keine Chance, uns zu belasten. Konkret: 1 Stunde täglichfrüher aufstehen zum Meditieren, zum Schreiben eines Achtsamkeitsbuches,für Achtsamkeitsübungen (z.B. die Meditation der liebenden Güte, Body Scan:bewusst durch den eigenen Körper gehen...), damit Ihr Leben eine andereQualität bekommt. Sie sollen lernen, in tiefer Stille zu ruhen, jenseits dertäglichen Gedanken und Gefühle. Wie im Ozean: In der Tiefe ist Stille, an derOberfläche ist Bewegung und Unruhe.

Weitere Mediationspraktiken:Autogenes Training, CSM, Relaxation response, Qigong, TranszendentaleMeditation, Yoga, Zen, Kraftentfaltung in Dehnungsübungen : KID-Übungen +Myoreflex-Übungen (manueller Druck an Rezeptoren der Muskeln undSehnen führt zu Neuregulierung der Muskelspannung), Tai-Chi:Hunderttausende allein in Deutschland suchen inzwischen mit Tai-Chi – derchinesischen Bewegungsschule oder auch dem „Schattenboxen“ – deninneren Frieden durch gezielte Entspannung.

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6.3 Auszeiten und Freizeit frei schaufelnund Zeitplanung

Partyweisheit: Ich habe so viel zu tun, dass ich mir Freizeit nicht leisten kann:Wer monatelang durcharbeitet und glaubt, dies dann durch einen langenUrlaub wieder ausgleichen zu können, liegt falsch. Studien an Burnout-Patienten haben gezeigt, dass ein ganzes Jahr Auszeit kaum hilft, wenn esdanach im selben Tempo weiter geht wie zuvor. Vor dem Ausbrennenschützen regelmäßige – auch kurze – Erholungspausen viel besser.

Auszeiten und Freizeit: Zum Entschleunigen ist es hilfreich, regelmäßigAuszeiten zu nehmen und die Freizeit wieder genießen zu lernen, denEnergietank wieder aufzufüllen: selbst wenn Freunde das seltsam empfinden.Dazu sollte gehören:

• einen klaren Feierabend machen• Handy und Computer zu einer bestimmten Uhrzeit abschalten• Dienstmails nicht in der Freizeit abrufen• Anrufbeantworter laufen lassen• keinen Besuch empfangen• in der Natur Kraft tanken• das Schöne und die Freizeit neu entdecken lernen

Zeitplanung, Zeitmanagement zur Entlastung unseres Gedächtnisses: Washeute nicht geschieht, ist morgen nicht getan• Checklisten; Terminkalender• Zu welchen Tageszeiten sind Sie am stärksten? (Primetime)• Zeitreserven einplanen, Puffer für Störungen einbauen• Keine Starrheit, Festgelegtes auch verschieben (ein Plan ist auch dazu

da, um über den Haufen geworfen zu werden).• Große Aufgaben in kleine Einzelschritte zerlegen• Priorität der Aufgaben ist entscheidend für Reihenfolge der

Aufgabenerledigung: Lieber mit einer kleinen Aufgabe anfangen undErfolg haben, als mit einer großen, wichtigen, die man nichthinbekommt.

Nein-Sagen lernen:Den Zeitfresser „anderen helfen“ eliminieren, Altruismus zurückschrauben,überlegen, warum man ständig anderen zu Hilfe kommt und mit der eigenenArbeit hinterher läuft.

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6.4 Mentales Training, Gedankenspiele, gedankliche Umstrukturierung

Partyweisheit: Man kann den Stress doch nicht einfach wegdenken!Sich selbst Sätze (Mantras) vorzubeten wie„Reg Dich doch nicht auf“ oder„Ich schaffe das schon“„In der Ruhe liegt die Kraft“„Wenn Du es eilig hast, gehe langsam“„Mach langsam, Mensch“scheint zuerst einmal albern zu sein – doch es hilft, wenn Sie diese neuenDenkmuster oft genug trainieren. Sie festigen sich dann und es läßt sich IhreReaktion auf Belastungen verbessern (läßt sich auch durch Gehirnforschungbestätigen: Es bilden sich neue Synapsen)

Neue Leitsätze aufbauen, um das Tempo rauszunehmen und den innerenDruck in Zaum zu halten, die Stressauslöser nicht zur Wirkung kommen zulassen und in schwierigen Situationen ruhiger zu bleiben:• 80% sind auch schon genug• Ich mache alles, aber eins nach dem anderen (hilft gegen „Alles

zuviel“)• Ich hole Hilfe• Ich nehme das nicht persönlich• Ich schaffe das schon• Ich konzentriere mich jetzt nur auf das eine Ziel

Mentales Training hilft,sein Potential auch unter Druck auszuschöpfen.Spitzensportler machen es seit langem – Hochspringer, die an derAnlaufmarkierung stehen und vor dem Absprung nochmals dieBewegungsabläufe durchgehen. Skirennläufer, die im Starthäuschenstehend auf die Stöcke gestützt und mit geschlossenen Augen, mit demOberkörper schwankend die Strecke geistig nochmals durchfahren. Ziel ihrermentalen Vorbereitungen ist die Synchronisation von Gedanken undausgeführten Bewegungen. Man stellt sich vorab bis aufs Kleinste vor, wasbeim Sprung, im Rennen geschehen könnte, um richtig und rechtzeitig zureagieren. Ziel ist, unter psychischem Druck sein Potential ausschöpfen zukönnen. Das wird also beim Hochspringer in der Regel nicht dazu führen, dasser statt wie bisher 1.90 Meter nun plötzlich 2.05 Meter sich hochschraubenkann, sondern allenfalls, dass er seine Trainingsleistung oder Höchstleistungauch sicher erreichen kann.

Auch Ärzte und Musiker, aber auch andere Berufsgruppen, könneninzwischen vom mentalen Training profitieren, wenn sie es vor belastendenSituationen richtig einsetzen.• Chirurgen beispielsweise, wenn sie die komplizierten Abläufe einer

endoskopischen Gallenblasenentfernung auch mental einstudieren (alsoimmer wieder im Kopf durchspielen),

• Patienten, deren Beweglichkeit nach einer Hüftgelenksoperationeingeschränkt war, machen in der REHA größere Fortschritte, wenn siesich die angestrebten Gehbewegungen des Beines regelmäßig vor ihreminneren Auge vorstellen.

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Die Situation als gegeben und unveränderbar hinnehmen, statt damit zuhadern. Es ist nun mal so, wie es ist, da werde ich mich jetzt nicht langaufregen. Eine neue Bedeutung, einen neuen Sinn für seine eheraussichtlose Lage finden, sich damit abfinden: Es ist nun mal so, da mußt Dudurch: Was dich nicht kaputt macht, macht dich stark.

Inneren Dialog führen und Perspektivenwechsel vornehmen, um dieinneren Antreiber und Stressverstärker auszuhebeln. Das fällt anfangs – daungewohnt – sicher auch schwer, kann aber mit der Zeit zu einem festenBestandteil Ihrer Reaktion auf eine neue Herausforderung werden. MöglicheFragen sind (Sie müssen es selbst herausfinden, welche Fragen auf Siepassen):• Wie würde ein neutraler Beobachter das Ganze sehen?• Wie werde ich in einer Woche darüber denken? Lachen? Weinen?• Wie wichtig ist diese Sache wirklich, wenn ich an die vor mir stehenden

wichtigen Entscheidungen denke?

Gedankenstopp, Grübelstopp, um gegen immer wiederkehrende kreisendeGedanken und Sorgen vorzugehen, innere Anweisungen, positivesSelbstgespräch und Mantras aktivieren, wenn Ärger und Sorgen nichtablassen, wenn Sie aus dem Grübeln nicht rauskommen.• Wer sich in Gedanken, in Vorstellungsübungen, mit seinen Ängsten und mit

Stress-Situationen auseinandersetzt, wird in der Realität besser mit demStress fertig (siehe z.B. Hochspringer, Skirennläufer):

• Sagen Sie energisch (laut oder in Gedanken) „STOPP“ und lenken Sie IhreAufmerksamkeit auf etwas anderes.

• Am Beispiel der Frau Landgraf: „Stopp, das Warten dauert doch nur wenigeMinuten“

• Wenn Sie immer wieder ins Grübeln zurückfallen, sagen Sie still ein völligsinnfreies Wort vor sich her (z.B. Milantot, Phanitkall) , das hilft, denGrübelsstop besser zum Gelingen zu bringen.

• Wenn Sie z.B. einen Vortrag vorbereiten und auf dem Weg zum Rednerpultvon Angst überwältigt zu werden drohen, hilft eventuell: Ich schaffe dasschon....

Sich Ablenken, wenn aus Ärger, Angst oder Enttäuschung heraus eineextreme Angespanntheit entsteht oder Sie voller Wut sind:• Fluchen, Kraftwörter, um Druck abzulassen• ein paar Schritte vor die Tür gehen• telefonieren• kurze Atem- oder Entspannungsübungen machen• Joggen• ein paar Treppen steigen• Tiere füttern oder Ziege melken• Katzen streicheln

Sorgen in Worte fassen – über Stress und Probleme, Ängste redena) Ängste und Sorgen jemandem anderen mitteilen: nur Du allein schaffst es,

aber allein schaffst Du es nicht – Kollege am Arbeitsplatz, Freund.b) jugendlicher Brauch eines Tagebuchs – kann emotionale Probleme

lindern. Das Problem verliert an Gewicht und Größe, wenn es zu Papier

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gebracht wird, man gewinnt an Kontrolle über das Problem(möglicherweise wie die steinzeitlichen Höhlenmalereien von wildenTieren), Sorgen werden entschärft

c) In der Partnerschaft: eine Insel für Rückzug und Entspannung schaffen,einen Raum für das Auftanken, ein Bollwerk gegen den Stress: Dazugehört: Stress des Partners rechtzeitig erkennen, über den Stress redenund sich gegenseitig unterstützen. Wer in der Beziehung körperliche Näheerlebt, ist besser gegen Stress gewappnet

d) Selbsthilfegruppen aufsuchen und Austausch der Erfahrungen undHilfestellungen

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7. Zusammenfassung

1. Ein Leben ohne jeglichen Stress gibt es nicht. Stress beherrschtunser Leben. Komplette Freiheit von Stress ist der Tod. Die akute,automatisch ablaufende Stressreaktion unseres Körpers war früher und istzum Teil auch jetzt noch überlebenswichtig, um den Körper blitzschnell zuHöchstleistungen zu mobilisieren, das Nervensystem scharf zu schaltenund uns den nötigen Kick für die Herausforderungen des Lebens zu geben.

2. Wenn berufliche oder/und private Belastungen bzw. Stressoren zu lange,zu oft und zu heftig auf uns einwirken und uns unter Strom setzen, gerätdie vegetativ-hormonelle Regulation aus dem Takt. Dies führt dazu,dass sich unser Körper in ständiger Anspannung undAlarmbereitschaft befindet – wie eine Herdplatte, die – einmal zumErhitzen gebracht – lange nachglüht.

3. Chronische Spannungszustände und Überlastung (Distress), Dauer-Stress, gelten inzwischen als eine der größten Gefahren für dasmenschliche Wohlergehen, als Krankmacher Nr. 1. Dauer-Stress kann jenach persönlicher Anfälligkeit, individueller Verarbeitung und Kraftquellenzu ernsthaften Schädigungen unserer Gesundheit und schwerenpsychischen Störungen – bis zum Burnout – führen.

4. Burnout ist ein Zustand chronischer Erschöpfung und negativerGrundeinstelllung zum Leben als Ergebnis vor allem von dauerhafterberuflicher Hochspannung. Wie stressbelastet ich bin und ob ichbereits typische Burnout-Symptome habe, läßt sich mit Hilfe vonpsychologischen und medizinischen Verfahren feststellen.

5. Mit Hilfe der Work-Life-Balance-Wippe lassen sich Anhaltspunkte finden,wie ich als Führungskraft meine ausser Tritt geratene Balance zwischenBelastungen und Anforderungen im Arbeits- und Berufsleben und meinenRessourcen und Bewältigungsmöglichkeiten wieder herstellen kann. AlsFührungskraft habe ich auch die Möglichkeiten und die Aufgabe, mich umdie Work-Life-Balance meiner Mitarbeiter zu kümmern.

6. Es gibt eine Fülle von Methoden der Stress-Prävention undStressbewältigung, gegen das Burnout-Syndrom und zur Verbesserungder Work Life Balance. Jeder von uns muss nach seinen Vorlieben undMöglichkeiten auswählen und probieren und letztlich sein eigenes Anti-Stress-Konzept und Anti-Burnout -Konzept entwerfen. Es gibt gegenStress und Burnout keine schnell wirkenden Wundermittel. Es istschwierig, seinen gewohnten Lebensstil und seineLebensgewohnheiten zu ändern. Mentales Training kann hilfreich sein.