7
Mittelalter und Moderne: Struktur und Form der Herrschaft 20.10.2009 Stéphanie Guillod, Niklaus Buser, Benedikt Vogel 1 Referat: Struktur und Form der Herrschaft 1 Das Lehenswesen Das Lehenswesen, auch Feudalwesen oder Benefizialwesen, steht für das „politisch ökonomische System“ der Beziehungen zwischen Lehnsherren und belehnten Vasallen. Es ist die Grundlage der hochmittelalterlichen Gesellschaftsordnung in Europa. 1.1 Das System Quelle: Eigene Darstellung Oberster Lehensherr war der entsprechende oberste Landesherr (König oder Herzog), der Lehen an seine weltlichen und geistlichen Kronvasallen (Fürsten, Bischöfe) vergab. Diese konnten wiederum Lehen an andere Adelige und Kleriker vergeben. 1.2 Das Prinzip Ein Lehen ist ein verliehenes Gut bei dem sich der Ausgebende (Lehensherr) ein Eigentumsrecht vorbehält und dem Empfangenden (Lehensmann) ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht einräumt. Mit dem Gut (Lehensgut/Lehensobjekt) sind in der Regel Einkünfte verbunden, die dem Lehensmann die Sicherung seines Unterhalts ermöglichen. In der Zeit der agrarisch strukturierten Gesellschaft des Mittelalters bestehen die Lehen meist aus Grundabgaben abhängiger Bauern, später werden diese zunehmend in Geld abgelöst bzw. als Geldlehen vergeben. Der Umfang eines Lehens reicht dabei von einzeln genannten "Pfennigzinsen", den Jahressteuern abhängiger Bauern, über Fruchtzinse bis hin zur insgesamt verliehenen Ortsherrschaft. Lehen und Eigentum ergänzen sich gegenseitig. Das Rechts und Mengenverhältnis zwischen ihnen ist grundsätzlich offen und durch die individuelle Herrschafts und Besitzgeschichte bestimmt. Ein Lehen innezuhaben ist prinzipiell nichts Ehrenrühriges, Eigentum (Allodialbesitz) hat keinen Vorrang im Prestige des Inhabers. Lehenfähig waren anfangs nur Freie, die waffenfähig und im Vollbesitz ihrer Ehre waren. Der Lehensdienst bestand

Strukturen der Herrschaft im Mittelalter

  • Upload
    bevogel

  • View
    3.553

  • Download
    2

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Zusammenfassung des Referats.

Citation preview

Page 1: Strukturen der Herrschaft im Mittelalter

Mittelalter  und  Moderne:     Struktur  und  Form  der  Herrschaft   20.10.2009  

Stéphanie  Guillod, Niklaus  Buser,  Benedikt  Vogel      1  

Referat:  Struktur  und  Form  der  Herrschaft  

1  Das  Lehenswesen

Das   Lehenswesen,   auch   Feudalwesen   oder   Benefizialwesen,   steht   für   das   „politisch-­‐ökonomische  System“  der  Beziehungen  zwischen  Lehnsherren  und  belehnten  Vasallen.  Es  ist  die  Grundlage  der  hochmittelalterlichen  Gesellschaftsordnung  in  Europa.  

1.1 Das  System  

 

Quelle:  Eigene  Darstellung  

Oberster   Lehensherr  war   der   entsprechende   oberste   Landesherr   (König   oder  Herzog),   der  Lehen   an   seine   weltlichen   und   geistlichen   Kronvasallen   (Fürsten,   Bischöfe)   vergab.   Diese  konnten  wiederum  Lehen  an  andere  Adelige  und  Kleriker  vergeben.  

1.2 Das  Prinzip  

Ein   Lehen   ist   ein   verliehenes   Gut   bei   dem   sich   der   Ausgebende   (Lehensherr)   ein  Eigentumsrecht   vorbehält   und   dem   Empfangenden   (Lehensmann)   ein   zeitlich   begrenztes  Nutzungsrecht  einräumt.  Mit  dem  Gut  (Lehensgut/Lehensobjekt)  sind  in  der  Regel  Einkünfte  verbunden,  die  dem  Lehensmann  die  Sicherung   seines  Unterhalts  ermöglichen.   In  der  Zeit  der   agrarisch   strukturierten   Gesellschaft   des   Mittelalters   bestehen   die   Lehen   meist   aus  Grundabgaben  abhängiger  Bauern,   später  werden  diese   zunehmend   in  Geld  abgelöst  bzw.  als   Geldlehen   vergeben.   Der   Umfang   eines   Lehens   reicht   dabei   von   einzeln   genannten  "Pfennigzinsen",   den   Jahressteuern   abhängiger   Bauern,   über   Fruchtzinse   bis   hin   zur  insgesamt  verliehenen  Ortsherrschaft.    Lehen  und  Eigentum  ergänzen  sich  gegenseitig.  Das  Rechts-­‐  und  Mengenverhältnis  zwischen  ihnen   ist   grundsätzlich   offen   und   durch   die   individuelle   Herrschafts-­‐   und   Besitzgeschichte  bestimmt.   Ein   Lehen   innezuhaben   ist   prinzipiell   nichts   Ehrenrühriges,   Eigentum  (Allodialbesitz)  hat  keinen  Vorrang  im  Prestige  des  Inhabers.  Lehenfähig  waren  anfangs  nur  Freie,   die   waffenfähig   und   im   Vollbesitz   ihrer   Ehre   waren.   Der   Lehensdienst   bestand  

Page 2: Strukturen der Herrschaft im Mittelalter

Mittelalter  und  Moderne:     Struktur  und  Form  der  Herrschaft   20.10.2009  

Stéphanie  Guillod, Niklaus  Buser,  Benedikt  Vogel      2  

vorwiegend   aus   Heerfahrt   (Kriegsdienst)   und   Hoffahrt   (die   Anwesenheit   der   Vasallen   am  Hof,  um  mit  Rat  zur  Seite  zu  stehen.  (Bachmann,  S.  21ff.).  

1.3 Pflichten  

Lehensherren  und  Lehensmann  verpflichteten  sich  zu  gegenseitiger  Treue:  Der  Lehnsherr  zu  Schutz  und   Schirm,   der   Lehnsempfänger   zu  Rat  und  Hilfe.  Weiterhin  waren   Lehnsherr  und  Vasall  einander  zu  gegenseitiger  Achtung  verpflichtet.  Im  Allgemeinen  wurde  der  Lehnsmann  als  Gegenleistung  für  seine  Dienste  mit  Land  oder  Freihäusern  ausgestattet.  Es  kam  auch  vor,  dass  er  am  Hof  des  Herrn  Dienste  versah  und  dort  verpflegt  wurde.  Aber  auch  Ämter  und  Hoheitsrechte  über  ein  bestimmtes  Territorium  (feuda  regalia)  konnten  als  Lehen  vergeben  werden.   Dazu   kommen   dann   zahlreiche   Lehen   an   kirchlichen   Rechten,   Kirchenlehen  (Stiftslehen,   feuda   ecclesiastica)   und   Beleihungen   mit   den   mit   einem   Altar   verbundenen  Stiftungen   (feudum   altaragli).   Auch   Barzahlungen   aus   dem   Kronschatz   oder   Gewinne   aus  bestimmten  Zöllen  konnten  als  Lehen  vergeben  werden.  (Bachmann,  S.  21ff.).  

1.4 Kommendation  

Die Freien, welche nicht mehr selbst für sich sorgen konnten, konnten sich in die Hand eines Mächtigeren kommendieren, erhielten dafür Schutz und Unterhalt und waren im Gegenzug zu Treue und Dienst verpflichtet. Ihren Status als Freie verloren sie durch die Kommendation nicht. Die Kommendation geschah durch den sogenannten Handgang, das heißt, der künftige Vassal legte seine gefalteten Hände in die seines Herrn,   die  dieser  umschloss.  Diese  Geste  macht   das   Verhältnis   der   beiden   sehr   deutlich.   Als   sich   immer   mehr   Herren   mit   hoher  sozialer  Stellung  kommendierten,  entstand  das  Lehnswesen.  Dabei  blieb  der  Handgang,  der  zusammen   mit   dem   Treueid   später   als   „homagium“   (lat.),   „hommage“   (franz.),   oder  „mannschaft“  (dt.),  bezeichnet  wurde,  bis  ins  12.  Jahrhundert  der  entscheidende  rechtliche  Akt.  Erst  mit  der  Verbreitung  des  Urkundenwesens  wurde  der  Handgang  vom  Treueid,  der  sich  viel  besser  schriftlich  festhalten  lies,  abgelöst.  (Miller,  S.  13  ff.).  

1.5 Entwicklung  

Nach   und   nach   bildete   sich   dann   der   Grundsatz   der   Erblichkeit   der   Lehen   und   der  Zulässigkeit  des  Weitervergebens  in  Afterlehen  aus.  Letztere  wurden  1037  von  Konrad  II.  mit  der  „Constitutio  de  feudis“  ebenfalls  für  erblich  erklärt.  So  kam  es,  dass  im  12.  Jahrhundert  bereits   alle   Herzogtümer   und   Grafschaften   als   Lehen   vergeben   waren.   Innerhalb   dieser  einzelnen   geistlichen   und   weltlichen   Territorien   bestand   aber   wiederum   ein   vielgliedriges  Lehenswesen.   Erst   im   13.   Jahrhundert   ging   die   Bedeutung   des   Lehenswesens   zurück,   da  anstelle  von  Vasallen  nun  auch  Dienstmannen,  gut  ausgebildete  Männer  eingestellt  wurden.  Die   Könige   förderten   diese   Entwicklung   aus   politischen   Gründen   und   stärkten   so   die  Landesherrschaft,   welche   das   reichsweite   Lehenswesen   ablöste.   Diese   Stärkung   der  Landesherren  sorgte   für  einen  Einfluss,  der  nicht  mehr  rückgängig  zu  machen  war,  so  dass  die   Bedeutung   der   verschiedenen   Fürstentümer   sich   im   Gegensatz   zu   Frankreich   und  England  stetig  an  Bedeutung  gewannen.            

Page 3: Strukturen der Herrschaft im Mittelalter

Mittelalter  und  Moderne:     Struktur  und  Form  der  Herrschaft   20.10.2009  

Stéphanie  Guillod, Niklaus  Buser,  Benedikt  Vogel      3  

2  Hierarchie  der  Macht

2.1  Die  Lehenshierarchie

Quelle:  Spiess,  Karl-­‐Heinz  (2002).  Das  Lehenswesen  in  Deutschland  im  hohen  Mittelalter.  Schesslitz:  Rosch-­‐Buch  Druckerei  GmbH.  S.  27  

2.2  Problem  der  Kategorisierung

Wie  bei  anderen  Themenbereichen  auch,  stellt   sich  beim  Thema  der  Hierarchie  der  Macht  die   verschiedenen   Lebensweisen   in   Europa   über   eine   Zeitspanne   von   fast   tausend   Jahren  zusammen  fassen  zu  müssen.  Die  Macht,  Reichtum,  Rechte  und  Pflichten  der  verschiedenen  Stände  änderten  sich  im  Verlaufe  der  Zeit.  Aber  selbst  zur  gleichen  Zeit  am  gleichen  Ort  ist  es  schwierig  die  Stände  abzugrenzen:  So  bezogen  z.B.   im  13.  Jh.  alle  Reichsfürsten   ihre  Lehen  vom  König.  Die  Lehe  vom  König  zu  beziehen  machte  einem  aber  noch  nicht  zum  Reichsfürst.  (Boockmann,  S.  37).    Die   vorliegende   Standesbeschreibung   ist   deshalb   als   annähernde   Vereinfachung   der  Situation  im  Heiligen  Römischen  Reich  um  die  Jahrtausendwende  zu  verstehen.    

2.3  Beschreibung  der  Titel

2.3.1  Der  König

Der   König   war   die   oberste  Macht   im   Reich.   Theoretisch   hatte   er   damit   die  Macht   selbst  Recht  zu  setzen.  Im  königlichen  Selbstverständnis  war  diese  Macht  von  Gott  gegeben.  Diese  Macht  zeigte  der  König  mit  seinen  Insignien:    Hl.  Lanze,  Reichskrone,  Reichskreuz,  Zepter  und  Reichsapfel.    Qualifikation  für  das  Königsamt  war  vor  dem  10.  Jh.  die  Herkunft  aus  einer  zu  diesem  Amt  berechtigten  Familie.   Später  wählten  die  Kurfürsten  auch  Könige  aus  anderen  Familien  ins  Amt.  Der  Papst  hatte  dich  Macht  dem  König  Kaiserehren  zu  verleihen.  Schon  auf  Grund  der  Grösse  des  Reiches  war  die  Macht  der  Könige  beschränkt.  Ihre  Funktion  bestand  primär   darin   militärischer   Führer   zu   sein.   Zusätzlich   wurde   durch   die   Reichsgrösse   seine  Abhängigkeit   von   der   Gunst   seiner   Untertanen   und   dem   Papst   seine   Macht   beschränkt.  (Auty,  Bautier  et  al.;  Méhu,  S.  133ff).  

2.3.2  Die  Grossen  (Fürst)

Unter  den  Grossen  wird  der  an  der  Reichsregierung  beteiligte  Adel  verstanden.  Dieser  trug  oft   den   Rang   eines   Fürsten,   es   konnten   aber   auch   Herzöge   und   Grafen   zu   diesem   Stand  gehören.  Die  Grossen  herrschten  mit  teilweise  „vizeköniglicher  Gewalt“  über  Teilgebiete  des  

Page 4: Strukturen der Herrschaft im Mittelalter

Mittelalter  und  Moderne:     Struktur  und  Form  der  Herrschaft   20.10.2009  

Stéphanie  Guillod, Niklaus  Buser,  Benedikt  Vogel      4  

Reiches.  Das  Wahlgremium  des  Königs   setzte   sich  aus  Grossen  zusammen.  Ab  dem  13.   Jh.  kann   der   Stand   der   Grossen   definiert   werden   als   jener   Adel,   der   seine   Lehen   direkt   vom  Kaiser   bezieht.  Die  Machtlegitimation  der  Grossen  basierte   auf   der  Gnade  des   Königs   und  der  Erfüllung  des  Lehenseides  gegenüber  der  eigenen  Vasallen.  Zu  deren  Schutz  besass  die  Grossen   eine   Burg.   Bedroht   war   die   Macht   des   Fürsten   durch   die   Machtgelüste   seiner  Nachbarn.  (Boockmann,  S.  36ff).    

2.3.3  Der  Adel

Neben   den   Grossen   gab   es   im   Reich   zahlreiche   weitere   Adelige.   Ihre   gesellschaftliche  Funktion  war  vielfältig.  Sie  waren  Beamte  von  Königen  oder  Fürsten,  Krieger  oder  sicherten  und   verwalteten   Teilgebiet   im   Reich.   Ihre   Macht   war   vor   allem   durch   die   Herkunft  begründet,   ab   dem   Spätmittelalter   stiegen   aber   auch   Bürger   in   den   Adelsstand   auf.   Zum  Adelsstand  gehörten  verschiedene  Privilegien  und  Pflichten.  Ein  Beispiel   für  ein  Privileg   ist  die  Jagd.  (Boockmann,  S.  38ff;  Méhu,  S.  144).      

2.3.4  Die  Ritter

Mit   zunehmender   Ausrüstung   war   es   für   Bauern   vor   der   Jahrtausendwende   zunehmend  nicht  mehr  möglich  neben  der  Bestellung  des  Landes  an  Feldzügen  teilzunehmen.  Vermehrt  übernahmen  Berufskrieger  diese  Funktion.  Daraus  enstand  der  Stand  der  Ritter.  Basis   ihrer  Macht   war   ihre   Kampfkraft   und   Ausrüstung.   Diese   Bestand   mindestens   aus   der   Rüstung,  Speer,  Schwert,  drei  kräftigen  Pferden  und  einem  Knappen.  (Fuhrmann,  S.  51ff).    

2.3.5  Die  Bürger

Als  Bürger  wurden  die  Bewohner  einer  Stadt  bezeichnet,  die  deren  Bürgerrechte  besassen.  Dieses   konnte  durch  die   Zahlung  einer   Summe  an  die   Stadt,   das   Erreichen  eines   gewissen  Reichtums   oder   durch   das   Ablegen   eines   Eides   erworben   werden.   Die   Bürger   genossen  Freiheit   und   waren   dem   städtischen   Gericht   unterstellt,   teilweise   waren   sie   an   der  Stadtregierung  beteiligt.   Im  Gegenzug  mussten  sie  Steuern  zahlen  und  Wehrdienst   leisten.  Einige  Bürger  erreichten  grossen  Reichtum,  diesen  zeigten  sie  durch  repräsentative  Häuser,  edles  Geschirr  und  anderen  edlen  Gütern.  (Méhu,  S.  90ff).    

2.3.6  Der  Papst

Der   Papst   gilt   als   Nachfolger   Petri   und   damit   als   Vertreter   Jesu   auf   Erden.   Dadurch   ist   er  alleiniges  Oberhaupt  der  westlichen  Kirche.  Mit  umfassender  Macht  ist  dieser  Titel  allerdings  erst  im  Hochmittelalter  verbunden.  Davor  war  sein  Einfluss  insbesondere  durch  das  Institut  der   Eigenkriche   beschränkt.   Später   schränkten   Schisma   die   Macht   der   Päpste   ein.   Die  Stellung   des   Papstes   wird   durch   eine   Vielzahl   von   Symbolen   unterstrichen,   einige   davon  zeigen  auch  den  Anspruch  auf  die  weltliche  Macht,  z.B.  die  Papstkrone.  (Auty,  Bautier  et  al.).  

 2.3.7  Der  Bischof

Bischöfe   üben   die   geistliche   Macht   über   mehrere   zu   einer   Diozöse   zusammengefasste  Gemeinden   aus.   Oft   nahmen   Bischöfe   nicht   nur   kirchliche,   sondern   auch  weltliche  Macht  wahr,  z.B.  indem  sie  Lehen  verwalteten.  Bischöfe  stammten  oft  aus  dem  Adel,  dies  diente  oft  dazu  weltliche   und   kirchliche  Macht   zu   verbinden.  Wie   der   Papst   unterstreichen   Bischöfe  

Page 5: Strukturen der Herrschaft im Mittelalter

Mittelalter  und  Moderne:     Struktur  und  Form  der  Herrschaft   20.10.2009  

Stéphanie  Guillod, Niklaus  Buser,  Benedikt  Vogel      5  

ihren  Status  mit  zahlreichen  Symbolen.  Zu  den  wichtigsten  gehören  die  Mitra  (Hut)  und  der  Hirtenstab.  (Auty,  Bautier  et  al.).  

3  Machtkämpfe  zwischen  Laien  und  des  Klerus

3.1  der  Investiturstreit  (1075  -­  1122)

1065  wurde  der  König    Heinrich  IV.  volljährig.  1073:  Ernennung  des  Papstes  Gregor  VII. Der  Investiturstreit  ist  ein  Konflikt  zwischen  weltlicher  und  geistlicher  Macht  in  Deutschland. Heinrich  IV.  griff  sehr  oft  in  die  Amtseinsetzung  von  Erzbischöfen  und  Bischöfen  ein.  Gregor  VII.  war  damit  nicht  einverstanden  und  begann  mit  Heinrich  IV.  zu  verhandeln.  1075  bannte  der   Papst   Gregor   VII.   als  Warnung   einige   Ratgeber   des   Königs   Heinrich   IV.. Im   Dezember  1075  drohte  Gregor  VII.  dem  König  ihm  ebenfalls  mit  der  Bannung,  sollte  Heinrich  IV.  nicht  einlenken.   Heinrich   IV.   verbündete     sich   auf   dem  Wormser   Reichstag   im   Januar   1076  mit  dem  deutschen  Episkopat  gegen  Gregor  VII.  Zusammen  forderten  sie  Gregor  VII.  vom  Stuhle  herabzusteigen.   Gregor   VII.   antwortete   rasch   darauf   und   erklärte   1076   den   König   für  abgesetzt    und  befreite  all  seine  Untertanen  vom  Treueid. Im   Januar   1077   trafen   sich   Heinrich   IV.   und   Gregor   VII.   auf   der   Burg   Canossa.   Der   König  erniedrigte  sich  und  bot  um  seine  Königswürde  (Bild  Kniefall). Einige  Tage  später  löste  aber  der  Papst  Heinrich   IV.  vom  Kirchenbann. Am  15.  März  1077  wurde  Rudolf  von  Rheinfelden  als  Gegenkönig  gewählt.  Gregor  VII.  wiederholte  den  Bann  über  Heinrich  IV.  und  war  auf  der  Seite  von  Gegenkönig  Rudolf  Rheinfelden.  In  einer  Schlacht  im  Oktober  1080,  in  der  Heinrich  IV.  und  Rudolf  von  Rheinfelden  gegeneinander  kämpften,    starb  der  Gegenkönig. Ein   neuer   Papst   wurde   1084  mit   Hilfe   von   Heinrich   IV.   gewählt.   Heinrich   IV.   liess   sich   an  Ostern  1084  von  ihm  als  Kaiser  krönen.  Gregor  VII  erfuhr  zu  spät  davon  und  ging  ins  Exil  und  starb  ein  Jahr  später. Heinrich   IV.  Am  7.  August  1106  starb  plötzlich  Heinrich   IV.   in  Lüttich.  Sein  Nachfolger,  sein  Sohn  Heinrich  V.   hatte  mit   der  Unterstützung   vom  Papst   Paschalis   II.   sein   Vater   gefangen  genommen. Im   Jahr   1111   nahm   König   Heinrich   V.   noch   jemanden   gefangen:   den Papst  Paschalis   II.! Der   Papst  war   gezwungen,   dem  König   das   Investiturrecht   zu   übertragen   und  Heinrich  V.  zum  Kaiser  zu  krönen,  was  auch  am  13.  April  1111  geschah. 1122   wurde   einen   Vertrag,   das   Wormser   Konkordat   zwischen   dem   Reich   und   der  katholischen   Kirche   geschlossen.   Beim  Wormser   Konkordat   kamen   Kaiser   Heinrich   V.   und  der   Papst   Calixt   II.   zu   einer   Kompromisslösung,   die   den   jahrelangen   Investiturstreit  beendete. Der  Papst  gestattete  dem  König  in  Deutschland,  dass  er  bei  der  Wahl  der  Bischöfe  anwesend  sein  dürfe  und  der  gewählte  Bischof   Ihm  anschließend  seine  Treue  schwören  müsse.  Dafür  verzichtete   der   König   wiederum   auf   das   Recht   der   Investitur   und   erklärte   sich   damit  einverstanden,  dass  der  Papst  die  hohen  Geistlichen  einberuft.

3.2  Die  Plünderei  von  Einsiedeln  (1314)  

Krieg  zwischen  den  weltlichen  Schwyzern  und  den  Geistlichen  des  Klosters  Einsiedelns. Die   Schwyzer   hatte   die   Reichsunmittelbarkeit,   was   heisst,   dass   sie   direkt   mit   dem   Kaiser  verhandeln  konnten  und  sollten.  Eine  kommunale  Macht  entstand,  da  die  Schwyzern  keinem  Herren  unterstellt  waren.  Da  das  Kloster  ein  Territorium  hatte,  handelt  es,  als  ob  es  ein  Herr  wäre,  in  dem  es  Steuer  erhob.  Aufgrund  dieses  Streits  fand  die  Plünderei  in  Einsiedeln  statt.

Page 6: Strukturen der Herrschaft im Mittelalter

Mittelalter  und  Moderne:     Struktur  und  Form  der  Herrschaft   20.10.2009  

Stéphanie  Guillod, Niklaus  Buser,  Benedikt  Vogel      6  

Wichtig   zu   sagen,   ist   es,   dass   das   Gleiche   auch   zwischen   zwei  weltlichen   bzw.   geistlichen  Parteien  hätte  passieren  können.  Es  ging  also  damals  bei  Machtkämpfe  zwischen  Laien  und  des   Klerus   nicht   um   ideologische   Kämpfe,   sondern   um   den   Streit   um   mehr   Besitz   zu  erlangen.

4  Entstehung  neuer  ‘‘demokratischen’’  Prozesse

Im   12.   Jahrhundert   in   Frankreich   entstand   die   so   genannten   „chartes   de   franchise“  (Handfeste).  Diese  waren  ein  Vertrag  zwischen  dem  Herrn  einer  Region  bzw.  einer  Stadt  und  deren  Einwohnern.  Sie  gewährten  der  Bevölkerung  Rechte  und  Freiheiten.  Das  primäre  Ziel  dieser  chartes  de  franchise  war  Leute  herbeizulocken  mithilfe  von  Übergabe  von  Rechten. Die  Bürger  einer  Stadt,  die  eine  „charte  de   franchise“  unterzeichnet  hatten,   schlossen  sich  zusammen   und   schafften   somit   eine   Miliz   zum   Schutz   und   Leiten   (Verwalten)   der   Stadt.  Diese   „charte   de   franchise“ waren   in   Frankreich   und   der  Westschweiz  weit   verbreitet,   im  Gegensatz   zu   Deutschland.   Dort   war   übrigens   eher   die   Rede   von   Weistümern   als   von  Handfesten. Die  Konsequenzen  dieser  „chartes  de  franchise“  waren  für  beide  Länder  ziemlich  identisch:  Eine   rasche   Entwicklung   der   Städte   und   des   Handels   als   auch   die   Entstehung   einer  demokratischen  Oligarchie.  

Quellenangaben

Auty,   R.   &   Bautier,   R.-­‐H.   (1980-­‐1998).   Lexikon   des   Mittelalters   Band   1   -­‐   10.   München:  Artemis.  Bachmann,   M.   (2000).   Lehenhöfe   Grafen   und   Herren   im   ausgehenden   Mittelalter.   Das  Beispiel  Rienecke,  Wertheim  und  Castell.  Köln:  Böhlau  Verlag.  Balard,  M.  et  al  (2003).  Le  Moyen  Âge  en  Occident.  Paris:  HU  Histoire,  Hachette  supérieur.  Boockmann,  H.  (1992).  Einführung  in  die  Geschichte  des  Mittelalters.  5.  Aufl.  München:  C.  H.  Beck.  Fourquin,  G.   (1970).  Seigneurerie  et   féodalité  au  moyen  âge.  Paris:  Presse  universitaire  de  Francev.  Fuhrmann,  H.  (1987).  Einladung  ins  Mittelalter.  München:  C.  H.  Beck.  Graf  von  der  Recke  von  Volmerstein,  A.   (2003).  Lehndienst  und  adlige  Wirtschaftsführung  im   Spätmittelalter   dargestellt   am   Leben   Dietrichs   von   Volmerstein.   Memmingen:  Universitätsverlag  Winter  GmbH  Heidelberg.  Laudage,  J.  (2006).  Der  Investiturstreit,  Quellen  und  Materialien.  Köln:  Böhlau  Verlag.  Le  petit  Mourre   (2004).  Dictionnaire  d’histoire  universelle,  Querelle  des   investitures.  Paris:  Edition  Bordaon  Gras.  S.  684.  Miller,  M.  (2004).  Mit  Brief  und  Revers.  Das  Lehenswesen  Württenbergs  im  Spätmittelalter.  Quellen  –  Funktion  –  Topographie.  Leinfelden-­‐Echterdingen:  DRW-­‐Verlag.  Rösener,   W.   (1989).   Strukturen   der   Grundherrschaft   im   frühen   Mittelalter.   Göttingen:  Vandenboeck  &  Ruprecht.  Spiess,   K.-­‐H.   (2002).   Das   Lehenswesen   in   Deutschland   im   hohen   Mittelalter.   Schesslitz:  Rosch-­‐Buch  Druckerei  GmbH.      

Page 7: Strukturen der Herrschaft im Mittelalter

Mittelalter  und  Moderne:     Struktur  und  Form  der  Herrschaft   20.10.2009  

Stéphanie  Guillod, Niklaus  Buser,  Benedikt  Vogel      7