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Strukturoptimierung Grundlagen und Anwendungen von Lothar Harzheim 1. Auflage Harri Deutsch 2007 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 8171 1809 0 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

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Strukturoptimierung

Grundlagen und Anwendungen

vonLothar Harzheim

1. Auflage

Harri Deutsch 2007

Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

ISBN 978 3 8171 1809 0

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

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8 Formoptimierung

Bei der Formoptimierung oder Gestaltoptimierung [14], [78], [218] wird die Form eines Bauteilsvariiert, um die optimale Gestalt zu bestimmen. Dazu müssen die möglichen Formvariationendefiniert und dem Optimierungsprogramm übergeben werden. Dies kann je nach Problemstellungund verfügbaren Programmen sehr schwierig und zeitaufwendig sein. Die Formoptimierung stelltsomit sicherlich eine anspruchsvolle und arbeitsintensive Form der Optimierung dar.

Einer der Haupteinsatzfelder der Formoptimierung ist die Reduktion von Spannungsspitzen unddamit die Erhöhung der Lebensdauer eines Bauteils. Fälschlicherweise wird häufig angenommen,dass immer Material hinzugefügt werden muss, um Spannungen zu reduzieren. Dies mag bei einemBlech, bei dem nur die Wandstärke variiert werden darf, zutreffen. Dagegen kann ein Bauteil nacheiner Formoptimierung durchaus auch weniger Gewicht aufweisen. Der Grund dafür ist, dass durchWegnehmen von Material im zu optimierenden Bereich die Außenkontur ausgerundet und geglättetund dadurch die Kerbspannung in diesem Bereich abgebaut werden kann. Dies ist in Abbildung8.1 am Beispiel eines gekerbten Zugstabes demonstriert. Die Spannungsspitze im Kerbgrund kann

Abb. 8.1 Gekerbter Zugstab als Ausgangskontur, ein verbessertes und das optimale Design

Abb. 8.2 CAD- und Netz-basierte Methode zur Erzeugung von Formvariationen

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durch Ausrunden der Kerbe und damit durch Wegnahme von Material reduziert werden, wobei sichals optimale Form ein Zugstab ergibt, der den verfügbaren Bauraum voll ausnutzt.

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Formvariationen zu definieren (Abbildung 8.2). Bei der CAD-basierten Methode werden die Designvariablen direkt an die CAD-Parameter eines parametrisiertenCAD-Modells gekoppelt. Die Vorgehensweise ist beispielsweise in Programmen wie UNIGRA-PHICS <UG>, Pro/Enginieer <PTC> oder Pro/MECHANICA <PTC> implementiert. Die andereMöglichkeit benutzt nicht die CAD-Beschreibung des Bauteils, sondern nur das FEM-Netz, das jaauch eine geometrische Beschreibung darstellt. Dieser Netz-basierte Zugang findet in Programmenwie MSC/Nastran <MSC>, OptiStruct <Altair>, TOSCA <FE-Design> oder CAO <CAOSKO>Verwendung.

8.1 CAD-basierte Formoptimierung

Es erscheint die natürlichste und auch einfachste Methode zu sein, die Möglichkeit die CAD-Beschreibung des Bauteils für die Formoptimierung zu nutzen, indem die Designvariablen einfachan die CAD-Parameter gekoppelt werden. In Abbildung 8.3 ist der prinzipielle Ablauf einer CAD-basierten Formoptimierung dargestellt. Die Designvariablen greifen auf die Datei zu, die die Werteder CAD-Parameter des CAD-Modells enthält und aktualisieren dort die Werte der ausgewähltenParameter. Auf dieser Basis erzeugt das CAD-Programm das modifizierte Modell, das anschließendautomatisch vernetzt wird. Nach dem Aufbringen der Randbedingungen wird dann die Analysedurchgeführt und die Ergebnisse dem Optimierungsalgorithmus übergeben, der daraufhin die Werteder Designvariablen modifiziert. In einigen CAD-Programmen, wie beispielsweise in UNIGRA-PHICS <UG> und Pro/Enginieer <PTC>, ist der gesamte Ablauf im System integriert, sodasskein Zusatzprogramm benötigt wird. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die automatischeVernetzung und das Aufbringen der Randbedingungen von einem Pre-Prozessor durchführen zulassen [214]. Dazu wird ein externer Optimierer benötigt, der den Optimierungsalgorithmus zurVerfügung stellt und den Prozessablauf steuert. Eine Sonderrolle spielen hierbei FEM-Programmewie Pro/MECHANICA <PTC>, in denen es intern möglich ist, auf CAD-Parameter zuzugreifenund auch einfache Geometrien zu erzeugen.

Abb. 8.3 Ablauf einer CAD-basiertenFormoptimierung

Der Vorteil der CAD-basierten Formoptimierung liegt darin, dass die Geometriebeschreibung desCAD-Systems verwendet wird und somit am Ende der Optimierung das optimierte Bauteil in derbenötigten CAD-Beschreibung vorliegt. Weiterhin treten bei Formänderungen keine Netzverzerrun-gen auf, weil nach jeder Modifikation ein neues Netz generiert wird. In der praktischen Anwendungergeben sich jedoch häufig Probleme, die diesen Zugang erschweren und teilweise auch unmöglichmachen.

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So ist eine Grundvoraussetzung, dass die CAD-Daten fehlerfrei sind. Dies ist jedoch gerade beikomplexen Bauteilen nicht immer der Fall. Selbst wenn dies zutrifft, kann schon bei geringenFormänderungen die CAD-Beschreibung versagen und das CAD-Modell nicht mehr aufgebautwerden. Eine weitere Problemquelle stellen die automatischen Vernetzer dar, die trotz großerFortschritte auf diesem Gebiet bei der Neuvernetzung versagen können. Weiterhin ist eine Vor-aussetzung für die Formoptimierung, dass der Konstrukteur sein Modell so aufgebaut hat, dassdie für Optimierung erwünschten Formänderungen auch erzeugt werden können. Dies setzt beidiesem ein Verständnis und Grundwissen in der Optimierung voraus, das normalerweise über das fürdie Konstruktionstätigkeit benötigte hinausgeht und das sich der Konstrukteur zusätzlich aneignenmuss. Der Berechnungsingenieur muss dagegen den Aufbau des CAD-Modells sehr genau kennen,um die Parameter als Designvariable nutzen zu können. Das erfordert von ihm Erfahrung mit demCAD-Programm und dem Aufbau von CAD-Modellen, was beides gerade bei komplexen Bauteilenüber das übliche Wissen eines Berechnungsingenieurs hinausgehen kann.

Wie bedeutend die oben erwähnten Probleme sind, hängt natürlich sehr stark vom Arbeitsumfeldab. So werden die das Spezialwissen des Konstrukteurs und Berechnungsingenieurs betreffendenPunkte in einem kleineren Betrieb, in dem Konstruktion und Berechnung von derselben Personausgeführt werden, weniger relevant sein als in einem großen Betrieb, in dem Berechnung undKonstruktion getrennt sind.

Eine Sonderrolle nimmt das Programm SFE-Concept <SFE> ein. Wie der Name schon suggeriert,ist es hauptsächlich für den Einsatz in der Konzeptphase gedacht [268]. Hier kommt es wenigerauf die Details an, sondern eher darauf, verschiedene Konzepte schnell umsetzen zu können.Hierfür erlaubt das Programm, ein Modell ohne allzuviele Details relativ schnell parametrischaufzubauen, ein FE-Modell zu erzeugen und eine Analyse durchzuführen. Darüber hinaus kannman auch Varianten von Baugruppen definieren und in einer Datenbank ablegen, um sie beiBedarf schnell einbauen oder austauschen zu können. Ein Beispiel dafür sind verschieden Variantenvon Karosserieknoten, um Profile miteinander zu verbinden. Der parametrische Aufbau erlaubtjedoch nicht nur den schnellen Aufbau von Varianten, sondern auch eine Optimierung, indem dieDesignvariablen an diese Parameter gekoppelt werden. Das Programm ersetzt jedoch kein CAD-System, sodass nach der Konzeptphase oder nach einer Optimierung das Ergebnis in einem CAD-System umgesetzt werden muss.

Zum Abschluss sind anschließend nochmals die Vor- und Nachteile der CAD-basierten Methodezusammengefasst:+ Parameter als Designvariable+ Neuvernetzung nach jeder Formänderung+ Optimierte Form als CAD-Modell− CAD Modell normalerweise nicht auf Formoptimierung zugeschnitten− Erzeugung eines CAD-Modells für Formoptimierung kann zeitaufwendig sein− Automatische Neuvernetzung kann versagen− Aufbau eines modifizierten CAD-Modells kann versagen− Auswahl der relevanten Parameter aus umfangreicher Liste kann mühselig sein

8.1.1 Anwendungsbeispiele

Als Anwendungsbeispiele werden zwei Optimierungen beschrieben, die beide mit Pro/Mechanica<PTC> durchgeführt wurden.

8.1.1.1 Torsionsprofils einer Verbundlenker-Hinterachse

In Abbildung 8.4 ist das halbe Modell einer Verbundlenker-Hinterachse mit der Lasteinleitung fürden Lastfall Torsion gezeigt. In dem Modell wurde der Lenker vereinfacht, das zu optimierende

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Torsionsprofil dagegen detailliert abgebildet. Das Profil besteht aus einem Rohr, dass in der Mittezu einem U-förmigen Querschnitt umgeformt wurde. Für den kritischsten Lastfall Kurvenfahrt(Torsion) traten im Rohr in dem Übergangsbereich vom U-förmigen zum kreisförmigen Quer-schnitt erhöhte Spannungen auf, die reduziert werden sollten. Für die Ausgangskontur wurden 5Querschnitte in dem Bereich zwischen U- und kreisförmigen Querschnitt erzeugt, die dann alsKontrollkurven einer neu definierten Flächenbeschreibung im Übergangsbereich fungierten. DieFläche konnte nun variiert werden, indem die Kontrollkurven gegeneinander verschoben und derenForm verändert wurde (Abbildung 8.5).

Abb. 8.4 Halbes Modell einer Verbund-lenker-Hinterachse mit Lasteinleitung fürden Lastfall Torsion

Abb. 8.5 Ausgangsform der Übergangbereichs, Definition der Designvariablen und Spannungsverteilung(von Mises) der Ausgangsform und des optimierten Designs

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8.1 CAD-basierte Formoptimierung 159

Als zu minimierende Zielfunktion wurde die maximale Spannung σmax im Übergangsbereichgewählt. Zusätzlich wurde gefordert, dass sich die Torsionsrate des Profils nicht ändern sollte. Dieswurde durch eine Restriktion auf die Verschiebung dz am Kraftangriffspunkt berücksichtigt. DasOptimierungsproblem lautete somit:

min σmax, (8.1)

sodass

dz � dLz

xLi � xi � xU

i ; i = 1, 5

Das Ergebnis der Optimierung ist in Abbildung 8.5 dargestellt. Die maximale Spannung imÜbergangsbereich konnte durch die Optimierung um 38 % reduziert werden.

8.1.1.2 Motorhalter

Abbildung 8.6 zeigt das Modell eines Motorhalters, der gewichtsmäßig optimiert werden sollte[86]. Da bei diesem nur die Eigenfrequenzen und keine Spannungen berücksichtigt werden sollten,wurden Wände, Boden und Rippen durch einfache ebene Flächen mit geraden Kanten abgebildet,die dann mit Schalenelementen vernetzt wurden. So konnten sowohl Änderungen in den Höhen derRippen und Wände, als auch die Verschiebung der Rippen innerhalb des Profils leicht umgesetztwerden. Auf diese Weise wurden 13 Designvariablen definiert, von denen 6 exemplarisch inAbbildung 8.6 dargestellt sind. Zusätzlich wurden mit 23 Designvariablen die Wandstärke desBodens, der einzelnen Rippen und der Wände variiert. Das Optimierungsziel lautete:

min Gewicht (8.2)

sodass

ν1 � 330 Hz

xLi � xi � xU

i ; i = 1, 36

Abb. 8.6 Modell des Motorhalters und 6 von insgesamt 13 Formvariationen

Dabei lag die erste Eigenfrequenz der Anfangsstruktur bei 306 Hz, sodass die Optimierung imnichtzulässigen Bereich startete. Dies ist im Allgemeinen nicht unbedingt eine empfehlenswerte

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Strategie, weil nicht sichergestellt werden kann, dass der Optimierer aus dem nicht zulässigenBereich herausfindet. Bei diesem Beispiel war die Optimierung jedoch erfolgreich und führte zueinem Ergebnis, bei dem 10 % Gewicht eingespart und die Frequenzrestriktion eingehalten werdenkonnte (Abbildung 8.7). Ein „Mode Tracking“ war hier nicht zwingend erforderlich, weil die zweiteEigenfrequenz mit einem Wert um 420 Hz hinreichend weit von der ersten Frequenz entfernt lag.

Abb. 8.7 Ausgangsdesign und optimiertes Design des Motorhalters

8.2 FEM-Netz-basierte Formoptimierung

Bei der Netz-basierten Formoptimierung wird zur Geometriebeschreibung eines Bauteils nichtdie CAD-Beschreibung, sondern nur das FEM-Netz verwendet. Sie kann deshalb vollkommenunabhängig vom CAD-Modell des Bauteils durchgeführt werden. Die Formvariationen werdendurch Verschiebung der Knoten des FE-Netzes erzeugt. Ein Beispiel einer solchen Formvariationist in Abbildung 8.2 für einen einfachen Balken gezeigt.

Man kann bei der Netz-basierten Formoptimierung zwei Typen von Optimierungsverfahren un-terscheiden. Bei Verwendung eines mathematischen Optimierungsalgorithmus werden so genann-te Formbasisvektoren zur Beschreibung der Formvariationen verwendet, während beim CAO-Verfahren, das auf einem Optimalitätskriterien basiert, direkt auf die Koordinaten der einzelnenKnoten zugegriffen wird. Beide Möglichkeiten werden in den folgenden Kapiteln im Detailvorgestellt.

8.2.1 Formoptimierung mit Formbasisvektoren

Da bei der Netz-basierten Formoptimierung nur die Knoten verschoben werden und die Netztopo-logie nicht verändert wird, kann die Form eines Bauteils mit N Knoten einfach durch einen Vektor

R−→(0)

der Dimension 3N charakterisiert werden, in dem die Koordinaten r−→(i), i = 1, N, aller Knotendes Netzes zusammengefasst werden:

R−→(0)T =

(r−→(0)(1), r−→(0)(2), r−→(0)(3), . . . , r−→(0)(N)

). (8.3)

Bezeichnet man mit R−→(0)

den Vektor, der die Ausgangsform charakterisiert, so erhält man eine

Formvariation R−→

, indem man zu R−→(0)

einen Verschiebungsvektor (Abbildung 8.8)

T−→T

=(

t−→(1), t−→(2), t−→(3), . . . , t−→(N))

(8.4)

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8.2 FEM-Netz-basierte Formoptimierung 161

hinzuaddiert.

R−→

= R−→(0)

+ T−→

(8.5)

Abb. 8.8 Teilausschnitt eines FEM-Netzes einerAusgangsform (oben) und erzeugte Formvariationdurch Hinzuaddieren von Verschiebungsvektoren(unten)

Dabei ist t−→(i) der Verschiebungsvektor für Knoten i. Ein solcher 3N-dimensionaler Verschiebungs-vektor T

−→heißt Formbasisvektor (Shape Basis Vector) oder einfach nur Basisvektor und wird in der

Literatur auch als Grundgestalt oder Form-Mode bezeichnet. Multipliziert man den Basisvektor miteiner Designvariablen x

R−→

= R−→(0)

+ x T−→

, (8.6)

so kann man durch Variation der Entwurfsvariablen x von 0 bis 1 die Form stetig von derAusgangsform in die variierte Form überführen. Um wirklich komplexe Formänderungen erzeugenzu können, müssen jedoch nicht nur einer, sondern mehrere Basisvektoren verwendet werden, wobeijeder einzelne mit einer Designvariablen xi gewichtet wird:

R−→

= R−→(0)

+M

∑i=1

xi Ti−→

. (8.7)

Mathematisch gesehen spannen die M Basisvektoren den Raum der möglichen Formvariationenauf. Das Optimierungsprogramm ermittelt dann aus diesem Raum die Werte der Designvariablen,deren Linearkombination die optimierte Form ergeben.

In den Programmen MSC/Nastran <MSC> und OptiStruct <Altair> werden die Basisvektoren überdas Schlüsselwort DVGRID in der Eingabedatei definiert. Eine Zeile

DVGRID, DV-ID, N-ID, t−→(N − ID)

definiert den Verschiebungsvektor des Knotens mit der Nummer N-ID, welcher der Designvariablenmit der Nummer DV-ID zugeordnet wird. Da zur Definition eines Basisvektors die Verschiebungs-vektoren vieler Knoten notwendig sind, enthält die Eingabedatei eine große Anzahl von Zeilen mitdem DVGRID-Schlüsselwort.

Es scheint nahe liegend zu sein, einfach solche Basisvektoren zu verwenden, bei denen pro Vektorjeweils nur ein Knoten auf der zu optimierenden Oberfläche verschoben wird. Dadurch kanndie größtmögliche Vielfalt von Formen erzeugt werden und es entfällt die Notwendigkeit, sichGedanken über die Auswahl der Formvariationen zu machen. In der Praxis bewährt sich dieseStrategie jedoch nicht. Der Grund dafür ist, dass sich durch Verschieben einzelner Knoten große

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Netzverzerrungen ergeben können. Die daraus resultierenden Diskretisierungsfehler verfälschen dieStrukturantworten, wie Steifigkeit und Spannungen, normalerweise so, dass sich eine umso größereVerbesserung der Zielfunktion ergibt, je mehr das Netz verzerrt wird. Der Optimierungsalgorithmusmaximiert in dem Fall die Diskretisierungsfehler statt das physikalische Problem zu optimieren[34], [78]. Ein typisches Beispiel ist in Abbildung 8.9 für eine bi-axial belastete Lochplattedargestellt, bei der die vertikale Belastung doppelt so hoch ist wie in horizontaler Richtung. DieAufgabe lautet, die Lochform zu finden, bei der die „von Mises“-Spannung entlang des Lochrandshomogen ist. Hier wurden die Basisvektoren so gewählt, dass jeweils nur ein Knoten auf demLochrand verschoben wird. Das zu lösende Optimierungsproblem lautet

min Gewicht (8.8)

sodass

σvM( j) � σ maxvM ; j ∈ L

xLi � xi � xU

i ; i = 1, 11,

wobei σvM( j) die „von Mises“-Spannung des Elementes j am Lochrandes L ist und als obereGrenze σ max

vM der Restriktion die Spannung des Elements links unten (= maximale Spannung beikreisförmigen Lochrand) verwendet wird. Die optimale Form, die sich als Lösung dieses analytischlösbaren Problems ergibt, ist eine Ellipse mit dem Achsenverhältnis 2 : 1. Zwar zeigt das Ergebnisin Abbildung 8.10 eine grobe Ähnlichkeit mit der theoretischen Lösung, jedoch wird deutlich,dass der Optimierungsalgorithmus infolge der falschen Spannungswerte beim verzerrten Netz inRichtung des maximalen Diskretisierungsfehlers gelaufen ist. Dass der obere und untere Rand eineglatte Kontur aufweist, ist nur darauf zurückzuführen, dass dort die Designvariablen an die oberenGrenzen gestoßen sind.

Abb. 8.9 Ausgangsmodell einer bi-axial belasteten Lochplatte mit Randbedingungen, das reduzierteViertelmodell nach Ausnutzen der Spiegelsymmetrie und 4 exemplarisch herausgegriffene der insgesamt11 Basisvektoren

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Abb. 8.10 Ergebnis des Optimierungsproblems (8.8) für das Viertelmodell und das resultierende ganzeModell

Um ein solches Fehlschlagen der Optimierung zu verhindern, sollten als Basisvektoren nur Ver-schiebungsfelder verwendet werden, die eine glatte und gleichmäßige Formvariation erzeugen undsomit die Netzverzerrung möglichst gering halten. Dabei bestimmt die Auswahl der Basisvektoren,welche Formvariationen erzeugt werden können. So kann mit zwei linearen Basisvektoren, wie inAbbildung 8.11 gezeigt, je nach Wert der dazugehörigen Designvariablen, jede beliebige lineareFormvariation erzeugt werden, jedoch nicht eine Formvariation höherer Ordnung. Dafür müssenBasisvektoren verwendet werden, wie beispielsweise die 6 Basisvektoren in Abbildung 8.12, derenLinearkombination die Erzeugung jeder Form ermöglicht, die durch ein Polynoms 5-ten Gradesbeschrieben werden kann. Ist das optimale Design nicht als Linearkombination der ausgewähltenBasisvektoren darstellbar, kann dieses mit der Optimierung nicht erreicht werden. Man erhält dannnur das beste Design in dem durch die Basisvektoren definierten Designraum. Je weiter dieses besteDesign vom optimalen Design entfernt ist, umso schlechter wird dabei das Optimierungsergebnisausfallen. Der Benutzer legt somit durch seine Auswahl von Basisvektoren fest, wie gut dasOptimierungsergebnis am Ende sein kann. Da die mathematische Beschreibung der optimalen Formjedoch normalerweise nicht bekannt ist, empfiehlt es sich, eine möglicht allgemeine Formulierungfür die Basisvektoren, wie beispielsweise Polynomansätze, zu verwenden. Dabei zeigt es sich inder Praxis, das Polynomansätze vom Grad 4 – 6 normalerweise ausreichend sind und sich ab einemPolynomgrad von 10 keine Unterschiede mehr ergeben.

Abb. 8.11 Zwei lineare Basisvektoren und 3 exemplarische Formen,die sich als Linearkombination erzeugen lassen

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164 8 Formoptimierung

Abb. 8.12 Basisvektoren, mit denen sich jede Form eines Polynoms 5-ten Grades als Linearkombinationdarstellen lässt

Nicht immer sind jedoch Formvariationen höherer Ordnung notwendig. Um dies zu erläutern, sindin der folgenden Tabelle 8.1 die verschieden Typen von Formänderungen aufgelistet, die für dieOptimierung eines Gussteils benötigt werden:

Tabelle 8.1 Typen von Formänderung bei Gussteilen

Typ Beschreibung

1 Detaillierte Formänderung zur Reduktion oder unter Berücksichtigung von Spannungen

2 Wandstärkenänderung von Rippen und Wänden

3 Verschieben der Lage einer Rippe in einem offenen Profil

4 Ändern von Radien

Da bekannt ist, dass Geometrien mit gleichmäßigem oder reduziertem Spannungsniveau komplexsind, kann man bei dem ersten Typ nicht erwarten, mit einer linearen Formvariation Erfolg zu haben.Hier müssen im Allgemeinen Formvariation höherer Ordnung verwendet werden. Anders sieht esbei einer Wandstärkenänderung einer Rippe aus. Im Gegensatz zu einem Schalen-Modell, bei demeine Wandstärkenänderung ein einfaches Dimensionierungsproblem ist, müssen bei einem GussteilSolid-Elemente verwendet werden, um brauchbare Simulationsergebnisse für die Spannungen zuerhalten. Damit muss eine Wandstärkenänderung einer Rippe über einen Formbasisvektor erzeugtwerden. Hier ist jedoch im Allgemeinen eine lineare Formänderung ausreichend. Das Gleiche giltauch für das Verschieben von Rippen und für die Änderung von Radien.

Generell ist die Erzeugung der Basisvektoren immer das Hauptproblem und der zeitaufwendigs-te Teil bei einer Netz-basierten Formoptimierung. Das Fehlen von brauchbaren kommerziellenProdukten führte in der Vergangenheit dazu, dass die Formoptimierung nur selten in der Praxisverwendet wurde. Über viele Jahre war HyperMesh-AutoDV <Altair> von der Firma Altair daseinzige kommerzielle Programm auf dem Markt. Mit diesem können jedoch nur lineare Form-variationen und eine quadratischen Formvariation erzeugt werden, die an den Rändern in der 1.Ableitung unstetig ist. Dies ist aber gerade für Probleme ungeeignet, bei denen Spannungen eineRolle spielen, weil damit keine glatten Konturen erzeugt werden können. Heutzutage gibt es jedochkommerzielle Programme, die die Erzeugung von Formbasisvektoren mit akzeptablem Aufwandermöglichen. In den nächsten Kapiteln werden diese zusammen mit den in der Vergangenheitverwendeten Möglichkeiten vorgestellt und diskutiert.

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8.2 FEM-Netz-basierte Formoptimierung 181

8.2.1.5 Diskussion der Vor- und Nachteile der Formoptimierungmit Formbasisvektoren

Der größte Vorteil der Formoptimierung mit Formbasisvektoren ist sicherlich, dass man vomCAD-Modell unabhängig ist und nicht mehr darauf angewiesen ist, ein bis ins Detail sauberdurchkonstruiertes und auf die Formoptimierung zugeschnittenes CAD-Modell zu erhalten. Sobaldein FE-Modell vorliegt, kann damit die Formoptimierung durchgeführt werden, unabhängig vonder Datenbasis, aus der es erzeugt worden ist. Der Hauptaufwand besteht jedoch immer darin,die Formbasisvektoren zu generieren, auch wenn heutzutage Programme verfügbar sind, die eineErzeugung von Basisvektoren in einem akzeptablen Zeitrahmen ermöglichen. Der Nachteil istjedoch immer, dass das optimierte Design nicht als CAD-Beschreibung vorliegt und deshalb immerneu im CAD-System aufgebaut werden muss. Zudem sollte am Ende einer Formoptimierungimmer die Qualität des Netzes kontrolliert und gegebenenfalls eine Neuvernetzung vorgenommenwerden, weil Netzverzerrungen die Qualität der Systemantworten stark verschlechtern können. Imschlimmsten Fall kann dies zum Abbruch der Optimierung führen, sodass zur Fortführung derOptimierung eine Neuvernetzung vorgenommen werden muss. Eine Neuvernetzung ist dabei immeraufwendig, weil auch alle Formbasisvektoren dann neu generiert werden müssen. Das Problem derNetzverzerrung könnte jedoch in Zukunft gelöst werden, wenn ohne Zutun des Anwenders im Opti-mierungsprogramm die Qualität des Netzes kontrolliert und, wenn notwendig, eine Neuvernetzungintern vorgenommen würde. Dabei müssten dann allerdings auch alle selektierten Systemantwortenneu generiert und die Formbasisvektoren durch Interpolation dem neuen Netz angepasst werden.

Im Folgenden sind zum Abschluss nochmals die Vor- und Nachteile der FEM-Netz-basiertenMethode zusammengefasst:+ Unabhängig von CAD-Modell (Qualität, Parametrisierung)+ Unabhängig von CAD-System− Erzeugung der Basisvektoren kann schwierig sein− Optimierte Form nicht als CAD-Modell− Netzverzerrungen können Qualität der FEM-Ergebnisse verschlechtern− Neuvernetzung aufwendig

8.2.1.6 Anwendungen

8.2.1.6.1 Vorderachslenker

In Abbildung 8.34 bis Abbildung 8.37 ist die Formoptimierung eines Vorderachslenkers gezeigt.Für den Lastfall „Bremsen“ wies er in den Bereichen A und B überhöhte Spannungswerte auf,die reduziert werden sollten. Als Optimierungsziel wurde deshalb angegeben, dass die Differenzzwischen größter und kleinster Spannung in beiden Bereichen minimiert werden sollte:

min[(β maxA − β min

A ) + (β maxB − β min

B )] (8.28)

sodass

σA( j) � β maxA ; j ∈ A

σA( j) � β minA

σB(k) � β maxB ; k ∈ B

σB(k) � β minB

xLi � xi � xU

i ; i = 1, 10

Das Optimierungsproblem wurde hierbei mit der Beta-Methode (Abschnitt 7.1.2) formuliert.Mithilfe des Programms Shape200 wurden jeweils in Bereich A (Abbildung 8.35) und B (Ab-bildung 8.36) fünf Basisvektoren definiert, die eine Formvariation eines Polynoms 6-ten Gradesermöglichen. Das Ergebnis, das in Abbildung 8.37 dargestellt ist, erbrachte im Bereich A eine

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182 8 Formoptimierung

Spannungsreduktion von 30 % und in Bereich B von 18 %. Es wird zudem deutlich, dass dieSpannungsreduktion im Bereich A allein über das Entschärfen der Kerbe durch Wegnehmen vonMaterial erreicht wurde. Im Bereich B wurde dagegen Material angelagert.

Abb. 8.34 Spannungsspitzen für den Lastfall „Bremsen“ und Definition der beiden BereicheA und B, indenen die Spannung bei der Optimierung berücksichtigt wurden

Abb. 8.35 Festlegung des Designelements mit einem Polynomgrad=6 für Bereich A und Erzeugung von 5Basisvektoren durch Verschieben von Kontrollpunktspaaren

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8.2 FEM-Netz-basierte Formoptimierung 183

Abb. 8.36 Festlegung des Designelements mit einem Polynomgrad = 6 für Bereich B und Erzeugung von5 Basisvektoren durch Verschieben von Kontrollpunktspaaren

Abb. 8.37 Gegenüberstellung der Ausgangs- und der optimierten Form und Darstellung der Spannungs-verteilungen mit Angabe der Spannungsspitzen im Bereich A und B des optimierten Lenkers

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184 8 Formoptimierung

8.2.1.6.2 Motorhalter

In Abbildung 8.38 bis 8.41 ist eine Formoptimierung eines Motorhalters gezeigt, bei dem dasProgramm HyperMorph zur Generierung der Formbasisvektoren eingesetzt wurde. Das Ziel war,die Spannung des in Abbildung 8.38 dargestellten Bereichs A zu reduzieren.

Mit dem Programm HyperMorph wurden 16 lineare Formvariationen vom Typ 2 – 4 (Tabelle8.1) und die dazugehörigen Designvariablen erzeugt. Hier wurden die Wandstärken von Rippen,die Lage der Rippe und die Radien variiert (Abbildung 8.39). Solche linearen Formvariationensind jedoch für den in Abbildung 8.38 eingekreisten Bereich I nicht geeignet, weil dort einedetaillierte Formvariation vom Typ 1 benötigt wird. Hier wurden mit HyperMorph 9 überlappendeBasisvektoren mit Bias = 2 erzeugt (Abbildung 8.40).

Abb. 8.38 Zwei Ansichten des Ausgangsdesigns eines Motorhalters (oben) und des FE-Modells mit derDefinition des Bereichs A, in dem die Spannungen während der Optimierung berücksichtigt wurden

Abb. 8.39 Drei Beispiele der insgesamt 16 linearen Formvariationen vom Typ 2 – 4

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8.2 FEM-Netz-basierte Formoptimierung 185

Abb. 8.40 Drei Beispiele der insgesamt neun überlappenden nichtlinearen Formvariationen vom Typ 1

Abb. 8.41 Optimiertes Design

Das Optimierungsproblem wurde unter Verwendung der Beta-Methode folgendermaßen formuliert:

min β , (8.29)

sodass

σ ( j) � β ; j ∈ A

xLi � xi � xU

i ; i = 1, 25.

Zur Lösung des Optimierungsproblems wurde das Programm OptiStruct <Altair> eingesetzt.Abbildung 8.41 zeigt das Ergebnis der Optimierung, durch die eine Spannungsreduktion von 27 %erreicht werden konnte.

8.2.1.6.3 Sickenoptimierung einer Ersatzradmulde

In Abbildung 8.42 ist das Ausgangsdesign einer Ersatzradmulde und der 1. Eigenmode dargestellt.Die Aufgabe bestand darin, die 1. Eigenfrequenz durch das Einbringen von Sicken soweit wiemöglich nach oben zu schieben. Anstatt ein „Mode Tracking“ zu verwenden, wurde hier die Summeder reziproken Werte der ersten 4 Eigenfrequenzen als zu minimierende Zielfunktion verwendet unddamit sichergestellt, dass die 1. Eigenfrequenz auf jeden Fall zu höheren Werten verschoben wird:

min f ( x−→) =4

∑j=1

1ν j

, (8.30)

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186 8 Formoptimierung

sodass

xLi � xi � xU

i .

Abb. 8.42 Ausgangsdesign einer Ersatzradmulde mit dem 1. Eigenmode, der zu höheren Frequenzwer-ten hin verschoben werden sollte

Abb. 8.43 Ergebnis der Topographieoptimie-rung der Reserveradmulde und Umsetzung

Das Optimierungsergebnis ist in Abbildung 8.43 dargestellt. Da das Optimierungsergebnis ausrei-chend gut war, um eine Umsetzung durchzuführen, brauchte keine weitere Optimierung mit demVersickungsgrad als Zielfunktion durchgeführt werden. Die erste Eigenfrequenz wurde durch dieoptimierte Sickenanordnung mehr als verdoppelt.

8.2.2 Das CAO-Verfahren

Das CAO-Verfahren (Computer Aided Optimization) ist ein Verfahren zur Formoptimierung, dasdie adaptive biologische Wachstumsregel [154], [155], [156], [158] simuliert, die in Abschnitt 5.2vorgestellt wurde und welche lautet:1. Lagere an hochbelasteten Stellen Material an.2. Entferne Material (Knochen) an unterbelasteten Stellen.