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(Aus der II. medizinischen Universititsklinik in Wien -- Vorstand: Hofrat Prof. hr. v. Ortner.) Studien zum Tuberkulinproblem. 3. )Iitteilung. Zur Frage der Beeinflussung des Tuberkulins dureh verschiedene Sera. Vcn A. u v. Friseh und E. Silberstern. (Eingegangen am 10. Dezember 1923.) Pickert und LSwenstein haben bekanntlieh gezeigt, dal~ die Sera Tuber- kulSser die Fihigkeit gewinnen kSnnen, die Tuberkulinwirkung abzuschwichen, in seltenen l~iillen aber auch zu verst~rken. Das Neutralisationsph~nomen wurde in der Folge dureh Untersuchungen yon Cronquist, G. Singer, Kirch und Szigeti sowie Frisch in Nachprfifungen durchwegs best~tigt, wenn auch fiber seinen l~]~n~schen Wert und seine Spezifiziti~t die Ansichten reeh~ geteil~ sind. Um so iiberrasehender mul~te jeden, der sich mit diesen Dingen etwas eingehender beschiftigt hatte, eine Arbeit yon W. Jadassohn berfihren, der mit jedem mensch- lichen Serum eine Verstirkung der Tuberkulinreaktion beobaehten konnte, und zwar, wenn er eine Tuberkulinverdfinnung 1 50 000 zu gleichen Teilen mit dem Serum einige Stunden bei Zimmertemperatur aufbewahrt und dann mit dem Gemiseh eine Intradermoreaktion angestellt bathe. H~ufig soll die Reaktion der Mischung aueh dann positiv sein, wenn das Tuberkulin allein in einer Konzen- tration 1:100 000 keine Reaktion hervorruft. Aueh das auf 58 ~ erwirmte Gemiseh wirkb durchwegs s~rker als die entsprechende Tuberkulinkonzentration. Bei Injektion sofort naeh der Mischung tritt jedoch keine Verstirkung, vielmehr eine Absehw~tehung der Tuberkulinwirkung ein. Die theoretisehen Spekulationen, die W. Jadassohn aus seinen Befunden ableitet, miissen um so mehr befremden, als er sieh nieht etwa mit dem bisher vorliegenden Tatsaehenmaterial, das einen krassen Gegensatz zu seinen Resultaten darstellt, befal~t, vielmehr ~us letzterem AnlaI~ nimmt, fiber das Wesen der Tuberkulinwirkung umfangreiche Betraeh- tungen anzus~eUen. Ja selbst mit den allbekanntea Piclcert.L6wensteinschen Antikutinen, die er zw~r erw~hnt, vermeidet er sich kritisch auseinanderzusetzen. Dafiir linden wir vielleicht eine Erklarung in einer zweiten, gemeinsam mit Martenstein in der Klinischen Woehenschrift 1923, Nr. 26 publizierten Arbeit, in der die Autoren schreiben: ,,Es war damit yon Martenstein aueh, soweit wir sehen zum ersten Male, der Nachweis yon Prokutlnen im Serum mi~ der Pi~lcert- l-,6wensieinsehen Methode bei cutaner App]ikation erbraeht worden, wihrend sie dann weiterhin yon W. Jadassohn bei intradermaler festgestell~ wurde." Diese Auffassung yon der Prioritit der Autoren mu[~ als durehaus irrige zuriickgewiesen

Studien zum Tuberkulinproblem

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(Aus der II. medizinischen Universititsklinik in Wien - - Vorstand: Hofrat Prof. h r. v. Ortner.)

Studien zum Tuberkulinproblem. 3. )Iitteilung.

Zur Frage der Beeinflussung des Tuberkulins dureh verschiedene Sera.

Vcn

A. u v. Friseh und E. Silberstern.

(Eingegangen am 10. Dezember 1923.)

Pickert und LSwenstein haben bekanntlieh gezeigt, dal~ die Sera Tuber- kulSser die F ih igkei t gewinnen kSnnen, die Tuberkulinwirkung abzuschwichen, in seltenen l~iillen aber auch zu verst~rken. Das Neutralisationsph~nomen wurde in der Folge dureh Untersuchungen yon Cronquist, G. Singer, Kirch und Szigeti sowie Frisch in Nachprfifungen durchwegs best~tigt, wenn auch fiber seinen l~]~n~schen Wer t und seine Spezifiziti~t die Ansichten reeh~ geteil~ sind. U m so iiberrasehender mul~te jeden, der sich mit diesen Dingen etwas eingehender beschif t igt hat te , eine Arbeit yon W. Jadassohn berfihren, der mit jedem mensch- lichen Serum eine Vers t i rkung der Tuberkulinreaktion beobaehten konnte, und zwar, wenn er eine Tuberkulinverdfinnung 1 �9 50 000 zu gleichen Teilen mit dem Serum einige Stunden bei Zimmer tempera tur aufbewahrt und dann mit dem Gemiseh eine In t radermoreakt ion angestellt bathe. H~ufig soll die Reakt ion der Mischung aueh dann positiv sein, wenn das Tuberkulin allein in einer Konzen- t ra t ion 1 : 1 0 0 000 keine Reakt ion hervorruft. Aueh das auf 58 ~ e rwi rmte Gemiseh wirkb durchwegs s ~ r k e r als die entsprechende Tuberkulinkonzentrat ion. Bei Injekt ion sofort naeh der Mischung t r i t t jedoch keine Verst irkung, vielmehr eine Absehw~tehung der Tuberkulinwirkung ein. Die theoretisehen Spekulationen, die W. Jadassohn aus seinen Befunden ableitet, miissen um so mehr befremden, als er sieh nieht etwa mi t dem bisher vorliegenden Tatsaehenmaterial , das einen krassen Gegensatz zu seinen Resul ta ten darstellt, befal~t, vielmehr ~us letzterem AnlaI~ nimmt, fiber das Wesen der Tuberkulinwirkung umfangreiche Betraeh- tungen anzus~eUen. J a selbst mi t den al lbekanntea Piclcert.L6wensteinschen Antikutinen, die er zw~r erw~hnt, vermeidet er sich kritisch auseinanderzusetzen. Dafiir l inden wir vielleicht eine Erklarung in einer zweiten, gemeinsam mi t Martenstein in der Klinischen Woehenschrift 1923, Nr. 26 publizierten Arbeit, in der die Autoren schreiben: ,,Es war damit yon Martenstein aueh, soweit wir sehen zum ersten Male, der Nachweis yon Prokutlnen im Serum mi~ der Pi~lcert- l-,6wensieinsehen Methode bei cutaner App]ikation erbraeht worden, wihrend sie dann weiterhin yon W. Jadassohn bei intradermaler festgestell~ wurde." Diese Auffassung yon der Pr ior i t i t der Autoren mu[~ als durehaus irrige zuriickgewiesen

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werden, da schon Pickett angibt, in seltenen F~llen eine Verst~irkung des Tuber- kulins dutch Serum b e i cutaner, Kirch und Szigeti some Frisch bei intraeutaner Applikation gesehen zu haben.

Es war eigentlich nieht unsere Absicht, uns beim Studium des Tuberkulin- problems neuerlich mensehlicher Sera zu bedienen, wir sahen uns jedoch dureh W. Jadassohns Befunde zu einer Nachpriifung dcrselben veranlaBt.

Es muBte natfirlich zuerst die Frage aufgeworfen werden, ob die Differenzen in der Technik den Unterschied der l~esultate Jadassohns und der anderen Autoren erkli~ren konnten. Die Differenzen in der Technik zwischen W. Jadassohn und G. Singer, deren Teehnik in der Folge Kirch und Szigeti sowie Frisch befolgt haben und die wir in der Folge der Kfirze halber als unsere Teehnik bezeichnen wollen sind folgende:

1. Jadassohn verwendet stets Tuberkulin und Serum a~; die sonst iibliehe Technik verwendet Tuberkulin zu Serum wie 1 : 9 .

2. Jadassohn verwendet stets nut in der Mischung und in den Kontrollen die endliche Verdfinnung von 1 : 1 0 0 000; die anderen Autoren arbeiten mit verschiedenen Tuberkulinverdiinnungen.

3. Die Zeit- und Temperaturverhhltnisse der Eimvirkung yon Serum auf Tuberkulin sind ebenfalls verschieden, bei Jadassohn 1--24 Stunden bei Zimmer- temperatur , bei den anderen Autoren 14 Stunden im Brutsehrank bei 37 ~ dann einige Stunden im Eisschrank.

Die yon uns fiir diese Naehpriifungen gew~hlte Technik war demnach folgende : Von dem unter allen iibliehen Kaute len der Asepsis gewonnenen Serum warden folgende Misehungen und Verdiinnungen mit Alttuberkulin hergestellt.

Bezeichnung Serum ~ bIenge Alttuberkulin

Verdfinnung

0,9 0,I 0,8 0,2 0,7 0,3 0,6 0,4 0,5 0,5 1,0 - - 1,0

1 : 10 000 1 : 20 000 1 : 30 000 1 : 40 000 1 : 5 0 000

. . - -2

1 : 100 000 Serumkontrolle Tuberkulinkon-

trolle

Die Tuberkulinverdiinnungen wurden zu Vergieichszwecken teils mi t steriler physiologischer KoehsalzlSsung, teils mit 1/4proz. sterilem Carbolwasser und stets aus demselben originalen Alttuberkulin in einem Zuge durchgefiihrt. (Bei Jadassohn f iaden wir beztiglich der Verdiinnungsfliissigkeit keine ni~heren An- gaben.) Zu so vielfMtigen Misehungen waren wir genOtigt, u m die Versuchs- anordnung Jadassohns, die der Reihe e) entspricht, mi t der der anderen Autoren und eigenen vorausgegangenen sp~ter noch zu schildernden Tierversuchen, bei denen wit uns einer Anordnung bedienten, die dem Schema a) entsprieht, in Einklang zu bringen kSnnen. Die Mischungen blieben zu Vergleichszwecken bei einigen Versuchen ganz im Eisschrank, bei anderen bei Zimmertemperatur , bei anderen wieder im Brutschrank bei 37 ~ in sterilen geschlossenen Eprouve t t en

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verschieden lange Zeit bis 24 Stunden stehen und wurden dann den Patienten intracutan in Mengen yon 0,1 ccm injiziert. Die Ablesung effolgte nach 24, 48 und 72 Stunden. Zweeks Untersuehung yon Pat ienten mit geringerer Allergie warden auch einige Versuche mit Tuberkulinverdtinnungen yon 1 : 1000 bis 1 : 10 000 durchgefiihrt. Die Sera s tammten yon nichtluetischen Pat ienten mit verschiedenen l%rmen der Lungentuberkulose, teils ganz inaktiven Fi l len bis zu sehweren Phthisen, Pat ienten teils mit starker Allergie bis zu positiv und negativ Anergischen und wurden sowohl an den Blutspendern selbst als auch an anderen Kranken mit verschiedenen Formen yon Lungentuberkulose gepriift. In einer 2. Versuchsreihe injizierten wir den Patienten die Lbsungen zum Teil sofort naeh der Misehung, liel3en den Rest 24 Stunden unter den oben erwihnten verschiedenen Bedingungen stehen und injizierten dann denselben Versuchs- personen dieselben Ltisungen in gleiehen Mengen am anderen Arm, um den Einflul~ der Zei~ feststellen zu k0nnen. Die Resultate aller dieser Versuche wurden mit - - , -4- (q-), q-, q- (q-) , q-q-, q-q- (q-), und q-q-q- bezeichnet, Differenzen zwisehen den Kontrollen und den Misehungen yon weniger als 2 Stufen in dieser Reihe wurden jedoch yon uns als unverwertbare Differenzen angesehen und mit gleiehstarken Reaktionen in eine LLUie gestellt, weft sie unserer Effahrung zufolge unter die Fehlergrenzen dieses biologisehen ]~xperimentes fallen. Es sei hier gleieh erwi~hnt, dab es ganz be]anglos ist, ob die Verdiinnung dieser LSsungen mit physiologischer Kochsalzl6sung oder Carbolwasser durch- geffihrt wird.

Wir woUen der Kiirze halber nicht unsere Tabellen und Protokolle repro- duzieren, sondern zusammenfassend fiber unsere Resultate beriehten. In meh- reren Fi l /en zeigt die Serumkontrolle allein sehon clue mehr oder weniger starke Reaktion, auf die yon uns bei der Bewertung der Resultate l~ficksieht genommen werden mul3te -- niheres dariiber siehe -Prisch a. O. Wit beobaehteten sowohl eine Verst~rkung der Tuberkulinreaktion dutch Serum, insbesondere bei hohen Serumkonzentrationen, die der Versuehsreihe a) entspraehen, weniger bei der yon Jadasaohn gew~hlten Versuehsanordnung e); die weitaus grSBte Zahl der Falle zeigt Gleiehheit der Reaktion bzw. unverwertbare Differenzen; seltener konnten wit Absehw~tehungen der Tuberktdinwirkung beobachten, diese aber eben bei hOheren Serumverdfinnungen, wie sie der Jadassohnschen Versuehs- anordnung entspraehen. Im aHgemeinen kOnnen wit vielleicht noeh sagen, dab die yon Allergisehen stammenden Sera eher eine Beeinflussung der Tuberkulin- reaktion, jedoeh naeh beiden Richtungen, in dem einen Fall verstarkend, im andern absehw~iehend, bewirken. Wie wichtig es ist, die Reaktionen dutch l~ngere Zeit miteinander zu vergleichen, zeigt sich auch aus der Tatsaehe, dab manehe Reaktionsdifferenzen durchaus nieht wi~hrend der ganzen Reaktionszeit bestehen, sondern teils spi~ter verschwinden, teils auch erst sparer auftreten. Es bestehen iSfters auch Versehiedenheiten in der l~eaktionsdauer zwischen der Tuberkulinpapel einerseits, der TuberkulLuseruinpapel andererseits, doch warden dieselben yon uns nieht weiter veffolgt. Die Beoba~htung der Wirkung bei Injektion sofort naeh der Misehung im Vergleich zu der nach 24stfindigem Stehen ergab keine verwertbaren Differenzen zwischen den beiden Versuchsreihen, im Gegensatz zu Jadassohn, der bei sofortiger Injektion durchwegs Abschwiiehung,

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bei mindestens l stfindigem Stehen durchwegs Verstarkung land. Die Ver- schiedenheiten der Temperaturen unter denen die Einwirkung des Serums auf das Tuberkulin vor sich geht, scheint innerhalb der yon uns gezogenen Grenzen durehaus belanglos zu sein. Es lal~t sich sohin auf Grund unserer Befunde keine Best~tigung der yon Jadassohn fiir das menschliche Serum aufgestellterr Be- hauptungen erbringen. Es eriibrigt sich daher, auf seine Schluflfolgerungen ein- zugehen.

In Fortsetzung der seinerzeit am Menschen yon Frisch begonnenen Studien fiber das Neutralisa~ionsph~nomen dehnten wit nun unsere Untersuehungen auf die iiblichen Versuehstiere, Kaninchen und Meerschweinchen aus, und zwar sowohl auf gesunde als auf tuberkulOs infizierte. Wir hielten dabei eine etwas andere Versuehsanordnung ein, indem wir nieht abgestufte Mengen yon Serum, sondern vcrsehiedene Tuberkulinkonzentrationen verwendeten, also naeh folgen- dem Schema vorgingen:

Bezeichnung

b C

d e

f g

Serum

o,~5 0,45 0,45 1,0

Verdlinnuugs- flllssigkeii~

m

0,45 0,45 0,45

Menge

0,05 0,05 0,05

0,05 0,05 0,05

Alttuberkulin

Verdfinnung

1 : 1000 1 : 10 0 0 0 1 : 100 000

Serumkontrolle 1 : 1000 1 : 10 000 1 : 100 000

:Die Mischungen blieben 14P24 Stunden stehen und wurden dann den Ver- suchspersonen in Dosen yon 0,1 ccm intraeutan injiziert. Auf die ausffihrliche Wiedergabe unserer Protokolle sou aus bekannten Griinden verziehtet werden und sogleich in eine summarisehe Bespreehung der Ergebnisse eingegangen werden.

Wit fanden keine wesentlichen Differenzen zwisehen gesunden und tuber-. kulSsen Kaninchen, beim gesunden in etwas mehr als der Hi~lfte der Falle Ab- schwRchung der Tuberkulinreaktion, beim Rest Gleichheit der Rcaktion resp. unverwertbare Differenzen, niemals Verst~rkung; bei tuberkul{~s infizierten Kaninehen in etwas mehr als der H/~lfte Gleichheit der Reaktion und unverwert- bare Differenzen, im iibrigen durchwegs Abschw~chung, niemals Verst~irkung. Die Sera selbst zeigten sowohl bcim gesunden als auch beim tuberkulSsen Kanin- chen hie und da eine geringe Reaktion im Intracutanversuche bei allergischen Patienten. Das durfte uns aber weiter nicht wundernehmen und uns nicht ohne weiteres veranlassen, sogleich die Anwesenheit tuberkulin~hnlieher Stoffe im Serum anzunehmen. Wissen wit doeh, dal~ auch die Empfindlichkeit gegeniiber anderen Reizen um so grSl~er ist, je starker die tuberkulSse Allergie ist (Salter).

Eine gesonderte Bespreehung erfordern die Untersuchungen am gesunden und tuberkulSs infizierten Meersehweinchen. Das Serum des gesunden Meer- sehweinchens zeigt in wiederholtenVersuchen einerseit s eine geringe Abschw~chung, andererseits manehmal keinerlei ~eeinflussung der Tuberkulinreaktion. In keinem Versuehe jedoch hat sich eine Verstarkung der Tuberkulinwirkung durch solche Sera feststellen lassen. Hie und da trat, ebenso wie beim Kaninehenserum,

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eine leichte Reakt ion bei s tark allergischen TuberkulSsen in der Serumkontrolle auf. Unsere Versuehe kSnnen also aueh bier die yon W. Jadassohn in keiner Weise best~tigen, der im Meersehweinehenserum tuberkulinaktivierende F~hig- keiten feststellen zu kOnnen glaubt, wenn auch nur in geringem MaBe und dureh- aus nicht konstant. Wie aus folgendem zu ersehen sein wird, ist eine Erkl~rung ffir diese yon uns abweichenden Befunde Jadassohns vielleicht dadurch zu geben, dab die yon ihm verwendeten Meersehweinchen mSglieherweise spontan tuber- kulSs infiziert waren oder seine Versuchspersonen bereits infolge vorhergehender Injekt ionen yon Meerschweinchenserum gegen dieses allergisch waren, wie aus den Untersuchungen yon .Biberstein und Oschinsky hervorgeht. Eine Kl~rung dieser Frage ist deswegen schwierig, weft Jadassohn nichts darfiber beriehtet, ob er eine Kontrolle mi t den yon ihn verwendeten Meersehweinehenseris allein angestellt hat. Die Verwendung des Serums tuberkulOs infiziorter Meersehwein- chen zeigte n~mlich schon in der Kontrolle fast stets eine positive Reaktion. Wir wollen an dieser Stelle auf diese eine positive In t radermoreakt ion gebenden Stoffe des Blutes, fiber die Frisch gleiehzeitig an anderer Stelle berichtet, nieht naher eingehen. Das Ergebnis der Untersuehungen lhl~t sich am besten an der Hand eines Versuehsprotokolls darlegen.

Versuchsprotokoll vom 19, XI . 1923. Einem tuberkul(isem Meerschweinehen wurde steri] Blur en tnommen (die Tuberkulose wurde dureh die Sektion sicher- gestellt), mi t dem Serum und 1/a~ sterilem Carbolwasser folgende L6sungen bereitet und den Pat ienten KI., PI., Ka. , P6. in Mengen yon 0,1 in t racutan nach 24stiindigem Stehen im Brutschrank bei 37 ~ injiziert. Der Kiirze halber teilen wir nur die 48 Stunden-Ablesung mit, die sich mit den anderen Ablesungen deckt.

Bez. Serum Carbolw. K1. PI. Ka. P5.

a

b 0,9 0,9

0,9 1,0

0,9 0,9 0,9

Alttuberkulin Menge Verfliinnungen

0,i I : I00 0,1 1 : 1000

0,i 1 :10 000

0,1 1 : 100 0,1 1 : 1000 0,1 1 : 10 000

+ + + ( + )

+ ( + ) + ( + ) + +

2

+ + ( + ) + +

+ + + +

+ + + + ( + )

+

++ +

++++ 4-

+ ( + ) +

+ +

+ + (+) + +

Wir sehen vor allem, dab die Serumkontrolle d) eine deutliche Reakt ion bei allen 4 untersuehten Pat ienten (KI., PI., K~., P6.) zeigt; d~s ist beim Serum des tuberkulOsen Meersehweinchens die Regel, der Ausfall dieser Reakt ion h~ngt natfirlieh wesentlieh yon der Allergie der betreffenden Versuchsperson ab; wir wollen jed0ch nicht verhehlen, dab flare St~rke nieht ganz parallel mi t der Inten- si tar der Alt tuberkul in-Hautreakt ion geht: Vergleichen wir nun den Reaktions- ausfall der jeweils die gleichen Tuberkulinmengen enthal tenden Injekt ionspaare (a--e , b - - f , e- -g) , so fiillt uns wohl vor ahem bei sehw~cheren Tuberkulin- reaktionen die , ,Verst~rkung" beim Tuberkulinserumgemisch ins Auge. Es ist klar, dab es sich dabei um eine Serumeigenwirkung resp. h6chstens Summations- wirkung der beiden fiir sieh eine positive Reakt ion gebenden Stoffe handelt .

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Auffal lend ist die gerade in den h6chsten Tuberkul inkonzent ra t ionen sieh in einigen Fal len bemerkbar machende deutliche Abschwi~ehung. Man sieht daraus, dab die verschiedene Konzen t ra t ion des Tuberkul ins fiir die Anstel lung derart iger l~eaktionen keineswegs gleichgfiltig ist, und wit g lauben daher , unserer Versuchs- anordnung gegenfiber der Jadassohn schen dan Vorzug geben zu diirfen. Die in obigem Protokoll gefundenen l~esultate sind in einer gr6Beren Anzah l gleich- ar t ig angestellter Versuche yon uns fas t durchwegs best~tigt worden.

Wollen wir also auf Grund unserer Beobachtungen zur umst r i t t enen Frage Stel lung nehmen, ob die abschw~chenden oder versti irkenden Wirkungen der verschiedenen Sera als spezifische oder unspezifische l~eaktionen zu wer ten sind, so miissen wir wohl gestehen, dab unsere Befunde darauf keine eindeutige Ant- wort geben k6nnen. So klar es uns einerseits seheint, dab die , ,versti irkende" Wi rkung des Serums tuberkulSser Meerschweinchen insofern als spezifische auf- zufassen ist, als sie, wie wir dargestell t haben, auf einer Summat ion der Wir- kungen du t ch die Eigenwirkung des Serums beruht , andererseits; dab wir die Wi rkung des Serums gesunder Meerschweinchen und Kaninchen wohl nieht gu t anders als eine unspezifische be t raehten kOnnen, desto schwieriger scheint uns die Deu tung der Befunde am Serum tuberkulSs k ranker Menschen und Xaninchen zu sein. Auf die Sehwierigkeit der Beurtei lung des Wesens der Anti- cut ine ha t Frisch bereits friiher hingewiesen. Demnach bes teht dieselbe darin, dal3 m a n eine Unbekann te an einer zweiten zu messen hat, in unserem Falle die absehw~chende oder versti~rkende Komponen te des Serums an der weehseln- den Empfindl iehkei t der Hau t , n icht nur gegeniiber Tuberkulin, sondern aueh gegen tuberkulin~hnliche, vermut l ich spezifische, und gegen unspezifische l~e- ak t ionen gebende Stoffe im sowohl kSrper- als auch ar teigenen und f remden Serum. Wir g lauben nieht fehlzugehen, were1 wir annehmen, dab sowohl spe- zifische als auch unspezifische F a k t o r e n beim Auf t re ten der gesehilderten Ph~- nomene eine Rolle spielen.

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