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Suhrkamp Verlag Leseprobe Singer, Wolf / Ricard, Matthieu Jenseits des Selbst Dialoge zwischen einem Hirnforscher und einem buddhistischen Mönch Aus dem Englischen von Friederike Moldenhauer, Susanne Warmuth und Wolf Singer © Suhrkamp Verlag 978-3-518-42571-8

Suhrkamp Verlag · 2017-02-20 · Welt eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen unseren Intuiti-onendarüber,wiedasSelbstbeschaffenist,undder wissenschaft-lichen Sicht darauf, wie

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Suhrkamp VerlagLeseprobe

Singer, Wolf / Ricard, MatthieuJenseits des Selbst

Dialoge zwischen einem Hirnforscher und einem buddhistischen MönchAus dem Englischen von Friederike Moldenhauer, Susanne Warmuth und Wolf Singer

© Suhrkamp Verlag978-3-518-42571-8

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Wolf SingerMatthieu Ricard

Jenseits des SelbstDialoge zwischen einem Hirnforscher undeinem buddhistischen Mönch

Aus dem Englischen von Friederike Moldenhauer,Susanne Warmuth und Wolf Singer

Suhrkamp

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Erste Auflage

© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags sowie der

Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder

andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder

unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet

werden.

Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm

Printed in Germany

ISBN ----

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Inhalt

Prolog

Meditation und Gehirn

Unbewusste Prozesse und Emotionen

Woher wissen wir, was wir wissen, und welche Realitätnehmen wir wahr?

Das Selbst erforschen

Freier Wille, Verantwortung und Gerechtigkeit

Das Wesen des Bewusstseins

Schlussbemerkung und Dank

Anmerkungen

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Prolog

Wolf Singer Matthieu, lass mich zur Eröffnung dieser Dialoge kurzdie Umstände unserer Treffen schildern. Wir beide lernten uns in London anlässlich eines Dialogs über Bewusstsein ken-nen. Noch im selben Jahr sahen wir uns dann in Washington,D.C., wieder, wo wir im Rahmen einer Konferenz des Mindand Life Institute1 die neuronalen Grundlagen der Meditationdiskutierten. Danach trafen wir uns häufiger in verschiedenenTeilen der Welt, auch einmal in der Residenz des DalaiLama in Dharamsala in Indien.2 Im Laufe dieser Treffen disku-tierten wir ein breites Spektrum an Fragen, von der Astrophysikbis hin zu ethischen Problemen. Dabei versuchten wir, die west-liche und östliche – oder, besser gesagt, die wissenschaftliche unddie kontemplative – Sicht auf die Beschaffenheit des Selbst unddie Natur des Bewusstseins miteinander zu vergleichen: einer-seits jene, die man aus der Ich- oder Erste-Person-Perspektivedurch Introspektion und geistige Übungen gewinnt, und ande-rerseits jene, die man aus der unpersönlichen Perspektive, alsoder Dritte-Person-Person-Perspektive wissenschaftlicher Ansätzeableiten kann.Meiner Auffassung nach besteht zumindest in der westlichenWelt eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen unseren Intuiti-onen darüber, wie das Selbst beschaffen ist, und der wissenschaft-lichen Sicht darauf, wie unser Gehirn organisiert ist. Bis vor kur-zem verteidigten die meisten abendländischen Philosophien aufder Grundlage von Introspektion und logischer Schlussfolgerun-gen einen ontologischen Dualismus, die Dichotomie von GeistundMaterie. Das ist nicht immer so gewesen. Schon die Stoiker –und später, im Gefolge der Aufklärung, auch zahlreiche anderewissenschaftliche und philosophische Schulen – haben eher mo-

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nistische, naturalistische Standpunkte vertreten. Jedoch wurdendualistische Ansätze zu Beginn des . Jahrhunderts in der Tradi-tion idealistischer philosophischer Schulen wieder aufgenommen,und zurzeit sind Philosophen und Naturwissenschaftler wiedersehr damit befasst, die Beziehungen zwischen ihren Positionen zudiskutieren. Wie du noch ausführen wirst, schlägt der Buddhis-mus einen nichtdualistischen Ansatz vor, der auf dem Konzeptdes »Fehlens einer intrinsischen Existenz« beruht und sowohlauf äußere Phänomene als auch auf das Bewusstsein angewandtwird. Die Folgen dieser Diskussionen werden aller Wahrschein-lichkeit nach weitreichend sein: Zum einen werden sie eine Ver-änderung unseres Selbstverständnisses nach sich ziehen, zumanderen wird es praktische Konsequenzen hinsichtlich unsererVorstellungen von Willensfreiheit, Verantwortung und Ethik ge-ben.Wir kommen später auf einige dieser Aspekte zu sprechen. Dochzunächst konzentrieren wir uns vor dem Hintergrund unserer ge-meinsamen Expertise und Erfahrung auf die Beziehungen zwi-schen Hirnforschung und mentalen Praktiken. Wir möchten un-tersuchen, welche Antworten die Neurowissenschaften auf dieFrage geben können, inwiefern unterschiedliche Bewusstseinszu-stände, die sich durch geistige Übung und Meditation erlangenlassen, mit neuronalen Prozessen zusammenhängen.

Matthieu Ricard Ich bin hocherfreut, dass unsere Freundschaftund unser gemeinsames Interesse zu diesen Gesprächen geführthaben. Und ich möchte gleich zu Beginn betonen, dass sichein Dialog zwischen westlicher Wissenschaft und Buddhismusdurchaus von typischen Dialogen zwischen Wissenschaft undReligion unterscheidet. Solche Dialoge hat es schon zuhauf gege-ben, und meist ist beiden Seiten nicht ganz wohl dabei zumute.Doch der Buddhismus ist keine Religion im herkömmlichenwestlichen Sinn des Wortes. Er basiert weder auf der Vorstellungeines Schöpfers noch auf Gottvertrauen. Vielmehr könnte manihn als »Wissenschaft vom Geist« bezeichnen und als einen Wegder Transformation von Täuschung inWeisheit, von Leid in Frei-heit. Wie die Naturwissenschaften, untersucht auch der Bud-

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dhismus den Geist auf empirische Weise, und das schon seit über Jahren. Er betont dabei die Erfahrungen aus der Erste-Per-son-Perspektive, die von erfahrenen Meditierenden durch Intro-spektion gewonnen werden.Hunderte von Büchern und Artikeln beschäftigen sich mit Er-kenntnistheorie, Meditation, der Auffassung vom Selbst, der Be-deutung von Emotionen, der Existenz des freien Willens unddem Wesen des Bewusstseins. Wir möchten an dieser Stelle kei-nen Überblick über die zahlreichen bereits existierenden Stand-punkte und Argumente geben. Wahrscheinlich sind einige derAnsichten, die wir hier präsentieren, schon hinlänglich disku-tiert, vielleicht sogar bereits widerlegt worden. Wir wollen hier,in einem intimen und lebendigen Gespräch, zwei Perspektiveneinander gegenüberzustellen, die auf reichen empirischen undphilosophischen Traditionen sowie auf lebenslanger persönlicherErfahrung beruhen – auf buddhistischer Philosophie und kon-templativer Übung auf der einen Seite, auf den Neurowissen-schaften und westlicher Erkenntnistheorie auf der anderen. Wirhoffen, dass dieses Gespräch uns dabei helfen wird, unser eige-nes Verständnis zu vertiefen, und wir laden auch unsere Lese-rinnen und Leser dazu ein, von dieser jahrelangen ernsthaftenBeschäftigung mit einigen der wichtigsten Lebensfragen zu pro-fitieren.Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir die zahlreichen zusätz-lichen Fragen, die uns während unserer Begegnungen durch denKopf gingen, nicht genau und erschöpfend genug behandelt ha-ben. Ebenso ist uns bewusst, dass wir uns immer wieder von The-men, die uns am Herzen liegen, haben mitreißen lassen, wasmanchmal zu abrupten Richtungswechseln unserer Debatte oderzu Wiederholungen geführt hat. Wir haben davon abgesehen,diese Textabschnitte gründlich zu redigieren, um die Authentizi-tät unseres Austausches zu erhalten, und möchten uns für das,was möglicherweise als Nachlässigkeit erscheint, entschuldigen.Hoffentlich ist es uns gelungen, einige der Einsichten zu vermit-teln, zu denen wir in unseren Diskussionen gelangt sind.Wir ver-stehen unseren Dialog als einen kleinen Beitrag zu dem umfas-

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senden Projekt der Erforschung des menschlichen Geistes. Unddas dabei offenkundig gewordene Ausmaß unserer Unwissenheitlehrt uns Demut.

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1Meditation und Gehirn1

Die Lernfähigkeit des Menschen ist der anderer Tiere weit überlegen. Kön-nen wir unsere geistigen Fertigkeiten ebenso durch Training weiterent-wickeln wie unsere physischen? Kann geistige Übung uns achtsamer, al-truistischer und gelassener machen? Diese Fragen werden seit Jahrenvon Neurowissenschaftlern und Psychologen in Zusammenarbeit mit Men-schen, die meditieren, erforscht. Können wir lernen, mit jenen Gefühle, dieuns beunruhigen, auf eine optimale Weise umzugehen? Welche funktionel-len und strukturellen Transformationen werden durch die verschiedenenArten der Meditation im Gehirn bewirkt? Wie lange dauert es, bis sich sol-che Transformationen bei Menschen, die gerade erst mit dem Meditierenbegonnen haben, beobachten lassen?

Eine Wissenschaft des Geistes

MR Auch wenn die buddhistische Literatur viele Abhandlungenzu »traditionellen Wissenschaften« kennt, strebte der tibetischeBuddhismus nicht im selben Maß wie die westlichen Zivilisatio-nen nach einer Vermehrung des Wissens über die Welt mithilfeder Naturwissenschaften. Dafür hat er sich Jahrhunderte langsehr intensiv mit der Erforschung des Geistes beschäftigt und aufempirischemWeg eine Vielzahl an Erkenntnissen gewonnen. ImLauf der Jahrhunderte haben unzählige Menschen ihr ganzes Le-ben dieser kontemplativen Wissenschaft gewidmet. Die moder-ne westliche Psychologie dagegen begann erst mit William Jamesvor wenig mehr als Jahren. Dazu fällt mir eine Bemerkungvon Stephen Kosslyn ein. Im Jahr fand die Mind-and-Life-Konferenz amMIT (Massachusetts Institute of Technology)

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statt, und Kosslyn, der damals Dekan des Fachbereichs Psycholo-gie in Harvard war, leitete seinen Vortrag mit den Worten ein:»Voller Demut und Bescheidenheit stehe ich vor der reinen Da-tenmenge, die die kontemplativen Wissenschaften in die moder-ne Psychologie einbringen.« Es genügt nicht, angestrengt darübernachzudenken, wie der Geist funktionieren könnte, und dannkomplexe Theorien aufzustellen, wie es beispielsweise Freud ge-tan hat. Solche intellektuellen Abenteuer können Jahre di-rekter Erforschung der Arbeitsweise des Geistes anhand ergrün-dender Introspektion nicht ersetzen, durchgeführt von erfahrenenPraktikern, die bereits zu Stabilität und Klarheit gelangt sind.Selbst die ausgefeilteste Theorie eines brillanten Denkers kann,wenn sie nicht auf empirischer Evidenz beruht, nicht mit dengesammelten Erfahrungen von Hunderten von Personen vergli-chen werden, von denen jede Dutzende Jahre damit zugebrachthat, die subtilsten Aspekte des Geistes durch direkte Erfahrungauszuloten und so – mit diesem empirischen Ansatz und mitdem Instrument des geübten Geistes – einen Weg gefunden hat,Gefühle, Stimmungen und Wesenszüge allmählich zu transfor-mieren und die am tiefsten verwurzelten Neigungen zu beseiti-gen, die einer optimalen Lebenseinstellung imWege stehen.Wennwir das erreichen, indem wir die fundamentalen menschlichenCharakteristika stärken – Liebe und Güte, innere Freiheit, inne-rer Frieden und innere Stärke –, können wir unsere Lebensquali-tät durchgängig verbessern.

WS Mir erscheint das als eine recht kühne Behauptung. Kannstdu sie weiter begründen? Warum sollte, was uns die Natur mit-gegeben hat, a priori schlecht sein und spezieller mentaler Übun-gen bedürfen, um eliminiert zu werden, und warum sollte dieserAnsatz konventioneller Erziehung oder, wenn es im Lauf des Le-bens tatsächlich zu schweren Konflikten kommt, der Psychothe-rapie in ihren verschiedenen Ausformungen, also auch der Psy-choanalyse, überlegen sein?

MR Was die Natur uns mitgegeben hat, ist nicht nur negativ, ganzim Gegenteil! Aber es handelt sich dabei lediglich um einen Aus-gangspunkt. Die meisten unserer angeborenen Fähigkeiten blei-

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ben ungenutzt, bis wir aktiv werden, etwa indem wir sie zu einembestimmten Zweck trainieren. Wir alle wissen, dass unser Geistuns sowohl bester Freund als auch schlimmster Feind sein kann.Der Natur haben wir einen Geist zu verdanken, der das Potenzialin sich trägt, viel Gutes zu tun, uns und anderen aber auch vielunnötiges Leid zuzufügen. Wenn wir ehrlich sind, dann sind daLicht und Schatten, wir haben gute Seiten, aber auch Mängel.Ist das alles, was wir sein können? Oder lässt sich unsere Lebens-weise noch optimieren? Das sind Fragen, die zu stellen sich lohnt,insbesondere wenn man davon ausgeht, dass eine Veränderungsowohl wünschenswert als auch möglich ist.Es gibt nur sehr wenige Menschen, die ehrlich davon überzeugtsind, dass ihre Lebensweise und die Art, wie sie die Welt wahr-nehmen, schon das Optimum darstellen. Einige Menschen hal-ten ihre individuellen Schwächen und widerstreitenden Gefühlefür einen wertvollen und eigenständigen Teil ihrer »Persönlich-keit«, der zum guten Leben dazu gehört. Ihnen zufolge ist esdas, was sie einzigartig macht, und sie glauben, sich so akzeptie-ren zu müssen. Aber ist das nicht ein bisschen simpel, die Idee,man könne die eigene Lebensqualität verbessern, so einfach auf-zugeben? Man müsste dazu doch nur ein wenig nachdenken undsich ein bisschen anstrengen.Häufig machen wir uns viele Sorgen und sind dann oft wütend,ängstlich oder mit unangenehmen Gedanken beschäftigt. Wirwürden unsere Emotionen gern so weit unter Kontrolle kriegen,dass wir uns von den Zuständen befreien könnten, die unsereGedanken durcheinanderbringen und unseren Geist vernebeln.Weil wir nicht wissen, wie wir diese Probleme meistern sollen,ist es natürlich leichter, eine Haltung anzunehmen, in der dasalles »normal« ist, weil es der »menschlichen Natur« entspricht.Alles, was wir in der Natur vorfinden, ist »natürlich«, aber das be-deutet nicht zwangsläufig, dass es positiv ist. Beispielsweise sindKrankheiten etwas absolut Natürliches, das jeden betrifft. Aberhindert uns das daran, nach Heilmitteln zu suchen?Niemand wacht morgens auf und denkt sich: »Ich wünschte, ichkönnte den ganzen Tag leiden, und, wenn möglich, auch mein

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ganzes Leben lang.« Jede Handlung, mit der wir uns beschäftig-ten, ist darauf ausgerichtet, für uns selbst oder andere etwas Nütz-liches oder Befriedigendes zu erreichen oder zumindest unserLeid zu lindern. Wären wir überzeugt, unser Tun resultierte innichts als Elend, dann würden wir gar nichts mehr unternehmenund verzweifeln.Wir finden gar nichts dabei, jahrelang gehen, lesen oder schrei-ben lernen zu müssen oder mühevoll eine berufliche Qualifika-tion zu erwerben. Um in Form zu kommen und zu bleiben, trai-nieren wir stundenlang im Fitnessstudio. Manchmal investierenwir wahnsinnig viel körperliche Energie, um auf einem Ergome-ter in die Pedale zu treten und doch nie von der Stelle zu kom-men. Um an solchen Dingen dranzubleiben, ist zumindest eingewisses Maß an Interesse oder Begeisterung nötig. Die Energiedazu stammt aus der Überzeugung, dass sich diese Anstrengun-gen auf lange Sicht auszahlen werden. Den Geist zu trainierenfolgt derselben Logik. Wie sollte er sich allein aufgrund eines from-men Wunsches verändern? Wenn man Skilaufen lernen will, rei-chen einige Minuten im Jahr auf der Piste ja auch nicht aus.Wir verbringen viel Zeit damit, unsere äußeren Lebensumständezu verbessern. Doch am Ende ist es immer der Geist, der dieseWelt wahrnimmt und diese Erfahrung inWohlbefinden oder Lei-den übersetzt. Indem wir die Art und Weise, wie wir wahrneh-men, verändern, transformieren wir unsere Lebensqualität. Es istdiese Art der Veränderung, die durch mentale Übung, also Me-ditation, herbeigeführt wird.Leider unterschätzen wir unsere Fähigkeit zur Veränderung ex-trem, das ist wirklich außerordentlich tragisch. Unsere Charak-tereigenschaften bleiben dieselben, solange wir nichts dagegenunternehmen und solange wir unsere Angewohnheiten und Denk-muster dulden und immer weiter verstärken, Gedanke für Ge-danke. Die Wahrheit ist aber, dass der Zustand, den wir als »nor-mal« bezeichnen, nur den Ausgangspunkt bezeichnet und nichtdas Ziel, das wir uns selbst setzen sollten. Unser Leben kann soviel besser sein! Schritt für Schritt ist es möglich, eine optimale Le-bensweise zu erreichen.

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Uns ist auch die Fähigkeit gegeben, unser Veränderungspotenzialzu erkennen, unabhängig davon, was wir jetzt sind und was wirgetan haben. Diese Überzeugung ist eine sehr mächtige Quelleder Inspiration, aus der wir die Kraft schöpfen können, innereVeränderungen in Gang zu bringen. Dies ist nicht immer leicht,aber schon das Vertrauen auf die Möglichkeit an sich setzt so vielEnergien für den Transformationsprozess frei, dass allein diesschon heilende Wirkung hat.Die moderne konventionelle Erziehung konzentriert sich nichtauf die Veränderung der Persönlichkeit und die Kultivierung dergrundlegendenmenschlichen Qualitäten wie »mindfulness«, alsoAchtsamkeit, und »loving kindness«, also liebende Güte. Wie wirspäter sehen werden, weisen die kontemplativen buddhistischenTechniken Gemeinsamkeiten mit kognitiven Therapieverfahrenauf. Dies gilt besonders für solche, die Achtsamkeit als Grundla-ge für die Lösung mentaler Konflikte ansehen. Was die Psycho-analyse angeht, so scheint sie gerade das »Wiederkäuen« zu beför-dern und in einem endlosen Prozess die Details und Feinheitenjener Wolken geistiger Irrungen und Selbstbezogenheit zu the-matisieren, die den elementarsten Aspekt des Geists verdunkeln,nämlich den Zustand »reinen Gewahrseins«.

WS Das »Wiederkäuen« wäre also genau das Gegenteil von Medi-tation.

MR Das völlige Gegenteil. Wie wir wissen, ist das ständigeWieder-käuen auch eines der wichtigsten Symptome einer Depression.

WS Es ist für unser Gespräch sicherlich bereichernd, diese unter-schiedlichen Sichtweisen auf die Heilung des Geistes zu betrach-ten. Hier besteht also ein bemerkenswerter Kontrast zwischenden Kulturen. Ich denke, dass Meditation oft missverstandenwird. Ich habe nur wenig Erfahrung damit, aber mir ist sehr klargeworden, dass es sich dabei nicht um eine Nabelschau handelt.Ganz im Gegenteil.

MR Wenn man sich vor Augen hält, was beim Wiederkäuen ge-schieht, wird sofort deutlich, wie schädlich es ist. Wir müssenuns von den mentalen Kettenreaktionen freimachen, die durchdie Grübelei ins Unendliche fortgesetzt werden. Wir müssen ler-

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nen, die Gedanken kommen und gehen zu lassen, statt ihnen zugestatten, immer wieder von uns Besitz zu ergreifen.Wir müssenlernen, in der Frische des Augenblicks zu verweilen – das Vergan-gene ist vorbei, die Zukunft noch nicht erschlossen, und wennman in reiner Achtsamkeit und Freiheit verharrt, dann kommendie störenden Gedanken, aber sie gehen auch wieder, ohne Spu-ren zu hinterlassen.

WS In einer deiner früheren Ausführungen hast du die Überzeu-gung geäußert, dass jedes menschliche Wesen in seiner Seele ein»nugget of gold« trägt, ein Goldkorn, einen reinen Kern, dessenpositive Eigenschaften aber von einer Fülle negativer Züge undEmotionen verdeckt und überschattet werden, die unsere Wahr-nehmungen verfälschen und Hauptursache für das Leiden in derWelt sind. Mir erscheint dies als eine zu optimistische und über-dies ungeprüfte Hypothese. Es erinnert an Rousseaus Träumeund steht im Widerspruch zu dem, was uns Fälle wie KasparHauser lehren. Wir sind, was uns die biologische Evolution überdie Gene und die kulturelle Evolution über Erziehung aufgeprägthat. Wo ist da das Goldkorn?

MR Das Stück Gold bleibt tief im Erz, im Fels, im Schlamm ver-borgen. Es büßt seine Reinheit nicht ein, aber sein Wert bleibtunerkannt. Ebenso braucht unser menschliches Potenzial die rich-tigen Bedingungen, um sich voll verwirklichen zu können.

Achtsamkeit und mentale Konstrukte

MR Dieser Vorstellung liegt keine naiv-optimistische Einschätzungder menschlichen Natur zugrunde, sondern Nachdenken undintrospektive Erfahrung. Die erste Überlegung ist, dass es einengemeinsamen Nenner für alle Gedanken, alle Emotionen, alle Ge-fühle und alle mentalen Vorgänge gibt: die Erkenntnisfähigkeit.Buddhisten bezeichnen das auch als die »Lichtnatur des Geis-tes«, weil sie durch unsere Wahrnehmungen gleichsam ein Lichtauf die äußere Welt wirft und unsere innere Welt durch die Erin-

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nerung an die Vergangenheit, die Vorstellung von der Zukunftund das Gewahrsein der Gegenwart erhellt. Sie ist licht im Ver-gleich zu einem unbelebten Objekt, das kognitiv gesehen stock-finster wäre.Oder nehmen wir ein anderes Licht-Bild: Wenn du mit einer Fa-ckel ein schönes, lächelndes Gesicht oder eine wutverzerrte Frat-ze, einen Berg von Juwelen oder einen Müllhaufen beleuchtest,dann wird das Licht selbst davon nicht schön, hässlich, wertvolloder schmutzig. Ein weiteres Beispiel: Das Besondere an einemSpiegel ist, dass er alle Arten von Bildern reflektiert, aber keinesgehört zu dem Spiegel, durchdringt ihn oder bleibt in ihm. Dennwenn das der Fall wäre, würden sich alle diese Bilder überlagernund der Spiegel würde nutzlos. In ähnlicher Weise sorgt die er-wähnte Basiseigenschaft des Geistes dafür, dass alle mentalen Kon-strukte – Liebe und Wut, Wonne und Eifersucht, Freud undLeid – entstehen können, ohne dass er selbst dadurch verändertwird. Mentale Phänomene gehören nicht wirklich zum Wesendes Bewusstseins. Sie treten einfach nur innerhalb des »Bewusst-heitsraums«, im Rahmen verschiedener Bewusstseinszustände inErscheinung und werden von dieser Grundbewusstheit ermög-licht. Folglich lässt sich diese Qualität als grundlegende Erkenntnis,reine Bewusstheit oder als Naturzustand des Geistes bezeichnen.

WS Was du sagst, hat für mich zwei Implikationen. Eine ist, dassdu Stabilität beziehungsweise Objektivität einen Wert an sich zu-schreibst, sie als Validierungskriterium verstehst. Die zweite ist,dass du offenbar zwischen Bewusstsein und seinen Inhalten einedeutliche Trennung vornimmst. Du nimmst an, es gebe im Ge-hirn eine Plattform der reinen Bewusstheit, welche die Eigen-schaften eines idealen Spiegels hat, der selbst keinerlei Verzer-rungen der Inhalte bewirkt und diese lediglich reflektiert, ohnedavon beeinflusst zu werden. Für mich klingt das so, als nähmestdu eine klassische dualistische Position ein, als gingest du voneiner Dichotomie aus zwischen dem unbefleckten Geist oderBeobachter auf der einen Seite und den Inhalten, die in dieserreinen Bewusstheit aufscheinen, auf der anderen. Aktuellen For-schungsergebnissen über die Organisation des Gehirns zufolge

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besteht keine klare Trennung zwischen sensorischen und exekuti-ven Funktionen. Sie interpretieren Bewusstsein als eine auf denintegralen Funktionen des Gehirns basierende Eigenschaft. Da-her finde ich die Unterscheidung zwischen einem makellosenSpiegel und reflektierten Objekten schwierig. Ich kann mir keinvon allen Inhalten entleertes Bewusstsein vorstellen. Wenn es leerist, würde es nicht existieren, es wäre schlicht nicht definiert.

MR Es handelt sich dabei nicht um Dualität, nicht um zwei ge-trennte Ebenen des Bewusstseins, sondernmehr um die verschie-denen Aspekte von Bewusstsein: eine Basiseigenschaft, die im-mer da ist, das reine Gewahrsein, und die geistigen Konstrukte,die sich darin entfalten und ständig verändern. Statt von Dualitätwürden wir eher von Kontinuität sprechen. Das Bewusstsein istauf allen seinen Ebenen ein dynamischer Strom aus Momentenreiner Bewusstheit mit oder ohne Inhalt. Hinter der Trennwandaus Gedanken liegt immer und zu jeder Zeit ein reines Bewusst-sein, das nicht von Inhalten getrübt ist.

WS Dies würde dann zumindest zwei deutlich unterschiedene En-titäten erfordern, einen leeren Raum, wie auch immer er definiertsein mag, der als Gefäß dient, und dann dessen Inhalte, die, wiesehr sie auch kontaminiert sein mögen durch Affekte und Illusio-nen, das Gefäß selbst nicht beflecken.

MR Statt von separaten Entitäten würden wir eher von fundamen-talen und spezifischen Aspekten sprechen. Das reine Bewusstseinist nicht auf etwas festgelegt, ähnlich wie das Reflexionsvermö-gen des Spiegels. Vergleiche sind hilfreich, hinken aber natürlichimmer. Hier ein weiterer: Die reine Bewusstheit könnte mit Töp-fererde verglichen werden und die geistigen Konstrukte mit denverschiedenen Formen, in die diese gebracht werden kann. Gleich-gültig, welche Form der Ton annimmt, er bleibt selbst im We-sentlichen unverändert.

WS Erfordert die Kultivierung eines solchen unbefleckten innerenAuges, eines idealen Spiegels, der von Affekten und Emotionennicht berührt werden kann, nicht eine Dissoziation der Persön-lichkeit? Wäre da nicht auf der einen Seite der unberührbare Be-trachter, dessen Blick weder durch Emotionen, Affekte und Fehl-

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wahrnehmungen getrübt werden kann, und auf der anderen derabgespaltene, fehlbare Teil des Ichs, der in Konflikte gerät undSituationen falsch einschätzt, weil er sich leidenschaftlich verliebtoder große Enttäuschungen erfahren hat? Ist es das Ziel mentalerPraktiken, eine solche Dissoziation des Ichs herbeizuführen?Wasist deine Erfahrung? Und siehst du in der Beförderung dieserDissoziation – falls Meditation dieses Ziel hat – nicht ein gefähr-liches Experiment?

MR Es besteht überhaupt keine Dissoziation. Ganz im Gegenteil:Wir sprechen gerade von nichtdualer selbsterleuchtender Bewusst-heit. Die Persönlichkeit ist nicht gespalten. Dem Geist wohnt dieFähigkeit inne, sich selbst zu beobachten. Eine Flamme brauchtkeine zweite Flamme, um sich selbst zu beleuchten. Ihr eigenesLicht reicht dafür aus.Was ich sagen will: Man kann seine Gedanken betrachten, star-ke Emotionen eingeschlossen, wenn man mit dem Aspekt derreinen Achtsamkeit arbeitet, der nicht mit den Gedankeninhal-ten verknüpft ist. Gedanken sind Manifestationen der reinen Be-wusstheit – wie die Wellen, die sich aus dem Ozean erheben unddann wieder in ihm auflösen. Der Ozean und die Wellen sindnicht wirklich verschieden. Normalerweise sind wir so mit denGedankeninhalten beschäftigt, dass wir den grundlegenden As-pekt des Bewusstseins, die reine Bewusstheit, nicht bemerken,weil wir uns so sehr mit unseren Gedanken identifizieren. Dasist der Grund, weshalb wir uns leicht täuschen lassen und infol-gedessen unter einer falschen Interpretation der Realität leiden.Beim buddhistischen Weg geht es um nichts anderes als um ver-schiedene Methoden, wie man mit solchen Täuschungen fertigwird. Nehmen wir die Erfahrung überschäumender Wut als Bei-spiel. Wir werden dann eins mit der Wut. Die Wut erfüllt unserganzes Denken und Fühlen und überträgt ihre Verdrehung derWirklichkeit auf Menschen und Ereignisse. Wenn wir von derWut überwältigt werden, können wir uns nicht von ihr lösen.Und wir bewegen uns in einem quälenden Teufelskreis, da dieWut jedes Mal wieder neu entfacht wird, wenn wir die Person se-hen, die uns geärgert hat, oder auch wenn wir nur an sie denken.

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Obwohl Wut alles andere als ein schöner Geisteszustand ist, hal-ten wir sie am Leben, gerade so, als ob wir immer wieder Feuer-holz nachlegen. Manchmal werden wir fast süchtig nach der Ur-sache unseres Leidens. Doch wenn wir uns von der Wut lösenund sie leidenschaftslos mit reiner Achtsamkeit betrachten, dannerkennen wir, dass es sich eigentlich nur um einen Wust aus Ge-danken handelt. Wut trägt keine Waffen, sie brennt nicht wieFeuer, und sie zerschmettert auch nicht wie ein Fels: Sie ist nichtsweiter als ein Produkt unseres Geistes.

WS Folgt daraus nicht, dass positive Emotionen ebenso schädlicheAuswirkungen haben, weil auch sie zu Fehlwahrnehmungen An-lass geben und folglich Leiden bewirken?

MR Nicht unbedingt. Es hängt alles von ihren Folgen ab, ob sie dieWahrnehmung verzerren und Ursachen von Leid werden.Wennder Geist von altruistischer Liebe und dem starken Willen, denanderen vom Leiden zu befreien, erfüllt ist, dann stimmt seinWeltbild, denn er erkennt die Bande zwischen allen fühlendenWesen, ihren Wunsch, Leid zu meiden und Glück zu erfahren.Wenn zudem altruistische Liebe frei ist von Bevorzugung, Besit-zenwollen und Klammern, dann hat sie keine negativen Folgen.Anstatt Weisheit zu verschleiern, wird sie sich als der natürlicheAusdruck von Weisheit manifestieren.Aber lass mich auf den Ärger zurückkommen. Statt zuzulassen,dass wir selbst zu Wut werden, sollten wir verstehen, dass wirnicht »Wut sind«.Anschließend betrachten wir die Wut selbst und richten unsereAufmerksamkeit ganz allein auf sie. Was passiert? Wenn wir auf-hören, Holz ins Feuer zu legen, und nichts weiter tun als zusehen,dann wird das Feuer schon bald verlöschen.

WS Und so erginge es auch allen anderen Emotionen, der Liebe,der Empathie, der Trauer. Geht es dir um ein klares, von allenemotionalen Färbungen befreites Bewusstsein? Ich bezweifle sehr,dass solche emotionslosen Menschen überleben könnten, es seidenn, sie hätten das Privileg, in einer sehr geschützten Umge-bung zu existieren.

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