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Liebe Leserinnen, liebe Leser Wenn jemand sagt, der Jazz sei «die einzig wirklich neue Erfindung des musikalischen 20. Jahrhunderts», dann ist das höchst erfreulich. Wenn dieser «Jemand» der Jazz- musiker George Gruntz war (siehe Seite 3), dann hat die Aussage ganz besonderen Wert. Dass wir mit George Gruntz einverstanden sind, liegt auf der Hand. Weshalb sonst würden wir uns darum bemühen, dass uns all die wertvollen Zeug- nisse unserer Musik erhalten blei- ben, z.B. die, die der unvergessliche Johnny Simmen gesammelt hat. Um bei Musikerurteilen zu bleiben: Arthur Honegger, der berühmte Schweizer Komponist (1892–1955), Nicht-Jazzmusiker, aber vom Jazz inspiriert, soll einmal gesagt haben: «Es ist interessant festzustellen, dass – nachdem man klassische Werke angehört hat – gewisse Jazzstücke viel raffinierter zu sein scheinen, sowohl vom orchestralen wie vom harmonischen Standpunkt aus ge- sehen; so viel raffinierter, dass man versucht sein könnte zu glauben, der Jazz sei die echte Musik.» Sicher kein kategorisches Urteil, aber eine sehr bemerkenswerte Äusserung. Herzlich (Zitat aus Jan Slawes «Kleines Wörterbuch der Jazzmusik», Sanssouci-Verlag, 1953 Zürich). 1 Inhalt 1/2 Neu im Archiv: Die Johnny Simmen Sammlung 3 George Gruntz – ein Rückblick 4 Barbara Dennerlein 5 TV-Dokumentation: Jazz in der Schweiz 6 Noldi Burri: Die Widder-Bar lebt 8 William ‘Dicky’ Wells 9 Notre page en français: Susanne Abbuehl, Nik Bärtsch / La collection Johnny Simmen 10 Als Jazzrevoluzzer die Kultur schändeten 12 In memoriam / swissjazzorama in Ascona / Impressum Nr. 28, August 2013 swissjazz orama jazzletter EDITORIAL Eine der bedeutendsten Jazz-Sammlungen ist uns als Schenkung überreicht worden: Alles, was Johnny Simmen, der weltweit respektierte Schweizer Jazzkenner, -Publizist und -Vermittler, gesammelt hat. Die Sammlung Johnny Simmen Johnny Simmen (1918 – 2004) baute seit seiner frühen Jugend eine ein- zigartige Sammlung von Büchern, Zeitschriften und mehreren Tau- send Tonträgern aller Art auf. Davon ist eine Mehrheit Vinyl-LPs. Er zog es jedoch vor, den Jazz auf 78-Touren-Schellacks zu hören. Deren Spieldauer von rund 3 Minu- ten ermöglichte ihm eine bessere Konzentration als die 25 Minuten einer ganzen LP-Seite oder die Stunde einer CD. Aufnahme- oder Wiedergabetechnik spielten für ihn untergeordnete Rollen. Sim- mens Interesse galt vor allem der Musik. Auch die Sammlertätigkeit an sich war für ihn nicht zentral. Freundschaften mit Musikern Das Wichtigste war für ihn das Kennen, Schätzen und Geniessen der swingenden Musik sowie die

swiss jazz orama jazzletter...sang und mit Leidenschaft Geige spielte, der Wert darauf legte, dass der kleine George bereits mit 6 Jah-ren begann, Klavier zu spielen, wahr-scheinlich

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Page 1: swiss jazz orama jazzletter...sang und mit Leidenschaft Geige spielte, der Wert darauf legte, dass der kleine George bereits mit 6 Jah-ren begann, Klavier zu spielen, wahr-scheinlich

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Wenn jemand sagt, der Jazz sei «dieeinzig wirklich neue Erfindung desmusikalischen 20. Jahrhunderts»,dann ist das höchst erfreulich.Wenn dieser «Jemand» der Jazz-musiker George Gruntz war (sieheSeite 3), dann hat die Aussage ganzbesonderen Wert. Dass wir mitGeorge Gruntz einverstanden sind,liegt auf der Hand. Weshalb sonstwürden wir uns darum bemühen,dass uns all die wertvollen Zeug-nisse unserer Musik erhalten blei-ben, z.B. die, die der unvergesslicheJohnny Simmen gesammelt hat.

Um bei Musikerurteilen zu bleiben:Arthur Honegger, der berühmteSchweizer Komponist (1892–1955),Nicht-Jazzmusiker, aber vom Jazzinspiriert, soll einmal gesagt haben:«Es ist interessant festzustellen, dass– nachdem man klassische Werkeangehört hat – gewisse Jazzstückeviel raffinierter zu sein scheinen,sowohl vom orchestralen wie vomharmonischen Standpunkt aus ge-sehen; so viel raffinierter, dass manversucht sein könnte zu glauben,der Jazz sei die echte Musik.» Sicherkein kategorisches Urteil, aber einesehr bemerkenswerte Äusserung.

Herzlich

(Zitat aus Jan Slawes «Kleines Wörterbuch derJazzmusik», Sanssouci-Verlag, 1953 Zürich).

1

Inhalt 1/2 Neu im Archiv: Die Johnny Simmen Sammlung 3 George Gruntz – ein Rückblick 4 Barbara Dennerlein 5 TV-Dokumentation:

Jazz in der Schweiz 6 Noldi Burri: Die Widder-Bar lebt 8 William ‘Dicky’ Wells 9 Notre page en français: Susanne Abbuehl, Nik Bärtsch /

La collection Johnny Simmen 10 Als Jazzrevoluzzer die Kultur schändeten 12 In memoriam / swissjazzorama in Ascona / Impressum

Nr. 28, August 2013

swissjazzorama jazzletter

EDITORIAL

Eine der bedeutendsten Jazz-Sammlungen ist uns als Schenkung

überreicht worden: Alles, was Johnny Simmen, der weltweit respektierte

Schweizer Jazzkenner, -Publizist und -Vermittler, gesammelt hat.

Die SammlungJohnny Simmen

Johnny Simmen (1918 –2004) bauteseit seiner frühen Jugend eine ein-zigartige Sammlung von Büchern,Zeitschriften und mehreren Tau-send Tonträgern aller Art auf. Davon ist eine Mehrheit Vinyl-LPs.Er zog es jedoch vor, den Jazz auf 78-Touren-Schellacks zu hören.

Deren Spieldauer von rund 3 Minu-ten ermöglichte ihm eine bessereKonzentration als die 25 Minuteneiner ganzen LP-Seite oder dieStunde einer CD. Aufnahme- oderWiedergabetechnik spielten fürihn untergeordnete Rollen. Sim-mens Interesse galt vor allem der

Musik. Auch die Sammlertätigkeitan sich war für ihn nicht zentral.

Freundschaften mit Musikern

Das Wichtigste war für ihn dasKennen, Schätzen und Geniessender swingenden Musik sowie die

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Bekanntschaften, ja die intensivenFreundschaften mit zahlreichenMusikern von Louis Armstrong bisTeddy Wilson. Zudem verbreiteteer in der Form von Gesprächen,Vorträgen, Plattencovers, Buch-beiträgen und Artikeln (Tausendevon Publikationen in schweizeri-schen und internationalen Jazz-magazinen) die Botschaft JAZZ miteinzigartigem Engagement undaktueller Sachkenntnis.

Eine grosszügige Schenkung

Diese unschätzbare Kollektion istvon Simmens Tochter Frau MichèlePfenninger-Simmen als ausseror-dentlich grosszügige Schenkungdem swissjazzorama in Uster über-reicht worden. Als separate, integ-rale Simmen-Collection wird sie soerhalten bleiben und in eine zugründende Stiftung eingebrachtwerden. Sie wird für die Forschungund auch der Öffentlichkeit zu-gänglich gemacht werden. Zu die-sem Zweck wird sie im swissjazz-orama vorerst von den Fachleutender Jazz Crew inventarisiert. DiesesInventar wird anschliessend aufwww.jazzorama.ch öffentlich zu-gänglich gemacht. Die umfangrei-che Korrespondenz von Simmenmit Jazzmusikern und -Kennernwurde schon früher in das britischeNational Jazz Archive eingebracht.

Louis Armstrong

Hans-Georg «Johnny» Simmenwurde am 7. April 1918 in eine gutsituierte Familie in Brugg AG gebo-ren. Dort wuchs er zusammen mitseiner Schwester Sylvie wohlbehü-tet auf. Beide Eltern spielten Kla-vier. Es war fast selbstverständlich,dass Hans-Georg Klavierunterrichtnahm, während sieben Jahren.

Die vielen Platten mit klassischerMusik im Hause kannte er fastauswendig. Dann, mit 11 Jahrenerlebte er seine Sternstunde: amRadio hörte er zufällig Louis Arm-strongs «Alligator Blues» mit denHot Seven – und seine Welt, seinHandeln, Hören, Fühlen, sein gan-zes Interesse wurde schlagartig:JAZZ! Dabei sollte es bleiben, biszu seinem Hinschied am 23. Sep-tember 2004. Womöglich nahmseine Begeisterung noch zu als er1934 in der Zürcher Tonhalle LouisArmstrong «live» hörte.

Heirat mit Liza

1946 heiratete Johnny Liza Peretti,eine ebenso begeisterte Jazzken-nerin aus Genf. Die Simmens pfleg-ten über all die Jahre den Musik-genuss gemeinsam, sowie die zahl-losen Bekanntschaften und Freund-schaften mit Jazzmusikern undJazzfreunden. Die Donatorin dereinzigartigen Simmen Collection istdie 1950 geborene Tochter Mi-chèle. Die Geburt des Töchterchenswurde übrigens vom Stridepianis-ten und Multitalent Willie „TheLion“ Smith schon lange vorherpräzis weisgesagt.

Swissair

Ebenfalls 1946 nahm J. Simmen mitseinen Sprachkenntnissen die Ar-beit bei SWISSAIR auf, wo er wäh-rend 37 Jahren als hochgeschätzter,vielseitig einsetzbarer Mitarbeiterund Kollege wirkte. Seine fundier-ten Kenntnisse der Passagierbe-dürfnisse, der Reservationssysteme,der internationalen Reisevorschrif-ten und vor allem sein diploma-tisches Geschick und sein Talent,Menschen zusammenzubringen,machten ihn zum idealen Organi-sator und Trouble-Shooter in allenmöglichen Situationen. Unter an-derem war er verantwortlich fürsämtliche Reisen der Familie vonThomas Mann. Jazz-Stars wie Basie,Ellington, Goodman mit ihrenBands, Ella Fitzgerald, Eubie Blake,Buck Clayton, Bill Coleman, StuffSmith, Rex Stewart oder TeddyWilson schätzten nicht nur seineDienste. Gerne liessen sie sich vonihm bei ihren Aufenthalten in Zü-rich interviewen oder privat beiden Simmens willkommen heissen.Schliesslich gelang es ihm, den

Beruf und seine Liebe zum Jazzmiteinander zu verbinden.

Jazz für die Passagiere

Während rund 7 Jahren produzier-te er alle 2 Monate ein neues Jazz-programm für die Swissair Lang-streckenflüge. Die Passagiere –nicht nur die Jazzfans unter ihnen– genossen jeweils während zweiStunden viel Musik, mit kurzen,prägnanten Kommentaren aus derFeder des Meisters. Stets war esihm ein Anliegen, neben den übli-chen Stars auch weniger bekanntegrosse Talente zu präsentieren,wie etwa Doc Cheatham, HenriChaix, Dave McKenna, George vanEps, Keith Ingham, Tab Smith, Ma-xine Sullivan, Al Casey, Ellis Larkinsoder François Rilhac. Johnny Sim-men förderte den Jazz und die Mu-siker auch als Gründer und Haupt-exponent verschiedener Jazz Clubsin Zürich, wie das Protokolle ab1935 belegen. Er war auch gefrag-ter Referent bei ausländischenClubs. Und er begleitete das Zür-cher Amateur Jazz Festival als Jury-mitglied während sieben Jahren.

Wichtige Ergänzungen

der Archivbestände

Das swissjazzorama als einzigesöffentlich zugängliches Jazzarchivder Schweiz, sieht durch dieseDonation die bereits vorhandenenArchivbestände in wichtigen Teilenergänzt. Das swissjazzorama, alsVerein organisiert, mit über 30 eh-renamtlich arbeitenden Freiwilli-gen, hat eine Spezial-Crew be-stimmt, mit u.a. zwei Kennern derSammlung Simmen und früherenClubkollegen und Freunden derFamilie, die das Inventar in Angriffnehmen. Zudem gilt es, Finanzenzu suchen, die es ermöglichen, das«Projekt Simmen» professionelldurchzuführen und die Beständeauf der Webseite des SJO einseh-bar zu machen. Die Gründungeiner Stiftung als Träger für solchwichtige Sammlungen wird for-ciert, und auch da sind neue Part-ner und Finanzgeber zu finden.Interessenten, die diese Aktivi-täten unterstützen möchten, kön-nen sich beim Sekretariat in Ustermelden: Telefon 044 940 19 82.

Konrad Korsunsky

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Aus einem Interview, 2002:

SJO: George, wie beurteilst du die gegen-wärtige Situation des Jazz in der Schweiz?Was ist daran gut? Was sollte anders sein?GG: Sehr gut ist, dass wir trotz schwierigenUmständen in unserem Land ein unglaublichesPotential an jüngeren und jüngsten Jazzmusikernhaben, die auf hohem, internationalem Niveauspielen können und wahrlich niemanden fürch-ten müssen. Das Schlimme ist aber, dass sich in der Schweiz – im Gegensatz zu den Lobbies in der klassichen Musik – niemand mit Machtwirklich für unseren Jazz einsetzt.

SJO:Wie beurteilst du das Musizieren ineinem der traditionellen Jazzstile? Ist es z.B. sinnvoll, sich die grossen Meister derJazzimprovisation wie Armstrong, Hawkins,Parker etc. als Vorbild zu nehmen?GG: Der ausübende Musiker wird vorsichtigersein in der Wahl von Idolen, als es der Fan seinkann. Als professioneller, der Musik vollverschriebener Jazzmusiker bewegt man sichautomatisch im grossen Feld der Avantgarde,ohne immer wieder einem «dernier cri» nachzu-plappern! Unabhängig vom Stil arbeitet einengagierter Jazzmusiker immer an einer Front.Wenn man ernsthaft improvisiert, also spontankomponiert, dann schreitet man ständig voran,spielt nicht nach, was gestern war – sonst ist esja nicht neu erfunden, keine spontane Kompos-tition. Unter dieser Vorgabe ist der Jazz die grossartigste, einzig wirklich neue Erfindung des musikalischen 20. Jahrhunderts.

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Wer sich für den Musiker und denMenschen George Gruntz interes-siert, wird schon im ersten Teil desBuches «Als weisser Neger geboren»in den Text hineingezogen. Mit vielLiebe zum Detail erzählt GG vonseiner Schulzeit in Basel, von seinemlieben Vater, der im Männerchorsang und mit Leidenschaft Geigespielte, der Wert darauf legte, dassder kleine George bereits mit 6 Jah-ren begann, Klavier zu spielen, wahr-scheinlich mit dem Hintergedanken,er könne ihn später begleiten.

Erste Kontakte mit dem Jazz

Sein Vater nahm ihn bald einmal mit in klassische Konzerte, aber auchins Basler Café Java zu Jazz-Mati-neen. Das war sehr fortschrittlich,denn zur Zeit des 2. Weltkrieges wardas allgemeine Urteil noch sehr ver-breitet, dem Jazz hafte etwas Spe-lunkenhaftes an. Im Klavierunterrichtwurden nicht nur die Grundlagenseines musikalischen Könnens gelegt,er lernte dort auch Lilly, seine Ehe-frau, die er 1955 heiratete, kennen.Erste direkte Berührungen mit demJazz gabs in der katholischen Jugend-organisation «Jungwacht». Weil der Klavierstuhl schon besetzt war,musste er quasi über Nacht das Ak-kordeonspiel lernen. Die Begeiste-rung für den Jazz war geweckt undkam so richtig in Schwung, als Geor-ge den Berner Ernie Büchi kennenlernte, den grössten Jazzenthusias-ten der Sturm- und Drangzeit desSchweizer Jazz. Auf ihren gemein-samen Streifzügen durch die BaslerDancings hofften sie, da oder dorteinen guten Solisten zu entdecken.

Erfolge als Amateur…

Als Amateur-Jazzmusiker war GeorgeGruntz sehr erfolgreich. 1955 ge-wann er am Zürcher Amateur-Jazz-

festival den ersten Preis als Solo-pianist. Gross war der Einfluss desTessiner Altsaxofonisten und Bebop-Pioniers Flavio Ambrosetti, mit des-sen Sohn Franco er später einigeseiner besten Aufnahmen einspiel-te. Noch als Amateur – GG war wäh-rend acht Jahren Autoverkäufer –hatte er seinen ersten ganz grossenErfolg: 1958 stellte George Wein,der Initiator des Newport Jazzfesti-vals, mit jungen Musikern aus allerWelt eine Bigband zusammen. Alses darum ging, den Pianochair zubesetzten, fiel die Wahl auf GeorgeGruntz: Ein geradezu sensationellerErfolg für den Schweizer Jazz.

… noch grössere Erfolge als Profi

Anfangs 1963 wird George Gruntzendgültig Profimusiker. Im 2. und 3. Teil des Buches berichtet GG vonseinen Kompositions-Arbeiten (Mu-sik fürs Fernsehen, für Filme, Jazz-opern u.a.), die ihn da und dortauch an den Rand dessen, was imengeren Sinne als Jazz gilt, geführthaben. Am Schauspielhaus Zürichwar er Musikalischer Leiter von 1974bis 1984, zum Teil in den gleichenJahren, von 1972 bis 1994, leitete er die Berliner Jazztage. GeorgeGruntz wollte eigentlich nur Pianistsein und so wie Bud Powell spielenkönnen. Doch als ihm der Norddeut-sche Rundfunk in den Siebzigerjah-ren attraktive Bedingungen anbot,fing er an für Bigbands zu kompo-nieren und zu arrangieren. Frucht-bar war ab 1964 die Zusammenar-beit mit dem Komponisten RolfLiebermann, die schon an der ExpoLausanne mit der Büromaschinen-Symphonie «Les échanges» begann.

Der Anhang

Besonders der Anhang macht diesesBuch zu einer Fundgrube der selte-

George Gruntz (24.6.1932–10.1.2013) –Ein Jazzmusiker mit Ambitionen

Im Nachruf auf George Gruntz, den international erfolgreichen Jazz-

pianisten und Komponisten, in unserer Ausgabe 27 des Jazzletters wiesen

wir darauf hin, dass wir später auf des Baslers Schaffen eingehen werden.

Mit diesem Beitrag wollen wir dies tun und uns dabei an seinem auto-

biografischen Werk «Als weisser Neger geboren», das 2002 erschienen ist.

orientieren. Im August 2002 hat er uns eine Reihe von Fragen frank und

frei beantwortet. Da seine Aussagen nach wie vor aktuell sind, wollen wir

zwei davon nochmals abdrucken.George Gruntz: Als weisser Neger geboren,262 Seiten, Corvus Verlag Berneck 2002

nen Art. Eine Chronologie beginnt1875 bei der Geburt seines Grossva-ters Georg Karl im Elsass und endet2001 mit der Berufung zum Gast-dirigenten des «Orchestre de laSuisse Romande». Eine Diskografieweist u.a. auf alle Aufnahmen mitder «George Gruntz Concert JazzBand» hin und ein Verzeichnis«who & where & when» enthältdie Namen aller 160 Musiker undSängerinnen, die je in einer seinerConcert Jazz Bands mitgewirkthaben. George Gruntz war einuniverseller Geist, der sich nie vonseinem Weg abbringen liess. Leiderhat er uns im Januar dieses Jahresverlassen. Doch sein Schaffen istbei uns gut dokumentiert. Er lebtbei uns weiter. Jimmy T. Schmid

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Welch ein Glück, dass es Jacques Rohner, der sich bei uns um ein attrak-

tives Veranstaltungsprogramm bemüht, kurzfristig gelungen war, für ein

Konzert nach der Jahresversammlung des swissjazzorama in Uster die

einzigartige Barbara Dennerlein zu engagieren. Die charmante deutsche

Jazzorganistin begeisterte uns in einer Weise, dass man geneigt ist, ihr

Konzert als Höhepunkt der Saison zu bezeichnen. B.D. spielte (wie immer)

höchst inspiriert, mit optimalem Swing, und verstand es – last, not least,

ihre Musik auf humorvolle Art zu kommentieren.

Ein Programmhöhepunkt am 22. März im Musikcontainer: Faszinierende Orgelmusik

In einem kurzen Pausengesprächmit Fernand Schlumpf erzählte unsBarbara Dennerlein u.a., dass siebereits mit 11 Jahren von ihrenEltern als Weihnachtsgeschenkeine einfache Orgel erhielt, diedann aber bald durch eine Ham-mond B3 mit Pedal und zwei Ma-nualen ersetzt wurde. Mit Feuerei-fer ging sie nun daran, das Orgel-spiel à fond zu lernen. Schon mitFünfzehn hat sie ihr erstes profes-sionelles Engagement. Ihre heu-tige Technik, besonders ihr Pedal-spiel, ist höchst beeindruckend.

Standards

Am Abend des 22. März gingsohne Aufwärmphase mit einemGriff ins «Great American Song-

book» los. Bereits die ersten Cho-russe von «Out of Nowhere» lies-sen erahnen, dass hier eine ArtJazz geboten wird, die den Hörerrichtiggehend in einen Strudelmusikalischer Emotionen hinein-zieht. Als Hommage an den gros-sen Charlie Parker interpretierteB.D. sein «Ornithologie». Was siein äusserster Up-Tempo-Manier ausdem Bebop-Thema macht, dasweitgehend auf den Harmonienvon «How High the Moon» basiert,ist geradehin erstaunlich. Bächevon swingenden Figuren trennensich, fliessen voneinander, vereini-gen sich wieder, zuerst zögernd,dann voller Ungestüm. Ein musika-lischer Hochgenuss. Nicht zuletztfür Bebop-Fans.

Lyrische Eigenkompositionen

Typisch für Barbara Dennerlein: Siewechselt oft zwischen hartswin-genden, relativ schnellen, häufigauch rockigen Stücken und lyri-schen Eigenkompositionen, die sichso richtig zum Träumen eignen. Mitihrer Eigenkomposition «ToscanianSunset» z.B. demonstriert sie ihreenormen Fähigkeiten beim Inter-pretieren eigener Themen undsetzt alle Mittel der Klangmalereiein, um ein Maximum an Expressi-vität aus ihrem Instrument heraus-zuholen.

Immer wieder ist Bluestime

Ein starker Bezug zum Blues ist beiBarbara Dennerlein allgegenwär-tig. Mit all den Stücken, die aufden Bluesharmonien basieren,könnte sie leicht ein ganzes Pro-gramm gestalten. Es scheint, dasssie besonders von der kurzen, präg-nanten Bluesform zu musikalischenHöhenflügen inspiriert wird. «Blue-sy Mary» nennt sie einen Blues ausihrer Feder, der für einmal sehrrockig daherkommt.

Doch ob Blues oder nicht Blues, siespielt auch mit anderen Grund-rhythmen: Swing, Samba usw., dieAuswahl ist gross. Was den bestenGroove erzeugt, kommt zumEinsatz.

Jazz auf der Kirchenorgel

Schade, dass bei einem Konzert imMusikcontainer aus naheliegen-den Gründen ein Wechsel von derHammond- zur Kirchenorgel nichtmöglich ist. Wer nämlich BD in derUstermer Reformierten Kirche imRahmen eines Orgelfestivals*)erlebt hat, weiss, wie sie mit ihrenausserordentlichen musikalischenund technischen Fähigkeiten imStande ist, auch auf der sogenann-ten Königin der Instrumente faszi-nierenden Jazz zu spielen.

Jimmy T. Schmid

Barbara Dennerlein* 25. September 1964MünchenDeutsche JazzmusikerinHammond-Orgel B3

*) Barbara Dennerlein – Konzerte in der Reformierten Kirche Uster im Rahmen eines Orgelfestivals: 15.9.2002, 3.9.2006,14.9.2008 und 2.9.2010

Foto: Mike Müller, Uster

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Schweizer Jazz: Immer wieder neuDas Schaffhauser Jazzfestival fühlt der einheimischen Szene alljährlich

den Puls. 2013 auch mit historischem Tiefgang: SRF 1 zeigte als Preview

seine dreiteilige TV-Dokumentation «Jazz in der Schweiz».

Jazz hören und darüber sprechen:Schaffhausen bietet dem schweize-rischen Jazzschaffen ein ähnlichesForum wie Solothurn der Literatur-und Filmszene. Alljährlich im Maisind am viertägigen Festival ak-tuelle Schweizer Bands zu hören.Die Konzerte werden bis in alleNacht und während der folgendenTage diskutiert. Nach Schaffhausenreisen Musiker, Journalisten, Pro-motoren, Fans – man hört, sieht,trifft und kennt sich. Institutiona-lisiert werden diese Debatten zudem an den Schaffhauser Jazz-gesprächen mit Referaten undPodiumsdiskussionen.

Die 24. Festivalausgabe klang sointernational wie selten zuvor. Dasverwundert nicht, geniesst dasSchweizer Jazzschaffen doch hohesinternationales Ansehen und istentsprechend eingebettet. Dassdies schon immer so war, wurdeauch an den 10. Jazzgesprächendeutlich. SRF 1 lud zur Preview undDiskussion seiner neu produziertenDok-Staffel «Jazz in der Schweiz»,die kurz nach dem Festival an dreiSonntagabenden in der «Stern-stunde Musik» am Fernsehen zusehen war. In drei Teilen wurdedarin die Geschichte des SchweizerJazz seit 1920 erzählt.

«Nach den Reihen zur Rock- undzur Populärmusik lag es nahe, auchden Jazz in der Schweiz zu doku-mentieren», sagt Christian Eggen-berger. Der Bereichsleiter Musik +Events bei SRF 1 hat die Dokfilmeproduziert und verrät: «Mit derSRF-Konvergenz kamen die Musik-redaktionen von Radio und Fern-sehen zusammen. Das waren idealeVoraussetzungen für ein so an-spruchsvolles Projekt.»

Musik der Befreiung

Die drei gut 50-minütigen Doku-mentationen *) schöpfen denn ausdem Vollen und kombinieren indichter Dramaturgie Archivmate-rial (Fotos, Ton- und Bildaufnah-men) mit aktuellen Interviews von

Akteuren und Zeitzeugen. Jazzhis-toriker Christian Steulet kommen-tiert die erste Schweizer Jazzplattevon 1920: «Elli Greens Rag» derBauernkapelle (!) Meyer undZwahlen. Denn Jazz war zuerst nurTanzmusik. Neue Stücke lernteman ab 1923 übers Radio, erklärtSRF-Jazzchef Peter Bürli. SelbstTeddy Stauffer, Eddie Brunner oderFred Böhler spielten ihre erstenStücke nach Gehör, später wurdensie zu Stars und gastierten mit ih-ren Tanzbands in Berlin und Paris.Oder an der Landi 1939, wo diegeistige Landesverteidigung auchmittels Jazz von Teddy StauffersOriginal Teddies zelebriert wurde.Ein Vierteljahrhundert später tratJazz noch prominenter in Erschei-nung: Rolf Liebermann hatte fürdie Expo 1964 in Lausanne seineBüromaschinen-Symphonie «Leséchanges» komponiert. Die Jazz-fassung dazu spielten – pionierhaft– George Gruntz und Pierre Favre.

Gute Auswahl

Jazzpioniere mit internationalerAusstrahlung hat die Schweiz eineganze Reihe hervorgebracht. DerBasler Saxer Bruno Spoerri brachtezuerst den Bebop ins Land, späterden Jazzrock. Als Computerjazzerdann hat er international für Furo-re gesorgt. Elsie Bianchi und IrèneSchweizer haben mittels Akkor-deon und Schlagzeug nicht nur dieMännerbastion Jazz erobert, wie

sie in der Dokumentation betonen,sondern auch eigene, freie Töneangeschlagen. An neue musikali-sche Wege erinnern sich auch derZuger Trompeter Hans Kennel, der– wie George Gruntz – in den60ern Jazz mit Volksmusik in Ver-bindung brachte. Die LuzernerFreddy Studer und Christy Doranberichten von verschiedenen Jazz-rock-Experimenten, Mathias Rüeggvon seiner «zu bändigenden Chao-tentruppe» Vienna Art Orchestra.

Sie alle kommen in den ersten bei-den Filmen ausführlich zu Wort.Eher kurz gefasst und für die aktu-elle Vielfalt des Schweizer Jazzstehend, werden im dritten TeilExponenten wie die SchlagzeugerDavid Klein und Jojo Mayer oderdie Sängerinnen Erika Stucky undElina Duni aufgereiht. Eine guteAuswahl, aber eben nur eine Aus-wahl. Dazu Produzent Christian Eg-genberger: «Bekanntlich brauchtes zeitliche Distanz für eine ge-schichtliche Aufarbeitung.» DieDokumentation von Jazz in derSchweiz sei ein Kraftakt gewesen.«Um das erforderliche Knowhowzusammenzubringen, haben wirdrei erfahrene und jazzaffine Film-schaffende gesucht», so Eggenber-ger. Barbara Seiler, Jürg Gautschiund Beat Häner wurden fachlichvom langjährigen SRF-JazzchefPeter Bürli begleitet.

Dass die dreiteilige Dokumentationin Schaffhausen Vorpremiere feier-te, lag für Christian Eggenbergerauf der Hand. «Wir haben nach derbesten Plattform gesucht.» Unddiese sei das Schaffhauser Jazzfesti-val als Werkschau des SchweizerJazzschaffens.

Frank von NiederhäusernKulturjournalist, Uster

)«Jazz in der Schweiz»

Die 3 Teile:

1. Vom Tanzstück zum Kunststückvon Barbara Seiler

2. Der eigene Wegvon Jürg Gautschi

3. Zwischen Aufbruch und Traditionvon Beat Häner

Fred Böhler26. Juli 1912 – 10. Januar 1995Schweizer Jazzmusiker:Pianist, Organist und Bandleader (Swing und Unterhaltungsmusik)

Mathias Rüegg* 8. Dezember 1952 Schweizer Jazzmusiker:Pianist, Komponist,Arrangeur, BandleaderEr gründete 1977 das Vienna Art Orchestra

*) Die dreiteilige TV-Dokumentation kann online nachgeschaut werden unter www.srf.ch/kultur/jazz-in-der-schweiz

Zwei Schweizer Bandleader verschiedener Epochen

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Der gebürtige Berner Arnold Burri schrieb 1980 bis 1989 ein funkelndes

Kapitel Zürcher Jazzgeschichte. Heute hütet er im Aargau das Vermächtnis

von «Jazz at the Widder-Bar». Das swissjazzorama hat Noldi besucht und

seine audiovisuelle Schatztruhe in Hirschthal besichtigt.

Die «Widder-Bar» lebt im Aargau weiter.

Im «Jazzletter» vom April 2003hielt Ueli Staub mit eleganter FederRückschau. Er berichtete über den«Widder», dessen Pächter ArnoldBurri zwischen 1974 und 1989 war.Das Traditionshaus mit Speiselokalund Piano-Bar am oberen Rennweggehörte der Schweizerischen Bank-gesellschaft (heute UBS), welchedie Liegenschaft nach einer wenigspektakulären gastronomischenÄra gelegentlich in einen luxuriö-sen Hotelkomplex umwandelnwollte. Im Sinne eines Interreg-nums mit Kurzzeitverträgen durfteNoldi die «Widder»-Kundschaftbetreuen – auf Abruf sozusagen.

Stars und «local heroes»

Mit «Jazz at the Widder-Bar» er-eignete sich ab Sommer 1980 bis1986 und nach einer viermonatigenZwangspause bis April 1989 einveritables Zürcher Jazzwunder: Die Statistik verzeichnet 444 aus-ländische Stars und 177 Exponen-ten der helvetischen Szene, die das«Widder»-Parterre während einesknappen Jahrzehnts in einen inter-national beachteten Kraftort fürSwing und Mainstream, Bebop,Latin und Hardbop verwandelten.Jazzfans wie der Zürcher MalerAlexander Jeanmaire, der damalsam Rennweg ansässige Kontrabas-sist Rolf Cizmek und der aus Polen

in die Schweiz übersiedelte Saxo-fonist/Klarinettist Richard Lipiecgaben die Initialzündung, undBurri setzte ihre Ideen mit wach-sendem Enthusiasmus in die Praxisum. Was am 8. Juni 1980 im Rah-men einer Sonntagsmatinee mit«local heroes» begann, rief schonzwei Monate später die ersteGarde auf den Plan: Nach einemersten Gastspiel von Bassist JimmyWoode und Drummer Kenny Clarkentwickelte sich das kleine Jazz-Mekka in Zwingli-Town mehr oderminder zum Selbstläufer.

Für permanenten Musikernach-schub war keine professionelleAgentur besorgt, die Jazzgrössenaus Europa und USA programmier-ten sich gewissermassen selbst. Siekamen überaus gerne und – ohneschriftlichen Vertrag – pünktlich zuNoldi Burri, der für viele Jazzerzum väterlichen Freund, grosszügi-gen Betreuer und uneigennützigenGastgeber avancierte. Das jazzmu-sikalische Abenteuer kostete einehübsche Stange Geld für Verpfle-gung, Beherbergung, Hol- undBringfahrten, Transatlantikflüge,Telekommunikation und anderesmehr. Nach sechs aufwendigenJahren war Arnold Burris «Hobby-Kässeli» leer. Ein kurzfristig ge-gründeter Gönnerverein verliehdem Konzertkarussell nochmals

während dreier Jahre Schwung –mehr lag einfach nicht drin, zumaldie Stadt Zürich, die vom Renom-mee des Jazzstandorts «Widder»kulturell und touristisch profitierte,sich materiell eher von der sprödenSeite zeigte. Ende April 1989 fiel der Schlussvorhang: Dizzy Gillespie,Clark Terry, Harry «Sweets» Edison,Ray Brown und Gene Harris spieltendie Coda zur aufregendsten undungewöhnlichsten Episode im Leben des Hoteliers Arnold Burri.

Gstaad – Lausanne –

Schweden – Russland

Heute lässt Noldi, mit dessen Ge-sundheit es nicht zum Besten steht,seinen Alltag ruhiger angehen. Fern von städtischem Ambiente, imaargauischen Hirschthal, bewohntder mittlerweile Dreiundsiebzig-jährige mit Gattin Fränzi ein hüb-sches Haus. Die Vortragstouren zuJazzclubs sind passé, der alljährlicheVersand eines Kalenders mit buntenErinnerungsbildern aus dem «Wid-der» ist eingestellt. Aber allgegen-wärtig begleitet swingender Jazzaus einem gigantischen Tonträger-fundus die Burris durch den Tag,und ab und an keimt auch die Lustzum Besuch eines Jazzkonzerts.Wenn alte Freunde in Hirschthalauftauchen, weichen schnell dieNebel des Vergessens. So war’s auch,als eine swissjazzorama-Delegation(Fernand Schlumpf, Klaus Nägeli,Werner Schwarz, René Bondt) kürz-lich in Hirschthal anklopfte und sichmit den beiden Gastgebern in Doku-

Noldi Burri mit einer ihm gewidmeten CDdes Pianisten Monty Alexander.

Das grösste Zimmer in Burris Haus dient als Jazzarchiv.

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mente aus den «goldenen» achtzi-ger Jahren vertiefte. Einen respek-tablen Teil der Burri-Liegenschaftnimmt die enorme audiovisuelleErnte von neun Widder-Jazz-Jahrenein: Porträtbilder der Musiker mitWidmungen, Videos von einzigar-tigen Konzertabenden, vor allemaber ein riesiger Bestand an Live-Mitschnitten, die Noldi im Einver-ständnis mit den auftretendenMusikern privat erstellte.

Interessiert hat bei dieser Begeg-nung aber nicht nur die heisse Widder-Phase, sondern Arnold Bur-ris ganzes Curriculum. Noldi kam1940, mitten im Zweiten Weltkrieg,in Gstaad zur Welt – nicht in einerKlinik, sondern im Hotel «Natio-nal», das den Eltern gehörte. Fürihre Kinder konnte sich die Hote-lierfamilie nur selten Zeit nehmen –Kindermädchen, Schul- und Inter-natslehrer übernahmen einen substanziellen Teil der Erziehung.Gleichwohl wirkte die Berufsweltder Eltern prägend: Der junge Ber-ner absolvierte die Hotelfachschulein Lausanne. Ein Praxisjahr im Ser-vice eines schwedischen Luxusho-tels schloss sich an, verbunden miteinem Abstecher ins damals kom-munistische Russland, dessen Met-ropole Moskau Noldi durch Vermitt-lung eines Hotelconcierges auf un-konventionelle Weise kennenlernte.

Nicht ins konventionelle Musterpasste auch das, was Arnold Burrinach seiner Heimkehr tat. Das Etab-lissement der Eltern reizte ihn we-nig. So kam es, dass das Gstaader«National» bald einmal verkauftund durch eine Überbauung mitEigentumswohnungen ersetzt wur-de. Noldi ging eigene Wege, die ihn vorerst nach Luzern führten, wo

er – als jüngster Hoteldirektor vorOrt – die Leitung des «Metropol»übernahm. Seine nächste Stationhiess «Freihof» und befand sich inErlenbach am Zürichsee. Doch derLebenslauf tendierte, wie das Wet-ter, weiterhin auf «veränderlich»:Noldis erste Ehe ging zu Bruch, undvon Erlenbach ging’s weiter nachZürich, wo die Pacht des «Widder»lockte. Der Rest ist bekannt.

Ungehobene Schätze

An die meisten «seiner» Jazzmusi-ker erinnert sich Arnold Burri mitpositiven Gefühlen. Einer hat ihnbesonders tief beeindruckt: «Das ist– als Musiker wie als Mensch – ganzklar der Bassist und GrandseigneurRay Brown», urteilt Noldi und fügtbei: «Die Nachricht von seinemfrühen Tod stimmte mich ausser-ordentlich traurig.» Ein häufigerund gern gesehener Gast auf dem«Widder»-Bandstand war auchTenorsaxofonist Eddie «Lockjaw»Davis, der zu Beginn der achtzigerJahre im damals für Live-Jazz und -Blues bekannten «Limmatquai 82»verkehrte und als einer der ganzgrossen Cracks aus dem Count-Basie-Umfeld schnell die Chancewahrnahm, auf die andere Fluss-seite ins neue Eldorado für hoch-karätigen Jazz zu wechseln. Ausden Davis-Live-Einspielungen im«Widder» filterte Arnold Burri dasMaterial für zwei Langspielplatten.

Diese beiden hervorragenden LPssind nach wie vor erhältlich – alseinzige Veröffentlichungen aus derenormen Fülle privater «Widder»-Aufnahmen übrigens. Gegen einesystematische kommerzielle Nut-zung dieses einzigartigen Tresorssprachen zunächst die juristischenBindungen mancher Jazzmusikeran bestimmte Labels, aber auchNoldi Burris Fairness, die ihn bisheute daran hindert, auf halblega-len Wegen und unter Verweis aufnicht mehr relevante Stillhaltefris-ten aus den Mitschnitten Kapital zuschlagen. «Ein Stück weit war ichgebunden durch Versprechen anjene Musiker, die unter Exklusivver-trag standen», erklärt Noldi heute.Und ergänzend gesteht er: «Dieöffentliche Werbewirkung meinerWidder-Jazz-Juwelen hat micheigentlich nie interessiert. Ich woll-te Restaurant und Jazz stets auf

getrennten Schienen halten.» Aus heutiger Sicht sind wohl auchZweifel angebracht, ob sich nochFirmen finden würden, die denMut aufbringen, die akustischenArchivschätze aus dem Hause Burriintegral zu heben und in den Han-del zu bringen. Bessere Realisie-rungschancen hätte demgegen-über vermutlich ein schöner Foto-band mit Bildern von Session-High-lights aus dem «Widder», er wäredas ideale Nostalgiegeschenk fürjene immer noch zahlreichen Jazz-fans, die zwischen 1980 und 1989begeistert Arnold Burris Bar be-völkerten.

Noldis musikalische Lehrjahre

Aber ob mit oder ohne Erinne-rungsbrücken: In den Köpfen die-ser Zeitgenossen ist die Episode«Jazz at the Widder-Bar» unaus-löschlich präsent. Die damaligenGäste erinnern sich an das kolle-giale Klima, das positiv auf die Musik einwirkte. Die Musiker ihrer-seits – besonders die Amerikaner –waren stets angetan vom «geniusloci» und kamen immer wiedergern an den Zürcher Rennwegzurück. Ein ergreifendes Zeugnisfür die tiefe menschliche Bindungmancher Stars an den generösenGastgeber Burri lieferte der tod-kranke Stan Getz, der 1991, vomLeberkrebs und einem in keinerPhase einfachen Leben gezeichnet,bei Noldi anrief und sich für dieschönen Stunden im «Widder»bedankte.

Und wofür ist Arnold Burri dank-bar, wenn er Rückschau hält? –«Nicht zuletzt für die Tatsache,dass ich ein musikalischer Laie war,als ich mit dem Jazz anfing, imLauf der Jahre aber dazulernteund mir zuletzt ein differenziertesUrteil in einem breiten Stilspekt-rum des Jazz erlauben konnte.»

René Bondt

«Widder-Bar»-Erinnerungen im Archiv des swissjazzorama:

– 3 Bücher von Ueli Staub mit Flyers, Texten,Inseraten und Fotos der Sessions.

– Dorothy Donegan: Live At The Widderbar,Timeless CD

– Eddie «Lockjaw» Davis: Widder Records, 2 LPs– Eddie «Lockjaw» Davis: Live At Widder,

CD aus derselben Session 1982– Handarchiv: Programme, Kalender der Widder

Bar, Zeitungsausschnitte usw.Erinnerung in Bildern: Fränzi und ArnoldBurri betrachten mit Klaus Nägeli Fotos ausder Widder-Jazz-Ära.

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Als einer der bedeutendsten und ausgefallensten Posaunisten

zeigte Wells sich in jedem seiner Soli unverkennbar. Damit

erfüllte er eine der wichtigsten Eigenschaften eines

grossen Jazzstilisten: die unverwechselbare Individualität.

Er perfektionierte seinen persönli-chen Stil so stark, dass es keinemandern Posaunisten je gelungen ist,ihn zu imitieren. Seine führendeRolle während der Big Band-Zeitzeigt sich schon an den Orchester-chefs, die ihn engagierten: Lloyd Scott (In a corner, aufgenom-men1929), Elmer Snowden, SpikeHughes (Sweet sue, 1933), CharlieJohnson, Luis Russell, Benny Carter,Fletcher Henderson (Rhythm crazy,1933), Teddy Hill, Lucky Millin-der, Willie Bryant, Sy Oliver (Heydaddy-o, 1947), Earl Hines, RayCharles – und vor allem CountBasie (1938–46, 1947–50). Mit demCount realisierte Wells viele seinerhervorragendsten Aufnahmen: Jive at five, Panassié stomp, Missthing, Nobody knows, Harvardblues, Dickie's dream, I got rhythm,After theatre jump. Fast seinganzes Leben lang war er häufiggefragt für unzählige Anlässe undAufnahmen.

Americans Swinging in Paris

Als Leader im eigenen Namen riefihn 1937 Hugues Panassié vom HotClub de France ins Studio. Das warin Paris, mit seinem lebenslangenFreund Bill Coleman, sowie mitDjango Reinhardt, der Wells sehrbeeindruckte. Es enstanden einDutzend grossartige Aufnahmen.Ein gutes Beispiel ist Between thedevil and the deep blue sea. AufNobody's blues but my own hörenwir Wells erstmals mit dem vonihm selber gebastelten Dämpfer,dem «pepper pot», der aussah wieeine durchlöcherte Blechdose. Nachseinen sieben mitreissenden Solo-chorussen auf Dicky Wells Blues istdas Ende der dreiminütigen 78er-Zeit schon erreicht – und wir habendas Gefühl, seine improvisatorischePhantasie und Lust zu spielen hät-

ten noch für eine guteWeile mehr gereicht.Zurück in den USA leiteteWells 1943 und 1944 zwei

weitere Sessions mit Bill Coleman,beide mit Lester Young. Mit BillColeman und dem jungen Guy La-fitte unternahm Wells 1952 einezweite Europatournee. 1959 und1964 tourte er wieder hier, mit den Buck Clayton All Stars. Eineganze Woche von Konzerten in derSchweiz ermöglichte es mir, DickyWells auch persönlich kennen undschätzen zu lernen. Einen liebens-würdigeren Menschen kann ich mirnicht vorstellen. Durch all die stres-sigen one-nighters hatte er mir vonzu Hause seine neueste LP «ChatterJazz» (1959) mit Rex Stewart mit-gebracht – eine Geste, die ich nichtvergesse. Weitere Gelegenheitenzu guten Gesprächen ergaben sichanlässlich seiner Schweizer Tour-nee mit Alec Welsh 1965.

Von Jimmy Harrison inspiriert

Ursprünglich lehnte sich Dickys Stileng an Jimmy Harrisson an: impul-siv, vehement, energisch, mit war-mem, reichem Ton, mit einer stim-menähnlichen Qualität und einemakzentuierten Vibrato, das sichgegen das Ende der Noten jeweilsverstärkte, wie bei Louis Arm-strong. Es war auch die ideale Artum Sänger zu begleiten, zum Bei-spiel seinen Favoriten, Jimmy Rush-ing auf mehreren LPs von 1952, 56,58, 60, 62/63 und 1967. Oder mitBuck Clayton 1955, 58 und 61.

Nach den vierziger Jahren wurdeDickys Stil deutlich nonchalanter,mehr legato, leichtfüssiger, humo-ristisch fast bis zur Selbstpersiflage.Die Inspiration wurde unregelmäs-siger, die Melodielinien etwas we-niger konzis, dafür grösser undbreiter angelegt. Nie verlor er sei-nen Swing und Drive. 1957 trat ermit dem Count und dessen ehema-ligen Stars Lester Young, Walter

Page und Billie Holiday in der CBS-TV Sendung «The Sound of Jazz»auf (auf LPs /CDs erschienen). Inguter Form und mit längeren Solizu hören ist er mit eigenen Grup-pen auf den Alben «Bones for theKing»1958 und auf «TromboneFour in Hand» 1959, mit drei wei-teren führenden Posaunisten: VicDickenson, Benny Morton undGeorge Mathews. Diesen beidenAlben ist anzuhören, dass sie vomMainstream-Kenner Stanley Dancesorgfältig produziert worden sind. Mit den Jahren litt Wells zuneh-mend unter gesundheitlichen Prob-lemen. Zudem wurde er auf demHeimweg vom Gig im West EndCafé, bei der Columbia Universityin New York, mehrfach überfallen.Dabei wurde er brutal niederge-schlagen und schwer verletzt. Wieviele seiner Kollegen musste aucher einen Broterwerb, einen Day Jobsuchen. Seine musikalischen Akti-vitäten gab er allerdings nie auf.

«The Night People»

1971 publizierte Dicky Wells seinBuch «The Night People», eineSammlung von eindrücklichenErlebnissen sowie stimmigen Betrachtungen aus dem lustigen,jedoch oft auch extrem hartenLeben des ewig wandernden Musi-kers. Ein Muss für jede Jazzbiblio-thek. Das Werk schrieb er in Zu-sammenarbeit mit Stanley Dance,einem der besten Jazzkenner undguten Freund, der es glücklicher-weise nicht nötig hatte, sich selbstals Ghostwriter in den Vorder-grund zu schieben – oft ein Nach-teil von Musikerbiografien.

Auch wenn Dicky Wells' Bedeu-tung für die Entwicklung des swin-genden Mainstream Jazz langsamin Vergessenheit gerät, seine Mu-sik bleibt weiterhin ein ganz be-sonderer Genuss!

Konrad Korsunsky (Text und Bild)

«Dickie's Dream»William ‘Dicky’Wells 1909–1985

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NOTRE PAGE EN FRANÇAIS

Ces derniers temps l'excellente revue de jazz française Jazzmagazine Jazz-

man a publié plusieurs articles, interviews et critiques de disques concer-

nant des musiciens/musiciennnes suisses. Voici deux critiques de disques

qui ont retenu notre attention.

Susanne Abbuehl: The Gift Susanne Abbuehl, vocMatthieu Michel, bu Wolfert Brederode, p, harmonium indienOlavi Louhivouri, perc(2012 / ECM)

Avec Susanne Abbuehl, la voix ne s'impose pascomme une démonstration de force. La chan-teuse néerlando-suisse excelle dans l'exercice de la nuance et de la légèreté. Chez elle, le silence est souverain et les mots se détachentcomme des rondes-bosses que les oreillescontemplent. Nous sommes conviés à un voyagequi s'effectue les yeux fermés sur un parcours en seize étapes au cours duquel l'écoute est une rêverie.L'emprise du calme est parfaitement efficace et c'est une étonnante réussite dès lors queSusanne Abbuehl a choisi de nous faire entendre une sélection de poèmes qui ont encommun l'exploration du monde à l'intérieur de soi. En mettant en musique des écrits deWallace Stevens, d'Emily Brontë, de Sara Teasdale, d'Emily Dickinson, elle montre que lepoète est celui qui peut embrasser l'étendu dudehors sans sortir de sa chambre. Pour nousconvaincre que l'immobilité est un tremplin, elles'est entourée d'un trio souple, aérien, délicatqui ouvre les portes vers des harmonies dedouceur. Cet intérêt pour l'espace poétique donttémoigne Since Feeling Is First d'E.E. Cummingssur l'album „April“ (2000) n'est pas un élan dehasard, il signale un chemin où la voix quidescend dans la profondeur du poème faitremonter l'esprit. Susanne Abbuehl est capabled'une telle extraction. C'est une magicienne.

Guy Darol – paru dans Jazzmagazine Jazzman,no. 650 (juin 2013). Dans le même numéro ontrouve un long interview avec Susanne Abbuehl.

Nik Bärtsch's Ronin: Ronin Live Nik Bärtsch, p, e-p Sha, as, bcl Björn Meyer ou Thomy Jordi, e-bKaspar Rast, dAndi Pupato, perc

(2009-2011/2 CDs ECM)

Quand il se produit live avec Ronin, le pianistesuisse Nik Bärtsch «aime à penser que le plussérieux des auditeurs, celui qui reste assis,impassible, est en fait en train de danserintérieurement». Il n'a sans doute pas tort, carsa musique volontiers hypnotique et empreinted'une rigueur quasiment graphique invite effectivement nos neurones, sinon nos pieds, àfaire la nouba. Encore faut-il être prêt à s'aban-donner dans la dense flore de ces micro-tou-rnures mélodiques, rythmiques et vénéneusesqui s'imbriquent en mouvements souples etcirculaires – le légendaire swiss time? – pour infine placer chaque soliste, et son auditeur poten-tiel, dans un «espace improvisatoire» digne d'unmonde parallèle. Ces effets de transe qu'onjurerait zen sont avantageusement métissés par les graves et le groove funky du bassisteBjörn Meyer (récemment remplacé par ThomyJordi). Plus que les trois opus studio précédents,ce live nettement plus organiquement ancrédans la réalité retient l'attention – et la tension– d'un bout à l’autre. Si Steve Reich avait fait du jazz, peut être s'appellerait-il Nik Bärtsch...Recommandé.

Revue de presse

Susanne Abbuehl, Chanteuse et compositriceNée le 30 juillet 1970 à BerneEtudes de musique à Los Angeles et au «Royal Conservatoire» de La HayeEtudes du chant indien classique Professeur de chant aux écoles de musique à Bâle et LucerneSite: www.susanneabbuehl.com

Nik Bärtsch, Pianiste et compositeurNé le 3 août 1971à ZurichDiplômé du Conservatoire de Zürich en 1997Entre 1989 et 2001: Etudes de philosophie, lin-guistique et musicologie à l'Université de ZurichSéjour de six mois au Japon (2003/2004)Création de son groupe «zen-funk» Ronin en 2001Co-fondateur du club Exil à Zurich où il se produitles lundis depuis 2009Site: www.nikbaertsch.com

Une prestigieuse collec-tion trouve un nouveaufoyer au swissjazzorama

Une des plus importantes collec-

tions de jazz a été donnée au

swissjazzorama: la collection

privée de Johnny Simmen, l'expert

et publiciste de jazz renommé qui

était un ambassadeur réputé de

cette musique.

Dès sa prime jeunesse, Johnny Simmen (né en1918 à Brugg, Suisse – décédé en 2004 à Zurich)avait commencé à monter une collection excep-tionnelle englobant des livres, des périodiques et plus de 10000 disques de format divers, toutcela dédié à la musique de jazz. Or, il ne se bor-nait pas à empiler du matériel sur des étagères.Pour Johnny, il était essentiel de connaître etd'apprécier cette musique fougueuse et d'yprendre plaisir ainsi que de jouir des connais-sances et des nombreuses amitiés intimes avecd'innombrables jazzmen – de Louis Armstrong àTeddy Wilson. Avec un engagement unique ettoujours bien informé sur l'actualité, il a répandule message JAZZ par le biais de dialogues, d'ex-posés, de pochettes, de contributions pour livreset magazines (plus de 3000 articles pour despublications de jazz internationales). Pendantplusieurs années, il était responsable desprogrammes de jazz à bord de Swissair.

Cette collection inestimable est l'objet d'un dongénéreux au swissjazzorama à Uster en Suissede la part de Madame Michèle Pfenninger-Simmen, la fille de Johnny. La collection Simmensera préservée sous sa forme intégrale. Unefondation qu'il s'agit de créer sera responsablede la collection. Un inventaire audionumériquesera établi afin de faciliter l'accès aux cher-cheurs et au public intéressé. L'importante corre-spondance de Johnny avec d'innombrablesmusiciens et de fans a été donnée au BritishNational Jazz Archive antérieurement.

Konrad Korsunsky

Noadya Arnoux – paru dans Jazzmagazine Jazzman,no. 645 (janvier 2012). Dans le numéro 648 (avril2012) on trouve un long article sur Nik Bärtsch.

Bénévoles lors du déménagement de la collectionJohnny Simmen au swissjazzorama.Konrad Korsunski (à gauche), Paul Schenk (à droite)A.S.

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Jimmy T. Schmid

Der Ausgang des Zweiten Welt-kriegs veränderte die europäischeKultur nachhaltig. Im Gepäck dersiegreichen Amerikaner reiste derJazz mit und öffnete auf dem Al-ten Kontinent die Ohren für Swing,Dixieland und Bebop. Auch JimmySchmid, seit 2000 im Unruhestandumtriebiger Redaktor des «Jazzlet-ters», liess sich mit Vergnügen vondieser Woge forttragen – zumalseine Ohren damals schon weitoffen standen. «Bereits vor demKrieg, als ich Sekundarschüler inOerlikon war, begeisterten michdie Dorsey-Brüder und BennyGoodman», erinnert sich Jimmy.«Und Teddy Staufer, der 1939 ander Zürcher Landi mit seiner Big-band präsent war, bewunderte ichebenso wie die Leute um Fred Böh-ler, mit dem ich später sogar spiel-te. Inspirierend wirkte das alteOerliker Kino Colosseum, wo abund zu Filme liefen, in denen Jazz-grössen akustische Auftritte hat-ten. Unseren Enthusiasmus teiltezu jener Zeit allerdings nur einkleiner Teil der Bevölkerung, denndamals wurde mit den patrioti-schen Werkzeugen der geistigenLandesverteidigung gegen dieDiktaturen in Deutschland undItalien mobil gemacht.»

Jimmys Vater hatte für Sohne-manns Zuneigung freilich Ver-ständnis: Er kaufte Jimmy in einemZürcher Trödlerladen ein altes französisches Schlagzeug. Der Be-schenkte war hocherfreut, wichaber beruflich nicht von der seriö-sen Linie ab: In der Maschinen-fabrik Oerlikon wurde Jimmy zumMaschinenzeichner ausgebildet.Musikalisch schlug er den autodi-daktischen Weg ein und fand baldGleichgesinnte. Einer von denen

war Mitstift und Bassist WernerBättig aus Uster, der dort mit HansRuedi Stalder – später Erster Klari-nettist des Tonhalle-Orchesters –sowie Pianist und späterer OrganistErich Büsser und Trompeter MiloGenton in einer Band spielte, diesich stilistisch am famosen JohnKirby Sextet orientierte». Jimmyschloss sich dieser frühen UstermerJazzformation an, lange währtedieses Kapitel freilich nicht, da derSchlagzeugtransport per Bahn vonOerlikon nach Uster ein Handicapbedeutete. Jimmy sah sich nachJazzkollegen in Zürich um undfand den originellen Päuli Hinter-mann, Schriftsetzer, Pianist undBandleader. Wichtiger wurde fürihn aber das Team um den Pianis-ten und Vibrafonisten Ruedi Graf.«Mit den ‚Mikes' nahm ich in denfrühen fünfziger Jahren am Zür-cher Amateur-Jazzfestival teil undhoffte, das jeweils als Preis für denbesten Drummer gestiftete Gianni-ni-Schlagzeug gewinnen zu kön-nen», erzählt Jimmy Schmid. «Aberich landete auf Platz zwei – völligzu Recht, denn der Sieger, ein wah-res Bebop-Genie, hiess Daniel Hu-mair. Durch unseren guten Festival-Auftritt erhielten Ruedi Graf undich die Gelegenheit, bei Fred Böh-lers Kleinformation einzusteigen.»

Jimmy blieb Amateur – einmalabgesehen von einem Blitzgast-spiel an der Seite des berühmtenJazzviolinisten Stéphane Grappelliin Zürich. «Für Weekendgigs standich Böhler weiter zur Verfügung,aber als Profimusiker sah ich meineZukunft nicht. Vielmehr wollte ichauf meiner beruflichen Hauptschie-ne vorankommen.» Jimmy absol-vierte die Handelsschule Juventus.In der Folge wurde aus dem ge-lernten Maschinenzeichner einGrafischer Zeichner bei der Firma

Contraves, «und dort geriet ich in die für mich neue Sparte Wer-bung». Nach zweckdienlicher Wei-terbildung landete Jimmy Schmidwieder auf dem Platz Uster: Erwurde Werbeleiter bei ZellwegerLuwa und blieb in dieser Funktionüber zwanzig Jahre lang aktiv.

Doch Jimmy – gemäss Selbstein-schätzung eine «faustische Natur»– blieb ein Berufsleben lang offenfür Neues. Weil er als Werber anseiner kaum geförderten Kompe-tenz für die deutsche Sprache zuzweifeln begann, nahm er einAkad-Fernstudium auf, das er 1973mit Diplom abschloss. Und da eroffensichtlich überdurchschnitt-lichen Lerneifer an den Tag gelegthatte, bot ihm die Schulleitunganschliessend den Wechsel von der Schulbank ans Lehrerpult an.Jimmy: «So kam es, dass ich wäh-rend rund 25 Jahren nebenberuf-lich Deutsch an der Akad unter-richtete.» Die Musik allerdings ge-riet mehr und mehr aufs Abstellge-leise. «Im Herzen blieb ich jedochstets der Jazzfan und Schlagzeu-ger. Als solcher kam ich spontanwieder in Kontakt mit dem Jazz inUster, als Fernand Schlumpf mir dieredaktionelle Leitung einer neuenJazzpublikation antrug. Nun be-treue ich zusammen mit Layouterund Gestalter Walter Abry seit13 Jahren den SJO-Jazzletter.»

Walter Abry

Walter Abry war in der drittenSekundarklasse, als Lehrer AlfredStopper 1948 während des Singun-terrichts den Schülern Louis Arm-strongs Version des «St. LouisBlues» ab Schellackplatte zu Gehörbrachte – als abschreckendes Bei-spiel für die minderwertige Neger-kultur! Die Demonstration gerietzum Rohrkrepierer. «Über Nachtwurde Jazz ein faszinierendesThema für Walter und seine Klas-senkameraden Jeannot ‘Joe’ Pfister und Paul ‘Charlie’ Hunziker.Das Trio entdeckte, dass es nebendem kommerzialisierten Swing,den der US-Soldatensender AFN imbesetzten Deutschland ausstrahlte,auch den «waschechten» Jazz derSchwarzen gab. Und den wolltendie Ustermer Buben hautnah erle-ben: 1949 trat Louis ArmstrongsBand in Zürich auf, 1950 folgten

Als Jazzrevoluzzer in Uster die Kultur schändeten. Die Macher des «Jazzletters» erinnern sich mit Schmunzeln.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erkrankte zum Verdruss mancher Eltern und

Lehrer ein erheblicher Teil der Schweizer Jugend am Jazzfieber. Das war

im zürcherischen Uster, wo das swissjazzorama seit 13 Jahren heimisch ist,

nicht anders. Die Macher des vom SJO herausgegebenen «Jazzletters»

gehörten zu den ganz frühen Jazz-Infizierten im Oberländer Stadtdorf,

wo sich die aus den USA eingesickerte Epidemie in mehreren Wellen aus-

breitete. Ein musikalisches Stück Sozialgeschichte in drei kurzen Porträts.

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der Pianist Willie ‘The Lion’ Smith,das Orchester Duke Ellington undNat ‘King’ Cole. Die Fans aus demOberland lauschten andächtig. Ausder verschworenen Troika wurdeim Februar 1951 der Jazzclub Or-pheum Uster. Den exotischen Na-men entliehen die Gründer demFilm «New Orleans» (1947), in demein Kellerclub vorkam wo Satchmojazzte. Plattenabende in Joe Pfis-ters Mansarde und Konzertbesuchein Zürich (Bill Coleman, Sidney Be-chet, aber auch die Zürcher TresterSeven) bildeten die ersten Club-aktivitäten. Schnell suchten die Orpheaner die Öffentlichkeit: Sieholten den umtriebigen ZürcherJazzpapst Walter F. Böhni und liessen ihn im Ustermer «Ochsen»über Sidney Bechet referieren.

Dann reifte die Idee, eine eigeneBand zu gründen. Das war nichtohne Tücke, denn den Enthusiastenfehlte erstens das Instrumentariumund zweitens das nötige Rüstzeug.Die Klarinette war noch zu beset-zen, also hatte Walter dieses Instru-ment zu erlernen. Talent und Pro-beneifer waren im Kreis der Neo-Jazzer ungleich verteilt, an der mo-dischen Attitüde fehlte es freilichnicht. Als Probenbilder der Band imSchaufenster des FotogeschäftsMüller in Uster auftauchten, schrittdie Obrigkeit ein: Beinahe hätteJoe Pfister, der tagsüber auf derGemeindeverwaltung Uster wirkteund sich abends dem Jazz hingab,seine Lehrstelle verloren. Strengwaren die kleinbürgerlichen Sittendamals. Selbst in der Orpheum-Runde tobte der«Kulturkampf» –nicht alle waren bereit, ihre Liebezum Jazz durch locker-provozie-renden Existenzialisten-Outfit zudokumentieren, der sich im Hemdüber, statt in der Hose und sog.«Röhrli»-Jeans manifestierte.

Einen ersten Auftritt wagte dieClubformation – die sich als «River-side Jazz Babies» outete – währendder Fasnacht 1952 in Zürcher Gas-sen. Ein Vierteljahr später gab sichdie Band die Ehre im Kirchgemein-dehaus Uster. Dann gabs neuenRichtungsstreit: Das Orpheumhauchte sein junges Leben aus,einige Mitglieder hoben als Nach-folgeorganisation einen Jazz-Circleaus der Taufe. Das Oldtime-Orches-ter dagegen blieb bestehen – ohne

Joe Pfister – firmierte nun als «River-side Jazzband», organisierte Sams-tagabend-Sessions und wurde all-mählich passabel, die Band profitier-te von der Mitwirkung der in Uster«etablierten» Herren Stalder, Büsser,Genton und Schmid. Als MutterHelvetia die Jungmusiker zur Rekru-tenschule aufbot, kündigte sich dasEnde der «Riverside»-Träume an.

Nie verlor Walter Abry sein Interesseam Jazz, aber er blieb musikalischein Jazz-Hörer. Nach der Schulewurde er in Bauma zum Schriftset-zer ausgebildet. Weil der kleineLehrbetrieb seinen Wissensdurstkaum zu stillen vermochte, belegteer den damals neuen Gestalterkursfür Schriftsetzer an der Kunstge-werbeschule Zürich. Seine Arbeitge-ber wurden Zürcher Grossbetriebe:Conzett & Huber zuerst, dann derFachschriftenverlag. Nicht wenigerals 38 Jahre war Walter anschlies-send in der Druckerei Wetzikon/«Der Zürcher Oberländer», wo er inverschiedenen Funktionen wirkte,vom Schriftsetzer, Kalkulator biszum Prokuristen und Gestalter derBücher des Buchverlages. Er wurdeso etwas wie das gestalterische«Gewissen» der Firma.

Gemeinsam mit Jimmy realisiertWalter zuverlässig und kreativ dieeinzelnen Ausgaben des «Jazz-letters». Damit erschöpft sich seinEinsatz für das SJO aber noch nicht.Bei der Gestaltung von Drucksachenhat er auch seine Hand im Spiel.Und mit einigem Stolz verweist erauf die von ihm stark mitgeprägtenzehn Ausstellungen, die seit 2003Jahr für Jahr ihren Weg von Usterans Festival JazzAscona gefundenhaben und die nachher auch inUster gezeigt wurden.

Irène Spieler

Mit mehr als sechs JahrzehntenJazzerfahrung kann Irène Spieler

nicht aufwarten. Ihren Eltern galtdas Zürcher Opernhaus als musi-kalisches Podium par excellence.Da war, anders als bei Jimmy undWalter, kein Platz für Jazz. Aberdaran, dass der «Jazzletter» undvieles mehr im und ums swiss-jazzorama organisatorisch nichtaus dem Ruder läuft, hat Irènegewichtigen Anteil. Sie ist Herzund Seele im administrativenBauch der Ustermer Jazz-Zentrale.

Die gebürtige Stadtzürcherin ver-lor Ende 1999 ihren Job als kauf-männische Angestellte, weil derBrötchengeber eine kurz zuvor inVolketswil eröffnete Geschäftsstel-le umgehend wieder redimensio-nierte. Unwillig, die Hände einfachin den Schoss zu legen, liess sie sichvom Ustermer Verein «also!» aneinen Arbeitsplatz vermitteln –und kam so zur Jahrtausendwendeins Archiv des in Uster neu konsti-tuierten swissjazzorama. Schnellwar sie die Allrounderin, die kata-logisierte, telefonierte, korrespon-dierte und, nachdem sie JimmySchmid dazu motiviert hatte, auchTexte für den Jazzletter verfasste.«Ich fand das super, da ich gerneschreibe», merkt Irène an. Doch sieschreibt nicht nur, sie denkt seit2001 auch mit. «In den vergange-nen zwölf Jahren befasste ich michintensiv mit dem Jazz. Inzwischenhabe ich viel erfahren über einemusikalische Sparte, die im Elter-haus sehr verpönt war. «Jazz: dasgibt es bei uns nicht, das will mannicht hören, sagte mein Vater». Da ist er wieder, dieser kulturelleTunnelblick früherer Zeiten!

In Irènes markantem Haupt hatsich viel Jazzwissen angesammelt.Kehrt sie abends von der Arbeitheim, kann es gut sein, dass sieRadio Swiss Jazz einschaltet odereinen Jazz-Tonträger auflegt.

René Bondt

Das «Jazzletter Trio»: Jimmy Schmid, Irène Spieler und Walter Abry.

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Der Jazzletter erscheint 2 x jährlichRedaktion: Jimmy T. Schmid (J.T.S.) Layout: Walter Abry (WA)Copyright: swissjazzoramaIm Werk 8, 8610 Uster Tel. ++41(0)44 940 19 [email protected], www.jazzorama.ch

Contact pour la Suisse romande: Christian SteuletTél. 022 786 75 38, [email protected] per la Svizzera italiana: Nicolas GillietTel. 079 428 97 65, [email protected]

Mitarbeiter dieser Nummer: René Bondt,Konrad Korsunski, Frank von Niederhäusern,Fernand Schlumpf, Albert Stolz (A.S.),Jimmy T. Schmid,Walter Abry, Irène Spieler

IMPRESSUM

Fritz Stähli, Schlagzeuger5.7.1926 – 9.5.2013Am 9. Mai ist der Zürcher Drummer Fritz Stählinach kurzer Krankheit in seinem 87. Lebensjahrgestorben. Fritz, am 5. Juli 1926 in Zürich gebo-ren, lernte das Schlagzeugspiel in seinen Jugend-jahren weitgehend autodidaktisch. Schon baldwurde Fred Böhler auf ihn aufmerksam und engagierte ihn als Drummer für eine Kleinforma-tion. Nach weiteren Engagements mit verschie-denen namhaften Musikern, z.B. mit Curt Prina,dem späteren Hazy Osterwald-Pianisten, wurdeer Nachfolger von Stuff Combe im Unterhal-tungsorchester von Radio Beromünster. Seinemusikalisch fruchtbarste Zeit erlebte Fritz, als ermit dem am 12. Dezember verstorbenen KurtWeil in Schweden auf Tournee war. 1964 kamHeinz Wehrli von Radio DRS auf die Idee, regel-mässig eine Rhythmsection mit wechselnden Solisten über ein Thema improvisieren zu lassen.Klaus Doldinger (ts), Dusko Goykovich (tp), aberauch Schweizer Musiker, z.B. Ueli Staub (vib)oder Bruno Spoerri (sax) wurden herausgestellt.Fritz Stähli verstand es, diese Leute mit seinemDrumming zu inspirieren. Er war kein Showdrum-mer, aber ein sich in die Musik integrierenderRhythmman, von seinen Kollegen hochgeschätzt.

Donald Byrd, Trompeter9.12.1932 – 4.2.2013Donald Byrd kam in der Autostadt Detroit alsSohn eines Methodistenpredigers zur Welt. Mitzehn Jahren begann er, Trompete zu spielen.Dank schneller Fortschritte konnte er schon zuseiner High-School-Zeit bei der Lionel Hampton-Band einsteigen. Er spielte bei Art Blakey undersetzte später in der Band von Max Roach undSonny Rollins den hervorragenden jungen Trom-peter Clifford Brown, der leider Opfer eines Ver-kehrsunfalls wurde. Gut für seine Laufbahn war,dass er Ende der Fünfzigerjahre mit Blue Noteeinen Vertrag abschliessen konnte. Eine ge-schmeidige Phrasierung und ein sanfter, klarerTon kennzeichneten seinen weitgehen von Clif-ford Brown und Miles Davies beeinflussten Stil.1957 erkürten ihn die Down Beat-Leser zum«Trompeter des Jahres». Der vielseitige DonaldByrd schloss auch ein Jurastudium ab. DieSchranken des Jazz hat er in späteren Jahren alszu eng empfunden; er verstand es, Hip Hop undJazz zu einem neuen Ganzen zusammenzufügen.

Ed Shaughnessy, Schlagzeuger29.1.1929 – 24.5.2013Ed Shaughessy von Jersey City lernte das Schlag-zeugspiel autodidaktisch, er hielt aber hin undwieder vom grossen Drummer Sid Catlett Anlei-tung. Sid war sein Idol. Ende der Vierzigerjahrebegann Ed seine Laufbahn mit Engagements inden Bands von Jack Teagarden und George Shea-ring. Mit Benny Goodman ging er 1950 auf des-sen erste Europatournee. Ed Shaughnessy warein technisch und musikalisch hervorragenderDrummer. Bei Solos benützte er oft zwei Pauken.Ab 1974 leitete er eine eigene Band und unter-richete u.a. an der New York University

IN MEMORIAM swissjazzorama am Festival JazzAscona (21.–29.6.2013)

Seit 10 Jahren sind unsere Aktivitäten am Festi-val JazzAscona Bestandteil des Festival-Gesche-hens. Dieses Jahr wiederum im historischenKreuzgang des «Collegio Papio» präsentiertenwir eine Ausstellung über unsere Archiv-Tätigkei-ten als Schweizer Jazzarchiv. Zusätzlich zeigtenwir Jazz-Kurzfilme unter dem Festival-Motto «Itdon't mean a thing…». Daneben erteilten wirden vielen Besuchern Auskünfte über das swiss-jazzorama und unsere Partner, wie u.a. dieSchweizerische Landesphonothek, Radio SwissJazz und die Zeitschrift Jazz ‘n’ More.Im Jazz Record Shop konnte aus unserem Ange-bot an Second Hand-Vinylplatten, CD's und Jazz-büchern ausgewählt und gekauft werden, wasrege benutzt wurde. Mit dabei als Verkaufspart-ner war George Tanner, Zürich, der sein CD-Angebot an aktuellem Jazz und Aufnahmen derin Ascona wirkenden internationalen Jazzmusike-rinnen und -musikern zum Verkauf anbot.

Das «angepasste» Festival-Konzept fand eingrosses Publikums-Interesse und entsprechendviele Festivalbesucher, die sich auch im CollegioPapio einfanden. Zusätzliche Aktivität war unserApéro-Live-Konzert täglich zwischen 16 und 18Uhr mit Melch Däniker, piano, Fernand Schlumpf,drums, und Gast-Bassisten z.B. Ivan Lomardi aus dem Tessin, die australische Bassistin NickiParrott, die am Festival engagiert war, und Hans-peter Küenzle, (Bassist und Leiter der JazzschuleZürich), der neu im Vorstand des swissjazzoramaEinsitz genommen hat.Abwechslungsweise betreuten und bedientenacht Crew-Mitglieder /Mitgliederinnen des swissjazzorama die Besucher täglich von 11–18Uhr. Das illustre Gästebuch wiederspiegelt diepositive Akzeptanz unserer Präsentation in Ascona.Wir danken der Festival-Leitung für die 10. Einladung.

Fernand Schlumpf

Mulgrew Miller, Pianist13.8.1955 – 29.5.2013Trotz hervorragender Qualitäten blieb MulgrewMiller oft nur im Hintergrund des Geschehens.Sein sensibles Spiel machte den amerikanischenPianisten zum idealen Begleiter. Er profiliertesich in den Achtzigerjahren als Pianist von ArtBlakeys Jazz Messengers und begleitete mitErfolg Sängerinnen wie Cassandra Wilson. Er lei-tete aber auch eigene Bands, z.B. ein Quintettmit Steve Wilson (as) und Steve Nelson (vib). Mit57 Jahren erlag er einem schweren Schlaganfall.

Ben Tucker, Bassist13.12.1930 – 4.6.2013Ben Tucker studierte zuerst Tuba; das Studiumschloss er an der Tennesse State University mitdem Master ab. In seiner Vaterstadt Nashvillespielte er während zwei Jahren, nachdem er aufSaitenbass umgestellt hatte. In den Fünfzigerjah-ren arbeitete er in Los Angeles, in den Bands vonWarne Marsh, Art Pepper oder Carl Perkins, inden Sechzigern mit Herbie Mann und Billy Tayloru.a. Auf sehr bemerkenswerten Aufnahmen ist ermit Gerry Mulligan, Gil Evans, James Moody, LouDonaldson u.a. zu hören. Der Jazz blieb immerBens Leidenschaft, doch liebte er auch das Golf-spiel. Im Juni 2013 wurde er Opfer eines Unfallsmit einem Golfmobil.

Johnny Smith, Gitarrist25.6.1922 –11.6.2013Der in Birmingham, Alabama, geborene JohnnySmith musizierte 1939 zuerst mit einer Hill Billy-Gruppe. Doch mit 18 Jahren begann er – inspiriert von Django Reinhardt und Charlie Christian – mit einem Trio Jazz zu spielen. In denVierzigerjahren arbeitete er als Studiomusiker,als Gitarrist, Trompeter und Arrangeur im NewYorker Hauptsender von NBC. Grossen Erfolghatte Smith mit dem Stan Getz-Quintett. DieAufnahme von «Moonlight in Vermont» doku-mentiert einen Höhepunkt seiner Karriere. 1958,jetzt in Colorado, arbeitete er als Musiklehrerund betrieb eine Musikalien-Handlung.

Sam Most, Flötist und Tenorsaxofonist16.12.1930 –13.6.2013Der in Atlantic City geborene Sam Most wareiner der Pioniere der Jazzflöte. Für LeonardFeather war er der erste kreative Jazzflötist.Der jüngere Bruder des Klarinettisten Abe Mostspielte in den Vierzigerjahren in den Orchesternvon Tommy Dorsey, Boyd Raeburn und DonRedman. 1953 machte er unter eigenem NamenAufnahmen, mit denen er zeigte, dass er tatsäch-lich einer der besten Jazzflötisten war. Hin undwieder griff er auch zur Klarinette, 1959–1961war Sam Most bei Buddy Rich in dessen Big-band, zog dann nach Los Angeles, wo er als sehrgeschätzter Studiomusiker arbeitete.

Geoffrey Kenworthy, Vibrafonist26.2.1929 –17.5.2013Rolf Cizmek, Bassist7.9.1936 –17.7.2013Kurz vor Redaktionsschluss haben wir leider vomTod von zwei weiteren Jazzmusikern erfahren.Wir werden sie in der nächsten Ausgabe des Jazz-letters mit einem besonderen Beitrag würdigen.

J.T.S.

Neben einer Ausstellungmit Filmen und dembeliebten Jazz RecordShop, gab es dieses Jahrtäglich ein Konzert des«swissjazzorama Trio» mit Gast-Bassisten.Bild: Melch Däniker (p)Fernand Schlumpf (dm)und an diesem Nachmit-tag Nicki Parrott (b).