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Liebe Leserinnen, liebe Leser Im Rahmen des Schwerpunktes über Big- bands richten wir unser Augenmerk auf die Zeit ab 1930 bis Ende des 2. Weltkrieges. Da die Jazzszene damals wie heute nicht nur von professionellen Musikern, sondern auch von jazzbegeisterten Amateuren geprägt wurde, fragt man sich bald einmal, wo und wann die einheimischen Amateure all die Jahre vor André Berners Einladung zum Jazzfestival Zürich (1951) ihr Können demonstriert haben. Zumindest, was den Jazzbetrieb in Basel und Umgebung zur fraglichen Zeit anbe- langt, ist die bescheiden aufgemachte Broschüre «Swinging Basel» aus unserer Bibliothek eine Trouvaille. Mehr als 20 Amateur-Swingbands stellt der Autor Bobby Buser vor. Er beschreibt in launiger Art die Zeiten, als das jugendliche Publikum zum Swing in den Dancings und an Abend- unterhaltungen noch Foxtrott tanzte. Die meisten Gruppen waren «abgespeckte Bigbands», also Kleinformationen, die sich bezüglich Spielkonzept an Bigbands orien- tierten. Inspiration war meistens die via Schellacks vermittelte Musik der weissen amerikanischen Swingbands. Auch visuell waren die US-Orchester Vorbilder. Ein Auftritt im schicken Bandtenue steigerte die Aussichten auf nachhaltigen Erfolg. Für alle, die mehr zum Thema Jazz und Blues erfahren möchten, ist unsere Bücher- sammlung mit 3259 Einheiten eine wahre Fundgrube. Herzlich Jimmy T. Schmid Nr. 42, August 2018 jazzletter EDITORIAL swissjazzorama Inhalt 2 Blick ins Archiv (Seite des Vorstandes) 3–12 Focus on Bigbands / Bigbands Forever 13 Isla Eckinger – Leben für den Jazz 14 Notre page en français 15 Harlem à Limoges 16 In memoriam / Impressum Arrangeure prägen den Sound einer Bigband. Oft spielen sie im Orchester mit, doch sehr oft sind sie «graue Eminenzen», auf dem Band- stand nicht zu sehen, aber absolut nötig für das Funktionieren einer Bigband. Irgendwo sitzen sie am Klavier vor leeren Notenblättern und notieren für jedes Instrument, was es zu spielen hat. Keine Bigband-Musik ohne Noten, sie ermöglichen das sinnvolle Zusammenspiel der Sections. In den 30er Jahren, der Swingzeit, bestand eine Bigband aus 3 Trompeten, 2 oder 3 Posaunen, 4 Saxofonen und einer Rhythmus- gruppe (siehe Jazzletter 40). Später wurden die Bläser-Sections vergrössert. 4 Trompeten und 4 Posaunen sind heute keine Seltenheit. In den ersten 40er Jahren wurde der Saxofonsatz, durch ein Baritonsax erweitert. Das Thema dieser Ausgabe des Jazzletters gibt uns die Gelegenheit, auf einen Musiker hinzuweisen, den man bei jazzgeschicht- lichen Betrachtungen oft vergisst, auf den Komponisten, Arrangeur und Altsaxo- fonisten Don Redman (1900 –1964). Als Sideman von Fletcher Henderson war Don Redman schon 1922 in dessen Band von grosser Bedeutung (siehe Seite 3). Übrigens, er war der erste Bandleader, der 1946 kurz nach dem 2. Weltkrieg eine nur mit afroamerikanischen Musikern besetzte Bigband nach Europa brachte. In der Schweiz gab er Konzerte in Genf, Bern, Basel und Zürich. – Die Dokumentation von Redmans Musik umfasst bei uns 46 Schellacks und 15 LPs und CDs. J.T.S Focus on Bigbands Bigbands Forever Lionel Hampton Bigband Ernst W. (Bobby) Buser: Swinging Basel. Basler Big- und Swingbands 1924 –1950, Basler Zeitung 1988 (SJO BO-00026). In unserem Shop für Fr. 12.– erhältlich!

swissjazzorama jazzletter...Jimmy T. Schmid Nr.42,August 2018 jazzletter EDITORIAL swissjazzorama Inhalt 2 Blick ins Archiv (Seite des Vorstandes) 3–12 Focus on Bigbands / Bigbands

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Page 1: swissjazzorama jazzletter...Jimmy T. Schmid Nr.42,August 2018 jazzletter EDITORIAL swissjazzorama Inhalt 2 Blick ins Archiv (Seite des Vorstandes) 3–12 Focus on Bigbands / Bigbands

Liebe Leserinnen, liebe Leser

Im Rahmen des Schwerpunktes über Big-bands richten wir unser Augenmerk auf dieZeit ab 1930 bis Ende des 2. Weltkrieges. Da die Jazzszene damals wie heute nicht nur von professionellen Musikern, sondernauch von jazzbegeisterten Amateurengeprägt wurde, fragt man sich bald einmal,wo und wann die einheimischen Amateureall die Jahre vor André Berners Einladungzum Jazzfestival Zürich (1951) ihr Könnendemonstriert haben.

Zumindest, was den Jazzbetrieb in Baselund Umgebung zur fraglichen Zeit anbe-langt, ist die bescheiden aufgemachteBroschüre «Swinging Basel» aus unsererBibliothek eine Trouvaille. Mehr als 20Amateur-Swingbands stellt der Autor BobbyBuser vor. Er beschreibt in launiger Art die Zeiten, als das jugendliche Publikumzum Swing in den Dancings und an Abend-unterhaltungen noch Foxtrott tanzte.

Die meisten Gruppen waren «abgespeckteBigbands», also Kleinformationen, die sichbezüglich Spielkonzept an Bigbands orien-tierten. Inspiration war meistens die viaSchellacks vermittelte Musik der weissenamerikanischen Swingbands. Auch visuellwaren die US-Orchester Vorbilder. EinAuftritt im schicken Bandtenue steigerte die Aussichten auf nachhaltigen Erfolg.

Für alle, die mehr zum Thema Jazz undBlues erfahren möchten, ist unsere Bücher-sammlung mit 3259 Einheiten eine wahreFundgrube.

Herzlich

Jimmy T. Schmid

Nr. 42, August 2018

jazzletter

EDITORIAL

swissjazzorama

Inhalt2 Blick ins Archiv (Seite des Vorstandes) 3–12 Focus on Bigbands / Bigbands Forever

13 Isla Eckinger – Leben für den Jazz 14 Notre page en français15 Harlem à Limoges16 In memoriam / Impressum

Arrangeure prägen den Sound einer Bigband.Oft spielen sie im Orchester mit, doch sehr oftsind sie «graue Eminenzen», auf dem Band-stand nicht zu sehen, aber absolut nötig fürdas Funktionieren einer Bigband. Irgendwositzen sie am Klavier vor leeren Notenblätternund notieren für jedes Instrument, was es zuspielen hat. Keine Bigband-Musik ohne Noten,sie ermöglichen das sinnvolle Zusammenspielder Sections. In den 30er Jahren, der Swingzeit,bestand eine Bigband aus 3 Trompeten, 2 oder3 Posaunen, 4 Saxofonen und einer Rhythmus-gruppe (siehe Jazzletter 40). Später wurden dieBläser-Sections vergrössert. 4 Trompeten und 4 Posaunen sind heute keine Seltenheit. In denersten 40er Jahren wurde der Saxofonsatz,durch ein Baritonsax erweitert.

Das Thema dieser Ausgabe des Jazzlettersgibt uns die Gelegenheit, auf einen Musikerhinzuweisen, den man bei jazzgeschicht-lichen Betrachtungen oft vergisst, auf den Komponisten, Arrangeur und Altsaxo-fonisten Don Redman (1900 –1964). AlsSideman von Fletcher Henderson war Don Redman schon 1922 in dessen Bandvon grosser Bedeutung (siehe Seite 3).Übrigens, er war der erste Bandleader,der 1946 kurz nach dem 2. Weltkrieg einenur mit afroamerikanischen Musikernbesetzte Bigband nach Europa brachte. Inder Schweiz gab er Konzerte in Genf, Bern,Basel und Zürich. – Die Dokumentation von Redmans Musik umfasst bei uns 46Schellacks und 15 LPs und CDs. J.T.S

Focus onBigbands

Bigbands Forever

Lionel Hampton Bigband

Ernst W. (Bobby) Buser: Swinging Basel.Basler Big- und Swingbands 1924 –1950,Basler Zeitung 1988 (SJO BO-00026).In unserem Shop für Fr. 12.– erhältlich!

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BLICK INS ARCHIV

Bis 2016 befand sich das Archiv des swiss-jazzorama beim Musikcontainer in Uster.Die neuen Räumlichkeiten, die wir im Som-mer 2016 an der Ackerstrasse 45 bezogen

haben, entsprechen nun unseren Bedürfnis-sen. Hier sind auf 500 m2 Archiv und Büroam gleichen Ort vereint. Im Foyer könnenwir Besucher und Besucherinnen empfan-gen und kleine Ausstellungen organisieren.Leider verursachen die neuen Räumlich-keiten auch höhere Mietkosten, die wir

mit den üblichen Mitgliederbeiträgen nicht decken können. Bitte helfen Sie uns mit einer Miet-Patenschaft von CHF 100.– /Jahr. Damit übernehmenSie die Miete für 1 m2 Büro-, resp. Archiv-fläche. Kontakt: [email protected] oder Telefon +41 (0)44 940 19 82 fs

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Die Anfänge der Bigband-Zeitbewegten sich auf zwei Linien. Mehr oder weniger gleichzeitig wurde einerseits Paul Whiteman und anderseits Fletcher Henderson als Bigband-Leader tätig.Die Instrumente der Bläser-Sektionen wurden mehrfach besetzt. Eine Bigband konnte schnell einmal ein Dutzend oder mehr Musiker umfassen. Walter Abry

war ein US-amerikanischer Bandleader.Er arbeitete zunächst als Geiger in Sinfonieorchestern.

1918 wurde er Leiter des Orchesters desFairmont Hotels in San Franzisco, mit demer 1920 nach New York ging und 1923 auf Europa-Tournee. Schon dieses ersteOrchester hatte fast symphonische Grösse,es war kommerziell sehr erfolgreich. Daserlaubte ihm, eine Anzahl junger weisserJazzmusiker zu engagieren. Viele von ihnenmachten später als Jazzmusiker Karriere:Jack Teagarden, Frank Trumbauer, BunnyBerigan, Joe Venuti, Eddie Lang, JimmyDorsey, Tommy Dorsey, sowie Bix Beider-becke und Bing Crosby.

1924 übernahm das Orchester in New Yorkdie Uraufführung von George GershwinsRhapsodie in Blue, arrangiert von FerdeGrofé. Das Orchester unterschied sich von afroamerikanischen Jazzbands durchseine komplexen und schwierigen Arran-gements. Oft waren auch Streicher dabei.Paul Whitemans Stil wurde auch alsSymphonic-Jazz bezeichnet.

Die Aufnahme von Wispering verkauftesich fast zwei Millionen mal, der SongThree O'Clock in the Morning gar 3,4 Mil-lionen mal. Insgesamt gelang es White-man, 29 weitere Songs als Nummer 1 inder Hitparade zu platzieren.

Paul Whiteman leitete sein Orchester bis in die 1940er Jahre, Dann wurde erMusikdirektor beim Rundfunksender ABC.

war ein US-amerikanischer Pianist,Bandleader und Komponist.

Henderson kam aus der Mittelschicht,besuchte eine Universität und machte den Magister im Bereich der Chemie.Auf Grund der Rassendiskriminierung fand er keine Arbeit in einer Chemiefirma.Darauf beschloss er, Musiker zu werden.

1922 gründete er mit Don Redman, ElmerChambers und anderen Musikern seineerste eigene Band. Mit dieser hatte er inNew York schnell Erfolg. Auf den frühenAufnahmen kann man feststellen, dass es der Band aber etwas an «swing» fehlte.1924 warb er von King Olivers Creole Jazzband den jungen Louis Armstrong ab.Praktisch auf den ersten Aufnahmen mitArmstrong hört man, welchen enormenEinfluss dieser Musiker auf die Band hatte.Die Mitmusiker waren lernfähig. Die Big-band von Fletcher Henderson wurde zu einer hervorragenden Formation derZeit. Die Musiker von 1924/25 warenElmer Chambers (tp), Howard Scott (tp),Louis Armstrong (tp), Charlie Green (tb),Don Redman (cl, as, ts), Coleman Hawkins(cl, ts, C-mel), teilweise Cecil Scott (cl, as),Fletcher Henderson (p, ld), Charlie Dixon(bj), Ralph Escudero (tu), Kaiser Marshal(dm). Die Geschichte des Fletcher Hen-derson Orchestra ging in den 1930erJahren weiter, was im nächsten Kapitelbeschrieben wird.

war ein US-amerikanischer Trompeter,Kornetist, Sänger, Bandleader undEntertainer (er wirkte z.B. in etlichenFilmen mit).

Nach seinen einmaligen Aufnahmen in den 1920er Jahren mit King Oliver, FletcherHenderson, den Hot Five, Hot Seven undEarl Hines wendete sich Armstrong fürlange Zeit dem Bigband-Jazz zu. Diese Zeitbegann 1930 und ging bis weit in die1940er Jahre. Er stand als glänzender Solistvor Begleitbands, die oft gut bis sehr gutwaren, oft aber auch nur mittelmässig.

1947, nach einem sensationellen Konzert,das in die Jazzgeschichte als Town HallConcert einging, kehrte er zum Combo-Jazzzurück. Seine Bands hiessen fortan LouisArmstrong and his All Stars. In der erstendieser Bands, die 1949 auch in der Schweizaufgetreten ist, war auch Earl Hines dabei.

Paul Whiteman (1890 –1967)

Fletcher Henderson(1898–1952)

Louis «Satchmo» Armstrong (1901–1971)

Die Musiker auf diesem Bild aus dem Roseland Ballroom vom Winter 1924/25sind identisch mit der im Text aufgeführtenBesetzung. (3. von links: Louis Armstrong,5. von links: Fletcher Henderson.

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William «Count» Basies Bedeutung istnicht nur für die Swing-Bigband-Musik,sondern den Jazz ganz allgemein kaumzu überschätzen. Er leitete vom Pianoaus fast ein halbes Jahrhundert sein Orchester und entwickelte in den 30erJahren einen Stil, der eine ganze Gene-ration von Jazzmusikern entscheidendbeeinflusste: Bandleader, Komponisten,Arrangeure und Solisten. J.T.S

Basie kam am 21. August 1904 in RedBanks, New Jersey, zu Welt. Die Grundlagendes Klavierspiels brachte ihm seine Mutterbei. Als er begann, Jazz zu spielen, liess ersich hauptsächlich von Fats Waller, der sichdamals schon in der nationalen Jazzszeneetabliert hatte, beeinflussen. Als junger Mu-siker verdiente er sein Geld mit der Klavier-untermalung von Stummfilmen. Sein engesVerhältnis zum Blues wurde während einigerJahre geprägt, in denen er durch die Varieté-theater mit Bluessängern tourte, bis er sichEnde der Zwanzigerjahre in Kansas City

niederliess. Dort war das Zusammentreffenmit Benny Moten und seinem Orchestervon wegweisender Bedeutung. Motenengagierte ihn als Arrangeur und Pianist.

Von Moten zu Basie

William «Bill» Basie, der nun Count Basiehiess, startete 1933 mit Musikern derMoten-Band sein eigenes Orchester.Der entscheidende Durchbruch kam mitdem Impresario John Hammond. Als erBasie am Radio hörte, realisierte er sofort,was für grosse Möglichkeiten in diesenMusikern steckte. Sofort brachte er sienach New York und organisierte einenationale Tournee. Das Repertoire dieserersten Basie-Band bestand zu einem gros-sen Teil aus sogenannten Headarrange-ments von Bluesthemen, weitgehendgeprägt von der Frage- und Antwort-Spiel-weise der Blech- und Saxofonsections.Einen grossen Anteil am Erfolg der Bandhatten auch die Charts des Posaunisten

und Arrangeurs Eddie Durham und last butnot least all die grossartigen Solisten, allenvoran die Tenorsaxofonisten Lester Youngund Herschel Evans sowie der TrompeterBuck Clayton. Die charakteristischenSwing-Qualitäten des Ganzen gingen aberauch weitgehend auf das Konto derRhythm Section: Jo Jones am Schlagzeug,Walter Page am Bass und Freddy Green an der Gitarre. Das war Count Basies AllAmerican Rhythm Section. (In Bild und Textwurde sie im Jazzletter Nr. 40, Focus onRhythm Section, vorgestellt.)

Erfolge auch nach der Swingzeit

Im Laufe der Vierzigerjahre wurde es immerschwieriger, mit einer Bigband kommerziellErfolg zu haben. Ende 1949 löste Basie seingrosses Orchester auf und ersetzte es durchein Septett mit dem Klarinettisten Buddyde Franco und dem Flügelhornisten undTrompeter Clark Terry. Anfangs der Fünf-zigerjahre stellte Basie eine neue Bigbandmit dem Altsaxofonisten Marshall Royal alsKonzertmeister zusammen. Das war nichtmehr der Kansas City Basie-Stil der Dreissi-gerjahre. Dank verschiedener hochqualifi-zierter Arrangeure, u.a. Neal Hefti, dessenLi'l Darling die Popularitätsgrenzen einesBigband-Stückes bei weitem übertraf,stellte sich der Erfolg der neueren Basie-Bigband lange nach der eigentlichenSwing-Zeit wieder ein. Mitte der 50er Jahregewann er eine ganze Reihe von Kritiker-und Leser-Polls. Bei vielen Festivalauftrittenspielte er vor ausverkauften Sälen. Seineletzte Europatournee war 1980.

Count Basie, dem in seinen letzten Lebens-jahren mehrere Doktorwürden verliehenwurden, starb am 26. April 1984 in Holly-wood, Florida, an Krebs.

Count Basies Musik ist im Archiv desswissjazzorama mit 122 Schellackplat-ten, 615 LPs und CDs dokumentiert.

«Swing» ist ein zentrales Schlüsselwort desJazz. Kleingeschrieben bezeichnet es dasrhythmische Element, das den Jazz so ein-zigartig macht. Jazz muss swingen. Gross-geschrieben ist es der Name des Jazzstils,der in den 1930er Jahren bis zum Ende deszweiten Weltkrieges seine grosse Zeit hatte.Typisch für den Swingstil waren die grossenOrchester, die Bigbands, die neben derRhythmusgruppe eine Blech- (Trompetenund Posaunen) und eine Saxofon-Sectionumfassten. Die Swing-Bigbands spielten im

Let's Dance Die Bigbands der Swing EraGegensatz zu den Combos des Dixieland-Stiles eine durchwegs arrangierte, durchNoten vorgeschriebene Musik, die aberauch Platz liess für frei improvisierte Teile.Mit seinen gleichmässig durchgeschlage-nen vier Taktteilen (Four Beat Jazz) war der Swing die ideale Musik, um das tanz-freudige Publikum aufs Parkett zu locken. In vielen Orchestern ergänzten sich dieorchestralen und die solistischen Parts inidealer Weise. Das hervorragende Beispielwar Benny Goodman, der die Arrange-

ments, z.B. von Fletcher Henderson, mitseiner solistisch gespielten Klarinette zueinem effektvollen Ganzen verband. Nurgeübte Notenleser konnten in einer SwingBand mithalten. Das präzise Tuttispiel wardie Grundlage des Erfolges. Auf drei derwichtigsten Orchester der Swingzeit (unab-hängig von der Hautfarbe ihrer Musiker)wollen wir hier mit einem kleinen Beitraghinweisen. Ihre Katalysator-Wirkung inner-halb der Stilepoche war ausserordentlich.

Jimmy T. Schmid

Count Basie (1904 –1984)

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Benjamin David Goodman kam am 30. Mai1909 in Chicago als Sohn eines jüdischenEmigranten zur Welt. Obwohl die Familiezwölf Kinder umfasste und das Geld knappwar, sorgte Bennys Vater dafür, dass seinemSohn, dessen musikalisches Talent offen-sichtlich war, erstklassiger Klarinetten-Unterricht erteilt wurde.

Früh übt sich…

Franz Schoepp, ein ehemaliger Klarinettistdes Chicago Sinfonieorchesters, nahm sichwährend zwei Jahren der musikalischenAusbildung von Benny an. Weitere Boys,die sich später als Jazzmusiker einenNamen machten, nahmen auch beiSchoepp Unterricht: Buster Bailey undJimmy Noone. Unter der strengen Aufsichtdes Lehrers sollen Benny und Bustermanches hübsche Duett gespielt haben.

Benny und Ben

Benny war erst 16 Jahre alt, als ihn derDrummer Ben Pollack (1903–1971) über-redete, bei seinem neugegründeten Orches-ter einzusteigen. Das war ein mutigerSchritt für den jungen Musiker, der auchhin und wieder zum Altsaxofon griff, wenndies die Besetzung verlangte. Im Septem-ber 1926 wurden erste Platten eingespielt.

Schon bei Pollack war es Goodman gelun-gen, seine Soli in eigener Art zu gestalten,natürlich auch inspiriert von schwarzenKlarinettisten wie Jimmy Noone oderJohnny Dodds. Benny war ein von FranzSchoepp trainierter guter Notenleser. Esgab für ihn keine Probleme, gelegentlichbei anderen Gruppen, ausserhalb derPollack-Band, mitzuwirken, z.B. bei denFive Pennies des Trompeters Red Nicols.Dort sass übrigens Gene Krupa am Schlag-zeug, der einige Jahre später als BennysStardrummer berühmt wurde.

Bereit zu Erfolgen

Seine erste eigene Bigband stellte BennyGoodman im Winter 1934 zusammen.

Einige Aufnahmen für Columbia und derEinstieg in eine NBC-Radioserie Let'sDance halfen, etwas für die überregionaleBekanntheit des neuen Orchesters zu tun.Im Frühjahr 1935 gab's leider die letzteSendung von Let's Dance und Benny Goodman begann sich für Engagements inTheatern und Hotels zu interessieren. Keingrosser Treffer war es, als Benny einenEinsatz im Ballroom des New Yorker Roose-velt Hotels begann. Man war sich dort seitJahren an die Musik von Guy Lombardogewöhnt, the sweetest band in the world.Bennys Musik kam gar nicht gut an. Baldwar er wieder frei für andere Jobs. Unbe-eindruckt von der schlechten Erfahrung imNew Yorker Roosevelt, ging es auf Umwe-gen zur Westküste.

Palomar Ballroom in San Francisco

Im August 1935 startete das Orchester einmehrwöchiges Engagement im PalomarBallroom in Los Angeles. Hübsche Tanz-musik kam nicht gut an. Erst als Benny dieextrem swingenden Arrangements vonFletcher Henderson ins Programm nahm,Christopher Columbus, When Buddhasmiles und wie sie alle hiessen, war dieBegeisterung perfekt. Publikum und Pressewaren des Lobes voll. Nach der Westküstewar Benny etwa ein halbes Jahr in Chicagoaktiv, seiner Heimatstadt.

All die grossen Erfolge von Benny Good-man in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre waren rastlosen Bemühungen einesgut geführten Kollektivs zu verdanken.Das Orchester umfasste, den Leader ein-geschlossen, 14 Musiker, deren exaktesZusammenspiel eine einzigartige Gesamt-leistung ergab. Afroamerikaner waren bei der Bigband nicht dabei, dafür aber in den oft formierten kleineren Gruppen (Trio und Quartett):Teddy Wilson am Piano,Gene Krupa am Schlagzeug und LionelHampton am Vibrafon, deren Bedeutungausserordentlich war. Anfangs 1937 stiessder Trompeter Harry James zur Band.Entsprechend seinen hervorragendenFähigkeiten, wurde er durch Benny heraus-

gestellt. Auch im Konzert der Konzerte,das am 16. Januar 1938 in der New YorkerCarnegie Hall stattfand.

Carnegie Hall

Benny Goodmans Auftritt war ein eindeuti-ges Bekenntnis zu einer der wichtigstenamerikanischen Kunstformen, dem Jazz.In einer Zeit der strikten Trennung von Jazzund Klassik sowie von Schwarzen und Weis-sen spielten weisse und afroamerikanischeMusiker an einem Ort zusammen, der bisanhin grundsätzlich nur erstrangigen Künst-lern der Klassik offenstand. Benny begnügtesich nicht nur, mit seinem Orchester aufzu-treten. Bei der Durchführung einer JamSession kamen eine Reihe schwarzer Musi-ker der Basie- und der Ellington-Bigbandsauf die Bühne. Das Resultat: spontangespielter Jazz auf höchstem Niveau.

In diesem Beitrag geht es hauptsächlich um eine Würdigung dessen, was B.G.während der Swingjahre geschaffen hat.Wollte man weitergehen, müsste man aufviele Highlights seiner Aktivitäten hinwei-sen. Hier sollen nur drei erwähnt werden:

– April 1938. Benny Goodman mit demBudapest Streich-Quartett: W.A. Mozart,Quintett für Klarinette und Streicher(Erste Aufnahme).

– Mai 1958. Goodman und sein Orchesteran der Weltausstellung in Brüssel.

– Mai/Juli 1962, Benny Goodman undsein Orchester (Mit Joe Newman, Zoot Sims, Phil Woods und anderenSpitzenkönnern) auf Russland-Tournee,inkl. Konzerte in Moskau.

Benny Goodman starb am 13. Juni 1986 in seinem Heim in New York City. SeineMusik ist bei uns im Archiv mit 196 Schel-lackplatten, 702 LPs und CDs dokumentiert.

«King of Swing» nannte manBenny Goodman (1909–1986)Während den 1930er Jahren leitete er als Klarinettist ein Jazzorchester, dessenPopularität kaum noch zu überbieten war. Anders ausgedrückt: Benny Goodmanwar als Bandleader und Klarinettist Extraklasse. Seine Musik war weitgehendgeprägt vom genauen Zusammenspiel seiner Klarinette mit dem Klangkörperseines Orchesters. Ein grosser Anteil von Goodmans Bigband-Erfolg ist auf dieArrangements von Fletcher Henderson zurückzuführen. Hendersons eigenes Orchester hatte in den ersten Jahren von Goodmans Bigband so etwas wie Modell-charakter. Wer sich im Detail über Goodmans Aktivitäten (Konzerte und Platten-aufnahmen) informieren will, greift am besten zu D. Russel Connors Benny Good-man. Listen to his Legacy*. J.T.S

* Benny Goodman. Listen to His Legacy. Studies in Jazz No. 6, New York & London, 1988

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Für die Drummer der Swingepoche warChick Webb das grosse Vorbild. DasSpiel des buckligen 130 cm-Mannes,der hinter seiner Pauke mit den Wood-blocks thronte, faszinierte Musikerund Publikum im hohen Masse. Keinanderer Drummer verstand es besser,eine Band swingen zu lassen. J.T.S

Seine eher seltenen Soli trug er ohne grosse trommeltechnische Spitzfindigkeitenvor, jedoch mit einem unerhörten, mitreis-senden Drive. Es gibt auch Aufnahmen,auf denen man das Schlagzeug kaum hört,in denen aber trotzdem in jeder Note die Spannung zu spüren ist, die von Webbs Drumming ausging. Chick Webbwar der erste Drummer Leader, der alsBigband-Chef Erfolg hatte. Später folgtenGene Krupa, Buddy Rich, Louie Bellson und Mel Lewis.

William «Chick» Webb kam am 10. Februar1902 in Baltimore zur Welt. (Als Geburts-jahr geben gewisse Quellen 1905 resp.1909 an.) Die ausserordentliche rhythmi-sche Begabung des missgestalteten Jungenzeigte sich schon, als er wenige Jahre altbegann, auf einem selbstgebasteltenSchlagzeug seine Trommelkünste vorzu-führen. Als er dann als Zeitungsjunge et-was Geld verdiente, kaufte er sich ein rich-tiges Schlagzeug. An Wochenenden spielteer im Teenager-Alter auf Ausflugsschiffenzusammen mit dem Banjospieler JohnTruehart, mit dem ihn zeitlebens eine engeFreundschaft verband. Anfangs der 20erJahre verliessen sie Baltimore in RichtungNew York, wo sie da und dort bei kleinerenBands oder Jam Sessions zu treffen waren.

Duke als Promoter

Eines schönen Tages entdeckte kein Gerin-gerer als Duke Ellington den kleinen Drum-

mer und ahnte, was in ihm steckte. Er ver-schaffte der Band, die Chick Webb zusam-menstellte, verschiedene Jobs und vermit-telte erste Aufnahme-Sessions bei Bruns-wick. Im Frühjahr 1931 war es soweit, dassdes ambitionierten Drummers Stern aufge-hen konnte. Seine Bigband löste diejenigevon Fletcher Henderson im Roseland Ball-room ab. Seine Altsaxofonisten BennyCarter und Edgar Sampson waren hervorra-gende Arrangeure. (Stompin' at the Savoy,eines der berühmtesten Swingthemen,geht auf eine musikalische Inspiration vonSampson zurück). Mit Noten von Carteroder Sampson spielten Webbs MusikerBigband Jazz vom Feinsten. Als er sich imberühmten Savoy Ballroom mit viel Erfolgetablieren konnte, entsprach das seinemEhrgeiz in hohem Masse. Nun war er Leaderdes besten Jazzorchesters mit afroamerika-nischen Musikern. Legendär sind die BandBattles, bei denen namhafte Orchester, z.B.von Benny Goodman oder Fletcher Hender-son, die gegen seine Boys antraten, dasWettspiel mit Frust aufgaben. Nur CountBasies Musiker sollen es geschafft haben,als Sieger vom Platze zu gehen.

Wichtige Solisten

Trotz der hohen Bewertung des fabelhaftfunktionierenden Kollektivs wollen wireinige Musiker noch besonders erwähnen.Alle drei Trompeter (Taft Jordan, MarioBauza und Bobby Stark) waren Extraklasse.Bei den Saxofonisten stach vor allemWayman Carver heraus. Er war einer derersten Jazzflötisten. Seine Soli mit dem damals im Jazz selten eingesetzten Instru-ment waren von beachtlicher Qualität.Auch herausragend war der TenorsaxofonistElmer Williams. Sein melodischer Ausdruckin langsamen Stücken erinnerte an Cole-man Hawkins. Eine solistisch wichtige Rollespielte auch der Trombonist Sandy Williams.

Chick Webb (1902 –1939)

Ella Fitzgerald

Nicht ein Musiker, sondern eine Sängerinwar es, die Chick Webb und sein OrchesterMitte der 30er Jahre in neue Bahnen lenkte. Im Jahre 1934 gewann die erstsechszehnjährige Ella Fitzgerald im ApolloTheater in New York einen Amateur-Gesangswettbewerb. Nach anfänglichemZögern engagierte sie Webb und zog damitdas ganz grosse Los. Aufnahmen für Deccaunter ihrem Namen mit dem Chick Webb-Orchester wurden bald zum Verkaufserfolg.Als Chick starb, übernahm Ella die Leitungseiner Bigband.

Chick Webbs gesundheitliche Verfassungverschlechterte sich im Jahre 1938 zu-sehends. Er erkrankte an einer Brustfell-entzündung und starb am 16. Juni 1939 in Baltimore. Seine letzten Worte sollengewesen sein «Ich bitte Euch um Ent-schuldigung, aber ich muss gehen.»

William «Chick» Webb war ein seltenesPhänomen der Jazzgeschichte. SeineMusik ist bei uns mit 21 Schellacks,54 LPs und CDs dokumentiert.

Von diesen bedeutendenBigbands der Swingzeit (alphabetisch geordnet) befinden sich in unserem Archiv zahlreiche Schellacks, Langspielplatten, Compact Discs und weitere Materialien:

Charlie BarnetWillie Bryant* Cab CallowayCasa Loma OrchestraBob CrosbyJimmy Dorsey * Tommy Dorsey* Lionel HamptonErskine HawkinsEdgar HayesWoody Herman (vgl. Seite 10)Earl HinesClaude HopkinsGene KrupaHarry JamesAndy Kirk* Jimmie Lunceford McKinney's Cotton Pickers* Glenn Miller* Artie ShawTeddy Wilson

* vgl. Seite 7

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Glenn Miller (1904–1944). Seine Swingband war Ende der 30erJahre beim Publikum sehr beliebt. 1942 trat Miller freiwillig in dieArmee ein (Navy/Air Force). Am 15. Dezember 1944 startete er ineinem kleinen Propeller-Flugzeug in Richtung Paris. Die Maschineerreichte ihr Ziel nicht, und Glenn Miller gilt seither als verschollen.Millers Army Air Force Band war wohl die beste, die er je leitete,dank der hervorragenden Besetzung mit erstklassigen Musikern.

Jimmy Lunceford (1902–1947). Er leitete in der Swing-Ära nebenDuke Ellington und Count Basie das berühmteste nur mit afroameri-kanischen Musikern besetzte Swingorchester. Sein Erfolg war vorallem auf eine hervorragende Ensembleleistung zurückzuführen.Typisch war ein durchgehend federnder Two Beat-Rhythmus und einstark synkopierter Melodien-Verlauf. Von zentraler Bedeutung: dieMitwirkung des Trompeters und Arrangeurs Sy Oliver.

Cab Calloway (1907–1994). Sein Name steht für den professionel-len Mix von Jazz mit Show in den Harlemer Music Halls der Dreissi-ger Jahre. In seinem Orchester spielten eine Reihe berühmter Solis-ten wie Chu Berry oder Tyree Glenn. Auch Dizzy Gillespie war einervon ihnen. Noch bevor er den Bebop-Stil fertig entwickeln konnte,war er in den Jahren 1940 und 41 mit seiner Trompete der Starsolistbeim Bandleader und Frontman Cab Calloway.

Lionel Hampton (1908 –2002). Er war einer der ganz grossenKoryphäen des Swingjazz. Ob am Schlagzeug, am Klavier, am Vibra-fon (vor allem in den Benny Goodman-Kleinformationen) oder ab1940 als Bandleader, Hampton verstand es, mit seiner perkussivenSpielweise, seine Mitmusiker und das Publikum zu begeistern. Schon1936 wählten ihn die Leser des Down Beat-Magazins zum Musikerdes Jahres. Etwa vierzig Jahre später verlieh ihm das PepperdineCollege in Los Angeles die Ehrendoktorwürde.

Tommy Dorsey (1905–1956). Er spielte die Posaune in einer einzig-artig sensiblen Art. Man nannte ihn «Sentimental Gentleman ofSwing». Anfangs der Dreissigerjahre war er noch stark im Dixielandverwurzelt. Bis im Sommer 1935 leitete er zusammen mit seinemBruder Jimmy (Klarinette und Altsaxofon) das Dorsey Brothers-Orches-ter, dann gründete er sein eigenes Ensemble, dessen Jazzwert durcheine Reihe hochkarätiger Solisten erheblich gesteigert wurde.

Artie Shaw (1910–2004). Wenn man Shaws musikalische Leistun-gen würdigen will, sind einige Parallelen zu Benny Goodman nicht zu übersehen. Beide verdienten sich ihre ersten Dollars mit dem Altsaxofon in New Yorker Studiobands. Fast gleichzeitig hatten beide in den Dreissigerjahren ihre ersten grossen Erfolge mit Swing-orchestern. Ihr Klarinettenspiel war weitgehend ähnlich und ebensoihr Ehrgeiz, auch mit kleinen Formationen guten Jazz zu spielen.Auf der Foto Artie Shaw mit der Sängerin Helen Forrest.

Am Mikrofon Frank Sinatra

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Geboren am 29. April 1899, bekam EduardKennedy Ellington seinen Übernamen«Duke» schon in seiner Jugendzeit. SeineFamilie kam aus dem Süden nach Washing-ton, weil dort Afroamerikaner angesehenerwaren als anderswo. Seine Eltern warenmittelständig, immer gut angezogen, wasEllington diesen Übernamen eintrug. Etwa10-jährig bekam er die ersten Klavierstun-den, was ihn aber nicht sonderlich interes-sierte. Lehrstunden waren nicht so seineSache. Er hatte noch andere Talente: Zeich-nen und Malen. Er studierte eine zeitlangWerbe-Grafik, gewann einen Plakat-Wett-bewerb und erhielt ein Stipendium. Diesesnahm er nicht in Anspruch, denn er hättenach New York gehen müssen. Sein ganzesLeben lang war er systematischem Unter-richt ohnehin abgeneigt, auch als Kompo-nist, Arrangeur und Bandleader.

Er hatte schon als Teenager eine Freundin.Als diese schwanger wurde, haben siegeheiratet. Der Sohn, der geboren wurde,bekam den Namen Mercer Ellington. Nunmerkte er, dass er Geld verdienen musste.Das versuchte er dann mit Musik.

Mitte der 1920er Jahre kam der Duke alsgewöhnliches Mitglied zu den Washing-tonians. Mit der Zeit hiessen diese DukeEllington and his Washingtonians. SpäterDuke Ellington and his Orchestra. Schondamals hatte er hervorragende Musiker um sich geschart: Bubber Miley (tp), TrickySam Nanton (tb). Dazu kamen Barney

Bigard (cl), Johnny Hodges (as, ss), HarryCarney (bs), Sonny Greer (dm) und Well-man Braud (b). Die Musiker blieben meis-tens lange bei Duke, Harry Carney sogarimmer. – Die ersten Hits entstanden: Blackand Tan Fantasy, Mood Indigo u.a.

Bei vielen Kompositionen wurden nebenEllington auch andere Musiker als Kom-ponisten aufgeführt. Die Stücke wurdenmeistens im Kollektiv erarbeitet. Grund-lage waren vielfach irgendwelche kleineMelodien, die seine Musiker beisteuerten.

Wichtige Musiker, die später bei Duke arbeiteten, waren u.a. Juan Tizol (tb)und Billy Strayhorn (p, comp, arr). Diesebeiden hatten einen enormen Einfluss auf ihn. Weitere wichtige Musiker in seinenOrchestern waren Cootie Williams (tp), Rex Stewart (tp), Lawrence Brown (tb), Ray Nance (tp, vio), Ben Webster (ts)und, ganz wichtig, Jimmy Blanton (b).Zu erwähnen sind auch Jimmy Hamilton(cl, ts), Paul Gonsalves (ts), Russel Procope(as, cl), Louie Bellson (dm), Sam Woodyard(dm) und Clark Terry (tp, flh).

Joachim E. Berendt schrieb in seinem Jazz-buch (1989): «Seine beiden wohl aner-kanntesten Orchester hatte Duke EllingtonEnde der 1920er Jahre mit Bubber Mileyund Sam Nanton und dann in den 1940erJahren mit Jimmy Blanton und Ben Webs-ter. Der moderne grossorchestrale Jazzbegann mit dieser letzten Band».

Die ganz grosse Zeit hatte die Band in den1940er Jahren, als Ellington alle Polls (Mei-nungsumfragen) dominierte. In den DownBeat Polls von 1945 bis 1972 wurde er 56mal gewählt (fast immer auf dem 1. Platz).

1951 bis 1953 war für Ellington eine Zeitder Krise, nachdem Johnny Hodges, Law-rence Brown und Sonny Greer gemeinsamdas Orchester verlassen hatten. JohnnyHodges kehrte 1955 wieder zurück. Nachdem triumphalen Erfolg am Newport Jazz-festival von 1956 war die Krise dann vor-bei, dank der 27 legendären Chorusse überDiminuendo and Crescendo in Blue, dievon Paul Gonsalves vorgetragen wurden.Das Publikum war aus dem Häuschen.

Ein Schock waren für den Duke die Hin-schiede von Billy Strayhorn (1967) undzwei Jahre später von Johnny Hodges.Am 24. Mai 1974 verstarb auch DukeEllington in einem New Yorker Kranken-haus an einer Lungenentzündung.

Duke Ellington war wohl einer der grösstenJazzmusiker (Pianist, Bandleader, Kompo-nist und Arrangeur) in 100 Jahren Jazz inden USA. Louie Bellson verabschiedete sich von ihm mit den Worten:«Du Maestro,hast mir eine wunderbare musikalischeErziehung gegeben. Durch Dich bin ich erstwirklich ein menschliches Wesen gewor-den. Deine Weisheit und Deine Freund-schaft werden mich auch weiterhin leiten.Du bist das Modell eines Weltbürgers.Deine Musik ist: Friede, Liebe, Glück.»

***PS. Duke Ellington erhielt viele Ehrungenund Auszeichnungen. Unter anderemzwischen 1949 und 1972 fünfzehn Ehren-doktortitel. Zwischen 1958 und 1969sieben Medaillen, z.B. President's Medal(1958), President's Gold Medal (1965),President's Medal of Freedom (1969).Diese letztere ist die höchste bürgerlicheAuszeichnung der USA. Verliehen wurde sie ihm von Richard Nixon.

In der Autobiografie von Duke Ellington sind am Schluss alle Themen und Konzert-stücke aufgelistet, die er in den Jahren von 1923 bis 1972 komponiert hatte.Es ist die unglaubliche Zahl von 954 Kom-positionen. (Nach Wikipedia sollen es noch viele mehr gewesen sein). Dabei sindThemen, die aus nur wenigen Tönen undTakten bestehen, wie C-Jam Blues, wunder-bare Songs wie Solitude und grosseKonzertwerke wie Black, Brown and Beige.Das ist ein riesiges Erbe und eine Gold-grube für heutige und zukünftige Jazz-musiker und Jazzmusikerinnen.

Der grosse Duke Ellington War er ein hervorragender Pianist, Komponist, Arrangeur oder Bandleader? Wahrscheinlich etwas von allem. Die Biografie von James Lincoln Collier* gibt einen hervorragenden Einblick in die langjährige Arbeit des Duke. Walter Abry

* James Lincoln Collier: Duke Ellington «Geniusof Jazz», Ullstein, 1999, ISBN 3-548-35839-X

Das Archiv des swissjazzorama ist sehr gut dotiert mit Unterlagen aller Art über Edward Duke Ellington:1273 Tonträger (LPs und CDs)301 Schellacks24 Bücher

Zwei Donatoren waren Mitglieder in der Ellington Society.Deshalb hat es in unserem Archiv spezielle Dokumentedieser Vereinigung.

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die Sängerin Kitty Ramon. Nach denBigband-Jahren arbeitete Böhler zuerst mit Combos, ab 1954 als Soloorganist.Eine seiner Wurlitzer-Orgeln ist im Besitzdes Archivs des swissjazzorama.

Die letzten Jahre der DRS Bigband des Schweizer Radio DRS

sind eng verbunden mit dem Namen PeterJacques. Er ist ein Schweizer Jazzmusiker(Pianist, Arrangeur, Komponist und Band-leader), geboren 1935 in der Tschecho-slowakei. Klavierunterricht erhielt er schonals Vierjähriger. Ab 1945 studierte er amKonservatorium in Winterthur. Nach einerAmateurzeit arbeitete er ab 1956 als Profi-Musiker. 1973 übernahm er, zusammen mitHans Moeckel, die Leitung der DRS Big-band. Später leitete er sie allein bis zuderen Auflösung 1986. Die DRS Bigbandwar eine sehr potente Bigband, auch iminternationalen Vergleich.

Das Pepe Lienhard Orchester

Pepe Lienhard, geboren 1946, ist einSchweizer Bandleader, Saxofonist, Flötistund Arrangeur. Seine Bigband gründete er1980. Diese spielte und spielt an hoch-karätigen Anlässen in der Schweiz und inDeutschland. Das Orchester war mit denSängern Sammy Davis jr. und Frank Sinatraauf Tour. Pepe Lienhard war ausserdem 30 Jahre lang Begleiter des Komponisten,Sängers und Pianisten Udo Jürgens(1934–2014). Dieser war österreichisch-schweizerischer Doppelbürger. Man kannihn stilistisch zwischen Chanson, Pop und Jazz einordnen. – Das Pepe Lienhard-Orchester gehört heute zu den bekann-testen Schweizer Swing-Orchestern.

Ausklang

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts formier-ten sich in der Schweiz viele Amateur-Swing-Bigbands. Auch Harmonien öffnetensich dem Jazz. Die Jazzschulen entstanden,und jede davon hat ihre eigene Bigband.

Daneben gab es auch hochkarätige Big-bands mit moderner Ausrichtung. Siewerden auf der Seite 12 vorgestellt.

Alle auf dieser Seite besprochenenBands und Musiker sind im Achiv des swissjazzorama gut dokumentiert.

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Die Lanigiro (Umkehrung Original)

The Lanigiro Hot Players waren ein Schwei-zer Jazz- und Tanzorchester. Sie galten inder Zwischenkriegszeit neben Teddy Stauf-fers Original Teddies, wegen ihrer Aus-landserfahrungen, als eine der populärstenBands der Schweiz. Das Orchester bestandvon 1924 bis 1961, zuerst als Amateurband,ab 1933 als Profiband. In den 30er Jahrenspielten sie längere Zeit im Delphi-Theaterin Berlin. In dieser Zeit wurden sie von derNazipresse stark angefeindet. Auftrittehatten sie später hauptsächlich in grossenHotels in der Schweiz.

Teddy Stauffer and his Original Teddies

Teddy Stauffer war ein Schweizer Jazzmusi-ker und Bandleader. Geboren 1909 in derSchweiz, gestorben 1991 in Acapulco(Mexiko). Mit seinen Arrangements aktuel-ler amerikanischer Kompositionen galt dasOrchester in den 30er und 40er Jahren alsSwinggrösse. Auftritte hatte es in in dieserZeit viele in Deutschland und dann an derSchweizer Landesausstellung 1939 inZürich. Nach einer Nordatlantik-Kreuzfahrtkehrte Stauffer nicht mehr in die Schweizzurück. Der Saxofonist Eddie Brunner lei-tete dann die Original Teddies ab 1941.Nach seiner Musikerlaufbahn wurde Brun-ner ab 1948 Tonmeister beim RadiostudioBasel. – Nach Problemen mit der Einwan-derungsbehörde der USA ging Stauffernach Acapulco in Mexiko. Dort wurde erHotelier. Die Musikerlaufbahn war beendet.Viele bekannte Musiker arbeiteten bei denOriginal Teddies. Der wohl Wichtigste war der Klarinettist Ernst Höllerhagen.Neben ihm war auch Berry Peritz, der sehrgute Schlagzeuger jener Zeit, öfters dabei.

Fred Böhler (1912–1995) war ein Schweizer Jazz- und Unterhaltungsmusiker

Schon als Kind erhielt er Geigen-Unterricht.Neben seiner Lehre als Textilzeichner nahmer Klavierstunden, und von 1931 bis 1936studierte er am Konservatorium in Zürich.Uns interessieren vor allem Fred BöhlersBigband-Jahre. Diese waren sehr kurz,von 1943 bis 1948. Das Orchester war eine der besten Schweizer Swingband.Einige Musiker, die dabei waren sind HazyOsterwald, Glyn Paque, Pianist Rio deGregori, Trompeter Alberto Quarella und

Die Schweiz – ein Bigband-LandAuf dieser Seite stellen wir einige Schweizer Bigbands vor, die in den Bereich desSwing der 30er und 40er Jahre passen. Verschont von rassistischen Angriffen undKriegsgräueln konnten sie ihre Musik ihrem Publikum präsentieren. Walter Abry

Von oben nach untendie Bigband Leader:

Teddy Stauffer (1909 –1991)Fred Böhler (1912–1995)Peter Jacques (* 1935)Pepe Lienhard (* 1946)

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Bebop…

ein in seiner Hektik wenig Bigband-freund-licher Stil war indes die Jazzsprache derStunde. So gab es nur wenige Orchester,die sich dieses Idioms bedienten. EarlHines, Claude Thornhill und Billy Eckstinewaren es, die in den 40er Jahren versuch-ten, an der Schnittstelle zum ModernenJazz ein zeitgemässes Konzept für Gross-formate zu finden. Vor allem Eckstine be-schäftige Grössen wie Dizzy, Fats Navarro,Miles Davis, Charlie Parker, Dexter Gordonoder Art Blakey. Die zweite Gesangsstimmeneben seiner eigenen gehörte der aufstre-benden Sarah Vaughan. Eine der wenigenBigbands, die damals aufkam, war die desKlarinettisten /Altisten Woody Herman,der seine Formation jeweils Herman Herdnannte und von denen die zweite, Trägerinder berühmten nach einer Jimmy Giuffre-Komposition benannten Four Brothers war.Die Original-Brüder setzten sich aus dendrei Tenoristen Stan Getz, Zoot Sims undHerbie Steward und dem BaritonspielerSerge Chaloff zusammen. Der satte Soundund die schmissige Anmutung kommendurch die vom Standard (2 as, 2 ts,1 bs) ab-weichende Besetzung des Saxofonsatzesmit drei Tenor und einem Bariton zustande.Woody Herman trieb zur Erbauung big-bandaffiner Jazzfreunde bis in die 80erJahre ungezählte Herden durch die Lande.

In jener Zeit liess der Titel einer Komposi-tion aufhorchen: Concerto To End AllConcertos. Sie stammt von einem, dessenSache Bescheidenheit nie war: Stan Ken-ton. Zusammen mit seinem Arrangeur Pete Rugolo bewegte der Konzertmeistermächtige Klangmassen, schuf zahlreiche sogenannte Artistries, deren bekanntestesArtistry in Rhythm war. Wen wundert's,dass er das Ganze Progressive Jazz nannte.Eine Startrampe bot das Kenton-Orchesterbis in die frühen 70er Jahre für zahlreicheBerühmtheiten. Vom Meister, der sich auchEinflüssen aus der Klassik öffnete, konnteman allemal etwas lernen.

Abkühlung, und weg vom Standard…

Wie immer, wenn man sich jazzhistorischdem Wechsel 40er /50er Jahre nähert,erscheint das Zentralgestirn Miles Davis

am Himmel. Dieser gründete sein CapitolOrchestra, eigentlich ein Nonett, das ne-ben gebräuchlichen, mit im Modernen Jazzeher ungewohnten Instrumenten wie Wald-horn und Tuba bestückt war. Um die Truppezum Abheben zu bringen, bedurfte es indeseines kongenialen Arrangeurs, den Milesim Kanadier Gil Evans fand. The Birth OfThe Cool (1949/50) hiess das Werk, dassjene Periode einleitete, die fortan Cooljazzgenannt wurde. Neben Davis wirkten alsmassgebliche Stimmen Lee Konitz, GerryMulligan und John Lewis mit. Evans betteteMiles, jetzt voll entwickelte Trompeten-stimme, in diesen unvergleichlichen, insMelancholische driftende und dennochschwebend wirkenden orchestralen Soundein. Eine perfekte Kombination, die nachmehr verlangte. Und es kam mehr: DieMeisterwerke Miles Ahead (1957), PorgyAnd Bess (1959), Sketches Of Spain (1960),und als Nachreichung das vielleicht etwasweniger geglückte Quiet Nights (1963).Wobei Evans die Instrumentierung durchHinzunahme weiterer Trompeten, Posau-nen, Woodwinds (Flöte, Klarinette, Oboe,Fagott), Harfe und Perkussion wahlweiseergänzte. Hier sind die Grenzen des Arran-gements erreicht, so dass man eher voneiner Re-Komposition bestehenden Mate-rials sprechen müsste. Der Arrangeur arbei-tet nicht mehr für eine oft lange bestehen-de, eingespielte Band, sondern stellt sichdas Orchester nach seinen Vorstellungenquasi ad hoc zusammen – es wird gewis-sermassen zu seinem «Instrument». Was

sich schon bei Kenton andeutete, dassLeader, Komponist, Arrangeur eine Personalunion bilden, wird hier verstärkt.

…aber der Mainstream fliesst weiter

Nun, das weitgehend bis heute geltende,demnach geradezu klassische Instrumen-tensetting einer Bigband besteht aus 4 Trompeten, 4 Posaunen, (davon 1 Bass-posaune), 5 Saxofonen (2 as, 2 ts, 1 bs)plus Rhythm Section (p, b, d). Oft spielendie Trompeter auch das «weichere» Flügel-horn und die Saxofonisten sind meist Multiinstrumentalisten, die sich neben dem Sopransax auch Instrumenten aus der sog. Woodwindfamilie (fl, cl, bcl, ob, fagu.ä) bedienen, während die RhythmSection mit Gitarre und/oder Perkussionergänzt wird. Kombinationen all dieserInstrumente lassen sehr viele Klangfarbenzu und bieten Komponisten / Arrangeurenungezählte Optionen in Sound und Beat.Während Evans zu seiner Zeit eher einSolitär war, hielten sich die meisten seinerKollegen an die gewohnten Formatezwischen Herman und Kenton. Vor allemaus Kentons Umfeld kamen etwa mitChico O'Farrill stark perkussiv unterlegteafro-kubanischen Spielarten auf. Sein SohnArturo trägt das Erbe in die Gegenwart.Ein weiterer, ebenfalls aus dem Kenton-Orchester hervorgegangener Musiker, warder Kanadier Maynard Ferguson, einTrompeter mit viel Auftrieb in Höhen, wo

Things To Come……so das Statement der Dizzy Gillespie Big-band 1946, als nach dem Ende des 2. Welt-kriegs und der vorangegangenen menetekel-artigen Erscheinung von Atompilzen über

Japan, die Dinge, die da kommen könnten,sich als Konturen am Horizont abzuzeich-nen begannen. In atemberaubendemTempo hetzt Dizzy und sein Arrangeur Gil

Fuller die Band durch das Stück und steuertselbst ein messerscharfes Trompetensolo bei, das wie eine Fanfare titelgerecht ein neues Zeitalter ankündigt. Heinz Abler

Dizzy Gillespie Bigband

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der Schwindel regiert. Die Arrangements,die die Fergusonschen Kraftakte umgaben,lagen in den Händen von Marty Paich, Bill Holman oder Jimmy Giuffre. Ein Name,der in der Schweiz und insbesondere inMontreux einen besonders guten Klanghat, tauchte auf: Quincy Jones. Die Big-band, die er 1959 nach Europa brachte,war ein Starensemble der Sonderklasse,mit Phil Woods, Sahib Shihab, Jerome Richardson, Benny Bailey, Art Farmer,Melba Liston, Jimmy Cleveland usw. Dawurde Bigband Jazz, geradeaus fetzig nach Basie-Manier, ohne viel Schnörkel,aber umso mehr solistischem Glanz geboten. Etwas filigraner gingen GerryMulligan oder Bill Holman, selbst Arran-geure mit Sondertalent, in ihren je eigenenBands zu Werke. Oder an der Westküste der USA Gerald Wilson, der den Pfad,den etwa Fletcher Henderson für dasgrossorchestrale Format angelegt hatte,Zeit seines langen Lebens (1918 – 2014)mit Erfolg und stetig entlang der musika-lischen Entwicklungslinien weiter führte.

Nicht ungewöhnlich war es, dass Schlag-zeuger, wie etwa Buddy Rich oder LouieBellson, als Leiter von Bigbands ihre Kolle-gen von der Melodieabteilung kraftvollvorwärtstrieben. Wobei jener jeweils auchfür willkommene Showeinlagen am Schlag-werk sorgte, während dieser sich eher inden Dienst der vorgegeben Partitur stellte.Ein weiterer Schlagzeuger, der dies meister-lich verstand, war Mel Lewis, der zusam-men mit dem Trompeter/FlügelhornistenThad Jones in den 70ern ein Orchesterleitete, das zu seiner Zeit den State Of TheArt repräsentierte. Jones, dessen Familiemit dem älteren Bruder Hank und demjüngeren Elvin die Jazzszene erheblichbereicherten, war ein Komponist /Arran-geur, dessen Handschrift in jedem Stück,sei es nun von ihm komponiert oder nicht,erkennbar war. Das Orchester lebt nachdem Tod der beiden als Vanguard JazzOrchestra weiter, wo es bis heute jeweilsmontags im New Yorker Club VillageVanguard die Musik in dieser Tradition vorPublikum pflegt. Ein ähnliches Konzeptverfolgte das Toshiko Akiyoshi-Lew

Tabackin Orchestra, das gelegentlichElemente aus ausserwestlichen Kontextenbeizog, was bei der japanischen Herkunftder Pianistin/Komponistin und Arrangeurinnicht weiter erstaunt. In Europa begeis-terte vor allem die international besetzte Kenny Clarke-Francy Boland Bigband,in deren Reihen neben dem Co-LeaderClarke weitere in Europa niedergelasseneUS-Amerikaner, sozusagen in einem Auf-fangbecken, sassen.

…aber auch Neuland wird erforscht

Der Trompeter Don Ellis verstand es, seineTruppe durch eine halsbrecherische, kom-plexe Rhythmik hindurch zu steuern, ohnedabei jedoch allzu viel an swing einzubüs-sen – ein Kunststück der besonderen Art.Gelernt hat er bei George Russell, einemweiteren Exzentriker, der die Jazzwelt mit seinem Lydian Chromatic Concept ofTonal Organization beschenkte. Das hörtsich zunächst kompliziert an und kommtschliesslich dennoch als veritabler Jazzdaher. Auf den ersten Blick scheint beimFree Jazz und grossorchestralem FormatAmbivalenz auf. Von Charles Mingus, dersich seinerseits auf Ellington bezog, gingenImpulse aus, die in diese Richtung wiesen.Vor allem erkennbar in der musikalischenLogik und strukturellen Entwicklung inner-halb einzelner Kompositionen. Die Pianis-tin/Komponistin Carla Bley und der Trom-peter/Komponist Mike Mantler schufenmit dem schon im Namen abgebildetenprogrammatischen Projekt Jazz Compo-sers Orchestra eine in collagierter Struk-tur angelegte Form von grossorchestralerMischung aus komponierten Teilen undKollektivimprovisationen. ein Konzept, dasBley auch im Charlie Haden LiberationMusic Orchestra, nicht zuletzt zugunsteneiner politisch eingefärbten Aussage fortsetzte. Der Mystiker Sun Ra und seinArkestra waren sowohl optisch wie akus-tisch in ihrem Universum unterwegs, dasmit afro-amerikanischen Versatzstückengespickt war. Diese bezog er aus der Jazz-historie im engeren Sinne (Ellington/Henderson – man vergesse nicht, dass Ra

vor Zeiten als Sonny Blount noch bei Flet-cher Henderson am Piano sass –) oder ausder ethnisch-kulturell weiter aufgespann-ten Sphäre (Südamerika, Afrika, Vodoo,Tanz, Feuerschlucken u.dgl.).

Mehr Anklang als in den USA ausserhalbNew Yorks fanden freie Gestaltungen ingrossformatigen Kontexten in Europa, wodas Nischenangebot insgesamt etwas grös-ser ist. Auf die einzelnen Kollektive imDetail einzugehen, würde den Rahmendieses Textes sprengen, zumal ihnen in derBeschreibung der jeweiligen Eigenartenohnehin nie Genüge widerfahren würde.Die Musik «spricht» ja selbst und für sich.Es versteht sich zudem, dass die jeweiligenInstrumenten-Assortierungen oft nichtmehr viel mit der klassischen Formel zu tunhaben. Einige Bands seien als Beispielegenannt: In Holland: Willem BreukerKollektief, Misha Mengelberg InstantComposers Orchestra, in England: BarryGuy's London Jazz Composers Orchestra,in Deutschland: Alexander von Schlippen-bachs Globe Unity Orchestra, in Italien:Italian Instabile Orchestra, aber auch in der Schweiz: Urs Blöchlingers Jerry DentalKollekdoof. Jazz und europäische Klassik in einen Third Stream einfliessen zulassen, versuchte schon Gunther Schullerin den 50er Jahren. Diese Möglichkeit einerAusrichtung weist der für Einflüsse offeneJazz auch heute nicht zurück.

Als der genealogisch näher liegende, vomRhythm & Blues herkommende Rock in den70er Jahren in die Gefilde des Jazz hineingriff, und es galt, rockgrundierten Jazz mitBlechgebläse als fetter Soundkulisse aus-zustatten, schlug die Stunde der mittelgros-sen Formationen. Hier eine Trompete, daeine Posaune und dort ein Saxofon wurdenum die Kerntruppe mit Sänger und Sänge-rinnen, Gitarristen, Keyboardern und Rhythmikern gruppiert. Allen voran FrankZappa mit seinen Mothers of Invention,ein Musikgenie, dessen kreativer Furorohnehin kaum einzuengen war. Etwaskonventioneller gebärdeten sich Blood,Sweat & Tears, oder in Europa PeterHerbholzheimers Rhythm Combination& Brass. Und Jaco Pastorius trieb mittelsseines umwerfenden Drive erzeugendenElektrobasses eine konventionell besetzteBigband förmlich vor sich her.

…schliesslich Erfahrungen und Entdeckungen zusammen-gebaut: Postmoderne!

So kehren wir mit Jaco wieder in die ver-traute Zone klassisch angelegter Orches-trierung zurück, wo uns schon einer erwartet, der gelegentlich in Wort und Note erläutert, was hier Klassik bedeutet:Wynton Marsalis. Dazu bedient er sich

Maria Schneider Orchestra

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Nach dem Ende des 2. Weltkriegesbegann sich der Modern Jazz mit dem Bebop im Combo-Format (3–8Mitglieder) vom Atlantik her überEuropa auszubreiten. Heinz Abler

Bigbands, so es sie denn gab, verharrten imSwing-Modus, und dienten als musikali-sche Unterhaltungskulisse von Bällen, an-deren Tanzveranstaltungen, Bunten Aben-den und dergleichen, jedoch kaum als kon-zertierende Alleinunterhalter. Da die Blas-musik in der Schweiz sich allenthalbengrosser Beliebtheit erfreut, betrachteteman es damals als zeitgemäss, hie und da,neben Marsch und sonstiger Folklore einejazzige Swingnummer «für die Jungen»einzubauen, wovor selbst Armeespielenicht zurückschreckten.

Das Unterhaltungsorchester Beromünster,später DRS Bigband (siehe Seite 9) besassein Quasimonopol auf den Service publicim Bereich des grossorchestralen Jazz.Hier kamen auch Komponisten/Arrangeurewie der Basler Saxofonist Bruno Spoerri(*1935) zum Zug, der sich mit musika-lischem Forscherdrang in weiten Feldernumsieht.

Es dauerte bis 1972, als George Gruntz(1932–2013), Vater Flavio und Sohn FrancoAmbrosetti zusammen mit Daniel HumairThe Band gründeten, aus der dann dieConcert Jazz Band hervorging, die zwar nur im Leading helvetisch war, deren Beset-zung insbesondere mit US-Musikern hoch-karätiger nicht hätte sein können. Jeden-falls war insbesondere Gruntz als gefeierterKomponist/Arrangeur bekannt für eigen-williges Schaffen, das er oft in Form vonSuiten oder Konzeptprogrammen vorstellte.

Ähliches lässt sich vom Bündner MatthiasRüegg (*1952) sagen, der vor allem inÖsterreich wirkte und mit dem Vienna ArtOrchestra von (1977–2010) hören liess, wieman neben Gershwin, auch Satie oderJohann Strauss in Jazz einkleiden kann.Gelegentlich waren Solisten und Solis-tinnen wie Andy Scherrer, Roman Schwal-ler (sax), Matthieu Michel (tp/flh) und Corin Curschellas (voc) als Vertreter hiesigen Schaffens dabei.

1967 wurde in Bern die erste autonomeJazzschule als Swiss Jazz School eingerich-tet, wobei sich die Träger von damals in der Schweizer Szene wohlklingender Na-men wie der Saxofonist Heinz Bigler undder Pianist Franz Biffiger als Initiantenhervortaten. Es war und ist klar, dass sich

Bigbands als Labore an Akademien beson-ders gut eignen, so dass mit den Schulenauch die grösseren Formationen in diehiesige Jazzwelt hinein fanden. Somitentwickelte sich zunächst unter der Leitungdes deutschen Pianisten Joe Haider undspäter des belgischen Trompeters Bert Jorisein Schulorchester, aus dem schliesslich2003 das Swiss Jazz Orchestra (SJO)hervorging. Derzeit unter der Leitung vonPhilip Henzi, ist das SJO während derSaison im Winterhalbjahr, oft mit Gast-solisten veredelt, jeweils montags im Bier-hübeli zu Bern in so genannten Groove-oder Latin-Nights oder anderlei konzep-tionellen Programmen zu bewundern.Ähnlich verhält es sich in Luzern mit dem2007 gegründeten Lucerne Jazz Orchestra(Leiter David Grottschreiber). Der einheimi-sche Pianist Peter Zihlmann schuf für die-ses Orchester eine bemerkenswerte undsehr originelle Hommage an eine Insti-tution, deren Standortname für etwassteht, das viele ältere Landsleute schlichtmit Heimat verbinden: Beromünster.

Da ist auch das 1995 aus einer RehearsalBand der Zürcher Hochschule der Künste(ZHdK hervorgegangene Zurich Jazz Orchestra, deren deutsche Leiter (vormalsRainer Tempel – derzeit Steffen Schorn)sich mit anspruchsvollen eigenen Beiträgenoder Rückgriffen auf herausragende Werke der grossorchestralen Literatur (GilEvans/Gershwin Porgy & Bess) auszeichnenund im Zurich Jazz Orchestra einenadäquaten Klangkörper gefunden haben.

Natürlich wird das geneigte Publikumimmer mal wieder mit traditionellerenFormen wie Swing in Schwung versetzt,wo neben dem bewährten Pepe Lienhardauch Dani Felber, der sich auch in derPopwelt zurecht findet, in Szene setzt.Dem sich stetig vergrössernde Anteil vonakademisch ausgebildeten Jazzmusikernund -musikerinnen bieten Bigbands injedem Fall willkommene Auftrittsplatt-formen, wo sie ihre Fähigkeiten vorstellenkönnen. Somit kann man hierzulande demBigband Jazz eine gute Prognose stellen.

Landauf, landab finden sich aber auchAmateur-Bigbands, die uns daran erinnern,dass viele anstelle eines Golfschlägers einMusikinstrument zu ihrem bevorzugtenFreizeitgerät gewählt haben. Das ist auchgut so und hält die Szene lebendig.

Schweiz: Vom Buntenzum Konzertabend

seines Jazz at Lincoln Center Orchestra, das etwa mittels Rückgriffen auf Ellingtonund Monk dem Beitrag der afroamerikani-schen Musikkultur das nötige Gewicht ver-leihen will. Maria Schneider, eine à fondsausgebildete Musikerin, die auch bei BobBrookmeyer studiert und als Assistentin bei Gil Evans gearbeitet hat, leitet ein eigenes Orchester, das ihre Vorstellungen,die trotz der Klangmasse einer Bigbandluftig-leicht anmuten und gelegentlichsuitenartig angelegt sind, perfekt umsetzt.Als gefragte Komponistin und Arrangeurinwirkt sie oft als Gast bei europäischenRundfunkorchestern, wie den deutschen,jeweils ARD-regionalen WDR-, NDR-,SWR-Bigbands, dem Danish RadioOrchestra, dem französischen OrchestreNational de Jazz oder dem niederlän-dischen Metropole Orchestra. Dieseeuropäischen Orchester spielen auf höchs-tem Niveau, sind in der Lage, selbst komp-lexe musikalische Offerten schnell insRepertoire einzufügen, und deshalb sehrbeliebt bei Gast-Komponisten/Arrangeurenund -Solisten. So etwa bei Koryphäen wie Vince Mendoza oder Bob Mintzer,beide versierte Leiter je eigener Bands und Projekte.

Schweizer Bigbands müssen sich jedochnicht hinten anstellen, ihnen ist ein geson-derter Beitrag gewidmet. Deshalb an dieserStelle nur zwei grosse Namen vorweg, dieweit über die Landesgrenze hinaus klingen:George Gruntz mit seiner Concert JazzBand und Matthias Rüegg mit seinemVienna Art Orchestra.

Epilog

Manche werden hier vergeblich nach ge-wichtigen Namen suchen. (Über Ellingtonund Basie beispielsweise wird an andererStelle in diesem Jazzletter geschrieben).Es handelt sich vielmehr um den Versuch,einen groben Abriss über die Entwicklungdes zeitgenössischen Bigband Jazz zuentwerfen.

Bigbands sind, wie man sieht, gewisser-massen Musikhochschulen der Praxis, unddeshalb ist es kaum ein Zufall, dass sie an vielen höheren Lehrinstituten Bestandhaben. So in den USA, aber auch hierzulan-de, wo die Jazzakademien sich ihrer Pflegewidmen. Ihre Konjunktur ist aus vielerleiGründen schwankend, seien es Kosten,organisatorischer Aufwand, Auftrittsmög-lichkeiten oder Vertrieb/Vermarktung. Wiesie in einer Welt, in der die Zeit feststoff-licher Tonkonservierung abläuft, überlebenkönnen, wird sich zeigen. Zudem sind Big-bands nun mal big, aber sie bieten zuwei-len auch ein grossartiges Erlebnis. Auf dass uns Hören und Sehen nicht vergehenmöge – es sei denn vor Begeisterung.

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Isla's HeartbeatIm Lauf seiner hundertjährigen Geschichtehat der Jazz so viele Stile hervorgebracht,dass wir uns zuweilen fragen, was derengemeinsamer Nenner sei. Was, sagen wir:Cecil Taylor mit Willie «The Lion» Smithverbinde, oder Ornette Coleman mit JohnnyHodges. Die respektiven Fans trugen ihreFehden zuweilen aus wie Glaubenskriege.Wie ich Niklaus Troxler, den langjährigenIntendanten des Jazzfestivals Willisau, ein-mal nach seiner grössten Enttäuschungfragte, nannte er mir auf Anhieb ein fantas-tisches Konzert von Stan Getz in den sieb-ziger Jahren. Sein auf Avantgarde einge-schworenes Publikum pfiff es aus und ver-liess den Saal in Scharen. Musiker haben inder Regel allemal ein besseres Gespür da-für, dass die verschiedenen Dialekte desJazz aus einer Geschichte gewachsen sind.Dass aller Vielfalt von Stilen und Personal-stilen, die in einer individuellen und spon-tan improvisierten Musik sich selbstver-ständlich herausbilden, ein gemeinsamerFundus zugrunde liegt. Der mag schwer zudefinieren sein, aber er ist für jeden, derOhren hat zu hören, zu fühlen: als derAtem, den wir mangels präziser Begriffeswing nennen, eine Qualität, die selbstnoch dort weht, wo sie sich vom Metrumweitest möglich entfernt, ja dieses zertrüm-mert. Jazz «the sound of surprise», wie der grosse Whitney Balliett einst sagte, istauch the sound of freedom, und zwar einerFreiheit jenseits aller Orthodoxien, alsoauch jenseits des Zwang zur Originalität,den der Imperativ des Individuellen zu-nächst eigentlich nahelegte. Er kümmertsich nicht um Gebote und Verbote, wohlaber um seine Geschichte, über die seinegrössten Musiker, gerade die, die in derFolge als stilbildend verehrt werden, mitGelassenheit verfügen. Jazz ist innovativ.Aber um Innovation des Zwangs, um Kunst,die ums Verrecken Kunst sein will, foutierter sich; er ist auch – wie anders könne esbei einer Musik sein, die im Moment «ausNichts Etwas macht» – eine Kunst desZitats und des Selbstzitats.

So ist Isla Eckinger, geboren 1939 imschweizerischen Dornach nahe Basel, kein«moderner» und kein «altmodischer»Musiker. Er ist einer jenseits alles Modi-schen. Seit er in den frühen Sechzigern vonseinem angestammten Instrument, der Po-saune, zum Kontrabass gewechselt hatte,wurde er rasch zu einem der meistgesuch-ten Partner, von europäischen Musikernwie Dusko Goykovich, George Gruntz,Joe Haider, Stephane Grapelli, (um nurgerade die zu nennen) wie auch vonunzähligen «Americans in Europe»: vonMal Waldron über Buck Clayton, Don Byas,Slide Hampton, Ben Webster, Johnny Grif-fin, Dexter Gordon, Horace Parlan, ChetBaker. Partner, die in der Summe so etwasergeben wie eine Enzyklopädie des Jazz,quer über Stilgrenzen hinweg. Wie DexterGordon, der in seiner Jugend auf seinemInstrument einmal eine Sprache erfundenhatte, in der er sein Leben lang die span-nendsten Geschichten erzählte (er dachtenicht daran, mit jeder neuen Saison seinIdiom zu wechseln), beharrte Eckinger aufseinem warmen, singenden, swingenden,humanen und raumschaffenden Bassspiel,in welchem stilistischen Kontext auchimmer. Von sogenanntem «Dixieland»(dem sein swingender Bass jede Zickigkeitnahm) bis zu freien Gruppen (solang sichdie nur nicht in verkrampfte Avantgardis-men verrannten). Eckinger stand und stehtnoch heute für die human gelassene mitt-lere Stimm- und Stimmungslage, die ehr-geizige Neutöner namentlich im Publikumgern als «Mainstream» belächeln. Siehaben den Sinn für den Herzschlag desJazz verloren, für den Eckinger wie keinzweiter steht.

Das gilt für den Posaunisten Eckinger eben-so wie für den Vibraphonisten, als der erschon in den frühen Achtzigern mit derGruppe «Hot Mallets» Furore machte. Undes gilt auch für den Komponisten Eckinger,den «Isla's Island» nun vorstellt. Seinegeschriebenen Erfindungen, die allesamtklingen, als wären sie seit Jahrzehnten«Standards», sind Raum-Kunstwerke, in

denen sich die Solisten seiner amerikani-schen Band und zuallererst er selbst Ge-schichten erzählen können: anrührende,ergreifende, witzige, immer humorvolle.Wie auf dem Bass ist Isla auf der Posauneund am Vibraphon ein Sänger. Seine Musik will kein Programm verkündigenund keine Botschaft über den «state of the art» oder sonst was – nicht explizit und nicht indirekt. He sings the song.Sie will nichts sein als Musik, from heart to heart. Will sagen: sie ist selbstverständ-lich. Wie jede Kunst, die diesen Namenverdient, kommt sie ohne Erklärungen aus.Auch ohne diese liner notes. Peter Rüedi

Isla Eckinger – Leben für den Jazz

Isla Eckinger, geboren am 6. Mai 1939 in Dornach (Basel-Land), ist ein Schweizer Jazz-Bassist, Posaunist, Vibraphonist und Komponist. Bereits als Kind spielte er Cello.Als Jugendlicher wechselte er zur Posaune und studierte am Konservatorium Basel.Kontrabass lernte er autodidaktisch. Als Berufsmusiker begann er bei Oskar undMiriam Klein. In der 60er Jahren begleitete er viele US-amerikanische Musiker, wennsie auf der Durchreise in Europa und in der Schweiz waren. Von 1970 bis 1976 war er Lehrer an der Swiss Jazz School. Die Liste der Musiker, mit denen er arbeitete,ist gross. Sie umfasst viele gute Schweizer Musiker sowie europäische und amerika-nische Spitzenmusiker. – Isla Eckinger veröffentlicht nochmals eine CD. Dazu hatPeter Rüedi einen lesenswerten Text fürs Booklet geschrieben, über Jazz allgemeinund eine Würdigung des Musikers Isla Eckinger. Redaktion des Jazzletter

An dieser Stelle sollten die Details zur neuen Compact Disc stehen:Genauer Titel der CD, die Musiker, die an den Aufnahmen mitgewirkthaben, Aufnahmedaten, Aufnahme-ort, Musiktitel usw.

Leider konnten uns diese Angaben biszum Redaktionsschluss nicht geliefertwerden. Wir werden ihnen diese imnächsten Jazzletter nachliefern.

Redaktion des Jazzletter

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Une fois n'est pas coutume, j'écris ici en mon nom propre. En 2009, l'Ecole de Jazz et de Musique Actuelle (EJMA, Lausanne)m'a sollicité pour évaluer l'opportunité dedévelopper son centre de documentation.Suite à une enquête sur les besoins des utilisateurs, professeurs et étudiants, il estapparu que la demande de références sur les musiques populaires était importante.

Quelques années plus tard, l'EJMA inaugu-rait l'Ejmathèque, un centre de documen-tation géré en partenariat avec la Biblio-thèque du Conservatoire et Haute Ecole de Musique de Lausanne. Il s'agit d'un service offert aux étudiants et aux profes-seurs, mais aussi ouvert à toute personneintéressée moyennant une cotisation annuelle de vingt francs.

Quels sont les besoins?

La spécificité de la plupart des musiquespopulaires est d'être formée d'œuvres collectives, ce qui explique l'importanced'une documentation diversifiée, couvrantaussi la représentation graphique de la musique que les études sur le contexte, lesbiographies et les différentes interprétations sur supports audio et audiovisuels. Ceci explique pourquoi l'Ejmathèque réunit trois bibliothèques en une: critique (livres,

études, périodiques et monographies),didactique (méthodes et partitions), et musicale (disques LP et CD, DVD).

Le projet repose sur la mutualisation desressources acquises au fil du temps, entre les différents professeurs ainsi qu'un réseau

de collectionneurs qui nous ont légué deprécieux fonds. Cette philosophie a permisde développer la documentation par étape,en tenant soigneusement compte desbesoins des utilisateurs et de l'enseigne-ment dispensé.

Une vision d'avenir

Après ces quelques années d'expérience,il apparaît que les activités de conseil occupent une place centrale. L'Ejmathèqueest ainsi devenue un centre de services qui, vu la structure de l'école, tisse un lienintergénérationnel entre la section adulteet le jeunes qui suivent une formationmusicale de base et préprofessionnelle.Les trois personnes responsables de l'accueil et du prêt s'occupent aussi du traitement des captations audiovisuellesréalisées par l'école (auditions, concerts et autres projets). Elles sont appeléesdésormais à documenter soigneusement le répertoire enseigné, ce qui permettra à l'EJMA de mieux rayonner en Suisseromannnde. Il ne fait aucun doute quecette activité de services va se développerà l'avenir. La qualité du conseil – la média-tion culturelle selon le nouveau terme à la mode - prime en effet sur la quantitéde documentation mise à disposition.

Christian Steulet

Un centre de documentationpour le jazz et les musiques actuelles à Lausanne

NOTRE PAGE EN FRANÇAIS

Pour en savoir plus : www.ejma.ch

L'Ejmathèque au rez-de-chaussée de l'EJMA, quartier du Flon à Lausanne.

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Als in Europa Jazzmusik von den Nazis als«entartet» unterdrückt wurde, gelang esnur wenigen Fans, sich auf verschlungenenUmwegen Jazzplatten zu besorgen. Auchdie Schweizer Sammler mussten sich ein-schränken. Allerdings nur in einem gewis-sen Grad. Sie konnten sogar trotz den wirtschaftlichen und den politischen Ein-schränkungen ausländischen Freunden aufder Jagd nach den begehrten Schellack-platten behilflich sein. So lud der ZürcherKenner Johnny Simmen 1941 seinen Men-tor Hugues Panassié und dessen Frau Madeleine Gautier für eine mehrwöchigeVortragstournée bei Hot Clubs in dieSchweiz ein. Dabei verschaffte er PanassiéQuellen für die raren Platten. Eine ganzeAnzahl schenkte er Panassié aus seinereigenen Sammlung.

Dank Simmens Initiative entstand in derdritten Septemberwoche 1941 in Zürichauch eine Aufnahme: Seefeld Stomp und

Angi's Blues von Hugues Panassié and theSwing Club's Band, bei welcher SchweizerMusiker vom Kaliber von Harry Pfister amTenorsaxofon mitwirkten. Diese Elite Spe-cial 4092 ist in Brian Rusts DiskographieJazz Records 1897 to 1942 übrigens nichtaufgeführt. Wahrscheinlich hat währendder Kriegsjahre niemand darüber nachEngland berichtet. Seefeld Stomp beziehtsich auf den damaligen Wohnort JohnnySimmens und den Standort des Tonstudios,während Angi's Blues Frau Angioletta Chiesa, der Seele des Zürcher Hot Clubs,gewidmet war.

Nach seiner Rückkehr ins besetzte Frank-reich setzte Panassié den führenden Kopfdes Hot Club de Limoges, Jean-MarieMasse mit Simmen in Verbindung. FürSimmen war es selbstverständlich, wäh-rend der Kriegs- und Nachkriegszeit auchMasse mit Platten aus der Schweiz zubeliefern – und so entstand eine weitereintensive, langjährige Freundschaft zwi-schen Gleichgesinnten. Lustigerweisepflegten die beiden Jazzfreunde Jean-Marieund Johnny auch gleich intensive und

lange Freundschaften mit drei der gross-artigsten Trompeter der Jazzgeschichte,nämlich mit Buck Clayton, Bill Colemanund Rex Stewart. Alle drei waren mitFrankreich, seiner Sprache und Kultur ver-bunden, und alle drei erwiesen sich alsebenso intensive, spannende Brieffreundewie es Simmen und Masse waren. Mehreregegenseitige persönliche Besuche über dieJahre (vor allem zwischen 1947 und 1967)trugen neben den zahlreichen Korrespon-denzen zur Vertiefung der Freundschaft bei. Ich bin überzeugt, dass die intensivenGespräche der beiden Jazzkenner den anre-gendsten, eindrücklichsten Jazzlehrgangabgegeben hätten…

Weitere Informationen über Johnny Sim-men und Stand der archivarischen Erfas-sung seiner Sammlung finden Sie on-lineunter http://jazzdaten.ch. Von den rund6500 Simmen LPs sind bis jetzt rund 4500erfasst. Für weitergehende Informationenüber die Sammlung oder über JohnnySimmen stehen die beiden Archivare KlausNaegeli und der Autor dieses Beitragesgerne zur Verfügung. Konrad Korsunsky

Die Freundschaft von zweigrossen Jazzkennern

Von links nach rechts:Johnny Simmen,der Trompeter BuckClayton und Jean-Marie Masse.

Eine französische Stadt begeht die Grün-dung ihres Hot Club vor 100 Jahren underinnert an die französisch-schweizerischeFreundschaft unter Jazzpionieren. Die«French Connection» der Schweizer Jazz-szene ist eine Erfolgsgeschichte, die nochvor dem 2. Weltkrieg begann, also nochbevor hierzulande nach französischemVorbild in jeder kulturbewussten Stadt einHot Club entstand, wo die ersten Fach-bücher zum Thema Jazz von französischenAutoren wie Panassié und Delauney gele-sen, übersetzt und diskutiert wurden. Denmehrsprachigen Jazzkennern und -pionie-ren in der Schweiz jener Zeit kam zugute,vom Nazi-Kulturterror verschont und vonden damaligen internationalen Geschäfts-beziehungen speziell mit den USA bezüg-lich Beschaffung von Schallplatten profitie-ren zu können. Zu nennen sind in diesemZusammenhang Ernest Berner, GeorgesMathys (s. Jazzletter Nr.39), Hans Philippi,Raymond Colbert, Ernest Zvonicek, RolandHippenmeyer, Kurt Mohr, Johnny Simmen(s. Jazzletter Nr.29, 31 ff) und einige, die esfür uns noch zu entdecken gilt.

Dass der Name swissjazzorama plötzlich2017 bei der Planung des Jubiläums zum100.Gründungsjahr des Hot Club de Limo-ges auftaucht zeigt, dass Beziehungspflegeüber Röstigraben, Gotthard und Landes-grenzen ein wichtiges Thema ist. Bei derStadtverwaltung von Limoges war man

glatt überfordert, als das privateArchiv von Jean-Marie Masse, demClubgründer, der Stadt vererbt wurde.Hilfe holte man sich in Paris, bei der

Bibliothèque nationale de France, wo u.a.die Sammlung von Charles Delauney (s. Jazzletter Nr.35) professionell archiviertwird. Dafür angestellt ist Frau Dr. AnneLegrand, die am Festival JazzAscona 2010die Ausstellung des swissjazzorama alsidealen Rahmen auswählte, für die Präsen-tation ihres Buches «Charles Delauney et lejazz en France dans les années 30 et 40».

Wer dabei war, erinnert sich bestimmt andie lebhafte Diskussion unter der promi-nent besetzten Gruppe von treuen Festival-besuchern aus Frankreich, für die Asconajährlicher Treffpunkt war. Dazu gehörtenKoryphäen wie Michel Laplace und Jacques

Aboucaya, die noch bis vor kurzem fürJazzmagazine und Jazz Hot vielbeachtete Kolumnen schrieben. Erinnert an die Episo-de vor neun Jahren hat sich Anne Legrand,als sie in Limoges im Fundus von Jean-Marie Masse auf einen Berg Briefe stiess,mit Absender Johnny Simmen. Das swiss-jazzorama und mein Name fielen ihr einund so war für siel klar, dass die Suchenach Simmen hier weiter verlaufen würde.

Als ich ihr vom Legat der Sammlung Sim-men erzählte und dass zwei seiner persön-lichen Freunde, Klaus Nägeli und KonradKorsunsky, sich um deren Archivierungkümmern, kam unverzüglich die Einladung,einen grösseren Artikel zum Leben undWirken von Johnny Simmen für den Kata-log zu verfassen und ihn im Oktober 2018im Rahmen der Ausstellung Harlem à Limo-

ges zu präsentieren.Den Text hat KonradKorsunsky auf deutschverfasst, und die Liefe-rung meiner Überset-zung auf französischerfolgte pünktlich zumJahresende 2017.Wir freuen uns, imHerbst am Jubiläumsdabei sein zu dürfen.

Jacques Rohner

Harlem à Limoges

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Der Jazzletter erscheint 2–3 x jährlichRedaktion: Jimmy T. Schmid (J.T.S.) Layout: Walter Abry (WA)Copyright: swissjazzoramaAckerstrasse 45, 8610 Uster, +41(0)44 940 19 [email protected] www.jazzorama.chContact pour la Suisse romande:VakantContato per la Svizzera italiana: VakantMitarbeiter dieser Nummer: Heinz Abler (ha),Walter Abry (WA), Konrad Korsunsky,Klaus Naegeli, Peter Rüedi, Jacques Rohner,Fernand Schlumpf (fs), Jimmy T. Schmid (J.T.S.),Irène Spieler, Christian Steulet

IMPRESSUM

IN MEMORIAMZusammengestellt von Heinz Abler

Cecil TaylorUS-amerikanischer Pianist des Free Jazz15.3.1929–5.4.2018

Taylor gilt wohl neben Ornette Coleman alsder bedeutendste Inspirator der verbreitetals Free Jazz bezeichneten Stilrichtung. Erbegann seine Karriere indes anfangs der1950er Jahre als R&B- und Swingpianistbei Hot Lips Page und Johnny Hodges.Aufmerksamkeit erlangte er jedoch 1956mit seinem ersten Quartett, an dem nebendem Sopransaxofonisten Steve Lacy derebenfalls 2018 verstorbene Bassist BuellNeidlinger und der Schlagzeuger DennisCharles beteiligt waren. In diesem Umfeldkonnte man auch weitere Avantgardeleutewie etwa Archie Shepp oder Roswell Ruddausmachen. Klassisch wurden jedoch seineUnits, in denen neben ihm selbst stets seinAlter Ego, der Altsaxofonist Jimmy Lyons,

Leon Ndugu ChanclerUS-amerikanischer Schlagzeuger des Modern Jazz, 1.7.1952–3.2.2018

Chancler war einer jener Schlagzeuger, derenName zwar nur wenigen geläufig ist, dafür aberin vielen Besetzungslisten mit breitem Angeboterscheint. Er sass bei George Duke, HerbieHancock, Weather Report, den Crusaders oderLionel Richie, Santana, Tina Turner und schliess-lich sogar auf Michael Jacksons «Thriller» anden Drums.

Didier LockwoodFranzösischer Violinist und Komponist des Modern Jazz, 11.2.1956–18.2.2018

Lockwood gehört in die Reihe zahlreicher Geigerfranzösischer Provenienz, ausgehend von Sté-phane Grappelli, der ihn auch entdeckte. Ähnlichwie sein Kollege und Landsmann Jean-Luc Pontylebte er einige Jahre in den USA und tat sich imBereich der Fusion-Musik um. Er war überhauptein Wanderer in mancherlei Welten, was sichsowohl in der Beschäftigung mit klassischerMusik wie auch im Wirken als Komponist zeigte.

sowie die Schlagzeuger Sunny Murray oderAndrew Cyrille als basslose Kerntruppemitwirkten. Obwohl Taylor, der auch überweitere performative Talente und Konzepte(z.B. Tanz) verfügte und somit naturgemässvon Tonträgern wesentlich weniger als vonLive-Auftritten hielt, gibt es auf Blue Notedie beiden «Klassiker» Unit Structures undThe Conquistador, beide aus dem Jahr1966. Nach dem Tod Lyons' 1986 trat erdes öfteren im Trio mit dem BassistenWilliam Parker und dem britischen Schlag-zeuger Tony Oxley in Europa auf. Mit Oxleyund weiteren Schlagzeugern wie demschon genannten Andrew Cyrille oder demNiederländer Han Bennink spielte er auchim Duo, da es bei seiner expansiven undexzessiven Spielweise eines Basses, ja oftnicht einmal eines Schlagzeuges bedurfte.So etwa zu hören anlässlich des legendä-ren, von Intakt Records mitgeschnittenenSoloauftritts in Willisau 2000. Wie derAutor dieser Zeilen aus eigener Erfahrungzu berichten weiss, waren Taylors KonzerteIntensiverlebnisse, in denen es nur darumgehen konnte, sich entweder voll und ganzdem Gebotenen hinzugeben oder aber beiNichtgelingen den Saal besser vorzeitig zu verlassen. Taylor kannte keine Kompro-misse und schon gar keine Anbiederung an einen wie auch immer gearteten Publi-kumsgeschmack. Die stets mit vollem Kör-pereinsatz vorgetragenen Performances,bei denen keine Taste aus dem 88er-Sor-timent eines Konzertflügels vernachlässigtwurde, bleiben in bester Erinnerung undzeigen, inwieweit man Jazz leben kann.Gerade so, als gäb's kein Morgen.

Lukas «Cheese» BurkhardtSchweizer Trompeter und Kornettist13.10.1924 –3.5.2018

Lukas «Cheese» Burkhardt war ein univer-seller Geist: Staatsanwalt, Regierungsratdes Kantons Basel Stadt und last but notleast – Hobby-Jazzmusiker von professio-nellem Format. Um ihn hier als Jazzmusi-ker zu würdigen, wollen wir lediglich auf einige seiner Bandaktivitäten hinweisen.Anfangs der 40er Jahre war «Cheese»Burkhardt Mitglied der Band The Hardy’s,bei der er auch oft am Klavier sass. Beivielen Engagements als Tanzorchesterspielte er auch Geige oder Akkordeon.Für das damalige Schweizer PlattenlabelImperial wurde die Nummer Hardy Stompaufgenommen. Varsity Club hiess eineSwingband mit drei Saxofonen. Mit dieserBand spielte «Cheese» Burkhardt währendeines ganzen Monats im Basler DancingOdeon zum Tanz auf. In den 50er Jahrenfand man den Namen Darktown Struttersoft bei Hinweisen auf die ersten Ränge amZürcher Amateur-Jazzfestival. Mit dieserswingbeeinflussten Dixielandband musi-zierte «Cheese» während vieler Jahre,dabei waren auch seine guten Freunde,der Radiomann Peter Wyss an der Klari-nette und Robert Suter, der Komponist, amKlavier (Foto). Mit viel Begeisterung, auchfür Bebop, spielte «Cheese» 1948 mit demSwiss All Stars Bebop Team am Jazzfestivalin Nizza. Lukas «Cheese» Burkhardt wirduns mit seiner Liebe zum Jazz und seinemgesellschaftlichen Einsatz stets in guterErinnerung bleiben. Jimmy T. Schmid

Darktown Strutters:«Cheese» Burkhardt, Trompete

Nathan DavisUS-amerikanischer Saxofonist des Post Bop15.2.1937–8.4.2018

Davis kam 1960 mit der US-Army nach Europa,wo er nach seiner Dienstzeit in Berlin auch einige Alben für SABA (später MPS) aufnahm.Er kehrte 1969 in die USA zurück, aber Europaliess ihn nie ganz los, so dass er vor allem 1985von Paris aus mit der Paris Reunion Band tourte.Später wirkte er in der All Star Saxofon SummitRoots mit Arthur Blythe, Chico Freeman, SamRivers oder Benny Golson und Odean Pope mit.Davis machte sich auch als Komponist (ca. 300 Stücke) und Musikethnologe verdient.

Michail «Misha» AlperinRussisch-norwegischer Pianist und Komponistdes Kammer-Jazz, 7.11.1956–11.5.2018

Alperin stammte aus der damaligen ukrainischenSSR und wuchs in Bessarabien, dem heutigenMoldawien auf. Später, in Moskau, gründete erzusammen mit dem Hornisten Arkadj Schilkloperund dem Klarinettisten/Sänger Sergej Sarostin das Moscow Art Trio. Seine Musik, entstanden in Zusammenarbeit vor allem mit Schilkloperund norwegischen Musikern während seinerspäteren Lebensphase in Oslo, passte perfekt ins ECM-Schema und und ist dort auf etlichenAlben dokumentiert.