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S yn t h e s e u n d E i g e n s c h a f t e n n e u e r O r g a n o a l u m i n i u m - K o m p l e x e
vorgelegt von
Diplom-Chemiker
Markus Hummert
aus Lübbecke (Westf.)
Der Fakultät II - Mathematik und Naturwissenschaften
Institut für Chemie
der Technischen Universität Berlin
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der Naturwissenschaften
- Dr. rer. nat. -
genehmigte Dissertation
Band 1 von 2
Promotionsausschuss:
Vorsitzender: Prof. Dr. rer. nat. Karola Rück-Braun
1. Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Herbert Schumann
2. Berichter: Prof. Dr. rer. nat. Andreas Grohmann
Tag der wissenschaftlichen Aussprache: 24.08.2005
Berlin 2005
D83
9 libbavtí-ni `achot-i challah libbavtí-ni bĕ-`achad me- `enáj-ich bĕ-`achad `anaq mits-tsawwĕronáj-ich
9 Mein Herz hast du betört, meine Schwester, Braut, mein herz hast du betört mit einem deiner Blicke und einem Glied deines Halsschmucks.
„Das Hohelied Salomos” aus dem alten Testament,
übersetzt von Klaus Reichert.
Für Veronika Juliane
Abstract Hummert, Markus
Synthese und Eigenschaften neuer Organoaluminium-Komplexe Die Arbeit umfasst die Synthese und Charakterisierung neuer Organoaluminium-Komplexe.
Die Molekülstruktur von [Dimethyl(2-dimethylaminoethoxy-1ĸO,N:2ĸO)aluminium-trimethylaluminium] (1) und Bis[dimethyl(µ-O-3-dimethylaminopropoxy-ĸO,N)aluminium] (2) wurden röntgenographisch aufgeklärt. Ausgehend von 2-Methylsulfanylethanol und Thiophen-2-methanol, sowie unterschiedlichen stöchiometrischen Mengen Trimethylaluminium (TMA) wurden entsprechende schwefelstabilisierte dimere Dimethylaluminiumalkoxy-Komplexe (5, 7) bzw. TMA-Addukt-Komplexe (6) hergestellt. Der stickstoffstabilisierte monomere Dimethylaluminiumalkoxy-Komplex und ein TMA-Addukt wurden aus Reaktion von 2,4,6-Tris(dimethylaminomethyl)phenol und unterschiedlichen stöchiometrischen Mengen TMA erhalten. Die NMR-Spektren und Festkörperstrukturen dieser Verbindungen wurden erforscht.
Die intramolekular stickstoffstabilisierten Alkylaluminium-Verbindungen Diethyl(3-dimethylaminopropyl)aluminium (9), Dimethyl(2-dimethylaminobenzyl)-aluminium (13), Diethyl(2-dimethylaminobenzyl)aluminium (14) und Diethyl(2-diethylaminomethyl)phenyl-aluminium (15) wurden durch Metathesereaktion entsprechender Lithiumsalze mit Dimethyl- bzw. Diethylaluminiumchlorid erhalten. Sauerstoffstabilisierte Komplexe wurden ebenfalls aus lithiierten Vorläufern gewonnen. Die Umsetzung von 8-Methoxynaphth-1-yl-lithium mit Dimethylaluminiumchlorid ergab Methyl-bis(8-methoxy-naphth-1-yl)aluminium (16b). Dagegen reagierte 8-Methoxynaphth-1-yl-lithium mit Diethylaluminiumchlorid zu einem Gemisch aus Diethyl(8-methoxynaphth-1-yl)aluminium (17a) und Ethyl-bis(8-methoxynaphth-1-yl)aluminium (17b). 2-(2-Bromphenyl)furan (19) wurde durch Halogen-Metallaustausch mit Butyllithium und anschließender Salzmetathese zu Bis(2-furan-2-yl-phenyl)methylaluminium (20b) umgesetzt. Ausgehend von den synthetisierten (3-Z-Iod-3-allyl)dimethylaminen 22 und 23 wurden durch Grignard-Reaktion und Salzeliminierung die stickstoffstabilisierten Verbindungen (3-Dimethylamino-1-E-trimethylsilylpropenyl)-dimethylaluminium (24) bzw. (3-Dimethyl-amino-1-E-phenylpropenyl)dimethylaluminium (25) hergestellt. Diisobutyl[2-(2-methoxy-phenyl)ethyl]aluminium (21) wurde durch Addition von Diisobutylaluminiumhydrid an 2-Methoxystyrol hergestellt und dessen Verhalten in Lösung NMR-spektroskopisch untersucht.
Es wurden verschiedene Alkylaluminium-Komplexe mit dem dpp-BIAN-Liganden (1,2-Bis[(2,6-diisopropylphenyl)imino]acenaphthen) synthetisiert und mit Hilfe der Röntgen-Strukturanalyse untersucht. Die mono-Natriumsalze von dpp-BIAN wurden mit Dimethyl-, Diethyl- und Di-iso-butylaluminiumchlorid zu den monomeren Dialkylaluminium-(dpp-BIAN)-Komplexen 26 bis 28 umgesetzt. Der Methylkomplex 26 wurde mit ESR-Spektroskopie untersucht. Die Reaktion des Di-Natriumsalzes von dpp-BIAN mit zwei Äquivalenten Dimethyl- und Diethylaluminiumchlorid führten zu dem bimetallischen Komplex [Na(dpp-BIAN)AlMe2(C7H8)] (30) bzw. zu (dpp-BIAN)AlEt(Et2O) (29). Ein zu 30 isostruktureller Komplex, [Na(dpp-BIAN)AlEt2(C6H6)] (31), wurde aus Na2(dpp-BIAN) und einem Äquivalent Diethylaluminiumchlorid in Benzol erhalten. Die Diethyletheraddukte von 30 und 31 wurden mit der Röntgen-Strukturanalyse untersucht. Außerdem wurde der neue BIAN-Liganden 1,2-Bis(trimethylsilylimino)acenaphthen (34) synthetisiert.
Die vorliegende Arbeit entstand in der Zeit vom Januar 2002 bis Januar 2005 am
Institut für Chemie
der Technischen Universität Berlin
Danksagung
Herrn Prof. Dr. H. Schumann danke ich für seine freundliche, stets gewährte Unterstützung
während der Durchführung dieser Arbeit.
Herrn Prof. Dr. A. Grohmann danke ich für die Übernahme der zweiten Berichterstattung.
Für die zahlreichen wissenschaftlichen Diskussionen und Anregungen gilt mein Dank Herrn
Prof. Dr. I. L. Fedushkin, Frau Dr. E. C. E. Rosenthal und Herrn Dr. J. Kaufmann. Ich danke
allen Mitarbeitern und „Ehemaligen“ des Arbeitskreises Schumann für die freundliche
Arbeitsatmosphäre.
Allen Partnern des BMBF-Projekts „Heterogene und homogene Cokatalysatoren und
Katalysatoren für die Olefinpolymerisation“ möchte ich für die Zusammenarbeit danken,
insbesondere Frau Dr. K. Köhler, Herrn Dr. E. Poetsch und Herrn J. Eichhorn von der Merck
KGaA, Herrn Prof. Dr. W. Kaminsky und Herrn Prof. Dr. M. Arnold und ihren Mitarbeitern.
Für die zahlreichen Messungen möchte ich mich bei den Instituts-Mitarbeitern Frau A. M.
Borowski (X-Ray), Frau S. Imme (CHN), Frau S. Schwarz (MS), Frau A. Stöckel (MS),
Herrn M. Dettlaff (NMR) und Herrn Dr. H.-J. Kroth (NMR) herzlich bedanken.
Inhalt Band 1 von 2:
1 Einleitung 1
2 Bisheriger Kenntnisstand 4
2.1 Dialkylaluminiumalkoxy-Komplexe 4
2.2 Intramolekular stabilisierte Triorganylaluminium-Komplexe 8
2.3 (dpp-BIAN)-Aluminium-Komplexe 14
3 Motivation 19
4 Eigene Ergebnisse 21
4.1 Dialkylaluminiumalkoxy-Komplexe 22
4.1.1 Dialkylaluminiumalkoxy-Komplexe mit Stickstoffkoordination 22
4.1.2 Dialkylaluminiumalkoxy-Komplexe mit Schwefelkoordination 29
4.2 Triorganylaluminium-Komplexe 39
4.2.1 Aluminiumtrialkyle 39
4.2.2 Aromatische Aluminiumalkyle 40
4.2.3 Vinylische Aluminiumalkyle 52
4.3 Alkylaluminium-(dpp-BIAN)-Komplexe 56
4.3.1 Monoanionische-(dpp-BIAN)-Komplexe 58
4.3.2 Dianionische-(dpp-BIAN)-Komplexe 66
4.4 Ein neuartiger BIAN-Ligand 86
5 Zusammenfassung 88
6 Experimenteller Teil 92
6.1 Allgemeine Arbeitstechniken 92
6.2 Analytische Methoden 92
6.3 Synthese und Charakterisierung von Dialkylaluminiumalkoxy-Komplexen 95
6.4 Synthese und Charakterisierung von Alkylaluminium-Komplexen 102
6.5 Synthese und Charakterisierung von Alkylaluminium-(dpp-BIAN)-
Komplexen 118
7 Anhang 128
7.1 Verwendete Abkürzungen 128
1 Einleitung 1
Elektronenkonfiguration [Ne]3s2p1 1.25 Kovalenzradius in ÅRelative Atommasse 26.982 1.6 Elektronegativität
2.70 DichteOrdnungszahl 13 Al
Name des Elements Aluminium 7.57 Massenanteil in % der Erdkruste
Namensbedeutung: alumen (lat.): Alaun (engl.: aluminium).
1 Einleitung
Aluminium ist das häufigste Metall in der Erdkruste und wurde im Jahr 1825 erstmals von H.
C. Oersted in Kopenhagen dargestellt. Da es nur mineralisch in Verbindung mit Sauerstoff
vorkommt, werden zu seiner Gewinnung erhebliche Mengen Energie benötigt. Um eine
Tonne des silberweißen Metalls zu erzeugen, werden 1900 kg Aluminiumoxid, 500 kg
Kohlenstoff als Anodenmaterial, 30 kg Kryolith und 13000 kWh elektrische Energie
verbraucht.1 Seine Anwendung liegt in metallischer Form vor allem im Bereich des
Fahrzeugbaus und des Bauwesens. Grundsätzlich liegen dem Einsatz in der
Konstruktionstechnik zwei Eigenschaften des Metalls zugrunde: Zum einen ist es mit einer
Dichte von 2.70 g·cm-3 ein Leichtmetall, zum anderen wird es bei Kontakt mit Luftsauerstoff
oberflächlich sofort zu einer dünnen Schicht Aluminiumoxid oxidiert und ist damit vor
weiteren korrosiven Prozessen geschützt. Da sich Aluminium an keinen Vitalfunktionen im
menschlichen Organismus beteiligt, ist es außerdem als Verpackungsmaterial für
Lebensmittel in Form von Aluminiumfolie eine unverzichtbare Hilfe in jeder Küche.2
Aluminiumorganyle reagieren heftig, teils explosiv, unter spontaner Selbstentzündung mit
Wasser, wie z.B. Luftfeuchtigkeit. Das pyrophore Verhalten liegt einerseits am
„thermodynamischen Gefälle“ zu den Zersetzungsprodukten Al2O3, CO2 und Wasser. Ein
weiterer Grund ist, dass Aluminium als Element der Gruppe 13, so genannte
1 P. Enghag, Encyclopedia of the Elements, Wiley-VCH, Weinheim, 2004, 819-843. 2 H. W. Roesky, D. A. Atwood (Hsg.), Group 13 Chemistry II, Biological Aspects of Aluminum (Structure and Bonding), Springer-Verlag, Berlin, 2002, 200 f.
1 Einleitung 2
Elektronenmangel-Verbindungen bildet.3 Darunter versteht man, dass das Metallatom selbst
unter voller Nutzung seiner Bindigkeit nicht in der Lage ist, eine komplette Valenzschale mit
acht Elektronen zu erreichen (Oktettregel). Dies führt zu Lewis-Säure-Lewis-Base-Komplexen
des Aluminiums mit koordinierenden Lösungsmitteln, wie z.B. Ethern (Abbildung 1.1 a).
Reine Aluminiumalkyle dimerisieren dagegen unter Ausbildung einer 3-Zentren-2-
Elektronen-Bindungen (Abbildung 1.1 b). Monomere können jedoch erhalten werden, wenn
man das Konzept der intramolekularen koordinativen Absättigung verfolgt (Abbildung 1.1 c).
Eine Veranschaulichung dieses Sachverhaltes ist in Abbildung 1.1 wiedergegeben.
D = OR, NR2
R2Al
DR H2CR DO
R' R'
AlR
RR
AlCH3
Al
H3C CH3
CH3H3C
H3C
a) b) c)
Abbildung 1.1: Inter- und intramolekulare elektronische Absättigung eines
Aluminiumzentrums durch Koordination.
Dabei trägt mindestens ein Substituent ein Heteroatom der Gruppe 15 oder 16. als Elektronen-
Donator. Es resultiert ein Chelatkomplex, in dem Aluminium als Elektronen-Akzeptor von
einem freien Elektronenpaar koordiniert wird. Durch diese intramolekulare Stabilisierung
wird die Elektronenlücke geschlossen und eine volle Valenzschale erlangt. Ergebnis dieser
Stabilisierung ist eine gegen Luftfeuchtigkeit und Sauerstoff wesentlich unempfindlichere
Substanz.
Aluminiumorganische Verbindungen fanden im Gegensatz zu Lithiumorganylen und
Grignard-Reagenzien erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert Einzug in die
Metallorganische Chemie.4 Ein Grund hierfür liegt in der vergleichsweise schlechten
Zugänglichkeit etherfreier Verbindungen. Dieses Problem wurde u.a. durch die Arbeiten von
Ziegler gelöst.5 Die uneingeschränkte Verfügbarkeit von Aluminiumtrialkylen ist auch
Grundlage des wichtigsten industriellen Prozesses, in dem Aluminiumorganyle ihre
Anwendung finden: Die von Ziegler und Natta entwickelte Niederdruckpolymerisation von
Ethen. Hier wird der eigentliche Katalysator von Aluminiumalkylen aktiviert. Auch die später
3 Ch. Elschenbroich, A. Salzer, Organometallchemie, 3. Auflage, Teubner, Stuttgart, 1990, Kap. 7.2. 4 J. J. Eisch, Comprehensive Organometallic Chemistry, Vol. 1 (Hsg.: G. Wilkinson, F. G. A. Stone, E. W. Abel), Pergamon Press, New York, 1982, Kap. 6. 5 K. Ziegler, Angew. Chem. 1952, 64, 323-329.
1 Einleitung 3
eingeführten Metallocen-Katalysatoren sind in Zusammenhang mit der Ziegler-Natta-
Katalyse zu nennen.6 Diese benötigen einen Cokatalysator, der aus partiell hydrolysiertem
Trimethylaluminium (Methylalumoxan, MAO) besteht.
Aluminiumverbindungen werden in vielen industriellen Bereichen eingesetzt;7 wie alle
Elemente der Gruppe 13 können sie in der Halbleitertechnik verwendet werden.8 Im
MOCVD-Prozess wird das Metall aus der Gasphase durch Zersetzung einer
metallorganischen Verbindung auf einem Substrat abgeschieden. Bedingung hierfür ist die
Verdampfbarkeit, also das möglichst molekulare Auftreten der Aluminiumverbindung. Ein
anderer materialwissenschaftlicher Bereich, in dem aluminiumorganische Verbindungen
genutzt werden, ist der Aufbau von Spezialkeramiken.9
Des weiteren finden Aluminiumorganyle Verbreitung in der Organischen Chemie.10 Hier
dienen sie in erster Linie als Hydrid- oder Alkylquelle bei der Umsetzung von Ketonen,
Aldehyden oder Enonen.11 So wurden beispielsweise von Schumann und Blum et al. Aryl-,
Allyl-, Vinyl- und Benzylderivate intramolekular stabilisierter Aluminiumverbindungen
erfolgreich eingesetzt.12
6 a) G. Fink, R. Mülhaupt, H. H. Brintzinger (Hsg.), Ziegler Catalysts, Springer-Verlag, Berlin, 1995; b) W. Kaminsky (Hrsg.), Metalorganic Catalysts for Synthesis and Polymerisation, Springer-Verlag, Berlin, 1999. 7 A) H. W. Roesky, D. A. Atwood (Hsg.), Group 13 Chemistry I: Fundamental New Developments (Structure and Bonding), Springer-Verlag, Berlin, 2002, 171 f; b) H. W. Roesky, D. A. Atwood (Hsg.), Group 13 Chemistry III: Industrial Applications (Structure and Bonding), Springer-Verlag, Berlin, 2003, 207 f. 8 a) M. G. Simmonds, W. L. Gladfelter, The Chemistry of Metal CVD (Hsg.: T. T. Kodas, M. J. Hampden-Smith), VCH, Weinheim, 1994, 45; b) A. C. Jones, P. O'Brien, CVD of Compound Semiconductors, VCH, Weinheim, 1997; c) H. Schumann, W. Wassermann, A. Dietrich, J. Organomet. Chem. 1989, 365, 11-18; d) H. Schumann, U. Hartmann, W. Wassermann, Chem. Ber. 1991, 124, 1567-1569; e) H. Schumann, U. Hartmann, A. Dietrich, J. Pickardt, Angew. Chem. 1988, 100, 1119-1120; f) H. Schumann, U. Hartmann, W. Wassermann, Polyhedron 1990, 9, 353-360; g) H. Schumann, O. Just, T. D. Seuß, F. H. Görlitz, R. Weimann, J. Organomet. Chem. 1994, 466, 5-14. 9 D. A. Atwood, B. C. Yearwood, J. Organomet. Chem. 2000, 600, 186-197. 10 Methoden der Organischen Chemie (Houben-Weyl), Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 4. Aufl. 1970, Teil XIII/4, 430 f; Y. Yamamoto, Methoden der Organischen Chemie (Houben-Weyl), Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 4 Aufl. E21b, 4, 1995, Kap. 1.5.2.1. 11 a) Y.-C. Liu, B.-T. Ko, B.-H. Huang, C.-C. Lin, Organometallics 2002, 21, 2066-2069; b) E. Campbell, H. Zhou, S. T. Nguyen, Angew. Chem. 2002, 114, 1020-1022; c) E. C. Ashby, J. T. Laemmle, Chem. Rev. 1975, 75, 521-546; d) G. W. Kabalka, R. Daley, J. Am.Chem. Soc. 1973, 95, 4428-4429; e) K. Yamamoto, H. Fukushima, M. Nakazaki, J. Chem. Soc. Chem. Commun. 1984, 1490-1491. 12 a) H. Schumann, J. Kaufmann, H. G. Schmalz, A. Böttcher, B. Gotov, Synlett 2003, 1783-1788; b) W. Baidossi, A. Rosenfeld, B. C. Wassermann, S. Schutte, H. Schumann, J. Blum, Synthesis 1996, 9, 1127-1130.
2 Bisheriger Kenntnisstand 4
2 Bisheriger Kenntnisstand
2.1 Dialkylaluminiumalkoxy-Komplexe
In den letzten Jahren sind alkoxystabilisierte Organoaluminium-Verbindungen Gegenstand
vieler Arbeiten gewesen.13 Sie lassen sich präparativ relativ einfach aus den Alkoholen und
Metallalkylen unter Alkanabspaltung fast quantitativ herstellen. Bei den Aluminiumalkoxy-
Verbindungen handelt es sich meist um eine Verbindungsklasse, die das Al2O2-
Strukturelement in Form eines Vierrings gemeinsam haben (Schema 2.1; II). Diese
Bindungssituation resultiert aus der Oxophilie des Metalls. Dabei entstehen Dimere, in denen
das Metallzentrum vierfach koordiniert ist. Bietet man intramolekular ein weiteres starkes
Donoratom (D = OR, NR2) an, kann sich die Koordinationszahl durch Chelatisierung auf fünf
erhöhen, wobei die dimere Struktur aber beibehalten wird (Schema 2.1; III). In einer
derartigen Konfiguration ist die D→Al-Bindung immer die schwächste, sodass sich auch ein
Gleichgewicht einstellen kann:
AlO
AlO
D
DR
RR
R
AlO
AlO
D
DR
R
R
R
AlO
D
R
R2
AlR3
- RH
HO D+
I II III
n
n
nn
n
n
Schema 2.1: Mögliche Strukturen in Dialkylaluminiumalkoxy-Verbindungen.
Durch den Einsatz der entsprechend funktionalisierten Alkohole wurden bislang eine Vielzahl
sauerstoff-, stickstoff- und schwefelstabilisierter Metallalkoxyde synthetisiert. Abhängig von
der Lewis-Basizität des Donoratoms und sterischen Einflüssen der metallgebundenen
Alkylgruppen, kann man grundsätzlich drei Strukturen erwarten, die auch im Gleichgewicht
liegen können. 13 Ausgewählte neuere Beispiele: a) H. Schumann, M. Frick, B. Heymer, F. Girgsdies, J. Organomet. Chem. 1996, 512, 117-126; b) R. Benn, A. Rufińska, H. Lehmkuhl, E. Janssen, C. Krüger, Angew. Chem. 1983, 95, 808-809; b) T. J. Boyle, T. M. Alam, S. D. Bunge, J. M. Segall, G. R. Avilucea, R. G. Tissot, M. A. Rodriguez, Organometallics 2005, 4, 731-737; c) H. Schumann, F. Girgsdies, S. Dechert, J. Gottfriedsen, M. Hummert, S. Schutte, J. Pickardt, Z. Anorg. Allg. Chem. 2002, 628 , 2625-2630; d) C.-H. Lin, B.-T. Ko, F.-C. Wang, C.-C. Lin, C.-Y. Kuo, J. Organomet. Chem. 1999, 575, 67-75.
2 Bisheriger Kenntnisstand 5
Ein sechsfach O-koordiniertes Aluminiumzentrum erzeugte Oliver et al. durch Zugabe von
Trimethylaluminium zu Thiophen-2-methanol.14 Die drei peripheren Aluminiumatome
werden jeweils von zwei Sauerstoffatomen und zwei Methylgruppen tetraedrisch koordiniert.
S
OH + TMAO
Al
O
O O
OO
Al
Al
Al
RR
RR
RR
S
R =
Schema 2.2: Reaktion von Thiophen-2-methanol mit Trimethylaluminium.
Die Beziehung von Donoreigenschaft des Heteroatoms bzw. sterischen Einflüssen und
Struktur wurde von Barron et al. untersucht.15 Das Aluminiumatom erfährt im Al2O2-
Strukturelement durch die Sauerstoffatome zwar eine große Stabilisierung, ein Aufbrechen
des Rings ist aber trotzdem möglich. Die Zugabe eines Äquivalents AlR3 bewirkt die
Ausbildung einer Struktur, in der das Aluminiumtrialkyl „huckepack“ an dem
metallgebundenen Sauerstoff (Schema 2.3; Ia) oder am zweiten Donoratom gebunden ist
(Schema 2.3; IIa). In beiden Fällen sind alle Aluminiumatome vierfach koordiniert. Ein
Aufbrechen von Aminoethanolatdimeren wurde schon 1969 über Molmassenbestimmung, IR-
und NMR-Untersuchungen von Sato et al. beobachtet und später von Benn et al. durch 27Al-
NMR-Spektroskopie bestätigt.16
n D R 1 OMe Me 1 OMe Et 1 OEt Et 1 NEt2 Et 2 OEt Et 2 NEt2 Et
n
n
nAl
OAl
O
D
DR
RR
RAlR3
AlR3
AlO
D
R
R
AlR3
2
Ia IIa
Schema 2.3: Mögliche Strukturen in Dialkylaluminiumalkoxy-Verbindungen mit Beispielen
von Benn.
14 R. Kumar, V. S. J. de Mel, M. L. Sierra, D.G. Hendershot, J. P. Oliver, Organometallics 1994, 13, 2079-2083. 15 J. A. Francis, C. N. McMahon, S. G. Bott, A. R. Barron, Organometallics 1999, 18, 4399-4416. 16 a) H. Sato, R. Tarao, H. Higashi, Bull. Chem. Soc. Jpn. 1969, 42, 2849; b) R. Benn, E. Janssen, H. Lehmkuhl, A. Rufińska, J. Organomet. Chem. 1987, 333, 155-168.
2 Bisheriger Kenntnisstand 6
Erste Röntgen-Strukturanalysen der Typen Ia und IIa wurden von Barron veröffentlicht.17
AlO
AlO
N
NtBu
tButBu
tBuAltBu3
AltBu3
OAl
N
AltBu3
Abbildung 2.1: Die von Barron kristallographisch untersuchten Dialkylaluminiumalkoxy-
Verbindungen.
Derartige Verbindungen können auch auf anderen Wegen hergestellt werden. Gibt man den
Liganden zu überschüssigem AlR3, werden unterschiedliche Strukturen erhalten. In der
Literatur finden sich einige Beispiele mit Dimethylaminomethylphenolaten (Abbildung 2.2):18
N
AlO
AlMe3
N
AlO
N
Me3Al
N
AlO
NAlMe3
Me3Al
TMA : Ligand2 : 1
TMA : Ligand2 : 1
TMA : Ligand3 : 1
Abbildung 2.2: Dimethylaminomethylphenolat-Komplexe mit koordinativ gebundenem
AlMe3.
Diese Beispiele zeigen, dass nicht immer „huckepack-Verbindungen“ entstehen müssen. Steht
ein weiterer Dimethylaminoarm zur Verfügung, wird ein zweites TMA von diesem
koordiniert, da der Stickstoff eine stärkere Lewis-Base darstellt. Wo das Aluminiumtrialkyl
gebunden ist, hängt nicht nur von elektronischen Ursachen, sondern auch von räumlichen
Repulsionskräften ab.19 Eine Reihe weiterer „huckepack-Verbindungen“ wurden in
verschiedenen Arbeitsgruppen synthetisiert und deren Kristallstruktur teilweise bestimmt.20
17 C. N. McMahon, S. G. Bott, A. R. Barron, J. Chem. Soc., Dalton Trans. 1998, 3301-3304. 18 M. P. Hogerheide, M. Wesseling, J. T. B. H. Jastrzebski, J. Boersma, H. Kooijman, A. L. Spek, G. van Koten, Organometallics 1995, 14, 4483-4492. 19 D. A. Atwood, F. P. Gabbai, J. Lu, M. P. Remington, D. Rutherford, M. P. Sibi, Organometallics 1996, 15, 2308-2313. 20 M. R. P. van Vliet, G. van Koten, M. S. de Keijser, K. Vrieze, Organometallics 1987, 6, 1652-1664.
2 Bisheriger Kenntnisstand 7
OAl
NH2
AlMe3
R
R = Ph, CH2Ph CH(Ph)2
OAl
N
AlMe3
Et
Abbildung 2.3: Dimethylaluminiumalkoxy-Komplexe mit koordinativ gebundenem AlMe3.
Eine weitere Möglichkeit zur Synthese von Dimethylaluminiumalkoxy-Komplexen ist die
Übertragung einer Methylgruppe vom Aluminium auf eine Carbonyl-Funktion (Schema 2.4).
R R' R" Me Ph Ph iPr Ph Ph tBu H Me
C4H4 H C4H4 Me
OAl
N
AlMe3
R'R
R''O
NR'
R
R''
+ 2 TMA
Schema 2.4: Dimethylaluminiumalkoxy-Komplexe mit Imin- und Pyridin-N-Koordination.
2 Bisheriger Kenntnisstand 8
2.2 Intramolekular stabilisierte Triorganylaluminium-Komplexe
Die Synthese der ersten intramolekular stabilisierten Aluminiumalkyle wurde von Bähr und
Müller bereits im Jahr 1955 veröffentlicht.21 Sie erhielten diese Verbindungsklasse, die sie
„Aluminiumorganische Innerkomplexe“ nannten, durch Salzeliminierung aus den Grignard-
Reagenzien der entsprechenden Alkylhalogenide und Diethylaluminiumiodid.
O
Al
Et
Et
Et
Al
Et
Et N
Et Et
Al
Et
Et S
Et
+ Mg+ Et2AlI
- MgIClCl
O
Cl N
Cl S
+ Mg+ Et2AlI
- MgICl
+ Mg+ Et2AlI
- MgICl
Schema 2.5: Synthese intramolekular stabilisierter Aluminiumalkyle aus Grignard-
Reagenzien und Diethylaluminiumiodid.
Im gleichen Jahr wurden von Zakharkin und Savina Fünfring-Systeme durch Addition von
Diisobutylaluminiumhydrid an funktionalisierten Allylverbindungen (Hydroaluminierung)
hergestellt.22
Al
iBu
iBu DD
D = NEt2, OEt, OPr, SEt
iBu2AlH
Schema 2.6: Hydroaluminierung von donorfunktionalisierten Allylverbindungen.
Ebenso konnten Sechsring-Systeme mit Hilfe von Hydroaluminierungs- und
Carboaluminierungs-Reaktionen aufgebaut werden.23
21 a) G. Bähr, G. E. Müller, Chem. Ber. 1955, 88, 251-264; b) G. Bähr, G. E. Müller, Chem. Ber. 1955, 88, 1765-1770. 22 L. I. Zakharkin, L. A. Savina, Izvest. Akad. Nauk S. S. S. R., Otdel. Khim. Nauk 1959, 444-449. 23 L. I. Zakharkin, L. A. Savina, Izvest. Akad. Nauk S. S. S. R., Otdel. Khim. Nauk 1960, 1039-1043.
2 Bisheriger Kenntnisstand 9
N
Al
Et
Et
Et Et
Et
EtN
Et N
Al
iBu
iBuEt Et
iBu2AlH
AlEt3EtN
Et
Schema 2.7: Hydroaluminierung und Carboaluminierung von donorfunktionalisierten
Alkenen.
Ende der 80er Jahre wurden Aluminiumalkyle für MOCVD-Prozesse attraktiv, sodass sich
einige Arbeitsgruppen, vor allem Schumann und Benn, mit dieser Substanzklasse
beschäftigten. So wurde, neben anderen, die Synthese verschiedener Spiro-Aluminiumalkyle
verwirklicht. Seit dieser Zeit wurde die Metallorganische Chemie um viele intramolekular
stabilisierte Aluminiumalkyle bereichert, die auf verschiedenen Routen durch
Metathesereaktionen hergestellt wurden.24
R R' R"
Me H Me iPr H Et
Spiro n =
1 H Me
1 Me Me
2 H Me
Li NR''
R''R'
+ AlCl3
- LiClCl2Al
N
R'' R''
R'
+ R2AlCl- LiCl + XMg(CH2)4+nMgX
- 2 MgXCl
AlN
R'' R''
R'
n
AlN
R'' R''
R
R
R' + 2 RMgX- 2 MgXCl
Schema 2.8: Synthese von donorfunktionalisierten Alkylaluminium-Verbindungen.
Die Reihe der stickstoffstabilisierten Alkyle lässt sich fortsetzen, indem man mehrere
stabilisierende Liganden am Metallzentrum durch zweifache Salzeliminierung einführt.
24 a) H. Schumann, U. Hartmann, W. Wassermann, O. Just, A. Dietrich, L. Pohl, M. Hostalek, M. Lokai, Chem. Ber. 1991, 124, 1113-1119; b) H. Schumann, B. C. Wassermann, S. Schutte, B. Heymer, S. Nickel, T. D. Seuß, S. Wernik, J. Demtschuk, F. Girgsdies, R. Weimann, Z. Anorg. Allg. Chem. 2000, 626, 2081-2095; c) 16b.
2 Bisheriger Kenntnisstand 10
1) + AlCl3
- 2 LiCl
2) RMgX oder RLi-MgXCl oder LiCl
AlN N
Li N2
Schema 2.9: Synthese eines zweifach stabilisierten Alkyl-Komplexes.
Die gezeigten stickstoffstabilisierten Beispiele wurden ebenfalls auf Aluminiumorganyle
übertragen, die durch Schwefel abgesättigt wurden.25
Eine weitere interessante Klasse unter den Aluminiumalkylen stellen Komplexe mit tri- oder
tetradentaten Liganden dar. Tridentate Komplexe entstehen nach Einwirken von Di-Grignard-
Reagenzien auf Alkylaluminiumdichlorid bzw. Aluminiumchlorid und anschließender
Alkylierung.
ClMg N MgCl
1) + AlCl3- 2 MgCl2
2) RMgX oder RLi-MgXCl oder LiCl
N
Al
R
+ RAlCl2
- 2 MgCl2R = Me, Et
Schema 2.10: Synthese von tridentaten Komplexen.
Tris-Grignard-Reagenzien, umgesetzt mit Aluminiumchlorid, ergeben dagegen einen
tetradentalen Komplex. Beide Substanzklassen können für die MOCVD verwendet werden.
N
AlN[(CH2)3MgCl]3
+ AlCl3
- 3 MgCl2 Schema 2.11: Synthese von tetradentaten Komplexen.
Aluminiumalkyl-Komplexe, mit einem Benzyl-, Phenyl- oder Naphthyl-Grundgerüst, wurden
ebenfalls überwiegend von der Gruppe Schumann beschrieben. Sie wurden ausschließlich
25 H. Schumann, B. C. Wassermann, B. Heymer, M. Keitsch, F. Girgsdies, Z. Anorg. Allg. Chem. 2001, 627, 1828-1835.
2 Bisheriger Kenntnisstand 11
über Salzeliminierungs-Reaktionen hergestellt und enthalten Stickstoff als intramolekulares
Donoratom.26
Li
N+ R2AlCl
- LiCl
Li N
R2AlN
R = Me, Et
+ R2AlCl
- LiClR = Me, Et
R2Al N
Schema 2.12: Synthese von Phenyl- und Naphthylaluminiumdialkyl-Komplexen.
Neben den am Metall unterschiedlich substituierten Komplexen finden sich in der Literatur
homoleptische Verbindungen mit stickstofftragenden Arylliganden. Sie werden aus
Aluminiumchlorid und dem entsprechenden lithiierten Liganden synthetisiert.
+ AlCl3
- 3 LiCl
NMe2N
3 L Li Al
L
L L L = L =
Schema 2.13: Synthese von homoleptischen Phenyl- und Naphthylaluminiumdialkyl-
Komplexen.
26 a) J. Müller, U. Englert, Chem. Ber. 1995, 128, 493-497; b) H. Schumann, U. Hartmann, W. Wassermann, A. Dietrich, F. H. Görlitz, L. Pohl, M. Hostalek, Chem. Ber. 1990, 123, 2093; c) J. Blum, D. Gelman, W. Baidossi, E. Shakh, A. Rosenfeld, Z. Aizenshtat, B. C. Wassermann, M. Frick, B. Heymer, S. Schutte, S. Wernik, H. Schumann, J. Org. Chem. 1997, 62, 8681-8686; d) C. Böker, M. Noltemeyer, H. Gornitzka, B. O. Kneisel, M. Teichert, R. Herbst-Irmer, A. Meller, Main Group Met. Chem. 1998, 21, 565-578; 24b).
2 Bisheriger Kenntnisstand 12
Dabei sei angemerkt, dass das Metallzentrum die Koordinationszahl fünf nicht übersteigt. Es
sind also nur zwei der drei Liganden an einer Chelatisierung beteiligt.27 Die Autoren berichten
auch von der Isolierung des Monoalkyl-bisnaphthyl-Komplexes. Beabsichtigt war die
Synthese des Dialkylnaphthyl-Aluminiums. Jedoch kam es bei der Umsetzung von
(naph)AlCl2 mit zwei Äquivalenten LiMe bzw. LitBu zu einem Ligandenaustausch.
Offensichtlich ist das Metallzentrum mit einer Vierfachkoordination nicht genug elektronisch
abgesättigt, was die Triebkraft zur Erhöhung der Koordinationsstufe auf fünf darstellt.
Cl2Al N
NAl N
R
RLi
LiClR = Me, tBu
Schema 2.14: Ligandentausch beobachtet bei der Alkylierung von Naphthylaluminium-
dichlorid.
Ein ebenfalls fünffach koordiniertes Aluminiumzentrum existiert in Komplexen mit dem
sogenannten „Pincer“-Liganden. Der von van Koten eingeführte Ligand wurde durch
Halogen-Metallaustausch lithiiert und anschließend unter Salzeliminierung mit einem
Diethylaluminium-Fragment verknüpft.28
1) + LiBu- BuBr
2) + Et2AlCl- LiCl
NR2BrR2N
R2N NR2Al
Et Et
R = Me, Et
Schema 2.15: Synthese von Aluminiumalkylen mit dem „Pincer“-Liganden.
27 G. S. Hair, S. L. Battle, A. Decken, A. H. Cowley, R. A. Jones, Inorg. Chem. 2000, 39, 27-31. 28 a) M. Stender, U. Segerer, J. Sieler, E. Hey-Hawkins, Z. Anorg. Allg. Chem. 1998, 1, 85-90; b) 26d.
2 Bisheriger Kenntnisstand 13
Bislang war wenig über Alkenylaluminium-Verbindungen bekannt. Lediglich eine Hand voll
Addukte von Trivinylaluminium mit Lewis-Basen wurden von Bartocha isoliert.29 Obwohl sie
in der organischen Synthese verwendet werden, entzieht sich diese hoch reaktive Klasse,
wegen ihrer Tendenz zur Polymerisation, der Charakterisierung. Bei Beteiligung an
Reaktionen in der Synthesechemie werden sie in situ durch Hydroaluminierung oder
Carboaluminierung von Alkinen generiert und sofort weiter umgesetzt.30 O,N-stabilisierte
Beispiele von Alkenylaluminium-Verbindungen sind durch Umsetzung des
Dichloraluminiumalkoxide mit entsprechenden Grignard-Reagenzien hergestellt, isoliert und
charakterisiert worden.31
OAl
N
R
R 2
R = H, Me
Abbildung 2.4: Beispiele einer O,N-stabilisierten Alkenylaluminium-Verbindungen.
29 a) B. Bartocha, C. M. Douglas, M. Y. Gary, Z. Naturforschg. 1959, 14 b, 809-811; b) B. Bartocha, A. J. Bilbo, D. E. Bublitz, M. Y. Gray, Z. Naturforschg. 1961, 16 b, 357-361. 30 a) E.-I. Negishi, Pure Appl. Chem. 1981, 53, 2333-2356; b) E.-I. Negishi, T. Takahashi, Synthesis 1988, 1, 1-19; c) P. Wipf, J. H. Smitrovich, C.-W. Moon, J. Org. Chem. 1992, 57, 3178-3186; d) E.-I. Negishi, T. Takahashi, S. Baba, D. van Horn, N. Okukado, J. Am. Chem. Soc. 1987, 109, 2393-2401. 31 a) H. Schumann, J. Kaufmann, S. Dechert, H.-G. Schmalz, J. Velder, Tetrahedron Lett. 2001, 42, 5405-5408; b) H. Schumann, J. Kaufmann, H.-G. Schmalz, Tetrahedron Lett. 2002, 43, 3507-3511; c) H. Schumann, J. Kaufmann, H.-G. Schmalz, A. Böttcher, B. Gotov, Synlett 2003, 1783-1788.
2 Bisheriger Kenntnisstand 14
2.3 (dpp-BIAN)-Aluminium-Komplexe
1,2-Bis[(2,6-diisopropylphenyl)imino]acenaphthen (dpp-BIAN), als Ligand in der
Komplexchemie, sticht durch die Vereinigung mehrerer Eigenschaften aus der enormen
Vielfalt der Liganden heraus. In ihm finden sich drei Strukturelemente wieder (Abbildung
2.5), welche die Reaktivität des Liganden innerhalb eines Metallkomplexes beeinflussen:
NN
iPr
iPr
iPr
iPr
sterisch anspruchsvolle Substituenten
Elektronen-Reservior rigides
Diimin-System
Elektronenpaare
Abbildung 2.5: Funktion einzelner Strukturelemente im (dpp-BIAN)-Ligand.
Dem rigiden Diimin-Fragment kann eine [2+2]-Elektronen-Donorfunktion zugeschrieben
werden. Der Ligand ist somit in der Lage, Chelatkomplexe mit Metallatomen zu bilden. Eine
Metallkoordination ist ohne Konformationsänderung zu erwarten, da die sterisch
anspruchsvollen 2,6-Diisopropylphenyl-Gruppen am Stickstoff den Liganden zusätzlich in
seiner Form wahren. Darüber hinaus schirmen sie das Metallzentrum gegenüber
intermolekularen Näherungen ab. Das Acenaphthen-System indessen wirkt als Elektronen-
Reservoir. Es ermöglicht dem (dpp-BIAN)-Liganden ein bis vier Elektronen aufzunehmen.
Umgekehrt kann der Ligand, in Verbindung mit einem Metall, oxidiert werden, also
Elektronen sukzessiv abgeben. Alle Eigenschaften dieses Liganden führen zu einem
einzigartigen Reaktionsverhalten, was ihn zu einem „non-innocent ligand“ macht, worauf an
späterer Stelle eingegangen wird.
2 Bisheriger Kenntnisstand 15
Wie eingangs erwähnt, lässt sich dpp-BIAN mit Alkali- und Erdalkalimetallen reduzieren.32
Im Fall von Einelektronenprozessen, wie beim Natrium, geschieht dieser Vorgang
schrittweise unter Durchlauf verschiedener Färbungen des Liganden (Schema 2.16) zum
mono-, di-, tri- oder tetra-Anion:
dpp-BIAN + n Na Et2O (Na)nn+(dpp-BIAN)n-
n = 1-4 Schema 2.16: Reaktion von dpp-BIAN mit 1-4 Äquivalenten Natrium.
Metallisches Magnesium und Calcium vermag zwei Elektronen zu übertragen und kann den
Liganden in seine dianionische Form überführen:33
NN ArAr iPr
iPr
Ar =THFMg
THFTHF
THF
Mg
NN ArAr
Schema 2.17: Reaktion von dpp-BIAN mit Magnesium.
Eine Reihe anderer Hauptgruppenmetall-(dpp-BIAN)-Komplexe ist durch Salzeliminierung
zu erhalten, wie z.B. das lösungsmittelfreie Germylen:34
Ge
NN ArAr+ 4 Na
+ GeCl4
- 4 NaClTol
NN ArAr
Schema 2.18: Synthese eines Germylens durch Salzeliminierung.
32 a) I. L. Fedushkin, A. A. Skatova, V. A. Chudakova, G. K. Fukin, Angew. Chem. 2003, 42, 3294-3298; b) I. L. Fedushkin, A. A. Skatova, V. A. Chudakova, V. K. Cherkasov, G. K. Fukin, M. A. Lopatin, Eur. J. Inorg. Chem. 2004, 388-393. 33 a) I. L. Fedushkin, A. A. Skatova, V. A. Chudakova, G. K. Fukin, S. Dechert, H. Schumann, Eur. J. Inorg. Chem. 2003, 3336-3346; b) I. L. Fedushkin, V. A. Chudakova, A. A. Skatova, N. M. Khvoinova, Yu. A. Kurskii, T. A. Glukhova, G. K. Fukin, S. Dechert, M. Hummert, H. Schumann, Z. Аnorg. Allg. Chem. 2004, 630, 501-507. 34 I. L. Fedushkin, A. A. Skatova, V. A. Chudakova, N. M. Khvoinova, A. Y. Baurin, S. Dechert, M. Hummert, H. Schumann, Organometallics 2004, 23, 3714-3718.
2 Bisheriger Kenntnisstand 16
Grignard-analoge Verbindungen, in denen der Ligand in monoanionischer Form vorliegt,
sind ebenfalls auf diese Weise zugänglich:
+ Na+ RMgX
- NaXEt2O
NN ArAr
Mg
R OEt2
NN ArAr
R = Me, Et; X = BrR = CH2SiMe3; X = Cl
Ar =
iPr
iPr
+ Na+ iPrMgCl
- NaCl- ·iPrEt2O
Mg
Et2O OEt2
NN ArAr1) + 2 Na + 2 iPrMgCl
- 2 NaCl Et2O2) Tol
NN ArAr
Mg
Et2O
NN ArAr
Mg
Schema 2.19: Reaktion von dpp-BIAN mit Magnesium.
Während sich viele Grignard-analoge Verbindungen durch Salzeliminierung herstellen
lassen, führte die Reaktion mit iPrMgCl zum dianionischen Magnesiumkomplex. Dieses ist
durch eine Eliminierung eines Isopropylradikals zu verstehen. Dabei wird das Isopropylrest
zum iPr· oxidiert während der monoanionische Ligand zum Dianion reduziert wird ―
entsprechend einer reduktiven Eliminierung in der Übergangsmetall-Chemie.35
Ebenso wurde der Umkehrprozess beobachtet, bei dem CH-acide Acetylene und enolisierbare
Ketone oxidativ an den [(dpp-BIAN)Mg(THF)3]-Komplex addiert wurden.36
Ar =
iPr
iPr
Mg
N
N
Ar
Ar
H
Ph Mg
N
N
Ar
Ar
H
O
Ph
Ph
Me
Abbildung 2.6: Additionsprodukte CH-acider Substanzen an (dpp-BIAN)Mg(THF)3.
35 I. L. Fedushkin, A. A. Skatova, M. Hummert, H. Schumann, Eur. J. Inorg. Chem. 2005, 8, 1601-1608. 36 a) I. L. Fedushkin, N. M. Khvoinova, A. A. Skatova, G. K. Fukin, Angew. Chem. 2003, 42, 5223-5226; b) I. L. Fedushkin, A. A. Skatova, G. K. Fukin, M. Hummert, H. Schumann, Chem. Eur. J., 2003, 9, 5778-5783.
2 Bisheriger Kenntnisstand 17
Weitere Beispiele für die Reaktivität des [(dpp-BIAN)Mg(THF)3]-Komplexes sind das
Reaktionsprodukt mit Chlortrimethylsilan, sowie das Pinakol-Kupplungsprodukt aus
Benzophenon.37
Ar =
iPr
iPr
(CH2)4
Mg
N
N
Ar
Ar
Cl
OSiMe3
THF
Mg
N
N
Ar
Ar
O
Ph Ph
22
Abbildung 2.7: Additionsprodukte von Chlortrimethylsilan und Benzophenon an [(dpp-
BIAN)Mg(THF)3].
Aluminiumorganische (dpp-BIAN)-Komplexe sind in der Literatur nicht zu finden. Lediglich
drei neutrale Dialkylaluminium-Komplexe, eingebunden in bidentate Distickstoff-Liganden
sind beschrieben (Abbildung 2.8). Das Dialkylaluminium-Fragment findet sich hier in einem
Ketiminat (A)38, Tropiminat (B)39 oder Amidinat (C)40-System.
Al
Me
NN iPriPr
Me
NAl
N ArAr
Me Me
NAl
NAr Ar
Me Me
Ar =
iPr
iPr
A B C Abbildung 2.8: Literaturbekannte Dialkylaluminium-Komplexe.
37 I. L. Fedushkin, A. A. Skatova, V. K. Cherkasov, V. A. Chudakova, S. Dechert, M. Hummert, H. Schumann, Chem. Eur. J. 2003, 9, 5778-5783. 38 B. Qian, D. L.Ward, M. R. III. Smith, Organometallics 1998, 17, 3070-3076. 39 H. V. R. Dias, W. Jin, R. E. Ratcliff, Inorg. Chem. 1995, 34, 6100-6105. 40 M. P. Coles, D. C. Swenson, R. F. Jordan, V. G. Young, Jr., Organometallics 1997, 16, 5183-5194.
2 Bisheriger Kenntnisstand 18
Noch weniger erforscht sind analoge Monoalkylaluminiumkomplexe: Cowley gelang es, zwei
Aluminiumorganyl-Komplexe mit einem Diazabutadien-Liganden (DAB) zu synthetisieren
(Abbildung 2.9).41 Eine Röntgen-Strukturanalyse konnte jedoch nur von dem dimeren
Komplex angefertigt werden.
Al
NNtBu tBu
Et
Al
N N tButBu
Et
Al
NNtBu tBu
Me2N
Abbildung 2.9: Literaturbekannte Alkylaluminium-Diazabutadien-Komplexe.
41 D. S. Brown, A. Decken, C. A. Schnee, A. H. Cowley, Inorg.Chem. 1995, 34, 6415-6416.
3 Motivation 19
3 Motivation
In den bestehenden Ziegler-Natta-Systemen zur Polymerisation von Olefinen wird in großem
Umfang Triethylaluminium verwendet. Aufgrund seiner pyrophoren Eigenschaft ist dieser
Einsatz mit großem Aufwand an Sicherheitstechnik, und damit enormen Kosten, verbunden.
Im BMBF-Forschungsvorhaben 03D0021A3/03D0021C9 "Luftstabile, koordinativ
abgesättigte Aluminiumorganyle als Cokatalysatoren für die Polymerisation und Metathese
von Alkenen und Alkinen" erwiesen sich intramolekular stabilisierte Aluminiumalkyl-
Komplexe als hoffnungsvolle Kandidaten, Triethylaluminium in der Ziegler-Natta-
Polymeristion zu ersetzen oder zu ergänzen.42
Ziel der Arbeit war es, neue intramolekular stabilisierte Aluminiumalkyl-Verbindungen zu
entwickeln und bestehende Lücken in der Substanz-Bibliothek zu schließen. Im Rahmen der
Mitarbeit am BMBF-Projekt 03C0295B „Heterogene und homogene Cokatalysatoren und
Katalysatoren für die Olefinpolymerisation“, war es von großem Interesse, neuartige
sauerstoffhaltige Komplexe zur Verfügung zu stellen, die in den Arbeitskreisen Kaminsky
(Universität Hamburg), Arnold (MLU Halle-Wittenberg) und von Frau Dr. K. C. H. Lange
(TU Berlin) bezüglich ihrer Polymerisations-Eigenschaften getestet wurden. Im Verlauf des
Projektes wurde der Zusammenhang zwischen Lewis-Basizität und Aktivität deutlich:
Aromatische Aluminiumalkyle als Cokatalysator stachen in ihrer Aktivität besonders hervor.
Daher bestand das Interesse, nicht nur aromatische, sondern auch vinylische Systeme zu
etablieren, in denen das sp2-Strukturelement aluminiumgebunden auftritt. Vielversprechend
war auch der Ansatz, das Donoratom in aromatische Systeme einzubinden. Hierzu wurden
Thiophen- und Furansysteme ausgewählt, in denen das Donoratom einen Teil seiner Lewis-
Basizität einbüßt.
42 a) K. Weiss, Schlußbericht zum BMBF-Forschungsvorhaben 03D0021C9: "Luftstabile, koordinativ abgesättigte Aluminiumorganyle als Cokatalysatoren für die Polymerisation und Metathese von Alkenen und Alkinen", Universität Bayreuth, 1998; b) H. Schumann, Schlußbericht zum BMBF-Forschungsvorhaben 03D0021A3: "Luftstabile, koordinativ abgesättigte Aluminiumorganyle als Cokatalysatoren für die Polymerisation und Metathese von Alkenen und Alkinen", Technische Universität Berlin, 1997.
3 Motivation 20
schwefelfunktionalisierte Liganden sind in der Koordinationschemie als schwache Lewis-
Basen bekannt. Die größeren und vor allem diffuseren Elektronenpaar-Orbitale eignen sich
nur mäßig für die Ausbildung von Donor-Akzeptor-Bindungen zu Hauptgruppenmetallen. So
bleibt die Reaktionsfreudigkeit des Metallzentrums aufgrund assoziativer/dissoziativer
Prozesse erhalten. Es sollten daher neue schwefelfunktionalisierte Dialkylaluminiumalkoxy-
Verbindungen hergestellt werden. Ein zweiter Weg, um dieser Verbindungsklasse zu einer
höheren Aktivität zu verhelfen, ist der Aufbau verschiedener Trimethylaluminium-Addukte.
Temporär koordinativ gebundenes TMA stellt einen potentiellen Aktivator in der Ziegler-
Natta-Katalyse dar, ohne übermäßig mit Luftfeuchtigkeit zu reagieren.
Die einleitend erwähnten Beispiele zur Reaktivität des dpp-BIAN-Liganden läuten ein neues
spannendes Kapitel in der Organometall-Chemie ein. Bislang sind keine Aluminiumalkyl-
Komplexe, begleitet von diesem faszinierenden Liganden, beschrieben. Daher bestand der
Wunsch, neuartige Alkylaluminium-(dpp-BIAN)-Komplexe zu synthetisieren und zu
überprüfen, ob dieses Ligandensystem auch in Verbindung mit Aluminium seiner Eigenschaft
„non-innocent ligand“ gerecht wird.
4 Eigene Ergebnisse 21
4 Eigene Ergebnisse
Inhalt dieser Arbeit ist die Synthese und Struktur neuer Aluminiumalkyl-Verbindungen. Diese
wurden als Cokatalysator in der Olefinpolymerisation von den Arbeitsgruppen Kaminsky
(Universität Hamburg) und Arnold (Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg) eingesetzt.
In Verbindung mit Resultaten aus Polymerisations-Versuchen seien folgende Literaturstellen
genannt.43 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass aromatische sauerstoffstabilisierte
Aluminiumalkyle ähnliche oder bessere Aktivitätsergebisse liefern, wie das Vergleichssystem
mit Triethylaluminium.44 Dabei bleibt die Aktivität im Gegensatz zu TEA über einen großen
Temperaturbereich stabil. In der Propenpolymerisation bewirken stickstoffstabilisierte Co-
Katalysatoren gegenüber dem Vergleichssystem deutlich höhere Aktivitäten und erzeugen
höhere Molmassen (bis zu 700000) bei niedrigeren Ti/Al-Verhältnis. Die gleiche
Verbindungsklasse vermag in der Co-Polymerisation von Ethen und Propen sechs- bis
zwölfmal höhere Aktivitäten als TEA bei einer höheren Propen-Einbaurate.45
Aufgrund der komplexen Struktur der Dimethylalkoxyaluminium-Verbindungen und der
TMA-Addukte wird im folgenden die Kappa-Notation verwendet.46
43 a) H. Schumann, S. Dechert, S. Schutte, J.-Y. Hyeon, M. Hummert, B. C. Wassermann, W. Kaminsky, A. Eisenhardt, K. Köhler, J. Eichhorn, Organometallics 2003, 7, 1391-1401; b) A. Eisenhardt, B. Heuer, W. Kaminsky, K. Köhler, H. Schumann, Adv. Synth. Catal. 2003, 345, 1299-1304; c) H. Schumann, Schlußbericht zum BMBF-Forschungsvorhaben 03C0295B: "Heterogene und homogene Cokatalysatoren und Katalysatoren für die Olefinpolymerisation", Technische Universität Berlin, 2002; d) A. Eisenhardt, Dissertation, Universität Hamburg, 2003. 44 Bedingungen: TiCl4 geträgert auf MgCl2; T = 60 °C; tR = 1 h; Al/Ti = 20; p = 250 kPa Ethen. 45 Bedingungen: TiCl4 geträgert auf MgCl2; T = 30 °C; tR = 1 h; Ethen/Propen = 0.4/0.6; p = 200 kPa. 46 A. Salzer, Angew. Chem. 2002, 114, 2043-2058.
4 Eigene Ergebnisse 22
4.1 Dialkylaluminiumalkoxy-Komplexe
4.1.1 Dialkylaluminiumalkoxy-Komplexe mit Stickstoffkoordination
Im Rahmen dieser Arbeit wurden erstmalig die Strukturen von [Me2Al(OCH2CH2NMe2-
1ĸN,O:2ĸO)AlMe3] (1) und [Me2Al(µ-O-OCH2CH2CH2NMe2-ĸO,N)]2 (2) durch eine Röntgen-Strukturanalyse belegt. Zum Vergleich struktureller Parameter wird die Verbindung
[Me2Al(OCH2CH2CH2NMe2-1ĸO,N:2ĸO)AlMe3] herangezogen.47
a) b) c)
O
Al
N
AlMe3
Abbildung 4.1: a) Molekülstruktur von [Me2Al(OCH2CH2NMe2-1ĸO,N:2ĸO)AlMe3] (1): Al1-C1 1.936(4), Al1-C2 1.940(5), Al1-O 1.804(2), Al1-N 2.018(4), O→Al2 1.882(3) Å; C1-
Al1-C2 121.27(17), O-Al1-N 87.28(12)°. b) Molekülstruktur von [Me2Al(µ-O-
OCH2CH2CH2NMe2-1ĸO,N)]2 (2): Al-C1 1.981(13), Al-C2 1.997(12), Al'-C2' 1.974(13), Al'-C1' 1.976(12), Al'-O' 1.832(7), Al-O 1.813(7), Al'-N' 2.244(11), Al-N 2.262(10), Al-O'
1.979(8), Al'-O 1.984(8) Å; C1-Al-C2 123.87(52), C1'-Al'-C2' 123.21(52), O'-Al-N
159.92(36), O-Al'-N' 160.15(37), O'-Al'-N' 87.02(36), O-Al-N 86.42(35), O'-Al'-O 76.46(32),
O-Al-O' 77.00(31)°.c) Struktur von [Me2Al(OCH2CH2CH2NMe2-1ĸO,N:2ĸO)AlMe3]: Al1-
C11.956(4), Al1-C2 1.956(14), Al1-O 1.808(3), Al1-N 2.002(2), O→Al2 1.894(3) Å; C1-
Al1-C2 119.69(1), O-Al1-N 96.36(1)°.
47 a) F. Girgsdies, Dissertation, Technische Universität Berlin, 1999, b) 16a.
4 Eigene Ergebnisse 23
In den Addukt-Komplexen 1 und 2 sind die Aluminiumatome vierfach koordiniert und bilden eine verzerrt tetraedrische Koordinationssphäre. 1 kristallisiert in der nicht-zentrosymmetrischen Raumgruppe P21 mit zwei Molekülen in der Elementarzelle. Das
alkoxygebundene Aluminiumatom ist mit Sauerstoff in einer Entfernung von 1.804(2) Å
verknüpft. TMA ist mit einem Abstand von 1.882(3) Å (Al2-O) koordinativ am fünfgliedrigen
Chelatring gebunden. Der Chelatring entsteht durch die intramolekulare dative Al1-N-
Bindung mit einer Länge von 2.018(4) Å. Durch das relativ starre Fünfringsystem weicht der
O-Al1-N-Winkel mit 87.28(12)° deutlich vom Tetraederwinkel ab, während die
Methylgruppen in einem größeren Winkel (C1-Al1-C2: 121.27(17)°) gebunden sind. Der in 2 zu findende Winkel O-Al-N (96.36(1)°) deutet auf einen weniger gespannten sechsgliedrigen
Ring hin. Die Aluminiumatome in 2 sind trigonal bipyramidal koordiniert, wobei die Methylkohlenstoffe sowie das Alkoxy-O die axialen Positionen, das verbrückende O'- und das
N-Atom die Kappen im Koordinationspolyeder besetzen (O'-Al-N 159.92(36), O-Al'-N'
160.15(37)°). Die Al-Atome sind hier elektronisch abgesättigter, als in den TMA-Addukten.
Durch die geringere Lewis-Acidität ist die C1/C2-Al bzw. C1'/C2'-Al'-Bindung länger.
Gleiches gilt für die chelatbildene Al-N bzw. Al'-N' Bindung, die um ca. 0.2 Å gestreckt ist.
Aufgrund der höheren Koordinationszahl verkleinert sich der Winkel O-Al-N auf 87.02(36)°
bzw. 86.42(35)° (O'-Al'-N'). Der bei der Dimerisierung ausgebildete Vierring weist einen
typischen Winkel am Aluminium von 76.46(32)° (O'-Al'-O) bzw. 77.00(31)° (O-Al-O') auf.13c
Weitere Komplexe des Typs O,N ließen sich durch Verwendung von Tris-2,4,6-
(dimethylamino)methylphenol realisieren. Dieser aromatische Alkohol ist für die Synthese
von Aluminiumalkoxy-Verbindungen ein interessanter Ligand, weil sich neben der
Dimethylaluminiumalkoxy-Funktion auch die Aminfunktionen mit mehreren TMA-Einheiten
beladen lassen. Zunächst lieferte die Umsetzung äquimolarer Mengen TMA und des Alkohols
die erwartete Reaktion. Unter Methanabspaltung führte sie nach Reinigung in 50 %iger
Ausbeute zum einfachen Alkoxy-Komplex 3. Das Produkt ist an der Luft sehr reaktionsträge und wird unter Verfärbung nur langsam hydrolysiert. Die Struktur von 3 wurde mit einer Röntgen-Strukturanalyse belegt, nachdem Einkristalle aus einer Mischung von Hexan/Toluol
(1:3) durch langsame Abkühlung erhalten wurden. Die Synthese einer Addukt-Verbindung
gelang durch Variation der stöchiometrischen Verhältnisse.
4 Eigene Ergebnisse 24
Die dreifache Stoffmenge TMA ergab in 62 %iger Ausbeute ein farbloses kristallines
Material, dass eine deutlich höhere Reaktivität gegenüber Luft zeigt. Die Zersetzung ist an der
starken Rauchentwicklung zu erkennen. Aus einem Gemisch aus Hexan/Toluol (1:3) wurden
Einkristalle für die Röntgen-Strukturanalyse gezüchtet.
HO
N
N N
N
N
N
AlO + TMA
-CH4
N
N
N
AlO
AlMe3
AlMe3
350 %
462 %
+ n TMA
-CH4n = 3-4
Schema 4.1: Synthese von 3 und 4.
Die Reaktion mit vier Äquivalenten TMA endete ebenfalls in der Bildung von 4. Das Ziel, die Verbindung mit einer weiteren O-gebundenen TMA-Einheit zu beladen, konnte nicht
realisiert werden. Die Komplexe 3 und 4 sind monomer und kristallisieren in der monoklinen Raumgruppe C2/c bzw. P21/c. Die Strukturanalyse von 3 (Abbildung 4.2) zeigt die Bindung des Metallzentrums durch den Sauerstoff und die N-Koordination einer ortho-Aminofunktion
einerseits, sowie eine freie Aminofunktion in ortho- und para-Position andererseits.
Abbildung 4.2: Molekülstruktur von 3.
4 Eigene Ergebnisse 25
In der Addukt-Verbindung 4 (Abbildung 4.3) sind diese beiden freien Koordinationsstellen mit TMA belegt. Die freien Elektronenpaare des Stickstoffs bilden eine dative Bindung im
Abstand von 2.057(2) und 2.052(2) Å zum Lewis-sauren Zentrum. Im Gegensatz zu den
Erkenntnissen von van Koten kommt es mit überschüssigem TMA nicht zu einer zusätzlichen
O→AlMe3-Bindung (Abbildung 2.3).18
Abbildung 4.3: Molekülstruktur von 4.
Die Aluminium-Sauerstoff- und Aluminium-Kohlenstoff-Bindungslängen von 3 und 4 stimmen gut mit der bekannten Struktur von van Koten (Tabelle 4.1) überein. Die Al-N-
Atomabstände sind dagegen in 3 und 4 leicht größer. Der Winkel im AlMe2-Element von 3 ist leicht verkleinert, während in 4 ein größerer Winkel auftritt. Umgekehrt gilt dieser Sachverhalt beim Vergleich der O-Al-N-Winkel, aufgrund der tetraedrischen Koordination.
4 Eigene Ergebnisse 26
Tabelle 4.1: Vergleich der Bindungslängen und -winkel des Addukt-Komplexes der van
Koten Verbindung mit 3 und 4 (in Å bzw. °).
Komplex Bindungslänge Bindungswinkel
Al-O Al-C Al-N N→Al O-Al1-N C2-Al1-C1
N Al
O
N
AlMe3
1.750(3) 1.956(6)
1.942(6)
1.995(5) 2.044(5) 94.80(7) 118.3(3)
3 1.751(2) 1.951(5)1.959(4)
2.007(3) / 96.11(11) 117.85(18)
4 1.764(2) 1.951(3) 1.957(3)
2.009(2) 2.057(2)
2.052(2)
94.73(7) 119.51(12)
Die Strukturanalyse beweist, dass keine für Alkoxyaluminium-Verbindungen kennzeichnende
Al2O2-Einheit ausgebildet wird. In beiden Komplexen ist das Aluminium vierfach koordiniert
und verzerrt tetraedrisch umgeben. Dieser Umstand ist durch sterische Faktoren der ortho-
(N,N-Dimethylamino)methyl-Funktion gegeben und wird von 27Al-NMR-Untersuchungen
bestätigt. Mit chemischen Verschiebungen von 167 ppm bzw. 179 ppm und 105 ppm liegen
die Resonanzfrequenzen im Bereich von vierfach koordiniertem Aluminium.48 In beiden
Verbindungen befinden sich alle Substituenten auf einer Seite des Benzolgrundkörpers. Wie
im Trineopentylbenzol wirken hier Van-der-Waals-Anziehungskräfte der sterischen
Abstoßung entgegen.49
48 R. Benn, A. Rufinska, H. Lehmkuhl, E. Janssen, C. Krüger, Angew. Chem. 1983, 95, 808-809. 49 R. E. Carter, P. Stilbs, J. Am. Chem. Soc. 1976, 98, 7515-7521.
4 Eigene Ergebnisse 27
Das 1H-NMR-Spektrum der einkernigen Verbindung 3 weist eine Besonderheit auf. Während die Signale des Chelatsechsring-Systems scharf auftreten, erscheinen die CH3-Signale der
ungebundenen Phenol-Substituenten über einen großen Bereich von 1.47 bis 2.56 ppm stark
verbreitert.
Abbildung 4.4: 1H-NMR-Spektrum von 3.
Gleiches gilt für NCH2-Protonen im Bereich von 3.00 bis 3.96 ppm, sowie die aromatischen
Protonen zwischen 6.62 und 7.70 ppm. Der Verbreiterungseffekt ist nicht nur auf das 1H-
NMR-Spektrum beschränkt, sondern ist auch im 13C-NMR-Spektrum zu beobachten. Eine
Erklärung für dieses Verhalten ist in der Moleküldynamik in Lösung zu finden. Während die
chelatisierende ortho-gebundene Dimethylaminomethylen-Funktion statisch am Aluminium
gebunden ist, haben die zweite ortho- und die para-verknüpfte Gruppe die Freiheit zur
Schwingungen.
4 Eigene Ergebnisse 28
Deutlich wird dieses dynamische Verhalten von 3 bei Tieftemperatur-NMR-Untersuchungen: Die 1H-NMR-Spektren (Abbildung 4.5), aufgenommen in D8-Toluol, zeigen das Auftauchen
diskreter Signale der aromatischen Protonen bei tiefen Temperaturen. Gleiches gilt für die
Protonen der Dimethylaminomethylen-Gruppe.
Abbildung 4.5: Serie von 1H-NMR-Spektren von 3, aufgenommen bei Temperaturen zwischen 200-290 K.
In der vergleichbaren Addukt-Verbindung 4 ist dieser Effekt in abgeschwächter Form wiederzufinden (Abbildung 4.6). Hier zeigen in den NMR-Spektren alle Kerne des Phenoxy-
Liganden eine eigene Resonanzfrequenz, was die unterschiedliche chemische Umgebung
jedes Kerns widerspiegelt. Signale der chelatisierenden CH2N(CH3)2-Funktion sind trotz
gleicher Intensität wiederum höher und schmaler als die der TMA tragenden Gruppen. Dieser
Effekt lässt sich wiederum auf einen höheren Freiheitsgrad bezüglich thermischer
Schwingungen zurückführen.
4 Eigene Ergebnisse 29
Abbildung 4.6: 1H-NMR-Spektrum von 4.
4.1.2 Dialkylaluminiumalkoxy-Komplexe mit Schwefelkoordination
2-Methylsulfanyl-ethanol (HOCH2CH2SCH3) wurde von Barron eingesetzt, um ausgehend
von Aluminiumalkylen AlR3 (R = Me, Et, iBu, tBu) Thioether-Aluminiumalkoxylate des Typs
[R2Al(µ-O-OCH2CH2SCH3)]2 zu erhalten.15 Während von den höher substituierten dimeren
Komplexen Röntgen-Strukturanalysen möglich waren, blieb die molekulare Beschreibung des
Methylderivats im Festkörper unberücksichtigt. Deshalb soll die Struktur von [Me2Al(µ-O-
OCH2CH2SCH3-ĸO,S)]2 (5) an dieser Stelle erläutert werden. Aus einer Mischung aus Hexan/Toluol (4:1) wurden Einkristalle für die Strukturanalyse erhalten. Die Verbindung
kristallisiert mit zwei Molekülen pro Elementarzelle in der inversionssymmetrischen
Raumgruppe P21/c.
4 Eigene Ergebnisse 30
Abbildung 4.7: Molekülstruktur von 5: Al-O 1.837(2), Al-O' 1.884(2), Al-C1 1.958(2), Al-C2 1.960(3), Al-S 2.955(2) Å; C1-Al-C2 121.48(9), O-Al-O' 78.07(7), Al-O-Al' 101.93(7), S-Al-
O' 153.26(5)°.
Abbildung 4.7 zeigt die molekulare Struktur mit einer schwachen S→Al-Wechselwirkung.
Diese schwache dative Bindung wird anhand der verzerrt trigonal-bipyramidalen
Koordinationsgeometrie um das Aluminium deutlich. Aufgrund des Bindungsabstandes des
Schwefels zum Metallzentrum von 2.955(2) Å ist ebenfalls eine Bindung anzunehmen. In
einfachen Lewis-Säure-Base-Komplexen beträgt dieser 2.515-2.718 Å. Dieser Befund
korrespondiert gut mit der von Barron erhaltenen [iBu2Al(µ-O-OCH2CH2SCH3-ĸO,S)]2-
Struktur (Al-S: 2.95 Å). Um zu einer zu [Me2Al(OCH2CH2NMe2-1ĸO,N:2ĸO)AlMe3] (1) analogen „huckepack“-Struktur zu gelangen, wurde HOCH2CH2SCH3 zu dem in doppelten
Überschuss vorliegenden TMA getropft:
2 HOCH2CH2SCH3O
Al O
Al S
S
+ 2n TMA
- 2 CH4n = 2-3
+ 2 TMA
- 2 CH4
O
Al O
Al S
SMe3Al
AlMe3
568 %
685 %
Schema 4.2: Synthese von 5 und 6.
Nach mehrmaligen Umkristallisieren und Fällen in der Kälte war ein kristalliner Feststoff in
85 %iger Ausbeute isolierbar. Das farblose Produkt trat durch außergewöhnlich starke
Reaktion mit Luft hervor. Aufgrund dieser pyrophoren Eigenschaft konnten aus Toluol/Hexan
(4:1) erhaltene Einkristalle nur unter Einsatz von Paraffinöl als Schutzfilm auf den
Gyniometer-Kopf des Röntgendiffratiometers gebracht werden.
4 Eigene Ergebnisse 31
Abbildung 4.8: Molekülstruktur von 6: Al1-O 1.845(2), Al1-O' 1.872(2), Al1-C1 1.948(3), Al1-C2 1.949(2), Al1…S 3.237(1), S→Al2 2.504(1) Å; C1-Al1-C2 120.93(10), O-Al1-O'
79.40(7), Al1-O-Al1' 100.60(7), S…Al1-O 149.92(5).
Die Addukt-Verbindung kristallisiert mit einem halben Molekül in der asymmetrischen
Einheit (Raumgruppe: P21/n). Im Gegensatz zu 5 kann hier nicht mehr uneingeschränkt von einem Chelatkomplex gesprochen werden. Während der Atomabstand von Schwefel zum
Aluminiumzentrum 3.237(1) Å beträgt, ist TMA koordinativ mit dem Schwefelatom im
Abstand von 2.504(1) Å verknüpft. Die Bindung von TMA im Kristall an die schwache
Lewis-Base Schwefel begründet die extreme Reaktionsfreudigkeit an Luft, verglichen mit
dem Stickstoff-Analogon [Me2Al(OCH2CH2NMe2-1ĸO,N:2ĸO)AlMe3] (1). Dagegen finden sich bei der Analyse des zentralen Alkoxyd-Vierring-Systems sehr ähnliche
Bindungsverhältnisse wie in 5. Es wird vom Aluminium ebenfalls ein trigonal-bipyramidaler Koordinationspolyeder eingenommen, der jedoch verzerrter ist (Abbildung 4.9).
4 Eigene Ergebnisse 32
Abbildung 4.9: Koordinationspolyeder von [Me2Al(µ-O-OCH2CH2SMe-1ĸO,S:2ĸS)AlMe3]2
(5) und [Me2Al(µ-O-OCH2CH2SMe-1ĸO,S:2ĸS)AlMe3]2 (6).
Das zentrale Aluminiumatom liegt nicht exakt in der Mitte der aus C1, C2 und O gebildeten
Ebene, sondern entfernt sich mit steigender Verzerrung (Übergang zum Tetraeder) vom
Polyeder-Mittelpunkt. Die Atome, welche die axialen Positionen besetzen, bilden mit dem
Metall einen Winkel von 153.26(5)° in 5 (S-Al-O') bzw. 149.92(5)° im Addukt 6 (S…Al1-O). TMA ist demnach im Kristall nicht „huckepack“ am Sauerstoff gebunden, wie in zahlreichen
anderen monomeren Verbindungen mit ähnlichen Alkoholsystemen. Die Verbrückung über
Al-O-Bindungen wird nicht von TMA aufgebrochen, sondern die dimere Struktur bleibt
erhalten. Offensichtlich reicht die Koordinationsfähigkeit von Schwefel nicht, die Lewis-acide
Me2AlO-Einheit intramolekular zu sättigen und ein O-gebundenes TMA-Addukt zu
ermöglichen.
Einen Vertreter vierfach koordinierten Aluminiums stellt die Verbindung [Me2Al(µ-OCH2-2-
C5H3S)]2 (7) dar. Diese wurde durch Zutropfen des mit Toluol verdünnten Alkohols zu einer Lösung von TMA in 70 %iger Ausbeute erhalten.
+ 2n TMA
-2 CH4n = 1-2
S
HOO
Al O
AlS
S
770 %
Schema 4.3: Synthese von [Me2Al(µ-OCH2-2-C5H3S)]2 (7).
4 Eigene Ergebnisse 33
Unabhängig vom stöchiometrischen Verhältnis des Alkohols zum Aluminiumtriorganyl
wurde keine Addukt-Verbindung des Typs O→AlMe3 oder S→AlMe3 isoliert. Hier ist das
Schwefelatom in einem aromatischen π-System eingebunden (Thiophen). In der
Kristallstruktur besteht keine Wechselwirkung mit dem Metallzentrum. Der Schwefel ist
4.031(1) Å vom Aluminium entfernt und liegt nicht in der (Al2O2)-Ringebene. Die zu 5 und 6 leicht verkürzten Al-O-Bindungen deuten auf einen höheren Elektronenmangel am
Metallzentrum aufgrund der kleineren Koordinationszahl hin.
Abbildung 4.10: Molekülstruktur von 7: C1-Al 1.955(4), C2-Al 1.953(4), O-Al 1.836(2), O'-Al 1.855(3), S…Al 4.031(1) Å; Al-O-Al 100.25(9), O-Al-O' 79.75(8), C2-Al-C1 118.84(16)°.
Die von Oliver kristallographisch untersuchte Verbindung {[(Me2Al)3(µ-OCH2-2-
C4H3S)6]Al} wurde durch Zugabe des Aluminiumalkyls in den Alkohol erhalten.14 In ihr ist
keine koordinierende Wechselwirkung des Schwefels (Al-S: 4.173-4.502 Å) mit den Al-
Atomen zu verzeichnen. Die strukturellen Daten der drei (Al2O2)-Ringsysteme in
{[(Me2Al)3(µ-OCH2-2-C4H3S)6]Al} sind mit dem dimeren Komplex 7 vergleichbar. In {[(Me2Al)3(µ-OCH2-2-C4H3S)6]Al} spannen die Methylgruppen und das Aluminium einen
kleineren Winkel (115.4(3), 114.9(4)°) als in [Me2Al(µ-OCH2-2-C5H3S)]2 (7) auf. Die Aluminium-Kohlenstoff-Abstände (1.960(9), 1.971(9), 1.973(8) Å) sind gegenüber 7 geringfügig verlängert.
4 Eigene Ergebnisse 34
[Me2Al(µ-OCH2CH2SMe)]2 (5) und [Me2Al(µ-OCH2-2-C5H3S)]2 (7) gelöst in C6D6 zeigen in ihren 1H- und 13C-NMR-Spektren jeweils einen doppelten Satz Signale.
a)
b)
Abbildung 4.11: 1H-NMR-Spektrum von 5 (a) und 7 (b).
4 Eigene Ergebnisse 35
Barron begründete dies mit einem Gleichgewicht aus zwei dimeren Verbindungen.15 Unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass Schwefel ein schwacher σ-Donor (bzw. eine schwache
Lewis-Base) ist, sind folgende Strukturen wahrscheinlich: Der O,S-Ligand ist entweder η2,
unter Ausbildung des Chelatfünfringes, oder η1 am Aluminium gebunden.
Al
O Al
O
S
S Al
O Al
OS
S
η2 η1
O
Al O
AlS
S
Al
O Al
O
S
S
Schema 4.4: Topoisomerie von 5 und 7.
Korrespondierend mit den Kristallstrukturen (Al-S-Abstand) von 5 und 7 fällt die Inversion der Signalverhältnisse (z.B. AlMe2) ins Auge. Der alkylsubstituierte Schwefel hat eine höhere
Koordinationsfähigkeit und das Gleichgewicht ist auf der linken Seite (η2:η1 / 84:16),
während im Fall des Schwefels im aromatischen System die rechte Seite des Gleichgewichts
bevorzugt ist (η2:η1 / 11:89). Beide Ergebnisse bestätigen die einleitende Annahme der
D→Al-Bindung als schwächste in derartigen Komplexen.
Die NMR-Spektren von [Me2Al(µ-OCH2CH2SMe·AlMe3)]2 (6) stellen sich noch komplizierter dar. Ein in C6D6 gelöster Einkristall (unter polarisiertem Licht ausgesucht)
ergibt wieder kein einfaches Spektrum mit einem Satz von Signalen, was auf eine gelöste
Spezies hinweisen würde. Vielmehr tauchen die Signale des Schwefelliganden dreifach mit
unterschiedlicher Intensität auf. An dieser Stelle bietet sich die schwefelgebundene
Methylgruppe als Sonde an. Die Signale dieser Gruppe erscheinen dreifach im Verhältnis
8:41:61. Neben der im Kristall gefundenen Konfiguration müssen noch zwei andere unter
Beteiligung von TMA in Lösung vorliegen. Um die Struktur von 6 zu identifizieren ist ein
Vergleich der Spektren von 5 und 6 hilfreich.
4 Eigene Ergebnisse 36
Abbildung 4.12: Gegenüberstellung der 1H-NMR-Spektrum von
[Me2Al(OCH2CH2SMe·AlMe3)]2 (6) und [Me2Al(µ-OCH2CH2SMe)]2 (5) im gleichem ppm-Skalenbereich (4.5 bis –1 ppm).
Offensichtlich erscheinen die Signalsätze von η1- und η2-[Me2Al(µ-OCH2CH2SMe)]2
(Abbildung 4.12, unten) im NMR-Spektrum von 6 (Abbildung 4.12, oben). Auffällig ist die stark hochfeldverschobene, schwefelgebundene Methyl- bzw. Methylengruppe der dritten
Komponente. Derartige Verschiebungen sind bei den monomeren „huckepack“-Verbindungen
zu beobachten. Einen weiteren Hinweis auf die Existenz des Monomers
Me2Al(OCH2CH2SMe·AlMe3) in Lösung gibt die kryoskopische Molmassen-Bestimmung in
Benzol. Diese wurde auf 273(6) g·mol–1 bestimmt. Aufgrund dieser Erkenntnisse sind
folgende Strukturen in Lösung wahrscheinlich:
3 (η2)2 (η2)1 (η1)
OAl
S
AlMe3
Al
O Al
O
S
SMe3Al
AlMe3
Al
O Al
O
S
S2 TMA + 2
Schema 4.5: Konfigurationsisomerie von 6.
4 Eigene Ergebnisse 37
Daraus ergibt sich folgende Zuordnung der Signale zu den Konfigurationsisomeren 1-3:
Abbildung 4.13: 1H-NMR-Spektrum von [Me2Al(OCH2CH2SMe)(AlMe3)]2 (6). Intensitäts-
verhältnis 8:41:61 (Struktur 1:2:3).
Tabelle 4.2: Zuordnung der Signale im 1H-NMR-Spektrum von 6.
H-Atome δ des Isomers 1
in ppm
δ des Isomers 2
in ppm
δ des Isomers 3
in ppm
A –0.44 –0.40 –0.40 Al(CH3)-Gruppen
B –0.57 –0.52 –0.43
C 3.74 3.35 3.41 CH2-Gruppen
D 2.50 2.18 1.69
SCH3-Gruppe E 1.63 1.49 0.99
4 Eigene Ergebnisse 38
Bei Hoch- und Tieftemperatur-NMR-Untersuchungen von 5 und 6 in [D8]-Toluol veränderten sich die Verhältnisse der drei Spezies nicht signifikant. Diese Tatsache deutet darauf, dass die
Energiedifferenz zwischen den Konfigurations-Isomeren sehr gering ist. Selbst bei –83 °C ist
genug thermische Energie vorhanden, dass alle Strukturisomere in einer bestimmten
Population eingenommen werden.
4 Eigene Ergebnisse 39
4.2 Triorganylaluminium-Komplexe
Die Synthese von Trialkylaluminium-Komplexen gestaltet sich präparativ anspruchsvoller als
die der Alkoxyde. Hier bieten sich Salzeliminierungsreaktionen aus lithiumorganischen
Vorläufern an, um zu den Trialuminiumalkylen zu gelangen.
4.2.1 Aluminiumtrialkyle
Analog zur Modellverbindung Dimethyl-(3-dimethylaminopropyl)aluminium wurde die
homologe Ethylvariante 9 ausgehend von 3-Dimethylaminopropyllithium durch Salzeliminierung in Hexan hergestellt.50 Nach Filtration und langsamer Destillation wurde das
Produkt in 74 %iger Ausbeute erhalten. Das intramolekular stabilisierte Aluminiumorganyl 9 zerfällt bei Luftkontakt langsam unter Verfärbung und einer starken Rauchentwicklung.
N LiN
Al+ Et2AlCl
- LiCl-70 °CHex
974 %
8
Schema 4.6: Synthese von 9.
Im Gegensatz zu seinem Methylanalogen ist dieses intramolekular stabilisierte
Aluminiumalkyl flüssig. Das 1H-NMR-Spektrum ist in Abbildung 4.14 wiedergegeben. Die
Methylenprotonen der stickstoffsubstituierten Propylkette erscheinen erwartungsgemäß
hochfeldverschoben bei 0.20 ppm. Die N-gebundenen Methylen- und Methylprotonen zeigen
Resonanzen bei 1.87 ppm bzw. 1.70 ppm. Die β-Methylen-Wasserstoffe zeigen Resonanzen
als Multiplett bei 1.48 bis 1.62 ppm. Das Triplett bei 1.37 ppm ist den Methylprotonen der
Ethylgruppe zuzuordnen. Die α-Ethylprotonen treten hier als ABX3-System hervor, da sie
durch die N-Koordination am Metall nicht mehr äquivalent sind. Hieraus ergibt sich eine
unterschiedliche chemische Verschiebung (δAlCHH’ = 0.08 ppm bzw. δAlCHH’ = 0.10 ppm).
Darüber hinaus beobachtet man einerseits eine geminale Kopplung von 14.2 Hz der α-
Protonen, sowie eine vicinale 3J-Kopplung mit den Methylprotonen von 8.2 Hz.
50 a) K.-H. Thiele, E. Langguth, G. E. Z. Müller, Z. Anorg. Allg. Chem. 1980, 462, 152-158; b) M. Kahn, R. C. Steevensz, D. G. Tuck, J. G. Noltes, P. W. R. Corfield, Inorg. Chem. 1980, 19, 3407-3411; c) 24e.
4 Eigene Ergebnisse 40
Abbildung 4.14: 1H-NMR-Spektrum von 9.
4.2.2 Aromatische Aluminiumalkyle
Obwohl die beiden modellhaften Aluminiumalkyle die einfachsten ihrer Spezies sind, hat die
Synthese dieser Verbindungen einen entscheidenden Nachteil. Das Lithiumsalz des Liganden
ist nur unter relativ großem Aufwand herzustellen. Wesentlich eleganter gestaltet sich die
Synthese von Lithiumsalzen aromatischer Systeme. Diese lassen sich durch Deprotonierung
von CH-aciden, käuflichen Vorläufern mit Butyllithium in unpolaren Lösungsmitteln
darstellen. Die Lithiumorganyle fallen im Verlauf der Reaktion unter Butanbildung aus der
Reaktionslösung aus und können durch einfache Filtration sauber erhalten werden. So werden
N,N-Dialkylbenzylamine aufgrund des +M-Effekts und dirigierender Funktion des Stickstoffs
ausschließlich in ortho-Position deprotoniert (Schema 4.7).51 Gleiches gilt für o-Toluidin, in
dem die Methylgruppe das reaktive Zentrum darstellt. 52
51 J. T. B. H. Jastrzebski, G. van Koten, Inorg. Synth. 1989, 26, 150-155. 52 A. G. Avent, P. B. Hitchcock, G. J. Leigh, M. Togrou, J. Organometallic Chem. 2003, 669, 87-100.
4 Eigene Ergebnisse 41
LiN+ LiBu
- BuHHex
N
10
LiN
+ LiBu
- BuHHex
N
11 Schema 4.7: Deprotonierung von o-Toluidin und Benzyldiethylamin.
Schwieriger ist die Situation in 2-Methoxynaphthalin. Hier ist die Kongruenz der 2- und 8-
Position am Naphthalinsystem zu beachten. Die Umgebung der beiden Positionen am
Naphthalin sind jedoch in sterischer Hinsicht unterschiedlich. Unter Verwendung von tert-
Butyllithium lässt sich die Deprotonierung so steuern, das fast ausschließlich das angestrebte
1-Methoxynaphth-8-yl-lithium erhalten wird (Schema 4.8). Auf diese Weise ist unter den in
der Literatur geschilderten Bedingungen das gewünschte Produkt mit Verunreinigungen des
2-Substitutionsproduktes
4 Eigene Ergebnisse 42
N
LiN
AlR
R+ R2AlCl
- LiCl-70 °CHex
R = Me (13); 58 % Et (14); 62 %
10
Schema 4.9: Synthese der Aluminiumorganyle 13 und 14.
Li
N+ Et2AlCl
- LiCl-70 °C
Hex/Tol
NAl
1581 %
11
Schema 4.10: Synthese des Aluminiumorganyls 15.
Die Reinigung erfolgte nach Filtration und Einengen durch langsame fraktionierte Destillation
des Rückstands unter Zuhilfenahme einer kurzen Vigreux-Kolonne. Die aluminium-
organischen Komplexe 13-15 wurden als farblose Flüssigkeiten isoliert und sind in jedem Verhältnis mit unpolaren Lösungsmitteln mischbar. Sie reagieren unter mäßiger
Rauchbildung mit Luftfeuchtigkeit.
Die anschließende kernresonanzspektroskopische Charakterisierung zeigt den typischen
Hochfeld-Shift der metallgebundenen Alkylprotonen und -13C-Atome. Ist das Aluminium
jedoch mit einem sp2-hybridisierten Kohlenstoffatom verknüpft, liegt dessen verbreiterte 13C-
Resonanz mit der größten chemischen Verschiebung im aromatischen Bereich. In Analogie zu
der Alkylverbindung 9 findet sich in den 1H-NMR-Spektren der beiden Diethylaluminium-Verbindungen (14 und 15) das Auftreten von ABX3-Systemen für die AlEt2-Gruppe. Die stickstoffgebundenen Ethylgruppen in 15 führen zu einem zusätzlichem ABX3-System, da diese Protonen ebenfalls nicht äquivalent sind. Alle 27Al-NMR-Spektren der Chelatkomplexe
bestätigen die Existenz von vierfach koordiniertem Aluminium.48
4 Eigene Ergebnisse 43
Die erhaltenen Massenspektren zeigen sich einheitlich. Wie häufig bei metallorganischen
Substanzen entsteht das Basissignal aus dem Verlust einer oder zwei Alkylgruppen ([M–R
bzw. M–2R]+) vom Molekülion. Die Abspaltung der zweiten Ethylgruppe ist einhergehend
mit einer β-H-Eliminierung, die zu einem Fragment der allgemeinen Formel [MH –2 C2H5]+
führt.
Die äquimolare Umsetzung von 1-Methoxynaphth-8-yl-lithium (12) mit Dimethyl-aluminiumchlorid führte zu dem Produkt Bis(8-methoxynaphthyl)methylaluminium 16b als farblosem Feststoff. Die Dialkylverbindung 16a konnte nicht isoliert werden. Ein Vergleich mit der Reaktion von 12 mit Et2AlCl gibt einen Hinweis auf eine möglich Begründung: Hier konnte neben Ethyl-bis(8-methoxynaphthyl)aluminium 17b in Form farbloser Kristalle
außerdem Diethyl(8-methoxynaphthyl)aluminium 17a isoliert werden (Schema 4.11).
Al O
O
R
OAl
R
ROLi
+ R2AlCl
- LiCl-70 °C
Tol
+
12 R = Me (16a)R = Et (17a), 23 %
R = Me (16b), 11 %R = Et (17b), 17 %
Schema 4.11: Metathese-Reaktion von 1-Methoxynaphthalin-8-yl-lithium mit Dialkyl-
aluminiumchloriden.
Das Gemisch von 17a und 17b ist unter Ausnutzung ihrer verschiedenen Löslichkeiten in Hexan trennbar. Die Diethylverbindung ist flüssig und daher mit Hexan unbegrenzt mischbar;
die Dinaphthylverbindung dagegen ist in Hexan nahezu unlöslich. Nach Extraktion eines
Gemisches von 17a und 17b mit Hexan und Einengen des Extrakts wurde aus dem Rückstand durch Destillation Diethyl(8-methoxynaphthyl)aluminium als leicht gelbliches Öl
isoliert.
4 Eigene Ergebnisse 44
Als wahrscheinlichsten Mechanismus für diese Produktverteilung ist eine Ligandenaustausch-
Reaktion anzusehen, wie sie schon häufiger bei Aluminiumkomplexen beobachtet wurde.26d
Diese zeigt sich bei Liganden mit schwach Lewis-basischen Donorfunktionen. Eine derartige
Disproportionierung ist im folgenden Schema wiedergegeben:
LAlR2 L2AlR AlR32 +O
L =
Schema 4.12: Ligandentausch-Reaktion unter Bildung von 16b und 17b.
Da das Aluminiumatom in dem intermediär gebildeten 16a stärker Lewis-sauer ist als in seinem Ethylanalogon 17a wird das Metallzentrum vom Sauerstoffatom nicht ausreichend abgesättigt. Die Folge ist eine elektronische Stabilisierung durch vollständigen
Ligandentausch. Aufgrund des stärkeren +I-Effekt des Ethylrests verläuft der Austausch
unvollständig, so dass neben 17b auch 17a isolierbar ist. Von den Verbindungen 16b und 17b wurden Einkristalle erhalten, die für die Röntgen-Strukturanalyse geeignet waren (Abbildung 4.15 und 4.16).
Abbildung 4.15: Molekülstruktur von 16b: Al-C1 1.985(4), Al-C2 1.979(3), Al-C13 1.968(3), Al-O1 2.135(3), Al-O2 2.111(3) Å; O2-Al-O1 171.72(11), C13-Al-C2 115.32(14),
C13-Al-C1 123.13(15), C2-Al-C1 121.49(15), C13-Al-O2 80.52(12), C2-Al-O2 96.46(12),
C1-Al-O2 95.24(13), C13-Al-O1 94.35(12), C2-Al-O1 79.78(12), C1-Al-O1 93.00(13), C11-
C2-Al 114.06(23), C3-C2-Al 130.00(25), C22-C13-Al 114.27(24), C14-C13-Al 130.47(27),
O1-C10-C11 112.48(31), C9-C10-O1 124.70(31), O2-C21-C22 111.94(30), C20-C21-O2
124.63(31)°.
4 Eigene Ergebnisse 45
Abbildung 4.16: Molekülstruktur von 17b: Al-C1 1.977(5), Al-C3 1.977(5), Al-C14 1.982(5), Al-O1 2.136(3), Al-O2 2.140(3) Å; O1-Al-O2 172.96(13), C1-Al-C3 117.41(21),
C1-Al-C14 122.60(21), C3-Al-C14 119.97(19), C1-Al-O1 91.98(16), C3-Al-O1 79.52(15),
C14-Al-O1 96.62(16), C1-Al-O2 95.05(16), C3-Al-O2 97.23(15), C14-Al-O2 79.51(15),
C12-C11-O1 112.07(40), C10-C11-O1 123.92(36), C23-C22-O2 112.08(41), C21-C22-O2
124.78(38), C23-C14-Al 114.47(31), C15-C14-Al 130.60(35), C12-C3-Al 114.81(30), C4-
C3-Al 130.08(36)°.
Methyl-bis(8-methoxynaphthyl)aluminium bildet orthorombische Kristalle in der
Raumgruppe Pbca. Ethyl-bis(8-methoxynaphthyl)aluminium kristallisiert trotz starker
struktureller Analogie in der monoklinen Raumgruppe P21/c. In beiden Komplexen sind die
Aluminiumzentren in einer verzerrt trigonal bipyramidalen Weise koordiniert. Dabei besetzen
die O-Atome die Kappen des Polyeders, die Kohlenstoffe sind in der Ebene angeordnet.
Verglichen mit der strukturell analogen Stickstoffverbindung Bis[8-
(dimethylamino)naphthyl]ethylaluminium findet man in 17b kürzere Al-O- und Al-C-Bindungslängen.27 Die sauerstoff- bzw. aluminiumtragenden C-Atome des Naphthylsystems
weichen in ihren Bindungsparametern leicht von der sp2-Geometrie ab. Es ist festzustellen,
dass sich trotz des starren Naphthylgerüstes eine Winkelverzerrung zugunsten einer
verstärkten O→Al-Bindung ausbildet (vgl. Abb 3.15/3.16). Die Komplexe Methyl- und
Ethyl-bis(8-methoxynaphthyl)aluminium sind in ihren strukturellen Parametern vergleichbar
und zeigen im wesentlichen keine auffallenden Unterschiede. Die sich gegenüberliegenden
Sauerstoffatome sind im Winkel (O1-Al-O2) von 171.72(11) (R = Me) bzw. 172.96(13)° (R =
Et) um das Aluminium angeordnet. Damit liegen diese Winkel im Vergleich zu den
alkoxydischen Dimeren deutlich näher an 180°.
4 Eigene Ergebnisse 46
Des weiteren liegen in der Ethylvariante die Atome Aluminium und Sauerstoff, sowie die an
diese gebundenen tertiären Naphthyl-Kohlenstoffe, nicht exakt in der Naphthyl-Ebene. Die
Auslenkung ist in Abbildung 4.17 wiedergegeben und resultiert in einer gegensätzlichen
envelope-Konfiguration jeweils eines Sechsrings im Naphthylsystem. Die sich so
aufspannenden Diederwinkel γ betragen in MeAl(naph-OMe)2 0.89(7) bzw. –1.19(7)° für je
einen Naphthylliganden. Aufgrund sterischer Einflüsse der Ethylfunktion in EtAl(naph-
OMe)2 erfährt das Aluminium eine Verschiebung aus der Ebene hinaus. Infolgedessen sind
die beiden Diederwinkel mit Größen von 4.29(9) bzw. 6.25(9)° dagegen deutlich aufgeweitet.
O AlAl
O
Me γ
Repulsion
Abbildung 4.17: Räumliche Ansicht und Newman-Projektion des metallgebundenen 8-
Methoxynaphthyl-Systems.
Alternativ zur Deprotonierung CH-acider Substanzen ist der Metall-Halogen-Austausch an
aromatischen Systemen geeignet, um lithiumorganische Vorläufer zu generieren. Bei diesem
Austausch ist die Regioselektivität wegen der definierten Position des Halogenatoms
vorbestimmt und im Vergleich mit Deprotonierungen um ein Vielfaches schneller. 2-(2-
Bromphenyl)furan ist in einer zweistufigen Synthese zu erhalten.54 Ausgehend von 2-
Aminobrombenzol wurde das Amin in einer Diazotierung in das Arendiazoniumsalz 18 umgewandelt (Schema 4.13). Das Diazoniumsalz ist mit Tetrafluoroborat als Anion auch bei
Raumtemperatur stabil. Es wurde als Zwischenprodukt in 75 %iger Ausbeute isoliert.
54 J. R. Beadle, S. H. Korzeniowski, D. E. Rosenberg, B. J. Garcia-Slanga, G. W. Gokel, J. Org. Chem. 1984, 49, 1595-1603.
4 Eigene Ergebnisse 47
Br
NH2
Br
N2
Cl BF4
Br
N2
NaNO2HCL
< -5 °C
NH4BF4
1875 %
Schema 4.13: Diazotierung von 2-Bromanilin.
Das Salz 18 wurde im zweiten Schritt durch homolytische Spaltung in Furan als Lösungsmittel in einer Gomberg-Bachmann-Reaktion in die Biarylverbindung überführt.55
Dabei diente der Kronenether 18-Krone-6 als Phasen-Transfer-Katalysator (5 mol%). Nach
chromatographischer Reinigung über Kieselgel und Destillation wurde das reine 2-(2-
Bromphenyl)furan 19 in 72 % Ausbeute erhalten.
Br
N2
BF42 Eq K2CO3
18-Krone-6Furan
O
Br
18 1972 %
Schema 4.14: Homolytische Spaltung des Diazoniumsalzes in Gegenwart von Furan.
Zur Synthese des Aluminiumalkyls wurde zuvor gekühltes 2-(2-Bromphenyl)furan 19 zu einer auf –70 °C gekühlten n-Butyllithium-Lösung gegeben. Nach 10 min wurde ein
Äquivalent Dimethylaluminiumchlorid zugetropft und langsam auf Raumtemperatur erwärmt.
Nach Filtration und Umkristallisieren in Hexan wurde ein farbloser Feststoff erhalten, der bei
148 °C schmilzt.
Die anschließenden NMR-Untersuchungen der Kristalle deuteten auf die Bildung von Bis(2-
furan-2-yl-phenyl)methylaluminium 20b hin. Die Verbindung erscheint im 27Al-NMR-Spektrum mit einem Signal bei 7.6 ppm, typisch für Aluminium mit der Koordinationszahl
fünf. Schema 4.15 entsprechend reagiert 2-Furan-2-ylphenyllithium mit Me2AlCl zu Bis(2-
furan-2-yl-phenyl)methylaluminium 20b. Auch die Variation der Reaktionsführung (Lösungsmittel, Temperatur) führte zum gleichen Reaktionsprodukt.
55 J. March, Advanced Organic Chemistry, 3. Aufl., Wiley, New York, 1985, 640-641.
4 Eigene Ergebnisse 48
O
Br1) + LiBu
- BrBu
2) + Me2AlCl- LiCl-70 °C
Tol
O
Al
O
Al
O
- AlMe3
219 20a
20b59 %
Schema 4.15: Synthese von 20b durch Halogen-Metall-Austausch.
Einkristalle für die Röntgen-Strukturanalyse konnten aus einer Hexanlösung erhalten werden.
Mit Hilfe der Strukturanalyse konnte die Struktur von 20b aufgeklärt werden.
Abbildung 4.18: Molekülstruktur von 20b: Al-C1 1.952(3), Al-C2 1.985(3), Al-C12 1.982(3), Al-O1 2.101(2), Al-O2 2.188(2) Å; C1-Al-C12 121.02(12), C1-Al-C2 127.32(12),
C12-Al-C2 111.65(11), C1-Al-O1 94.72(10), C12-Al-O1 95.71(10), C2-Al-O1 80.79(10),
C1-Al-O2 93.77(10), C12-Al-O2 78.95(10), C2-Al-O2 94.88(9), O1-Al-O2 171.44(8), C13-
Al-C12 127.06(23), C17-Al-C12 116.97(20), C2-Al-C3 130.08(20), C2-Al-C7 114.13(19)°.
4 Eigene Ergebnisse 49
Wie in den davor beschriebenen pentavalenten Aluminiumalkylen (16b und 17b) ist das Metallzentrum von 20b in einer trigonal bipyramidalen Koordinationssphäre zu finden. Auch hier ist Aluminium abweichend vom optimalen sp2-Bindungswinkel (120 °) abgewinkelt am
Benzol-Grundkörper gebunden. Durch die Verkleinerung der Winkel C2-Al-C7 bzw. C17-Al-
C12 und damit einhergehender Aufweitung der Winkel C13-Al-C12 bzw. C2-Al-C3 wird eine
bessere Überlappung der Sauerstoff- und Aluminiumorbitale ermöglicht. Während ein
Arylligand annähernd planar auftritt, ist der zweite Arylligand in sich schwach um die ipsoC-ipsoC-Achse verdrillt, was zu einem Diederwinkel C2-C7-C8-O1 mit 2.89(36)° führt. Diese
Asymmetrie der beiden Liganden im Festkörper resultiert in unterschiedlichen Diederwinkeln
(Al-C12-C18-O2: 4.29(15)°, O1-C8-C2-Al: 8.76(14)°. Diese Fragestellung kann analog zu
den Verbindungen 16b und 17b anhand des Winkels γ diskutiert werden (Seite 46). Ferner
sind die beiden Al-O-Abstände mit Größen von 2.101(2) und 2.188(2) Å (Al-O1 bzw. Al-O2)
unterschiedlich.
Der Mechanismus zur Bildung von 20b ist vergleichbar der Entstehung der Bisnaphthylaluminiumalkyle 16b und 17b. Unter Berücksichtigung, dass in beiden Ligandensystemen der Sauerstoff nur eine schwache Lewis-Basizität aufweist, jedoch mit
einem stark Lewis-saurem Metallzentrum verbunden ist, erscheint dieses Reaktionsverhalten
nach Schema 4.16 folgerichtig.
LAlR2 L2AlR AlR32 +
L =
O O
oder1/2 (AlR3)2 Schema 4.16: Ligandentausch-Reaktion schwacher Lewis-Base-Liganden.
Dabei umgibt sich ein Metallzentrum mit drei Kohlenstoff- und zwei schwach lewis-
basischen Sauerstoffatomen, während das andere Aluminiumatom durch eine klassische drei-
Zentren-zwei-Elektronen-Bindung stabilisiert wird. Diese Verteilung ist wahrscheinlich
gegenüber der Vierfachkoordination mit einem schwach lewis-basischen Sauerstoffatom
energetisch begünstigt.
4 Eigene Ergebnisse 50
Im Gegensatz zu Syntheserouten die über lithium- oder magnesiumorganische Vorläufer
erfolgen haben Hydroaluminierungen einen entscheidenden Vorteil. Bei der Addition eines
Dialkylaluminiumhydrids an eine Mehrfachbindung gibt es keine Metallsalze als Beiprodukt.
Die Reaktion ist damit atomökonomisch und der, manchmal langwierige, Filtrationsschritt
entfällt bei der Aufarbeitung. Eine derartige Hydroaluminierung gelang, indem eine Lösung
von Diisobutylaluminiumhydrid und 2-Methoxystyrol56 in Hexan über Nacht in der
Siedehitze gerührt wurde. Nach Entfernen der Lösungsmittel wurde das Produkt als farbloses
Öl durch fraktionierte Destillation gewonnen.
O
Al
iBu
iBuO + iBu2AlH
Hexan70 °C
2180 %
Schema 4.17: Hydroaluminierung von 2-Methoxystyrol.
Das Addukt formt durch intramolekulare O→Al-Koordination ein Sechsring-System. Ein
solches gespanntes sechsgliedriges Ringsystem ist, verglichen mit Fünfringen, in der
Koordinationschemie jedoch ungünstig. Die intramolekulare Basenstabilisierung wird zudem
durch die sperrigen iso-Butylgruppen behindert. Die Addition beider Effekte lässt das
Entstehen eines offenen η1-gebundenen Aluminiumalkyls vermuten. Eine derartige η1-η2-
Isomerie (Abbildung 4.19) ist schon bei den Schwefel-Alkoxy-Verbindungen aufgetaucht.
Analog dieser Verbindungsklasse muss diese Topoisomerie anhand der Methoxysignale im 1H-NMR-Spektrum von 21 erkennbar sein.
O
Al
iBu
iBuO
AliBu
iBuη1η2
Abbildung 4.19: Topoisomerie von 21.
Tatsächlich ist im 1H-NMR-Spektrum von 21 das Auftreten von zwei Signal-Sätzen im Intensitätsverhältnis 53:47 zu finden, was auf das Vorliegen von zwei Isomeren deutet
(Abbildung 4.20):
56 F. Hollywood, H. Suschitzky, R. Hull, Synthesis 1982, 8, 662-665.
4 Eigene Ergebnisse 51
Abbildung 4.20: 1H-NMR-Spektrum von 21.
Tabelle 4.3: Zuordnung der Signale im 1H-NMR-Spektrum von 21 in ppm.
H-Atome δ des η2-Isomers δ des η1-Isomers
Alkylprotonen A 0.27 0.18
B 2.00 2.00
C 1.09 1.11
D 0.53 1.49 - 1.63
E 2.88 1.49 - 1.63
F 3.16 3.33
Aromatische Protonen G 7.35 6.74 - 6.79
H 6.95 6.82 - 6.89
I 6.78 - 6.85 6.94
J 6.22 6.41
4 Eigene Ergebnisse 52
4.2.3 Vinylische Aluminiumalkyle
In vinylischen Aluminiumtrialkylen ist das Metallatom mit einem sp2-Strukturelement einer
isolierten Doppelbindung verbunden. Um intramolekular stabilisierte Dialkylvinylaluminium-
Verbindungen zu erhalten, ist die Konfiguration der Doppel