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ZUSCHRIFTEN 0 la: R = Li L Synthese von 3-Desoxy-~-manno-~-octulosonsaure (KDO)** Von Richard R. Schmidt* und Rainer Betz KDO (Ammoniumsalz: 7) ist ein integraler Bestandteil der Lipopolysaccharide Gram-negativer Bakterien"]. Der Aufbau der D-manno-Struktur aus D-Mannosederhaten unter Kettenverlangerung durch Wittig-Reaktion erfor- derte in allen publizierten Synthesen zusitzliche Schritte zur Einfiihrung oder Freisetzung der 2-Ket0gruppe['-~]. Beim Aufbau aus D-Arabinose und Derivaten erwies sich insbesondere die Bildung von Diastereoisomeren und de- ren Trennung als na~hteilig~~]. Das besondere Interesse an der Chemie von KDO"] war AnlaB, in Analogie zur Bio- synthese"] eine ergiebige Synthese auf der Basis von C-li- thiierter, funktionell substituierter Acrylsaure als Brenz- traubensiure-8quivalentem C,-Baustein und D-Arabinose als C5-Baustein auszuarbeiten (Schema 1). Schema 1. Als geeigneter C3-Synthesebaustein envies sich 2-Ben- zyloxy-3-(phenylthio)acrylsiure-N-methylamid lIs1, das mit Lithiumdiisopropylamid im Molverhaltnis 1 : 2 direkt und praktisch quantitativ die dilithiierte Spezies la bildet (Schema 2). Mit der leicht zuganglichen 2,3 : 4,5-Di-O-iso- propyliden-D-arabinose 216' als Elektrophil wurde in sehr guter Ausbeute und hochdiastereoselektiv das erwiinschte D-manno-Produkt 3 erhalten (in Tetrahydrofuran (THF)/ Hexamethylphosphorsauretriamid: 85%, 3 : 4 > 15 : 1 ; in THF: 75%, 3 : 4 = 8 : l), das aus der Mutterlauge isomeren- frei auskristallisierte (Fp= 113-1 14"C, 75%). Damit war das Problem der Diastereoisomerentrennung auf einfache Weise gel6st. Die diastereofaciale Selektivitat kann mit dem Felkin-Modell erkliirt werden"'. Sterische und stereo- elektronische Einfliisse begiinstigen den Re-Angriff bei 2A zum D-manno-Produkt 3 gegeniiber dem Si-Angriff zum D-gluco-Produkt 4 (Schema 3). Bei 2B sind der Re- und insbesondere der Si-Angriff, bedingt durch den Raumbe- darf der 4,5-0-Isopropylidengruppe, benachteiligt. Schema 2. Bn = GHsCHZ. OH Durch Erhitzen in Petrolether (Kp= 110-140°C) wurde 3 praktisch quantitativ in das Butenolid 5 umgewandelt["], das durch Filtration iiber Silicagel als farbloses 01 erhalten wurde. Die Abspaltung der Phenylthiogruppe gelang mit Tributylzinnhydrid und Bromwasserstoff (73% nach Filtra- tion iiber Sili~agel)[~! Die Benzylgruppe wurde hydrogeno- lytisch mit Palladium auf Aktivkohle in Ethylacetat ent- fernt; dabei entstand die bekannte KDO-Zwischenstufe 6 als farblose Kristalle [95%; Fp= 100-104"C, Lit.[21 102- 104°C; 57.2 (CHC13, c= 1); Lit.['] [a]$? 56.7 (CHCI,)]. Me Re- Angrif f \ \ Me 1'1 Prof. Dr. R. R. Schmidt, R Betz Fakultiit fur Chemie der Universitit Postfach 5560, D-7750 Konstanz [**J Vinylcarbanionen, 19. Mitteilung. Diese Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und vom Fonds der Chemischen lndustric unterstiitzt. - 18. Mitteilung: R. R Schmidt, Bull. Soc. Chim. Eelg. 92 (1983) 825. Schema 3. O H H 420 Q Verlag Chemie GmbH. 0-6940 Weinheim. 1984 0044-8249/84/0606-0420 $02.50/0 Angew. Chem. 96 (1984) Nr. 6

Synthese von 3-Desoxy-D-manno-2-octulosonsäure (KDO)

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ZUSCHRIFTEN

0

la: R = Li L

Synthese von 3-Desoxy-~-manno-~-octulosonsaure (KDO)** Von Richard R. Schmidt* und Rainer Betz

KDO (Ammoniumsalz: 7) ist ein integraler Bestandteil der Lipopolysaccharide Gram-negativer Bakterien"]. Der Aufbau der D-manno-Struktur aus D-Mannosederhaten unter Kettenverlangerung durch Wittig-Reaktion erfor- derte in allen publizierten Synthesen zusitzliche Schritte zur Einfiihrung oder Freisetzung der 2-Ket0gruppe['-~]. Beim Aufbau aus D-Arabinose und Derivaten erwies sich insbesondere die Bildung von Diastereoisomeren und de- ren Trennung als na~hteil ig~~]. Das besondere Interesse an der Chemie von KDO"] war AnlaB, in Analogie zur Bio- synthese"] eine ergiebige Synthese auf der Basis von C-li- thiierter, funktionell substituierter Acrylsaure als Brenz- traubensiure-8quivalentem C,-Baustein und D-Arabinose als C5-Baustein auszuarbeiten (Schema 1).

Schema 1 .

Als geeigneter C3-Synthesebaustein envies sich 2-Ben- zyloxy-3-(phenylthio)acrylsiure-N-methylamid lIs1, das mit Lithiumdiisopropylamid im Molverhaltnis 1 : 2 direkt und praktisch quantitativ die dilithiierte Spezies la bildet (Schema 2). Mit der leicht zuganglichen 2,3 : 4,5-Di-O-iso- propyliden-D-arabinose 216' als Elektrophil wurde in sehr guter Ausbeute und hochdiastereoselektiv das erwiinschte D-manno-Produkt 3 erhalten (in Tetrahydrofuran (THF)/ Hexamethylphosphorsauretriamid: 85%, 3 : 4 > 15 : 1 ; in THF: 75%, 3 : 4 = 8 : l), das aus der Mutterlauge isomeren- frei auskristallisierte (Fp= 113-1 14"C, 75%). Damit war das Problem der Diastereoisomerentrennung auf einfache Weise gel6st. Die diastereofaciale Selektivitat kann mit dem Felkin-Modell erkliirt werden"'. Sterische und stereo- elektronische Einfliisse begiinstigen den Re-Angriff bei 2A zum D-manno-Produkt 3 gegeniiber dem Si-Angriff zum D-gluco-Produkt 4 (Schema 3). Bei 2B sind der Re- und insbesondere der Si-Angriff, bedingt durch den Raumbe- darf der 4,5-0-Isopropylidengruppe, benachteiligt.

Schema 2. Bn = GHsCHZ. OH

Durch Erhitzen in Petrolether (Kp= 110-140°C) wurde 3 praktisch quantitativ in das Butenolid 5 umgewandelt["], das durch Filtration iiber Silicagel als farbloses 0 1 erhalten wurde. Die Abspaltung der Phenylthiogruppe gelang mit Tributylzinnhydrid und Bromwasserstoff (73% nach Filtra- tion iiber Sili~agel)[~! Die Benzylgruppe wurde hydrogeno- lytisch mit Palladium auf Aktivkohle in Ethylacetat ent- fernt; dabei entstand die bekannte KDO-Zwischenstufe 6 als farblose Kristalle [95%; Fp= 100-104"C, Lit.[21 102- 104°C; 57.2 (CHC13, c= 1); Lit.['] [a]$? 56.7 (CHCI,)].

M e

Re- Angrif f \ \ Me

1'1 Prof. Dr. R. R. Schmidt, R Betz Fakultiit fur Chemie der Universitit Postfach 5560, D-7750 Konstanz

[**J Vinylcarbanionen, 19. Mitteilung. Diese Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und vom Fonds der Chemischen lndustric unterstiitzt. - 18. Mitteilung: R. R Schmidt, Bull. Soc. Chim. Eelg. 92 (1983) 825. Schema 3.

O H H

420 Q Verlag Chemie GmbH. 0-6940 Weinheim. 1984 0044-8249/84/0606-0420 $02.50/0 Angew. Chem. 96 (1984) Nr. 6

Nach 'H-NMR-Daten (250 MHz, CDCI3/CaD6=4 : 1) liegen 10% von 6 in der tautomeren Ketoform vor.

Fur die Abspaltung der Isopropylidengruppen rnit wBR- riger Trifluoressigsaure (85%) und die Gewinnung des Am- moniumsalzes 7 von KDO (75yo) in Ammoniak bewahrten sich die bekannten Methoden['].

Eingegangen am 17. Januar, erganzt am 28. Marz 1984 [Z 6811

[ I ] F. M. Unger, Adu. Carbohydr. Chem. Biochem. 38 (1981) 323. [21 P. M. Collins, W. G. Overend, T. Shing, J. Chem. SOC. Chem. Commun.

1981. 1139. [3] D. Charon, R. S. Sarfati, D. R Strobach, L. Szabo, Eur. J. Biochem. I 1

(1969) 364: M. B. Perry, D. T. Williams, Methods Carbohydr. Chem. 7 (1976) 44.

(41 M. A. Ghalambor, E. M. Levine, E. C. Heath, J. Biol. Chem. 241 (1966) 3207: C. Henhberger, M. Davis, S. 8. Binkley, ibid. 243 (1968) 1585: C. Henhberger, S. B. Binkley, ibid. 243 (1968) 1578; N. K. Kochetkov, B. k Dimitriev, L. V. Bachinowsky, Carbohydr. Res. I 1 (1969) 193.

[S] Verbindung 1 (Fp-53-54°C) wird bequem in 100g-Mengen auf folgen- dem Weg (Aufarbeitung durch Destillation und Kristallisation) erhalten: Z,Z-Bis(benzyloxy)propionslure-ethylester + 1) P4Ol0 in Dimethylfom- amid bei 100°C (86%); + 2) PhSH in THF/Fe (74%) - 2-Benzyloxy-3- (pheny1thio)-propionsfiure-ethylester; dessen Umsetzung rnit 1) N-Chlor- succinimid in CCI,: NEtl (89%); 2) mit MeNH2 (81%) - 1.

[6] H. Zinner, E. Wittenburg, G. Rembarz, Chem. Ber. 92 (1959) 1614. 171 Siehe dazu das Ergebnis bei Aldolreaktionen von a-Alkoxyaldehydcn: D.

A. Evans, J. V. Nelson, T. R. Taber, Top. Stereochem. 13 (1982) 1; J. Mul- zer, Nachr. Chem. Tech. Lob. 32 (1984) 16, zit. Lit.

IS] R R. Schmidt, H. Speer, Synrhesis 1977. 869, zit. Lit. [91 Die durch Phenylthio-Austausch erhaltene Tributylzinn-Zwischenstufe

wurde rnit Bromwassentoff gespalten: D. Seyferth, J. Am. Chem. Sot. 79 (1957) 2133.

Ambidentes Verhalten einkerniger Vinylidenrhodium-Komplexe - neuartige C-C-Verkniipfung einer Methyl- mit einer Vinylidengruppe Von Helmut Werner*, Justin WO& Gerhard Miiller und Carl Kriiger Professor Jan Thesing zum 60. Geburtstag gewidmet

Neben Carbenmetall-Komplexen L,M=CRR' haben die mit ihnen verwandten Vinylidenmetall-Komplexe L,M=C=CRR' zunehmendes Interesse gefundenl']; sie enthalten - wie auch Riintgen-Strukturanalysen bestiiti- genl'l - ein kumuliertes n-Elektronensystem und kiinnen daher als ,,Metalla-allene" aufgefaRt werden. In den kiln- lich synthetisierten Komplexen rnit L,M = C,H,(iPr3P)Rh und CRR'=CH2, CHMe, CHPh["bl ist die M=C- und nicht die C=C-Bindung die bevonugte Angriffstelle fur Elektrophile, wie aus den Beispielen in Schema 1 hervor- gehtl'''.

Wir haben jetzt entdeckt, daI3 bei Venvendung von CuCl statt CuS04 fur die CH,-ifbertragung aus Diazomethan auf l a neben 2a noch eine andere q5-C,H,Rh-haltige Ver- bindung der Zusammensetzung 3a entsteht; sie wird direkt aus l a und CuCl in Tetrahydrofuran (THF) bei Raumtem- peratur rnit 71% Ausbeute erhalted3I. Der neue Komplex enthalt eine p-C=CH,-Briicke zwischen zwei verschiede-

[*I Prof. Dr. H. Werner, J. Wolf lnstitut for Anorganische Chemie der Univenitat Am Hubland, D-8700 Wiirzburg Prof. Dr. C. Kriiger, Dr. G. Miiller 1'1 Max-Planck-lnstitut fiir Kohlenfonchung, D-4330 Mtilheim a. d. Ruhr

hiveni ta t MOnchen, D-8046 Garching. ['I Standige Anschrift: Anorganisch-chemisches Institut der Technischen

E HX /R E \

C H P R [Rh]: p - [Rh]=C=C, - [Rh&C+

II H C l a : R = H

lb: R = P h (E = S, Se, Te) R' 'H

H H \ /

/ \ 2 a . b C [RhI-C,

F ' R H Schema 1. [Rh]=C5H,(iPr3P)Rh.

nen Metallatomen, wofiir bisher nur ein Beispiel bekannt id4].

Der Versuch, durch Umsetzung von l a mit CsH5Rh(L)C0 (L-COY PMe,) oder C5HsRh(PMe3)C2H4 einen (p-C=CH2)Rh2-Komplex mit zwei 16-Elektronen- Fragmenten C,H,(L)Rh beiderseits der Vinylidenbriicke henustellen, scheiterte an der zu geringen Reaktivitat der Ausgangsverbindungen C5H5Rh(L)L'. Mit der 14-Elektro- nen-Spezies (iPr3P)2RhC1 setzt sich l a jedoch rasch (Pen- tan, 25"C, 10min; Ausbeute 56%) zu dem Zweikemkom- plex 4a urn, in dem das ,,Metalla-allen" ahnlich wie ein Alkenl'l oder ein Alkin12".b1 an das quadratisch-planar ko- ordinierte Rhodiumatom gebunden id3].

l a ( Ib) 3a I

(RIP)>RhCI I [Rh]=C=CHR

R13P-F!h-PR13 I

c1

CHzR

Schema 2. [Rh]-C,H,(R;P)Rh, R'-iPr (P-Atom der Gruppe C5H5(R;P)Rh im "P-NMR-Spektrum von 4.131 als PI bezeichnet); I: R-H; b: R=Ph.

Festes 4a ist unter Inertgas stabil. In L6sung tritt bei 25°C nach mehreren Tagen, bei 50°C nach 2-3 h Phos- phan-Abspaltung ein, und es entsteht ein Zweikemkom- plex rnit Hydridobriicke, der aoch nicht analysenrein iso- liert werden konnte; sowohl die NMR-Daten als auch das Massenspektrum [M+ bei m/z 652 (35Cl), 654 ("CI)] spre- chen fur das Vorliegen von 5a (Schema 2).

Das entsprechende Phenylderivat 5b entsteht sofart aus l b und (iPr3P)'RhC1 (Benzol, 25"C, 30 min; Ausbeute 63%)13], wobei die Zwischenstufe 4b 'H-NMR-spektrosko- pisch nachweisbar ist. Offenbar wird die iPr3P-Eliminie- rung aus 4b durch den Phenylsubstituenten am $-C-Atom des Vinylidenliganden begiinstigt.

Angew. Chem. 96 (1984) Nr. 6 8 Verkag Chemie GmbH, 0 6 9 4 0 Weinheim. 1984 0044-8249/84/0606-042I $02.50/0 42 1