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143 Systeniatische Untersuchungen zum Polymorphismus organischer Substanzen; von C. Weygand. Mit 4 Figuren im Text. [Ans dem Laboratorium f~r angewandte Chemie und Pharmaeie der Universitit Leipzig.] (Eingelaufen am 18. April 1929.) I. Uber spezifische Impfwirkung bei polymorphen Formen in der Chalkonreihe. In einer kiirzlich erschienenen Arbeit uber Beziehungen zwhchen Polymorphisnaus und Athylen-Stereomeriel) wurde unter der Uberschrift ,,Bemerkung uber den Zusammenhang zwischen Molekiilbau und Krystallhabitus" darauf hingewiesen, da13 man bei dem Aufsuchen derartiger Zusammenhiinge zwi- schen strukturchemisch verwandten organischen Verbindungen die sogenannte Korres~ondenz-Beziehu~ag zu berucksichtigen Babe. Im folgenden wird mitgeteilt, wie sich dieser Gedanke esperimentell durchfuhren la&. Es erschien nachtraglich unwahrscheinlich, daI3 er nicht schon fruher ausgesprochen worden sein sollte, obwohl sich in der organischen Fachliteratur keine deutlichen Hinweise darauf fanden. Doch hat P. Grot h2) sogar bereits den naheliegenden Ausdruck ,,korrespondierende Zustande" gebraucht und W. Nernst und A. Hesse3) wiesen schon vor 36 Jahren darauf hin, daI3 beim Vergleich von Schmelzpunkten die Vor- frage entschieden werden miisse, welche Modifikationen die vergleich- baren wiiren. Uber diese theoretischen oberlegungen hinaus soheint jedooh das wichtige Problem bis in die neueste Zeit hinein nicht ge- diehen zu sein. Die Moglichkeit, die Vorfrage in vielen Fallen eindeutig zu entscheiden und damit u. a. zu rationellen, in manchen Fdlen auch zahlenmiii8ig angenahert faabaren Schmelzpunkts- beziehunqen zii kommen, ist in der Isomorphiebeziehung -- l) B. 62, 562 (1929). 2, Elemente der phys. u. chem. Krystallographie, 1921, S. 318 8, Siede- und Schmelzpunkt, 1893, S. 106 (Braunschweig). (Munchen u. Berlin).

Systematische Untersuchungen zum Polymorphismus organischer Substanzen

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143

Systeniatische Untersuchungen zum Polymorphismus organischer Substanzen;

von C. Weygand. Mit 4 Figuren im Text.

[Ans dem Laboratorium f ~ r angewandte Chemie und Pharmaeie der Universitit Leipzig.]

(Eingelaufen am 18. April 1929.)

I. Uber spezifische Impfwirkung bei polymorphen Formen in der Chalkonreihe.

In einer kiirzlich erschienenen Arbeit uber Beziehungen zwhchen Polymorphisnaus und Athylen-Stereomeriel) wurde unter der Uberschrift ,,Bemerkung uber den Zusammenhang zwischen Molekiilbau und Krystallhabitus" darauf hingewiesen, da13 man bei dem Aufsuchen derartiger Zusammenhiinge zwi- schen strukturchemisch verwandten organischen Verbindungen die sogenannte Korres~ondenz-Beziehu~ag zu berucksichtigen Babe. Im folgenden wird mitgeteilt, wie sich dieser Gedanke esperimentell durchfuhren la&.

Es erschien nachtraglich unwahrscheinlich, daI3 er nicht schon fruher ausgesprochen worden sein sollte, obwohl sich in der organischen Fachliteratur keine deutlichen Hinweise darauf fanden. Doch hat P. Grot h2) sogar bereits den naheliegenden Ausdruck ,,korrespondierende Zustande" gebraucht und W. Nernst und A. Hesse3) wiesen schon vor 36 Jahren darauf hin, daI3 beim Vergleich von Schmelzpunkten die Vor- frage entschieden werden miisse, welche Modifikationen die vergleich- baren wiiren. Uber diese theoretischen oberlegungen hinaus soheint jedooh das wichtige Problem bis in die neueste Zeit hinein nicht ge- diehen zu sein.

Die Moglichkeit, die Vorfrage in vielen Fallen eindeutig zu entscheiden und damit u. a. zu rationellen, in manchen Fdlen auch zahlenmiii8ig angenahert faabaren Schmelzpunkts- beziehunqen zii kommen, ist in der Isomorphiebeziehung --

l) B. 62, 562 (1929). 2, Elemente der phys. u. chem. Krystallographie, 1921, S. 318

8, Siede- und Schmelzpunkt, 1893, S. 106 (Braunschweig). (Munchen u. Berlin).

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144 We yg a n d ,

kowespondierender Formen xueinunder aufgefunden worden, wozu der folgende Grundversuch gefiihrt hat :

Der Schmelzpunkt des p’-Athylchalkons liegt bei 61,5O, der der stabilen Form des p’-Methylchalkons bei 74,5O; die Erstarrungs-Mechanismen (E.-M.) der beiden Substanzen sind grundverschieden. Es wurde schon fruher vermutet, da13 zu dem Athylderivat als eigentliches Homologesl) bzw. als korre- spondierende Modifikation2) nicht die obige, sondern eine metastabile Form des Methylderi~ats~) (111, @) vom Schmelz- punkt 55,5O gehore. Die E.-M. der beiden Formen waen in der Tat deutlich verwandt, wenn auch nicht vollig identisch. Nach der Auffindung der Modifikation V I (Schmelzp. 48O) des Methylderivats wurde erkannt, da13 die Abweichungen, die der E.-M. des Athyl-chalkons von dcm des Methyl-chalkons 111 zeigte, das erstere jener Form V I deutlich annaherten. Die Modifikationen I11 und VI gehoren im p’-Methybehulkon- System3) als ,,variante Formen“ engstens zusammen.

Nun wurde die unterkuhlte Schmelze des $-Methyl- chalkons mit einer Spur des festen p’-k’thylchalkons, unter Vermeidung jeglicher Reibung, in Beruhrung gebracht. An- dererseits wurde die unterkuhlte Schmelze des p’-k’thyl- chalkons nacheinander in der gleichen Weise mit Partikeln aller 7 Hauptformen des p’-Methybhalkons in Beruhrung ge- bracht.

Es zeigte sich, da13 die p’-Methylchalkonschmelze in Be- riihrung mit dem festen p’-Athylchalkon augenblicklich zur Modifikation V I zu erstarren beginnt, die Athylchalkon- schmelze andererseits wird allein von dem festen p’-Methyl- chalkon VI, sonst aber von keiner der anderen G Haupt- formen, zum sofortigen Erstarren angeregt. Die Erstarrungs- produkte und ihr E.-M. weichen in keinem einzigen Punkt vom ublichen ab. Daraus ist zu schlieBen, daB das p’-k’thyl- chalkon die korrespondierende Form der Modifikation V I des p’-Methylchulkons sein muB, daB es aber in gewissen Punkten

1) C. Weygand und A. Matthes, A. 419, 52 (1926), 2, B. 62, 562 (1929). 3, Uber die Bezeichnung der p’-Methylchalkon-Modifikationen ~ g 1 .

A. 469, 230 (1929). Obersicht: Tab. 1, S. 29 (diese Arbeit),

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Systematische Untersuch. zum Polymorphismus organ. Subst. 145

sich dem p’-Methylchalkon 111, der varianten Form von VI, deutlich nahert.

Es zeigte sich ferner, da13 auch das p,p’-Dimethyl-chalkon die p’-Athylchalkonschmelze animpft, und zwar zu der einen einzigen Form vom Schmelzp. 61,5O, in der diese Substanz bekannt ist, die p’-Methyl-chalkonschmelze aber je nach den Umstanden (naheres dariiber wird unten mitgeteilt) zu den Formen 111, VI und VII.

Uberraschenderweise ’) wird die Schmelze des p’-n-Prop yl- chalkons, das im E.-M. dem p’-k’thybhalkon an sich nahe steht, am meisten aber dem p’-Methylchalkon VI ahnelt, weder vom einen noch vom anderen Verwandten angeimpft, und ebensowenig regt die feste Substanz deren unterkiihlte Schmelzen zur Erstarrung an. Zwiscben dem Methyl- und Athylderivat herrscht also, entgegen der gewohnlichen An- nahme, engere Verwandtschaft als zwischen dem Athyl- und n-Propylderivat .

Alsbald wurde danach gefunden, daB ganz analoge und streng systematische Beziehungen zwischen grol3eren Gruppen von durch einfache oder mehrfache Substitution auseinander hervorgehenden Stoffen bestehen, und es scheint, als ob die vor mehr als 50 Jahren von P. Groth entdeckte Morphotropie der organischen Substanz jetzt, unter Berucksichtigung der vorgeschlagenen Begriffe der korrespoadierenden und der varianten Modifikationen eine neue Bedeutung fi i r die organische Formenlehre, zunachst in einer der Hauptprovinzen des Poly- morphismus, der Chalkon-Familie, bekommen wiirde.

11. Uber Beziehungen zwischen Strukturisomerie (Taut om er i e) un d P o 1 y m o r p h is mu s.

Den Ausgangspunkt f i i r die Entdeckung der im dritten Abschnitt geschilderten systematischen Beziehungen zwischen zahlreichen Chalkonderivaten bildeten die folgenden Uber- legungen und Versuche :

So wie es einerseits zahlreiche ,,iiberzahlige Isomere“

l ) Anmerkung be i d e r Kor rek tu r : Eine Erklarung dimes, wie sich zeigte, im Grunde nicht mehr iiberraschenden Umstandes wird demnachst an anderer Stelle gegeben werden.

Annalen der Chemie 472 . Band. 10

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146 We yg and,

gibt, f i i r welche Struktur- und Stereocheniie keine Symbole zur Verfugung stellen, so fehlen andererseits Formen, die nach der klassischen Isomerielehre an sich zu erwarten gewesen waren. DaB z. B. die Zahl der Athylenstereomeren, verglichen mit der Zahl der k’thylenderiwate erstaunlich gering ist, hat schon manchen Isomerieforscher nachdenklich gemacht. Im Gebiet der Strukturisomerie sind die unerfiillten homerie- prognosen weniger zahlreich.

Eines der am langsten bekannten Beispiele dafur bilden die PyraxoZe vom Typus

R’--CCH=C-R” R’-C=CH-C-R’ I I I (I) und I / I (11)

NH- - N N-HN

die niemals in den xwei vorauszusehenden isomeren Formen (I) und (11), sondern stets nur in einer einzigen auftreten. Ich hatte vor einiger Zeitl) auf Grund eines eingehenden Experimentalstudiums die Strukturisomerie (Tautomerie) der Keto-Enole aus unsymmetrischen 1,3-Diketonen deshalb zu der obigen Tautomerie der Pyrazole in Parallele gesetzt, weil einmal rein formal die entsprechenden Formelbilder eine voll- standige Analogie miteinander zeigen, wenn man sie in kon- gruenter Lagerung aufzeichnet :

R’-C-CH=-CR’ R’-C=CH-C-R” I (111) und I II (IV)

OH 0 II 0 HO

und weil andererseits auch diese beiden isomeren Pormen- typen weder sicher isoliert, noch auch den im festen Zustande vollig einheitlich erscheinenden, aber tautomer reagierenden Substanzen eine der beiden obigen Konstitutionsformeln zu- gewiesen werden konnte.

Nachdem kiirzlich2) gefunden worden war, da13 zwischen Athylenstereomerie und Polyrnorphisrnus deutliche Ubergange bestehen, lag die Vermutung nahe, es konnten auch die labilen Strukturisomeren vom obigen Typus sich unter Umstanden verhalten wie polymorphe Formen, und es ware deshalb bei den ublichen Operationen in Losung stets nur eine, die stabilste Enolform, erhalten worden. Polymorphismus bei ,%Oxy-

l) A. 469, 99 (1927). z, A. a. 0.

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Systematisehe Untersuch. zurn Polymoi-phisrnus organ, Subst. 147

chalkonen vom Typus (111, IV) war von mirl) beim Dibenzoyl- methan und beim p-Bromdibenzoylmethan, beim ersteren un- abhangig auch von Ch. Dufraisse2) bereits aufgefunden worden. Beim p-Bromdibenzoylmethan zeigten die beiden Formen Mischschmelzpunkte, der Charakter der Umwandlung war entmischungsartig [Chemischer Polymorphismus 3 I1 des neuen Polymorphic-Schematismus von K. S ~ h a u m ] . ~ )

Trotzdem hatte ich mich vorlaufig nicht entschlieBen konnen, die beiden Formen als Enobtrukturisomere zu deuten, weil ja ahnliches, wenn auch ohne Schmelzpunktsbeeinflussung, beim Dibenzoylmethan-enol selbst vorlag, bei dem die beiden verschiedenen Struktur-isomeren nicht existieren konnen.

Beim erneuten Studium des p-Methyl-dibenzoylmethan- enols4) nach der Deckglas-Methode5) zeigte sich jetzt, daB auch diese Substanz in mehreren polymorphen Formen auf- tritt :

An der unterkuhlten Schmelze erscheint bevorzugt, mit relativ hoher Keimzahl cine neue, metastabile Form vom Schmelzp. 64O, die in regelmaBigen Spharolithen wachst und von der ebenfalls spharolitisch aber schneller wachsenden, breitere, regelmaBige Radialfasern bildenden bekannten4) 84O- Form ziemlich rasch aufgezehrt wird. Die beiden Formen stehen in unmittelbarer Parallele zu den p’-Methylchalkonen I1 und I11 bzw. VI vom Schmelzp. 56,5 und 55,5 bzw. 48O.

Das Enol vom Schmelzp. 84O ahnelt im Erstarrungs- mechanismus sowohl wie in den Polarisationstonen sehr deut- lich dem p-’Methylchalkon 11, es erscheint wie dieses zwar selten aber doch auch spontan im Innern der Schmelze und zeigt keine Unterformen.

Das Enol vom Schmelzp. 64O ist nicht mit einem der beiden p’-Methylchalkone I11 und VI allein zu vergleichen, es zeigt zu den beiden ,,varianten“ Formen Beziehungen.

Das 64-En01 kann wie p’-Methylchalkon VI je nach der Erstarrungs- temperatur in zwei Arten wachsen: vom Zentrum aus erscheinen zunachst breite, Hare, meist grau, oft aber auch bunt polarisierende Flachen, die

l) B. GO, 2428 (1927). 3, A. 462, 199 (1928).

A. 409, 248 (1929).

2, A. ch. [XI 6, 303 (1926). 9 A. 459, 111 (1927).

10*

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148 W e y g a n d ,

bei rnafiiger Wiirme weiter wachsen, bei Zimmertemperatur aber an der ganzen Front bald in eine - nunmehr Bhnlich wie p-Methylchalkon I11 - opake, kompliziert aufgebaute Phase iibergehen; die klaren Flhchen werden spater ebenso wie bei p’-Methylchalkon VI durch eine Unterform, aber schneller sls bei diesem, getriibt. In Beriihrung mit der opaken Phase geht oft eine regelrechte Triibungsfront durch die klaren Elemente hindurch.

Die Metamorphose 64O -+ 84O ahnelt dem Charakter nach der Metamorphose I11 -+- 11, der Geschwindigkeit nach mehr der Umwandlung VI --t I1 beim p’-Methyl- chalkon.

Die Krystallisations- und die Umwandlungsgeschwindig- keiten der beiden Paare sind ebenfalls deutlich mit den beim p’-Methylchalkon I1 und VI beobachteten vergleichbar : p’-Methylchalkon I1 Enol 84 p’-Methylchalkon VI Enol 64 K.-G. (20’) 40 210 4 16 p/sec. K.-G. I1 : K.-G. VI beim p’-Methylchalkon: 10, K.-G. 84 : K.-G. 64 beim Enol: 13. U.-G. (20O) der Metamorphose p’-Methylchalkon I1 -+ VI: 0,067 p/sec.

7) 9 9 ,¶ ,, Enol64 --t 84: 0,36 pjsec. K.-G. = Krystallisationsgeschwindigkeit ; U.-G. = Umwandlungsgeschwindigkeit.

Es entspricht sogar qualitativ der K. G.-U.-G.-Regell), daB die U.-G. bei den EnoZen groljer ist als bei den p’-Methyl- chalkonen.

Nach alledem sind die beiden Polymorphen-Paare un- bedenklich als korrespondierende Paare der beiden Pol ymorphen- Systeme zu bezeichnen. Die Erfahrungen beim p’-Methyl- und p’-Athylchalkon legten die Prufung auf die gegenseitige Impf- wirkung nahe; der Versuch ergab, daB

En0184 und p‘-Methylchalkon I1 Enol64 und p’-Methylchalkon I11

sich untereinander gegenseitig animpfen. Es liegt also hier ein Fall von monotropem Isodimorphismus vor, wie er bei organischen Substanzen in dieser Form noch nicht beobachtet worden ist. Bei den von P. Grothz) angefuhrten Iso-tri- und Iso-tetramorphie-Fallen bei halogen-substituierten Benzol- sulfosauren-halogeniden handelt es sich urn die isomorphe

’) A. 469, 244 (1929). 2, A. a. 0. S. 326127.

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Systematische Untersuch. zum PolymorhpGrnus organ. Suht. 149

Vertretung von Chlor, Brom und Jod, also nicht urn eine spezifisch organische Molekulvariation.

Interessant und wichtig ist es dabei, daB die Isomorphie- beziehung nur zwischen Enol64 und p’-Methylchalkon 111, nicht aber zwischen’ dem ersteren und dem varianten Glied p’-Methylchalkon VI besteht, obgleich im ubrigen die formale Verwandtschaft zu diesem deutlich ist. Etwas ahnliches liegt umgekehrt zwischen p’-Athylchalkon und p’-Methylchalkon I11 und VI vor (s. 0.).

Vergleicht man nun das Formelbild des p’-Methybhalkons (V) mit den Symbolen der beiden desmotropen p-Methyl- dibenzoylmethan-enole (VII und (VIII), so erkennt man so- fort, daB dem p’-Methylchalkon das B-EnoZl) weit naher steht als das T-Enol, dem umgekehrt wiederum das p-Methyl- chalkon besser entspricht.

CH, . C,H, . CO . CH : CH . C6H5 (V), C,H,.CO.CH : CH.C,H4.CH, (VI), CH,.C6H4.C0.CH : C(OH).C,H, (VII), B-Enol, C,H5.C0.CH : C(OH).C,H,.CH, (VIII), T-Enol.

Wahrend nun zwischen den 7 Hauptformen des p‘-Methyl- chalkons und den insgesamt bisher 4 Pormen des p-Methyl- chalkons keinerlei hpfakte beobachtet werden konnen und auch wegen des immerhin verschiedenen Molekulbaues nicht zu erwarten waren (vgl. u.), konnten solche Impfakte zwischen den p - MethyZchaHkonformen und dem En01 dann erwartet werden, wenn in der Enolschmelze nicht nur Molekule des B-Enols, sondern auch solche des T-Enols vorhanden waren, was aus chemischen Grunden fruher fur moglich angesehen worden war.2) Das ist in der Tat der Ball:

Das metastabile p-Methylchalkon vom Schmelzp. 9Io impft die Enolschmelze zu einer neuen, metastabilen Form vom Schmelzp. 42O an, die sowohl vom 64- als auch vom 84-En01 aufgezehrt wird.

Das neue 42-En01 wachst sehr langsam, mit breiten Flachen und stellenweise leuchtend bunten Polarisationstonen und impft die Schmelze des p-Methylchalkons wiederum zur selben Form an, BUS der es ent-

B-Enol = Benzoyl-Enol, T-Enol = Toluyl-Enol. 2, A. a. 0.

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150 ?fey g a n d ,

skht. Freiwillig ist es in der Enol-Schmelze bisher niemals aufgetreten. - Seine charakteristischen Daten sind diese :

K.-G. (ZOO): 4,6p/sec; U.-G.42-? 64O: 4,2 p/sec; U.-G.42 -+ 84O: groDer als die K.-G. von En0142 [vgl. Metamorphose I0 beim p’-Methyl- chalkon1.l)

Die stabile p-Methyl-chalkonform vom Schmelzp. 96,5O ist auf die Enolschmelze bei Zimmertemperatur ohne Ein- wirkung, sie lost sich sogar darin partiell auf. Kiihlt man jetzt ab, so erscheint wieder das metastabile 42-Enol, doch sicher nur deshalb, weil beim Abkuhlen, wie stets spontan, das metastabile 91-p-Methyl-chalkon aus der bei Zimmer- teniperatur entstandenen Losung anschieDt, so wie auch in der Schmelze die stabile Form nur bei hoherer Temperatur ungestort zu wachsen vermag, da bei tieferer direkt aus der Front allenthalben die metastabile, bedeutend schneller wachsende 91-Form hervorbricht , die bei Zimmertemperatur anscheinend unbeg-renzt neben der stabilen bestandig ist.

Da sich die Schmelzen des p-Methyl-dibenzoylmethans ebenso wie die des p’-Methyl-chalkons durch Iangeres Er- hitzen leicht keimfrei machen lassen, kann man durch An- uiid Uberimpfen vollig reine Praparate des 42-Enols gewinnen, die dann sehr lange haltbar sind.

Einige Male trat dabei spontan eine noch urn - schatzungsweise - etwa 4O tiefer, also bei etwa 38O schmelzende, nicht bunt sondern grau polarisierende Modifikation auf, die sich zum 42-Enol hochstwahrschein- lich genau so verhalt, wie das 86-p-Methylchalk~n~) zur 91-Form. Wenn es vorliiufig nicht gelungen ist, sie durch Animpfen der Enolschmelze mit Partikeln der 86-Form des p-Methylchalkons direkt zu erzeugen, so liegt das wahrscheinlich nur daran, daB es kaum gelingt, diese 86-Form frei von der benachbarten 91-Form zu ubertragen.

Fur das 38-En01 und das 86-p-Methylchalkon ist es charakteristisch, daD sie - soweit sich feststellen lieB - von den benachbarten Formen 42 bzw. 91 nicht oder nur sehr langsam aufgezehrt werden.

Sehr instruktiv lassen sich diese und andere Impfversuche in folgender Weise ausfiihren:

An eine Kante des Enol-praparates bringt man eine kleine Menge (03 mg) des p-Methylchalkons, schmilzt das Ganze vollkommen auf, wobei der Tropfen der Fremdsubstanz sich ganz von allein an der Kante

l) A. 469, 246 (1929). *) Vgl. den Versuchsteil.

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Systematische Untarsuch. zum Polymorphismus organ. Subst. 151

entlang und ein Stuck ins Innere hineinzieht, und l%Bt nun abkuhlen. Aus der Schmelze krystallisiert regelmilBig, wie man ohne weiteres a n E.-M. beobachtet, die 91-Form des p-Methyl-chalkons, und nachdem dessen Front zum Stillstand gekommen ist, strahlen sehr bald die Nadeln und sonstigen Aggregate des 42-Enols davon aus. Ich bezeichne diese besonders einleuchtende Methode als ,,Schmelz-impf-Versuch".

Nach alledem ware zu schlieflen, daI3 die beiden hoch- schmekenden Formen des p-Methyldibenzoylmethans, die den p'-Methylchalkonen I1 und I11 korrespondieren, polymorphe Modifikationen des B-Enols, die beiden tiefschmebenden aber, die dem 91- und dem 86-p-Methylchalkon korrespondieren, ganz analog polyrnorphe Porrnen des desnaoiropen T-Enols darstcbbn.

Ehe auf diese Folgerung naher eingegangen wird, mogen aber zunachst die Ergebnisse geschildert werden, die man bei dem Versuch erhalt, die Korrespondenzbeziehungen zwischen moglichst vielen durch einfache und mehrfache Substitutions- akte auseinander hervorgehenden Chalkonderivaten zu er- mitteln. Dabei sol1 die Fiktion gemacht werden, dal3 die beiden desmotropen p-Methyldibenzoylmethan-enole in der Tat regelrechte Strukturisomere waren.

111. Systematische Beziehungen zwischen den poly- morphen Formen von Chalkonen, p-Oxychalkonen,

a-B r om c h a1 ko nen und @-At h o x y c ha1 k o n en.

Problemstellung : eine groBere Anzahl von verschiedenen Chalkonderivaten, deren Strukturformeln als feststehend an- genommen werden (und es bis auf die der beiden Keto-Enole auch sind), werden miteinander kombiniert, insbesondere wird uberlegt , innerhalb welcher der einzelnen Molekulpaare die formale innere Verwandtschaft am groflten und innerhalb welcher sie am kleinsten sein sollte. Die aus ganz allgemeinen Vorstellungen entwickelten Schliisse werden danach an der Erfahrung gepruft.

Es handelt sich zunachst um die folgenden sechs Sub- stanzen:

1. Chalkon \

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152 Weyg a n d ,

C\-CO-CH= C( OH) / 2. p-Oxychalkon

3. p'-Methyl-chalkon

4. p'-Methyl-8-oxychalkon CH3-

5. p-Methyl-chalkon

6. p-Methyl-p-oxychalkon

-

cH~-("-)-co-cH =CH- (3 a \--I

__ - -co-cH=c~oH)--/ \

{ L)-co-cH= CH --(->CH3 -

/-\--co--CH=C(OH)J -cH, L-1 \--- 7 Die vorkommenden Variationen sind: a) Ersatz des 8-H-Atoms durch Hydroxyl . . . . . l/z, 3/4, 5/6

b) Ersatz des p'-H-Atoms durch Methyl . . . . . . l/%,

c) Ersatz des p-H-Atoms durch Methyl . . . . . . 1/5, */,,

p'-H-Atoms durch Methyl . . . . . . . . . . 1/4 p-H-Atoms durch Methyl ' I 6

d) Ersatz des j3-H-Atoms durch Hydroxyl und des

e) Ersatz des j3-H-Atoms durch Hydroxyl und des

f ) Ersatz des p-Hydroxyls durch H und des p'-H-

g) Ersatz des 8-Hydroxyls durch H und des p-H-

. . . . . . . . . . Atoms durch Methyl . . . . . . . . . . . . */Q Atoms durch Methyl . . . . . . . . . . . . z/16

h) Versetzung des Methyls von p nach p'

des p-H-Atoms durch Methyl.

. . . . . 3/5, 4/6

31a9 "5

i) Versetzung des Methyls von p nach p' und Ersatz . . . . . . . .

Es fragt sich erstens: ist die Substitution in der Mitte des Molekuls oder die an den Enden die eingreifendere h d e - rung? l) Man wird die Substitution an den Enden fur wesent- licher erklaren - es handelt sich ja nur urn den EinfluB der Substitution auf den Feinbau, nicht auf den Chemismus. Daraus folgt :

Es sol1 innerhalb der unter a) stehenden Paare engere Verwandt- schaft herrschen als innerhalb der unter b) und c) stehenden. Zweitens ist zu fragen: Wird die p- oder die p'-Substitution starker eingreifen? Zerlegt man das Chalkon-Molekiil in die beiden Teile C,H,. CO- und -CH=CH. C,H,, so ist der die Doppelbindung enthaltende zweifellos der architektonisch wichtigere, die Substitution an diesem Teil (die

l) Die Substitution von H durch OH in der aliphatischen Kette verandert die Asymmetrie des Molekuls nicht, die Konsubstitution da- gegen kann sie verlndern.

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Systematische Uritersuch. durn Polymorphismus organ. Subst. 153

psubstitution) wird daher den Feinbau sthrker beeinflussen als die p'-Substitution. Daraus folgt :

Es soll innerhalb der unter b) stehenden Paare cngere Verwandt- schaft herrschen, als innerhalb der unter c) stohenden.

Drittens folgt sinngemhB: Es SOU innerhalb des untor d) stohenden Paares engere Verwandt-

schaft herrschen, als innerhalb des unter e) stehenden, und dasselbe gilt fiir die Paare unter f ) und g).

Viertons fragt sich, ob die Versetzung des Methyls von p nach p' eine eingreifende hderung bedcutet. Da hierbei jedenfalls die wichtigero BTolekiiIhdfte verandert wird, so folgt:

Es SOU innerhalb der unter h) stehenden Paare keine enge Verwandt- schaft herrschen.

Funftens folgt sinngemiif3: Es soll innerhalb der unter i) stehendenpaare eine noch groRere

Versehiedenheit herrschen, als innerhalb der unter h) stehenden. Fragt man sich nun zuletzt, innerhalb welcher Paare die extreme

Verwandtschaft und die extreme Versehiedenheit herrscht, so kann man mit Sicherheit soviel sagen:

I. Am engsten verwandt sind die Gliedcr der funf Paarc

2. Am meisten verschieden sind die Glieder der vier Paare

E"iir die unter c-h stehendcn 1aOt sich auf Grund dieser

von a) und b).

von i) und h).

allgemeinsten Uberlegungen nichts sicheres aussagen. Wurde man fordern, daB die stabilen Glieder cng verwandter Paare

miteinander isomorph sein muBten, so hiitte sich voraussagen lassen, daB dieses Postulat durch die Erfahrung nicht bestiitigt werden wiirde.

Man kann aber nun folgendermal3en formulicren: Satz I . Korrespondierende Glieder aus den Polymorphen-Serien bzw. Systemen eng verwandter Stoffe k6nnen isomorph sein.

Hit Hilfe dieses Postalats IaBt sich auch iiber die Paare unter c-g naheres aussagcn. Es konnte namlich noch der folgende Satz gelten:

11. Sind zwei polymorphe Formcn mit einer dritten iso- morph, so sind sie auch untereinander isomorph und damit ,,eng verwandt".

Der Satz ist nicht ganz so selbstverstiindlich, wie er aus- sieht, doch soll seine Gultigkeit vorlgufig supponiert werden. Dann folgt:

Da nach Voraussetzung 1 mit 2 und 4 mit 2 (unter den

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164 r e y g a n d,

Einschrankungen des Satzes I) isomorph ist, so sind auch I und 4, die das unter d) stehende Paar bilden, miteinander isomorph.

Aus dem gleichen Grunde sol1 innerhalb der Glieder 2 und 3 des unter f ) stehenden Paares Isomorphie herrschen, da sowohl I mit 2 wie I mit 3 isomorph ist.

Die praktische Prufung ergab folgendes: I. Die unterkuhlte Chalkon-schmelze wird von den beiden

Dibenzoylmethan-formen 78 und 73 angeimpft, es entstehen dabei zwei bisher unbekannte Chalkon-modifikationen vom Schmelzp. 28 und 18O.

Die umgekehrte Impfung ist nur deshalb nicht moglich, weil sich die Dibenzoylmethan-schmelze nicht weit genug unterkuhlen 1aBt : Iso-dimorphismus zwischen 1 und 2.

2. Die unterkuhlte p’-Methyl-chalkon-schmelze wird von den beiden p-Methyl-dibenzoylmethanen 84 und 64 zu den beiden Gliedern I1 und I11 ihres Polymorphen-systems ein- geimpft, hier lie13 sich der Versuch umkehren : Iso-dimorphis- mus zwischen 3 und 4 (vgl. oben).

3. Die unterkuhlte p-Methyl-dibenzoylmethan-schmelze wird vorn p-Methylchalkon 91 zu einer bei 42O schmelzenden Form angeimpft, auch hier lie13 sich das Umgekehrte eben noch realisieren : Isomorphismus zwischen 5 und 6 (vgl. oben).

4. Die unterkuhlte Chalkonschmelze wird vorn p’-Methyl- chalkon I1 zu derselben Modifikation vom Schmelzp. 28O an- geimpft, die auch vom Dibenzoylmethan 78 erzeugt wird, auch die Umkehrung gelang : Isomorphismus zwischen 1 und 3.

5. Die unterkuhlte p-Methyl-dibenzoylmethan-schmelze wird vom Dibenzoylmethan 78 zu; 84- und vom Dibenzoyl- methan 73 zur 64-Form angeimpft, die Umkehrung gelang: Iso-dimorphismus z wischen 2 und 4.

6. Die unterkuhlte Chalkon-schmelze wird vom p-Methyl- dibenzoylmethan 84 zu der bei 28 schmelzenden Form an- geimpft, die Umkehrung gelang, Isomorphismus zwischen 1 und 4 nach Satz 11.

7. Die unterkuhlte Schmelze des p‘-Methylchalkons wird vom Dibenzoyl-methan 78 zur Form I1 ihres Polymorphen-

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Systemutische Untemuch. zum Polymorphismzcs organ. Subst. 155

Systems angeimpft, die Umkehrung gelang, Isomorphismus zwischen 2 und 3 nach Satz 11.

Andere Impfakte waren unter keinen Bedingungen zu er- zie1en.l) Das Resultat dieser Versuche 1aBt sich besonders anschaulich folgendermaBen graphisch darstellen :

. - . - - -. 6 D -Mefhvl-fl- oxv - Ch.

Fig. 1.

Die 15 Linien, welche die im Sechseck angeordneten Stoffe miteinander verbinden, versinnbildlichen die 15 Paare. Diejenigen vier, innerhalb derer die groBte Verschiedenheit herrschen sollte, bilden die Seiten des aufrechtstehenden Rechtecks 3645 (strich-punktiert). Diejenigen drei, innerhalb derer die engste Verwandtschaft bestehen sollte, werden durch die drei Diagonalen 12, 34 und 56 dargestellt, auBerdem durch die kurzen Seiten des geneigten Rechtecks 1324. Die beiden nach dem Satz I1 aus eng verwandten Gliedern bestehenden Paare 14 und 23 bilden die langen Seiten des gleichen Recht- ecks. Die noch ubrigen vier Paare, innerhalb derer keine Ver- wandtschaftsbeziehungen angenommen werden, bilden schliel3- lich die Seiten des geeigneten Rechtecks 1625 (punktiert).

Ausgexogene Linien bedeuten Isomorphismus zwischen einem oder zwei Paaren von polymorphen Formen, punktierte und strichpunktierte Heteromorphismus.

l) Bei der Aufstellung von Isomorphie- und Korrespondenzregeln bleiben ails im Versuchsteil erorterten Griinden Kombinationen, bei denen ausschliePlich p’-Methylchalkon VII entsteht, vorliiufig beiseite.

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156 Weygnnd ,

Die aus ganz allgemeinen l) Uberlegungen abgeleiteten, ziemlich speziellen Forderungen sind also durch den Versuch durchweg bestatigt worden und im besonderen hat sich die Fiktion, die beiden p-Methyl-dibenzoylmethan-enole waren regelrechte Strukturisomere, als vollkommen zweckmaBig er- wiesen.

Es bleiben noch einige spezielle Betrachtungen : Zwischen den das Viereck 1324 bildenden vier Stoffen:

Chalkon, B-Oxychalkon, p’-Methylchalkon und p’-Methyl- 8-oxychalkon herrscht beziiglich der Formen von den Schmelz- punkten 28, 78, 56,5 und 84O die vollendete Isomorphie- beziehung, und der Satz I1 ist fur die vier Dreiecke 123, 124, 342 und 314 bedingungslos erfiillt. Im Krystallisations- charakter sind sich die vier Substanzen sehr ahnlich, be- sonders aber tritt die paarweise Verwandtschaft zwischen den beiden ungesattigten Ketonen und den beiden Keto-Enolen in Erscheinung. Beispiellos ist die Ahnlichkeit zwischen dem Chalkon 28 und dem p’-lllethylchalkon I1 (56,5O); 1aBt man beide etwa 30° unterhalb ihres Schmelzpunktes, also das erste bei Oo und das zweite bei Zimmertemperatur wachsen, dann ist nicht eigentlich mehr von einer Ahnlichkeit , sondern von einer fast vollkommenen Identitat zu reden.

Es zeigt sich also, dal3 die Substitution des para-Wasser- stoffatoms durch Methyl unter Umstanden ein feinbaulich nahezu indifferenter Vorgang sein kann.

Bemerkenswert ist es nun, dal3 nach S. Rosch2) die krystallographisch sehr sorgfaltig ausgemessenen stabilen Formen der beiden korrespondierenden Keto-Enole beide in die bipyramidale Klasse des rhombischen Systems einzuordnen sind, so daB von deutlicher Morphotropie geredet werden kann und dal3 die (ganz anormale) Optik beider Substanzen beziig- lich bestimmter Richtungen vollig kongruent ist, in anderen aber abweicht.

*) Die Verwandtschaftsvoraussagen bediirfen einer naheren Be- griindung, die u. a. auf die zurzeit diskutierten Benzolmodelle Riicksicht zu nehmen hat; sie sind hier eher zur besseren Veranschaulichung ver- wendet worden, als in der Absicht, mehr zu beweisen als moglich ist.

a ) Z. Kr. 66, 680 (1927).

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Systematische Unterswh. zum Polymorphismus organ. Subst. 15'7

Es kann nicht zweifelhaft sein, dal3 alle vier Substanzen in dem kunftigen, allgemeinen Polymorphen-System der Chalkonreihe an eine und dieselbe Stelle gehoren.

Nicht ganz so einfach liegen die Beziehungen bei den vier Formen derselben Substanzen, die durchweg niedriger schmel- Zen und weniger stabil sind, als die obigen:

&s/!on 78" ,= p '-ffefhy/-,& oxycha/kon 64

p'-lfefbyl-&!!on@ - - - - - - - - - - 1- Oxyddkon 73 O

Fig. 2.

Hier sind von den sechs moglichen Impfakten nur drei realisierbar, und der Satz I1 ist in keinem der vier Dreiecke erfullt, statt der moglichen sechs sind nur drei Falle von Iso- dimorphismus realisiert worden. Das ist aber wichtig deshalb, weil parallel der herrschenden Isomorphiebeziehung die Ver- wandtschaft und parallel der fehlenden die Verschiedenheit der erstarrten Schmelzen geht, mit Ausnahme des Paares p-Oxychalkon 73, p'-Methyl-fl-oxychalkon 64. Dal3 hier, trotz ganz enormer Verschiedenheit des Erstarrungsmechanismus trotzdem die Isomorphie besteht, ist vorlaufig ratselhaft, namentlich deshalb, weil sie zwischen Chalkon 18 und p'-Methylchalkon I11 fehlt. Vielleicht werden aber gerade solche Falle von Isomorphie trotz fehlender Verwandtschaft im E.-M. neue Einblicke in die systematischen Beziehungen gewahren.

Wird das Schema nun durch Heranziehung der beiden dimethylierten Chalkonderivate 7. und 8. CH,. C,H, . CO. CH : C( OH). C6H4. CH, p, p'-Dimethyl-8-oxy-chalkon

CH,.C6H4.C0. CH : CH. C6H4. CH (p,p'-Dimethylchalkon)

erweitert, so ergibt sich folgendes: Setzt man die beiden obigen Stoffe an Stelle von 1 und 2

als 7 und 8 in das Sechseckschema ein, so ist je nachdem, ob die dimethylierten Molekule den p- oder den p'-mono- methylierten ahnlicher sein werden, im ersten Falle eine wesentliche Verschiebung der Isomorphiebeziehungen, im zweiten nur eine gewisse Erweiterung zu erwarten.

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158 W e y g a n d ,

Im ersten Teil dieser Arbeit war schon erwahnt worden, daB das p, p’-Dimethyl-chalkon imstande ist, die drei p’-Methyl- chalkone 111, VI und VIP) aus der Schmelze hervorzurufen und genau dasselbe wurde beim p, p’-Dimethyl-/3-oxychalkon gefunden, Einzelheiten werden im Versuchsteil angegeben. Damit erweisen sic11 also die beiden dimethylierten Glieder sofort als in das p’-System gehorig, und dem entspricht es, da13 samtliche Isomorphiebeziehungen des ersten Schemas er- halten bleiben. Da aber die dimethylierten Glieder rein formal sowohl zur p’- als auch zur p-Reihe gehoren, wird man bei ihnen auch Inipfakte mit der p-Methylchalkon-schmelze erwarten konnen. Nun 1aBt sich das p-Methylchalkon ebenso wie die beiden dimethylierten Glieder nur schlecht unter- kuhlen und die Schmelze antwortet auf unspezifische Kry- stallisations-anreize sofort mit der Erstarrung zur labilen 91-Form : da aber unter geeigneten VorsichtsmaBregeln das p , p’-Dimethyl-/?-oxychalkon die p-Methylchalkonschmelze regelmal3ig zu noch labileren und spontan nur selten auf- tretenden 86-Form animpft, so konnte dieser Impfakt als ein reeller, spezifischer angesehen werden. Das p, p’-Dimethyl- chalkon seinerseits impft nur zur 91-Form. Diese Impfakte werden indessen noch mit Vorbehalt wiedergegeben und in das untenstehende Impfschema nicht eingetragen,

Die Schmelze des p-Methyl-dibenzoylmethans wird von beiden dimethylierten Gliedern ausschlieBlich zur 64-Form an- geimpft, und zwar nur von einigen Minuten alten, nicht von ganz frisch erstarrten Produkten, was man sehr deutlich beim Schmelz-impfversuch (vgl. oben S. 150) feststellen kann:

Die im Innern des Priiparates mit der Enolschmelze in Beriihrung stehende Front der Impfsubstanz ubt keinerlei Anreiz zur Erstarrung am, erst wenn sich von auI3en her deren spontan verlaufende innere Umwandlung einstellt, beginnt auch die Restschmelze, mit der die aus- krystallisierte Impfsubstanz durchtrankt ist, zur 64-Form zu erstarren, deren Front dann in den freien Schmelzraum durchbricht.

DaB die beiden dimethylierten Glieder sich gegenseitig ebenso animpfen wiirden, wie die nicht methylierten (1 und 2), war zu erwarten und tritt auch ein.

l) Vgl. aber Anmerkung 1 auf 8. 155.

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Systematische Untersuch. zum Polymorphismus organ. Suhst. 159

l?i.ir die eventuelle Impfwirkung der dimethylierten Glieder auf das einfache Chalkon lafit sich eine ganz be- stimmte Prognose stellen:

Chalkon 59 und 57 kommen beim p’-Methylchalkon nicht vor, Chalkon 28 entspricht p’-Methylchalkon I1 und Chalkon 18 entspricht dem metastabilen Dibenzoylmethan 73. Die di- methylierten Glieder stehen zu keiner der genannten Formen in direkter Korrespondenzbeziehung ; es wird indessen unten entwickelt, dalj das stabile Chalkon (58-59O) als das (hoher- schmelzende) variante Glied einer noch nicht gefundenen l),

vielleicht auch nicht existenzfahigen, ihrerseits dem p’-Methyl- chalkon I11 korrespondierenden Form snzusehen ist. So ware - nach einer ebenfalls unten entwickelten Regelmaoigkeit -, da die dimethylierten Glieder mit p’-Methylchalkon I11 ihrer- seits korrespondieren, hochstens ein solcher Impfakt zu er- warten. Er tritt beim Impfen der Chalkonschmelze mit (etwas gelagertem) p, p’-Dimethylchalkon in der Tat ein.

Interessant ist es wiederum, dalj nach dem Obigen p’-Methylchalkon 111 selbst die Chalkonschmelze nicht an- impft, denn gerade von solchen Feinheiten der Isomorphie- beziehungen ist zu erwarten, dalj sie, wenn einmal ein noch umfangreicheres Material gesammelt ist, tiefere Einblicke in die obwaltenden Verwandtschaftsbeziehungen gewahren werden.

Die nur schlecht unterkiihlbare Dibenzoylmethan-Schmelze wird weder vom einen noch vom anderen der dimethylierten Glieder angeimpft, dieser Versuch bedarf indessen noch einer Nachpriif ung mit feineren Hilfsmitteln.

Das kombinierte Impfschema2) der acht Substanzen ist nun ohne weiteres verstandlich:

Interessanterweise lieBen sich die Impfregelmaljigkeiten der drei Stoffe 1, 3 und 5 auch noch bei ihren a-Brom- substitutionsprodukten I’ : C6H5. CO. CBr : CH. C6H5; 2’ : CH,

CH3$) wiederfinden. C6H4.CO.CBr : CH.C,Hs3); 3‘ : C&&.CO.CBr : CH.C6H4.

I ) Anmerkung bei d e r Kor rek tu r : Diese fehlende Chalkon- form ist ebenso wie die zweite in das mdere leere Wld des Schemas (S. 169) gehorige unterdessen aufgefunden worden.

2, Vgl. auch Tab. 1, S. 169. 4, Ebenda 8.111.

3, A. 459, 112 (1927).

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160 Weygand,

Zu diesem Zweck wurden die drei obigen Chalkonderivate wieder- um paarweise miteinander kombiniert, wobei sich in engster Analogie zu den Verhaltnissen der ersten beiden Impfschemata ergab, da13 weder 2‘ und 3’ noch 1’ und 3’ sich gegenseitig animpfen. Dagegen impft 1’ die Schmelze von 2’ zu einer neuen, metastabilen Form vom Schmelz- punkt 50° an, und wird von dieser wiederum zur erzeugenden 45-Form angeimpft. Die neue 50-Form des p’-Methyl-n-bromchalkons beginnt

6 p -Methy/-! - oxy -0.

8 py’- Dirnefhy/-,l?-oxy-Ch

Fig. 3.

sich fast ltugenblicklich weiter zu veriindern; ob das nach wenigen Minuten beim Wiederaufschmelzen als krystalliner Schleier zu findende hoher schmelzende Umwandlungsprodukt ein Dimeres oder ob es eine monomere hochschmelzende Form ist, steht noch nicht fest, ist es ein Dimeres bzw. iiberhaupt ein Polymeres, so 118t eg sich ungewohnlich leicht durch hoheres Erwiirmen depolymerisieren, denn dabei verschwindet es spurlos. Eine Impfwirkung auf die Schmelze iibt es nicht aus.

Die Beziehungen der a-Bromchalkone zu den Chalkonen sind noch nicht eingehend genug untersucht. Sicher ist es, da13 das stabile p’-Methyl-a-bromchalkon die p’-Methylchalkon- Schmelze zur Form VI animpft, wodurch gezeigt ist, da13 auch die Substitution des a-H-Atoms durch Br den Molekultypus nicht verandert.

Noch weiter fiihrte ein Versuch, die im zweiten Teil er- wahnte, vermutliche morphologische Verwandtschaft zwkchen Pyrazolen und Chalkonen bzw. &Oxychalkonen, durch Auf- findung eines spezifischen Impfaktes zu erharten.

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Systematisehe Untersuch. zum Polymorphismus organ. Subst, 16 1

3, ti-Diphenylpyrazol hatte etwa cine den bekannten Di- benzoylmethanformen korrespondierende Modifikation bilden konnen, doch lie13 der Erstarrungsmechanismus cines von Herrn Geh. Rat von Auwers gutigst iiberlassenen Praparats keine Verwandtschaft mit den Dibenzoylmethanen erkennen. Da aul3erdem beide Schmelzen sich nur schlecht unterkuhlen lassen, so daf3 leicht ein unspezifischer Krystallisationsanreiz fur cine spezifische Impfwirkung gehalten werden konnte, wurde das mit dem Dibenzoylmethan bezuglich zweier Formen korrespondierende, diesem morphologisch eng verwandte ein- fache Chalkon herangezogen: es zcigte sich, daB das 3,5-Di- phenylpyrazol die Chalkonschmelze ausnahmslos nnd vollig sicher, auch im Schmelz-impf-Versuch zur metastabilen, bei 56-57O schmelzenden Form animpft, die unten besprochen wird und deren E.-hf. dem des Diphenylpyrazols auch merk- lich verwandt ist.

Damit ist cine erste Brucke von den Chalkonen zu einer chemisch sehr verschiedenen, aber morphologisch verwandten Gruppe geschlagen. Da13 der Polymorphismus auch in der Pyrazolreihe zu finden ist, hat K. von Auwersl) ubrigens schon vor einigen Jahren am 3-&!ethyl-1,S-diphenyl-p yraxol festgestellt. Dieser Stoff ist morphologisch dem - unbekannten und wohl auch unzuganglichen - PhenyZ-ather des Benxo yH- aceton-B-Enob genau so verwandt, wie die am Siickstoff un- substituierten Pyrazole den freien Ketoenolen. Ich habe nun gerade vor kurzem2) den von Ch. Dufraisse und A. Gillet entdeckten Isomeriefall der beiden 0-Methyl-ather des Di- benzoylmethans, die znfallig dem Benzoylaceton-o-phenylgther strukturisomer sind, diskutiert, der in mancher Beziehung recht deutlich an den von K. von Auwers beschriebenen an- klingt. Hier ist auch an die wichtigen Beobachtungen zu er- innern, die von Auwers und Lange3) an den 5-Chlor- und 5-Brom-indazolen gemacht haben, deren labile und stabile Modifikation von Auwersl) jetzt geneigt ist, als desmotrope Formen aufzufassen. Es ist sehr auffallig, da13 gerade beim p-Bromdibenzoylmethan (vgl. oben) die beiden polymorphen

l) B. 69, 617 (1926). 3, B. 56, 1154 (1922).

Annalen der Chernie 4 7 2. Band.

2, B. 62, 562 (1929).

11

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162 Tey g a nd,

Formen sich durch die wechselseitige Beeinflussung des Schmelzpunkts als ,,chemisch polymorph" erweisen.

Die Bedeutung der Impfwirkung des Diphenylppazols auf ein Chalkon geht nach verschiedenen Richtungen: sie ist naturlich fur die Vorstellungen vom Molekulfeinbau der Chalkone wichtig, und man wird nun kaum noch daran zweifeln konnen, da13 alle hier behandelten Chalkonderivate, wie schon friiher vermutet, im Sinne der klassischen Vor- stellungen cis-Formen sind. Wichtig ist aber ferner, da13 die Isomorphie-beziehungen der Kohlenst offverbindungen genau wie die der anorganischen Chemie (2. B. KMnO, und BaSO,) nur vom Molekulfeinbau, nicht aber, oder wenigstens nur untergeordnet, von den Valenzbeziehungen abhangen : die dritte, ringschlieaende Valenz der beiden N-Atome ist fur diese Beziehungen anscheinend irrelevant, der Molekultypus bleibt trotzdem der g1eiche.l)

SchlieBlich mag noch erwahnt werden, dai3 in der Erwartung, die noch nicht realisierte Desmotropie der Pyrazole konne sich analog wie die der Keto-Enole morphologisch als Polymorphie manifestieren, an einem von Herrn Geh. Rat von Auwers giitigst iiberlassenen Praparat des 3 (5)-5 (3)-Methyl-phenyl-pyazols sofort Dimorphie festgestellt werden konnte. Wegen des hohen Schmelzpunkts mussen Untersuchungen mit dem Heizmikroskop abgewartet werden.

Wahrend bei den bisher behandelten drei Gruppen: Chalkonen, ,&Oxychalkonen und a-Bromchalkonen die Varia- tionsregelmaBigkeiten auf ein und dasselbe einfache Schema zuriickgehen, weichen die Impfbeziehungen der Athox y- chalkone grundsatzlich davon ab. Das zeigt sich am auf- fallendsten in einem Impfakt zwischen dem T-,&hyZ-dther des p-Methyl-dibenzoylmethans und dem stabilen 84-Methyl-di- benzoylmethan-enol , das nach den obigen nerlegungen als B-Enol, nach diesem (wechselseitigen) Impfakt aber als T-Enol aufzufassen ware.

Aber dieser Impfakt ist schon insofern anormal, als er der einxige ist, der zwischen sumtlichen zur besprochenen --

l) Anmerkung bei d e r Kor rek tu r : Unterdessen sind neue Impfakte zwischen morphologisch verwandten Heterocyclen und Chal- konen gefunden worden.

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8,ystematische Untersuch. zum Polyrnorphismus organ. Subst. 163

Pamilie gehiirigen Oxy- und Athoxy-chalkonen beobachtet werden konnte. Weder impfen dic Formen der drei bzw. vier Keto-Enolc (2, 4, 6 und 8) sonst die Schmelzen der vier 0-Athylathcr an, noch werden ihre Schmelzen von den ver- schicdenen Formen der festen Ather angeimpft, mit alleinigcr husnahme dicscs einzigen Falles. Setzt man die entsprechen- dcn Ather an Stclle der Chdkone in das erste Sechseck- Schema ein, so ergibt sich nach den Impfversuchen ein sehr intercssantes Bild : Der anormale Impfakt erscheint als Glied in einer fortlaufenden Reihe von vier Impfvorgangen, die durch vier Scchscckseiten veranschaulicht werden, wahrend dic Hauptvcrwmdtschaftsbeziehungen fruher gerade durch dic Diagonalen dargestellt wurden.

Der p,p'-Dimcthyllthcr steht mit lrcinem dcr anderen elf Stoffe in lmpfbexichung; wahrschcinlich ist das gegenwiirtig vorhandene Material vom Schmclzp. 81O metastabil und wandelt sich langsam in oine hohcr schmelzcnde Form um, doch sol1 dieser Vorgang, der sich viclleicht uber Monate erstrecken wird, nicht gestijrt werden.

Die stabilen Formen der Athcr schmelzen bei 78O (B-&hoxy- chalkon), 73O (B-kher) und 91O (T-Ather). Schon danach mul3te be- hauptet werden, da13 unmoglich die beiden ersteren korrespondierende Formen sein kcnnen, da das hohere Hornologe tiefer schmilzt, was den sonst gefundenen RegelmaOigkeiten bei Kern-substitutionen widerspricht.

Der Erstarrungsmcehanismus von 10 ist dem der 78-Form von 9 in der Tat ganz uniihnlich, auffiillig verwandt aber dem der metastabilen 63-Fo1-m. Die stabile Form von 10 impft dcmentsprechend die Schmelze dcs P-Athoxy-chalkons glatt xur 63-Form an, die ihrerseits den B-Ather

11*

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164 We ygan d ,

vom Schmelzp. 73O aus seiner Schmelze erzeugt: damit zeigt sich erneut, daB die Schmelzpunktsbeziehungen korrespondierender Formen normal sind.

Sehr interessant ist nun das Verhalten des stabilen 78-fl-Athoxy-chalkons gegeniiber der Schmelze des B-Athers, dessen korrespondierende Form, wenn man die Schmelz- punktsdifferenz der beiden obigen korrespondierenden Glieder (63 und 73) zugrunde legt, bei etwa 88O (das ist lo0 hoher als der Schmelzpunkt des 78-fl-Athoxychalkons) schmelzen sollte. Hier zeigt sich eine neue RegelmaBigkeit, die folgender- maBen formuliert werden kann:

Impft man die Schmelzen der Glieder von verwandten Polymorphen-Systemen mit einer Form an, deren korrespon- dierende aus noch unbekannten Griinden nicht existenzfahig ist, so kann statt dieser ein mit ihr variantes Glied erscheinen') :

Das stabile P-Athoxy-chalkon erzeugt in der Schmelze des B-Athers eine neue Modifikation vom Schmelzp. 5S0, die also 30° tiefer schmilzt als sie eigentlich sollte - wenn sie namlich das korrespondierende Glied des erzeugenden und nicht ein variantes zu diesem ware. Der Schmelzpunkts- unterschied von 30° erinnert auffallig an die gleiche Differenz bei zwei varianten Formen des p'-Methyl-chalkon-Systems : I hat 74,5O, VII 44,5O.

Man konnte nun fragen, ob etwa der neuc 58-B-Ather seinerseits in der /3-Athoxy-chalkon-Schmelze cine tiefschmel- zende, unbekannte korrespondierende Form hxvorrufen wird, deren Schmelzpunkt etwa 48O sein konnte; das ist nicht der Fall, er impft die fl-Athoxy-chalkon-Schmelze zur selben Form an, von der er erzeugt wird.

Der T-Ather 11 des Impfschemas dagegen erzeugt in der fl-Athoxy-chalkon-Schmelze eine neue, die funfte, bei 43O schmelzende metastabile Modifikation. Es ist nicht die oben erwahnte hypothetische, mit dem 58-B-Ather korrespon- dierende, da sie mit diesem nicht in Impfbeziehung steht, und dann auch etwas hoher schmelzen muBte. Sie schmilzt

l) Vgl. dam 8. 159 die Erzeugung von Chalkon 59 durch p,p'- Dimethylchalkon.

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Systematische Untersuch. zum Polymorphismus organ. Subst. 165

aber wieder fast genau 30° tiefer als die 74-Form des fi-Athoxy- chalkons und konnte daher eine variante Form von dieser sein.

Es 1aBt sich nun aus den bisherigen Beobachtungen vollig zwanglos ein (allerdings noch luckenhaftes) Polymorphensystem des P-Athoxy-chalkons konstruieren, das dem des p'-Methyl- chalkons weitgehend analog gebaut istl) :

81 78 74 63 - - - (48) 43

Van den sechs aufgefuhrten Gliedern ist eines (48) hypothetisch, es ist nur das annehmbar korrespondierende Glied des niichsthoheren Homologen, des B-Athers bekannt, das bei 58O schmilzt. Da aber das mit der 63-Form des Schemas korrespondierende, um loo hoher, bei 73O schmelzende Glied des Homologen bekannt und daraus das ,,Schmelz- punktsinkrement" der fraglichen Variation zu etwa loo ermittelt ist, wurde es versuchsweise eingesetzt. Da sich zeigt, daB es seiner Schmelz- punktslage nach sich befriedigend einfiigt, darf die MaBnahme als er- laubt gelten.

Die Beziehungen der Ather zu den Keto-Enolen sind, wie schon erwahnt, was die Impfwirkungen auf die Schmelzen anlangt, offenbar anderer Art, als die zwischen Chalkonen und j3-Oxychalkonen. Glieder wie Dibenzoylmethan 78 und P-Ath- oxychalkon 78, die aus den verschiedensten Grunden fur korrespondierende gelten mussen, impfen sich nicht, solche dagegen, die wie der T-Ather und das B-Enol einander recht fern stehen, impfen sich untereinander an. Glucklicherweise ist das Material bereits so umfangreich, da13 solche Anomalien kein MiBtrauen gegenuber den fruheren Schlussen mehr hervor- rufen konnen, insbesondere kann der unerwartete letzte Impf- akt die Konstitutionsbestimmung des B- und T-Enols nicht mehr erschuttern; ware er konstitutiv im Sinne der benutzten Strukturformeln, so sollte man erwarten, daB eine der Formen des B-Athers die p-Methyl-dibenzoyl-methan-Schmelze eben- falls animpfen wiirde, das ist aber nach dem obigen Schema nicht der Fall, ebensowenig impft das 42-En01 die B-Ather- Schmelze an.

Auch der Impfakt zwischen dem T-Ather und dem B-Athoxy- ohalkon zeigt die veriinderten Verhdtnisse an, denn zwischen dem --

l) Vgl. auch Tab. 2, S. 170.

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166 Weygand,

p-Methyl-chalkon und dem einfachen Chalkon ist trotz des Formen- reichtums beider Stoffe keine Isornorphie-beziehung zu finden. Ohne verfriihten Spekulationen Raum zu geben, mag wenigstens eine Er- HiirungsmSglichkeit gane kurz angedeutet werden. Es ist aus mancher- lei Griinden sehr damit zu rechnen, daB in Schmelze und Losung gewisse Betriige von Di-enolen bzw. enolisierten &hem anwesend sind. Der enolisierte T-Ather C,H, . C( OH) : C : C( OC,H,) . C,H,. CH, entspricht nun auffiiliigerweise wiederum besser dem B-Enol C,H,. C(0H) : CH. CO. C,H,. CH, als dem T-Enol. Bei dem vorliiufig rein spekulativen Charakter der Vermutung SOU auf die weitere Entwicklung der Folgerungen ver- zichtet werden.

Uberblickt man das bisher bei den Chalkonen und p-Oxy- chalkonen angesammelte Material vom Standpunkt des p’-MethyZchaZkon-Sy~~~~ aus, so fallen folgende Punkte ins Auge :

Es finden sich korrespondierende Modifikationen zum Teil in tatsachlicher Mimikry fiir die Formen: 11, 111, VI und VII, es finden sich Wiederholungen der Untermetamorphosen von VI und VII, aber es finden sich keine Analoga zu I, IV und V, Bei allen den zahlreichen Impfversuchen ist keine einzige neue p’-Methylchalkon-Modifikation aufgetreten ; es wird danach fast sicher, dafi in dem vor kurzem angegebenen p’-Methyl- chalkon-System aZZe bei normalem Druck uberhaupt existenz- fahigen Formen enthalten sind.

Innerhalb der p’-, der p, p’- und /3-oxysubstituierten Chalkone werden mit steigendem Molekulargewicht und wachsender Kompliziertheit des Molekuls die weniger stabilen Formen des p‘-Methylchalkon-Systems bevorzugt : beim P-Oxy- chalkon existiert 11, beim p’-Methyl-j3-oxychalkon I1 und 111, beim p’Athylchalkon nur V, beim p, p’-Dimethylchalkon 111, VI und VII und dieselben beim p, pf-Dimethyl-/3-oxycha1kon. Bei allen diesen Chalkonderivaten ist die stabilste Form immer eine mit einer metastabilen p‘-Methylchalkon-Form korrespon- dierende.

Anders beim einfachen Chalkon: von den vier sicher er- mittelten Modifikationen korrespondiert nur die drittstabikste mit dem p’-Methylchalkon 11, und daraus folgt zunachst, da13 mindestens eine der beiden stabileren Chalkonformen irn all- gemeinen System oberhalb der Form I des p’-Methylchalkons

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Systematische Untersuch. zum Polymorphismus organ. Subst. 167

zu stehen kommen muBte. Es 1aBt sich nun in der Tat zeigen, daB die beiden im Schmelzpunkt um 2O differierenden Chalkon- formen variante Formen von p’-Methylchalkon I11 und IV sein mussen, die. ihren Platz auf einer hoheren Horizontalreihe finden wiirden.

Die Griinde dafur sind folgende: Sie konnen unmoglich die korrespondierenden Glieder von p’-Methylchalkon I11 und IV sein, denn sie schmelzen urn je 2 4 O hoher als jene, wahrend das dem p’-Methylchalkon I1 in Wahrheit korre- spondierende, mit ihm isomorphe Chalkon 28 um 29O tzefer, also normalerweise tiefer schmilzt als das ,,eigentliche“ hohere Homologe.

Nun iihnelt von allen Krystallformationen in der Chalkonfamilie, die zur Beobachtung gekommen sind, der Form IV des p’-Methylchalkons am meisten die 57-Form des einfachen Chalkons. Sie erscheint spontan aus der Schmelze mit sphiirolithischem Wachstum, uber das Garben- stadium, die Haupt-Polarisationsfarbe ist ein leuchtendes Kobaltblaul), und zwar ist der ganze Sphiirolith gewohnlich einheitlich getont, genau wie beim p’-MethylchalkonIV, aber auch das Umschlagen der Farbe nach Rot und Grun ist oft zu beobachten.

Die blaue metastabile Form wachst erheblich schneller als die stabile, so wie p’-Methylchalkon IV schneller wachst als 111, die stabile 59-Form des Chalkons iihnelt ihrerseits in manchen Punkten, wenn auch nicht gerade mit besonderer Deutlichkeit, im E.-M. dem p’-Methyl- chalkon 111, und zweifellos lassen sich die beiden hochschmelzenden Chalkone am besten als variante Formen von p’-Methxlchalkon I11 und IV auffassen, denn auch die Umwandlungsgeschwindigkeiten sind in beiden Fiillen besonders gering. Dazu stimmen nun auch recht gut die Schmelz- punkte, wenn man folgende Betrachtungen anstellt :

Bezeichnet man die 11-111-IV-Ebene im p'-Methylchalkon- System mit 0, diejenige auf der allein I steht mit + 1 und die niiohste mit + 2 so wiifden die Schmelzpunkte auf der Ebene + 2, wenn man das Mittel aus den Schmelzpunktsdifferenzen VII-IV (loo) und IV-I (20O) also 15, nimmt fiir das p’-Chalkon etwa um 90° liegen. - Nun korre- spondiert Chalkon 28 mit p’-Methylchalkon 57 (11), das Schmelzpunkts- inkrement fiir den Eintritt einer p’-Methylgruppe in das Chalkonmolekiil wiire danach etwa 29O und die Schmelzpunkte der einfachen Chalkone auf der Horizontale + 2 sollten also um 61° herum liegen, womit man tatsiichlich in die Nahe der beiden hochschmelzenden Chalkone gelangt.*)

l) p’-Methylchalkon IV zeigt vorzugsweise himmelblaue Tone. 2, Anmerkung bei d e r Korrek tur : Diese Vermutung hat sich

bestiitigt, die Rechnung la& sich auf anderem Wege noch genauer an- stellen.

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We y g a n d ,

Es mag dabei in Erinnerung gcbracht werden, da13 dcr crste, der - schon vor 48 Jahren - eine auf Polymorphismus dcutende Beobachtung in der Chalkonrezhe bekanntgegeben hat, L. Claisenl) gcwesen ist. Er fand, da13 die klaren Kry- stallc des Benxalacetophenons, die man aus l\lethylalkohol oder Ligroin erhalt, sich beim Aufbewahren triibcn, ,,ohnc daD sich dabei der Schrnclzpunkt Bndert".

Dieser Vorgang ist nichts anderes, als die Metunzorphose 57 -+ 59O, denn aus Benzalacetophenonliisungen krystalli- siert fast stets primiir die metastabile ri'l-Form aus, wie man am sofort genomrncnen Schmelzpunkt, noch lcichter an den leuchtend kobaltblauen Polarisationstiincn der Krystallc und an ihrer Impfwirkung auf die Chdkonschmclzc erkennt. So- wohl unter der Nuttcrlauge als auch nach dcr Isolierung, im erstcn Falle bcsondcrs schnell in1 Xonnenlicht, setzt die Urri- wandlung ein, sowie einmal Keinie der stabilen Form an- wesend sind. Intercssantertveise wachst bei gedampftcm Licht aus ubcrsattigten Losungen oft sogar dnnn noch die mettt- stabile Form, wenn man mit der stabilen angeimpft hatte.

Sehr wahrscheinlich sind dieso beiden Chalkon-Modifikationen identisch mit den vor einiger Zeit von Ch. Dufraisse und A. Gillets) erwahnten Formen vom gleichen Schmelxpunkt; die bciden Autoren geben an, noch anderen Formen begegnet zu sein, ohne sich aber nsher dariiber zu aul3ern.

Jctzt findet sich auch eine Erklirung fur eine meiner altesten Beobachtungen aus der Zeit, wo ich, leider ohnc damals im entferntesten an Polymorphic- Studicn zu denken, monatelang die P-Form des p'-Methyl- chalkons allein in den Handen hatte : Beim Umkrystallisieren entstanden feine Hare Nadeln, die das ganze OefiiB durchxogen, allmihlieh aber durch achteckige Prismen aufgezehrt wurden, die wegen ihrer praehtvollcn Aus- bildung dann krystallographisch untersucht wurden. Offenbar war daboi die Form I V (Schmelzp. 54,5O) aus der Losung enhtanden, gcnau wie das metastabile Benzalacetophenon 57 und dann unter der Mutterlaugo in 111 (Schmclxp. 55,SO) iibergrgangen, ganz entsprechend der Um- wandlung von Chalkon 57 in Chalkon 59.

Dal3 Claisen und Clapar&deY) die Schmelz~unktserhohu~g um 20, von der die Triibz~ng begleitet wird, entgangen ist, erklart sieh vermutlieh so: Die Metamorphose 57 --f 59O verlsuft bei Zimmertemperatur aul3er- ordentlieh trage, bei 30° aber schon zicmlich Iebhaft. Sind nun beim ublichen Trocknen der Substanz im Exsiceator, etwa uber h'acht, auch

l) B. 14, 2464 (1881). 2, A. [XI 6, 312 (1926). a. a,. 0.

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Systematische Untersuch. zum Polymorphismus organ. Subtt. 169

nur Spuren der stabilen Form entstanden, wird noch das Material vor der Einfiillung in die Schmelzkapillare gepulvert, so hat die stabile Modifikation, wiihrend der Schmelzpunktsapparat angeheizt wird, Zeit genug, die ganze Probe restlos umzuwandeln.

Die ganze wundervolle Methodik der praparativen organi- schen Chemie fuhrt fast zwangslaufig dazu, daB unter allen moglichen Formen dem Experimentator schlieBlich nur die

Tabelle I.

- - p’-C 46 (17) - i

p’-C 56 (111) - p’-c 55 (IV) -

D-Ather 74

I - - - C 18 p’C48(VI) B 64 p‘-C45 (VII) - I p, p’-C p, p’-D P, p‘-C P, P’-D p’-Br 58 Br 45

Erweitertes p’-Methyl-chalkon-System. Zeichenerklarung: C = Chalkon.

p’-C = p’-Methyl-Chalkon. p, p’-C = p, p’-Dimethyl-chalkon. Br = cz-Bromchalkon. p’-Br = p’-Methyl-cz-bromchalkon. p’-Methoxy-C = p’-Methoxy-chalkon. D = Dibenzoylmethan. B = B-Enol des p-Methyl-dibenzoylmethans. p, pl-D = p, p’-Dimethyl-dibenzoylmethan. D-Ather = 0-Athylather des Dibenzoylmethans.

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170 W e y g a nd,

jeweils stabilste ubrig bleibt. Wahrscheinlich wiirden bald Hunderte oder Tausende von neuen Polymorphieerscheinungen bekannt werden, wenn nur bei jeder Schmelzpunktsbestim- mung gepruft wiirde, ob die erstarrte Schmelze beim erneuten Erwarmen nicht etwa bei einer anderen Temperatur flussig wird als das Ausgangsmaterial.

Die beiden Tabellen 1 und 2 geben einen systematischen fierblick der im vorangehenden besprochenen polymorphen Formen, soweit sie sich zwanglos in das erweiterte p’-Methyl- chalkon-System und in das @-khoxy-chalkon-System ein- fugen. l)

Tabelle 2.

B-Athoxy-Chalkon- System.

Zeichenerkliirung : D = Dibenzoylmethan. B = B-Enol des p-Methyldibenzoylmethans. .& = @-Athoxy-chalkon. pr-A = p’-Methyl-/?-iithoxychalkon.

Es sind nun nur noch wenige Worte uber die p-Methyl- dibenzoylmethan-Rage zu sagen :

Der neuartige Konstitutionsbeweis fur die p-Methyl- dibenzoylmethan-enole setzt voraus, da13 desmotrope Formen sich gegenseitig verhalten konnen wie polymorphe Modifi- kationen. Dafiir liegen nun in der Tat bereits unwiderlegliche Beobachtungen vor :

Z. B. ist es gelungen, auch vom 2-Methyl-anisoylaceto- phenon neben der Diketoform zwei verschiedene Enolformen

I) tfber die beiden freien Fiicher zwischen C 57 und p’-C 75 vgl. Brim. 1 8. 159.

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Systematische Untersuch. zum Polymorphismus organ. subst, 171

zu gewinnenl), von denen die eine, tiefer schmelzende (SOo) sich leichter ketisiert als die andere, hoher schmelzende (97O), sie sind also deutlich chemisch verschieden. En0180 kann entweder direkt in die Diketoform (72O) oder zunachst in das Enol 97 ubergehen. Die Umwandlung Enol97 --j. Diketon aber verlauft unter dem Deckglas nicht anders als eine be- sonders trage Metamorphose zweier monotroper polymorpher Formen.

Auch beim Acetyl-dibenzoylmethan2) ist kiirzlich neben der Triketoform und der Enol-(aci-)-form vom Schmelzpunkt etwa SOo, die den klassischen, von L. Claisen entdeckten ersten Desmotropiefall bei Keto-Enolen bilden, eke neue, wiederum tiefer schmelzende (etwa 60°) und leichter als die bekannte ketisierbare, also von dieser chemisch verschiedene Enolform aufgefunden worden. Alle drei denkbaren Meta- morphosen: l. Enol60 -+ Enol 80, 2. Enol60 --+ Triketon und 3. Enol80 ---* Triketon sind beobachtet worden, und sie verlaufen dem Mechanismus nach in keiner Weise anders als die Umwandlungen polymorpher Modifikationen. Z. B. er- innert 1. weitgehend an die Umwandlung p'-Methylchalkon VII -+ IV und 3. an die von /3-&hoxychalkon 63 --+ 78.

Zusammenfassend 1aBt sich sagen : I. Das Studium der Polymorphieerscheinungen in der

Chalkonreihe hat gezeigt , daB man unter Berucksichtigung der Korrespondenz- Beziehung neue Zusammenhange zwischen Krystallbau und Molekiilfeinbau auffinden kann, die sich prinzipiell zu einer systematischen Formenlehre der Kohlen- stoffverbindungen entwickeln lassen sollten.

Welchen Nutzen eine solche Systematik haben wiirde, leuchtet leicht ein.

2. Die lange vergeblich gesuchten Enol-strukturisomererz sind in einem Falle (p-Methyl-dibenzoyl-methan) als ,,poly- morphe Formen" aufgefunden worden. In einem anderen (p-Brom-dibenzoylmethan) wird es nunmehr fast sicher, dai3 ---

l) B. 61, 689 (1928) ist nur die Diketoform und eine Enolform beschrieben. Die zweite in der Leipziger Dissertation von C. Bisohoff (1928).

a) Vgl. dam K. Schaum, A. 462, 204 (1928).

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172 Weyg a n d ,

die beiden schon bekannten, ihren Sclmelzpunkt beeinflussen- den Modifikationen vom Schmelzp. 86 und 96O ebenfalls desmotrope Formen sind. Man darf sich um so eher dazu entschlieljen, Modifikationen, die sich morphologisch, beziiglich ihrer Umwandlungserscheinungen, als polymorphe Formen manifestieren, dennoch als desmotrope Formen aufzufassen, weil sowohl die langst bekannte Keto-Enol-(bzw. Enol-Keto-)- Umlagerung als auch die Metamorphosen verschieden stabiler, durch verschieden leichte Ketisierbarkeit als chemisch ver- schieden gekennzeichneter Enolformen in1 Prinzip nicht anders verlaufen als man es sonst bei ,,physikalisch-isomeren" Formen kennt.

Bemerkung uber den Wer t der ublichen Kri ter ien fur Isomerie und Polymorphismus.

Als ein angeblich unbedingt sicheres Kennzeichen fur chemische Isomerie einerseits und Polymorphismus (physi- kalische Isomerie) andererseits gilt z. B. immer noch die Er- scheinung, dalj man bei Isomeren aus Liisung oder Schmelze meist denselben Stoff wiedererhalt, den man hineingebracht hat, wahrend es bei Polymorphen von znfalligen oder willkur- lichen Einfliissen abhiingt, ob man die gleiche oder eine andere Modifikation zuruckgewinnt. Aber weder das eine noch das andere Kriterium 1aBt sich bei genauerem Zusehen halten.

Es ksnn nach den jetzt gesammelten Erfahrungen nicht mehr als alleiniger Isorneriebeweis gelten, wenn es gelingt, metastabile polymorphe Formen aus unter den ublichen Kautelen hergestellten Schmelzen oder Losungen zuriick- zuerhalten ; es lieljen sich unter geeigneten Bedingungen auf diese Weise z. B. mit Leichtigkeit Isomeriebeweise fur samt- liche 7 Hauptformen des p'-Methylchalkons fiihren. ') Was man bei solchen Versuchen mit polymorphen Formen uber den isotropen Zustand hinweg rettet, das mu8 nicht die Individualitat des Polymorphen, sondern es konnen spezifische Kernbildner sein, Raumgitterbruchstucke, Spuren von Poly-

Daher ist das fruher beziiglich der unveriinderten Umkrystallisier- barkeit der /%Form des p'-Methylchalkons Gesagte fraglich geworden.

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Systematische Untersuch. zum Polymorphismus organ. Suht. 173

meren oder andere Agentien.') Anders ist es naturlich, wenn es gelingt, Schmelzpunktsbeeinflussungen zu finden.

Unigekehrt wird ein Kennzeichen fur Polymorphismus darin erblickt, daR von zwei miteinander in Beriihrung stehen- den Formen nur dann die eine auf Kosten der anderen weiter- wachsen kiinne, wenn es sich nicht um chemisch verschiodene Individuen bandelt. Es hat sich indessen gezeigt, daB die stabilen Keto-Formen von gewissen 1,3-Diketonen die meta- stabilen Enol-Formen nicht anders behandeln, als das stabilere von zwei monotropen Polymorphen das weniger stabile, indem sie namlich genau wie jene auf Kosten der Enolformen weiter- wachsen.

Und wenn man bci der grol3en Mehrzahl aller organischen Substanzen beim Umlirystallisieren oder Schmelzen stets das Ausgangsmaterial zuruckgewinnt, so mug das nicht unbedingt heiBen, daR ini isotropen Zustand das Molekiil seiiie Indivi- dualitat bewahrt hat, es lcann sehr wohl unter vielen mog- lichen Stabilitatslagen2) der Losung oder der Schmelze fur eine einzige die Kernbildung derart weitgehend begiinstigt sein, daR sie ausschlieI3lich iinmer von neuem erscheint.

Es kommt weniger darauf an, dcn Polymorphismus dcr Isomerie gleichzustellen, als ihn ihr anzugliedern und seine eigene, innere Systematik zu entwickeln.

Beschreibung der Versuche. Da die Impfwirkung fester Partikeln auf unterkuhlte

Schmelzen die Grundlage fur die dargelegten Folgerungen bildet, war die Technik dieser Versuche so auszubilden, daB man vor Tauschungen moglichst bewahrt blieb. Grundsatzlich zu unterscheiden war zwischen unspezifischen Krystallisations- anreizen und spezifischen Impfakten.

Da z. B. die p'-Methylchalkon-Schmelze bei Fernhaltung aller sekundaren Einfliisse doch stets, besonders bei tieferer Temperatur, spontan Kerne der Modifikation VII, der am wenigsten stabilen, bildet, SO sind alle Falle, in denen in Beriihrung mit Fremdkorpern (also Impf- substanzen) VII-Formationen entstehen, mit grol3er Vorsicht zu be-

1) Vgl. dazu: Weygand und Baumgiirtel, A. 469, 231 (1929). 2, Vgl. dazu A. Reis, B. 59, 1543 (1926).

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174 We y g a n d ,

trachten. Ebenso ist nicht ohne weiteres aus dem Auftreten von III- Formationen auf spezifische Impfwirkung zu schlieBen, da latente III- Kerne in der p'-Methylchalkon-Schmelze, wie sich friiher gezeigt hat, oft erst dann in Erscheinung treten, wenn ein iiul3erer EinfluS (Phasen- grenzfliiche) hinzutritt. Es ist also einmal eine genaue Kenntnis vom allgemeinen Verhalten der fraglichen Formen notig, dann aber auch die Kenntnis der individuellen Vorgeschichte des jeweils benutzten Priiparats und seiner Spezial-Tiicken oder Tugenden. Ein z. B. als 11- oder als VI-Formation ,,konserviertes" p'-Methylchalkon-Priiparat liefert nach einmaligem Aufschmelzen mit besonderer Hartniickigkeit auch bei un- spezifischen Anreizen (Reiben, Kratzen, Glaspulver) zunachst diejenige Form zuriick, in der es zuletzt vorgelegen hatte. Am besten ist natiirlich stets der Schmelz-impf-Versuch, bei dem die Krystalle der Impfsubstanz frisch entstehen und jede das Ergebnis fiilschende Reibung aus- geschlossen ist.

Wenn auf besonders tief schmelzende Formen gepriift werden soll, so ist natiirlich darauf zu achten, ob in der fraglichen Schmelze nicht schon allein bei b1oSer Abkiihlung Kerne niedrigschmelzender Modi- fikationen entstehen.

Als vollig gesichert k6nnen die Impfakte dann gelten, wenn dabei neue oder sonst nur schwierig erhiiltliche Formen auftreten; auch dann sind sie als spezifisch amusehen, wenn die von der einen Substanz er- zeugte Form in der Schmelze der Impfsubstanz die erzeugende Modi- fikation wieder hervorruft. Nur ist dann darauf zu achten, da5 man das Impfmaterial nicht etwa an der urspriinglichen Impfstelle entnimmt, wo sich ja Partikeln der Ausgangssubstanz befinden, sondern es ist am besten, abzuwarten, bis die Erstiarrung so weit fortgeschritten ist, daB man es von einer neuen Deckglaskante entnehmen kann, die die wachsende Formation von innen her erreicht.

Helfen kann man sich in Notfiillen dadurch, daB man von der ersten Impfstelle aus mehrfach an freie Kanten iiberimpft, wobei man den Platindraht natiirlich jedesmal sorgfiiltig ausgliiht.

Nicht immer wirkt die Impfsubstanz unverziiglich, das ist be- sonders dann der Fall, wenn man mit tiefschmelzenden Stoffen animpft, die sich oft in der zimmerwarmen Schmelze zuniichst teilweise h e n ehe sie ihre Keimwirkung entfalten. Vielleicht werden Schmelzdiagramme in solchen Fallen neue Einblicke verschaffen. Kommt es nur darauf an, gewisse labile Formen zu erzeugen, SO kann man natiirlich oft mit Vorteil durch Reiben und Zerdriicken des Impfmaterials nachhelfen.

Kurze Charakter is t ik der noch nicht beschriebenen polymorphen Formen.

1. Chalkon. Schmelze gut unterkuhlbar, la& sich ,,altern"

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Systematische Untersuch. zum Polymorphismus organ. Subst. 175

a) Schmelzp. 58-59O. - Entsteht aus allen Chalkonpriiparaten bei liingerem Lagern, auch unter der Mutterlauge aus der metastabilen 57-Form. Wiichst unter dem Deckglas langsam, mit ziemlich breiten Fliichen, sternformig, bei roten und griinen Polarisationstonen.

b) Schmelzp. 56-57O. - Erscheint sehr hiiufig beim Umkrystalli- sieren in Gestalt langgestreckter, klarer Prismen, die typisch kobaltblau polarisieren. Die Metamorphose 57 --f 59 wird vom Sonnenlicht unter der Mutterlauge deutlich beschleunigt. Aus der Schmelze, namentlich bei starker Kiihlung, in sphiirolithischen Sternen mit ziemlich breiten Radialelementen, reliefartiger Anblick durch optische Tiiuschung; Sphiirolithe oft einheitlich getont, kobaltblau, seltener griinlich-rotlich. Besonders auffiillig beim Wachsen ist ein roter bis rotvioletter Saum an der Front, der dann bei fortschreitender Krystallisation rein kobalt- blau wird.

c) Schmelzp. 28O. Nur aus der Schmelze nach dem Animpfen mit p'-Methyl-chalkon 11, Dibenzoylmethan 78 oder p-Methyldibenzoyl- methan 84. Wiichst bei Zimmertemperatur kaum weiter, bei 0 fast identisch mit p-Methyl-chalkon 11, bei gleichen Polarisationstonen.

d) Schmelzp. 18O. Nur aus der Schmelze nach dem Impfen rnit Dibenzoylmethan 73, diesem deutlich ahnlich. Graue Polarisationstone, wiichst auch bei 00 auRerordentlich langsam. Die Schmelzpunkts- bestimmung geschah durch Vergleich mit einem in unmittelbare Niihe auf den Objekttriiger gebrachten Acetophenonkrystall, der beim lang- samen Warmwerden des gekiihlten Priiparats bei um 2O hbherer Luft- temperatur wegschmolz, als die am Deckglasrand freiliegenden Partikeln der 18-Form.

e) Metamorphosen. 57 -+ 59. Bei Zimmertemperatur iiuBerst triige, 59 vernichtet

vollkommen die Struktur der Grundmasse. 28 --t 57 und 28--t 59 sehr schnell, auch bei tiefen Temperaturen.

Ebenso 18 --f 57 und 18 -+ 59; bei der Metamorphose 28 -+ 59 sieht man ganz deutlich, wie die ,,Restschmelzerr auf die Umwandlungsfront zu aufgesaugt wird.

2. p-MethyZchaZkon. Schmelze schlecht unterkuhlbar, 1aBt sich nicht ,,altern".

a) Schmelzp. 96,5O. - Aus der Schmelze beim Animpfen mit dem Ausgangsmaterial, ziemlich schnell wachsend, sehr bunte Polarisations- tone auch in dicken Schichten, bei groRen Fliichen. Wiichst nur in der Niihe des Schmelzpunkts ungestort, wird bei tieferer Temperatur un- weigerlich von der 91-Form abgelost (8. u.). Der Ausdruck ,,97 wird von 91 abgelost" bedeutet, da13 eine andere, meist weniger stabile Form von der Krystallisationsfront der ersten ausstrahlt.

b) Schmelzp. 91O. - Erscheint aus der Schmelze bevorzugt spontan in Sphiirolithen, sehr fein-faserig, oft ganz opak, nur in dunnen Schichten

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176 We yg a n d ,

maibig bunte Polarisationsthe. Wachstumsgeschwindigkeit auBer- gewohnlich groB, gr6Ber als bei 97.

c) Schmelzp. 86O. - Erscheint unter gleichen Bedingungen wie 91 fast stets an den Deckglasriindern, wachst stets nur ganz kurze Zeit und wird dann von 91 abgelost. Vie1 breitere Flilchen als bei 91, spharo- lithisch, ausnahmslos vollig transparent. Zur Schmelspunktsbestimmung wurde ein Deckglaspraparat in Wasser erhitzt und dabei die Schmelz- punkts-Differenz der unter dem gleichen Deckglas befindlichen 91- und 86-Formen zu 5O ermittelt.

d) Metamorphosen. 91 -+ 97. Bei Zimmertemperatur auch nach vielen Monaten

keinerlei Umwandlung zu bemerken, uber 30° steigt dann die Um- wandlungsgeschwindigkeit lebhaft an, 97 bringt seinen Krystallisations- charakter deutlich zur Geltung und vernichtet die Grundmassen-Struktur vollkommen.

86 -+ 97. Bei Zimmertemperatur langsam und launisch, bleibt leicht stecken, Charakter wie bei 91-97.

86 --f 91 konnte nie beobachtct werden, bevor bei hoherer Tempe- ratur eine hderung zu sehen gewesen ware, tritt stets 97 auf.

3. p , p‘-Dimethylchulkon. Schmclze schlecht unterliuhl- bar, 1aBt sich nicht sltern.

Schmelzp. 128-129O. Wachst von allen Chalkonformen dem p’-Methylchalkon VII am ahnlichsten, jedoch um das Vielfache schneller. Es treten garbenartige Aggregate auf, in der Primarformation setzt eine bei Zimmertemperatur sehr langsame Umformung ein, die an das Wechsel- spiel der Untermetamorphosen bei p’-&Iethylchalkon VII erinnert.

4. p-Methybclibenxoylmethan. Schmclze gut unterkiihlbar, 1aBt sich gut altern.

a ) Schmelzp. 84O. Erscheint beim Umkrystallisieren, aus der Schmelze nicht selten in sehr bunten Spharolithen, auch vom Rande aus. Im ganzen Charakter dem Dibenzoylmethan 78 nicht uniihnlich, Wachstumsgeschwindigkeit ziemlich groB (210 &ec bei 20°), zahlreiche Spaltrisse. Entsteht beim Animpfen mit Chalkon 28, p’-Methyl-chalkon I1 und Dibenzoylmethan 78.

b) Schmelzp. 64O. Aus der Schmelze bevorzugt mit hoher Kern- zahl. Erscheint immer von neuem an den gleichcn ,,kritischen Stellencc. Typisch sphlrolithisch.

Wachstumsformen: a) Bei Zimmertemperatur vom Zentrum aus oft ein aus 4-5 nicht sehr exakt begrenzten Rhomben zusammen- gesetzter, vBllig transparenter Stern, von dem aus nach kurzer Zeit ein chaotisches Wachstum einsetzt, das dem des p’-Methyl-chalkon VI merklich LMich ist, braune Nadeln durcheinander wachsend mit klaren Flachen. Die Zentral-Sterne triiben sich von der Peripherie her, sobald die eben beschriebene Wachstumsart einsetzt.

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Systematische Untersuch. zum Polymorphysmus organ. Su6st. 177

b) I n der Warme, bei etwa 40--80° waehsen klare, hiiufig rot-grw polarisierende breite, undeutlich begrenzte Flachen, auch die chaotische Form geht in die transparente beim Weiterwachsen iiber, wenn die Temperatur gesteigert wird. Die transparente Formation triibt sich ent- weder von sich am oder auch von benachbarten chaotischen Bezirken bei Zimmertemperatur sehr bald. Wachstumsgeschwindigkeit : 40 p/sec bei 20O.

Entsteht beim Impfen mit p'-Methyl-chalkon 111, Dibenzoyl- methan 73, p, p'-Dimethyl- und p, p'-Dimethyl-b-oxy-chalkon.

c) Schmelzp. 42O. Entsteht ausschliel3lich beim Animpfen mit p-Methyl-chalkon 91. Krystallisationsgeschwindigkeit gering : 4,6 p/sec (200). Ziemlich breite Fliichen, Nadeln neben dreieckigen Elementen und facherartigen Aggregaten. Teils grau, teils bunt polarisierend, typisch leuchtend orangegelbe Tone der Nadeln, die in anderer Stellung nach Smaragdgriin umschlagen.

d) Metamorphosen. 64 -+ 84. Charakter: Kraftige Aufhellung der opaken 64-Bezirke,

Neigung zuni Steckenbleiben, die Grundformation wird nicht vollstandig umgobildet, wenigstens tritt der Krystallisstionscharakter von 84 nicht klar hervor (wolkige Erscheinungen) ; Umwandlungsgeschwindigkeit 0,36 plsec.

42 --f 64, Charakter : Triibung, Umwandlungsgeschwindigkeit 4,2 p/sec. (20O).

42 --f 84; Charakter : Umbau, Umwandlungsgeschwindigkeit sehr groh, grol3er als die Krystallisationsgeschwindigkeit von 42.

5. p , pf-Dimelhyl-P-ox?~chalkoT1, Schnielze schlecht unter- kuhlbar, 1aOt sich nicht altern.

Schmelzp. 127-129O. Nur in einer Form erhhltlich. Breite, rot- griin polarisierende Flachen, Krystallisationsgeschwindigkeit sehr gro13. Impft die p'-Methylchalkon-Xchmelze zu den Formen 111, V, und IV, Untermetamorphosen wie bei 3 konnten aber noch nicht beobachtet werden.

sich gut unterkiihlcn, vertrggt abcr hohcs Erliitzen nicht. 6. P-Li_'lhoz?&dkon vom Schnielzp. 43O. Schmelze 19&

Beim Animpfen mit p-Methyl-P-iithoxychalkon (s. u. Ziff. 8) ent- steht eine Form vom Schmelzp. 43', deren Wachstumscharakter dem 78-Polymorphen des gleichen Stoffs entfernt iihnelt, doch sind die Polarisationstone leuchtender, die Wachstumsgeschwindigkeit ist gering, p-hhoxychalkon 63 und 78 zehren sie ziemlich schnell auf.

7. ~'-MethyZ-F-~ithoxych~Z~on. Schnielze 1aBt sich gut unterkiihlen, hohes Erhitzen schadlich.

a) Schmelzp. 73O. Entsteht aus der Schmelze bevorzugt nnd beim Animpfen mit dem durch Umkrystdlisieren gewonnenen Ausgangs- material. Wachstumscharakter sehr ahnlich dem des p-&hoxychalkons 63,

Annalen der C'heinie 472 . Bond. 12

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178 Weyg a n d , Systeniat. Ur~tersucA. zum Polymorphismtis usw.

impft dessen Schmelze sofort zur B3-Form an und wird von ihr erzeugt. Wachstumsgeschwindigkeit gering.

b) Schmelzp. 86-58O. Entsteht aus der Schmelze manchmal spontan, waclwt ganz besonders langsam, dem /l-dthoxyehalkon 78 eMich, wird von tliesem erzeugt und impft dessen Schm~lze mr selben 78-Forin an. Die Metamorphose 58 - + 78 verlauft ziemliuh iawh.

8. p-Methyb-i0-alhoxUc.hrr17io,~. Schniclw ItiiBt sich riiclit bc-

Schmelzp. Ole. Aus der Rchmelze spontan sowio beim Animpfen mit dem Ausgangsmaterial und mit @-khoxychalkon 43 (8. o. Ziff. 6). Feinfaserige Spharolithe, zum Teil bunte, typisch kornblumenblaue Polarisationstone, Krystallisationsgeschwindigkeit maBig.

sonders gut unterkiihlen.

9. p,p'-Dii~ieth~l-~-li tho,c?~chalko~a. Schmelze 1aBt sich gut unterkuhlen.

Schmelzp. 80-81 O . Erschien beim Umkrystallisieren nach der Synthese, krystallisiert aus der SchmeIze ungeheuer langsam, etwas schneller bei erhoher Temperatur. Scheint sich sehr langsam in eine friiher erhaltene Form vom Schmelzp. 106-107O umzulagern.

10. cr-Bronichalkon. LaBt sich gut unterkiihlen. Schmelzp. 45O. Erstarrt spontan nur sehr sohwierig, beim An-

impfen der Deckglasrander wird fast die gesamte Schmelze aim dem Inneren herausgesaugt, E.-51. undeutlich, nur gelegentlich grciWere Flachen. Krystallisationsgeschwindigkeit sehr gering.

11. p'-Meth2JZ-cr-brorvichalkon. Schmelze l%Wt sich grit unterkiihlen.

a) Schmelzp. 66-67O. Wird bei der Synthese und beim Uni- krystallisieren erhalten. Ersoheint aus der Schmelze entweder heim Impfen oder spontan in einer entfernt an den E.-M. von P-Athoxy- chalkon 78 erinnernden Weise (Blasenphanomen). Krystallisations- geschwindigkeit midig, impft p'-Methylchalkon zur Form VI (trage). Scheint sich beim Liegen sehr langsam zu polymerisieren.

b) Schmelzp. 58O. Wird nur yon cc-Bromchalkon 45 aus der Schmelze hervorgerufen. Erinnert im E.-M. etwas an p'-Metliyl-chalkon V1; Krystallisationsgeschwindigkeit sehr gering. Impft cc-Bromchalkon an, was die 67-Form nicht t u t . Wird von der 67-Form ziemlich langsam aufgezehrt.

Scheint sich beim Liegen sehr schnell zu polymerisieren, das hoch- schmelzende Umwandlungsprodukt verscliwindet beim hiiheren Erhitzen aber vollkommen. (Depolymerisation ?)

12. p-Meth~~-cr-bromchalkon. Schmelze laBt sich gut untcr- kuhlen.

Schmelzp. 66-67". Wird beim Umkrystallisieren nach der Syn- these erhalten. Aus der Schmelze wachsen beim Impfen brcite, gezackte,

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Ko mp'pa, Studieti in der Penchenreihe. 11. 179

spitzwinMige Elemente mit rot-griinen Polarisationstonen, dazwischen schnialere, niemals bunte, Nadeln. Vom Krystallisationszentrum oder der Impfstelle aus verbreitet sich bald einz Untermetamorphose. Sie rrscheint als filigranartiges Muster in den breiten Flilchen, die Nadeln bleiben (scheinbar ?) unverandert. Die Front der Unterforni schreitet fast gleichschnell fort, wie die Krystallisationsfront in der Schmelze. Sie kann bei bestimmter gegenseitiger Lagerung sich sogar der Front unmittelbar nahern, vermag aber nicht in den Schmelzraum durchzu- brechen. Der Vorgang bildet ein hervorragendes Demonstrationsobjelxt fur Umwandlungsmechanismen: Stellt man eine breite Flilche der Primar- formation bei gekreuzten Nikols auf Dunkel ein, so scheint es buch- atablich, als ob die U.-F. aus einer isotropen Schmelze wiichse, wahrend sie sich tatshchlich mit relativ hoher Geschwindigkeit in der festen Grund- formation ausbreitet. Vielleicht ist die Umwandlung enantiotrop. Sie setzt auch iin Inneren spontan cin. Schmelzpunktsunterschiede sind nicht zu finden.

Stndien in der Penchenreihe. II; von Gust. Komppa.

Uber ein homologes Isofenchen.

[ h a den1 chem. Laborat. d. Techn. Hochschule in Helsiuki, Finnlrtnd.]

(Eingelaufen am 29. Mai 1929.)

M'ie bekannt hat man schon vor langerer Zeit durch die Einwirkung von Methyl-magnesiumjodid auf Campher und auf Fenchon die eiitsprechenden tertiaren Alkohole, Methyl-borne01 , und Methyl-fenchylalkohol I) dargestellt. Aus diesem hat man dann durch Wasserabspaltung homologe Terpene, namlich ein Methyl-camphen und ein Methyl-oc- fenchen erhalten.2) Und zwar geben beide obengenannte tertiare .4lkohole dieselbe Ifischung von Terpenen, so daB hier durch die ,, Wa,qnersche Umla.gerung" ein Ubergang vom Camphertypas in den Fenchen- bzw. Carnphentypus und um-

I) Zelinsky, B.34, 2883 (1901). *J Wal lach , A. 353, 218 (1907); Bred t , J. pr. (8) 98, 96 (1918);

Ruzicka , Melv. I, 114 (1918); A . 440, 322 (1924); Nametkin , X 60, 254 (1915); 51, 139 (1919); 8. 438, 207 (1923); 438, 203 (1924).

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