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Systemunabhängige Referenzprozesse für das PLM Handbuch Gefördert durch

Systemunabhängige Referenzprozesse für das PLM

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Systemunabhängige Referenzprozesse für das PLMHandbuch

Gefördert durch

LF-PS-Handbuch TFB57-Titel-neu-13 3 19.06.2008 21:16:08

Handbuch TFB 57

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Einl1 1 23.06.2008 11:55:55

�Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Einl2 2 23.06.2008 11:55:55

�Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Inhalt

1. Einleitung 5

1.1 Ausgangssituation 6

1.2 Zielsetzung des Leitfadens 6

1.3 Vorgehensweise 6

1.4 Beteiligte Institute und Industriepartner 7

�. ErgebnissederStudie»PotenzialeSystemunabhängigerReferenzprozesse« 9 2.1 Status Quo zur Nutzung von Referenzprozessen in produzierenden Unternehmen 10

2.2 Nutzenpotenziale von Referenzprozessen im PLM 15

�. LeitfadenzurBewertungundAuswahlvonReferenzprozessen 19

3.1 Potentialbasierte Bewertungsmethode zur Prozessauswahl 19

3.2 Vorgehensweise zur Bewertung und Auswahl 20

3.3 Zusammenfassung zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen 27

4. DieReferenzprozesse �9

4.1 Prozesslandkarte der entwickelten Referenzprozesse 29

4.2 Grundlagen der verwendeten Prozessmodellierung 30

4.3 Auftragsabwicklung 31

4.4 Ideenmanagement 35

4.5 Anforderungsmanagement 40

4.6 Funktionsmanagement 44

4.7 Produktstrukturierung 47

4.8 Produktprogrammplanung 50

4.9 Änderungsmanagement 58

4.10 Einzelprojektcontrolling 61

4.11 Risikomanagement 67

4.12 Kollaborative Entwicklung 71

4.13 Qualitätscontrolling 74

4.14 Gestaltung eines belastungsoptimalen Arbeitsumfelds von Simultaneous-Engineering-Teams 78

4.15 Personalauswahl und -entwicklung 84

5. ZusammenfassungundAusblick 9�

6. Ansprechpartner 9�

7. Quellenverzeichnis 95

Autoren:Schuh, G.; Schlick, C.; Schmitt, R.; Lenders, M.; Bender, D.; Bohl, A.; Gärtner, T.; Hatfield, S.; Müller, J.; Mütze-Niewöhner, S.

ISBN 978-3-926690-16-6

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Einl3 3 23.06.2008 11:55:55

4Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

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5Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

1 Scheer, A.-W.: ARIS-House of Business Engineering, 1996, S. 3.2 Eversheim, W.: Innovationsmanagement, 20033 Schuh, G.; Lenders, M.; Müller, J.: PLM mit Modellcharakter, 2007, S. 32.4 Lenders, M.: PLM und Lean Innovation, 20085 Schuh, G.; Assmus, D.; Rozenfeld, H; Zancul, E.: PLM Implementation, 2007

Einleitung

-Prozesse und -Anwendungen3. Abbildung 1.1 stellt das Zusammenwirken von Prozessen, Pro-duktdaten und PLM-Funktionen im Rahmen des PLM-Konzepts dar. Sukzessive können hierbei aus den zu implementierenden Prozessen die benötigten PLM-Funktionen abgeleitet werden, aus denen wiederum die zu integrierenden Pro-duktdaten hervorgehen. Rückgreifend erfolgt jeweils ein Plausibilitäts-Check.

Wie aus Abbildung 1.1 ersichtlich wird, stellen die implementierten Prozesse ein Kernelement des Product-Lifecycle-Managements dar. Refe-renzprozesse dienen dabei als Startpunkt zur PLM-Implementierung, indem sie als erprobte Best-Practice-Lösungen fungieren5.

Die Anwendung starrer, nicht anpassungs-fähiger Standardprozesse kann jedoch nur zu einem suboptimalen Ergebnis führen. Die Eignung eines Prozesses für ein Unternehmen ist abhängig von diversen Unternehmens- charakteristika, wie beispielsweise der Produkt-komplexität oder der Auftragsgebundenheit der Leistungserstellung. Diese Charakteristika kön-nen bereits bei der Betrachtung der Unterneh-men eines einzelnen Marktsegments grund-legende Unterschiede aufweisen. Um diese Unterschiede auffangen zu können bieten sich Referenzprozesse an, die sowohl ein adäquates Niveau an Generizität bieten aber auch konfi-gurierbar sind.

Hersteller innovativer Produkte erzielen insbe-sondere dann Wettbewerbsvorteile, wenn sie auf das stetig steigende Anspruchsniveau der Kunden hinsichtlich Funktionsvielfalt und Indivi-dualisierung in angemessener Zeit mit neuent- wickelten, qualitativ hochwertigen Produkten zu einem angemessenen Preis reagieren kön-nen. Gleichzeitig ist ein wichtiger Grundsatz für unternehmerisches Denken, dass man Gutes weiter verbessern kann und sogar muss, um dem u. a. durch die Globalisierung stetig wach-sendem Konkurrenzdruck zu begegnen.

Insbesondere in den Bereichen Produktion und Verwaltung wurde in den 90er Jahren mit Methoden wie der kontinuierlichen Verbesse-rung und dem Business Process Reengineering, die durch systematisches Vorgehen sicherstel-len, dass Schwachstellen sicher identifiziert und nachhaltig verbessert werden, große Fort-schritte in Effektivität und Effizienz erreicht1. Die Forderung nach kürzeren Entwicklungsdau-ern führte in der Produktentwicklung zu einer stärkeren Strukturierung des Vorgehens und der Einführung des Concurrent Engineering, die durch die Parallelisierung und die Integration von Produktentwicklungsschritten einschließlich der Prozessplanung charakterisiert ist2.

Verkürzte Produktlebenszeiten und die zu-nehmende Bedeutung von Innovation bewirkte zunehmend eine stärkere Fokussierung auf kollaborative Entwicklungsprozesse und den gesamten Produktlebenszyklus. Die strategische Bedeutung eines Product-Lifecycle-Manage-ment (PLM) wurde zunächst von größeren Un-ternehmen erkannt und mit großem Aufwand in IT-gestützten Prozesslösungen umgesetzt.

Bei Product Lifecycle Management (PLM) handelt es sich um einen Ansatz zur ganzheit-lichen, unternehmensweiten Verwaltung und Steuerung aller Produktdaten und Prozesse des kompletten Lebenszyklus entlang der erwei-terten Logistikkette – von der Konstruktion und Produktion über den Vertrieb bis hin zur Wartung1. Der Gedanke hinter PLM besteht vor allem in einem integrierten Management-Ansatz, bestehend aus konsistenten Methoden, Modellen und Werkzeugen zum Management aller produktbezogenen Engineering-Daten,

Abbildung 1.1Elemente des PLM-Konzeptes4

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Einl5 5 23.06.2008 11:55:56

1. Einleitung

6Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Insbesondere kleine und mittlere Unterneh-men (kmU) stehen heute vor der Herausforde-rung, dass ihre Prozesse integrationsfähig sein müssen, um als Zulieferer oder Entwicklungs-partner fungieren zu können. Häufig fehlen ihnen allerdings die dazu erforderlichen finan-ziellen und technischen Ressourcen.

In dem von der Deutschen Forschungsge-meinschaft (DFG) geförderten Projekt »Transfer-bereich 57 – Entwicklung systemunabhängiger Referenzprozesse« wurden Prozessbeschrei-bungen für das Product Lifecycle Management entwickelt, die durchgängig den methodisch optimalen Weg durch die integrierte Produkt- und Prozessgestaltung beschreiben. Im Rah-men dieses Projekts ist das vorliegende Buch entstanden, das schrittweise aufzeigt, wie kmU ihr PLM-Potenzial identifizieren können und wie sie PLM-Prozesse unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Anforderungen in ihrem Unternehmen implementieren können.

1.1Ausgangssituation

Dem von der Deutschen Forschungsgemein-schaft (DFG) geförderten »Transferbereich 57 – Systemunabhängige Referenzprozesse« liegt der von der DFG geförderte Sonderforschungs-bereich (SFB) 361 zu Grunde. Im SFB wurden verschiedene Einzelmethoden und Modelle ent-wickelt, die eine integrierte Produkt- und Pro- zessgestaltung in frühen Phasen der Produkt-entstehung unterstützen. Diese frühen Ent-wicklungsphasen sind durch ein hohes Maß an Planungs- und Informationsunsicherheit gekennzeichnet. Die entwickelten Modelle und Methoden adressieren dies und zielen auf eine Verkürzung der Entwicklungszeit, eine Ver- ringerung der Entwicklungs- und Herstellkosten sowie auf eine Verbesserung der Produkt- qualität ab. Hierbei wurde ein interdisziplinärer Ansatz aus Ingenieurwissenschaften, der Betriebswirtschaftslehre und der Arbeitswissen-schaft genutzt.

Durch die Integration der Methoden in den Produktentstehungsprozess wird die Trans-parenz gesteigert und das Verständnis der Methoden verbessert. Die Methoden wurden in bilateralen Projekten mit Industrieunternehmen erprobt und versprechen ein hohes Potenzial hinsichtlich Effektivität und Effizienz in der integrierten Produkt- und Prozessgestaltung. Das größte Hemmnis bei der Anwendung der

entwickelten Methoden ist allerdings, dass In-formationen aus anderen Bereichen des Unter-nehmens oder auch von Kooperationspartnern des Unternehmens benötigt werden. Da nicht alle Bereiche direkt von der Methode profitie-ren, werden Informationen gar nicht oder nur in begrenztem Umfang zur Verfügung gestellt. Durch dieses Informationsdefizit werden die beabsichtigten Ergebnisse der Methodenanwen- dung nicht erreicht und schließlich die Metho-denumsetzung im Unternehmen gefährdet.

1.�ZielsetzungdesLeitfadens

Zielsetzung dieses Leitfadens ist es, kleinen und mittleren Unternehmen eine Handlungsanlei-tung für die Einführung und Umsetzung von Referenzprozessen für das PLM zur Verfügung zu stellen. Mit der Einführung und der Etablie-rung von PLM-spezifischen Prozessen kann so-wohl die Effizienz als auch die Effektivität in der Produktentwicklung gesteigert werden. Dieses Handbuch leistet einen wesentlichen Beitrag dazu, bei der Definition dieser Prozesse bereits auf einem vordefinierten Level zu starten und so die ansonsten erforderliche Grundlagen-arbeit zur Erarbeitung der Prozessstruktur mi-nimieren zu können. Vielmehr können Unter-nehmen so auf bewährtem Grundlagenwissen direkt aufsetzen.

Durch die ganzheitliche Sicht auf den Pro-duktentstehungsprozess im Sinne des Product-Lifecycle-Management werden die Informati-onsbedarfe und das Nutzen-/ Aufwand-Verhält- nis zur Erzeugung dieser Informationen trans-parent und eine durchgängige Informations- bereitstellung gesichert.

In diesem Leitfaden sind insgesamt 13 sys- temunabhängige Referenzprozesse für das PLM beschrieben, die den Produktlebenszyklus in den Entwicklungsphasen vom Ideenmanage-ment bis zum Änderungsmanagement unter-stützen (siehe Abbildung 1.2). Referenzprozesse sind generische Prozesse, die als Basis für die Gestaltung der Unternehmensprozesse und der IT-Systemlandschaft dienen. Dabei gewährleistet eine systemneutrale Beschreibung der Prozesse die Unabhängigkeit von Softwareanbietern.

1.�Vorgehensweise

Das Transferprojekt »Systemunabhängige Refe-renzprozesse« wurde initiiert, um die im SFB 361

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Einl6 6 23.06.2008 11:55:56

1. Einleitung

7Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 1.2 Spektrum der Referenz- prozesse

entwickelten und erfolgversprechenden Modelle und Methoden für die Produkt- und Prozess-gestaltung einfach in die Praxis transferieren zu können. Die prozessbezogene Vorgehensweise stellt den inhaltlichen Anknüpfungspunkt an die Arbeiten des SFB 361 dar. Die von den jewei-ligen Instituten entwickelten Methoden wurden inhaltlich durch diese weiterentwickelt und über den Referenzprozess in die Anwendung inner-halb der integrierten Produkt- und Prozessgestal-tung überführt.

1.�.1AnalysevonIst-ProzessenIn Interviews mit Mitarbeitern aus den Partner-unternehmen des Projektes und Projektpart-nern der beteiligten Institute wurden deren Prozesse mit der Modellierungsmethode Busi-ness Process Modeling Language (vgl. Kapitel 4.3) modelliert, analysiert und Schwachstellen identifiziert, die es in den Referenzprozessen zu überwinden galt. Ergebnisse dieses Arbeits-schrittes sind verschiedene Fallstudien pro Referenzprozess.

In der Studie »Potenziale systemunabhän-giger Referenzprozesse« (vgl. Kapitel 2) wurde von 51 befragten Unternehmen der Investi- tionsgüterindustrie der Einfluss der Prozesse auf die Erreichung der Unternehmensziele bewer-tet. Potenziale sind zum Beispiel die Reduktion der Time-to-Market, Reduzierung der Varian-tenvielfalt, Verbesserung der Zielgenauigkeit von Produktentwicklung etc. Auf Basis der Potenziale wurde eine kennzahlenbasierte Bewertungsmethode für die Auswahl von Referenzprozessen aufgebaut (vgl. Kapitel 3).

1.�.�AufbaudesProzessportfoliosDas aufgebaute Prozessportfolio hat den An-spruch, den PLM-orientierten Produktentwick-lungsprozess in wesentlichen Aspekten und Phasen abzubilden. Gleichzeitig ziel das Prozessportfolio auf eine ganzheitliche Betrach-tung des Produktentwicklungsprozesses ab, so dass nicht nur Kernprozesse der Produkt-entwicklung wie das Änderungsmanagement, sondern auch unterstützende Prozesse wie das Qualitätscontrolling sowie die Personalauswahl und -entwicklung abgebildet wurden. Der Input und Output der Aktivitäten der PLM-Prozesse ist dabei nicht nur mit Aktivitäten des eigenen Prozesses, sondern ggf. auch mit Aktivitäten anderer Prozesse verknüpft, um damit die Durchgängigkeit von Informationen zu wahren.

1.�.�AufbauderReferenzprozesseAusgehend von den entwickelten Methoden wurden die Referenzprozesse definiert. Hierbei wurden für jeden Referenzprozess die Aktivi-täten, Eingangs- und Ausgangsinformationen, Prozesseigner, Mitwirkenden, IT-Systeme sowie Methoden und Hilfsmittel definiert. Hierzu wurden zunächst die Extremfälle, d. h. die Methodenanwendung mit einfachen Hilfsmit-teln sowie die Methodenanwendung mit einem vollintegrierten System und umfangreicher Dokumentation, definiert. Von diesen beiden Extremen wurden sinnvolle Zwischenstufen definiert. Um die Anforderung der Generizität in den Referenzprozessen zu erfüllen, wurden diese als flexibel konfigurierbare Prozesstemp-lates ausgeführt.

1.4BeteiligteInstituteundIndustriepartnerDie Erarbeitung der vorliegenden Inhalte er-folgte im Rahmen des Projektes Transferbereich 57 gemeinsam durch drei Institute der RWTH Aachen:

Abteilung Innovationsmanagement am Lehrstuhl für Produktionssystematik des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH AachenAbteilung Produktionsqualität und Mess-technik am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPTLehrstuhl und Institut für Arbeitswissen-schaft der RWTH Aachen

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Einl7 7 23.06.2008 11:55:56

1. Einleitung

�Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen führt sowohl grundlagenbezogene als auch an den Erfordernissen der Industrie ausgerichtete Forschungs- und Beratungspro-jekte durch und erarbeitet damit innovative, praxisgerechte Lösungen zur Sicherung einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung. Aus der Zielsetzung, den Gesamtbereich produk- tionstechnischer Fragestellungen in einem Haus zu behandeln, resultiert ein breites Arbeitsge-biet, das sich vom strategischen, Innovations-, Produktions- und Qualitätsmanagement bis hin zur Steuerungs-, Maschinen-, Fertigungs- und Messtechnik erstreckt. Die Abteilung Innova-tionsmanagement am WZL unterstützt produ-zierende Unternehmen in Fragestellungen des Entwicklungs- und Komplexitätsmanagements. Um sich in diesem Spannungsfeld erfolgreich zu bewegen, bedarf es erfolgreicher Antworten: die Planung variantenoptimierter Produktpro-gramme, die Gestaltung von komplexitäts-beherrschenden Produktarchitekturen, die Definition effizienter Prozesse der Produktent-wicklung und Auftragsabwicklung, der Einsatz von Product Lifecycle Management-Lösungen zur Integration von Daten, Informationen und Prozessen entlang des Produktlebenszyklusses. In diesen Themenfeldern unterstützt die Abtei- lung Innovationsmanagement am WZL Unter-nehmen bei ihren Fragestellungen und Heraus-forderungen. Weitere Informationen sind unter: www.wzl.rwth-aachen.de/de/innovationsma-nagement.htm erhältlich.

Das Fraunhofer-Institut für Produktions-technologie IPT plant, entwickelt und verbes-sert Fertigungsverfahren für die industrielle Produktion. Hierzu zählen die Gestaltung und Optimierung neuer technologischer Lösungen im Hinblick auf Leistungsfähigkeit und Qualität sowie sich laufend ändernde Randbedingungen für Mensch und Umwelt. Erfolgreiche Verfah-renseinführung in die Produktion verknüpft stärker denn je alle Einzelbeiträge und wech-selseitigen Einflüsse aus der Prozesstechnologie, maschinenbaulichen und steuerungstechnischen Komponenten, der Produktionsmesstechnik so-wie dem Qualitäts-, Technologie- und Einkaufs-management.

Um Produktionsabläufe sicher zu beherr-schen, ist es unerlässlich, die Prozessfähigkeit zu erfassen und kontinuierlich zu verbessern. Die Abteilung »Produktionsqualität und Mess-technik« des Fraunhofer IPT arbeitet intensiv

an praxisorientierten Lösungen für unterschied-liche Branchen vom Produktionsunternehmen bis zum Dienstleister. Prozessorientierte, in die Fertigung integrierte Messtechnik liefert die geforderten Eingangsdaten, während statisti-sche Methoden und organisatorische Konzepte einen effektiven Beitrag zur Absicherung der Prozess- und Produktqualität leisten. Zum Leis- tungsangebot des Fraunhofer IPT zählen Inte-grationskonzepte ebenso wie die individuelle Implementierung bei Kunden und Partnern, aber auch die Entwicklung, Befähigung und Optimierung von Messverfahren mit Blick auf den Einsatz in der Praxis.

Das Institut für Arbeitswissenschaft (IAW) befasst sich im Rahmen von Forschungs- und Beratungsprojekten seit mehr als fünf Jahr-zehnten mit der Gestaltung und Optimierung von Arbeitsprozessen in Entwicklung, Produktion und Service. Im Mittelpunkt unserer Aktivitäten steht der Mensch im Unternehmen der Zukunft.

Die sich schnell verändernden Markt- und Umfeldbedingungen verlangen von Unterneh-men eine hohe Kooperations- und Verände-rungsfähigkeit. Das wesentliche Potenzial hierfür liegt in den im Unternehmen tätigen Menschen und deren Arbeit. Es gilt deshalb bei der Ausle-gung des einzelnen Arbeitssystems ebenso wie bei der Gestaltung von Arbeitsprozessen sowohl organisatorische, technische als auch personen-bezogene Aspekte zu berücksichtigen.

Gemeinsam mit Forschungsträgern und un-seren Partnern aus der Wirtschaft erfüllt das IAW diese komplexe Gestaltungsaufgabe durch die Integration von Erkenntnissen aus den Gebieten Arbeitsorganisation, technische Arbeitssystemge-staltung und Personalmanagement. Innovative, ergonomisch optimierte Formen der Mensch-Technik-Interaktion bilden die Basis für die Förde-rung der Kompetenz von Personen in komplexen Arbeitsprozessen. Weitere Information finden Sie unter: www.iaw.rwth-aachen.de.

Die Validierung der Referenzprozesse erfolgte gemeinsam mit den Partnerunternehmen des Transferbereichs 57. Diese sind:

Gebr. Becker GmbH & Co. CEROBEAR GmbHPTC Parametric Technology GmbHSaint-Gobain, Zweigniederlassung DeutschlandSchoen + CompanySchuh & Co. Komplexitätsmanagement

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9Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Ergebnisse der Studie

ErgebnissederStudie»PotenzialeSystemunabhängigerReferenzprozesse«

Um die entscheidenden Nutzenpotenziale und Herausforderungen bei Umsetzung von Referenzprozessen in der industriellen Praxis zu identifizieren, wurde im Rahmen des Pro-jektes eine fragebogenbasierte Studie unter produzierenden Unternehmen verschiedener Branchen durchgeführt. Zielsetzung der Studie war es, den Status Quo der Verbreitung von Referenzprozessen im PLM, Nutzenpotenziale und damit einhergehende Herausforderungen zu erheben.

Auf Basis der Daten der Erhebung wurden verschiedene quantitative Auswertungen vorge-nommen. Parallel zur quantitativen Auswertung der Antworten wurden die Daten auf eine Korrelation zwischen einzelnen Antwortmus-tern und grundsätzlichen Erfolgsfaktoren hin untersucht. Für diese Analyse wurden drei verschiedene Erfolgsfaktoren definiert, die – aus Fragen und Angaben der Studien gebildet – eine Einteilung der Unternehmen in „Outper-former“, „Mittelfeld“ und „Underperformer“ in den drei Disziplinen Finanzen, Umsatz mit Neuprodukten und Zeitaufwand für Informati-onssuche erlaubten (Abbildung 2.1).

Die Fragebögen wurden an einen breiten Querschnitt von Führungskräften in der produ-zierenden Industrie im deutschsprachigen Raum gerichtet. Die Teilnehmer der Studie kommen überwiegend aus den Branchen Maschinen- und Anlagenbau (zusammen mit Industriekom-ponenten 43%) und Fahrzeugtechnik (Auto-mobilhersteller und -zulieferer, 13%). Unter-nehmen der Branchen Verkehr (Luftfahrt und Schienenverkehr) und Elektrotechnik machen zusammen weitere 21% aus. Der Jahresum-satz bewegt sich bei mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen unterhalb einer Grenze von 100 Millionen Euro und offenbart somit ein besonders im Mittelstand verbreitetes Interesse an der Thematik (Abbildung 2.2).

Auf den folgenden Seiten sollen nun die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie im Detail vorgestellt werden.

Abbildung 2.1Untersuchte Erfolgsfaktoren und ihre Zusammensetzung

Abbildung 2.2Branchenverteilung und Umsatz der befragten Unternehmen

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Einl9 9 23.06.2008 11:55:56

2. Ergebnisse der Studie »Potenziale Systemunabhängiger Referenzprozesse«

10Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

�.1StatusQuozurNutzungvonReferenz-prozesseninproduzierendenUnternehmen

Um regional unterschiedlichen Produktanfor-derungen gerecht werden zu können, müssen global agierende Unternehmen oft vor Ort über Entwicklungsstandorte verfügen. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass bereits ein Drittel der befragten Unternehmen über mehr als zwei an der Produktentwicklung beteiligte Standorte

verfügt. 5% der Unternehmen beziehen sogar mehr als fünf Standorte in ihre Entwicklungs-prozesse ein (Abbildung 2.3).

Die Verteilung der Entwicklungsaufgaben über mehrere Standorte erhöht die Komplexität des Entwicklungsprozesses und die Anforde-rungen an die Qualität der verfügbaren Infor-mationen maßgeblich. Referenzprozesse bieten hier die Möglichkeit, anhand eines einheitlichen Verständnisses der Abläufe dieser Komplexität zu begegnen. Mit der Unterstützung von PLM-Systemen kann zusätzlich die Qualität vorhan-dener Daten und deren Verfügbarkeit an den verschiedenen Standorten verbessert werden.

Ebenfalls wesentlich für den Erfolg von Entwicklungsprojekten, besonders in wirtschaft-licher Hinsicht, ist der Anteil von späten Ände-rungen am Gesamtänderungsumfang. Je weiter das Entwicklungsprojekt fortgeschritten ist, de-sto geringer ist der gestalterische Freiraum für Änderungen und desto größer sind die mit den Änderungen verbundenen Kosten. Somit ist die frühzeitige Identifikation und Durchführung von notwendigen Konstruktionsänderungen maßgeblich für den wirtschaftlichen Erfolg eines Entwicklungsprojektes.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass bei über 40% der befragten Unternehmen mehr als 20% aller Änderungen noch nach Freigabe für die Fertigung aufkommen. In 18% der Un-ternehmen beträgt der Änderungsumfang nach Fertigungsfreigabe sogar mehr als 40% aller Änderungen (Abbildung 2.4). Eine frühzeitigere Identifikation und Umsetzung dieser späten Änderungen birgt für die Unternehmen somit ein erhebliches Kostensenkungspotenzial, das nachhaltig zur Steigerung der Wettbewerbs- fähigkeit beitragen kann.

Ferner zeigen die Ergebnisse der Befragung, dass eine Gestaltung des Entwicklungspro-zesses, die den im Sinne der Entwicklungstätig-keiten nicht »wertschöpfenden« Zeitaufwand für Informationssuche gering hält, eine große Herausforderung darstellt. Die Ergebnisse der Studie offenbaren, dass in gut einem Viertel der Unternehmen die Ingenieure zwischen 40% und 60% ihrer Zeit mit der Suche nach Informationen verbringen. In über der Hälfte der Unternehmen lag dieser Zeitanteil immerhin noch zwischen 20% und 40%.

Abbildung 2.4Anteil aller Konstruktions-

änderungen nach Freigabe für die Fertigung

Abbildung 2.3 An der Produktentwicklung

beteiligte Standorte

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2. Ergebnisse der Studie »Potenziale Systemunabhängiger Referenzprozesse«

11Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 2.6 (unten)Einsatz von Referenzprozes-sen nach Unternehmens-bereichen (Durchschnitts-werte, klassifiziert)

Abbildung 2.5 (oben) Einhaltung der Planziele bei Produktentwicklungs- projekten

Die Definition des Erfolgsfaktors »Zeitauf-wand für Informationssuche« zeigt hierbei klar, welches Erfolgpotenzial mit einer Reduzierung dieses Zeitaufwandes verbunden ist. So verfü-gen Unternehmen, die vergleichsweise wenig Zeit für die Informationssuche aufwenden und sich damit als in diesem Sinne erfolgreich klassi-fizieren lassen, über einen signifikant höheren Zielerreichungsgrad bei der Einhaltung des Ziel-termins (66% gegenüber 51% bei den nicht erfolgreichen Unternehmen), der Qualitäts- und Funktionsziele (93% gegenüber 68%) und der Budgetziele (74% gegenüber 50%) von Ent-wicklungsprojekten (Abbildung 2.5).

Die Einhaltung der Ziele von Entwicklungs-projekten kann für Unternehmen von we-sentlicher Bedeutung sein. So ist der Markt-erfolg eines entwickelten Produktes neben der Einhaltung der definierten Qualitäts- und Funktionsziele auch von einer zeitgenauen Einführung, also von der Einhaltung des Ziel-termins des Entwicklungsprojektes, abhängig. Das Nichterreichen der Budgetziele kann die Wirtschaftlichkeit eines Entwicklungsprojektes schon von vornherein gefährden.

Allgemein zeigen die Ergebnisse der Studie, dass Unternehmen, die im Sinne des Erfolgs-faktors Finanzen erfolgreich sind, d. h. über ein hohes Umsatzwachstum bei hohem EBIT verfügen, auf einen intensiveren Einsatz von Referenzprozessen in den unterschiedlichsten Unternehmensbereichen setzen. Vor allem in den Bereichen Produktentwicklung und Fer-tigung/ Montage ist der Einsatz von Referenz-prozessen übliche Praxis in finanziell erfolgrei-chen Unternehmen. Aber auch in den Unter-nehmensbereichen Vertrieb & Marketing und Human Resources kann ein Zusammenhang zwischen finanziellem Erfolg und einer intensi-veren Nutzung von Referenzprozessen beobach-tet werden (Abbildung 2.6).

Im zweiten Teil der Erhebung wurden gezielt für die diesem Handbuch zugrunde liegenden Referenzprozesse Kennzahlen wie Einsatz-häufigkeit und Dokumentation der einzelnen Prozesse sowie auch Nutzenpotenziale und Risikofaktoren, die die befragten Unternehmen mit den Prozessen verbinden, erhoben. Diese Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt.

Für die Einsatzhäufigkeit der verschiedenen modellierten Referenzprozesse zeigt sich ein vergleichsweise heterogenes Bild. Während etwa definierte Referenzprozesse für die

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2. Ergebnisse der Studie »Potenziale Systemunabhängiger Referenzprozesse«

1�Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Auftragsabwicklung als verbreiteter Standard angesehen werden können, die Einsatzhäufig-keit solcher Prozesse lag bei den befragten Unternehmen bei etwa 90%, weisen andere Prozesse eine weitaus geringere Verbreitung auf. So geben jeweils weniger als ein Viertel aller befragten Unternehmen an, Prozesse in den Bereichen Funktionsmanagement, kolla- borative Entwicklung oder aber bei der Gestal-tung eines belastungsoptimalen Arbeits- umfeldes einzusetzen (Abbildung 2.7).

Generell ist eine intensive Verwendung von Prozessen vor allem in den Bereichen Produkt-entwicklung und Fertigung und Montage ver-breitet. In dem vorgelagerten Bereich Innova-tionsmanagement sowie den unterstützenden bzw. administrativen Bereichen Beschaffung, Vertrieb und Marketing sowie Human Resour-ces gaben weit weniger Unternehmen an, in-tensiv von definierten Prozessen Gebrauch zu machen (Abbildung 2.8).

Jedoch ist das bloße Vorhandensein eines Prozesses in den jeweiligen Unternehmens-bereichen nicht ausreichend für einen Beitrag zum Unternehmenserfolg. Deshalb wurden die Unternehmen im weiteren Verlauf der Studie befragt, inwiefern die einzelnen Prozesse ge-mäß den Vorgaben gelebt werden. Auch hier zeigte sich ein sehr unterschiedliches Bild der einzelnen Prozesse. So gaben 94% der Unter-nehmen an, Auftragsabwicklungsprozesse gemäß den Referenzstandards zu gestalten und zu leben. Trotz der hohen Verbreitung und der erfolgreichen Umsetzung von Auftragsabwick-lungsprozessen gaben nur 57% der Unterneh-men an, diese auch in Form von standardisier-ten Prozessabläufen dokumentiert zu haben. Offensichtliche Herausforderungen hinsichtlich der erfolgreichen Umsetzung von Prozessen be-stehenden bei den befragten Unternehmen vor allem in den Bereichen Funktionsmanagement und Gestaltung eines belastungsoptimalen Arbeitsumfeldes.

Abbildung 2.8 Einsatz von Prozessen in den

jeweiligen Unternehmensbereichen

Abbildung 2.7 Einsatz der modellierten Referenzpro-zesse in den befragten Unternehmen

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2. Ergebnisse der Studie »Potenziale Systemunabhängiger Referenzprozesse«

1�Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Hier gaben nur 26% (Funktionsmanage-ment) bzw. 20% (belastungsoptimales Arbeits-umfeld) der Befragten an, dass diese Prozesse gemäß den definierten Standards im Unterneh-men gelebt werden. Besonders auffällig ist auch hier der geringe Anteil an Unternehmen, die standardisierte Prozessabläufe dokumentiert haben. Lediglich 16% der Unternehmen ver-fügen z.B. beim Funktionsmanagement über einen standardisierten Prozess. Für eine Viel-zahl der Prozesse gaben über drei Viertel der befragten Unternehmen jedoch an, diese bereits erfolgreich gemäß den Prozessstandards zu leben. Auffällig ist allerdings die insgesamt geringe Anzahl an Unternehmen, die bereits standardisierte und dokumentierte Prozesse einsetzen. Lediglich in den Bereichen Anforde-rungsmanagement, Änderungsmanagement und Qualitätscontrolling gaben zwei Drittel und mehr der Unternehmen an, bereits über standardisierte Prozesse zu verfügen (Abbildung 2.9).

Ein ebenso differenziertes Bild zeigt sich beim Einsatz von Methoden zur Unterstützung der jeweiligen Prozesse. So greifen die meisten Unternehmen bei der Unterstützung der Auf-tragsabwicklung auf eine Vielzahl von unter-schiedlichen, EDV-gestützten Systemen zurück. Am weitesten verbreitet sind hier Produktions-planungs- und Steuerungssysteme (PPS), Syste-me für das Enterprise Resource Planning (ERP) sowie Systeme zur Betriebsdatenerfassung (BDE) (Abbildung 2.10).

Im Anforderungsmanagement hingegen setzen die meisten Unternehmen auf klassische Herangehensweisen zur Definition der Anfor-derungen. Hier ist das bekannte Pflichtenheft verbreiteter Standard und kommt in 86% der Unternehmen zum Einsatz. Ein gesondertes Lastenheft zur Festschreibung der Anforde-rungssicht formulieren jedoch nur 67% der Unternehmen im Vorfeld der Pflichtenheft-festlegung. Lediglich 48% der Unternehmen benutzen im Vorfeld eines Entwicklungspro-jektes Projektstrukturpläne zur genaueren Spe-zifikation der Entwicklungsaufgaben. Auch im Einzelprojektcontrolling und im Risikomanage-ment setzen Unternehmen auf Methodenun-terstützung bei der Bewältigung der Aufgaben.

Abbildung 2.9 Einsatz von Prozessen gemäß den Standards, Dokumentationsniveau der Prozesse

Abbildung 2.10 Eingesetze Methoden und EDV-Sys- teme in der Auftragsabwicklung

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2. Ergebnisse der Studie »Potenziale Systemunabhängiger Referenzprozesse«

14Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

So erfolgt in zwei Dritteln der Unternehmen im Rahmen des Einzelprojektcontrollings eine Projektfortschrittskontrolle. In 81% der Firmen erfolgt eine Projektkostenkontrolle. Zur Unter-stützung des Risikomanagements setzen zwei Drittel der Unternehmen auf die Risikoanalyse-methode FMEA und Checklisten zur Risikobe-wertung (Abbildung 2.11).

Die Methodenunterstützung der kollabora-tiven Entwicklung zeigt ein anderes Bild. Hier verzichten die befragten Firmen weitestgehend auf den Einsatz von Methoden. So zeigen die Ergebnisse der Befragung, dass lediglich ein Drittel Service-Level-Agreements oder Zielver-einbarungen bei der Entwicklungsarbeit mit externen Partnern einsetzen. Eine noch geringe-re Verwendung findet die Schnitstellenmatrix zur Visualisierung der Zusammenarbeit. Nur 17% der Firmen wenden diese im Rahmen kollaborativer Entwicklung an. Für die Unter-stützung des Qualitätscontrollingprozesses fällt der Methodeneinsatz unterschiedlich aus. Hier setzen 61% der Unternehmen ebenfalls auf die FMEA zur Erkennung von Fehlern und der Bestimmung von deren Einflüssen auf die Produktqualität. Andere Methoden wie die Quality-Gate-Systematik oder QFD-Methoden (Quality Function Deployment-Methoden) werden weitaus seltener zur Unterstützung eingesetzt. Hier setzen 39% der Unternehmen auf die Verwendung von Quality-Gates und nur 23% auf den Einsatz von QFD-Methoden (Abbildung 2.12).

Abbildung 2.11 Methodeneinsatz beim Anforderungs-management, Einzelprojektcontrolling und Risikomanagement

Abbildung 2.12 Methodeneinsatz in der kollaborativen Entwicklung und dem Qualitätscontrolling

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2. Ergebnisse der Studie »Potenziale Systemunabhängiger Referenzprozesse«

15Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

�.�NutzenpotenzialevonReferenzprozessenimPLM

Die Relevanz von definierten Abläufen und Prozessen offenbart vor allem auch die Ergeb-nisse der Studie zu den mit den Prozessen verbundenen Nutzenpotenzialen. Hier beschei-nigen die Studienteilnehmer allen im Rahmen des Projektes modellierten Prozessen ein hohes Nutzenpotenzial. So sehen zum Beispiel über 70% der Unternehmen, die Prozesse zur Produktstrukturierung einsetzen, ein hohes Nut-zenpotenzial in der vereinheitlichten Gestaltung von Zeichnungen und Stücklisten. Insgesamt wird dieses Potenzial von 94% der Befragten als relevant angesehen. Doch auch andere mit der Produktstrukturierung verbundene Nut-zenpotenziale werden von den Unternehmen als sehr hoch eingeschätzt. Deutlich über 50% der Firmen sehen in der Vereinfachung der Informationsverarbeitung, der Optimierung der Materialdisposition sowie in der Strukturierung des Konstruktionsprozesses einen sehr rele-vanten Nutzen eines solchen Prozesses (Abbil-dung 2.13).

Auch mit der Einführung von Prozessen zur Produktprogrammplanung verbinden die Unter-nehmen erhebliche Nutzenpotenziale. So halten alle Befragten die bessere Erfüllung von Kun-denwünschen für einen relevanten Vorteil stan-dardisierter und dokumentierter Abläufe zur Planung des Produktprogramms, 75% halten diesen Nutzen sogar für sehr relevant. Auch die Fokussierung von Vorentwicklungsaktivitäten stellt für über 50% der Unternehmen einen sehr relevanten Vorteil von Produktprogramm-planungsprozessen dar (Abbildung 2.14).

Diesen hohen, mit der Einführung von Pro-zessen verbundenen Nutzenpotenzialen stehen für die Unternehmen jedoch auch Risiken bzw. Herausforderungen bei der Einführung solcher Prozesse gegenüber. Diese werden jedoch weitaus geringer eingeschätzt als die jeweiligen mit den Prozessen einhergehenden Nutzenpo-tenziale. So bewerten beispielsweise nur 23% der Unternehmen die aufwendige Selektion geeigneter Ideen bei der Einführung eines Ideenmanagementprozesses als sehr relevante Herausforderung. In der hohen Abhängigkeit der Ergebnisse von der Teilnehmerzusammen-setzung eines solchen Ideenfindungsprozesses sehen ebenso viele Unternehmen eine Heraus-forderung. Die Einschränkung, dass viele Ideen

Abbildung 2.13 Nutzenpotentiale von Prozessen zur Produktstrukturierung

Abbildung 2.14 Nutzenpotenziale von Prozessen zur Produktprogrammplanung

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2. Ergebnisse der Studie »Potenziale Systemunabhängiger Referenzprozesse«

16Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 2.15 Herausforderungen/ Widerstände

bei der Einführung von Ideenmanagementprozessen

(mehr als 90%) eines solchen Ideenfindungs-prozesses unbrauchbar sind, halten gerade einmal 18% der befragten Unternehmen für einen relevanten Nachteil (Abbildung 2.15).

Ebenso gering werden die Herausforde-rungen bzw. Widerstände bei der Einführung von standardisierten und dokumentierten Prozessen im Bereich Human Resources bewer-tet. Wesentliche Herausforderungen für die Unternehmen sind hier die mangelnden per-sonellen und zeitlichen Ressourcen, die bei der Einführung von Prozessen zur Gestaltung eines belastungsoptimalen Arbeitsumfeldes mit 25% als sehr relevant und bei Prozessen zur Perso-nalauswahl und -entwicklung mit 12% als sehr relevant bewertet wurden (Abbildung 2.16).

Jedoch konnten mittels der Studie „Poten-ziale systemunabhängiger Referenzprozesse“ nicht nur die Nutzenpotenziale und Heraus- forderungen, die mit der Einführung von Prozessen in den jeweiligen Bereichen verbunden werden, identifiziert werden, sondern auch direkt ein Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und dem Einsatz von standar- disierten und dokumentierten Prozessen her- gestellt werden. So sind in finanziell erfolg-reichen Unternehmen, d. h. Unternehmen, die über ein hohes Umsatzwachstum bei hohem EBIT (Earnings before interests and taxes) ver- fügen, beispielweise die Prozesse für ein Anforderungsmanagement detaillierter be-schrieben als in weniger erfolgreichen Unter-nehmen. Darüber hinaus sind diese Unter- nehmen deutlich erfolgreicher bei der Um-setzung dieser Prozesse als weniger finanziell erfolgreiche Unternehmen (Abbildung 2.17).

Abbildung 2.16Bedeutung mangelnder personeller

und zeitlicher Ressourcen bei der Einführung von Prozessen im Bereich

Human Resources

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2. Ergebnisse der Studie »Potenziale Systemunabhängiger Referenzprozesse«

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Abbildung 2.17 Bedeutung des Anforderungs-managements für den finanziellen Erfolg der Unternehmen

Allgemein lässt sich aus den Ergebnissen der Studie erkennen, dass standardisierte und dokumentierte Prozessabläufe in den Unterneh-men einen entscheidenden Beitrag zum Unter-nehmenserfolg leisten können. Die Studie zeigt, dass die meisten Unternehmen die Vorteile des Einsatzes von Prozessen klar erkannt haben. Jedoch gilt für einen Großteil der untersuchten Prozesse, dass das Dokumentationsniveau trotz eines allgemein als hoch bewerteten Nutzenpo-tenzials gering ist. Hier greifen die im Rahmen des Forschungsprojekts »TFB 57 – Systemunab-hängige Referenzprozesse« entwickelten Referenzprozesse. Durch allgemeingültige Prozessformulierungen sowie die implemen-tierte Konfigurationssystematik stellen diese die Basis für unternehmensspezifische Prozessent-wicklungen und Implementierungen dar, die aktuelle Forschungsergebnisse mit Successful Practice-Ansätzen der Praxis vereinen .

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1�Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

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19Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

3.1 Potenzialbasierte Bewertungsmethode zur Prozessauswahl

Die Auswahl und Einführung eines Referenz-prozesses im Unternehmen besteht aus den in Abbildung 3.1 dargestellten drei Phasen. In der ersten Phase, der Prozessanalyse und Kalkulation des Nutzenpotenzials, werden die Prozessaufgaben, -grenzen und -schnittstellen festgelegt. Hierbei werden auch eine Ziel- definition, das Optimierungspotenzial und eine Umsetzungsstrategie abgeleitet. In der darauf folgenden Phase erfolgt die Prozessgestaltung. Dabei wird der Referenzprozess ausgewählt, an die Bedürfnisse des Unternehmens angepasst und eine Prozessdokumentation erstellt. In der dritten Phase wird schließlich der individuelle Prozess im Unternehmen umgesetzt und die Zielerreichung des neuen Prozesses überprüft. Anschließend erfolgt eine kontinuierliche Ver-besserung des Prozesses und weitere Verbesse-rungspotenziale werden erschlossen.

Durch die methodische Hilfestellung des im Folgenden vorgestellten Leitfadens werden die Zieldefinition und Quantifizierung des unter-nehmensspezifischen Nutzenpotenzials aus der Prozessphase »Prozessanalyse und Kalkulation des Nutzenpotenzials« unterstützt. Außerdem gewährleistet die Methodik die Prüfung der Anwendbarkeit des Referenzprozesses.

Zielsetzung der Methodik zur potenzial- basierten Bewertung und Auswahl von Refe-renzprozessen ist der systematische Abgleich von Nutzen und Aufwand, die mit der Imple-mentierung eines Referenzprozesses im Unter-nehmen einhergehen. Außerdem erfolgt eine Priorisierung verschiedener Referenzprozesse hinsichtlich der Reihenfolge der Einführung.

Zur Erreichung der beschriebenen Ziel- setzung sieht die Methodik die in Abbil- dung 3.2 dargestellten sechs Teilschritte vor. Diese sechs Schritte konzentrieren sich auf die Bewertung und Auswahl von Referenzprozes-sen und ordnen sich dementsprechend in die erste Prozessphase aus Abbildung 3.1, in der das unternehmensspezifische Nutzenpotenzial analysiert wird, ein. Im ersten Schritt wird mit einer Einordnung des zukünftigen Prozesses in ein Effizienz-Effektivitäts-Portfolio begon-nen, um die Prozessbedeutung zu bewerten. Anschließend wird der Ist-Prozess anhand von

Abbildung 3.1Prozesskette zur Auswahl und Einführung eines Referenzprozesses6

Abbildung 3.2Vorgehen der Methodik zur Auswahl von Referenz-prozessen im Innovations- management von KMU

Effizienz- und Effektivitätskriterien bewertet. Aus den Ergebnissen beider Schritte erfolgt im dritten Schritt der Vergleich des Ist-Prozesses mit dem Referenzprozess unter Berücksichti-gung des vom Unternehmen geforderten Soll-

Profils zur Bewertung des erreichbaren Nutzen-potenzials. In dem folgenden, vierten Schritt wird ein Verfahren zur qualitativen Bestimmung des Aufwands beschrieben, der durch eine Referenzprozessimplementierung entsteht. Aus dem Nutzenvergleich des Schrittes drei und der Abschätzung des Aufwands aus Schritt vier wird eine Bewertung des Aufwand-Nutzen- Verhältnisses der Referenzprozessimplemen-tierung im fünften Schritt abgeleitet. Dabei wird jeder Prozess in ein Nutzen-Aufwand-Portfolio eingetragen und hinsichtlich des zu erwartenden Nutzens für das Unternehmen bewertet. Fällt der unternehmensspezifische

6 Schuh, G.: Change Management, 2006, S. 13

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3. Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

20Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 3.3Bewertung der Prozess-

bedeutung nach Effektivität und Effizienz

Nutzen größer aus als der Aufwand, so ist die Referenzprozessimplementierung sinnvoll. Aus den für eine Implementierung sinnvoll erachte-ten Prozessen werden im letzen Schritt anhand der Abhängigkeiten der Prozesse untereinander eine Priorisierung und eine zeitliche Roadmap der Einführung erstellt.

Im Folgenden werden die einzelnen, zu durchlaufenden Schritte ausführlich vorgestellt.

3.2 Vorgehensweise zur Bewertung und Auswahl

3.2.1 Schritt 1: Bewertung der Prozess-bedeutungUnternehmensprozesse werden hinsichtlich der Kriterien Effizienz und Effektivität optimiert. Effizienz und Effektivität sind jedoch in der Regel nicht für jeden Prozess gleich bedeutsam. Dabei zeichnen sich sog. Kernprozesse wie z. B. die Produktprogrammplanung durch hohe Effektivitätsziele und sog. Kompetenzprozesse wie z.B. das Änderungsmanagement durch

eine hohe angestrebte Effizienz aus. Effizient bedeutet »etwas richtig tun«, während effektiv »das Richtige tun« bedeutet. Effiziente Prozesse zeichnen sich aus durch einen geringen Zeit-bedarf (z. B. Durchlaufzeit, Zykluszeit, Termin-treue), geringe Kosten und eine hohe, interne Prozessqualität (z. B. geringe Fehlerrate, geringe Nacharbeit). Dementsprechend werden effi-ziente Prozesse für häufig ablaufende Standard-aufgaben verwendet. Effektive Prozesse

dagegen verfügen über einen großen Einfluss auf den Kundennutzen und zeichnen sich durch den Grad der Zielerreichung aus. Dabei steht nicht, wie bei der Effizienz, der Weg im Vordergrund, sondern das zu erreichende Ziel. Sind Effektivität und Effizienz gleichermaßen wichtig, handelt es sich um einen Kernkom-petenzprozess. Zusätzlich fließen Kriterien des Prozessmanagements in dieser Methodik mit in die Bewertung ein.

In dem ersten Schritt der potenzialbasierten Bewertungsmethode zur Prozessauswahl erfolgt eine Zieldefinition mit Hilfe einer Abschätzung der Prozessbedeutung. Hierfür wird eine Ab-schätzung der Prozessbedeutung des Prozesses im Unternehmen durchgeführt und ein Zielbild erstellt. In dieser Abschätzung werden grob die Anforderungen für den Prozess hinsichtlich Prozesseffektivität und -effizienz festgelegt. Dies erfolgt mit dem in Abbildung 3.3 darge-stellten Geschäftsprozess-Portfolio. In diesem Portfolio sind die beiden Dimensionen Effizienz und Effektivität aufgetragen und in vier Felder unterteilt.

3.2.2 Schritt 2: Bewertung des Ist-ProzessesJeder Prozessbewertung liegt ein Reifegradmo-dell zugrunde. Reifegradmodelle formulieren eine endliche Anzahl von Stufen (Reifegrade). Ein höherer Reifegrad bedeutet, dass die Vor-raussetzungen für höhere Prozesseffektivität und -effizienz besser erfüllt sind. Die Reifegrade werden üblicherweise in diskreten Stufen be-schrieben. Reifegradmodelle haben zahlreiche Einsatzgebiete im Unternehmen. Sie bilden Ist-Zustände ab und vergleichen diese mit- einander. Anhand des Vergleiches werden Ver-besserungspotenziale identifiziert und konkrete Handlungsanweisungen aufgezeigt7.

Für zahlreiche Unternehmensaufgaben bestehen Reifegradmodelle zur Bewertung von Prozessen. Bekannte Reifegradmodelle sind das GPM-Reifegradmodell, das CMM (Capability Maturity Model, u. a. für Software-entwicklungsprozesse), das SPICE-Modell (Software Process Improvement and Capability Determination), das ISO-Reifegradmodell nach ISO 9000:2000, das PMMA-Reifegradmodell (Process Management Maturity Model) der Sie-mens AG oder das IBM-Reifegradmodell8. Im Kontext des TFB 57 wird der Ordnungsrahmen

7 Schmelzer, H. J. et al.: Geschäftsprozessmanagement, 2006, S. 314f8 Schmelzer, H. J. et al.: Geschäftsprozessmanagement, 2006, S. 315

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3. Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

21Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 3.4Fragestellungen für die Bewertung des Ist-Prozesses

Tabelle 3.1Bewertung des Ist-Prozesses nach Effektivität und Prozessmanagement

zur Einordnung von Referenzprozessen an das CMMI-Reifegradmodell angelehnt. Der Nutzen dieses Modells liegt in der Möglichkeit, anhand von konkreten Faktoren den Reifegrad eines Prozesses zu bewerten. In diesem Modell ist der Reifegrad der Stufe eins der geringste Reife-grad. Auf dieser Stufe wird der Prozess chaotisch und unorganisiert ausgeführt. Die Stufe fünf besitzt die höchste Prozessreife. Diese Stufe zeichnet sich durch präventive, fehlervermeidende Maßnahmen und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess aus. Die Bewertung des Ist-Prozesses erfolgt gemäß der in Abbildung 3.4 dargestellten Fragestellun-gen. Die Effektivität des Prozesses wird anhand seines Einflusses auf den Kundennutzen, die Marktziele und die Produktqualität bewertet. Die Bewertung der Effizienz erfolgt anhand der Prozessbeherrschung, der Wirtschaftlichkeit des Prozesses, der Prozessqualität und der Zeit.

Neben Effektivität und Effizienz wird der Ist-Prozess in diesem Schritt nach seinen Eigen-schaften in der Kategorie Prozessmanagement bewertet (vgl. Abbildung 3.4). Diese Kategorie ist aus der Reifegradbewertung des CMMI abgeleitet. Besitzt ein Prozess ein gutes Pro-zessmanagement und befindet sich die Erfolgs-messung auf einem hohen Reifegrad, so besitzt der Prozess eine hohe Stabilität, Effizienz und Effektivität. Auch eine kontinuierliche Ver- besserung des Prozesses wird durch einen hohen Reifegrad unterstützt.

Im Folgenden werden die in Abbildung 3.4 dargestellten Fragestellungen in ein Reife-gradmodell eingeordnet. Die Fragestellungen spiegeln dabei jeweils ein Reifegradkriterium wieder. Jedes Reifegradkriterium wird dabei mit einem Reifegrad von eins bis fünf bewertet. Für die beiden Kriterien der Kategorie Effektivität und die Kategorie Prozessmanagement sind die Reifegrade und die dazugehörigen Eigen-schaften der Kriterien in Tabelle 3.1 aufgeführt.

Unter dem Kriterium Kundennutzen und Marktziele wird hierbei der Einfluss des Prozesses auf den von einem Kunden mit dessen Kauf-entscheidung tatsächlich wahrgenommenen Nutzen verstanden. Da ein Kunde sich immer für das Produkt entscheiden wird, welches ihm den höchsten wahrgenommenen Nutzen verspricht, ist dies eine wichtige Orientierung für entspre-chende Unternehmensprozesse. Zusätzlich

werden bei diesem Kriterium die Marktziele be-rücksichtigt. Zu den Marktzielen eines Unterneh-mens zählen der Marktanteil, die Entwicklung alter und neuer Märkte und Kundengruppen, die Leistungsentwicklung, d. h. das Produktangebot und die Diversifikation von Produkten und Kun-den9. Die Produktqualität ist die Gesamtheit der Produkteigenschaften, die die Eignung für den jeweils beabsichtigten Einsatzzweck aus- machen. Beispiele hierfür sind die Funktionstüch-tigkeit, die Sicherheit, die Lebensdauer und die Wirtschaftlichkeit.

9 Bullinger, H.-J.: Informationsmanagement, 1999, S. 179 Berndt, R.: Internationales Marketingmanagement, 2005, S. 100

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3. Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

22Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Unter Prozessmanagement und Erfolgsmes-sung wird die Gestaltung, Dokumentation und Verbesserung von Prozessen verstanden. Dieses Kriterium trägt maßgeblich zur Verbesserung und Steuerung von Effizienz und Effektivität von Prozessen bei. Dazu gehören bspw. die Aufnahme von Prozesskennzahlen, die Doku-mentation und die Verbesserung des Prozesses.

Neben den Fragestellungen der Kategorien Effektivität und Prozessmanagement werden für die Bewertung des Ist-Prozesses außerdem die in Tabelle 3.2 aufgeführten Effizienzkriterien benötigt. Die Effizienzkriterien sind die Wirtschaftlichkeit, die Prozessqualität und die Zeit.

Tabelle 3.2Bewertung des Ist-Prozesses nach Effizienz

Abbildung 3.5 Bewertungsmatrix zur Berechnung des

unternehmensspezifischen Nutzenspotenzials

Die Wirtschaftlichkeit ist ein Maß für den rationalen Umgang mit knappen Ressourcen. Sie wird allgemein als das Verhältnis zwischen erreichtem Ergebnis (Ertrag) und dafür benötigtem Mitteleinsatz (Aufwand) definiert. Wirtschaftlich ist ein Prozess dann, wenn die für ihn benötigten Ressourcen geringer als der Ertrag sind. Für diese Methodik zeichnet sich ein Prozess geringer Wirtschaftlichkeit dadurch aus, dass die Wirtschaftlichkeit des Prozesses nicht überwacht und gesteuert wird. Prozesse, die einen Reifegrad in der Kategorie Wirtschaft-lichkeit der Stufe fünf besitzen, werden auf Basis prozessspezifischer Ziele kontinuierlich in ihrer Wirtschaftlichkeit verbessert.

Die Prozessqualität beschreibt die Qualität der Entstehungsprozesse für ein Produkt. Die Beherrschung eines Prozesses erfordert, dass ein Prozess immer in gleich guter Qualität und ohne Störungen abläuft. Dies kann durch Analyse von Abläufen und Ablaufkontrollen erreicht werden.

Das Kriterium Zeit befasst sich mit für den Prozess wichtigen temporären Kennzahlen. Für diese Methodik sind die Durchlaufzeit und die Termintreue wichtige Kenngrößen. Die Durch-laufzeit gibt an, wie lange eine Einheit benötigt, um den gesamten Prozess zu durchlaufen, wäh-rend die Termintreue ein Maß für die pünktliche Fertigstellung des Prozessproduktes ist.

3.2.3 Schritt 3: Bewertung des unterneh-mensspezifischen Nutzenpotenzials Im zweiten Schritt wurde der Ist-Prozess bewer-tet. Zur Berechnung des unternehmensspezifi-schen Nutzenpotenzials des jeweiligen Refe-renzprozesses ist es notwendig, das referenz-prozessspezifische Optimum dem derzeitigen Ist-Prozess gegenüberzustellen. Dafür wird eine Bewertungsmatrix wie in Abbildung 3.5 ver-wendet. In dieser Bewertungsmatrix sind die Kategorien und deren Kriterien zur Prozessbe-wertung auf der horizontalen Achse und der Reifegrad auf der vertikalen Achse aufgetragen. Die Einordnung des Ist-Prozesses erfolgt anhand der Bewertungen aus Tabelle 3.1 und Tabelle 3.2, die des Referenzprozesses anhand einer vordefinierten Bewertung. Besitzt der Ist-Pro-zess für ein Kriterium oder mehrere Kriterien einen höheren Reifegrad als der Referenzpro-zess so ist von einer Implementierung generell abzuraten. Besitzt der Referenzprozess jedoch einen höheren Reifegrad für alle Kriterien, so ist in einem nächsten Schritt der gewünschte Soll-

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3. Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

23Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Prozess in die Bewertungsmatrix einzutragen und dem jeweiligen Referenzprozess gegenü-berzustellen. Dieser unternehmensspezifische Soll-Prozess ist mit Hilfe der Einordnung der Prozessbedeutung für das Unternehmen aus Abbildung 3.3 in die Bewertungsmatrix, wie in Abbildung 3.6 dargestellt, einzutragen.

Wie in Abbildung 3.6 beispielhaft darge-stellt, divergiert der unternehmensspezifische Soll-Prozess häufig von dem vorgestellten Refe-renzprozess, da er die Bedürfnisse des Unter-nehmens genauer berücksichtigt. Man erkennt anhand der Divergenz zwischen Soll- und Refe-renzprozess, dass eine Verbesserung aller Kate-gorien Effektivität, Effizienz und Prozessmana-gement gleichermaßen oft nicht gefordert ist. Vielmehr besteht durch das Soll-Profil in der Regel ein Fokus auf die Verbesserung einzelner Kriterien. Verbessert man den Reifegrad dieser Kriterien zusätzlich auf Grund der Referenzpro-zessimplementierung, so erhöht sich der Auf-wand, ohne einen direkten Mehrwert für das Unternehmen zu generieren, was sich negativ auf das Verhältnis von Aufwand zu Nutzen aus-wirkt. Um das genaue Nutzenpotenzial für das jeweilige Unternehmen zu ermitteln, wird daher eine Gegenüberstellung des referenzprozess-spezifischen Optimums und des derzeitigen Ist-Prozesses benötigt. Das referenzprozessspezifi-sche Optimum wird mit Hilfe beider eingetrage-nen Prozessreifegrade aus Abbildung 3.6 ermit-telt. Besitzt der Soll-Prozess für ein Kriterium einen höheren Reifegrad als der Referenzpro-zess, so begrenzt der Reifegrad des Referenz-prozesses das referenzprozessspezifische Opti-mum für dieses Kriterium. Besitzt jedoch der Referenzprozess einen höheren Reifegrad als der Soll-Prozess, so legt wiederum der Soll-Pro-zess das unternehmensspezifische Optimum für das jeweilige Kriterium fest. Als Ergebnis erhält man abschließend das referenzprozess-spezifische Optimum, welches beispielhaft in Abbildung 3.7 aufgezeigt wird. Mit Hilfe dieses referenzprozessspezifischen Optimums kann nun abschließend das unternehmensspezifische Nutzenpotenzial einer Referenzprozessimple-mentierung ermittelt werden. Das unterneh-mensspezifische Nutzenpotenzial stellt die Differenz zwischen dem Ist-Prozess und dem referenzprozessspezifischen Optimum dar.

Abbildung 3.7 Ermittlung des unternehmensspezifischen Nutzens der Referenzprozessimplementierung

Abbildung 3.6Bewertungsmatrix mit Soll-/Referenzprozess Vergleich

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3. Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

24Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 3.8Prozesskette und Aufwandstreiber bei der Aus-

wahl und Einführung von Referenzprozessen

3.2.4 Schritt 4: Aufwandsabschätzung der Referenzprozessimplementierung über die ProzesseinführungsphasenNeben der Bewertung des unternehmensspe-zifischen Nutzenpotenzials der Referenzpro-zessimplementierung ist es erforderlich, eine Abschätzung des Aufwands durchzuführen. Der Aufwand der Referenzprozessimplementierung fällt entsprechend der drei Phasen der Referenz-prozessimplementierung an. In Abbildung 3.8 ist der zeitliche Ablauf der drei Phasen darge-stellt. Unter jeder der drei Phasen befindet sich sowohl die Beschreibung der Phase, als auch der Aufwand innerhalb dieser Phase.

Der Aufwand der ersten Phase der Prozess-analyse und Kalkulation des Nutzenpotenzials ist in Tabelle 3.3 dargestellt. Die Phase besteht aus fünf Teilschritten und insgesamt acht Tätig-keiten. In der rechten Spalte werden die mit der Tätigkeit verbundenen Kosten des Durchfüh-rungsaufwands abgeschätzt.

Ein identisches Vorgehen wird für die zweite Phase Prozessgestaltung zur Abschät-zung des Durchführungsaufwands verwendet. Dies ist in Tabelle 3.4 dargestellt. In dieser Phase sind sieben Tätigkeiten zu bewerten.

Auch für die dritte Phase wird das be-schriebene Vorgehen zur Abschätzung des Durchführungsaufwands der zehn Tätigkeiten in der Phase Prozessumsetzung und Validation entsprechend Tabelle 3.5 benutzt.

3.2.5 Schritt 5: Vergleich von Aufwand und unternehmensspezifischem Nutzen der ReferenzprozessimplementierungIn den vorherigen Kapiteln wurde für die poten-zialbasierte Bewertungsmethodik die Bewer-tung des unternehmensspezifischen Nutzen-potenzials der Referenzprozessimplementierung (vgl. Kap. 3.2.3) und die Bestimmung des Auf-wands (vgl. Kap. 3.2.4) beschrieben. In Schritt 5 werden beide Kennzahlen zusammengeführt und verglichen. Dies erfolgt in dem Portfolio aus Abbildung 3.10. Auf der vertikalen Achse des Portfolios wird das unternehmensspezi-fische Nutzenpotenzial, auf der horizontalen Achse der Aufwand aufgetragen.

Um das unternehmensspezifische Nutzen-potenzial zu bestimmen wird anhand von Abbildung 3.7 abgelesen welche Reifegrade für die jeweiligen Kriterien der Kategorien Effektivität, Effizienz und Prozessmanagement

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3. Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

25Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Tabelle 3.5Aufwand der Prozessumsetzung und Validation

erreicht werden sollen. Der bereits vorhandene Reifegrad des Ist-Prozesses spielt hierbei eine wichtige Rolle. Je geringer der Reifegrad des Ist-Prozesses, desto höher ist der unternehmens-spezifische Nutzen bei einer Erhöhung durch die Implementierung eines Referenzprozesses. Die Berechnung erfolgt daher mit Hilfe eines Nutzfaktors, der bei zunehmendem Reifegrad kleiner wird. Die Staffelung des Nutzfaktors kann der Abbildung 3.9 entnommen werden.

Besitzt beispielsweise der Ist-Prozess für das Kriterium Prozessqualität (Kategorie Effizienz) einen Reifegrad der Stufe 2 und soll auf die Reifegradstufe 3 erhöht werden, so beträgt der Nutzfaktor für die Berechnung des unterneh-mensspezifischen Nutzenpotenzials den Wert 3. Soll für bestimmte Kriterien eine Erhöhung über mehrere Reifegrade hinweg erfolgen, so werden die jeweiligen Nutzfaktoren addiert. Das unternehmensspezifische Nutzenpotenzial bildet sich schließlich aus dem arithmetischen Mittel der kumulierten Nutzfaktoren aller Kri-terien. Der Aufwand ist die monetäre Summe aller im vierten Schritt abgeschätzten Durch-führungsaufwände der Tabellen 3.3, 3.4 und 3.5. Beide Werte sind in ein Portfolio, wie in Abbildung 3.10 dargestellt, einzutragen.

Der Schnittpunkt der Achsenabschnitte von unternehmensspezifischem Nutzenpotenzial und Aufwand charakterisiert den Unterneh-mensprozess. Ist der unternehmensspezifische Nutzen größer als der Aufwand, so ist eine Implementierung sinnvoll und lohnend. Dies ist der Fall, wenn der Schnittpunkt von unter-nehmensspezifischem Nutzen und Aufwand im oberen rechten Dreieck des Portfolios liegt (Nutzen > Aufwand). Befindet sich der Schnitt-punkt auf der eingezeichneten Diagonalen, die von links oben nach rechts unten verläuft, so sind Aufwand und Nutzen gleich groß (Auf-wand = Nutzen). Liegt der Punkt unterhalb dieser Diagonalen, so ist der Aufwand größer als der Nutzen der Implementierung (Aufwand > Nutzen). In diesem Fall ist eine Referenzpro-zessimplementierung nicht lohnend.

Tabelle 3.3Aufwand der Prozessanalyse und Kalkulation des Nutzenpotenzials

Tabelle 3.4Aufwand der Prozessgestaltung

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3. Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

26Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Die Reihenfolge der Implementierung sollte sich nach dem unternehmensspezifischen Nutzenpotenzial der Prozesse und nach den Abhängigkeiten der zu implementierenden Prozesse richten. Grundsätzlich zu Beginn sollte man die Prozesse implementieren, die das höchste unternehmensspezifische Nutzenpo-tenzial bieten und sowohl den größten Einfluss auf andere Prozesse nehmen, als auch am wenigsten von anderen Prozessen beeinflusst werden. Prozesse, die nachhaltig durch andere Prozesse beeinflusst werden, sollten erst nach Implementierung dieser stark beeinflussenden Prozesse umgesetzt werden. Demnach ist die Bestimmung der Beeinflussbarkeit und der Ein-flussnahme notwendig, um die Abhängigkeiten der Prozesse zu ermitteln. Exemplarisch ist die Visualisierung für fünf der in diesem Leitfaden vorgestellten Prozesse in Abbildung 3.11 dar-gestellt. In Anlehnung an ihre Abhängigkeiten werden die Prozesse in vier Kategorien in das Einflussportfolio einsortiert. Prozesse, welche andere stark beeinflussen, selbst aber von anderen wenig beeinflusst werden, sind aktiv. Die Prozesse, die andere schwach beeinflussen und auch nur schwach von anderen beeinflusst werden, sind träge. Reaktive Prozesse beeinflus-sen andere Prozesse schwach, werden jedoch von anderen Prozessen stark beeinflusst10.

Nachdem die zu implementierenden Pro-zesse ausgewählt und ihre Abhängigkeiten un-tereinander geklärt wurden, wird der zeitliche Verlauf der Implementierung erstellt und durch eine Roadmap, wie in Abbildung 3.12 darge-stellt, visualisiert. Auf der horizontalen Zeitach-se der Roadmap sind die Prozesse im Temporä-ren Verlauf der Implementierung nacheinander angeordnet. Die Bestimmung der Dauer einer Prozessimplementierung kann entweder durch eine Abschätzung oder eine Orientierung an der Größe der monetären Aufwände aus Schritt vier bestimmt werden.

10 Probst, G. J. B. et al.: Vernetztes Denken, 1993, S. 13; Gomez, P. et al.: Ganzheitliches Problemlösen, 1999, S. 88

Abbildung 3.9Nutzfaktoren der unterschiedlichen Reifegrade

Abbildung 3.10 Portfolio zum Vergleich von Aufwand und

Nutzen der Referenzprozessimplementierung

3.2.6 Schritt 6: Ableiten von Einführungs-strategien: Prozessabhängigkeiten und RoadmapEmpfiehlt sich gemäß dem Portfolio aus Abbil-dung 3.10 die Implementierung mehrerer Pro-zesse, ist eine Priorisierung der Prozesse not-wendig. Aufgrund der Komplexität und des Aufwands ist es nicht sinnvoll, alle Prozesse zeitgleich zu implementieren. Daher wird mit-tels Priorisierung eine zu empfehlende Reihen-folge für die Implementierung von mehreren Prozessen festgelegt.

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3. Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

27Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

3.3 Zusammenfassung zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen

In diesem Kapitel wurde ein Leitfaden zur Be-wertung und Auswahl von Referenzprozessen vorgestellt. Dieser gliedert sich in sechs Schritte. Der erste Schritt bewertet die Prozessbedeu-tung für das Unternehmen. In dem zweiten Schritt wird der Ist-Prozess mit Hilfe mehrerer Kriterien hinsichtlich seiner Effizienz, Effektivität und des Prozessmanagements bewertet. Der dritte Schritt ermittelt das unternehmensspezi-fische Nutzenpotenzial bei der Implementierung des Referenzprozesses durch einen Vergleich des Referenzprozesses mit dem Ist-Prozess unter Berücksichtigung des vom Unternehmen geforderten Soll-Prozesses. Eine Bestimmung des Aufwands der Referenzprozessimplemen-tierung erfolgt im vierten Schritt. Hierfür wird der Aufwand in den drei Phasen der Referenz-prozessimplementierung monetär anhand der in dieser Phase anfallenden Tätigkeiten abge-schätzt. Nach der Bewertung von Aufwand und unternehmensspezifischem Nutzenpotenzial bei einer Implementierung werden im fünften Schritt beide Größen in ein gemeinsames Port-folio übertragen. Durch einen Vergleich beider Kennzahlen im Portfolio wird die mögliche Notwendigkeit einer Referenzprozessimplemen-tierung visualisiert. Im letzten Schritt des Leit-fades werden die zu implementierenden Pro-zesse schließlich priorisiert und der zeitliche Ver-lauf der Prozessimplementierung wird in einer Roadmap visualisiert.

Abbildung 3.11Einflussportfolio der Prozesse

Abbildung 3.12Roadmap der Implementierungsabfolge der Prozesse

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28Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

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29Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Die Referenzprozesse

4.1 Prozesslandkarte der entwickelten Referenzprozesse

Innerhalb des Transferbereichs 57 erfolgte eine umfassende Modellierung von Referenz-prozessen für die Produktentstehung. Die in diesem Rahmen gestalteten Prozesse beleuch-ten Kerngebiete der Aktivitätenkette zwischen Produktidee und Produktion. Parallel dazu wurden produktentstehungsrelevante Prozesse des Personalmanagements definiert und in die Prozesslandschaft integriert. Auf Grund der separaten Anwendbarkeit einzelner Prozesse und einer vereinfachten Adaptierbarkeit an ein-zelne Unternehmen wurde eine Segmentierung in einzelne Prozessmodule durchgeführt.

Analog zur Komplexität einer realen Produktentwicklung weisen auch die hier entwickelten Prozessmodule mehrdimensionale Beziehungen wie Hierarchie, Chronologie und wechselseitige Informationsflüsse auf. Visuali-siert werden diese Zusammenhänge durch die nachfolgende Prozesslandkarte (Abbildung 4.1).

Den Kern der Prozesslandkarte stellen die Prozessgruppen Produktplanung und Produkt-entwicklung dar. Im Sinne eines systematischen Innovations- und Entwicklungsprozesses findet hier eine sukzessive Überführung einer Produkt-idee in ein geplantes Produkt, eine Funktions-struktur und eine Produktstruktur statt. Nach Abschluss der Produktgestaltung kann eine Anpassung eines technischen Systems an ver- änderte Randbedingungen mit Hilfe des Pro-zesses Änderungsmanagement erfolgen. Eine optionale Erweiterung erfährt die Produktent-wicklung durch den Prozess Kollaborative Ent-wicklung im Falle einer Integration von Kunden oder Zulieferern als Entwicklungspartner.

Der zielorientierte Ablauf der beschriebe-nen Kernaktivitäten wird durch drei zentrale Controlling-Prozesse mit unterschiedlichen Objektbereichen sichergestellt. So dient der Prozess Risikomanagement der Früherkennung und Kompensation sowohl technischer als auch projektbezogener Risiken in Produktent-wicklung und Produktion. Zur systematischen Fehlervermeidung und Steuerung über Quality-Gates wird parallel dazu der Qualitätscontrol-ling-Prozess durchlaufen. Eine kontinuierliche Verfolgung und eventuelle Beeinflussung der Hauptgrößen eines Entwicklungsprojekts – Zeit, Kosten und Sachfortschritt – werden innerhalb des Prozesses Einzelprojektcontrolling realisiert.

Im Sinne des Regelschleifen-Charakters von Controllingaktivitäten beobachten und prüfen die drei genannten Prozesse den Verlauf der Produktentwicklung und leiten gegebenenfalls Steuerungsmaßnahmen ein.

Das Einzelprojektcontrolling bildet gleich-zeitig die zentrale Schnittstelle zur Auftragsab-wicklung. In einem auftragsbasiert operieren-den Unternehmen steuert dieser Prozess den gesamten Ablauf von einer Kundenanfrage bis zu einem ausgelieferten Produkt. Um eine Kompatibilität zwischen Kundenanfrage und Leistungsspektrum des Unternehmens zu ge-währleisten, ist zu Beginn der Auftragsabwick-lung ein Informationsabgleich mit der Produkt-planung notwendig. Beinhaltet ein konkreter Auftrag eine Produktentwicklung, so erfolgt zusätzlich eine Integration des Anforderungs-managements und des Einzelprojektcontrol-lings, um die Zielgrößen der Produktentwick-lung zunächst zu definieren und diese darauf-hin zuverlässig zu erreichen.

Abbildung 4.1Prozesslandkarte der ent-wickelten Referenzprozesse

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4. Die Referenzprozesse

30Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Die mit der Produktentstehung verknüpften Prozesse des Personalmanagements laufen autonom und parallel zu den zuvor beschrie-benen Prozessen. Während der Prozess Gestal-tung eines belastungsoptimalen Arbeitsum-feldes auf F&E-Abteilungen unter besonderer Berücksichtigung von Simultaneous Engineering fokussiert, finden innerhalb der Prozesse Personalauswahl und -entwicklung auch Produktionsabteilungen Beachtung. Zur Ermittlung des Personalbedarfs und zukünftiger Mitarbeiteraufgaben ist hierbei eine Informa-tionsynchronisation mit der Produktentwicklung notwendig.

4.2 Grundlagen der verwendeten Prozessmodellierung

Die im Folgenden vorgestellten Referenzpro-zesse wurden einheitlich im Standard der Business Process Modeling Notation (BPMN) modelliert. Bei der BPMN handelt es sich um eine Notation zu grafischen Darstellung von Geschäftsprozessen und Workflows. Die ursprüngliche Spezifizierung dieser Model-lierungsnotation erfolgte zu Beginn dieses Jahrzehnts durch die Business Process Mode-ling Initiative (BPMI). Innerhalb einer kurzen Zeitspanne konnte sich die BPMN zu einem Standard für die grafische Darstellung von Geschäftsprozessen entwickeln11. Nach Fusion der BPMI mit der Object Management Group (OMG) erfolgt die weitere Pflege und Distri-bution der Notation durch die OMG. Die zur Darstellung der im Rahmen des Transferbereichs 57 modellierten Referenzprozesse genutzte, aktuelle Version 1.1 der BPMN stellt die inkre-mentelle Weiterentwicklung der ursprünglichen Version 1.0 dar12.

Die von der BPMN genutzten Symbole lassen sich, wie in den Abbildungen 4.2, 4.3 , 4.4 und 4.5 gezeigt, in vier Kategorien gliedern: Flow Objects, Verbindungen, Schwimmbahnen und Artefakte.

Abbildung 4.2 zeigt in einer Übersicht die Symbole der Flow Objects der BPMN. Während einfache Aktivitäten durch ein abgerundetes Rechteck dargestellt werden, bietet BPMN die Möglichkeit, eine Gruppe von zusammen-

11 Bartonitz, M.: Business Process Management, 2008 12 OMG: Business Process Modeling Notation V1.1, 2008

Abbildung 4.2 Flow Objects

Abbildung 4.3 Verbindungen

Abbildung 4.4 Schwimmbahnen

Abbildung 4.5 Artefakte

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4. Die Referenzprozesse

31Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

gehörigen Aktivitäten zu einem Subprozess zusammenzufassen, indem das abgerundete Rechteck um ein Plus-Zeichen im unteren Bereich erweitert wird. Um die für generische Referenzprozesse notwendige Konfigurier- barkeit zu gewährleisten, wurde BPMN um eine Darstellungskonvention alternativer Subprozesse erweitert. Hierzu dient eine natürliche Zahl rechts des Plus-Zeichens, die die Anzahl ver-schiedener Subprozessvarianten anzeigt. Je nach Unternehmenstyp beispielsweise können auf diesem Wege unterschiedliche Varianten eines Subprozesses zum Einsatz kommen. Im trivialen Fall eines einzelnen Subprozesses, wird diese Zahl der Übersichtlichkeit halber nicht dargestellt. Eine ähnliche Notation wird im Falle eines Schleifencharakters der Aktivität gewählt: Es befindet sich dann ein rotierender Pfeil in der unteren Mitte des Aktivitätenkastens.

Start und Ende des Prozesses sowie andere Ereignisse während des Prozessablaufs werden mit Hilfe kreisförmiger Symbole dargestellt. Neben den generellen Ereignissen sind ebenfalls Symbole für spezielle Ereignisse vorgesehen. Ist das Ereignis beispielsweise an eine Nach-richt geknüpft, so befindet sich ein stilisierter Briefumschlag innerhalb des Symbols, für ein zeitliches Ereignis ist eine Uhr eingezeichnet.

Gateways ermöglichen die Aufspaltung und Synchronisation von Aktivitätenketten, beispielsweise in Entscheidungssituationen. Sämtliche Gateways werden in BPMN durch Rauten dargestellt. Varianten ergeben sich durch die Verknüpfungslogik der Handlungs-stränge: Ein Plus-Zeichen signalisiert eine Und-Verknüpfung, ein X-Zeichen eine Exklusiv-Oder-Verknüpfung und ein Kreis eine Inklusiv-Oder-Verknüpfung.

Die Verknüpfung der genannten Flow Ob-jects untereinander erfolgt mit Hilfe der Ver-bindungen, die in Abbildung 4.3 vorgestellt werden. Eine chronologische Abfolge wird durch den Sequenz-Fluss erzeugt. Die Asso-ziation stellt sowohl die nichtsequentielle Verknüpfung zwischen Aktivitäten als auch die Übertragung von Datenobjekten dar. Für die direkte Übertragung von Nachrichten ohne ein Datenobjekt ist, wie dargestellt, eine weitere Verbindungsart vorgesehen.

Über die Was- und Wann-Frage hinaus wird in den Referenzprozessen auch die Antwort auf die Wer-Frage determiniert. Die Zuordnung von

Aktivitäten zu Rollen erfolgt über Schwimm-bahnen. Abbildung 4.4 zeigt die grafische Darstellung einer Schwimmbahn. Die im linken Rechteck der Schwimmbahn genannte Gruppe oder Person führt alle darin liegenden Aktivi-täten aus.

Zusätzliche Elemente der BPMN, so genann-te Artefakte, werden in Abbildung 4.5 darge-stellt. Eine Erweiterung erfährt BPMN ebenfalls durch die Zuordnung von Methoden bzw. Tools zu Aktivitäten. Dies geschieht durch Pfeile, in denen Tool bzw. Methode genannt werden. Die Pfeile weisen jeweils auf die Aktivität, in der der Einsatz des Werkzeugs empfohlen wird.

4.3 Auftragsabwicklung

4.3.1 Grundlegendes VerständnisKundenzufriedenheit und Liefertermintreue bei simultaner Kostenreduktion sind maß-gebliche Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Angesichts steigender Produktkomplexität und wachsender Wettbe-werbsdynamik können diese Ziele nur durch eine stärkere Prozessorientierung der Auftrags-abwicklung erreicht werden. Durch einen ge-eigneten Auftragsabwicklungsprozess werden Koordinationsmechanismen gestärkt und nicht wertschöpfende Routinetätigkeiten minimiert.

Fokus des Prozesses Auftragsabwicklung stellen auftragsbasiert produzierende, kleine und mittelständische Unternehmen dar. Im Rahmen dieses Prozesses wird die gesamte Aktivitätenkette vom Erhalt der Anfrage bis zur Produktauslieferung definiert. Daher kann die hier beschriebene Auftragsabwicklung sowohl als Kernprozess auftragsfertigender Unter-nehmen als auch als zentrale Schnittstelle zum Kunden verstanden werden. Die übergreifende Steuerung dieser interfunktionalen Aktivitäten beeinflusst damit direkt die Beziehung des Kunden zum Unternehmen.

Im Sinne der Kundenzufriedenheit sind innerhalb der Auftragsabwicklung einzelne Punkte von besonderem Interesse. Um bei-spielsweise ein konsistentes Auftreten gegen-über dem Kunden zu ermöglichen, muss eine eindeutige Definition von Ansprechpartnern so-wohl für die eigentliche Auftragsabwicklung als auch den Service erfolgen. Darüber hinaus ist eine zentrale Dokumentation und Verwaltung aller auftragsrelevanten Daten und Kundenin-

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4. Die Referenzprozesse

32Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

ist bereits an dieser Stelle die Festlegung eines Prozesseigners, der gleichzeitig als Ansprech-partner gegenüber dem Kunden fungiert.

Im eigentlichen Hauptschritt dieser Prozess-phase erfolgt eine Prüfung der Anfrage auf einen zur Bearbeitung ausreichenden Informa-tionsgehalt. Darüber hinaus wird die Kompatibi-lität des Anfrageobjekts zum möglichen Produkt-programm des Unternehmens validiert. Führen diese Schritte nach eventueller Rückfrage beim Kunden zu einem positiven Ergebnis, so erfolgt die Bestätigung der Anfrage und die nachfol-gende Prozessphase kann aufgerufen werden.

AngebotserstellungZu Beginn der Angebotserstellung wird eine technische Projektleitung nominiert. Diese fungiert in den nachfolgenden Schritten der Auftragsabwicklung sowohl als Schnittstelle zwischen den kaufmännischen und technischen Abteilungen als auch als Verantwortungsträger für technische Inhalte des Projekts.

Um eine flexible Anpassungsfähigkeit des Prozesses an diverse Auftragsabwicklungstypen zu gewährleisten, ist eine Parallelschaltung alternativer Prozesspfade vorgesehen. Mögliche Typen unterscheiden sich beispielsweise durch die Notwendigkeit einer Produktentwicklung oder einer Beschaffung von Zulieferteilen. Zur automa-tischen Ansteuerung eines adaptierten Prozess-pfades wird zu Beginn der Angebotserstellung eine Klassifikation der Anfrage durch die Projekt-leitung erstellt. Abbildung 4.8 stellt Klassifizie-rungskriterien und mögliche Ausprägungen dar.

Mit dem Ziel einer Angebotserstellung wird nachfolgend eine zweischrittige Kalkulation durchgeführt. Zunächst erfolgt eine technische Kalkulation durch die Projektleitung unter Mit-wirkung der Produktentwicklung, der Produk-tion und des Einkaufs. Hier werden die Kosten für Konstruktion, Zukaufteile und Fertigung, sowie die entsprechenden Durchlaufzeiten ermittelt. Die auf diesem Weg gewonnenen Daten werden im Rahmen einer kaufmän-nischen Kalkulation in den Angebotspreis überführt, auf dessen Basis das Angebot erstellt wird. Mit dem Ziel die erarbeiteten Informa-tionen für zukünftige Angebotserstellungen nutzbar zu machen, werden diese abschließend in der Kundendatenbank abgelegt.

formationen im Sinne des Customer-Relation-ship-Management (CRM) notwendig13, 14. In Abbildung 4.6 wird die systematische Weiter-entwicklung der Anfrage eines Kunden zu den Daten eines entwickelten Produkts an Hand einiger Kerndokumente dargestellt. Für die Erarbeitung der jeweils nachfolgenden Daten und Dokumente ist die zentrale Sammlung und Bereitstellung aller vorhergegangenen Dokumente von Bedeutung.

Neben dem umsatzrelevanten Ziel der Kundenzufriedenheit muss innerhalb einer opti-malen Auftragsabwicklung auch die Kosten- seite des Unternehmens Beachtung finden15. Dies geschieht im vorliegenden Prozess unter anderem durch Integration der Produktpro-grammplanung. Durch diese Verknüpfung wird die Überführung kostenintensiver Sonderkon-struktionen und Einzelfertigungen in standardi-sierte Produkte begünstigt.

4.3.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenWie Abbildung 4.7 zeigt, besteht die Grund-architektur des Prozesses aus drei aufeinander folgenden Phasen. Diese sollen im Weiteren eingehend betrachtet werden.

Anfragenerfassung und -prüfungDer Prozessbeginn ist durch den Erhalt der Anfrage eines Kunden innerhalb der Vertriebs-abteilung definiert. Von besonderer Wichtigkeit 13 Schuh, G.: myOpenFactory, 200714 Groß, M.: Planung der Auftragsabwicklung, 199015 Gudehus, T.: Dynamische Disposition, 2002

Abbildung 4.6 Weiterentwicklung einer

Kundenanfrage

Abbildung 4.7 Phasen der

Auftragsabwicklung

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4. Die Referenzprozesse

33Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

AuftragsausführungNach Auftragsbestätigung des Kunden beginnt die Prozessphase der Auftragsausführung. Hier- bei soll zuerst eine Auftragsabwicklung mit Produktentwicklung betrachtet werden. Im Sinne einer systematischen Produktenwicklung besteht der erste Schritt aus einer Analyse der Anforderungen die an das Produkt gestellt wer-den. Diese Analyse erfolgt durch Einbindung des Referenzprozesses Anforderungsmanage-ment (Kapitel 4.5, Seite 40).

Die gewonnenen Anforderungen fließen zusammen mit den Angebotsinhalten als Eingangsdaten in den nachfolgenden Entwick-lungs- und Konstruktionsprozess ein. Dieser kann entweder in Form einer Neu- bzw. Son-derentwicklung oder als technische Änderung eines Standardprodukts erfolgen. Entsprechend werden die Referenzprozesse Einzelprojekt-controlling oder Änderungsmanagement als Subprozesse aufgerufen, innerhalb derer die eigentliche Produktentwicklung stattfindet.

Nach Erzeugung der Produktdaten erfolgt die Einsteuerung der Produktions- und Beschaf-fungsaufträge. Im Falle einer Auftragsabwick-lung ohne Produktentwicklung würde die-ser Schritt sofort nach Erhalt des Auftrages beginnen. Nach Beschaffung und Fertigung der benötigten Bauteile wird die Transformation der Produktdaten in ein real existierendes Produkt mit den Aktivitäten Montage und Auslieferung vollendet. Nach Abschluss dieser Leistungser-bringung seitens des Unternehmens erfolgen Fakturierung und Aktualisierung der Kunden-datenbank. Über die eigentliche Auftragsab-wicklung hinaus werden an dieser Stelle After-Sales-Aktivitäten vorbereitet, indem innerhalb von Vertrieb und Service Verantwortliche für die Produkt- und Kundenbegleitung nominiert werden.

Der Referenzprozess Auftragsabwicklung befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbildung 4.9 zeigt eine Vorschau der Prozessdokumentation.

4.3.3 Erläuterung der MethodenBelastungsorientierte AuftragsfreigabeDie belastungsorientierte Auftragsfreigabe (BOA) dient zur Fertigungsauftragssteuerung bei Einzel- und Kleinserienfertigung.

Besonders geeignet ist die BOA zur Fertigung variantenreicher Produkte16. Grundlage dieser Methode ist die Annahme, dass die Durchlauf-zeit eines Auftrags an einer Arbeitsstation ledig-lich von den Faktoren Belastung und Leistung abhängig ist. Mit dem Ziel eines konstanten Niveaus der Durchlaufzeiten fokussiert die Me-thode auf die Regelung der Belastung17, da die Leistung einer Arbeitssstation nach Erreichen der Kapazitätsgrenze auf kurzfristige Sicht eine Konstante darstellt.

Die Auftragsfreigabe erfolgt in zwei Schrit-

ten: Dringlichkeitsprüfung und Freigabeprüfung. Im Rahmen der Dringlichkeitsprüfung wird an-hand einer Rückwärtsterminierung der späteste, zulässige Startzeitpunkt der zu bearbeitenden Aufträge ermittelt. Eine weitere Betrachtung er-folgt lediglich für die Aufträge, dessen spätester Startzeitpunkt innerhalb des zuvor definierten Vorgriffshorizonts liegt. Anhand der Dringlichkeit der Aufträge erfolgt darüber hinaus eine Priori-sierung. Im zweiten Schritt, der Freigabeprüfung, erfolgt eine Einlastung der Fertigungsaufträge bis

Abbildung 4.9 Referenzprozess Auftragsabwicklung

16 Eversheim, W.; Luczak, H.: Produktionsplanung und –steuerung, 1999, S.6817 Eversheim, W.; Schuh, G.: Produktion und Management, 1996

Abbildung 4.8Klassifikationsstruktur

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4. Die Referenzprozesse

34Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Das beschriebene vorgehen der BOA kann durch ein Trichtermodell (Abbildung 4.10) illustriert werden. Der Füllstand der einzelnen Trichter bildet in diesem Visualisierungsmodell den jeweiligen Auftragsbestand ab. Durch die dreifache Hintereinanderschaltung werden die Schritte Dringlichkeitsprüfung, Freigabeprüfung und Auftragsbearbeitung dargestellt. Der Regelungseingriff erfolgt durch die Variation der Strahlbreite. Dies erfolgt in der Dringlich-keitsprüfung durch die Definition des Vorgriffs- horizonts und in der Freigabeprüfung durch die Belastungsschranke.

Durch die beschriebene zweistufige Rege-lung wird ein Abgleich zwischen dem freigege-benen Auftragsumfang und der verfügbaren Kapazität erreicht, bei dem die Werkstattbe-stände auf einem geringen und stabilen Niveau liegen. Hierdurch können sowohl die Durchlauf-zeiten verringert und planbar gemacht als auch die Steuerungsaufwende minimiert werden.

NetzplantechnikDie Netzplantechnik beinhaltet »auf Ablauf-strukturen basierende Verfahren zur Analyse, Beschreibung, Planung, Steuerung, Über-wachung von Abläufen, wobei Zeit, Kosten, Ressourcen und weitere Größen berücksichtigt werden können«19. Diese Verfahren können im Rahmen der Auftragsabwicklung zur metho-dischen Unterstützung der Konstruktion und der Fertigung angewandt werden. Im Besonde-ren eignen sie sich hierbei zur Ablaufplanung von Arbeitspaketen und zur Kalkulation von Durchlaufzeiten.

Unter dem Sammelbegriff Netzplantechnik werden verschiedene, ähnlich ausgerichtete Methoden zusammengefasst. Die beiden bekanntesten unter diesen Methoden sind:

Critical Path Method (CPM)Program Evolution and Review Technique (PERT)Abbildung 4.11 stellt einen anhand CPM

und PERT geplanten Arbeitsablauf und eine nachträgliche Visualisierung mittels eines Bal-kendiagramms dar. Die einzelnen Arbeitspakete sind hierbei durch die Buchstaben A bis G ge-kennzeichnet. Durch notwendige Informations-flüsse in der Konstruktion oder Materialflüsse in der Fertigung erfolgt eine Einschränkung

zum Erreichen einer ebenfalls zuvor definierten Belastungsschranke unter Berücksichtigung der Priorität. Die Belastungsschranke beträgt im Allgemeinen das Zwei- bis Dreifache der Kapazität der Arbeitsstation um durch einen Auftragspuffer eine maximale und kontinuierliche Auslastung zu gewährleisten. Durch nachträgliches Absenken der Belastungsschranke kann eine Reduzierung von Puffern und damit der Durchlaufzeiten bis zu einem durch Materialwirtschaft und interne Logistik determinierten Grenzwert erfolgen.

Abbildung 4.10Trichtermodell der BOA18

18 Wiendahl, H.: Belastungsorientierte Fertigungssteuerung, 199819 DIN 69900, Netzplantechnik, 2007

Abbildung 4.11Methoden der

Netzplantechnik

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4. Die Referenzprozesse

35Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

der möglichen Arbeitabläufe, die in CPM und PERT durch Pfeile dargestellt werden. Bei allen der drei Darstellungen erfolgt die Abbildung der chronologischen Abfolge durch eine nach rechts steigende Zeitachse. Während beim Balkendiagramm eine lineare Zeitachse vorliegt, die Länge eines Balkens also der Dauer des zugehörigen Arbeitspaketes entspricht, werden bei CPM und PERT Zeitpunkte und Vorgangs-dauern beziffert. Die CPM nennt dabei die Dauer eines Arbeitspakets, die PERT stellt dage-gen die frühesten und spätesten Anfangs- bzw. Endzeitpunkte dar. Innerhalb des Balkendia-gramms ist über die eigentlichen Arbeitspakete hinaus eine direkte Darstellung von Pufferzeiten möglich. Im abgebildeten Diagramm sind dies die gestrichelt umrandeten Rechtecke.

Im Allgemeinen erfolgt zunächst eine Planung des Arbeitsablaufes durch CPM oder PERT. Das Balkendiagramm wird dagegen zur nachträglichen Visualisierung genutzt. Die Vorteile der Netzplantechnik liegen im Zwang zum logisch strukturierten Denken und bei der expliziten Darstellung der Zusammenhänge der Arbeitspakete. Auf diesem Wege wird die Planung von Arbeitsabläufen und Kalkulation von Durchlaufzeiten deutlich vereinfacht20.

4.4 Ideenmanagement 4.4.1 Grundlegendes Verständnis Für den Erfolg eines Unternehmens ist es entscheidend, permanent Ideen neu zu ent- wickeln. Beschleunigter technologischer Wandel, erhöhter Wettbewerb, immer kürzer werdende Produktlebenszyklen und kon- tinuierlich steigende Kundenanforderungen zwingen Unternehmen ständig neue Produkte auf dem Markt zu präsentieren. Klar ersicht-lich ist hier, dass Kontinuität von entschei-dender Bedeutung ist. Um diese Kontinuität auf hohem Niveau gewährleisten zu können, ist ein strukturiertes Vorgehen innerhalb des Ideenmanagements Vorraussetzung. Der Referenzprozess Ideenmanagement ermöglicht es, gerade diese Kontinuität sicherzustellen. Der Prozessablauf umfasst mehrere Phasen, die von der Umfeldanalyse über die Ideen- findung und Ideenbewertung bis hin zur praktischen Umsetzung reichen.

4.4.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenDie Prozessstruktur des Ideenmanagements lässt sich wie in Abbildung 4.12 dargestellt in folgende drei Phasen gliedern:

UmfeldanalyseUm einen vollständigen Überblick zu erhalten und alle Einflüsse präzise analysieren zu kön-nen, ist eine Analyse der auf das Projekt wir-kenden Einflussfaktoren aus den relevanten Unternehmensbereichen erforderlich. Diese Einflussfaktoren sind vor allem:

Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen für das ProjektStakeholder und die Art der InteressenProjektrisikenEinbettung des Projekts in das Unter- nehmenChancen und RisikenMaßnahmen zur Beeinflussung des Projektumfeldes

Zwei wichtige Einflussgrößen sind darüber hinaus noch zum einen der Kunde und zum anderen die jeweilige marktseitige Wettbe-werbssituation. Dabei ist zunächst eine Analyse der Kundenanforderungen notwendig. Die Analyse des Wettbewerbs bzw. der Konkurrenz zeigt Lücken im Markt auf und vermeidet eine Ideenentwicklung in einem wirtschaftlich unat-traktivem Segment. Zusammenfassen lässt sich dieses Szenario auf die Frage: Was fordert der Markt (Market Pull) und was ist technologisch realisierbar (Technology Push)?

Als dritter Kernbereich ist die Analyse der gesetzlichen Situation zu nennen. Diese abzu-klären hilft späteren juristischen Konflikten entgegenzuwirken. Welche Daten aus den ein-zelnen Bereichen von Interesse sind, wird durch die festgelegte Grundausrichtung vorgegeben. Die elementare Bedeutung der allgemeinen Strategie wird hier in Form der Abhängigkeiten zu diesen Abläufen deutlich.

Abbildung 4.12 Phasen des Ideen- managements

20 Schwarze, J.: Netzplantechnik, 1994

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4. Die Referenzprozesse

36Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

nung wie auch später bei der weiteren Detail-lierung eingesetzt werden kann21. Im nächsten Schritt, der Strukturierung und Verdichtung der Produktideen, wird gezielt auf die Formulierung der Produktideen 2. Ordnung hingearbeitet. Die bisher ermittelten Einzellösungen, die Produktideen 1. Ordnung, werden nun struk-turiert und verdichtet, um eine methodische Verknüpfung auf morphologischer Basis zwischen Problemideen und Lösungsideen zu ermöglichen und damit die Bildung einer op-timalen Gesamtidee zu gewährleisten. Erfolgt eine Verknüpfung zwischen einer marktbezo-genen Problemidee und einer technologieseiti-gen Lösungsidee, so ist diese Verknüpfung als eine Produktidee 2. Ordnung anzusehen. Eine Produktidee 2. Ordnung ist daher eine Idee, bei welcher ein marktgetrigertes Problem durch eine technologische Lösung lösbar ist. Das Sammeln von Produktideen 2. Ordnung ist das generelle Ziel der Ideenfindungsphase. Der Entwicklungsprozess einer Produktidee 2. Ordnung ist geprägt von Kreativität und Ei-geninitiative. Abschließend werden die Produkt-ideen 2. Ordnung in Produktideendatenblättern zusammengefasst, worin sie in einem einheit-lichen Detaillierungs- und Konkretisierungsgrad verzeichnet sind21.

IdeenbewertungDiese gesammelten Produktideen sind zielge-richtet auf die entsprechenden Bedürfnisse hin entwickelt worden. Es steht nun ein großer Pool an speziell generierten Ideen zur Verfügung. Diese Masse sollte möglichst früh bewertet wer-den, um eine bessere Auswahl zu ermöglichen. Das hierfür notwendige Beurteilungs- und Bewertungssystem besteht aus einer Anzahl unternehmensspezifischer wie unternehmens-neutraler Kriterien, anhand derer die Produk-tideen beurteilt und bewertet werden. Ein Selektionsalgorithmus dient der Identifizierung von wichtigen und weniger wichtigen Krite-rien, die in einem Paarweisen Vergleich relativ zueinander im Hinblick auf die Zielsetzung und Unternehmensstrategie gewichtet werden. Anhand von Checklisten können quantitativ bewertbare Kriterien erfasst und zur Bewertung herangezogen werden. Bei einer Bewertung von Produktideen in dieser frühen Phase der Produktentwicklung sollte allerdings darauf

Auf Basis dieser Recherchen lassen sich die aus den einzelnen Bereichen relevanten Daten nun sammeln. Anlehnend an dieses Anforde-rungspaket sind nun Ideen zu entwickeln. Die Resultate werden jeweils in Ideendatenblättern zusammengefasst.

IdeenfindungMit den in der Umfeldanalyse ausgearbeiteten produktbezogenen Anforderungen liegen Pro-blemstellungen vor, die in der Phase Ideenfin-dung zu aussichtsreichen Produktideen ausge-arbeitet werden sollen.

Die Ideenfindung untergliedert sich in vier Schritte:

AnalyseSammlung von Produktideen 1. OrdnungIdeenstrukturierung und -verdichtungFormulieren von Produktideen 2. Ordnung

In der zu Beginn durchgeführten Analyse werden die Ergebnisse der Umfeldanalyse gezielt aufbereitet, um eine strukturierte und zielgerichtete Suche und Generierung von Ideen zu gewährleisten. Als Methoden sind hierfür besonders die Funktionsanalyse, die Patent-analyse und die Wertanalyse zu nennen.

Produktideen werden, wie schon oben erwähnt, in Ideen 1. und 2. Ordnung unter- schieden. Produktideen 1. Ordnung sollen möglichst allgemein gehalten werden, wobei ein gegenseitiger Ausschluss bzw. eine gegen-seitige Ergänzung hierbei durchaus möglich ist21. Produktideen 1. Ordnung umfassen markt-bezogene Problemideen wie auch technologie-seitige Lösungsideen. Problemideen erstrecken sich von neuen Anwendungsmöglichkeiten über Probleme und Anforderungen bis hin zu Funktionen im Marktbereich. Lösungsideen können sowohl konstruktive Prinziplösungen als auch produkt-, werkstoff-, und produktions-technologische Lösungsansätze darstellen. Kreativitätstechniken wie die Prinzipien der Assoziation, Abstraktion, Kombination und Variation sind hier zu integrieren. Um diesen Prinzipienkatalog ausreichend abzudecken, ist der Einsatz der Methode Bionik sehr sinnvoll (siehe Erläuterung der Methoden, Kapitel 4.4.3, S.37). Weiterhin lässt sich in diesem Schritt auch die TRIZ-Methodik sehr gut anwenden, da sie bei der Findung der Produktideen 1. Ord-

21 Brandenburg, F.: Technologische Produktinnovationen, 2002

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4. Die Referenzprozesse

37Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

geachtet werden, dass auf Grund der Unschärfe der zu diesem Zeitpunkt zur Verfügung stehen-den Informationen, die Informationsgrade von Kriterien wie Zeit, Aufwand und Verwertbar-keit berücksichtigt werden. Eventuell weniger attraktive Ideen werden denen, die ein höheres Potenzial beinhalten, nachgestellt. Damit wird eine Fokussierung auf die Erfolg versprechends-ten Ideen gewährleistet. Somit werden die Innovationskapazitäten effizient eingesetzt und man erreicht einen maximalen Nutzen. Produktideen, die jedoch auf den ersten Blick weniger attraktiv erscheinen, sollten zu diesem Zeitpunkt des Planungsprozesses nicht ver- worfen werden, sondern in einem Ideenpool dokumentiert werden.

Die attraktivsten Produktideen werden nun näher mit dem zukünftigen »Markt« in Verbindung gebracht. Es folgt eine Bewer-tung der Ideen-Markt-Kombination in Bezug auf die drei Hauptkriterien Unternehmensnut-zen, Technologiepotenzial und Zukunftsträch-tigkeit.

Die bisher nur grob formulierten Produkt- ideen müssen nun systematisch näher be-wertet werden. Visualisieren lässt sich dies in dem in Abbildung 4.13 dargestellten Ideentrichter, der sich im Verlauf der Ideen-bewertung durch eine Selektion von Ideen immer weiter verjüngt und somit eine zuneh-mend feinstrukturierte Bewertung ermöglicht. Die Produktideen gewinnen damit zuneh-mend an Konkretisierung.

Nach der Bewertung der Produktideen verlassen diese den Trichter in einer Rang- folge in detailliert dargestellter Form und hohem Konkretisierungsgrad. Dargestellt werden die Produktideen mit einer inhalt-lichen und zeitlichen Einordnung in einer Produktroadmap. Diese visualisiert übersicht-lich auf einer Zeit-achse den kompletten Handlungsbedarf, der zur Umsetzung einer Produktidee nötig ist.

Der Referenzprozess Ideenmanagement- prozess befindet sich mit seinen Unterpro-zessen auf der CD am Ende dieser Broschü-re. Abbildung 4.14 zeigt eine Vorschau der Prozessdokumentation.

4.4.3 Erläuterung der MethodenBrainstormingDiese Methode zur Ideenfindung wird meistens in einer Gruppe angewendet. Die Teilnehmer nennen spontan Lösungsideen, wobei sie sich im optimalen Fall gegenseitig inspirieren. Auch das aufgreifen anderer Lösungsideen und ein darauf aufbauen seiner Idee und damit einer Weiterentwicklung ist ein sehr positiver Verlauf.

Im zweiten Teil dieser Methode werden die nun gemeinsam zusammengetragenen Ideen innerhalb einer Gruppendiskussion bewertet und selektiert22.

Abbildung 4.13 Ideentrichter

22 Nückles, M.; Gurlitt, J.; Pabst, T.; Renkl, A: Mind Maps and Concept Maps, 2004

Abbildung 4.14 Systematische Darstellung des Ideenmanagement- prozesses

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4. Die Referenzprozesse

38Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

bei spontanen Einfällen ihre Lösungsideen ein-tragen. Durch die Handlichkeit der Notizblöcke können sie immer mitgeführt werden, wodurch »Geistesblitze« festgehalten werden können. Nach der Ideensammelphase werden die Notiz-blöcke zentral ausgewertet26.

FunktionsanalyseDie Funktionsanalyse ähnelt dem Morpho-logischen Kasten, nur werden nicht die Pro-duktattribute, sondern die Produktfunktionen aufgelistet. Zu jeder Funktion stehen alternative Lösungsprinzipien zur Auswahl. Durch Kombi-nation der besten Lösungsprinzipien entsteht dann die gesamte Lösungsstruktur. Hierbei ist das Vorgehen sehr strukturiert und es lassen sich eine Vielzahl von realisierbaren Lösungen auffinden27.

WertanalyseDie Wertanalyse dient auf der einen Seite zur Kostenoptimierung von Objektfunktionen und auf der anderen Seite zur Nutzensteigerung des Objektes. Dies kommt bei der Kostenreduzierung bestehender oder entstehender Produkte zum Zuge. Das Vorgehen gliedert sich in die folgenden fünf Phasen: 1. Projekt vorbereiten, 2. Objektsituation analysieren, 3. Sollzustand festlegen, 4. Lösungsideen entwickeln, 5. Lösungen festlegen. Ein wichtiger Vorteil ist die ganzheitliche Betrachtung des Projektes27.

BionikIdeen und Lösungsvorschläge können durch Übertragung von biologischen Strukturen, Me-chanismen und Strukturen auf technische Auf-gabenstellungen gefunden werden. Ausgehend vom technischen Problem wird eine äquivalente Lösung in der Natur gesucht. Im zweiten Schritt wird versucht das Lösungsprinzip der Natur an die technische Aufgabenstellung anzupassen27.

TRIZ– Methode»Triz« ist das russische Akronym für die Theorie des erfinderischen Problemlösens. Das Lösen eines Problems mittels dieser Methode hat folgenden Ablauf: Man ersetzt das bestehende Problem durch ein bekanntes Problem. Von die-

Mind-MappingDas Mind-Mapping dient zur Ideen- und Begriffsfindung. Dazu werden die genannten Begriffe graphisch miteinander in Relationen gesetzt. Anders als beim Brainstorming werden die Begriffe direkt nach ihrer Nennung in die bestehende Struktur eingeordnet. Dadurch wird die Struktur gefestigt und der Fokus der Teilnehmer schon in gewisse Bahnen gelenkt23.

GaleriemethodeDie Galeriemethode ist eine Methode zur Unter-stützung der Kreativität. Meistens sind bei der Anwendung dieser Methode schon Lösungs-vorschläge für ein Problem vorhanden, welche in der Gruppe visualisiert bzw. zeichnerisch dargestellt werden. Durch eine Teamarbeit innerhalb der Gruppe werden die Lösungsideen nun weiterentwickelt oder auch bewertet. Die aufkommende Diskussion und die Präsentation der Ideen erfordert eine intensive Beschäfti-gung, woraus leichter neue Anregungen entste-hen können. Diese Wechselwirkung ist deshalb positiv zu bewerten, da sie die endgültige Problemlösung wesentlich vorantreibt24.

Methode 635Die Methode 635 leitet sich aus dem Brainstor-ming ab. Die Vorgehensweise der Methode 635 ist fest vorgegeben. Zur Ideenfindung setzen sich sechs Personen zusammen, von denen je-der drei Vorschläge zur Lösung eines bestimm-ten Problems auf einen Zettel schreibt. Danach werden die Zettel im Kreis weiter gereicht und nach dem Lesen der Vorschläge der/des Vorgänger/s die Vorschläge weiterentwickelt oder drei neue Lösungen aufgeschrieben. So kann man in kurzer Zeit viele Ideen generieren, die nachträglich aufgearbeitet, konsolidiert und bewertet werden25.

Collective-Notebook-MethodeDie Collective-Notebook-Methode ist eine Methode des Brainwritings. An die Teilnehmer werden Notizblöcke ausgeteilt, bei denen die Problemstellung auf der ersten Seite formuliert ist. In die Notizblöcke können die Teilnehmer über eine mehrwöchige Phase regelmäßig oder

23 Buzan, T.; Buzan, B.: Das Mind Map Buch, 200224 Lindemann U.: Methodische Entwicklung technischer Produkte, 200525 Higgins, J.M.; Wiese, G.: Innovationsmanagement, 199626 Ridolfo, E.: Ideenmanagement, 200027 Eversheim, W.: Innovationsmanagement für technische Produkte, 2003

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4. Die Referenzprozesse

39Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

sem bekannten Problem kennt man die Lösung bzw. die Regeln mit denen es zu lösen ist. Der Transfer besteht nun darin, diese bekannten Regeln auf das bestehende Problem zu proji- zieren und damit zu einer innovativen Lösung zu gelangen27 (Abbildung 4.15).

Morphologischer KastenDer morphologische Kasten ist eine Methode zur Auswahl von Teilkomponenten und zur Strukturierung von Ideen. Zuerst werden alle Funktionen eines Produktes gesammelt und zu jeder Funktion Lösungsalternativen genannt. Durch eine Variation der Kombination der Lösungsalternativen entsteht eine neue Gesamtlösung27.

SynektikBei der Synektik werden zur Ideenfindung hauptsächlich Analogien verwendet. Nach einer Nennung der ersten Lösungsideen und einer Neuformulierung des Problems werden Analo-gien getrennt nach unterschiedlichen Bereichen gesucht. Die Bereiche sind direkte Analogien, persönliche Analogien, symbolische Analogien und indirekte Analogien. Abschließend folgt die Übertragung auf das eigentliche Problem. Beim Durchlaufen der verschieden Analogieebenen kommt man von einer sehr abstrakten Ebene immer näher zur technischen Ebene27.

Paarweiser VergleichMit Hilfe des Paarweisen Vergleiches lässt sich eine Rangfolge von Merkmalen erstellen. Durch eine direkte Gegenüberstellung von zwei Attributen und die Bewertung als wichtiger, gleichbedeutend und weniger wichtig entsteht eine Rangfolge von allen betrachteten Merkma-len. Für die Bewertung müssen die Bewertungs-kriterien klar und vergleichbar sein. Für komplexe Vergleiche ist die Methode weniger geeignet27.

Portfolio-SystemZur Ideenbewertung und -auswahl bieten sich Portfoliodarstellungen an. Dazu müssen die Ideen nach festgelegten Kriterien bewertet und können dann anhand von zwei Bewer-tungsdimensionen in das Portfolio eingeordnet werden. Aus der Position der Idee im Portfolio werden wiederum Handlungsempfehlungen gefolgert (Abbildung 4.16).

Bei dem Unternehmensnutzen-Portfolio bilden der direkte und der indirekte Unternehmens-nutzen die beiden Portfoliodimensionen. Für den direkten Unternehmensnutzen sind monetäre Größen wie Umsatz, Gewinn und Einsparungen entscheidend. Bei dem indirekten Unternehmensnutzen spielen andere Faktoren wie Synergieeffekte, Nutzung und Ausbau von Kompetenzen sowie die Imagewirkung für das Unternehmen eine Rolle (Abbildung 4.17).

Abbildung 4.15 Die TRIZ-Methode

Abbildung 4.16 Portfolio-System27

27 Eversheim, W.: Innovationsmanagement für technische Produkte, 2003

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4. Die Referenzprozesse

40Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Das Markt-Technologie-Portfolio wird durch das Technologiepotenzial und die Zukunftsträchtigkeit aufgespannt. Die Zu-kunftsträchtigkeit beschreibt die Kombination aus dem erzeugten Kundennutzen und dem Differenzierungspotential gegenüber ande-ren Produkten als auch die Sicherheit gegen Substitute. Das Technologiepotential bewertet die technologische Machbarkeit einer Idee und berücksichtigt darüber hinaus Faktoren wie Fertigungskompetenz, Fertigungskapazität und Realisierungsaufwand28 (Abbildung 4.18).

Da sich das industrielle Umfeld ständig im Wandel befindet, können Ideen, die momen-tan nicht Erfolg versprechend sind, in einigen Jahren durchaus attraktive Innovationen dar-stellen. Durch die Speicherung in einem Ideen-pool können diese Ideen zu einem späteren Zeitpunkt schnell wieder aufgegriffen werden.

4.5 Anforderungsmanagement

4.5.1 Grundlegendes VerständnisNeu- und Weiterentwicklungen von Produkten bedeuten für produzierende Unternehmen oft ein erhebliches Risiko. Aufgrund der langfris-tigen Bindung von finanziellen und personellen Ressourcen in diesen Entwicklungsprojekten kann ein »am Kunden vorbei« entwickeltes Produkt die Wettbewerbssituation, wenn nicht sogar die Existenz, der Unternehmen gefährden.

Vor diesem Hintergrund kommt der Ermitt-lung der Anforderungen, »des impliziten oder expliziten Kundenwunsches«, eine besondere Bedeutung zu. Eine richtige und vollständige Erhebung der Anforderungen stellt den Schlüs-sel zu einer erfolgreichen Produktentwicklung dar. Jedoch reicht die Erhebung der Anforde-rungen nicht aus. Vielmehr setzt eine erfolg-reiche Produktentwicklung ein ganzheitliches Management von Anforderungen voraus. Die-ses beinhaltet neben der Erhebung der Anfor-derungen vor allem auch eine Systematik zur zielgerechten Bewertung der Anforderungen. Nur so können die knappen Ressourcen eines Unternehmens zur Realisierung von Anforde-rungen eingesetzt werden, die maximal zur Erfüllung des Kundenwunsches beitragen. Ziel der Anforderungserhebung und -bewertung ist somit das »richtige« Treffen der Kunden-wünsche und das Vermeiden von in schlechten

Abbildung 4.17 Kriterien des Unternehmens-

nutzen-Portfolios28

Abbildung 4.18 Kriterien des Markt-Technologie-

Portfolios28

28 Eversheim, W.: Innovationsmanagement für technische Produkte, 2003

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4. Die Referenzprozesse

41Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Marktchancen resultierendem Underenginee-ring und kostentreibendem Overengineering (Abbildung 4.19).

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil dieses Referenzprozesses ist das Controlling der Über-führung von Anforderungen in geeignete Pro-duktkonzepte. Besondere Bedeutung kommt hierbei der in diesem Prozess verankerten inter-disziplinären Konzeptbewertung zu, die sicher-stellt, dass Konzepte für neue Produkte nicht nur hinsichtlich der Erfüllung der Kundenwün-sche bewertet werden, sondern auch den ande-ren unternehmensspezifischen Rahmenbedin-gungen aus Konstruktion und Entwicklung, dem Qualitätsmanagement und der Produktion genügen. Letzter Baustein des Prozesses ist ein Controlling der Realisierung der ausgewählten und umzusetzenden Anforderungen.

4.5.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenDer Referenzprozess zum Anforderungsma-nagement gliedert sich in vier Hauptprozess-schritte, die in Abbildung 4.20 dargestellt sind und im Folgenden näher beschrieben werden.

AnforderungserhebungDer Prozess des Anforderungsmanagements beginnt mit der Erhebung der Anforderungen. Unabhängig von Einzel-, Klein oder Großserien-fertigung ist hier ein interdisziplinäres Vorgehenerforderlich, um Anforderungen möglichst ganzheitlich aufnehmen zu können. So stehen neben den Anforderungen, die Kunden an ein neues oder weiterentwickeltes Produkt stellen, Anforderungen aus den Bereichen Konstruk-tion und Entwicklung, Produktion, Qualitäts-management und Service bzw. After-Sales. Hier müssen unter anderem neue gesetzliche Anforderungen, Anforderungen bzgl. der Her-stellbarkeit des Produktes, der Wahrung von Qualitätsstandards, Anforderungen aus Rekla-mationen und letztendlich Anforderungen bzgl. der Recyclebarkeit des Produktes berücksichtigt werden. Wesentlich bei der Anforderungser- hebung ist die Art der Speicherung dieser An- forderungen. Für die Überführung der Anfor-derungen in Funktionen und die Weiterverwen-dung im Rahmen der parametrischen Konstruk-tion müssen diese unabhängig voneinander in einem Datenbanksystem gespeichert werden.

AnforderungsbewertungAnschließend an die Erhebung der Anforde-rungen erfolgt eine Bewertung der Anforde-rungen. Dieser Prozessschritt erlaubt mittels Priorisierung und Kategorisierung der Anforde-rungen eine Auswahl relevanter Anforderungen für die anstehende Produktentwicklung.Methodisch kann die Anforderungsbewertung mittels des paarweisen Vergleichs oder mit Conjoint Analysen unterstützt werden. Abschließend werden die priorisierten Anfor-derungen für die Konzepterstellung, von der Geschäftsleitung freigegeben. Diese Phase stellt eine wesentliche Schnittstelle zwischen den Referenzprozessen Anforderungsmanagement und Funktionsmanagement (siehe Kapitel 4.6 ab S. 44) dar (Abbildung 4.21 siehe nächste Seite). Hier werden die Anforderungen an das Funktionsmanagement zur Erstellung einer Funktions- und Wirkstruktur weitergeleitet.

Abbildung 4.20Phasen des Referenz- prozesses Anforderungs- management

Abbildung 4.19Ermittlung von Kundenan-forderungen – Matching von Erwartungen und Angebot

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4. Die Referenzprozesse

42Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

KonzeptbewertungNach der Erstellung des Produktkonzepts in- klusive Funktions- und Wirkstruktur, erfolgt eine erste Bewertung des Konzepts durch das Anforderungsmanagement. Hier werden die im Rahmen des Referenzprozesses Funktions-management erstellten Konzepte auf die Er- füllung der Anforderungen aus den einzelnen Unternehmensbereichen aber auch im Hinblick auf die Erfüllung der Kundenwünsche unter-sucht und bewertet. Im Falle einer negativen Bewertung werden von den einzelnen Berei-chen Mängellisten erstellt und diese über die Projektleitung an das Funktionsmanagement zurückgespielt.

AnforderungscontrollingDie Phase des Anforderungscontrollings beginnt nach der Verabschiedung der zu entwickelnden Produktkonzepte und teilt sich in zwei Bereiche. Zum einen wird im Rahmen des Anforderungs-

controllings die Erfüllung der den Konzepten zugeordneten Anforderungen überprüft, zum anderen sind alle Bereiche im Rahmen des Anforderungscontrollings dazu angehalten neue, für das Produkt relevante, Anforderung an die Projektleitung zu kommunizieren.

Im Rahmen der Überprüfung der Anforde-rungserfüllung werden Abweichungen zum verabschiedeten Projektplan durch das Projekt-controlling dem Anforderungsmanagement gemeldet. Hier werden die Abweichungen klas-sifiziert und ggf. Maßnahmen zur Herstellung des Planzustands eingeleitet.

Um rechtzeitig auf neue Anforderungen reagieren zu können, werden die Fachbereiche regelmäßig zur Nennung neuer, relevanter An-forderungen aufgefordert. Falls neue und für das Produkt relevante Anforderungen vorliegen werden diese in Zusammenarbeit mit dem Funktionsmanagement, soweit möglich, in die Konzepte integriert.

Der Referenzprozess Anforderungsmanage-ment befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbil-dung 4.22 zeigt eine Vorschau der Prozess-dokumentation.

4.5.3 Erläuterung der MethodenAuswahllisteAuswahllisten ermöglichen die grundsätzliche Überprüfung der Machbarkeit von Lösungen. Die im Rahmen des Referenzprozesses erstellten Konzepte werden hinsichtlich der Erfüllung der Anforderungen einer Checkliste mit Grundsatz-fragen unterzogen:

Erfüllt die Lösung alle »Muss«-Anforde-rungen?Ist die Verträglichkeit mit angrenzenden Lösungen gegeben?Ist die Lösung grundsätzlich realisierbar?Ist der Aufwand zulässig?Ist die unmittelbare Sicherheit gegeben?Ist die Lösung terminlich machbar?Ist genügend Know-How vorhanden?

Eine negative Beantwortung der ersten beiden Fragen führt automatisch zu einer Ablehnung des Konzepts. Je mehr Fragen mit einem »Ja« beantwortet werden können, um so eher ist die Lösung realsisierbar29.

Abbildung 4.21 Zusammenspiel von Anforderungs- und

Funktionsmanagement

Abbildung 4.22Übersicht über den

Referenzprozess

29 Eversheim, W.: Innovationsmanagement für technische Produkte, 2003

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4. Die Referenzprozesse

43Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 4.23 Vorgehen zur Nutzwertanalyse

Conjoint AnalyseMit Hilfe der Conjoint Analyse lassen sich Pro- duktmerkmale und deren Ausprägungen priorisieren. Das Modell unterstellt, dass einzelne Merkmalsausprägungen jeweils einen Teilnutzen für den Kunden generieren und sich der Gesamtnutzen eines Produktes additiv aus den einzelnen Teilnutzen zusammensetzt. Als Ergebnis liefert das Verfahren den Nutzen-beitrag der einzelnen Merkmalsausprägungen zum Gesamtnutzen des Produktes. Auf dieser Basis lassen sich Konzepte und Anforderungen bewerten. Gerade aufgrund der hohen Kom-plexität der Conjoint Analyse werden heute vermehrt softwaregestützte, adaptive Analysen eingesetzt30.

FragebögenDurch Fragebögen lassen sich in relativ kurzer Zeit eine große Menge an Adressaten erreichen. Eine Unterstützung bei der Formulierung von Fragebögen liefert die Fragetechnik. Für eine automatisierte Auswertung empfiehlt sich der Einsatz von Online-Fragebögen.

NutzwertanalyseDie Nutzwertanalyse unterstützt bei der vergleichenden Bewertung von mehreren Konzepten. Hierfür werden die Anforderungen als gemäß ihrer Priorisierung gewichtete Kriterien zur Bewertung der einzelnen Konzepte herangezogen. Die Bewertung der Konzepte erfolgt anschließend durch eine standardisierte Bewertungsskala. Der Nutzwert der einzelnen Konzepte ergibt sich aus der Aufsummierung aller mit den jeweiligen Gewichten multipli-zierten Bewertungen. Bei Verwendung der standardisierten Nutzwertanalyseskala wird das Konzept mit der besten Anforderungserfüllung durch den höchsten Nutzwert repräsentiert31.

Paarweiser VergleichMittels des Paarweisen Vergleichs lassen sich Anforderungen nach ihrer Wichtigkeit sortieren. Die Sortierung erfolgt durch den direkten Ver-gleich zweier Anforderungen, bei denen eine Anforderung entweder als wichtiger, unwich-tiger oder gleichwertig zu der anderen Anfor-derung gewertet wird. Durch Summenbildung

30 Backhaus, K.: Multivariate Analysemethoden, 200531 Pahl, G.; Beitz, W.: Konstruktionslehre, 200732 Eversheim, W.: Innovationsmanagement für technische Produkte, 200333 Lindemann, U.: Methodische Entwicklung technischer Produkte, 2007

über die einzelnen Gewichtungen der Verglei-che lässt sich eine Rangfolge der Wichtigkeit der Anforderungen ableiten32.

ProduktumfeldanalyseIm Rahmen der Produktumfeldanalyse wird das Produkt bzw. ein Vorgängerprodukt bei seiner typischen Verwendung beobachtet. Aus der Beobachtung lassen sich gezielt Informationen über Verwendung, das Einfügen in das Umfeld bzw. Kompatibilität mit anderen Produkten oder Systemen gewinnen. Auf Basis dieser Informa-tionen lassen sich Anforderungen ableiten, wie das Gebrauchsverhalten bzw. die Interaktion mit der Umwelt verbessert werden kann.

Quality Function DeploymentMit dem Quality Function Deployment (QFD) wird dem Unternehmen eine Methode zur Verfügung gestellt, die sich von der Produkt-planung bis hin zur Planung der Produktion flexibel einsetzen lässt. Im Rahmen des Anforde-rungsmangements lassen sich mit Hilfe des QFD Anforderungen gezielt in die Produktentwick-lung einbinden. Hauptaugenmerk liegt hierbei auf Ableitung des Entwicklungsschwerpunkts aus den wesentlichen Anforderungen. Ergebnis des QFD-Prozesses ist neben einem verbesserten Verständnis des Gesamtsystems auch eine doku- mentierte Entscheidungsgrundlage sowie eine verbesserte Kommunikation der Beteiligten im Produktentwicklungsprozess33.

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Kapi43 43 23.06.2008 11:54:21

4. Die Referenzprozesse

44Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

4.6 Funktionsmanagement

4.6.1 Grundlegendes VerständnisDie Betrachtung von Funktionsstrukturen ist bereits seit mehreren Jahrzehnten Bestandteil der systematischen Konstruktionslehre. Jedoch zeigen die Ergebnisse der Studie »Potenziale systemunabhängiger Referenzprozesse« (siehe Kapitel 2, S. 9), dass dieses Element der klassischen Konstruktion in den Unterneh-men bislang nur wenig praktische Anwen-dung findet. Der im Folgenden vorgestellte Referenzprozess zum Funktionsmanagement beinhaltet jedoch nicht nur die Erstellung von Funktionsstrukturen. Vielmehr stellt der Prozess die Verbindung zwischen Anforderungen und physischen Komponenten dar und fungiert somit als Schnittstelle zwischen den Referenz-prozessen Anforderungsmanagement und Produktstrukturierung.

Hierzu wird im Rahmen des Funktions- managements der komplette Prozess von der Überführung der Anforderungen über die Verknüpfung dieser mit der physischen Produkt-struktur, bis hin zum Controlling der Umset-zung der Funktionen abgebildet. Hierzu arbeitet das Funktionsmanagement nicht nur mit den Prozessen zusammen, zu denen es unmittelbar Schnittstellen besitzt, wie das Anforderungs-management und die Produktstrukturierung, sondern bietet darüber hinaus Schnittstellen zum Einzelprojektcontrolling und zum Personal-auswahlprozess.

4.6.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenIn Abbildung 4.24 ist der prinzipielle Ablauf des Funktionsmanagementprozesses dargestellt. Aufgrund des Schnittstellencharakters des Pro-zesses, ergeben sich in den Phasen »Wirkstruk-tur erstellen« und »Funktionscontrolling«, je nach Eingansdaten aus den jeweiligen anderen betroffenen Prozessen, Rückkopplungen zu

früheren Prozessphasen. Die Phase »Funktions-controlling« begleitet den Produktentwick-lungsprozess iterativ.

Anforderungen zu Funktionen überführenIn der initialen Phase des Referenzprozesses Funktionsmanagement erfolgt die Überführung der im Rahmen des Anforderungsmanagement-prozesses gesammelten Anforderungen in Funk-tionen. Das Vorgehen hierzu unterscheidet sich bei Weiter- bzw. Anpassungsentwicklungen deutlich vom Vorgehen bei der Entwicklung von Neuprodukten. Während bei der Entwicklung von Neuprodukten alle Anforderungen neu in Produktfunktionen überführt werden, ist bei der Weiter- bzw. Anpassungsentwicklung die beste-hende Zuordnung von Anforderungen zu Funk-tionen des Vorgängerproduktes ausschlagge-bend. Für Anforderungen, die nicht bereits über Funktionen abgedeckt sind, werden diese gege-benen Beziehungen um neue Funktionen erwei-tert. Im Falle neuer Funktionen für bereits beste-hende Anforderung-Funktion-Beziehungen wer-den diese mit der neuen Funktion aktualisiert.

Funktionsstruktur erstellenAusgehend von den in der vorangegangenen Phase abgeleiteten Funktionen, erfolgt die Erstellung der Funktionsstruktur. Wesentlich für das Vorgehen ist, wie zuvor bei der Über-führung von Anforderungen zu Funktionen, die Unterscheidung zwischen Weiter- bzw. Anpassungsentwicklung und Neuentwicklung. Während bei radikalen Neuentwicklungen lediglich die im Rahmen der Produktstrukturie-rung vorgegebenen Gestaltungsspielräume (z. B. vorgegebener Bauraum) eingehalten werden müssen, ist die Ausgangsbasis bei Weiter- und Anpassungsentwicklungen das bestehende Produkt. Dieses dient zur Formulie-rung einer Ausgangsfunktionsstruktur, die um neue Funktionen erweitert bzw. bei geänderten Funktionen oder Funktionsstrukturelementen aktualisiert wird.

Lösungen zu Funktionen findenNach der Erstellung der Funktionsstruktur gilt es, für die Funktionen der Struktur technische Lösungen zu erarbeiten. Der Referenzprozess unterstützt diese durch den Einsatz verschie-dener Ideengenerierungsmethoden (die Beschreibung dieser Methoden ist in Kapitel 4.4 Ideenmanagement enthalten). Abschließend

Abbildung 4.24 Phasen des

Referenzprozesses Funktionsmanagement

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4. Die Referenzprozesse

45Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 4.25Übersicht über den Referenzprozess Funktionsmanagement

werden die vielversprechendsten Ideen ausge-wählt. Falls im Rahmen des Ideenfindungspro-zesses technische Lösungen zur Realisierung der Funktionen entworfen werden, für deren Technologien kein bzw. geringes Know-How im Unternehmen vorhanden ist, wird durch die Möglichkeit der Einstellung von Experten oder einer kollaborativen Entwicklung der Funktions-realisierung untersucht und der Kontakt zum entsprechenden Referenzprozess Personalaus-wahl oder kollaborative Entwicklung aufgebaut.

Wirkstruktur erstellenIm Rahmen der Phase »Wirkstruktur erstellen« werden die zur Realisierung der Funktionen ausgewählten technischen Lösungen entspre-chend der Funktionsstruktur zu einer Wirkstruk-tur zusammengesetzt. Besonderer Fokus liegt hierbei auf dem Zusammenspiel der Lösungen und sich evtl. ergebenden Restriktionen bzgl. der Kombination von Funktionen. Liegt ein Kombinationskonflikt vor, erfolgt eine zwei-stufige Lösungssuche. In einem ersten Schritt werden die anderen, im Rahmen der Lösungs-suche entworfenen, Lösungskonzepte für die konfliktverursachenden Funktionen absteigend, entsprechend ihrer Bewertung, auf Konzept-tauglichkeit hin überprüft. Bleibt diese Alterna-tivensuche erfolglos, so wird im zweiten Schritt die Notwendigkeit der betroffenen Funktionen und der damit verbundenen Anforderungen für das Gesamtkonzept untersucht und auf eine Realisierung von evtl. nicht benötigten Funkti-onen bzw. Anforderungen verzichtet. Sollten alle Funktionen unentbehrlich sein, entscheidet die Geschäftsleitung über die Einstellung des entsprechenden Projektes.

FunktionscontrollingEbenso wie beim Referenzprozess für das Anfor-derungsmanagement erfolgt im Rahmen des Funktionsmanagements ein Controlling der projektplan-konformen Realisierung der Funk-tionen. Sollten durch das Projektcontrolling Abweichungen zum Planfortschritt signalisiert werden, wird im Rahmen eines Regelkreises der Grund für die Abweichung ermittelt. Bei Abweichungen, deren Ursache technologische Schwierigkeiten sind, kann bei vorhandenen Alternativlösungen und vertretbarem Aufwand die Alternative weiterverfolgt werden. Bei

kapazitiven sowie organisatorischen Problem-stellungen kann über die Referenzprozesse kollaborative Entwicklung und Personalauswahl eine Lösung herbeigeführt werden.

Ebenfalls erfolgt im Rahmen des Funktions-controllings die Reaktion auf geänderte oder neue Anforderungen. Hier wird entsprechend eine Umsetzung dieser Anwendungen über-prüft und das Ergebnis an den Referenzprozess Anforderungsmanagement zurückgespielt.

Der Referenzprozess Funktionsmanagement befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbildung 4.25 zeigt eine Vorschau der Prozessdokumentation.

4.6.3 Erläuterung der MethodenFunktionsbaukastenMit Hilfe des Funktionsbaukastens lässt sich die unternehmensweite Funktionsvarianz auf-decken und nutzen. Durch die Aufbereitung der Funktionsvarianten über die einzelnen Produkt-familien und die dazugehörigen Ausprägungen der jeweiligen Funktionen bietet der Baukasten Transparenz über die gesamte Anzahl vorhan-dener Funktionsvarianten und -ausprägungen im Unternehmen. Diese Darstellung ermöglicht so das Aufdecken »versteckter« Kommuna-lität im Unternehmen, d. h. Kommunalität, die durch eine gezielte Gleichgestaltung von Funktionen in Ausprägung und über Produkt-familien hinweg, erzielt werden kann. Ebenfalls kann durch die Realisierung dieser Kommunali-tät eine redundante Funktionsentwicklung und damit unnötiger Entwicklungsmehraufwand vermieden werden. Neben diesem Kommu-nalitätsgewinn ermöglicht die transparente Darstellung bei Weiterentwicklungen von Pro-dukten den Wissenstransfer über Produktfolgen hinweg und führt so ebenso zu einer schlanken und effektiven Produktentwicklung (Abbildung 4.26)34.

34 Lenders, M.: Komplexitätsreduktion durch Funktionsorientierung, 2008

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4. Die Referenzprozesse

46Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

FunktionsmodellierungZielsetzung der Funktionsmodellierung ist es, ausgewählte Eigenschaften eines Systems auf einem abstrakten Niveau darzustellen uns somit

die komplexe Struktur und das Verhalten eines technischen Systems abzubilden. Diese Metho-dik fördert das Verständnis für das System und erleichtert durch die Reduzierung der Komple-xität den Zugang zu Lösungsideen. Je nach Art der Aufgabe wird zwischen einer umsatzorien-tierten, relationsorientierten oder nutzerorien-tierten Funktionsmodellierung unterschieden:

Umsatzorientierte Funktionsmodellierung: Mit Hilfe dieser Art der Funktionsmodel-lierung sollen die verschiedenen Arten von Umsätzen in einem System dargestellt werden. Hierzu werden die Umsätze in die Klassen Energie-, Material- und Signal- umsatz unterteilt und ihre Relationen (einfach wirkend, rückwirkend, ungerichtet) dargestellt. Eine Funktion besteht hier aus Eingangs- und Ausgangszustand, Operation sowie Relationen zwischen Zuständen und Operationen.Relationsorientierte Funktionsmodellierung: Diese Modellierung stellt in erster Linie die Stärken und Schwächen eines Systems heraus und wird zur Analyse bestehender Systeme angewandt. Das resultierende relationale Funktionsmodell kann an- schließend zur Formulierung von Proble-men benutzt werden und stellt somit eine mögliche Eingangsinformation für Ideen-findungsmethoden wie zum Beispiel die TRIZ-Methodik dar.Nutzerorientierte Funktionsmodellierung: Die Abbildung von Anwendungsfällen er-möglicht bei der Vorfixierung auf bekannte Systeme die Darstellung der Interaktionen zwischen Nutzer und dem zu entwickelnden Produkt. Diese Art der Funktionsmodel-lierung dient in erster Linie zum Ableiten von Kundenanforderungen und wird im Referenzprozess nicht verwendet.

Neben den unterschiedlichen Formen der Modellierung von Funktionen können die ge-wonnen Funktionsstrukturen in unterschiedlicher Form visualisiert werden. In Abbildung 4.27 ist exemplarisch ein Funktionsbaum sowie ein Funktionsnetz für einen hypothetischen Anwen-dungsfall dargestellt.

35 Lindemann, U.: Methodische Entwicklung technischer Produkte, 200736 Pahl, G.; Beitz, W.: Konstruktionslehre, 2007

Abbildung 4.26 Funktionsbaukasten

Abbildung 4.27 Funktionsstrukturierung mit Funktionsbaum35

und Funktionsnetz36

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4. Die Referenzprozesse

47Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 4.28Spannungsfeld der Produktstrukturierung

RestriktionsanalyseMit Hilfe der Restriktionsanalyse lassen sich die Abhängigkeiten von Restriktionen untereinan-der darstellen und für die weitere Analyse nut-zen. Hierzu werden die technischen Lösungen die für die Realisierung der Funktionen abgleitet wurden durch ihre Restriktionen dargestellt. Diese Restriktionen und die Parameter, die diese beschreiben, werden in ihren Abhängigkeiten untereinander dargestellt und bewertet. Die hieraus resultierende Beschreibung des Produkts ist Basis für die Darstellung der Abhängigkeiten im Rahmen der parametrischen Konstruktion37.

4.7 Produktstrukturierung

4.7.1 Grundlegendes VerständnisBei der Umsetzung von erfolgreich vermarkt-baren Produkten kommt dem Bereich der Pro-duktstrukturierung eine besondere Bedeutung zu. So bestimmt die Produktstruktur nicht nur die physische Beschaffenheit eines Produktes, sie muss darüber hinaus auch den individuellen Zielsetzungen der Unternehmen und den ver-schiedensten Anforderungen der Märkte gerecht werden in denen diese Unternehmen agieren. Hierfür werden im Rahmen des Referenzprozes-ses neben den verschiedenen Ansätzen zur Pro-duktstrukturierung wie Modulbaukästen und Plattformstrategien auch die innerbetrieblichen Randbedingungen berücksichtigt, die das Span-nungsfeld in dem die Produktstrukturierung erfolgt mit beeinflussen. So erfordert eine effek-tive und kostengünstige Montage eine Produkt-struktur die eine möglichst auftragsneutrale Vormontierbarkeit ermöglicht und Varianten erst gegen Ende der Montagefolge entstehen lässt. Zum anderen fokussiert die Entwicklung und der Vertrieb die Produktstruktur vor allem unter dem Gesichtspunkt funktionsfähiger Produkte, die den Kundennutzen maximieren sollen (Abbil-dung 4.28 siehe oben).

Ausgangspunkt für die Produktstrukturie-rung ist dabei die in dem Referenzprozess Funk-tionsmanagement entwickelte Funktionsstruk-tur sowie die gewählten technischen Lösungen zur Realisierung der Funktionen. Eine ebenfalls relevante Informationsquelle ist das im Rahmen des Produktprogrammplanungsprozesses defi-nierte Produktprogramm. Aus diesem können

so zum Beispiel Informationen zu geplanten anderen Produkten, Produktplattformen oder zeitlich versetzt geplanten Produktvarianten entnommen werden, die direkt in die Gestal-tung der Produktstruktur einfließen.

Neben der Gestaltung der reinen Produkt-struktur, d. h. der Zusammenfassung von Funktionen zu Bauteilen, ist jedoch auch eine gezielte Gestaltung und das Management von Schnittstellen Bestandteil des Referenzprozes-ses zur Produktstrukturierung.

4.7.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenDer Referenzprozess zur Produktstrukturierung gliedert sich in die fünf Hauptprozessschritte »Bauraumanalysen«, »Funktionen zu Bauteilen zusammenfassen«, »Gestaltung von Schnittstel-len«, »Aufbau der Produktstruktur« und »Defi-nition der Konfigurationslogik«, die in Abbildung 4.29 (siehe nächste Seite) dargestellt sind und im Folgenden näher beschrieben werden.

BauraumanalysenDie erste Phase der Produktstrukturierung erfolgt bereits vor der Festlegung der eigentlichen Funktionsstruktur des Produkts durch das Funkti-onsmanagement. In dieser Phase wird durch die Produktstrukturierung der invariante Teil der Produktstruktur und damit der Funktions- struktur vorgegeben, der sich zum Beispiel auch

37 Eversheim, W.; Schuh, G.: Integrierte Produkt- und Prozessgestaltung, 2005

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4. Die Referenzprozesse

48Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

bei radikalen Neuenwicklungen aus einem gezielten Gleichteilemanagement über verschie-dene Produkte hinweg ergibt. Ebenfalls wird der durch die physischen Systemgrenzen des Produkts vorgegebene, vorhandene Bauraum analysiert und der Bauraum für einzelne Teilfunktionalitäten des Produkts grob vorgegeben. Diese Vorgabe ist im Rahmen des Funktionsmanagements sowohl beim Aufbau einer Funktionsstruktur als auch bei der Auswahl von technischen Lösungen für die Funktionen zu berücksichtigen.

Funktionen zu Bauteilen zusammenfassenDie wesentlichen Eingangsinformationen für die Produktstrukturierung stellen die im Rahmen des Funktionsmanagements entworfenen Funk- tionsstrukturen und die Beschreibung der ge- wählten technischen Lösungen sowie der im Vorfeld festgelegte invariante Teil der Produkt-struktur und die Ergebnisse der Bauraumanalyse dar. In einem ersten Schritt werden im Rahmen

der Gestaltung der Bauteile die sich aus den Wirkkonzepten ergebenden Kombinationsver- und -gebote der Funktionen untersucht. Die so gewonnen Informationen werden unmittelbar zur Gestaltung der Bauteile genutzt, in denen die Funktionen entweder in der Form einer inte-gralen Bauweise zusammengeführt werden oder differentiell auf verschiedene Bauteile verteilt werden. Falls Funktionen an mehreren Stellen Verwendung finden, aber beispielsweise geomet-rische Rahmenbedingungen unterschiedlich sind, wird jeweils eine Funktion differentiell in verschie-denen Bauteilen realisiert (Abbildung 4.30) .

Gestaltung von SchnittstellenNach der Gestaltung der Bauteile kann die Definition der Schnittstellen erfolgen. Die Aus-wahl der jeweiligen Schnittstelle wird maßgeb-lich von der gewählten Produktstrategie des Unternehmens und der Verwendung der über die Schnittstelle zu verbindenden Bauteile be- einflusst. So kann mittels einer neutralen, ein-heitlich gestalteten Schnittstelle zum Beispiel bei einer Modulbaukastenstrategie eine maximale Kombination der jeweiligen Module erfolgen. Aufgrund der aufwendigen Gestaltung von ein-heitlichen Schnittstellen können beispielsweise durch die Verwendung spezifischer Schnittstellen bei Engineer-to-Order-Unternehmen die Her-stellkosten durch eine einfachere Schnittstellen-gestaltung deutlich verringert werden. Neben der Gestaltung von neuen Schnittstellen erfolgt bei der Weiter- oder Anpassungsentwicklung von Produkten ebenfalls die Identifikation von vorhandenen Schnittstellen und eine Feststellung der Kompatibilität mit den neu definierten Bau-teilen. Im Falle eines Konflikts wird die entspre-chende Gestaltung angepasst (Abbildung 4.31).

Aufbau der ProduktstrukturIn der vierten Phase des Produktstrukturierungs-prozesses erfolgt der Aufbau und die Detaillie-rung der Produktstruktur. Hierzu werden die Bauteile und Baugruppen entsprechend der definierten Schnittstellen, Funktions- und Wirk-strukturen zur Produktstruktur zusammengefügt. Im nächsten Schritt erfolgt die Detaillierung der Baugruppen bis auf Komponentenebene.

Definition der KonfigurationslogikFür modular aufgebaute Produkte schließt der Produktstrukturierungsprozess mit dem Aufbau

Abbildung 4.29 Phasen des Referenzpro-

zesses Produktstrukturierung

Abbildung 4.30Differential- und

Integralbauweise38

38 Rapp, T.: Produktstrukturierung, 1999

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4. Die Referenzprozesse

49Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Abbildung 4.31 Gestaltung von Schnittstellen

Abbildung 4.32Übersicht über den Referenzprozess Produktstrukturierung

Abbildung 4.33Optimierung der Produktstruktur durch Einsatz eines Variantenbaums39

der Konfigurationslogik. Hierzu werden die definierten Module in die Klassen Grund-, Anpass- und Sonderbausteine unterschieden. Während die Grundbausteine die Struktur des Basisprodukts definieren, lassen sich mittels Anpassbausteinen Ausbaustufen des Basis-produktes generieren. Diese können sowohl als Add-On zum Basismodul zum Einsatz kommen, als auch Grundbausteine, z. B. im Sinne einer funktionalen Aufwertung oder Anpassung, ersetzen. Sonderbausteine stellen kundenindividuelle Bausteine dar, die in den Baukasten aufgenommen wurden.

Der Referenzprozess Produktstrukturierung befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbildung 4.32 zeigt eine Vorschau der Prozessdokumen-tation.

4.7.3 Erläuterung der MethodenVariantenbaumMit Hilfe des Variantenbaums lässt sich der Entstehungszeitpunkt von Produktvarianten über der Montagefolge aufzeigen. Um eine maximale Nutzung von Skaleneffekten zu ermöglichen, sollte der Variantenentstehungs-punkt soweit wie möglich an das Ende des Montageprozesses verschoben werden. Durch den Variantenbaum lassen sich so verschiedene Gestaltungsansätze der Produktstruktur simu-lativ vergleichen (Abbildung 4.33)39.

Funktions- & ModulbaukastenDer Funktions- und Modulbaukasten unter-stützt die Überführung von Funktionen und ihren technischen Lösungen zu Bauteilen und Baugruppen. Durch die unternehmensweite Analyse der verwendeten Funktionen und ihrer Varianten kann bei der Gestaltung der Bauteile und Baugruppen eine maximale Kommunalität über das gesamte Produktprogramm erzielt werden. Hierbei kann die Struktur des Baukas-tens in drei Dimensionen gezielt gestaltet wer-den. Der Grad der Modulvarianz (Baukasten-tiefe) kann durch eine integrale oder differen-tielle Umsetzung der Funktionsausprägungen beeinflusst werden. Ebenso lassen sich durch integrale bzw. differentielle Gestaltungen der Umsetzung von Funktionen in Bauteile die Baukastenhöhe und Baukastenbreite bestim-men (Abbildung 4.34)40.

39 Schuh, G.: Produktkomplexität managen, 2005

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4. Die Referenzprozesse

50Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

derer Fokussierung von Produktplattformen und -varianten. Aufbauend auf der F&E-Strategie werden Projektideen hinsichtlich ihrer Poten-ziale bewertet, ausgewählt und ein Produkt-programmplan aufgebaut. Mögliche Projekt-ideen entstammen dem Ideenmanagement. Als Bewertungskriterien liegen dabei markt-, technologie-, potenzial-, risiko-, programm- und wirtschaftlichkeitsorientierte Kriterien zu-grunde. Ergebnis ist eine strukturierte Darstel-lung aller laufenden und zukünftigen Techno-logie-, Vorentwicklungs-, Plattform- und Appli-kationsprojekte in Form eines Entwicklungs-programmplans, der sich aus dem Produkt-programmplan ableitet und die Basis für eine schnelle Steuerung bei Abweichungen und eintretenden Veränderungen bietet.

4.8.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenDer Prozess der Produktprogrammplanung ist in drei Phasen strukturiert, wie Abbildung 4.35 verdeutlicht.

Ideendetaillierung und -aggregationIn der Phase der Ideendetaillierung und -aggre-gation werden zusätzlich zu den bereits aus-gewählten Produktideen weitere Markt- und Technologieinformationen akquiriert mit dem Ziel, Produktkonzepte zu entwickeln. Folgende Schritte sind hierfür vorgesehen:

Akquistition produktideenbezogener InformationenKonkretisierung der ProduktanforderungenAbleitung von ProduktmerkmalenSammlung und Generierung von DetaillösungenAufstellung von Produktkonzepten

Die Akquisition der produktideenbezogenen Informationen bezieht sich auf das Sammeln und Strukturieren von planungsrelevanten Informationen zu einem frühen Zeitpunkt in der Phase der Ideendetaillierung und -aggregation. Parallel hierzu lassen sich die Anforderungen an das Produkt zunehmend mit Hilfe von Metho-den wie der primären und sekundären Markt-forschung und dem Kano-Modell konkretisie-ren. Die aus dem Kano-Modell entstandenen gewichteten Kundenanforderungskataloge werden anschließend genutzt um im dritten Schritt technische Produktmerkmale abzuleiten. Zu jeder Kundenanforderung muss mindestens

40 Schuh, G.: Produktkomplexität managen, 2005

4.8 Produktprogrammplanung

4.8.1 Grundlegendes VerständnisZiel des Referenzprozesses Produktprogramm-planung ist der Aufbau und die Steuerung von Produktprogrammen insbesondere unter beson-

Abbildung 4.34 Gestaltung der

Baukastendimensionen

Abbildung 4.35 Phasen der Produktprogrammplanung

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Kapi50 50 23.06.2008 11:54:26

4. Die Referenzprozesse

51Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

ein Produktmerkmal gefunden werden. Um bei der späteren Aufstellung der Produktkonzepte eine Priorisierung der Produktmerkmale vorneh-men zu können, müssen die Produktmerkmale zuerst gewichtet werden. Anschließend werden technische Problemstellungen, die sich aus den gewichteten Produktmerkmalen ergeben, defi-niert und entsprechende Detaillösungen gesam-melt und generiert. Zum Einsatz kommen hier-bei Methoden wie Bionik oder TRIZ. Die Lösun-gen zu den technischen Problemstellungen wer-den im letzten Schritt zu Produktkonzepten zusammengeführt. Hierbei wird als Hilfsmittel häufig der Morphologische Kasten eingesetzt. Das Ergebnis der Phase der Ideendetaillierung und -aggregation sind einzelne Konzeptvarian-ten zu den Produktideen. Teilweise können für diese Konzeptvarianten bereits erste virtuelle Prototypen durch Simulationstools validiert wer-den. Die Risiken von Innovationsvorhaben las-sen sich deutlich reduzieren, indem die relevan-ten Marktinformationen bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt eingeholt und die technolo-gische Realisierung überprüft wird41. Vor diesem Hintergrund gilt es in dieser Phase, Produkt-ideen 2. Ordnung (vgl. Ideenmanagement Kap. 4.4, S. 35) zu vertiefen und dafür entspre-chende Lösungskonzepte zu entwickeln, die im Vorfeld als zukunftsträchtig bewertet worden sind42. Zur methodischen Unterstützung der Ideendetaillierung existieren verschiedene Methoden und Hilfsmittel, die in den einzelnen Planungsschritten herangezogen werden kön-nen. Für die Detaillierung der Produktideen 2. Ordnung werden zunächst planungsrele-vante Informationen gesammelt. Es beginnt mit einer an den Perspektiven des Marktes und der Technologie orientierten Suche. Zur Ermitt-lung der Kundenanforderungen wurde bereits innerhalb des Referenzprozesses Ideenmanage-ment sekundäre Marktforschung betrieben (vgl. Ideenmanagement Kap. 4.4, S. 35). Darauf aufbauend werden in der Phase der Ideende-taillierung und -aggregation des Produktpro-grammplanungsprozesses auch Methoden der primären Marktforschung angewandt, um Ergebnisse der Sekundärforschung zu verifizieren oder in der Sekundärforschung bisher nicht verfügbare Daten zu generieren.

41 Geschka, H.: Innovationsmanagement, 198642 Brandenburg, F.: Methodik zur Planung technologischer Innovationen, 200243 Churchill, G.: Marketing Research. Methodological Foundations, 1995

Im Unterschied zur primären Markforschung, bei der die Erkenntnisse aus der erstmaligen und direkten Untersuchung von Marktteilneh-mern gewonnen wird, werden bei der sekun-dären Marktforschung die Erkenntnisse aus bereits erhobenen Daten oder aus der Aus-wertung von bereits durchgeführten Marktfor-schungen gewonnen43.

KonzeptbewertungIn dieser Phase werden die in der vorherigen Phase erarbeiteten Produktkonzepte quantita-tiv bewertet. Dazu werden die Kriterien aus der Ideenbewertung erneut zur Bewertung der nun ausgereiften Produktideen herangezogen sowie mit den verifizierten Informationen aus der Ideendetaillierung vervollständigt. Die ausfor-mulierten und detaillierten Produktinnovations-ideen sind darüber hinaus hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit zu bewerten. Die Konzeptbewertung unterteilt sich in drei Schritte:

Bewertung der AnforderungserfüllungBestimmung der technischen MachbarkeitWirtschaftlichkeitsbetrachtung

Im ersten Schritt gilt es zu beurteilen, inwieweit ein Produktkonzept geeignet ist, die konkretisierten Kundenanforderungen zu erfüllen. In diesem Schritt werden daher die Produktkonzepte aus der Phase der Ideendetail-lierung und -aggregation auf ihre Korrelation mit den aufgenommenen Kundenwünschen überprüft. In dem darauffolgenden Schritt wird die technische Machbarkeit des Produkt-konzeptes untersucht. Hierfür werden derzeit immer häufiger Rapid Prototyping-Verfahren eingesetzt. Über die fertigungstechnische Rea-lisierbarkeit hinaus spielen hierbei marktorien-tierte Aspekte wie Kundennutzen, Markt- und Differenzierungspotenzial sowie Kompatibilität zum Stammgeschäft, Entwicklungszeit und Entwicklungskosten eine Rolle. Methoden, welche die marktorientierte, strategische Tech-nologieplanung unterstützen, sind der Techno-logiekalender und F&E-Strategie Portfolios, die in einer Übersicht in Abbildung 4.36 dargestellt sind. Der erste Schritt zur Bestimmung des technologischen und wirtschaftlichen Potenzials

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Kapi51 51 23.06.2008 11:54:26

4. Die Referenzprozesse

52Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

mit Hilfe von F&E-Strategie-Portfolios besteht in der Auswahl der Bewertungskriterien. Nach der Definition der Bewertungskriterien werden diese einem Paarweisen Vergleich unterzogen, um die Kriterien relativ zueinander zu gewich-ten. Anschließend erfolgt die Bewertung der Erfüllungsgrade der Produktkonzepte bezüglich der einzelnen Kriterien.

Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung schließt als letzter Schritt die Phase der Konzeptbewer-tung ab. Die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit kann, wie in Abbildung 4.37 zu sehen, nach statischen oder dynamischen Verfahren erfolgen.

Nach Abschluss der Phase der Konzept- bewertung sind ausschließlich Produktkonzepte verblieben, deren technisches und wirtschaft-liches Potenzial bestätigt ist. In der Phase der Konzeptbewertung werden die in der Ideende-taillierung zusätzlich gewonnenen Informati-onen zur Konkretisierung der Produktkonzepte herangezogen. Als Eingangsinformationen für die Durchführung dieser Phase werden neben den Resultaten aus der vorherigen Ideendetail-lierung insbesondere die Innovationsstrategie und die innovationsbezogenen Ziele aus der Zukunftsanalyse herangezogen. Ergebnis dieser Phase sind ausgewählte Konzepte, die sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hin- sicht optimal auf die Unternehmensstrategie zugeschnitten sind und die gesetzten Unter-nehmensziele umzusetzen vermögen. Durch den an dieser Stelle der Produktprogramm-planung vorliegenden Informationsreifegrad können im Gegensatz zur Phase der Ideen- bewertung im Ideenmanagement (vgl. Ideen-management Kap. 4.4, S.35) andere, genauere Bewertungsmethoden eingesetzt werden, die dementsprechend auch detailliertere Aus- sagen generieren44.

Festlegung ProduktprogrammDas Ziel der Phase Festlegung Produktprogramm besteht in der systematischen Darstellung spezifischer Unternehmensaktivitäten für die ausgearbeiteten Produktideen und -konzepte unter Anwendung der Produktroadmap. Die grafische Darstellung der Einzelergebnisse der vorausgegangenen Phasen erfolgt mit Hilfe der Produktroadmap, mit der die Prognosen der Markt- und Technologieentwicklung der Pro-duktprogrammplanung abgleichend gegenüber gestellt werden. Mit der Produktroadmap steht dem Anwender ein Hilfsmittel zur Visualisie-rung zur Verfügung, mit dem in verständlicher Weise eine systematische, nachvollziehbare und unternehmensindividuelle Gegenüberstellung von marktseitigen Anforderungen bzw. Poten-zialen und den dazu passenden Produktideen bzw. technologischen Innovationspotenzialen über einen mittel- bis langfristigen Zeitverlauf dargestellt werden kann44. Ein wesentliches Ziel der Anwendung der Produktroadmap besteht darin, unternehmensweite Produktinnovations- aktivitäten abzuleiten bzw. zeitlich zu syn-

Abbildung 4.36 F&E-Strategie-Portfolios

Abbildung 4.37 Übersicht statischer und dynamischer

Wirtschaftlichkeitsrechenverfahren

44 Brandenburg, F.: Methodik zur Planung technologischer Innovationen, 2002

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4. Die Referenzprozesse

53Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

chronisieren. Dazu werden die Positionen und beschriebenen Merkmale der Markt- und Tech-nologieeinordnungen genutzt. Bei der Ausar-beitung der Produktroadmap werden folgende Schritte durchlaufen:

Einordnung der Zukunftsprojektionen und InnovationsaufgabenVerknüpfung der marktseitigen mit den technologiebezogenen InnovationsaufgabenAbleitung unternehmensspezifischer Umsetzungsaktivitäten

Die Produktroadmap wird durch die drei Achsen Markt, Produkttechnologie und Zeit aufgespannt. Im ersten Schritt werden die Er-kenntnisse und Ergebnisse aus den vorherigen Phasen in die jeweiligen Bereiche der Produkt-roadmap eingetragen. Im darauf folgenden Schritt werden die Ideen und Potenziale des Technologiebereichs innerhalb der Produkt- roadmap bezüglich Technologie und Zeit spezifiziert. Eine Priorisierung der einzelnen Produktideen bezüglich ihrer zeitlichen Einord-nung erfolgt anhand der Kriterien Umsetzen, Prüfen und Wiedervorlage. Des Weiteren wird nach der Art der Aktivität zwischen Markt- und Technologiebezug unterschieden. Nachdem sämtliche Informationen und Ergebnisse der vorangegangenen Phasen in die Produktroad-map eingetragen worden sind, erfolgt im drit-ten Schritt die Ableitung der unternehmensspe-zifischen Umsetzungsaktivitäten. Anhand der Ergebnisdarstellung mit der Produktroadmap können folgende strategische und operative Entscheidungen getroffen werden44:

Soll ein ausgewähltes Produktkonzept als unternehmensinterner oder -externer Ent-wicklungsauftrag realisiert werden?Ist die technische Realisierung Erfolg ver-sprechender Produktideen durch Funktions-muster oder Prototypen zu unterstützen?Im Falle einer aufwendigen Produktentwick-lung: Soll eine Entwicklungskooperation mit Zulieferfirmen initiiert werden?Sind Innovationspotenziale oder Produkt-ideen identifiziert, können konkrete Markt-studien in Auftrag gegeben werden.Zur Ausarbeitung offensichtlich fehlender Problem bzw. Lösungsideen sollen Ideen-findungs- und -detaillierungsworkshops initiiert werden.

Abbildung 4.38Systematische Darstellung der Produktprogramm- planung

44 Brandenburg, F.: Methodik zur Planung technologischer Innovationen, 200245 Eversheim, W.: Innovationsmanagement, 2002

Frühzeitige Entscheidungen bezüglich der MarkteinführungsstrategieEntscheidung über Art und Umfang von Patentanalysen bei Produktkonzepten mit hohem Innovationspotenzial.Entscheidung über den Aufbau neuer Geschäftsfelder für Produktkonzepte mit hohem Innovationspotenzial. Für Produktideen bzw. -konzepte oder In-novationspotenziale, die bei der Bewertung mit »Wiedervorlage« eingestuft wurden, sind Verantwortliche zu benennen, die das Monitoring nachhaltig betreuen.

Zur Durchführung der drei Planungsschritte werden neben dem Instrument der Roadmap keine weiteren Methoden benötigt. Im letzen der drei Planungsschritte (Ableitung unter-nehmensspezifischer Umsetzungsaktivitäten) werden alle im Ablauf der Produktroadmap-Methodik gesammelten Informationen in eine Roadmap eingetragen, die auf diese Weise zur Produktroadmap wird45.

Der Referenzprozess Produktprogramm- planung befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbildung 4.38 zeigt eine Vorschau der Prozessdokumen-tation.

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4. Die Referenzprozesse

54Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

4.8.3 Erläuterung der MethodenKano-ModellDas Kano-Modell analysiert Kundenwünsche und stellt den Zusammenhang zwischen dem Erfüllungsgrad von Produktmerkmalen und der Kundenzufriedenheit dar. Je nach Klasse des Produktmerkmals besteht ein anderer Zusam-menhang zu der Kundenzufriedenheit. Die Merkmale werden in die drei Klassen Basis-, Leistungs- und Beigeisterungsfaktoren unter-teilt. Mit Hilfe des Kano-Modells lassen sich Kundenwünsche und Produktmerkmale nach ihrer kundenseitigen Relevanz priorisieren. Zu beachten ist, dass sich die Beigeisterungsmerk-male mit der Zeit zu Grundmerkmalen umwan-deln. Abbildung 4.39 stellt die Kundenzufrie-denheit in Abhängigkeit des Erfüllungsgrades der drei Gruppen von Kundenwünschen dar46.

Die Erfüllung der Basismerkmale wird vom Kunden vorausgesetzt und die Nichterfüllung wird negativ wahrgenommen. Die Grundmerk-male sind für den Kunden bereits so selbstver-ständlich, dass er sie unter Umständen gar nicht erwähnt. Die Leistungsmerkmale werden vom Kunden zum Vergleich mit anderen Produkten herangezogen. Hier gilt je mehr Leistungsmerk-male, desto hochwertiger wird das Produkt wahrgenommen. Die Begeisterungsmerkmale sind Merkmale, die der Kunde teils gar nicht erwartet, sie aber als sehr positiv wahrnimmt.

Im Vergleich zu den Leistungsmerkmalen kann bei den Begeisterungsmerkmalen bereits mit geringem Aufwand ein großer Effekt auf die Kundenzufriedenheit erzielt werden und somit ein Wettbewerbsvorteil geschaffen werden.

Dynamisches QFDQuality Function Deployment (QFD) ist eine Methode, um mit möglichst geringem Aufwand einen maximalen Kundennutzen zu gewähr-leisten. Diese komplexe Arbeit erfolgt meistens im Team, in denen alle Unternehmensbereiche, die mit diesem Produkt in Verbindung stehen, vertreten sind. Kundenanforderungen sind möglichst lösungsneutral gehalten und die Schwierigkeit besteht nun darin, diese allge-mein formulierten Anforderungen in konkrete Ausprägungen des Produktes zu transformie-ren. Durch diese konkrete Übersetzung werden die Marktchancen des Produktes wesentlich erhöht, da dieses nun einen optimalen Kom-promiss zwischen Herstellkosten und Kunden-wunsch darstellt46.

ProSerFProSerF (Produkt- und Servicekonzeptfindung) greift auf eine Stärke der QFD–Methode, nämlich die konsequente und kontinuierliche Kundenorientierung, zurück. ProSerF geht dabei jedoch weiter, indem mit Hilfe der Conjoint – Analyse eine Verknüpfung zwischen Absatz- und Kostenseite hergestellt wird. Ergänzend werden rechtliche und kreislaufwirtschaftliche Rahmenbedingungen berücksichtigt. Auf diese Weise ist ein Produkt-Servicekonzept entwickel-bar, das den Anforderungen des gesamten Produktlebenszyklus und damit auch einer umweltorientierten Unternehmensführung gerecht wird. Die Methode wurde im Sonder-forschungsbereich 361 der RWTH Aachen entwickelt47.

ProSerF besteht aus zwölf Schritten, wie die folgende Abbildung 4.40 zeigt.

Angestoßen wird dieser Prozess durch eine Produktidee, die im Rahmen des Referenzpro-zesses Ideenmanagement generiert wurde, und aus einer Anzahl weiterer Ideen ausge-wählt wurde. Bei dieser Auswahl der Ideen erfolgt eine Beurteilung anhand der Unterneh-menspotenziale sowie der Konkurrenz- und

Abbildung 4.39 Kano-Modell

46 Lindemann, U.: Methodische Entwicklung technischer Produkte, 200747 Eversheim, W.; Schuh, G.: Integrierte Produkt- und Prozessgestaltung, 2005

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4. Die Referenzprozesse

55Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Marktsituation. Integriert ist eine kontinuier-liche Einkopplung der Analyseergebnisse eines Frühinformationssystems, das sowohl techno-logische als auch marktseitige Entwicklungen ermittelt. Hierdurch wird eine direkte Reaktion im Entwicklungsprozess auf Umweltverände-rungen ermöglicht.

Vor Beginn des ersten ProSerF-Schritts wird zweckmäßigerweise ein interdisziplinäres Planungsteam gebildet, welches die einzelnen Prozessschritte bearbeitet47.

BewertungsverfahrenIm Allgemeinen haben Bewertungsverfahren die Aufgabe, eine bevorstehende Entscheidung vorzubereiten und zu erleichtern. Mit einer stringent systematischen Vorgehensweise beugt man eventuellen Fehlentscheidungen vor. Die Systematik ist hier von entscheidender Bedeutung. Zunächst muss grundsätzlich fest-gelegt werden, nach welchen Kriterien be- wertet werden soll. Um die Alternativen sinnvoll vergleichen zu können, müssen diese zum einen alle in einem einheitlichen Detaillie-rungsgrad vorliegen und zum anderen die Kriterien in eine Rangfolge gebracht werden. Dies geschieht mit einer Gewichtung der Kriterien, die auch eventuelle Abhängigkeiten der Kriterien berücksichtigt.

Grundvoraussetzung ist jedoch, dass alle Ausprägungen der Alternativen der definierten Kriterien bekannt sind. Ist dies nicht der Fall, müssen diese vor jeder Bewertung analytisch bestimmt werden, da ansonsten die Daten für eine Bewertung fehlen.

Die erfolgten Einzelbewertungen in den je-weiligen Kriterien werden abschließend zu einer Gesamtbewertung zusammengefasst.

Verbreitete Bewertungsverfahren sind unter anderem der paarweise Vergleich, die Punktbe-wertung sowie die Nutzwertanalyse48.

BenchmarkingDer Grundgedanke des Benchmarking ist das Suchen nach dem bestmöglichen Ergebnis. Der Suchprozess ist überwiegend durch Vergleiche mit anderen gekennzeichnet, um somit Anre-gungen für Verbesserungen zu erhalten und diese dann auf sein Unternehmen zu projizie-ren. Am sinnvollsten ist ein solcher Vergleich natürlich mit einem Unternehmen, welches

Abbildung 4.40 Methode ProSerF47

48 Lindemann, U.: Methodische Entwicklung technischer Produkte, 2007

wesentlich erfolgreicher in der Branche agiert. Dieser Vergleich ist natürlich in allen Unterneh-menssparten möglich48.

Conjoint-AnalyseDie Conjoint-Analyse dient dazu, die Akzep-tanz eines Produktes und seiner Funktionen beim Kunden einschätzen zu können. Bei der Durchführung wird unterstellt, dass sich der Gesamtnutzen eines Produktes additiv aus den Nutzen der einzelnen Produktkomponenten zu-sammensetzt. Zunächst werden alle wichtigen Produktmerkmale und deren mögliche Ausprä-gungen ermittelt. Durch Kombination unter-schiedlicher Ausprägungen der verschiedenen Merkmale werden mehrere Konzepte erzeugt, die dem potentiellen Kunden zur Bewertung vorgestellt werden. Dieser ordnet die Konzepte nach seinen Präferenzen. Die Anzahl der Pro-duktmerkmale muss sorgfältig geplant sein, so dass mathematisch aus der angegebenen

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4. Die Referenzprozesse

56Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Rangfolge der Konzepte die zugrundeliegende Bewertung der einzelnen Merkmalsausprägun-gen ermittelt werden kann49.

MultifaktorenanalyseZiel der Multifaktorenanalyse ist das Auswählen der besten Alternative aus einem zur Verfü-gung gestellten Pool von Alternativen. Diese Methode berücksichtigt nicht nur monetäre Konsequenzen, sondern auch Nutzenaspekte. Zu Beginn definiert man Bewertungskriterien, die anschließend mittels Gewichtung in eine Rangfolge gebracht werden. Weiterhin müssen die Zielsetzungen, die man erreichen möchte klar abgesteckt sein. Aus dem Pool der gege-benen Alternativen werden nun Alternativen selektiert, welche die Zielvorgaben bestmöglich erfüllen können. Diese werden einer Nutzwert-analyse unterzogen, wo mittels Zielerreichungs-faktoren in den einzelnen Bewertungskriterien Teilnutzwerte ermittelt werden, woraus dann für die einzelnen alternativen Gesamtnutz-werte errechnet werden. Auf Grundlage der Gesamtnutzwerte wird nun eine Rangfolge der Alternativen gebildet.

NutzwertanalyseBei diesem Verfahren muss zunächst ein System von Kriterien erstellt werden, die den Nutzen entscheidend beeinflussen. Diese Fak-toren sind objektiv oder subjektiv zu bewerten. Den einzelnen Kriterien liegen entsprechende

Gewichtung zugrunde, die den zu erwartenden Gesamtnutzen nach vorgegebener mathema-tischer Verknüpfung beschreiben sollen. Inner-halb des Verfahrens ist eine Quantifizierung anhand einer Bewertungsskala von qualitativen Bewertungen notwendig. Probleme systema-tischer Fehleinschätzungen sollten jedoch berücksichtigt und dementsprechend Vorkeh-rungen (z. B. getrennte Schätzung von Projekt-teilen) getroffen werden, so dass von Ebene zu Ebene eine Fehlererkennung und -kompensa-tion möglich ist49.

TechnologiekalenderDer Technologiekalender ist ein Planungsin-strument zur optimierten Auswahl zukünftiger Produkt- und Produktionstechnologien. Über eine Zeitachse werden geplante Produktions-starts mit der Ausreifung von Produktions-technologien in Zusammenhang gebracht. So lassen sich kostengünstigere Produktions-alternativen planen, die die alte Technologie ablösen. Der Technologiekalender dient auch dazu Produktstarts zu planen, deren Produk-tion erst durch die fortschreitende Entwicklung von Technologien ermöglicht wird. So kann sichergestellt werden, dass die Produkte zu jedem Zeitpunkt sowohl günstig als auch auf technologisch aktuellem Stand produziert werden50.

F&E-PortfoliosBei den F&E-Portfolios handelt es sich um eine strukturierte Visualisierung zur Bewertung von Konzepten. Durch diese Methode kann die marktorientierte, strategische Technologiepla-nung unterstützt werden. Bei der Erstellung von F&E-Portfolios müssen zuerst Bewertungskrite-rien festgelegt und werden. Nach Identifikation einzelner Bewertungskriterien, werden diese mit Hilfe eines Paarweisen Vergleichs relativ zu einander gewichtet. Anschließend erfolgt die Bewertung bezüglich des Erfüllungsgrades der Konzepte hinsichtlich der zuvor definierten Kriterien. Anhand dieser Bewertungsergebnisse wird das jeweilige Konzept schließlich in das Portfolio übertragen. In Abbildung 4.41 ist ein Portfolio bezüglich Risiko und Attraktivität abgebildet51.

Abbildung 4.41Portfolio bezüglich Risiko

und Attraktivität

49 Eversheim, W.: Innovationsmanagement, 200250 Schuh, G.: Produktionsmanagement - Skript zur Vorlesung, 200851 Schuh, G.: Chief Innovation Manager - F&E Strategie Vortrag, 2008

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4. Die Referenzprozesse

57Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

SzenariotechnikBei der Szenariotechnik handelt es sich um eine analytische Methode zur Generierung poten-tieller Zukunftsszenarien52. Die Szenarienent-wicklung basiert dabei auf einer vorhergehenden Modellbildung. Um eine möglichst hohe Prä-zision der Szenarien zu gewährleisten und die zu betrachtende Komplexität zu begrenzen wird jeweils auf ein spezielles Themengebiet fokus-siert. Abbildung 4.42 stellt die einzelnen Schritte der Szenariotechnik explizit dar.

Nach Festlegung des Untersuchungsfeldes wird dieses im Rahmen der Analyse der Ist-Situ-ation eingehend betrachtet. Auf diesem Wege werden die Grundlagen zum Verständnis der Wirkzusammenhänge hergestellt. Basierend auf diesem Verständnis erfolgt eine Modell- bildung des Untersuchungsfeldes, so dass dessen Verhalten in funktionaler Abhängigkeit einiger wichtiger Einflussfaktoren dargestellt werden kann. Ein solches Modell könnte bei-spielsweise die Entwicklung des Marktanteils von Hybrid-Fahrzeugen am weltweiten Auto-mobilmarkt in Abhängigkeit des Erdölpreises und der Intensität einer öffentlichen Umwelt-schutzdebatte darstellen.

Zur Generierung der Szenarien werden Prognosen der zukünftigen Entwicklung der Einflussfaktoren erstellt. Diese dienen dann als Eingangsgröße des erzeugten Modells des Untersuchungsfeldes und können damit in Zukunftsbilder transformiert werden. Wichtiges Merkmal der Prognosen der Einflussfaktoren ist hierbei die Konsistenz der Annahmen unterein-ander, da nur in sich stimmige Prognosen ein plausibles Zukunftsszenario ermöglichen. Durch alternative Prognosen der Einflussfaktoren können alternative Szenarien erzeugt werden, die zusammen den möglichen Zukunftsraum darstellen. Mit steigender Ungewissheit, bei-spielsweise durch einen längerfristigeren Pro-gnosehorizont, wächst dieser Zukunftsraum und verliert an Fokussierung53.

Abbildung 4.42Schritte der Szenariotechnik

52 Geschka, H.: Innovationsmanagement, 198653 Lindemann, U.: Methodische Entwicklung technischer Produkte, 200554 Brandenburg, F.: Methodik zur Planung technologischer Innovationen, 2002

Abbildung 4.43Struktur der Produktroadmap54

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4. Die Referenzprozesse

58Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

ProduktroadmapBei der Produktroadmap handelt es sich um eine Methode zur Planung zukünftiger Inno-vationen und Synchronisation mit der Markt-entwicklung. Sie wird durch die Achsen Markt, Technologie und Zeit aufgespannt, wodurch die Teilbereiche Markt- und Technologiebereich entstehen. Letzterer ist in zwei Abschnitte unterteilt. In seinem oberen Bereich werden die Produktkonzepte eingeordnet, im unteren die Detaillösungen. Bevor eine Einordnung stattfin-det, werden die abgeleiteten Zukunftsszenarien und Innovationsaufgaben sowie die entwickel-ten Produktkonzepte und zu den Konzepten gehörenden Detaillösungen entsprechend ihrer Umsetzbarkeit chronologisch strukturiert.

Der hier vorgestellte Prozess zur Produkt-programmplanung zeichnet sich durch eine hohe Zielorientierung aus. Er fördert die Gene-rierung qualitativ hochwertiger Ideen und er-laubt, künftige Kunden- und Marktanforderun-gen früh zu erkennen. Am Ende der Produkt-programmplanung liegen bei der erfolgreichen Anwendung der Produktportfolio-Methodik

Produktkonzepte vor, deren weitere Ausarbei- tung zu einem marktreifen Produkt hohe tech-nische und wirtschaftliche Erfolgspotenziale verspricht.

4.9 Änderungsmanagement

4.9.1 Grundlegendes VerständnisBasis für den Referenzprozess Änderungsma-nagement stellt eine Typologisierung von Ände-rungen dar. Gegenüber dem Stand der Technik, in dem Änderungen häufig über grundsätzlich einheitliche Workflows abgebildet werden, ste-hen beim Referenzprozess Änderungsmanage-ment änderungsspezifische Standardabläufe im Vordergrund. Die Bewertung von Änderungen erfolgt, wenn erforderlich, abteilungsübergrei-fend. Auf Basis dieser Bewertung werden die Änderungen zu Beginn typologisiert, um dann einen für die individuelle Änderung passenden Workflow zu starten. Die Abläufe des Ände-rungsmanagements werden in die Abläufe des Projektcontrollings integriert.

4.9.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenDie Grundstruktur des Referenzprozesses Än-derungsmanagement besteht aus den Phasen Änderungsplanung und -durchführung (siehe Abbildung 4.44).

ÄnderungsplanungDer Beginn der Änderungsplanung und damit auch der Start des Änderungsprozesses ist die Feststellung eines Änderungsbedarfes. Für die weitere Bearbeitung der Änderung ist die Klas-sifizierung der Änderung entscheidend. Mit Hilfe der Klassifizierung lassen sich Änderungen vom Änderungsgremium standardisierten Pro-zessen zuordnen und damit schneller und kos-tengünstiger bearbeiten. Anhand der Typologie-merkmale Ursache, Gegenstand, mitwirkende Rollen und Lebenszyklusphase wird eine Pro-dukt- oder Prozessänderung, wie in Abbildung 4.45 dargestellt, klassifiziert.

Da die Änderungen vor der Bearbeitung – wenn möglich – gebündelt werden sollten, ist die Erstellung einer Rangfolge für Änderungen wichtig55. Die Rangfolge der Änderungen resul-tiert aus der Bewertung der drei Parameter Nachhaltigkeit, Realisierbarkeit und Dringlich-

Abbildung 4.44 Phasen des

Änderungsmanagements

55 Lindemann, U.; Reichwald, R.: Integriertes Änderungsmanagement, 1998

Abbildung 4.45 Klassifizierung

von Änderungen

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Kapi58 58 23.06.2008 11:54:30

4. Die Referenzprozesse

59Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

keit für jede Änderung. Die Bewertung der Änderungen erfolgt bei produktentwicklungs-internen Änderungen durch die Produktent-wicklung selber, ansonsten ist dafür das Ände-rungsgremium zuständig. Im Punkt Nachhaltig-keit wird der Lebenszyklusnutzen für den Kun-den und der Nutzen für das Unternehmen be-wertet, darunter fällt auch die Wiederverwend-barkeit der Änderung im Produktprogramm und über den Lebenszyklus. Die Methoden, die zur Bewertung der Nachhaltigkeit dienen, sind das Kano-Modell, Design-to-Value und Target Pricing. Im Parameter Realisierbarkeit werden sämtliche Kosten der Änderung bewertet. Dies betrifft sowohl die Aufwendungen innerhalb der Produktentwicklung als auch im Bereich der Fertigung. Hier kommen die Methoden Linear Performance Pricing, Total Cost of Ownership und die Wechselwirkungsmatrix zur Anwen-dung. Der Parameter Dringlichkeit bewertet die Zeitverzögerung in der Produktion vor dem Hintergrund entgangener Umsatzanteile. Dazu stehen die Methoden des Technologiekalenders und der Umsatzprognose zur Verfügung. Die nachfolgende Abbildung 4.46 zeigt ein Port- folio zur Darstellung der Bewertungsergebnisse an Hand der genannten Kriterien Nachhaltig-keit, Realisierbarkeit und Dringlichkeit.

Auf Basis der Bewertung wird im Ände-rungsgremium entschieden, ob die Ände-rung sofort bearbeitet wird, erst konsolidiert oder abgelehnt wird. Bei der Konsolidierung werden Änderungen über einen bestimmten Zeitraum zurück gehalten, um dann gebündelt in die Produktentwicklung weitergegeben zu werden. Das bietet den Vorteil, dass sich einzelne Änderungen inhaltlich überschneiden können oder Wechselwirkungen zwischen Änderungen im Voraus berücksichtigt werden können, wodurch sich der Gesamtänderungs-aufwand reduziert.

Wird die Änderung eines in Produktion be- findlichen Produktes genehmigt, erfolgen je nach Produktlebenszyklusphase Maßnahmen wie Produktionsstopp, Einkaufsstopp oder ein Produktrückruf. Zusätzlich werden die von der Änderung betroffen Positionen manuell oder mit Hilfe eines in die PLM-Umgebung integrier-ten Schnittstellenmanagements ermittelt und wenn nötig gesperrt.

Abbildung 4.46Bewertung von Änderungen

Änderungsdurchführung Um bei der Änderungsdurchführung möglichst effizient vorzugehen, wird diese systematisch Top-Down gegliedert. Hierzu ist die Ermittlung der höchsten von der Änderung betroffenen Ebene notwendig. Innerhalb dieser beginnt der Änderungsprozess. Diese Ebenen sind die Funk-tionsstruktur, die Produktstruktur, die einzelne Baugruppe bzw. das Bauteil, die Produktdoku-mentation und der Fertigungsprozess.

Je nach zu bearbeitenden Ebenen werden die änderungsrelevanten Objekte ermittelt und gesperrt. Daraufhin wird die Änderung konzi-piert und durchläuft eine erste Kontrolle im Änderungsgremium, welches die Möglichkeiten hat, die Änderung abzubrechen, zu modifizie-ren oder freizugeben. Es folgt die Beschreibung/ Durchführung der Änderung der betroffenen Objekte und eine abermalige Kontrolle. An-schließend wird mittels der Klassifikation im PLM-System die Auswirkung der Änderung auf die untergeordneten Ebenen des Produktes betrachtet. Falls die ursprüngliche Änderung weitere Folgeänderungen wie zum Beispiel in der Produktdokumentation oder im Fertigungs-prozess erfordert, wird der Änderungsprozess wie oben erneut durchlaufen. Dies kann sich von der Funktionsstruktur bis in den Fertigungs-prozess auswirken.

Nach erfolgreichem Durchlaufen aller nötigen Änderungsebenen können gesperrte Bauteile freigeben und die geänderten Produkt-daten im PLM-System bereitgestellt werden. Damit ist der Änderungsprozess abgeschlossen.

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4. Die Referenzprozesse

60Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Der Referenzprozess Änderungsmanage-ment befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbil-dung 4.47) zeigt eine Vorschau der Prozessdo-kumentation.

4.9.3 Erläuterung der MethodenKano-Modell Siehe Produktprogrammplanung, Kapitel 4.8.3, S. 54

Design to ValueDesign to Value dient der wertorientierten Ausrichtung von Entwicklungsaktivitäten. Als Orientierungspunkt dienen die gewünschten Produktmerkmale aus der Kundensicht. Die Gewichtung von Kundenanforderungen wird im Rahmen dieser Methode sukzessive in die Wichtigkeit von Produktfunktionen und damit in die der Bauteile des Produkts transformiert. Durch dieses Vorgehen können vorhandene Ressourcen auf die kundennutzenrelevanten Produktkomponenten fokussiert und die Attraktivität von Produkten gesteigert werden. Ebenfalls wird die Anzahl der Änderungsmaß-nahmen, die der Umgestaltung des Produktes dienen, reduziert.

Target PricingDas Target Pricing ist ein Hilfsmittel, um die anfallenden Kosten an den Kundenanforderun-gen auszurichten und somit die Kundenorien-tierung zu erhöhen. Durch das Target Pricing

wird der angestrebte Preis festgesetzt und somit auch die Kosten für das Produkt. Die Pro-duktkosten für die einzelnen Bauteile werden ins Verhältnis zu dem Wichtigkeitsgrad des Bauteils aus Kundensicht gesetzt. Somit lassen sich Diskrepanzen zwischen tatsächlichen und geforderten Kosten feststellen und im Voraus beheben56.

WechselwirkungsmatrixZur Analyse von gegenseitigen Beeinflussungen von Elementen eines Systems (z. B. Bauteile, Merkmale) kann die Wechselwirkungsmatrix eingesetzt werden. Durch eine paarweise Betrachtung der Systemelemente können die Wechselwirkungen abgeleitet werden. Zu beachten ist, dass eine gerichtete Matrix ver-wendet wird, dies bedeutet, dass immer die Auswirkung von dem Zeilenobjekt auf das Spaltenobjekt bewertet wird. Durch Analyse der Matrix können dann Aussagen über die Elemente bezüglich der Stärke, mit der sie andere Bauteile beeinflussen und selber beein-flusst werden, getroffen werden. Die Bewer-tung der Komponenten ist zeitintensiv, fördert aber auch durch die Strukturiertheit der Team-prozesse und die Objektivität der Ergebnisse56.

Linear Performance PricingDas Linear Performance Pricing (LPP) ist eine Methode, um den Zusammenhang zwischen Preis und Leistung bei Produkten eines Typs mit einander zu vergleichen. Die Dimension der Leistung kann zum Beispiel durch die wichtigste Produkteigenschaft eingenommen werden. Mit Hilfe einer linearen Regressionsgrade durch die Punktwolke von Produkten lässt sich feststellen, welche Produkte im Vergleich zu den anderen zu teuer oder zu billig für ihre eigenen Leis-tungsmerkmale sind.

Total Cost of OwnershipTotal Cost of Ownership (TCO) ist eine Betrach-tungsweise, um bei Investitionen alle über den Lebenszyklus entstehenden Kosten zu beach-ten, insbesondere auch die Kosten, die erst in der Benutzung entstehen. Dadurch können die Auswirkungen der Investition besser abge-wogen werden und verdeckte Kostentreiber entdeckt und beseitigt werden57.

56 Lindemann, U.: Methodische Entwicklung technischer Produkte, 200557 Schuh, G.: Produktionsmanagement - Skript zur Vorlesung, 2008

Abbildung 4.47Referenzprozess

Änderungsmanagement

LF-PS-Handbuch TFB57-Master-Kapi60 60 23.06.2008 11:54:31

4. Die Referenzprozesse

61Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Technologiekalender(siehe Kapitel 4.8.3, S. 56)

UmsatzprognosenUmsatzprognosen werden zur Planung und Auslegung des Produktes verwendet. Je nach prognostiziertem Umsatz werden Entscheidun-gen zur Fertigungsart und der nötigen Investi-tionen beeinflusst. Das generelle Prinzip der Prognose ist aus Annahmen oder vorhandenen Daten eine Aussage über zukünftige Entwick-lungen machen zu können.

Dabei können verschiedene Methoden verwendet werden, wie die Szenario-Technik (vgl. Kapitel 4.8.3, S.57) oder die Trendprognose. Bei der Szenario-Technik werden die anfangs festgesetzten Rahmenbedingungen variiert, um eventuelle Auswirkungen zu beobachten. Daraus lassen sich je nach eintreffendem Szenario Stra-tegien zur bestmöglichen Bewältigung ableiten.

Abhängigkeitsmanagement in der parametrischen KonstruktionInnerhalb der Konstruktionsmethodik muss ein Spektrum von Abhängigkeiten berücksichtigt werden. Diese Abhängigkeiten lassen sich glie-dern in explizit definierte Abhängigkeiten und in implizit bestehende Abhängigkeiten, welche sich aus der CAD-Aufbaulogik ergeben. Mittels Abhängigkeitsmanagement ist es möglich die Funktionen dieser Gleichungsabhängigkeiten, logischen Referenzierungen, Ungleichungen und Polynome zu erweitern. Die Wichtigkeit der Parameter muss hierbei vom Konstrukteur selbst definiert werden. Dadurch werden die für die Bestimmung der Produktmerkmale rele-vanten Parameter in höherem Maße als andere abgeleitet und somit der spätere Änderungs-aufwand reduziert58.

FunktionsstrukturMit Hilfe der Funktionsstruktur werden die Eigenschaften von Funktionskomponenten und die Beziehungen untereinander auf einer ab-strakten Ebene dargestellt. Dies dient vor allem zur Strukturierung, um besser mit der meist vorhandenen Komplexität umgehen zu kön-nen. Zusätzlich können Probleme auf kleinere Teilprobleme herunter gebrochen werden, die

58 Eversheim, W.; Schuh, G.: Integrierte Produkt- und Prozessgestaltung, 200559 Schuh, G.: Skript Fertigungs- und montagegerechte Konstruktion, 200860 Eversheim, W.; Schuh, G.: Produkt- und Prozessgestaltung, 2005

einfacher zu lösen sind. Einzelne Teilstrukturen können auch in anderen Systemen wiederver-wendet werden56.

Digital Mock UpEin Bestandteil der virtuellen Produktentwick-lung ist das Digital Mock Up (DMU). Beim DMU wird ein virtuelles Modell des Produktes erstellt, womit räumliche Konflikte, wie Bauraumüber-schneidungen, Montagefähigkeit und Kolli-sionsprüfungen überprüft werden. Durch die Virtualisierung lassen sich räumliche Konflikte schon während der Konstruktion beheben und nachträgliche Änderungskosten senken59.

Hydraulikplan und SchaltplanHydraulik- und Schaltpläne modellieren die realen Vernetzungen in einem Produkt. Durch gewisse Normen und Regeln können einzelne Bauteile wie zum Beispiel Pumpen, Ventile, Leitungen oder Widerstände, Schalter und Transistoren durch Symbole dargestellt werden. Die abstrakten Darstellungen durch Symbole sollen ein schnelles Erkennen des Wirkprinzips des Produktes ermöglichen. Besonders im Bereich der Änderungen sind Hydraulik- und Schaltpläne hilfreich, um die Auswirkungen der Änderung zu beurteilen und die Betriebsfähig-keit sicherzustellen.

4.10 Einzelprojektcontrolling

4.10.1 Grundlegendes VerständnisWährend der zweiten Hälfte des 20. Jahr- hunderts hat sich die Durchführung von um- fangreichen und interdisziplinären Aufga-benstellungen wie beispielsweise einer Pro-duktentwicklung im Rahmen von Projekten zu einem industriellen Standard durchgesetzt. Die innerhalb eines Projektes mögliche hori-zontale und vertikale Integration erleichtert die Lösung von komplexen und multifunktionalen Problemen, wie sie in der Produktentwicklung häufig vorkommen60. Weitere Eigenschaften von Projekten sind einerseits die Einmaligkeit der Bedingungen und andererseits das Vorhan-densein eines definierten Endzustandes. Um diesen Endzustand möglichst effizient und ohne Umwege zu erreichen, ist ein systematisches

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4. Die Referenzprozesse

62Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Controlling des Projektverlaufs notwendig, wie es durch den hier beschriebenen Referenzpro-zess dargestellt wird. Das Einzelprojektcontrol-ling weist einen Regelschleifencharakter auf, der fortlaufend wichtige Variablen der Projekt-durchführung überprüft und diese mit den innerhalb der Projektplanung gebildeten Soll-Werten vergleicht. Wird zwischen Ist- und Soll-Wert eine Abweichung erkannt, so greift das Einzelprojektcontrolling steuernd in den Projek-tablauf ein61. Die auf diese Art geregelten Pro-jektgrößen sind die Termineinhaltung und der technische Sachfortschritt sowie entstehende Entwicklungskosten. Ist dagegen eine Überfüh-rung des Ist-Zustands in den Soll-Zustand nicht realisierbar – beispielsweise aufgrund einer

Fehlplanung – so ist alternativ zum Steuerungs-eingriff in den Projektablauf eine Modifizierung des Soll-Zustandes möglich. Der beschriebene Regelungscharakter des Einzelprojektcontrol-lings wird in Abbildung 4.48 illustriert.

Durch den Einsatz geeigneter Methoden wird das frühzeitige Erkennen potentieller Abweichungen vom Soll-Zustand gezielt unter-stützt, da kurze Reaktionszeiten verminderte Effizienzverluste und Steuerungsaufwände ermöglichen. Zu erwähnen ist besonders die Regelgröße Sachfortschritt, da diese aufgrund ihrer nur schwierigen Quantifizierbarkeit einer zusätzlichen Steuerungs-Systematik zuzuführen ist. Als Lösung bietet der modellierte Referenz-prozess sowohl eine Meilenstein-Systematik als auch eine Messung des Produktreifegrades an.

Über die Steuerung wichtiger Projektgrö-ßen hinaus besteht eine weitere Aufgabe des Einzelprojektcontrollings im Informations- und Wissensmanagement. Im vorliegenden Prozess wurde diesen Funktionen in Form eines inte-grierten Berichtswesens Sorge getragen. Einer-seits wird dabei der Lenkungsausschuss während der Projektabwicklung durch regelmäßige Pro-jektberichte des Projektleiters »auf dem Lau-fenden« gehalten, andererseits werden gesam-melte Erfahrungen nach Projektabschluss inner-halb eines Abschlussberichts konserviert und für zukünftige Aktivitäten nutzbar gemacht.

4.10.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenDer Referenzprozess Einzelprojektcontrolling besteht aus vier Kernelementen, deren chrono-logische Abfolge in Abbildung 4.49 dargestellt ist. Im Nachfolgenden werden diese Kern-elemente detailliert beschrieben.

Controlling wichtiger ProjektgrößenUm einen zielgerichteten Projektablauf zu ge-währleisten, erfolgt in regelmäßigen Abständen eine Überprüfung der Projektgrößen Sachfort-schritt, Termineinhaltung und Projektkosten durch die Projektleitung. Die entsprechenden Kontrollzeitpunkte werden zu Beginn des Pro-zesses innerhalb des Lenkungsausschusses fest-gelegt. Alternativ zum Eintreten eines Kontroll-zeitpunktes kann die Überprüfung einer Projekt-größe durch das Auftreten eines Problems in-nerhalb der Projektdurchführung ausgelöst wer-den. Zur methodischen Unterstützung dieser Kontrollaktivität werden Sachfortschrittsdiagram-

Abbildung 4.48 Reglerstruktur des

Einzelprojektcontrollings

Abbildung 4.49 Elemente des Einprojektcontrollings

61 Burghardt, M.: Projektmanagement, 2007

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4. Die Referenzprozesse

63Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

me sowie Kosten- und Meilensteintrendanalysen eingesetzt. Nach eventueller Identifizierung einer Abweichung zwischen Ist- und Soll-Zustand obliegt es der Projektleitung, diese als gering-fügige oder schwerwiegende Abweichung ein-zuordnen. Handelt es sich um eine geringfügige Abweichung, so erfolgt sowohl Konzeption als auch Durchführung einer korrektiven Maßnah-me unter Verantwortung der Projektleitung. Andernfalls wird ein Maßnahmenkonzept des Lenkungsausschusses von der Projektleitung implementiert. Bei einer solchen schwerwiegen-den Abweichung hat der Lenkungsausschuss zusätzlich die Möglichkeit die Soll-Vorgaben des Projekts zu korrigieren oder sogar einen Projek-tabbruch zu bewirken. Zusätzlich zur Kontrolle des Projektablaufs verfasst die Projektleitung im gleichen Rhythmus Projektberichte.

ProduktreifegradmessungAnhand der von der Projektleitung verfassten Projektberichte und des anvisierten Endzustan-des bewertet der Lenkungsausschuss zu defi-nierten Zeitpunkten den Produktreifegrad. Dieser dient sowohl als unternehmensweites Visualisierunginstrument des Projektstatus als auch als objektive und quantifizierte Entschei-dungsgrundlage.

MeilensteinfreigabewesenBeim eventuellen Erreichen des für das Passieren eines Meilensteins erforderlichen Projektsta-tus prüft die Projektleitung die tatsächliche Einhaltung aller Meilensteinbedingungen. Kommt diese Überprüfung zu einem positiven Ergebnis, so wird ein Antrag auf Meilenstein-freigabe an den Lenkungsausschuss gesendet. Auf Basis des Antrags und des Produktreife-gradberichtes entscheidet der Lenkungsaus-schuss über die Freigabe des Meilensteins. Möglich sind hierbei eine bedingte sowie eine unbedingte Freigabe und die Ablehnung. Im Falle einer bedingten Freigabe wird mit Hilfe der Design-Structure-Matrix festgelegt, an welchen Arbeitspaketen jenseits des Meilen-steins bereits weiter gearbeitet werden darf. Darüber hinaus wird ein Termin definiert, zu dem erneut über die Freigabe des Meilensteins zu entscheiden ist. Bis zu diesem Zeitpunkt ist es Aufgabe der Projektleitung korrektive

Abbildung 4.50Referenzprozess Einzelprojektcontrolling

Maßnahmen durchzuführen um sämtliche Meilensteinbedingungen zu erreichen. Im Falle schwerwiegender Abweichungen von den Bedingungen oder einer Meilensteinablehnung hat die Projektleitung ebenfalls diese Aufgabe.

Projektabschluss und ErfahrungssicherungSollte ein Projektabbruch durch den Lenkungs-ausschuss bewirkt werden oder der definierte Endzustand des Projekts durch Passieren des finalen Meilensteins erreicht sein, so tritt das letzte Kernelement des Einzelprojektcontrol-lings, der Projektabschluss, in Kraft. Besondere Aufmerksamkeit ist hierbei sowohl einer Qua-litätssicherung der Projektergebnisse als auch einer Sicherung und Nutzbarmachung gewon-nener Erkenntnisse zu widmen. Im Rahmen eines Projektreviews innerhalb des Lenkungs-ausschusses wird die Übereinstimmung des Projektergebnisses mit dem geplanten Zielzu-stand bewertet. Sollten hierbei Abweichungen identifiziert werden, so können diese durch direkte Ansteuerung des Referenzprozesses Änderungsmanagement kompensiert wer-den. Die Ergebnisse des Projektreviews fließen zusammen mit einem Projektabschlussbericht in die unternehmensweite Erfahrungsdatenbank ein und können somit einen wertvollen Beitrag zu einer lernenden Organisation leisten.

Der Referenzprozess Einzelprojektcontrolling befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbildung 4.50 zeigt eine Vorschau der Prozessdokumentation.

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4. Die Referenzprozesse

64Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

4.10.3 Erläuterung der MethodenDesign-Structure-Matrix (DSM)Die Design-Structure-Matrix stellt ein Instru-ment zur Analyse des Informationsflusses zwi-schen Arbeitspaketen einer technischen Ent-wicklung dar62. Darüber hinaus kann sie auch zur optimierten Planung von Arbeitsabläufen eingesetzt werden. An Hand einer quadrati-schen Matrix werden hierbei die Informations-bedarfe eines Arbeitspakets dargestellt. So-wohl Zeilen als auch Spalten stehen jeweils für ein einzelnes Arbeitspaket. Ein Kreuz innerhalb der Matrix bedeutet, dass zur Bearbeitung des Zeilen-Arbeitspakets Informationen benötigt werden, die innerhalb der Durchführung des Spalten-Arbeitspaketes entstehen. Auf Basis dieser systematischen Darstellung ist eine algo-rithmische Planung und Eliminierung von Itera-tionsschleifen möglich. Durch gezielte Permuta-tion, also Vertauschung der Aufgabenreihen-folge, wird versucht eine untere linke Dreiecks-matrix zu erzeugen, die ein Minimum an Itera-tionsschleifen ermöglicht. Über diese Projekt-ablaufoptimierung ist ebenfalls eine Analyse des Einflusses einzelner Arbeitspakete auf andere möglich. Hierzu wird an Hand der Anzahl der Kreuze in Spalte und Zeile die so

genannte Aktiv- bzw. Passivsumme gebildet. Arbeitspakete deren Ergebnis großen Einfluss auf die Durchführung anderer Arbeitspakete haben, werden beispielsweise durch eine hohe Aktivsumme charakterisiert. Im Rahmen des Referenzprozesses Einzelprojektcontrolling wird die DSM bei der bedingten Meilensteinfreigabe eingesetzt. Sie bildet hier eine Entscheidungs-grundlage zur Bestimmung der Aktivitäten, an denen bereits weiter gearbeitet werden kann ohne Iterationsschleifen im weiteren Projekt-ablauf zu initiieren. Der Einsatz der Design-Structure-Matrix zur Minimierung von Iterati-onsschleifen wird in Abbildung 4.51 an einem Beispiel dargestellt.

StundenkontierungDie Kosten eines Entwicklungsprojekts werden hauptsächlich durch die investierte Arbeitszeit der Entwickler determiniert. Zum Controlling der Projektkosten ist daher ein Instrument zur vollständigen und regelmäßigen Stundenauf-schreibung notwendig. Mit Hilfe der Stunden-kontierung ist über die reine Zählung inves-tierter Arbeitszeit hinaus eine Zuordnung der Lohnkosten entsprechend der Produkt- und Projektstruktur möglich63. Durch eine Projekt-strukturorientierung der Stundenkontierung lässt sich beispielsweise diejenige Arbeitszeit ermit-teln, die in Arbeitspakete nach deren Abschluss investiert wurde. Auf diesem Weg ist eine direkte Ermittlung von Qualitätskosten möglich. Im All-gemeinen werden heute zur Stundenkontierung dialogorientierte, computergestützte Systeme eingesetzt, die eine Minimierung des Aufwands und eine Erhöhung der Präzision ermöglichen.

Produktfortschritt-DiagrammFür quantifizierbare Leistungsmerkmale eines Produkts, wie beispielsweise Leistung und Wir-kungsgrad eines Verbrennungsmotors, ergibt sich die Möglichkeit diese in regelmäßigen Abständen während der Projektdurchführung zu bestimmen. Durch kontinuierliche Darstel-lung und Trendbildung dieser Leistungsmerk-male über die Zeitachse innerhalb eines zwei-dimensionalen Diagramms entsteht das Pro-duktfortschritt-Diagramm63. Auf diese Weise lassen sich Prognosen zur zukünftigen Errei-chung von Produktanforderungen stellen.

Abbildung 4.51 DSM bei der Entwicklung

eines Fotoapparates

62 Ulrich, K.; Eppinger, S.: Product design and development, 200063 Burghardt, M.: Projektmanagement, 2007

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4. Die Referenzprozesse

65Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Kosten- und MeilensteintrendanalyseDie Meilensteintrendanalyse ist ein Werkzeug zum Controlling der Termineinhaltung, das auf einem dynamischen Plan/Plan-Vergleich basiert63. Es ergänzt damit den statischen Ver-gleich zwischen Ist- und Soll-Zustand. Es erfolgt hierbei eine Eingrenzung der Beobachtung auf die Meilensteinerreichungen, da diese von projektentscheidender Wichtigkeit sind.

Während des Projektablaufs werden in re-gelmäßigen Abständen Prognosen der Termine künftiger Meilenerreichungen gestellt. Die fortlaufende Aufzeichnung dieser Prognosen ermöglicht das frühzeitige Erkennen von Trends zukünftiger Termine. Die Methode bedient sich dabei eines zweidimensionalen Diagramms, dessen Abszisse den Zeitpunkt der Prognosen-stellung und dessen Ordinate den prognostizier-ten Meilensteintermin darstellt64.

Erweitert wird dieses Instrument durch die Kostentrendanalyse. Diese dient in analoger Weise zum Kostencontrolling. In einem eben-falls zweidimensionalen Diagramm werden prognostizierte Kosten fortlaufend über die Prognosezeitpunkte dargestellt. Abbildung 4.52 stellt eine kombinierte Kosten- und Meilenstein-trendanalyse mit drei beispielhaft eingetrage-nen Meilensteinen dar.

Aus dem Kurvenverlauf der Meilenstein-trendanalyse sind aussagekräftige Erkenntnisse zur Termineinhaltung zu gewinnen. Ein anstei-gender Verlauf signalisiert Verzögerungen der Projektabwicklung. Ein fallender Verlauf entsteht dagegen bei einer Unterschreitung geplanter Termine. Im Allgemeinen erwünscht ist ein waagerechter Verlauf, also keine Verschiebung des Terminplans. Ein solcher Verlauf setzt jedoch sowohl eine korrekte Projektplanung als auch eine zielorientierte Projektdurchführung voraus.

Aus dem Verlauf der Kurven der Meilen-steintrendanalyse sind darüber hinaus Erkennt-nisse über die Interdependenzen der Meilen-steine zu gewinnen. Liegen zwei Meilensteine auf dem kritischen Pfad, so resultiert eine Terminverschiebung des früheren Meilensteins direkt in einer Verschiebung des späteren. Bei großen Pufferzeiten ist der Verlauf der Kurven nahezu unabhängig voneinander.

64 Eversheim, W.; Schuh, G.: Betriebshütte, 199665 Eversheim, W.; Schuh, G.: Integrierte Produkt- und Prozessgestaltung, 200466 Röpke, M.: Leistungssteigerung bei Applikationsentwicklungen, 200467 Müller-Stevens, G.; Lechner, C.: Strategisches Management, 2001

Abbildung 4.52Kosten- und Meilensteintrendanalyse63

Leistungssteigerung in der F&EDer Methodenbaustein »Leistungssteigerung in der F&E« wurde im Rahmen des Sonderfor-schungsbereiches 361 an der RWTH Aachen entwickelt65. Zur Verbesserung der Leistung und der Abwicklungseffizienz von F&E-Pro-jekten erschließt dieser ein wesentliches Ver-besserungspotenzial durch einen strukturierten Lern- und Verbesserungsprozess im gesamten Entwicklungsprogramm, der Leistungsmessung und -bewertung sowie die Durchsetzung von Veränderungen umfasst66.

Die Methode basiert auf den fünf Schritten des General Management Navigators67. Am Beginn einer systematischen Effizienzverbes-serung steht dabei die Leistungsmessung, um Aufgaben- und Prozessdefizite sowie Sollab-weichungen zu identifizieren. Hieran schließt sich die Identifizierung der Verbesserungs-ansätze an. Der dritte und vierte Schritt umfas-sen die Ausrichtung der betroffenen Projekte sowie die Gestaltung und Anpassung der Referenzpläne. Abschließend sind die Verän-derungen im Entwicklungsprogramm und in der Projektplanung umzusetzen. Innerhalb der Abbildung 4.53 (siehe nächste Seite) werden die beschriebenen fünf Schritte der Leistungs-steigerung visualisiert.

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4. Die Referenzprozesse

66Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Der Schritt der Leistungsmessung ist das bedeutendste Element der Methode und deren Ergebnisse zentraler Ansatzpunkt für Verbes-serungen. Ausgehend von dem spezifischen Referenzentwicklungsprozess für Serien- und Applikationsentwicklungen werden für jedes spezifische Projekt Anpassungen in der Planung und für die Messung vorgenommen. Für die F&E-Performance von Projekten im Entwick-lungsprogramm sind in einem Modell die not-wendigen Kennzahlen, wie in Abbildung 4.54 dargestellt, definiert.

Als Grundlage für Leistungsmessmodell, Messgrößen und Kennzahlen dienen die wesentlichen, standardisierten Leistungstreiber. Von besonderer Bedeutung sind dabei z. B. Ressourcen sowie die Komplexität der Aufgabe und die eingesetzten Methoden. Als Ressourcen sind hierbei Mitarbeiter, Maschinen oder auch Lieferanten zu nennen. Komplexität wird durch den Neuheitsgrad und die Anzahl der Schnitt-stellen zwischen Produktkomponenten und Aufgaben beschrieben. Als Messgröße wer-den sechs direkte und sechs indirekte Größen herangezogen, die mit den operativen Entwick-lungszielen sowie den Performancetreibern korrelieren. Direkte Messgrößen sind dabei Res-sourceneinsatz, Produktivität, Durchlaufzeit, Ter-mintreue, Ersttrefferquote und Nacharbeitsgrad. Indirekte Messgrößen sind Projektabbruchrate, laufende Projekte, Umsatz, Betriebsergebnis, Parallelisierungsgrad und Komplexitätswert. Für die jeweiligen Messgrößen stehen jeweils mehrere Kennzahlen zur Verfügung.

Im zweiten Schritt des Verbesserungspro-zesses (»Initiierung und Analyse«) werden die identifizierten Defizite analysiert und in drei Gruppen eingeteilt: inkrementelle, kontext-bezogene und fundamentale Defizite. Inkremen-telle Abweichungen beziehen sich meist auf einzelne Aufgaben und sind einfach zu behe-ben. Bei Abweichungen mit mehreren invol-vierten Aufgaben handelt es sich um kontext-bezogene Defizite wie z. B. Unzulänglichkeiten im Workflow oder in Abstimmungsprozessen. Defizite mit Auswirkung auf die gesamte organisatorische Struktur der F&E sind funda-mentale Defizite, die hoher Verbesserungsauf-wände bedürfen. Nach der Einteilung werden

Abbildung 4.54 Modell zur Leistungsmessung 68

Abbildung 4.53Schritte der Leistungssteigerung in der F&E68

68 Eversheim, W.; Schuh, G.: Integrierte Produkt- und Prozessgestaltung, 2004

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4. Die Referenzprozesse

67Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

die Ursachen und Abhängigkeiten der einzel-nen Defizite detailliert untersucht. Im Allge- meinen können hierbei Ursachen bezogen auf Zeit, Ressourcen, Ergebnis, Vorgänger oder Methoden differenziert werden. Die Defizite werden von einem Expertenteam in einem Portfolio nach Leistungssteigerungspotenzial und Verbesserungsaufwand bewertet, um die limitierten Ressourcen effizient zur Perfor-mancesteigerung einzusetzen.

Der Schritt der Positionierung dient der For-mulierung von strategischen Richtlinien für die Zielvorgaben im Referenzentwicklungsprozess. Hierbei werden aus der strategischen Unterneh-mensausrichtung, der Bereichsstrategie und der F&E-Strategie Zielvorgaben für den Referenz-entwicklungsprozess und den nachfolgenden Schritt der Ausrichtung abgeleitet.

Der vierte Schritt des Verbesserungsprozes-ses, die Gestaltung und Steuerung, beinhaltet die Konfiguration und die Anpassung von Pro-jektabläufen sowie von Strukturen standardi-sierter Entwicklungsprojekte, um eine Verbes-serung bzw. Beseitigung der ausgewählten Defizite zu erreichen. Basierend auf den Zielvor-gaben der Positionierung werden Gestaltungs-alternativen des Referenzplanes identifiziert. Die Alternativen berücksichtigen dabei Anpas-sungen der Zeit, der Mittel, des Ergebnisses, der Abhängigkeiten zwischen Entwicklungs-aufgaben, der Ablauf- und der Aufbaustruktur. Schließlich werden die Verbesserungsalter- nativen hinsichtlich Effektivität und Effizienz, d. h. Zeitersparnis und Kostenreduktion, be-wertet und die beste Verbesserungsalternative ausgewählt.

Abschließend werden in der Phase der Umsetzung die erarbeiteten Alternativen und neuen Sollvorgaben in den Referenzentwick-lungsprozess implementiert, womit der Ver-besserungszyklus abgeschlossen ist. Der Erfolg der Verbesserungsmaßnahmen zeigt sich in der Leistungsbewertung des folgenden Verbesse-rungszyklus. Mit der Methode der Leistungs-steigerung in der F&E können gerade für stan-dardisierte Projekte wie Serien-, Applikations- und Anpassungsentwicklungen deutliche Potenziale über das gesamte Entwicklungs-programm erschlossen werden.

4.11 Risikomanagement

4.11.1 Grundlegendes VerständnisDie Entwicklung neuer Produkte ist generell mit Risiken behaftet. Nicht vorhergesehene Ereignisse und Fehlprognosen schlagen sich beispielsweise in überschrittenen Meilenstein-terminen, Qualitätsmängeln oder zu hohen Kosten nieder, die im Allgemeinen finanzielle Einbußen für das betroffene Unternehmen zur Folge haben. Besonders vor dem Hintergrund steigender Anforderungen an die Entwick-lungsergebnisse, beschleunigter Marktdynamik und wachsender Produktkomplexität ist eine Vervielfachung potenzieller Entwicklungsrisiken zu verzeichnen.

Da eine pauschale Trennung von Innova-tion und Risiko nicht möglich ist69, ergibt sich die Notwendigkeit, den möglichen Risiken innerhalb einer Produktentwicklung präventiv entgegen zu wirken. Eine formalisierte Mög-lichkeit zu einer gezielten Prävention wird durch den hier beschriebenen Prozess angeboten. Dieser wirkt damit als logische Erweiterung des Referenzprozesses Einzelprojektcontrolling. Entsprechend seines Regelschleifencharakters prüft das Einzelprojektcontrolling fortlaufend sowohl Plankonformität des Projektablaufs als auch die Qualität der technischen Ergeb-nisse und initiiert im Falle von Abweichungen Reaktionsmaßnahmen. Auf diese Weise werden akut wirkende Störgrößen kompensiert. Der Referenzprozess Risikomanagement ergänzt

69 Gassmann, O.; Kobe, C.: Innovation und Risiko, 2006

Abbildung 4.55 Reglerstruktur von Risiko-

management und Einzelprojektcontrolling

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4. Die Referenzprozesse

68Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

diese Regelschleife im Sinne einer Früherken-nung potenzieller, zukünftiger Störgrößen bzw. Risiken. Über die Identifizierung von Risiken hinaus erfolgt sowohl die Einleitung von Gegenmaßnahmen im Rahmen einer Risiko- strategie als auch ein kontinuierliches Monito-ring der Maßnahmenwirksamkeit. Ziel dieser Maßnahmen ist weniger der generelle Aus-schluss von Risiken, da auf diesem Wege eine innovationsfreie Produktentwicklung erzwun-gen würde. Vielmehr steht eine Beherrschung vorhandener Risiken im Vordergrund, so dass diese im Verhältnis zu den Chancen der Innova-tion vertretbar werden. Das Zusammenwirken der Referenzprozesse Einzelprojektcontrolling und Risikomanagement wird durch Abbildung 4.55 (siehe letzte Seite) dargestellt.

4.11.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenUm eine systematische Risikoidentifizierung zu ermöglichen, ist zunächst eine Klassifizierung verschiedener Risikoarten notwendig. Anhand des Wirkungsorts von Risiken lässt sich die in Abbildung 4.56 beschriebene Kategorisierung erzeugen. Die erste Kategorie bilden dabei pro-jektbezogene Risiken, wie beispielsweise Fehler im Rahmen der Projektplanung, die die Termin-

einhaltung gefährden. Die produktbezogenen Risiken werden in zwei Gruppen aufgeteilt. So erfolgt eine getrennte Betrachtung der Risiken auf Systemebene und auf Bauteilebene. Auf Systemebene könnte hierbei z. B. die Realisier-barkeit einer Funktionsstruktur überprüft werden, während auf Bauteilebene die Dauerfestigkeit eines Verbindungselements ein beispielhaftes Betrachtungsobjekt ist. Analog zu der Reihen-folge im Produktlebenszyklus stellen produktions-prozessbezogene Risiken die letzte betrachtete Risikogruppe dar. Hier wird die Eignung des Pro-duktionsprozesses zur Erreichung der gewünsch-ten Produkteigenschaften kontrolliert.

Für jede der vier Risikokategorien erfolgt ein separates Risikomanagement innerhalb jeweils eines Subprozesses. Die Abfolge dieser Subprozesse entspricht dabei der Chronologie einer Produktentstehung, die mit einer Projekt- planung beginnt und über die Produktent- wicklung zur Produktionsprozessgestaltung führt. Unterschiede zwischen den einzelnen Subprozessen entstehen beispielsweise bei den eingebundenen Rollen. So erfolgt das projekt-bezogene Risikomanagement innerhalb der Projektleitung, während die beiden produkt- bezogenen Subprozesse sowohl von der Pro-jektleitung als auch von der Produktentwick-lung getragen werden. Das produktionspro-zessbezogene Risikomanagement wird dagegen innerhalb der Produktionsabteilung durchge-führt. Die einzelnen Subprozesse besitzen dabei jedoch eine kommunale Grundarchitektur. Abbildung 4.57 zeigt die Kernelemente dieser Grundarchitektur, die im Nachfolgenden vorge-stellt werden sollen.

Risikoanalyse und -bewertungMit dem Ziel präventive Gegenmaßnahmen bezüglich einzelner Risiken zu treffen müssen diese zunächst identifiziert werden. Hierzu werden die einzelnen Lösungsalternativen, beispielsweise für ein Bauteil, ermittelt und gesondert betrachtet. Die Identifizierung von Chancen und Risiken einzelner Lösungsalter-nativen erfolgt mit Hilfe der Szenariotechnik (siehe Kapitel 4.8.3, S. 57) Zur Bewertung von Chancen und Risiken, sind sowohl Eintritts-wahrscheinlichkeit als auch voraussichtliches Schadens- bzw. Nutzenausmaß heranzuziehen. Durch einen Vergleich von Chancen und Risiken kann daraufhin die Qualität einer Lösungsalter-native bewertet werden.

Abbildung 4.57 Phasen des

Risikomanagements

Abbildung 4.56 Risiken der

Produktentwicklung

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4. Die Referenzprozesse

69Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Definition und Implementierung der RisikostrategieNach Abschluss der beschriebenen, bewerten-den Schritte erfolgt die Auswahl der am Besten geeigneten Lösungsvariante. Sowohl im pro-jekt- als auch im produktbezogenen Risiko- management ist hierfür die Projektleitung ver-antwortlich. Beim produktionsprozessbezoge-nen Risikomanagement geschieht dies inner-halb der Produktionsabteilung. Die Auswahl stützt sich dabei auf das Verhältnis zwischen Risiken und Chancen. Eine ausgewählte, chan-cenreiche Lösungsalternative wird daher Rest-risiken beinhalten. Zur Kompensation dieser Restrisiken ist daraufhin eine angepasste Risiko-strategie zu definieren. Als Leitlinie dienen hierbei die vier Elementarstrategien des Risiko-managements, die die Basis sämtlicher mög- licher Risikostrategien darstellen:

Risiko akzeptierenRisiko vermeidenRisiko minimierenRisiko transferieren

Ist beispielsweise das vorhandene Risiko gering genug, so kann es akzeptiert werden. Schwer-wiegendere Risiken können dagegen durch das Senken von Eintrittswahrscheinlichkeiten oder Schadensausmaß minimiert werden. Kommt beispielsweise ein Zulieferer aufgrund seiner Erfahrungswerte zu einer positiveren Risiko-bewertung, so können Risiken dorthin trans-feriert werden. Darüber hinaus ist auch die Kombination dieser Elementarstrategien zu einem Gesamtkonzept möglich.

RisikomonitoringNach Definition und Implementierung einer Risikostrategie beginnt eine über die gesamte Produktentstehung fortlaufende Risikoüberwa-chung. Diese Überwachung besteht aus zwei Kernelementen. Einerseits wird die Wirksamkeit der gewählten Risikostrategie geprüft und im Problemfall innerhalb einer Iterationsschleife den neuen Erkenntnissen entsprechend modifi-ziert. Andererseits erfolgt eine Identifizierung neu entstehender Risiken. Wird ein solches Risiko erkannt, so werden für dieses Risiko die Schritte der Risikoanalyse und Strategiedefini- tion wiederholt.

Nach Abschluss der Produktentwicklung kann ebenfalls das Risikomonitoring beendet werden. Im Sinne einer Nutzbarmachung ge-wonnener Erkenntnisse werden diese innerhalb eines finalen Schrittes in eine Erfahrungsdaten-bank eingeleitet. Hiermit kann der Grundstein für einen unternehmensweiten Lernprozess gelegt werden.

Die nachfolgende Abbildung 4.58 zeigt den Referenzprozess in einer Übersichtsdarstellung. Vollständig und detailliert ist der Prozess auf der beigelegten CD zu finden.

4.11.3 Erläuterung der MethodenRATECHRATECH ist eine in ein Softwareinstrument integrierte Methodik zur Technologiegrob- bewertung und -auswahl bei unscharfer Infor-mationssituation, die im Rahmen des Sonder-forschungsbereichs 361 an der RWTH Aachen entwickelt wurde70. Es wird dabei das Ziel verfolgt, Technologieplaner zu einer systema-tischen und ganzheitlichen Bewertung von Technologien und Technologieketten anzulei-ten. Dabei werden unterschiedliche Kriterien wie technologische Eignung, Wirtschaftlichkeit, Zukunftssicherheit und strategischer Nutzen betrachtet.

Ziel der Technologiebewertung ist es, hinsichtlich der festgelegten Anforderungen aus verschiedenen Alternativen die beste auszuwählen. Grundvoraussetzung für die Bewertung sind klar definierte Kriterien. In den meisten Fällen ist eine Bewertung hinsicht-lich optimaler technologischer Ausnutzung, Produktqualität, Kosten, Fertigungsdauer und eventueller umwelttechnischer Auflagen interessant. Diese Anforderungen müssen vor der Bewertungsdurchführung aufgestellt, den

Abbildung 4.58 Referenzprozess Risikomanagement

70 Eversheim, W.; Schuh, G.: Integrierte Produkt- und Prozessgestaltung, 2004

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4. Die Referenzprozesse

70Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

jeweiligen Kriterien zugeordnet und gewich-tet werden. Für jedes Kriterium sollen eigene Ergebnisgrößen erzeugt werden, mit denen Hinweise auf Schwachstellen gegeben werden können. Damit Technologien auf der Basis von Informationen aus frühen Phasen der Produkt-entwicklung ausgewählt werden können, muss die Methodik auch die Verwendung von unsi-cherem Wissen ermöglichen. Die Bewertung erfolgt durch den Technologieplaner. Dieser muss folgende Entscheidungen treffen:

Zu welchem Zeitpunkt und welche Technologien sollen bewertet werden?Welche Aktivitätsparameter sollen zur Bewertung herangezogen werden?Wie viele Technologiealternativen sollen ausgewählt und weiterverfolgt werden?

Einzeltechnologien werden hinsichtlich Tech-nologieattraktivität und Unternehmensnutzen bewertet. Es werden Kennzahlen erzeugt, mit denen die Eignung der Technologien aus der allgemeinen Marktsicht und unter den spezi-fischen Randbedingungen des Unternehmens beurteilt werden können. Kernmodul der Bewertungsmethode ist hierbei das Techno-logieportfolio, anhand dessen Technologien

bewertet werden. Das Technologieportfolio wird von den Achsen Unternehmensnutzen und Technologieattraktivität aufgespannt, indem sieben Vorgehensschritte durchlaufen werden (Abbildung 4.59).

Zunächst wird eine dreistufige Kriterien-hierarchie auf die unternehmensspezifischen Anforderungen ausgerichtet. Die Kriterien sind teilweise fest vorgegeben, teilweise können sie jedoch auch durch den Anwender ergänzt werden. Sämtliche Kriterien werden durch Gewichtung an die jeweiligen Randbedingun-gen angepasst. Für diese Gewichtung wird auf die Methode des paarweisen Vergleichs zurückgegriffen.

Die Bewertung erfolgt durch einen gezielten Zugriff auf Informationen aus dem Technologie-informationssystem TECHBASE. Die Verknüp-fung von TECHBASE und RATECH ist so gestal-tet, dass immer genau diejenigen Datenfelder zur Verfügung stehen, die zur Bewertung des jeweiligen Kriteriums relevant sind.

Bei der Technologiebewertung in frühen Stadien der Produktentwicklung ist die Verwen-dung von unsicherem Wissen unabdingbar, da häufig noch keine konkreten Informationen vorliegen. An dieser Stelle setzen die mathe-matischen Hilfsmittel der Fuzzy-Set-Theorie und Fuzzy-Logic ein und ermöglichen die Weiter-verarbeitung von unsicherem und unscharfem Wissen. Mithilfe dieser Methode und des Rang-folgeverfahrens ist es möglich, innerhalb der Methode zur Technologiebewertung alle zur Verfügung stehenden Informationen, d. h. sicheres und unsicheres Wissen, zu berücksich-tigen. Weiterhin wird durch die Fuzzy-Logic der menschliche Entscheidungspfad adäquat nachgebildet.

Auf diese Weise können linguistische Aus-sagen und Relationen in einem mathematisch exakten Rahmen abgebildet werden. Die Krite-rien werden zu den so genannten Aktivitäts- parametern der nächsthöheren Hierarchieebene aggregiert. Dies erfolgt nach der fuzzy-multi-attributiven Methode. Die zur Aufspannung des Portfolios erforderlichen Parameter der obersten Hierarchieebene werden Fuzzy-Logic-gestützt aggregiert. Wenn alle Technologien bewertet sind, kann der letzte Schritt erfolgen: die mathematische Zusammenfassung und die Darstellung der Ergebnisse.

Abbildung 4.59RATECH-Bewertungs-

struktur71

71 Eversheim, W.; Schuh, G.: Integrierte Produkt- und Prozessgestaltung, 2004

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4. Die Referenzprozesse

71Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

SzenariotechnikSiehe Produktprogrammplanung, Kapitel 4.8.3, S. 54

4.12 Kollaborative Entwicklung

4.12.1 Grundlegendes VerständnisKollaborative Entwicklung steht für gemein-same Entwicklungsaktivitäten eines Unterneh-mens mit Kunden, Zulieferern oder anderen Entwicklungspartnern (z. B. Forschungsinstitute oder strategische Firmenallianzen). Die Kolla-borative Entwicklung verfolgt das Ziel, im Sinne des Simultaneous Engineering parallelisierte und unternehmensübergreifende Zusammen-arbeit methodisch zu planen. Ausgangspunkt ist die methodengestützte Auswahl von Kooperationspartnern und deren Einbindung in die weiteren Aktivitäten. Dieses beinhaltet die Kopplung der übergreifenden Prozesse sowie deren Absicherung an den Schnittstellen. Dem Aufbau der Infrastrukturen zur Kommunikation und Übermittlung von Daten und Informatio-nen kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Weiterhin sind Methoden notwendig, die den Prozessfortschritt beherrschbar machen und allen Beteiligten verdeutlichen können. Zur Ab-sicherung des kollaborativen Entwicklungspro-zesses müssen darüber hinaus klare Entschei-dungsstrukturen geschaffen sowie Kriterien und Standards definiert werden damit die Zusam-menarbeit der Partner erleichtert wird. Die Synchronisierung dieser gesamten Aktivitäten trägt zur Robustheit des Entwicklungsprozesses bei, indem methodengestützt die reibungsfreie Kommunikation der Partner garantiert wird.

Die Studie, die im Rahmen des Forschungs-projektes entstand, belegt, dass standardisierte Schnittstellen zwischen Partnern zu einer gerin-geren Anzahl an Konstruktionsänderungen nach Freigabe für die Fertigung führen. Wie solche standardisierten Schnittstellen realisiert werden können wird in Kapitel 4.12.3 erläutert. Hierbei werden auch Hinweise gegeben, wie in dem Fall von abweichenden Erwartungen zweier Entwicklungspartner an die Übergaben an einer Schnittstelle verfahren werden kann.

Ebenfalls positiv auf die Anzahl der Ände-rungen wirken sich Service-Level-Agreements und Zielvereinbarungen aus. Grund dafür ist, dass die Transparenz bezüglich der erwarteten Ergebnisse frühzeitig in Entwicklungsprojekten vorliegt und alle Partner ihre Arbeit danach

ausrichten können. Potenzielle konstruktive Schwachstellen können so zum Teil in der An-fangsphase identifiziert und eliminiert werden.

Die Einhaltung der Projektziele (Termine, Inhalte, etc.) wird von erfolgreichen Unterneh-men vor allem durch die enge Bindung von strategisch wichtigen Partnern erreicht. Dies wird beispielsweise durch eine konsequente Lieferantenintegration erreicht, bei der die Lieferanten vom Abnehmer in relevanten Bereichen geschult und gefördert werden.

Wichtig für die enge Zusammenarbeit von Entwicklungspartnern ist trotz aller Integration die Fokussierung auf die Kernkompetenzen. Je vollständiger sich die einzelnen Partner hinsicht-lich der Entwicklungstätigkeit ergänzen und je weniger Kompetenzüberschneidungen vorlie-gen, desto förderlicher ist dies für eine zügige und effektive Projektarbeit. Die Kernkompe-tenzen sollten also zentrales Bewertungskrite-rium in der Auswahlphase eines Projektes sein.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Kollaborationsprozesse je nach Anzahl der beteiligten Partner oder nach Produktkomplexi-tät unterschiedlich detailliert und formalisiert werden. Gerade was die Regeln der Zusammen-arbeit angeht, reicht bei bestehenden Bezie-hungen häufig eine wenig formelle Absprache aus. Diese Detaillierungsstufen liegen im Ermes-sen des jeweiligen Unternehmens.

4.12.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenIn der Kollaborativen Entwicklung sind die ersten Phasen, nämlich die der Bewertung und Auswahl von Partnern sowie das Treffen von Vereinbarungen, die kritischen im Rahmen dieses Prozesses. Sie legen die Basis für die erfolgreiche Zusammenarbeit in einem Ent-wicklungsprojekt. Diese und die nachfolgende Prozessphasen zeigt Abbildung 4.60 (siehe nächste Seite).

Wenn ein Entwicklungsprojekt mit Liefe-ranten angestrebt ist, so wird hier zunächst eine Kosten-Nutzen-Erwägung durchgeführt, ob eine Kooperation gewinnbringend ist, aus der die Beschaffungsstrategie formuliert wird. Fällt die Entscheidung für eine Kooperation positiv aus, so liegt der Schwerpunkt in der ersten Phase auf der Bewertung und der Auswahl von Lieferanten aufgrund von genau definierten Kriterien. Der Bewertungs- und Auswahlprozess sollte auch für den Lieferanten transparent

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4. Die Referenzprozesse

72Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

gestaltet werden, so dass mögliche Lücken auf-gedeckt und durch Qualifizierungsmaßnahmen kompensiert werden können. Teilweise ist die Qualifizierung der Lieferanten obligatorisch.

Im weiteren Prozessverlauf, ob Kollabora-tion mit Lieferanten oder Kunden, geht es darum, Vereinbarungen zu treffen. Benötigte Leistungen werden definiert und den jeweiligen Trägern zugewiesen. Hier ist es von zentraler Bedeutung mögliche Risiken abzuschätzen und diese im Vorfeld präventiv durch potenzielle Gegenmaßnahmen abzusichern. In diesem Rahmen werden mit Lieferanten Eskalations- stufen vereinbart, die definieren, was bei Ab-weichungen von den Vereinbarungen gesche-hen kann, um das Projekt wieder in gewünsch-te Bahnen zu bringen.

Darüber hinaus sind die Rahmenbedingun-gen für reibungsfreie Kollaboration zu schaffen. Hier werden Berichtswege festgelegt, Informa-tions- und Kommunikationstechnologien abge-glichen und schließlich vertraglich die gesamten Vereinbarungen festgelegt.

In der Hauptphase, nämlich der eigentlichen Kollaboration, finden regelmäßige Meetings und Reviews zu den einzelnen Entwicklungsfort-schritten statt. Geht man davon aus, dass in den ersten, kritischen Phasen die Vereinbarungen und Qualifizierungen erfolgreich geregelt wur-den, so wird in diesem Abschnitt vornehmlich auf Methoden des Einzelprojektcontrollings, des Qualitätscontrollings (z. B. bei der Erstmusterprü-fung) und des Änderungsmanagements zurück-gegriffen. Natürlich finden hier Iterationsschlei-fen statt, die notwendig sind, um Prototypen zu entwickeln und anzupassen.

Ist der Zeitpunkt der Lieferung gekommen, so erfolgt ein Review der Kooperation. Bei Kunden wird die Kundenzufriedenheit auf-genommen, mit Lieferanten die Lieferanten-bewertung bezüglich des durchgeführten Projekts vorgenommen. Wichtig ist hier, dass die relevanten Daten ausgewertet und an alle Betroffenen zurückgemeldet werden. Es ist von besonderer Relevanz, die jeweiligen Ver-antwortlichen für spezielle Rückmeldungen zu identifizieren, damit sie die Gelegenheit haben, aufgrund des Feedbacks Verbesserungsmaß-nahmen vorzunehmen.

Ein besonderer Subprozess ist der des Reklamationsmanagements. Hierbei geht es im Wesentlichen darum, bei eingegangener Beschwerde, die Fehler zu identifizieren und die Ursache hierfür zu ermitteln. Sobald die Ursache bekannt ist, können Abstellmaß-nahmen definiert werden, die in Reparatur, Austausch eines Teils, Nacharbeit, finanzieller Kulanzregelung oder in Änderung des Produk- tionssystems münden können. Liegt die Ur-sache beim Lieferanten, wird mit ihm zusam-men eine Abstellmaßnahme erarbeitet, wobei das Controlling der Umsetzung geklärt sein muss. Sollten Reklamationsdaten systematisch anfallen, so ist ein gesonderter statistischer Qualitätsbericht anzufertigen indem ggf. in einem interdisziplinären Team systematische Abstellmaßnahmen erörtert werden. Diese Erkenntnisse resultieren langfristig, wenn sie systematisch erfasst und umgesetzt werden, in Produkt- und Prozessverbesserungen.

Der Referenzprozess Kollaborative Entwick-lung befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbil-dung 4.61 zeigt eine Vorschau der Prozess- dokumentation.

Abbildung 4.61 Referenzprozess

kollaborative Entwicklung

Abbildung 4.60 Phasen der Kollaborativen

Entwicklung

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4. Die Referenzprozesse

73Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

4.12.3 Erläuterung der MethodenAn dieser Stelle werden nur die wichtigsten Methoden vorgestellt. Alle weiteren Methoden werden im Rahmen von Methoden-Steckbrie-fen auf der diesem Handbuch beiliegenden CD erläutert. Hier sollen zunächst die Fehlerbaum-analyse, die Nutzwertanalyse, die Netzwerk-Scorecard, Service-Level-Agreements und ein Auswahlinstrument für Informations- und Kom-munikationstechnologien vorgestellt werden.

FehlerbaumanalyseDie Fehlerbaumanalyse dient der Überprüfung, ob ermittelte Teilspezifikationen Grundlage für ein sicheres und zuverlässiges Gesamtprodukt sind. Im Rahmen der kollaborativen Entwick-lung ist es hierbei sehr wichtig die Verantwort-lichkeiten für die jeweiligen Spezifikationen und Bauteile nachverfolgen zu können. Das Prinzip dieser Methode ist die sukzessive Herleitung von Ursachen eines bestimmten Ereignisses in der Anwendung, welche durch UND- oder ODER-Verknüpfungen realisiert werden.

NutzwertanalyseDas Ziel der Nutzwertanalyse ist die Entschei-dungsunterstützung bei der Auswahl von Alternativen der Produktentwicklung. Verschie-dene Kooperationsformen können hier einan-der gegenüber gestellt werden und anhand von MUSS- oder WUNSCH-Kriterien unterschieden werden72. Die jeweiligen Kriterien werden anhand ihrer Wichtigkeit für ein Entwicklungs-projekt gewichtet und somit priorisiert. Dieses Werkzeug ist einfach zu bedienen, so dass kaum Schulungsaufwand notwendig ist, um damit umzugehen. Die kritische Stelle ist hier die ausgewogene Auswahl von Kriterien, damit nicht schon durch die bloße Zusammenstellung dieser eine Tendenz vorgegeben wird, d. h. sie sollten möglichst trennscharf sein.

Netzwerk-ScorecardDie Netzwerk-Scorecard dient der Transparenz über die Zielerreichung sämtlicher Faktoren, die für eine Kooperation wichtig sind. In den meis-ten Anwendungen besteht sie aus fünf Pers-pektiven und ist der Balanced Scorecard damit sehr ähnlich. Die Perspektiven sind: Finanzen, Ressourcen, Markt, Kooperation und Prozess.

Mit Hilfe von Ursache-Wirkungs-Diagrammen werden pro Perspektive Maßnahmen erarbeitet, die die Gesamtstrategie unterstützen. Durch die Gewichtung der einzelnen Perspektiven wird die unternehmensspezifische Bedeutung der jeweiligen Schwerpunkte deutlich.

Service Level AgreementsDurch Service Level Agreements (SLA) wird Klarheit darüber geschaffen, welche Leistungen in welchem Umfang zu welchen Kosten von Partnern bereitzustellen sind73. Zugesicherte Leistungseigenschaften, wie etwa Reaktions-zeit, Umfang und Schnelligkeit der Bearbeitung werden genau beschrieben. Der Auftraggeber erhält eine in den SLA fixierte Leistung (z. B. Wiederherstellung von Daten) zu einem verein-barten Preis und der Auftragnehmer garantiert, dass er sich an diese Vereinbarung hält.

Methode des kompetenzorientierten KooperationsaufbausDie Methode des kompetenzorientierten Kooperationsaufbaus unterstützt die Anbah-nung von Kooperationen von der Definition der produkt- und prozessseitigen Leistungstiefe bis zur konkreten projektspezifischen Auswahl von Kooperationspartnern. Die Definition der Leistungstiefe stellt insbesondere vor dem Hintergrund der Mechatronisierung und dem dementsprechenden Zeitaufwand zum Aufbau von Kompetenz in den »neuen« Disziplinen Elektronik und Software eine langfristige Ent-scheidung großer Tragweite dar. Daher ist eine Entscheidung auf Basis kurzfristiger wirtschaft-licher Kriterien unzureichend. Vielmehr muss es das Ziel sein, das Unternehmen auf seine Kernkompetenzen zu konzentrieren bzw. die wettbewerbsentscheidenden Kompetenzen aufzubauen. Dafür wird hier eine Kompetenz-bewertung in drei Detaillierungsstufen (Graden) vorgeschlagen. Die Ausrichtung wird dabei bei der Strategieformulierung festgelegt (1. Grad). Die weitere Detaillierung der Kooperationsanbahnung erfolgt durch die Kompetenzbewertung zweiten Grades. Bei der Kompetenzbewertung dritten Grades erfolgt eine differenzierte Betrachtung von Entwicklung und Produktion.

72 Geiger, E.: Methodenbaukasten für Kooperationsprozesse, 200473 Marte, U.: Management von Service Levels, 2007, S. 95-101

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4. Die Referenzprozesse

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IuK-CC-ChoiceDie letzte Methode, die in diesem Rahmen vorgestellt werden soll ist das Tool IuK-CC-Choice. CC steht hier für Competence Center, womit die Zusammenarbeit in Netzwerken gemeint ist. Hier werden gemeinsam mit den Entwicklungspartnern Funktionen definiert, die für eine gemeinsame Software-Anwendung sinnvoll sein können. Die Auswahl für speziell benötigte Funktionen erfolgt über eine Excel-Matrix zunächst unabhängig von Aufgaben. Falls dies benötigt wird, können aufgabenspe-zifische Anpassungen vorgenommen werden. All dies geschieht unter der Beachtung bereits bestehender Software-Lösungen. Die Ergeb-nisse sind Übersichten über Funktionen, die von bestehenden Software-Lösungen abgedeckt werden sowie Funktionen, die bei bestimmten Partnern noch ergänzt werden müssen. Die nachfolgende Abbildung 4.62 zeigt Ausschnitte des Excel-Tools.

4.13 Qualitätscontrolling

4.13.1 Grundlegendes VerständnisDas Qualitätscontrolling dient der Steigerung des Qualitätsniveaus sowohl für Produkte als auch für Prozesse. Die in einem Unterneh-men vorhandenen Geschäftsprozesse werden systematisch erfasst und in einem definierten Zeitabstand durch Quality Gates und Meilen-steine bewertet. Die Prozesse und Produkte werden anhand eines Kriteriensystems erfasst und entsprechend ihrer Priorisierung in Verbes-serungsmaßnahmen, z. B. in Form von Prozess-optimierung, weiter behandelt.

Weiterhin stellt das Qualitätscontrolling intern ein Mittel zur Sicherung des Qualitäts-niveaus der Produkte und Prozesse als auch zur Kosten- und Zeitersparnis dar, was sich auf die gesamte Unternehmensleistung auswirkt. Extern werden die Kundenanforderungen er-füllt, was durch eine positive Außendarstellung zu einem Wettbewerbsvorteil führt. Mit dem Qualitätscontrolling sollen nicht nur Fach- und Führungskräfte adressiert werden, sondern auch Teams, die sich mit Fragen des Qualitäts-managements auseinandersetzen.

Nach einer Studie der Deutschen Gesell-schaft für Qualität e.V. (DGQ) tragen Stellen, die überwiegend dem Qualitätsmanagement gewidmet sind, zum Unternehmenserfolg bei75. Eine Studie des Fraunhofer IPT belegt, dass Unternehmen erfolgreicher sind, wenn sie ein gut funktionierendes Controlling durch Kenn-zahlensysteme haben und die Prozesse klar dokumentiert sind76.

In der Studie, die im Rahmen des Projektes zu systemunabhängigen Referenzprozessen durchgeführt wurde, sind darüber hinaus einige interessante Zusammenhänge zwischen dem Vorhandensein eines funktionierenden Quali-tätscontrollings und weiteren Erfolgsfaktoren aufgedeckt worden.

Je besser das Qualitätscontrolling im Unter-nehmen gelebt wird und so die Kontrollierbar-keit von Prozessen und Produkten erhöht wird, desto robuster ist der Entwicklungsprozess. Konstruktionsänderungen sind nach der Fer-tigungsfreigabe in Unternehmen, die von sich behaupten ein funktionierendes Controlling

Abbildung 4.62 Auswahl-Tool für

IuK-Lösungen im Rahmen von Kollaborativer

Entwicklung74

74 Schmitt, R.; Kukolja, J.: Quality Competence Center, 200675 Deutsche Gesellschaft für Qualität: ExBa-Spezialstudie Qualitätsmanagement, 200476 Pfeifer, T.; Lorenzi, P.: Qualität in produzierenden Unternehmen, 2002

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4. Die Referenzprozesse

75Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

zu haben, kaum noch notwendig. Weiterhin steigert das Qualitätscontrolling die Transparenz von Daten und Abläufen, so dass die Suche von relevanten Informationen erleichtert wird und leistet so einen Beitrag zur Effizienz der Inge-nieursarbeit. Ein gelebtes Qualitätscontrolling resultiert also in der Minimierung des Fehlerrisi-kos bei einer gleichzeitigen Effizienzsteigerung.

Unternehmen, die sich durch besonders qualitativ hochwertige Produkte ein Allein-stellungsmerkmal verschaffen, haben damit auch Erfolg, wenn man den Umsatzanteil von Neuprodukten betrachtet (Produktqualität). Wenn das Qualitätscontrolling die wesentlichen Prozesse eines Unternehmens nachzuhalten vermag, so werden die Projektziele auch viel eher eingehalten (Prozessqualität).

4.13.2 Prozessstruktur und eingebundene RollenMit dem Qualitätscontrolling sollen nicht nur Fach- und Führungskräfte adressiert werden, sondern auch Teams, die sich mit Fragen des Qualitätsmanagements auseinander setzen.

Die Referenzprozesse zum Qualitätscontrol-ling beinhalten die Projektplanung wie auch das Projektmanagement laufender Entwick-lungsprojekte. In der Projektplanung spielen vor allem das Abschätzen von Produktrisiken und die Bewertung aufgrund von voran gegan-genen Erfahrungen eine wichtige Rolle. Gleiches gilt in Anlehnung an das vorige Kapitel natür-lich auch für die Prozesse.

Neben der Identifizierung von Prüfmerk-malen und Toleranzen für Produkte sowie der dazu gehörigen Prüfmittel sind Maßnahmen der statistischen Prozessregelung in Erwägung zu ziehen, um die effiziente Produktion zu gewährleisten. Bestehen Abweichungen zu den vorher definierten Zielgrößen, so sind diese zu analysieren und auf ihre Auftretenswahrschein-lichkeit zu prüfen. Gleichzeitig sollen Probleme inhaltlich und hinsichtlich ihres Auswirkungs-grades priorisiert werden, damit entschieden werden kann welcher Art die Gegenmaßnah- men sein sollen. Diese können reaktiver oder präventiver Natur sein. Die Phasen des Refe-renzprozesses Qualitätscontrolling werden in Abbildung 4.63 dargestellt.

Das Qualitätscontrolling kann differenziert werden hinsichtlich der Art der betriebenen Entwicklungsprojekte. Handelt es sich um lang-sam laufende Prozesse mit Projektcharakter, wie es z. B. bei der Entwicklung und Herstellung geringer Stückzahlen oder der Auftragsentwick-lung der Fall ist, so wird ein eher planerischer Qualitätsansatz verfolgt. Häufig ist es hier so, dass in der Phase der Entwicklung viele Prozesse parallel laufen, da unterschiedliche Spezialis-ten beteiligt sind und gewissen gemeinsamen Qualitätsstandards genügen müssen. Es werden also Prozesse zur Identifikation produktbezo-gener wichtiger Entwicklungszustände be-schrieben, die durch Quality Gates77 versehen werden. Dieses sind inhaltliche Meilensteine zur Synchronisierung paralleler Entwicklungs- aktivitäten. Hierbei ist das Ziel durch neue Module oder Systeme Kunden zu begeistern.

Haben die Entwicklungsprojekte hingegen einen eher schnell laufenden Prozesscharakter mit häufigen Wiederholungen, wie es bei der Entwicklung für die Herstellung hoher Stück-zahlen typisch ist, so wird eher ein 0-Fehler Qualitätsansatz gewählt, der für das Erreichen der Kundenzufriedenheit wesentlich ist. Hierbei ist die Regelung von Rückkoppelungsschleifen eine Herausforderung, der durch Maßnah-men zur Harmonisierung primär sequenzieller Prozesse begegnet werden kann. Hierzu wird im nächsten Kapitel die Methode der Prozess-Struktur-Matrix78 vorgestellt.

Es werden über die Kernprozesse des Qualitätscontrollings zwei weitere Subpro-zesse definiert, auf die besonderes Augenmerk gelegt wird. Zum einen wird die Ableitung von Qualitätsmerkmalen für den Kunden näher betrachtet, da dies ein Bereich ist der häufig durch die Perspektive der Konstruktion ver-nachlässigt wird. Hierzu werden neben direkten

Abbildung 4.63Phasen des Qualitätscontrollings

77 Pfeifer, T.: Qualitätsmanagement, 200178 Rübartsch, M.: Qualitätsmanagementsystem, 2001

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4. Die Referenzprozesse

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Methoden, wie der Kundenbefragung, auch indirekte Methoden vorgestellt, die weniger zeit- und kostenintensiv sind, wie die antizipa-tive Kundenbedarfsanalyse. Gerade die letztere ist eine Methode, die über herkömmliche und bewährte Methoden, wie Quality Function Deployment (QFD) hinausgeht79, 80, da sie auch dazu geeignet ist, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und nicht nur auf bekannte Funk-tionalitäten beschränkt ist.

Ein weiterer wesentlicher Prozess, durch den immense Erkenntnisse für das Qualitätscon-trolling, bezogen auf Produkte und Prozesse, gewonnen werden können, ist das Reklamati-onsmanagement. Hierbei geht es im Wesent-lichen bei eingegangener Beschwerde darum, die Fehler zu identifizieren und die Ursache hierfür zu ermitteln. Sobald die Ursache be-kannt ist, können Abstellmaßnahmen definiert werden, die in Reparatur, Austausch eines Teils, Nacharbeit, finanzieller Kulanzregelung oder in der Änderung des Produktionssystems münden können. Liegt die Ursache beim Lieferanten, wird mit ihm zusammen eine Abstellmaßnahme erarbeitet, wobei das Controlling der Umset-zung geklärt sein muss. Sollten Reklamations-daten systematisch anfallen, so ist ein geson-derter statistischer Qualitätsbericht anzufertigen indem ggf. in einem interdisziplinären Team sys-tematische Abstellmaßnahmen erörtert werden. Diese Erkenntnisse resultieren langfristig, wenn sie systematisch erfasst und umgesetzt werden, in Produkt- und Prozessverbesserungen.

Der Grad der Standardisierung des Quali-tätscontrollings hängt im wesentlichen Maße von der jeweiligen Unternehmensgröße und der Produktkomplexität ab.

Es existieren weiterhin Schnittstellen mit den Prozessen des Risikomanagements, der Auftragsabwicklung sowie dem Einzelpro- jektcontrolling.

Der Referenzprozess kollaborative Entwick-lung befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbil-dung 4.64 zeigt eine Vorschau der Prozess- dokumentation.

4.13.3 Erläuterung der MethodenHier werden sechs Werkzeuge dargestellt, die dem Qualitätscontrolling dienen: die Prozess-Struktur-Matrix, die Quality-Gate-Systematik, Qualitätsregelkreise durch Kennzahlensysteme, ein neuerer Qualitätsansatz GD³ – Mizenboushi & DRBFM (Design Review based on Failure Mode) und die Methode zur Modellierung der Prüfplanung. Neben diesen Methoden werden in den Referenzprozessen noch weitere Metho-den genannt, wie z.B. Hazard Analysen, die durch Methoden-Steckbriefe auf der beiliegen-den CD näher erklärt werden.

Prozess-Struktur-MatrixDie Prozess-Struktur-Matrix (PSM) dient der Absicherung von Geschäftsprozessen mit hohem Wiederholcharakter. Sie beinhaltet die Identifizierung von Prozessschritten und -beteiligten und stellt daraufhin Kunden- Lieferanten-Forderungen auf81. Als Kunden und Lieferanten werden Entwicklungspartner bezeichnet, die gegenseitig Forderungen erfüllen und Informationen und Dokumente weiterleiten müssen. Hierbei ist ein wesentlicher Schritt Kom-munikationsdefizite und Schwachstellen im Wei-tergabe-Prozess aufzudecken und die Ursachen hierfür zu identifizieren und Verbesserungsmaß-nahmen abzuleiten. Hierzu ist es hilfreich, wenn bei festgestellten Engpässen der Weitergabe, die Entwicklungspartner unabhängig voneinander den Stellenwert und die Qualität der Leistung bewerten. Hier entstehende Differenzen sind wertvolle Hinweise zur Klärung der Forderungen und zur Verbesserung des jeweiligen Prozesses. Abbildung 4.65 (siehe nächste Seite) zeigt die Optimierung eines Prozesses anhand der PSM.

Quality-Gate-SystematikQuality Gates synchronisieren, wie oben beschrieben, parallel laufende Entwicklungs-aufgaben und machen dadurch Prozessqualität mess- und bewertbar81. Durch ihre Zielklarheit

Abbildung 4.64 Referenzprozess

Qualitätscontrolling

79 Ferguson, I.; Dale, B.: Quality Function Deployment, 200780 Akao, Y.: Quality Function Deployment, 199281 Prefi, T.: Prozessorientertes Qualitätsmanagement, 1995

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4. Die Referenzprozesse

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fördern sie auch die Kommunikation in den internen Kunden-Lieferanten-Beziehungen bei sequenziell ablaufenden Großprojekten. Sie stellen inhaltliche Synchronisationspunkte dar, an denen alle Anforderungen einer Projekt-phase erfüllt sein müssen. Sie können nicht wie zeitliche Meilensteine überfahren werden, sondern müssen von allen am Entwicklungs-projekt Beteiligten gemeinsam entsprechend der Qualitätsanforderungen durchschritten werden. Ist ein Partner dabei, der den Anforde-rungen nicht entspricht, können auch andere Partner nicht mit der Arbeit der nächsten Phase beginnen. Quality Gates werden mit allen Part-nern vor Beginn eines Entwicklungsabschnitts vereinbart, so dass eine transparente Planung und methodische Absicherung der Entwick-lungsaufgabe gewährleistet ist. Die Synchro-nisation der parallelen Entwicklungsschritte wird durch Previews und Meilensteine erleich-tert. Nach erfolgreichem Durchschreiten der Quality Gates werden Reviews durchgeführt, die das Erfahrungswissen für kommende Pro-jektphasen sichern und nutzbar machen im Sinne von »Lessons Learned«. Das beschriebene Vorgehen wird durch Abbildung 4.66 visualisiert.

Qualitätsregelkreise durch Kennzahlen-systemeQualitätsregelkreise mittels Kennzahlensystemen bieten die Möglichkeit, in sämtlichen Unterneh-mensebenen die Transparenz zu schaffen, die zur konsistenten Führung von Unternehmen notwendig ist. Die genutzten Daten erstrecken sich dabei von der Durchlaufzeit in der opera-tiven Ebene über Qualitätskosten in der Steue-rungsebene bis hin zur aggregierten Bewertung der Qualitätsfähigkeit des Unternehmens in der Führungsebene. Um Kennzahlensysteme sinnvoll einsetzen zu können, empfiehlt sich eine sieben-schrittige Vorgehensweise. Zuerst wird der Prozess aufgenommen, um anschlie-ßend die Leistungsforderungen an die einzelnen Prozessschritte zu definieren (siehe auch PSM). Aus diesen Forderungen werden Qualitätskenn-größen und -merkmale hergeleitet, die in einem Datenblatt zur Vorbereitung der operativen Messung dokumentiert werden. Im fünften Schritt werden die Bewertungen in allen Ebenen durchgeführt. Bei Abweichungen von Soll-Wer-ten werden Ursachen und Zusammenhänge

analysiert. Zuletzt schließt sich die Ableitung von Optimierungsmaßnahen an. Dieses Vorgehen ist auch unter dem Begriff COMPASS-Systematik bekannt.

Mizenboushi & DRBFM (Design Review based on Failure Mode)Mizenboushi, ein innovatives Konzept aus Japan, greift diese Problematiken auf und unterstützt Unternehmen im Umgang mit Änderungen in den frühen Phasen des Produktentstehungs-prozesses. Dieser Ansatz ist von Dr. Tatsuhiko Yoshimura bei Toyota entwickelt und dort bereits erfolgreich implementiert und angewandt wor-den. Das Konzept setzt sich aus den drei Phasen des GD³ (GD-Cube) zusammen:»Good Design«, »Good Discussion« und »Good Dissection«. In diesen Phasen werden verschiedene, etablierte Werkzeuge aus dem Bereich des Qualitätsma-nagements miteinander systematisch verbun-den. Dazu gehören neben der Methode Design Review Based on Failure Mode (DRBFM)82 unter

Abbildung 4.65Abbildung von Forderungen durch die Prozess-Struktur-Matrix

Abbildung 4.66Methode der Quality Gate Systematik

82 Schorn, M.; Kapust, A.: Wie Toyota von DRBFM profitiert, 2005

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4. Die Referenzprozesse

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anderem auch die Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse (FMEA), das Quality Function Deployment (QFD), die Fault Tree Analysis (FTA) sowie das Design Review (DR). Fehlerquellen, die aus Änderungen in der Konstruktion, aus der Umsetzung von Kundenforderungen, aus Innovationen oder aus neu eingesetzten Techno-logien resultieren können, werden so identifiziert und vermieden. Der Ansatz von Mizenboushi beruht auf einem strukturierten Vorgehen, bei dem auf bereits entwickelte und evaluierte Systemkomponenten zurückgegriffen wird, um sich auf die wesentlichen Produktänderungen zu konzentrieren.

Methode zur Modellierung der PrüfplanungDie Methode zur Modellierung der Prüfplanung, auch funktionsorientierte Structured Analysis and Design Technique (SADT) genannt, bildet Funktionen beziehungsweise Tätigkeiten ab, die miteinander vernetzt werden. Die Verbindung erfolgt über Eingangs- und Ausgangsinforma-tionen, die den Funktionen zugeordnet sind. Initiierende Informationen beeinflussen als Aus-löser die Durchführung einer Aktivität. Des Weiteren erlaubt die Methode die Darstellung von Hilfsmitteln, die bei der Durchführung der Tätigkeiten zu benutzen sind83, 84.

Die Methode erfüllt die generellen An-forderungen, die die Prüfplanung an eine Modellierung der Schnittstellen stellt. In Bezug auf die Ausgestaltung ist jedoch eine metho-dische Anpassung erforderlich. Hierzu werden Datenstrukturelemente konzipiert und die differenzierte Betrachtung von Funktionen ermöglicht. Der erweiterte SADT-Baustein modelliert sowohl mehrere Eingangs- und Aus-gangsinformationen als auch die Verwendung mehrerer Hilfsmittel. Zudem ist es möglich, umfangreiche Funktionen zu detaillieren, indem aggregierte Tätigkeiten in Untertätig-keiten aufgespaltet werden.

Bei der Prüfplanung ist eine Differenzierung zwischen den internen und externen Zusam-menhängen zweckmäßig. Während die internen Abhängigkeiten die einzelnen Funktionen der Prüfplanung beschreiben, werden die inter-agierenden Unternehmensbereiche von den externen Schnittstellen erfasst. Die Informations-beziehungen werden gleichermaßen zwischen den aggregierten und den detaillierten Prozessen dargestellt und können individuell, auf die spezi-fische Situation angepasst ausgewertet wer-den. Mit der Erweiterung ist die SADT optimal geeignet, die komplexen Zusammenhänge der Prüfplanung zu modellieren.

4.14 Gestaltung eines belastungsoptimalen Arbeitsumfelds von Simultaneous-Enginee-ring-Teams

4.14.1 Grundlegendes VerständnisDie Bedingungen, unter denen Unternehmen Produkte entwickeln, haben sich in den ver-gangenen Jahren verschärft und führten zu einer Veränderung der Arbeitswelt und damit der Belastungen der Arbeitspersonen. Unter- suchungen belegen eine Stagnation bzw. einen Rückgang körperlicher Belastungenund eine Zunahme psychischer Belastungen85, 86, 87,

88. Aktuelle Gesundheitsberichte dokumen-tieren, dass der Anteil der Arbeitsunfähig-keitstage, die auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind, stetig wächst89. Die allein aufgrund von psychischen Erkrankungen ent-standenen Produktionsausfallkosten werden für 2005 auf rund 4 Mrd. Euro geschätzt90. Gerade im Entwicklungsumfeld steigt mit der Bedeutung des Simultaneous Engineering als Organisationskonzept mit vorwiegend infor-matorisch-mentalen Aufgaben die Belastung der Mitarbeiter durch Zeitdruck, Informati-onsunsicherheit, steigende Arbeitsintensität, häufige Unterbrechungen und Mehrfachzuge-hörigkeit zu Teams91.

83 Ross, D.: Structured Analysis, 197784 Schulz, A.: Software-Entwurf, 199085 Bamberg, U.: Normung zur psychischen Belastung, 2002, S. 529-53386 Nachreiner, F.: Normung im Bereich der psychischen Belastung, 2002, S. 519-52487 Ullsperger, P.; Windel, A.: Psychische Belastung und Beanspruchung aus Sicht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz

und Arbeitsmedizin, 2002, S. 77-7988 Holm, M.; Geray, M.: Integration der psych. Belastung in die Gefährdungsbeurteilung, 2006, S.589 BKK: BKK Gesundheitsreport 2007, S. 12f90 Baua: Gesundheitsschutz in Zahlen 200591 Kabel, T.: Untersuchung psychischer Belastung und Beanspruchung in Entwicklungs- und Planungsprojekten, 2007, S. 20

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4. Die Referenzprozesse

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Durch die Etablierung eines Prozesses zur »Gestaltung eines belastungsoptimalen Arbeits-umfelds« werden die Arbeitspersonen und ihre Arbeitsbedingungen im Kontext von Simulta-neous Engineering (SE) stärker in den Fokus gerückt. Die Motivation, Maßnahmen zum Abbau bzw. zur Vermeidung von Fehlbeanspru-chungen zu ergreifen, resultiert dabei nicht nur aus den arbeitsschutzrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers. Auch aus wirtschaftlichen Grün-den kann die Optimierung von Arbeitsbedin-gungen unter Belastungsaspekten sinnvoll sein, indem die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beschäftigten gefördert, Fehlerhäufigkeiten reduziert, Krankenstände gesenkt und insge-samt die Produktivität (Effizienz und Effektivität) von SE-Teams gesteigert wird.

Voraussetzung für die Ableitung betriebs-spezifischer Gestaltungsmaßnahmen ist eine systematische Analyse unter Einsatz geeigneter Methoden und Instrumente.

4.14.1.1 Begriffsklärung: Belastung und BeanspruchungUnter Belastungen werden die äußeren Merk-male der Arbeitssituation (z. B. Arbeitsaufgabe, physikalisch-chemische und soziale Umge-bungsbedingungen, besondere Ausführungs-bedingungen wie Zeitdruck etc.) verstanden, während unter Beanspruchungen die Reak-tionen (körperlich-physiologisch, mental und emotional) des arbeitenden Menschen auf diese Bedingungen subsumiert werden92. Die Bean-spruchung ist dabei nicht nur eine Funktion der Belastung, sondern hängt auch von individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten (z. B. Gewöhnungsgrad, Qualifikation, Bewälti-gungsstrategien, »Belastbarkeit«) des Individu-ums ab93, so dass bei verschiedenen Menschen die gleiche Belastung zu unterschiedlichen Beanspruchungen führt94. Der Begriff Belastung ist wertneutral. Ob und in welchem Ausmaß Fehlbeanspruchungen auftreten und zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Beein-trächtigung der Leistungsfähigkeit und/ oder -bereitschaft führen, hängt nicht nur von der Art und Höhe der Belastung und der Dauer

ihres Einwirkens, sondern auch vom Individuum ab. Zu den kurzfristigen Folgen psychischer Fehlbeanspruchung zählen psychische Ermü-dung, Monotonie, psychische Sättigung, herab-gesetzte Wachsamkeit und Stress95. Mögliche langfristige Folgen sind allgemeine psycho-somatische Störungen und Erkrankungen, stressbedingte Erkrankungen, Ausgebranntsein (Burnout), mangelnde Arbeitszufriedenheit, Demotivation, Fehlzeiten, Fluktuation und Frühverrentung96.

4.14.1.2 Haus der Arbeitsfähigkeit nach IlmarinenDer Referenzprozess zur Gestaltung eines belastungsoptimalen Arbeitsumfelds baut auf dem sog. Haus der Arbeitsfähigkeit auf. Das von Ilmarinen entwickelte Modell beschreibt mit Hilfe von 4 Stufen (»Stockwerken«) die Abhän-gigkeit der Arbeitsfähigkeit eines Mitarbeiters von seinem gesundheitlichen Zustand, seiner Kompetenz, den vorhandenen Werten bzw. seiner Motivation sowie der von ihm zu ver-richtenden Arbeit (siehe Abbildung 4.67). Jeder Missstand auf einer der Ebenen führt je nach seiner Beschaffenheit zu einer physischen oder psychischen Belastung, die durch eine Über-

92 Luczak, H.: Arbeitswissenschaft, 1998, S. 3193 Rohmert, W.: Das Belastungs-Beanspruchungs-Konzept, 1984, S. 199-20894 Luczak, H.: Arbeitswissenschaft, 1998, S. 3195 DIN EN ISO 10075-1, Ergonomische Grundlagen bzgl. psych. Arbeitsbelastung, 200096 Bundesverband der Unfallkassen, Psychische Belastungen am Arbeitsplatz, 2005, S. 1397 Illmarinen, J.; Tempel, J.: Arbeitsfähigkeit 2010, 2002

Abbildung 4.67Haus der Arbeitsfähigkeit nach Illmarinen97

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4. Die Referenzprozesse

80Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

bzw. Unterbeanspruchung der Arbeitsfähigkeit abträglich sein kann. Eine gleichberechtigte, interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Beteilig-ten (Mitarbeiter/innen, Führungskräfte, Arbeits- und Gesundheitsschutz, Betriebsrat) ermög-licht es, frühzeitig Maßnahmen der betrieb-lichen Gesundheitsförderung zur Vermeidung von vorzeitiger Erwerbsunfähigkeit, Krankheit, Fluktuation und Leistungsdefiziten zu ergreifen und im Weiteren die Persönlichkeitsentwicklung und -entfaltung positiv zu beeinflussen.

4.14.2 Prozessstruktur und eingebundene Rollen Der Prozess »Gestaltung eines belastungsopti-malen Arbeitsumfelds« kann als Handlungsleit-faden interpretiert werden, der hilft, Fehlbean-spruchungen bzw. ihre Folgen zu identifizieren, Instrumente zur Analyse der Ursachen auszu-wählen und Maßnahmen abzuleiten, um diese zu beheben und nachhaltig zu vermeiden (siehe Abbildung 4.68).

Treten bei einem oder mehreren Mitarbei-tern/rinnen Anzeichen von Fehlbeanspruchung, wie z. B. Häufung von Fehlern, hoher Kranken-stand, Leistungsabfall oder geringe Motivation auf, wird ein Projekt zur Belastungsoptimierung durch die Führungskräfte oder die Akteure des Arbeits- und Gesundheitsschutzes unter Ein-bindung des Betriebsrats initiiert. Die betrof-fenen Beschäftigten und ihre Vorgesetzten sind frühzeitig über das Ziel und das Vorgehen zu informieren. Der Prozess überträgt dem betrieb-lichen Arbeits- und Gesundheitsschutz eine zentrale Rolle bei der Projektabwicklung. Sind entsprechende Strukturen im Unternehmen nicht vorhanden, kann diese Rolle auch von an-deren Organisationsmitgliedern oder externen Beratern übernommen werden. Abbildung 4.69 gibt einen Überblick über häufig auftretende Belastungsfaktoren in SE-Teams, die Fehlbean-spruchungen zur Folge haben können.

Zur Analyse von Belastungen und Be- anspruchungen stehen aus der Arbeitswissen-schaft zahlreiche Instrumente zur Verfügung. Tabelle 4.1 zeigt eine Auswahl von Instrumen-ten, die aufgrund ihres Gegenstandsbereichs für den vorliegenden Einsatzkontext prinzi- piell geeignet sind. Eine ausführliche Dar- stellung und weitere Instrumente finden sich bei Kabel99.

In der Regel ist aufgrund des unterschied-lichen Gegenstandsbereichs der Einsatz meh-rerer Instrumente erforderlich. Die Instrumente unterscheiden sich darüber hinaus in Bezug auf die zur Anwendung kommenden Analyse-methoden (schriftliche / mündliche Befragung, Beobachtung), ihren Detaillierungsgrad, den Aufwand für die Durchführung und Auswer-tung, ihre Anforderungen an die Kompetenz des Anwenders und ihre empirische Fundie- rung (wissenschaftliche Gütekriterien).

Abbildung 4.68 Phasen der Gestaltung

eines belastungsoptimalen Arbeitsumfelds

98 Kabel, T.: Untersuchung psychischer Belastung und Beanspruchung in Entwicklungs- und Planungsprojekten, 2007, S. 5099 Kabel, T.: Untersuchung psychischer Belastung und Beanspruchung in Entwicklungs- und Planungsprojekten, 2007, S. 55f

Abbildung 4.69 Belastungsfaktoren in

Entwicklungs- und Planungsprojekten98

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4. Die Referenzprozesse

81Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Tabelle 4.1Eignung der Verfahren zur Analyse von Belastungen und Beanspruchungen in SE-Teams (in Erweiterung nach100)100 Kabel, T.: Untersuchung psychischer Belastung und Beanspruchung in Entwicklungs- und Planungsprojekten, 2007

Arbeits-bewälti-gungs-index

ABI/WAI

Frage- bogen zur Arbeits-analyse

FAA

Instru-ment zur stressbe-zogenen

Tätigkeits-analyse

ISTA

Job Diagnostic Survey JDS

Psych. Belas-

tung und Beanspru-chung in Entwick-

lungs- und Planungs-projekten

PEPP

Rhia-VERA Büroarbeit

Saluto-genetische subjektive Arbeits-analyseSALSA

Tätigkeits-analyse-inventar

TAI

Erscheinungsjahr 2001 1978 1984 1975 2007 1993 1993 1993

Arb

eit

Unzureichendes Projektma-nagement und schwache Struktur

X X

Personelle Desintegration und Besetzungs-wechsel

X X X X

Hierarchie-, Abteilungs- und Projektdenken

X X X X

Externe Einflüsse X X X X

Komplexität und Interdepen-denzen

X X X X X X X X

Unsicherheit X X X X X X X

Interdisziplina-rität

X

Defizite Projekt-gruppe

X X X X X X

Wer

te u

nd

Kom

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nz

Defizite Indivi-duum

X X X X X X X

Ges

undh

eit

Gesundheit X X X X X

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4. Die Referenzprozesse

82Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Für einige Instrumente fallen Lizenzgebühren an (z. B. AVEM). Bei der Instrumentenauswahl gilt es, diese Unterschiede in Form von Krite-rien zu berücksichtigen und im Hinblick auf die betriebs- bzw. projektspezifischen Ziele und Bedingungen zu gewichten und zu beurteilen. Für eine erste Groberfassung (Screening) von Fehlbeanspruchungsfolgen sei auf die Check-listen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (www.baua.de) verwiesen.

Auf Basis der Zustimmung des Betriebs-rates führen die Akteure des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes oder der Betriebsarzt, der bei einigen Methoden wie dem ABI obligatorisch ist, das Verfahren unter freiwilliger Teilnahme der Beschäftigten und unter Mitwirkung der Vorgesetzten durch. Die

Ergebnisse werden ausgewertet und ggf. zu-sammen mit den Beschäftigten analysiert. Die Ableitung von technischen, organisatorischen und personenbezogenen Maßnahmen zur Reduzierung von Fehlbeanspruchungen bzw. zur Verbesserung der Belastungssituation kann zum Beispiel im Rahmen von Gesundheits-zirkeln erfolgen. Ggf. werden andere Fachab-teilungen involviert, beispielsweise die Perso-nalentwicklung bei Maßnahmen im Bereich fehlender sozialer, methodischer oder persön-licher Kompetenzen. Konkrete Gestaltungs-empfehlungen finden sich i.d.R. in den zu den Instrumenten veröffentlichten Handbüchern und Studien sowie generell in der einschlä-gigen arbeitswissenschaftlichen Fachliteratur. Nach erfolgter Abstimmung und Priorisierung der Maßnahmen kann mit der Umsetzung der Maßnahmen begonnen werden.

Anhand der Entwicklung der ursprünglich auslösenden Indikatoren sowie in Gesprächen

mit den Beteiligten ist die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen. Im Sinne der Nachhaltigkeit werden die Beanspruchungs-folgen, das eingesetzte Verfahren, die durch-geführten Maßnahmen und der Erfolg als Lessons Learned dokumentiert und stehen bei einer erneuten Methodenauswahl als Erfah-rungswissen zur Verfügung.

Im Prozess wird im Sinne einer korrektiven Arbeitsgestaltung davon ausgegangen, dass bereits eingetretene Folgen von Fehlbeanspru-chungen eine erstmalige Projektdurchführung auslösen. An dieser Stelle sei betont, dass der Prozess im Sinne der Prävention (prospekti-ven Arbeitsgestaltung) auch dann durchlaufen werden sollte, wenn entsprechende Indikato-ren noch nicht vorliegen. Um Führungskräfte für die Kausalität zwischen Belastung und Beanspruchung zu sensibilisieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, Fehlbeanspruchungen regelmäßig im Rahmen von Personalgesprächen zu identifizieren, sind entsprechende Schu-lungen zu empfehlen, die beispielsweise von der BAuA oder den Berufsgenossenschaften angeboten werden.

Der Referenzprozess Gestaltung eines belastungsoptimalen Arbeitsumfelds befindet sich mit seinen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbildung 4.71 zeigt eine Vorschau der Prozessdokumentation.

4.14.3 Erläuterung der Instrumente und MethodenFragebogen zum Arbeitsbewältigungsindex (ABI)

Der Fragebogen zum Arbeitsbewälti-gungsindex (ABI) ist ein Messinstrument zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Arbeits-fähigkeit von Erwerbstätigen. Der Fragebogen wird vom Beschäftigten eigenständig oder in Zusammenarbeit mit dem Betriebsarzt bear-beitet. Er dient insbesondere zur Früherken-nung von drohender Erwerbsunfähigkeit, der individuellen Beratung und der Evaluation von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsför-derung. Die Teilnahme ist dabei stets freiwillig und ist zustimmungspflichtig sowohl von der Geschäftsführung als auch vom Betriebsrat/Personalrat und darf ausschließlich von Prä-ventivfachleuten (Arbeitsmedizinern, teilweise Arbeitspsychologen) durchgeführt werden. Der ABI enthält sieben Fragendimensionen: Arbeits-bewältigungsfähigkeit im Vergleich mit der

Abbildung 4.71 Prozess zur Gestaltung

eines belastungsoptimalen Arbeitsumfelds

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4. Die Referenzprozesse

83Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

101 BAUA: Der Work Ability Index im Einsatz für ARbeitsfähigkeit und Prävention, 2007102 McCormick, E.; Jeanneret, P.; Mecheam, R.: The Development and Background of the Position Analysis Questionnaire, 1969103 Frieling, E.: Fragebogen zur Arbeitsanalyse, 1999, S.113-123104 Hacker, W.: Allgemeine Arbeitspsychologie, 1998105 Semmer, N.: Stressbezogene Tätigkeitsanalyse, 1984106 Semmer, N.; Zapf, D.; Dunckel, H.: Instrument zur stressbezogenen Tätigkeitsanalyse, 1999, S. 179-204107 Schmidt, K. et al.: Der Job Diagnostic Survey, 1985, S. 162-172108 Hackman, J.; Oldham, G.: Development of the Job Diagnostic Survey, 1975, S. 159-179109 Kamrad, K.: Anwendung und Erweiterung des Job Characteristics Models, 2005110 Kulik, C.; Oldham, G.; Langner, P.: Measurement of Job Characteristics, 1988, S. 462-466

besten jemals erreichten, Arbeitsbewältigungs-fähigkeit im Verhältnis zu den Anforderungen der Arbeit, Anzahl der aktuellen Krankheiten, geschätzte Behinderung bei der Arbeit als Folge der Erkrankungen, Krankenstand während der vergangenen 12 Monate, eigene Vorhersage über die Arbeitbewältigungsfähigkeit ab jetzt innerhalb der nächsten zwei Jahre und mentale Ressourcen und Befindlichkeiten101.

Fragebogen zur Arbeitsanalyse (FAA)Der FAA ist ein handlungsorientiertes und

bedingungsbezogenes Arbeitsanalyseverfahren und basiert auf dem Position Analysis Question-naire (PAQ) entwickelt von Mc Cormick et al.102. Durch eine relativ abstrakte Formulierung der Items ist der Anwendungsbereich unabhängig von Branchen und Tätigkeitsfeldern. Der FAA setzt sich aus 221 Items zusammen und gliedert sich in die vier Hauptabschnitte Informationsauf-nahme und Informationsverarbeitung, Arbeits-ausführung, arbeitsrelevante Beziehungen sowie Umgebungseinflüsse und besondere Arbeitsbe-dingungen. Das Verfahren analysiert den Arbeits- platz, die Position oder die Arbeitstätigkeit eines Mitarbeiters. Es eignet sich, um Arbeits-tätigkeiten/Positionen zu beschreiben bzw. zu klassifizieren und anschließend mit ähnlichen Positionen zu vergleichen103.

Instrument zur stressbezogenen Tätigkeits-analyse (ISTA)Das Instrument zur stressbezogenen Tätigkeits-analyse (ISTA) ist ein bedingungsbezogenes Stressanalyseverfahren zur Erfassung arbeits-platzbezogener Stressoren, Ressourcen und Anforderungen. Es wird eingesetzt als Scree-ning-Instrument im Arbeitsgestaltungsprozess, da es die Analyse von Belastungsschwerpunk-ten am Arbeitsplatz ermöglicht. Zudem erlaubt es Vergleiche von Arbeitstätigkeiten und kann zur Abschätzung der Folgen von Arbeitsgestal-tungsmaßnahmen eingesetzt werden. Vor dem theoretischen Hintergrund der Hand-

lungstheorie nach Hacker104 werden Regulati-onsprobleme, Regulationsmöglichkeiten und Regulationsanforderungen für den Arbeitspro-zess erfasst. Das Ziel ist es deren förderliche bzw. hinderliche Auswirkungen auf Wohlbefin-den und Gesundheit festzustellen. ISTA existiert als Fragebogenversion für Mitarbeiter und als Beobachtungsversion. Ergänzt werden kann es durch tätigkeitsspezifische Module (z. B. für Bürotätigkeiten)105, 106.

Job Diagnostic Survey (JDS)Der JDS ist ein Fragebogen zur subjektiven Arbeitsanalyse (deutsche Fassung von Schmidt et al.107). Er beruht auf dem »Job Characteri-stics Model«, das von Hackman und Oldham108 entwickelt wurde, um den Zusammenhang zwi-schen Merkmalen der Arbeitstätigkeit und per-sönlichen und arbeitsbezogenen Ergebnissen, wie Arbeitszufriedenheit, (intrinsische) Motivati-on, Qualität der Arbeitsergebnisse, Absentismus und Fluktuationsrate, zu erklären. Nach dem Modell sind fünf »Kerndimensionen« für eine Tätigkeit charakteristisch: Anforderungswech-sel, Aufgabengeschlossenheit, Wichtigkeit der Aufgabe, Autonomie und Rückmeldung. Diese Tätigkeitsmerkmale verursachen beim Arbei-tenden sogenannte »kritische psychologische Erlebniszustände« (erlebte Bedeutsamkeit der Arbeit, erlebte Verantwortung für die Arbeit, Wissen um die Ergebnisse der Arbeit), die wie-derum auf die Ergebnisvariablen wirken. Der JDS operationalisiert das Modell und umfasst sieben Hauptskalen, die an die Kerndimensio-nen angelehnt sind. Die in den einzelnen Dimen-sionen abgegebenen Bewertungen werden zu einem Gesamtwert, dem sogenannten »Moti-vating Potential Score (MPS)«, verrechnet109, 110.

Psychische Belastung und Beanspruchung in Entwicklungs- und Planungsprojekten (PEPP)Der Fragebogen PEPP ist für die Anwendung in Entwicklungs- und Planungsprojekten ent-

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4. Die Referenzprozesse

84Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

wickelt worden und ist die Weiterentwicklung der im SFB 361 entwickelten Methode »Analyse von Belastungsfaktoren im SE-Umfeld« (ABF-SE). PEPP liefert einen Überblick über die herr-schende Belastungssituation durch Störungen im Arbeitsumfeld und durch die Aufgabe. Die Beantwortung des Fragbogens durch die Mit-arbeiter ermöglicht es, ein differenziertes Bild der Belastungssituation zu ermitteln, Effekti-vitätseinbußen aufzudecken und konkrete Gestaltungs- und Qualifizierungsmaßnahmen abzuleiten. Durch Bildung einer Rangfolge der Belastungsfaktoren können Belastungsschwer-punkte identifiziert werden und in Gruppen-sitzungen diskutiert und Sofortmaßnahmen ergriffen werden. Der Fragebogen besitzt 63 Belastungsdimensionen, die jeweils nach ihrer Auftretenshäufigkeit, dem Belastungsempfin-den und der Beeinträchtigung der Aufgabener-ledigung und damit nach den Auswirkungen auf die Effektivität und Effizienz, bewertet werden müssen111.

Rhia-VERA BüroarbeitDie Analyse psychischer Anforderungen und Be-lastungen in der Büroarbeit konzentriert sich auf Tätigkeiten im Bereich von Büro und Verwaltung und zielt auf die Analyse der durch Arbeitsauf-gaben geforderten Denk- und Planungsprozesse sowie auf die Ermittlung psychisch belastender Arbeitsbedingungen ab. Dabei kann in einem Beobachtungsinterview untersucht werden, ob die an einem Arbeitsplatz vorhandenen Arbeits-bedingungen menschlichem Handeln angemes-sen sind. Als Ergebnis der Analyse erhält man ferner Bewertungen der untersuchten Arbeits- tätigkeit und praxisnahe Hinweise zur Beseiti-gung festgestellter Mängel112.

Salutogenetische subjektive Arbeitsanalyse (SALSA)Das Verfahren SALSA erfasst Arbeitsbedin-gungen, die dazu beitragen, dass Mitarbeiter trotz Belastungen gesund bleiben. Der dazu notwendige »Fragebogen zur persönlichen

Situation im Beruf und Betrieb« besteht aus fünf Teilen: (A) Angaben zur Person; (B) Arbeit und Betrieb; (C) Privatbereich und Freizeit; (D) Persönliche Einstellungen und (E) Gesundheit und Krankheit. Den Kern des Fragebogens bilden die Items zur Arbeit und Gesundheit, in denen die Arbeitsplatzinhaber das Vorhan-densein und die Ausprägung von Belastungen, Aufgabenmerkmalen sowie sozialer und orga-nisationaler Ressourcen der Arbeit beurteilen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Arbeitsbedingungen und salutogenetischen Ressourcen, die dazu beitragen, dass Beschäf-tigte ihre Gesundheit trotz Belastungen auf-rechterhalten und wiederherstellen können113, 114.

Tätigkeitsanalyseinventar (TAI)Das Tätigkeitsanalyseinventar besitzt insgesamt 2055 Items und erlaubt damit eine differen-zierte Analyse von Arbeitstätigkeiten. Dabei werden Arbeitstätigkeiten nicht isoliert, son-dern im Kontext ihrer organisatorisch-tech-nischen und hierarchisch-strukturierten Ein- bettung in das Beschäftigungssystem analy-siert. Das TAI kommt deshalb in der Belastungs- und Gefährdungsermittlung zur Anwendung, um organisatorische, technische und ergono-mische Schwachstellen bzw. Gestaltungser-fordernisse zu identifizieren. Er wird ebenfalls eingesetzt, um Qualifikationsanforderungen für die Ableitung von Ausbildungsinhalten und Lernzielen abzuleiten sowie zur Entwicklung von arbeits- und anforderungsgerechten Trainingskonzepten115, 116, 117.

4.15 Personalauswahl und -entwicklung

4.15.1 Grundlegendes VerständnisIm Kontext des Simultaneous Engineering spie-len Personalauswahl (PA) und Personalentwick-lung (PE) angesichts des bereits bestehenden und sich aufgrund demografischer Entwicklun-gen zukünftig noch verschärfenden Fach- und Führungskräftemangels eine entscheidende Rolle. Laut IW-Zukunftspanel konnten im

111 Kabel, T.: Untersuchung psychischer Belastung und Beanspruchung in Entwicklungs- und Planungsprojekten, 2007112 Leitner, K. et al.: Das RHIA/VERA-Büro-Verfahren, 1993113 Rimann, M; Udris, I.: Der Fragebogen SALSA, 1997, S. 281-298114 Udris, I.; Rimann, M.: SAA und SALSA, 1999, S. 397-419115 Frieling, E. et al.: Tätigkeitsanalyseinventar, 1993116 Kannheiser, W.: Ergebnisse und Einsatzmöglichkeiten des Tätigkeits-Analyse-Inventars, 1997, S. 69-85117 Frieling, E.: Tätigkeitsanalyseinventar, 1999, S. 397-419118 Institut der Deutschen Wirtschaft, IW-Zukunftspanel, 2007

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4. Die Referenzprozesse

85Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Jahr 2006 etwa 165.000 Stellen für Hoch-qualifizierte mangels Bewerbern nicht besetzt werden, mehr als 75% davon in technischen Qualifikationsgruppen118. Damit verbundene Auftragsverluste oder Verzögerungen in den Bereichen Entwicklung und Produktion haben große negative Auswirkungen auf die Wert-schöpfung der betroffenen Unternehmen.

Diese Herausforderungen unterstreichen die Notwendigkeit eines strategischen und systematischen Personalmanagements. Viele Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere, betreiben jedoch eine uneinheitliche und sehr pragmatische Personalauswahl und entwick-lung. Das führt dazu, dass sich Einstellungen oft auf Intuition statt auf Fakten gründen und die Personalprozesse auf Außenstehende oft inkon-sistent und intransparent wirken. Die Folge von personellen Fehlentscheidungen sind Über- oder Unterforderung des Personals, was zu Unzufrie-denheit, Demotivation und schließlich zu hohen Fluktuationskosten führt. Laut einer Studie des Gallup Instituts war 2002 nur 15% des Personals engagiert bei der Arbeit. Der dadurch entstande-ne gesamtwirtschaftliche Schaden wird auf ca. 221.1 Mrd. Euro geschätzt119. Die Neigung vieler Unternehmen sehr hohe Stellenanforderungen zu formulieren (High Potentials) forciert darüber hinaus die Schwierigkeiten bei der Personal- beschaffung.

Mit den Referenzprozessen zur Personal-auswahl und -entwicklung erhalten Unterneh-men handlungsleitende Unterstützung bei der Einführung und Etablierung methodengestütz-ter, standardisierter und transparenter Prozesse im Personalbereich. Durch einheitliche und objektive Prozesse bei der Personalauswahl wird die Passgenauigkeit von Stelle und Bewerber er-höht und somit die Leistung und Motivation im Unternehmen gefördert. Das Auswahlverfahren dient weiterhin als Informationsgrundlage für eine bedarfsgerechte und gezielte Personalent-wicklung. Diese trägt dazu bei, erfolgsrelevante Kompetenzen im Unternehmen auszubilden und somit die Besetzung wichtiger Positionen im Unternehmen zu sichern. So lassen sich vorhandene Mitarbeiterpotentiale erkennen und effizient nutzen. Zudem ergeben sich

durch gut ausgebildetes, motiviertes Personal Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Unter-nehmen.

4.15.2 Begriffsklärung: Personalauswahl und PersonalentwicklungDie Hauptaufgabe der Personalauswahl ist es, diejenige Person aus einer Anzahl potenzieller Bewerber auf eine Stelle herauszufiltern, welche die beste Chance hat, innerhalb dieser Position erfolgreich zu sein. Die Personalaus-wahl versucht mit ihren Methoden eine Verhal-tensprognose der Bewerber in Bezug auf die zu besetzende Position zu erstellen. Die Ver-haltensprognose bezieht sich hierbei auf die Eignung. Die Eignung bezeichnet die Erfolgs-wahrscheinlichkeit für eine Tätigkeit, einen Beruf oder eine Berufsklasse und ist abhängig von der Übereinstimmung von Personenmerk-malen und Arbeitsanforderungen120.

Voraussetzung für die Personalauswahl ist es, eine genügende Anzahl potenziell geeig-neter Bewerber zu gewinnen. Die hierzu notwendigen Aktivitäten gehören klassischen Definitionen zufolge zum Aufgabengebiet der Personalbeschaffung. Da die Prozesse der Personalbeschaffung und der Personalaus-wahl eng miteinander verknüpft sind, wer-den im Referenzprozess »Personalauswahl« abweichend von der obigen eng gefassten Definition auch vorgelagerte Aktivitäten der Auftragsklärung und der Beschaffung berück-sichtigt.

Die Personalentwicklung umfasst alle geplanten Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung der individuellen beruflichen Handlungskompetenz. Die Ziele der Personal-entwicklung bestehen im Aufbau, der Ent-wicklung und der systematischen Förderung von Qualifikationen und Persönlichkeitsmerk-malen, die zur Bewältigung der beruflichen Anforderungen benötigt werden121, 122.

4.15.3 Einordnung in das betriebliche Human-Resource-ManagementDas betriebliche Human-Resource-Manage-ment umfasst neben der Personalauswahl und entwicklung weitere Funktionen und Aufga-

119 Gallup GmbH, Milliardenverluste, 2004120 Schuler, Psychologische Personalauswahl, 2000121 Sonntag, K.: Personalentwicklung, 2006a122 Becker, M.: Systematische Personalentwicklung, 2005

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4. Die Referenzprozesse

86Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

ben (siehe Abbildung 4.72), die mit Blick auf die strategische Ausrichtung und die Ziele des Unternehmens aufeinander abzustimmen sind. Wenngleich die nachfolgend beschriebenen Referenzprozesse letztlich nur einen Ausschnitt der notwendigen personalbezogenen Aktivi-täten abbilden, liefern sie an entscheidenden Punkten die notwendigen Anregungen für den Aufbau eines unternehmensweiten systema- tischen und strategischen Human-Resource- Managements.

Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass die im Zuge der Personalauswahl definierten Anforderungen an das Personal auch in den an-deren Prozessen des Human-Resource-Manage-ments Anwendung finden sollten. Die Berück-sichtigung der Anforderungen beispielsweise bei der Personalbeurteilung oder in Personal-entwicklungsgesprächen setzt allerdings voraus,

dass Führungskräfte und Vorgesetzte sowohl instrumentell als auch methodisch von Seiten der Personalabteilung unterstützt werden (z. B. durch Gesprächsleitfaden, Schulungen).

4.15.4 Prozessstruktur und eingebundene RollenDie personalbezogenen Referenzprozesse gliedern sich in die Teilprozesse »Personalaus-wahl« und »Personalentwicklung«. Zwischen beiden Teilprozessen kann eine Phase des Personaleinsatzes liegen. Ein direkter Übergang liegt vor, wenn der Personaleinsatz von einer Personalentwicklungsmaßnahme begleitet oder vorbereitet wird (z. B. Traineeprogramm). Einen groben Überblick über die Phasen der Teilpro-zesse gibt Abbildung 4.73.

4.15.4.1 PersonalauswahlMit der Feststellung des quantitativen Perso-nalbedarfs wird der Personalauswahlprozess gestartet. Nach der Auftragsklärung, in der festgelegt wird, wer für welche Inhalte im gesamten Personalauswahlprozess verantwort-lich ist, erfolgt die qualitative Bedarfsanalyse. Hierbei werden sowohl aus den Ergebnissen der Arbeitsplatz- und Anforderungsanalyse als auch den Organisationszielen Anforderungen für die zu besetzende Stelle abgeleitet. Für die Analyse des Arbeitsplatzes können unterschied-liche Methoden herangezogen werden, wie die Auswertung von schriftlichem Material oder die Beschreibung der Arbeitsplatzsituation durch Beobachtung oder Befragung der Arbeitsplatz-inhaber. Aus der Arbeitsplatzanalyse werden Aufgaben- bzw. Ergebnis-, Verhaltens- und Eigenschaftsanforderungen abgeleitet. Bei der Anforderungsdefinition ist auf eine realistische Formulierung zu achten. Überhöhte Anforde-rungen können die Personalrekrutierung erheb-lich erschweren, die Kosten für das Personal unnötig erhöhen und sich u. U. auch nachteilig auf die Arbeitszufriedenheit und die langfristige Personalbindung auswirken. Zur prospektiven Arbeitsgestaltung und -bewertung kann auch die im SFB 361 entwickelte Methode Space+ eingesetzt werden, welche die frühzeitige Ableitung von Qualifikationsanforderungen an Produktionsmitarbeiter/innen erlaubt123.

Abbildung 4.72Aufgabengebiete des Human

Resource Managements

Abbildung 4.73 Phasen der Personalauswahl

und Personalentwicklung

123 Mütze-Niewöhner, System zur prospektiven Arbeitsgestaltung, 2003

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4. Die Referenzprozesse

87Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Die Anforderungen bilden die Grundlage für die Konstruktion bzw. Auswahl von Verfahren zur Personalauswahl sowie für die Ableitung von Kriterien für den Berufserfolg zur Validie-rung der eingesetzten Verfahren. Bevor auf Grundlage der Arbeitsanforderungen die Aus-wahlkriterien und deren Gewichtung festgelegt werden können, müssen Schätzungen über das Angebot von qualifizierten Bewerbern, den Anteil geeigneter Bewerber in der Bewerber-gruppe und das Kosten-Nutzen-Verhältnis ver-schiedener Verfahren vorgenommen werden. Erst dann werden die Kriterien der Personalaus-wahl festgelegt und das Soll-Profil erstellt124, 125.

Nachdem der Betriebsrat den Auswahlkrite-rien zugestimmt hat, erfolgt die Festlegung und Planung des Auswahlverfahrens durch die Personalabteilung. Bevor eine Auswahl und Zu-sammenstellung der Verfahren erfolgt, sollten mögliche Verfahren unter den Gesichtspunkten Objektivität, Zuverlässigkeit und Validität, aber auch Zielgruppen- und Situationsangemessen-heit sowie Ökonomie bewertet werden126, 127. Nach der Verfahrensauswahl folgt die Auswahl des Evaluationsansatzes und die Entwicklung von Kriterien zur Überprüfung von Kosten, Ren-tabilität und Erfolg des Verfahrens. Bei bereits im Unternehmen durchgeführten Verfahren sollten diese Aspekte erneut überprüft werden. Dann wird das Evaluationsdesign festgelegt und alle notwendigen Dokumente für die Evaluation erstellt.

Mit der Bewerberansprache beginnen die operativen Prozessschritte der Personalauswahl. Die Stellenanzeige wird in Zusammenarbeit von Personal- und betreffender Fachabteilung for-muliert. Dabei muss zwischen interner und externer Suche unterschieden werden. Bei der Kommunikation zwischen Bewerber und Unter-nehmen gilt es, die geeignete Quelle (z. B. das Unternehmen oder Online-Jobbörsen) der Nach-richt (z. B. Stellenanzeige, Eingangsbescheid oder Einladung), den geeigneten Kanal (z. B. Email, Briefpost oder SMS) und die Frequenz (Anzahl und zeitliche Verteilung) auszuwäh-len128. Aus den eingegangenen Bewerbungen

werden durch die Personalabteilung die Bewer-berdaten in einem Bewerbererfassungsbogen aufgenommen und der Bewerber über den Eingang seiner Bewerbung informiert. Bei der Vorauswahl der Bewerber werden die Bewer-berunterlagen gesichtet und die Bewerber je nach Erfüllung der vorher festgelegten Kriterien in A-, B-, und C-Kandidaten eingeteilt. Die C-Kandidaten, welche die Kriterien nicht oder nur im geringen Maße erfüllen, scheiden aus dem Auswahlprozess aus und erhalten ein Ab-sageschreiben. An den/die A-Kandidaten wird eine Einladung zum Auswahlverfahren versen-det und der/die B-Kandidaten erhalten einen Zwischenbescheid zum Bewerbungsprozess. Bei den eingeladenen Bewerbern kommen die zuvor ausgewählten Verfahren der Personalaus-wahl zum Einsatz. Zusätzlich zu den eignungs-diag-nostischen Daten der Verfahren werden weitere Daten wie z. B. die Durchführungsbe-dingungen oder auch Stellungnahmen der Be-werber für die spätere Evaluation des Verfahrens gesammelt. Aus den Daten der Bewerber wird eine Klassifikation nach den vorher festgelegten Kriterien vorgenommen und eine Diagnose bzw. Prognose des Verhaltens des potentiellen Mitarbeiters abgegeben. Die Verfahrensergeb-nisse werden im Bewerbererfassungsbogen dokumentiert und ggf. nach der Einstellung des Bewerbers an die Personalentwicklung in Form des Personalbogens weitergeleitet129.

Nach der Verfahrensdurchführung mit allen A-Kandidaten aus der Vorauswahl wird die Personalentscheidung vorgenommen. Erfüllt ein Kandidat (fast) alle festgelegten Kriterien fällt die Auswahlentscheidung zu seinen Guns-ten aus. Wenn nicht alle Kriterien durch das Auswahlverfahren beobachtet werden konnten oder mehrere Kandidaten die Kriterien gleicher-maßen erfüllen, ist eine Personalentscheidung nicht möglich und es müssen weitere Verfahren zur Personalauswahl festgelegt werden. Nach-dem der Betriebsrat der Auswahlentscheidung zugestimmt hat, erfolgt die Übermittlung einer Zusage an den Bewerber. Stimmt der Bewerber der Einstellung ebenfalls zu und unterschreibt

124 Einsiedler, H. et al.: Organisation der Personalentwicklung, 2003125 Schuler, Psychologische Personalauswahl, 2000126 Sarger, W.: Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren, 2004127 Kersting, M.: DIN Screen, 2006128 Bruns, I.: Konzeption zielgruppenspez. Bewerbermanagementprozesse, 2006129 Franke, J.: Konzeption zum systematischen Aufbau, 1969

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4. Die Referenzprozesse

88Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

den ihm zugesandten Arbeitsvertrag, erhalten alle verbliebenen Kandidaten ein Absageschrei-ben. Bei einer Absage seitens des priorisierten Kandidaten, erfolgt die Personalentscheidung mit den verbliebenen Kandidaten und ggf. wird der Auswahlprozess wiederholt.

Der letzte Prozessschritt der Personalaus-wahl ist die Evaluation und Qualitätssicherung der Auswahlverfahren z. B. wird der Nutzen, die Situations- sowie Zielgruppenangemessenheit und die Ökonomie des Verfahrens überprüft. Die Ergebnisse der Evaluation und Qualitäts-sicherung werden dokumentiert und können anschließend bei der Festlegung und Planung zukünftiger Personalauswahlverfahren genutzt werden130.

4.15.4.2 PersonalentwicklungDer Prozess der Personalentwicklung beginnt mit der Entwicklung der strategischen Ziele. Dazu müssen von der PE-Abteilung und der Unter-nehmensführung neue PE-Ziele (z. B. Förderung der Service-Mentalität) aus der Unternehmens-strategie (z. B. Ausbau der Service-Kompeten-zen) abgeleitet bzw. schon bestehende PE-Ziele abgeglichen werden. Mit Hilfe der Führungs-kräfte aus den Fachabteilungen kann dann eine Bilanz der Kompetenzen aufgestellt werden, die das gesamte Mitarbeiterpotential im Vergleich zur eigenen Strategie aber auch im Vergleich zur Konkurrenz aufdeckt. Auf dieser Grundlage werden die aktuellen und zukünftigen, strate-gischen PE-Ziele letztendlich gemeinsam von der Unternehmensführung, der PE-Abteilung, den Führungskräften und dem Betriebsrat fest-gelegt und die Rahmenbedingungen und Prio-ritäten für die Entwicklung der Humanressour-cen definiert. Für die Einschätzung der lang-fristigen PE-Ziele werden vor allem Experteninter-views eingesetzt131, 132. Nach der Budgetierung der PE-Maßnahmen erfolgt die Ableitung der operativen PE-Ziele. Dazu werden die strate-gischen PE-Ziele auf organisatorische Einheiten heruntergebrochen. Mit den operativen PE-Zielen werden Handlungsbedarf und Prioritä-ten der jeweiligen organisatorischen Einheit definiert und die Prozessverantwortlichkeiten

festgelegt. Der PE-Prozess sollte einmal jährlich im Rahmen eines Entwicklungsgesprächs mit dem gesamten Personal durchlaufen werden.

Die operative Personalentwicklung beginnt mit der Bedarfsanalyse, um den Soll-Zustand zu ermitteln. Durch die Aufgaben- und Anfor-derungsanalyse werden die operativen PE-Ziele weiter spezifiziert, indem Aufgaben und Anforderungen einer Stelle zugeordnet werden. Außerdem sollten hier auch die individuellen Ziele des Mitarbeiters, sofern diese mit seiner Tätigkeit in Verbindung stehen, aufgenommen und berücksichtigt werden. Bei der Planung und Auswahl der Methoden zur Analyse ist zu beachten, dass sich eine Kombination von Beo-bachtung und Befragung von Stelleninhabern, Vorgesetzten und Experten empfiehlt133. Nach der Durchführung der ausgewählten Methoden werden aus den Ergebnissen Aufgabencluster gebildet und diese im Soll-Profil dokumentiert. Analog zum Prozess der Personalauswahl kann auch hier die Methode Space+ zur prospektiven Arbeitsgestaltung respektive zur frühzeitigen Ableitung von Qualifikationsanforderungen eingesetzt werden134.

Im zweiten Schritt der Bedarfsanalyse wird das Ist-Profil des Mitarbeiters ermittelt und ein Soll-Ist-Vergleich vorgenommen. Zur Ist-Ana-lyse können verschiedene Methoden der Eignungsdiagnostik und Leistungsbeurteilung eingesetzt werden. Neben Analysemethoden wie Arbeitsproben, Assessment-Centern und Personalgesprächen sollten auch die Angaben aus dem Personalbogen in das Ist-Profil einbe-zogen werden135. Treten Diskrepanzen zwischen dem Ist- und dem Soll-Zustand auf und können diese durch Personalentwicklungsmaßnahmen beseitigt werden, wird der konkrete PE-Bedarf formuliert und die Aufgabenstellung festgelegt. Wenn die Differenz nicht durch PE-Maßnahmen behoben werden kann, sollten die betreffenden Tätigkeiten von einer hierfür qualifizierten Per-son übernommen werden. Wenn sich kein ge-eignetes Personal im Unternehmen findet, muss ein Personalauswahlprozess gestartet werden. Nachdem der Bedarf an Personalentwicklung formuliert wurde, sollten die Entwicklungsziele

130 Franke, J.: Konzeption zum systematischen Aufbau, 1969131 Becker, M.: Systematische Personalentwicklung, 2005132 Einsiedler et al., Organisation der Personalentwicklung 2003133 Sonntag, K.: Ermittlung tätigkeitsbezogener Merkmale, 2006b134 Mütze-Niewöhner: System zur prospektiven Arbeitsgestaltung, 2003135 Holling, H.; Liepmann, D.: Personalentwicklung, 2007

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4. Die Referenzprozesse

89Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

festgelegt werden. Diese setzen sich aus fach-lichen (z. B. Fachwissen) und überfachlichen Zielen (z. B. Projektmanagement) zusammen. Die Lernziele sollten besonders im Hinblick auf die Evaluation in Form messbarer Kriterien fixiert werden.

Um die PE durchzuführen, ist die Recherche, Sichtung und Auswahl möglicher PE-Maßnah-men nötig. Eine Liste gängiger PE-Maßnahmen ist in Kap. 4.14.5 dargestellt. Die Kriterien für die Auswahl setzen sich aus der Ebene der Maßnahmen (Individuum, Team oder Organi-sation), den Inhalten (Fach-, Sozial-, Methoden- oder Personenkompetenz136) und der zeitlichen und räumlichen Organisation (along-the-job, on-the-job usw.137) zusammen. Wenn die Maß-nahmen bereits im Unternehmen eingesetzt wurden, sollten zudem die Evaluations- und Controllingergebnisse herangezogen werden. Neue Maßnahmen werden nach den Kriterien Realisierbarkeit und Ökonomie bewertet. Die endgültige Auswahl der Tools und die Zusam-menstellung des Maßnahmenkatalogs erfolgt nach den Kriterien Kosten, Rentabilität und Erfolg. Weiter muss in Abstimmung mit den Kostenstellen entschieden werden, ob der PE-Auftrag intern oder extern vergeben wird und anschließend die Zustimmung des Betriebsrates eingeholt werden.

In Abstimmung mit den Lernzielen werden Kriterien zur Überprüfung der Kosten (z. B. Kostenvergleiche oder Benchmarking), der Rentabilität (z. B. Investitionsrechnung oder Rentabilitätsschätzungen) und des Erfolgs (Reaktion, Lernen, Transfer, Performance und Leistung138) der PE-Maßnahme entwickelt und das Evaluationsdesign bestimmt. Verschie-dene Autoren geben Evaluationskriterien und -designs an139, 140, 141. Der hier dargestellte Prozess sieht ein Evaluationsdesign vor, welches wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Es ist jedoch ggf. eine Anpassung des Aufwandes an die betrieblichen Gegebenheiten (Ressourcen, Teilnehmerzahl und Kosten) vorzunehmen.

Zur Vorbereitung der PE-Maßnahme und für die erfolgreiche Durchführung ist ein Personal-

136 Sonntag; K.; Schaper, N.: Förderung beruflicher Handlungskompetenz, 2006137 Conradi: 1983 in Neuberger, Personalentwicklung, 1994138 Kirkpatrick, D.: 1967 in Einsiedler et al., Organisation der Personalentwicklung, 2003139 Bröckermann, R.: Personalwirtschaft, 2007140 Olfert, K.: Personalwirtschaft, 2003141 Weinert, A.: Organisations- und Personalpsychologie, 1998

gespräch zwischen Führungskraft und Mitar-beiter sinnvoll. So kann das Commitment des Mitarbeiters eingeholt und die Motivation zur Teilnahme an der Maßnahme gesteigert wer-den. Daraufhin erfolgt mit der Führungskraft und der PE-Abteilung die Erstellung eines kon-kreten Zeit- und Kostenplans für die spezifische Maßnahme, der dann mit dem internen oder externen Trainer abgestimmt wird. Als Grundla-ge für eine spätere Evaluation sollten die Kom-petenzen vor dem Einsatz der PE-Maßnahme z. B. durch Selbst- oder Fremdeinschätzung be-wertet werden. Ggf. ist dies bereits im Zuge des regelmäßigen Personalentwicklungsgesprächs geschehen.

Durch die PE-Abteilung werden dann die organisatorischen Vorbereitungen wie beispiels-weise die Raumbuchungen übernommen. Bei der Durchführung der PE-Maßnahme sollte der Transfer des Gelernten in den beruflichen Kontext thematisiert werden. Direkt nach der Durchführung wird die Maßnahme durch alle Beteiligten mit Hilfe eines Maßnahmenbeur-teilungsbogens bewertet und es erfolgt eine erneute Bewertung der Kompetenzen zur Erfolgskontrolle der Maßnahme138. Die Maß-nahmenbeurteilungsbogen werden zu Evalua-tionszwecken von der PE-Abteilung ausgewer-tet. Die Ergebnisse werden gemeinsam von der PE-Abteilung, den Führungskräften und den Mitarbeitern besprochen und interpretiert. Außerdem werden die Auswertungsergebnisse der Beurteilungsbogen und die Einschätzung der Kompetenzen vor und nach der Maßnah-me zur Erfolgskontrolle herangezogen. Die Kosten und die Rentabilität werden überprüft und gemeinsam von Unternehmensführung, PE-Abteilung und Führungskräften besprochen. Die Evaluationsergebnisse liefern die Entschei-dungsgrundlage für den erneuten Einsatz der PE-Maßnahme131, 139, 140, 141.

Der Referenzprozess Prozess zur Personal-auswahl und -entwicklung befindet sich mit sei-nen Unterprozessen auf der CD am Ende dieser Broschüre. Abbildung 4.74 (siehe nächste Seite) zeigt eine Vorschau der Prozessdokumentation.

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4. Die Referenzprozesse

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Abbildung 4.74Prozess der Personalauswahl

(oben) und der Personalentwicklung (unten)

4.15.5 Erläuterung der MethodenSystem zur prospektiven Arbeitsgestaltung und -bewertung (Space+)142

Die im SFB 361 entwickelte Methode Space+ ist auf die spezifischen Bedingungen einer SE-Um-gebung (Unvollständigkeit von Informationen etc.) zugeschnitten und ermöglicht bereits in frühen Phasen der Produktionsgestaltung eine prospektive Modellierung und Bewertung von Produktionsaufgaben und -tätigkeiten. Gestal-tungsleitend sind dabei Kriterien der Persönlich-keitsentfaltung und -entwicklung (z. B. Auto-nomie, Kooperationserfordernisse). Die Metho-de erlaubt darüber hinaus eine frühzeitige Ab-leitung von Qualifikationsanforderungen an das Produktionspersonal.

142 Mütze-Niewöhner, System zur prospektiven Arbeitsgestaltung, 2003143 Schuler, Psychologische Personalauswahl, 2000144 Fay, E.: Tests unter der Lupe, 2006145 Sarger, W.: Handbuch wirtschaftspsychologischer Testverfahren, 2004146 Holling, H.; Liepmann, D.: Personalentwicklung, 2007

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4. Die Referenzprozesse

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Auswertung der Bewerbungsunterlagen

Bewertung der Bewerbung bezüglich formaler Aspekte, erforderlicher Qualifikation, Spezialkenntnisse, anforderungs- spezifischer Aspekte, Noten und Zeugnisse

Auswahlgespräche Fragen zu Berufserfahrung, Ausbildung, Aspekten des Lebenslaufs und evt. persönlichen Bereichen

Personalbogen Dokumentation der Ausbildung, Abschlüsse und Qualifikationen

Testverfahren Allgemeine Intelligenztests, Test spezifischer kognitiver Fähigkeiten, Tests zur Aufmerksamkeit und Konzentration, Tests sensorischer und motorischer Leistung, allgemeine Persönlichkeitstests, spezifische Persönlichkeitstests, Einstellungs-, Motivations- und Interessentests144, 145

Arbeitsproben Standardisierte Aufgaben, die eine Stichprobe des erfolgsrelevanten beruflichen Verhaltens hervorrufen

Assessment-Center Zusammenstellung von eignungsdiagnostischen Instrumenten zur Beurteilung mehrerer Personen durch mehrere unabhängige Beurteiler (Beobachtungsverhältnis 1:2) z. B. Präsentation, Gruppendiskussion, Rollenspiel und Aufgabensimulationen

Methoden zur Personalentwicklung146:

Eignungsdiagnostische Verfahren zur Personalauswahl143:

Frontalunterricht Vermittlung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten

Selbststudium Vermittlung von beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten

Computergestütztes Training

Vermittlung von Lerninhalten durch multimediale Präsentations- methoden und Interaktion mit dem Programm

Vier-Stufen-Methode Vermittlung von manuellen, relativ konstanten und repetetiv angelegten Tätigkeiten durch Vorbereitung, Vorführung, Ausführung und Abschluss

Cognitive Apprenticeship Vermittlung allgemeiner kognitiver Fertigkeiten z. B. heuristische Regeln für den Novizen vom Experten

Lernen anhand heuristischer Regeln

Erwerb allgemeiner Denk-, Lern- und Planungskompetenzen

Fallstudien Lösen von konkreten organisatorischen Problemen

Rollenspiele Einstellungs- und Verhaltensänderung durch Übernahme von Rollen

Planspiele Erprobung von neuen Strategien, Interaktionstechniken oder Sichtweisen durch modellhafte Abbildung realer Prozesse

Sensitivitätstraining Gruppendiskussionen zur Entwicklung einer sensiblen Selbst- und Fremdwahrnehmung

Verhaltensmodellierung Erwerb neuer Verhaltensweisen durch Aneignung, Wiederholung, Übung und Transfer neuer Verhaltensweisen

Coaching Langfristige Entwicklung von Fähigkeiten und aufgabenbezogenem Selbstvertrauen durch kontinuierliches Feedback eines Coachs

Mentoring Orientierung und persönliche Entwicklung eines Novizen durch einen Senior

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92Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Zusammenfassung und Ausblick

Im Rahmen des Kapitels »Potenziale Systemun-abhängiger Referenzprozesse« (S. 9) konnte belegt werden, dass Referenzprozesse in der Produktentwicklung sinnvoll einsetzbar sind. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die Nut-zung von Referenzprozessen einen größeren Unternehmenserfolg ermöglicht, da erfolg-reiche Unternehmen häufiger Referenzprozes-se einsetzen als weniger erfolgreiche.

Mit dem Ziel, diese Erfolgspotenziale in großem Umfang erschließbar zu machen, wur-den innerhalb dieses Handbuchs 13 Referenz-prozesse vorgestellt. Dieses Spektrum beinhaltet wichtige Kernprozesse der Produktentwicklung vom Ideen- bis zum Änderungsmanagement sowie zugehörige Controllingprozesse. Darü-ber hinaus wurden ausgewählte Kernprozesse des Personalmanagements in diese Prozess-landschaft integriert.

Um eine einfache Adaptierbarkeit der Pro-zesse zu gewährleisten, besitzen diese umfang-reiche Möglichkeiten der Konfigurierbarkeit. Auf diesem Wege lassen sich die Prozesse an Unternehmenscharakteristika wie beispielsweise Unternehmensgröße oder Produktkomplexität anpassen. Ein weiterer Fokus der vorgestellten Referenzprozesse ist die umfangreiche metho-dische Unterstützung. So wurde zu jedem der 13 Referenzprozesse ein integriertes Methoden-Set aufgezeigt, dass den aktuellen Stand von Theorie und Praxis widerspiegelt.

Als Kompass für die Implementierung der Referenzprozesse wurde im Rahmen dieses Handbuchs eine Auswahlmethodik vorgestellt. Diese ermöglicht eine Entscheidung für einzelne Referenzprozesse auf der Basis einer Analyse des jeweiligen Verbesserungspotenzials. Über die Prozessauswahl hinaus wird der Praktiker durch das Kapitel »Leitfaden zur Bewertung und Auswahl von Referenzprozessen« auf dem Weg zum effektiv und effizient funktionieren-den Prozess weiter begleitet.

Einem Unternehmen eröffnet sich mit dem vorliegenden Handbuch ein Bezugssystem zur Hinterfragung der eigenen, bereits implemen-tierten Prozesslandschaft. Durch die Analyse der Unterschiede zwischen Referenz- und Ist-Prozess in den Bereichen Prozessstruktur und Methodeneinsatz können gezielt Optimierungs-bedarfe identifiziert werden.

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93Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

Ansprechpartner

Für nähere Informationen zu den Referenzprozessen und zu den Methoden der integrierten Produkt- und Prozessgestaltung sowie für persönlichen Austausch stehen wir Ihnen sehr gerne zur Verfügung. Weitere Informationen und Veröffentlichungen zum Themenbereich Prozessent-wicklung und -einführung finden sie ebenfalls unter: www.tfb57.rwth-aachen.de

Dipl.-Ing. Michael LendersAbteilungsleiter Innovationsmanagement, Lehrstuhl für Produktionssystematik, Werkzeugmaschinen- labor WZL der RWTH Aachen University, Steinbachstraße 19, D-52074 Aachen Telefon +49 (0)241 80-27436, Mobil +49 (0)173 520-9489, Fax +49 (0)241 80-6 27436 E-Mail [email protected], www.wzl.rwth-aachen.de

Dipl.-Ing. Dennis BenderAbteilung Innovationsmanagement, Lehrstuhl für Produktionssystematik, Werkzeugmaschinen- labor WZL der RWTH Aachen University, Steinbachstraße 53b, D-52074 Aachen Telefon +49 (0) 241 80-27593, Fax +49 (0) 241 80-22293 E-Mail [email protected], www.wzl.rwth-aachen.de

Dipl.-Ing. Univ. Thomas Gärtner

Abteilung Arbeitsorganisation, Lehrstuhl und Institut für Arbeitswissenschaft IAW der RWTH Aachen University, Bergdriesch 27, D-52062 Aachen Telefon +49 (0) 241 80-99465, Fax +49 (0) 241 80-92131 E-Mail [email protected], www.iaw.rwth-aachen.de

Dipl.-Psych. Sarah Hatfield

Abteilung Produktionsmesstechnik und Qualität Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie IPT, Steinbachstraße. 17, D-52074 Aachen Telefon +49 (0) 241 8904-257, Fax +49 (0) 241 s8904-6257 E-Mail [email protected], www.ipt.fraunhofer.de

Dipl.-Ing. Jochen Müller

Abteilung Innovationsmanagement, Lehrstuhl für Produktionssystematik, Werkzeugmaschinen- labor WZL der RWTH Aachen University, Steinbachstraße 53b, D-52074 Aachen Telefon +49 (0) 241 80-275 91, Fax +49 (0) 241 80-6-27591 E-Mail [email protected], www.wzl.rwth-aachen.de

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94Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

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95Handbuch TFB 57 »Systemunabhängige Referenzprozesse«

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■ Schuh, G.; Lenders, M.; Müller, J. (2007):PLM mit Modellcharakter, In: CAD Plus, 11/2007, Göller, Baden-Baden

■ Schuler, H. (2000): Psychologische Personalauswahl, Hogrefe, Göttingen

■ Schwarze, J. (1994): Netzplantechnik, 7. Auflage, Neue Wirtschafts-briefe, Herne

■ Semmer, N. (1984): Stressbezogene Tätigkeitsanalyse, Belz, Weinheim

■ Semmer, N.; Zapf, D.; Dunckel, H. (1999):Instrument zur stressbezogenen Tätigkeits- analyse (ISTA). In Dunckel, H. (Hrsg.): Handbuch psychologischer Arbeitsanalyseverfahren, vdf Hochschulverlag, Zürich, S. 179-204

■ Sonntag, K. (2006a): Personalentwicklung – ein Feld psychologischer Forschung und gestaltung. In: K. Sonntag (Hrsg.): Personalentwicklung in Organisationen, Hogrefe, Göttingen, S. 15-29

■ Sonntag, K. (2006b): Ermittlung tätigkeitsbezogener Merkmale: Qualifikationsanforderungen und Vorausset-zungen menschlicher Aufgabenbewältigung. In: K. Sonntag (Hrsg.): Personalentwicklung in Organisationen, Hogrefe, Göttingen, S. 206-234

■ Sonntag, K.; Schaper, N. (2006): Förderung beruflicher Handlungskompetenz. In: Thierau-Brunner, H.; Wottawa, H.; Stangel-Meseke, M. (2006): Evaluation von Personalentwicklungsmaßnahmen. In: Sonntag, K. (Hrsg.): Personalentwicklung in Organisa- tionen, Hogrefe, Göttingen, S. 329-354

■ Udris, I.; Rimann, M. (1999): SAA und SALSA: Zwei Fragebögen zur sub-jektiven Arbeitsanalyse. In Dunckel, H. (Hrsg.): Handbuch psychologischer Arbeitsanalysever-fahren, vdf Hochschulverlag, Zürich, S. 397-419

■ Ullsperger, P.; Windel, A. (2002): Psychische Belastung und Beanspruchung aus Sicht der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Zeitschrift für Arbeitswissen-schaft, 56, 1-2, S. 77-79

■ Ulrich, K.; Eppinger, S. (2000): Product design and development, 2. Auflage, McGraw-Hill, New York

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Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen

Lehrstuhl für ProduktionssystematikProf. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh

AnsprechpartnerDipl.-Ing. Michael LendersAbteilungsleiter Innovationsmanagement

Steinbachstraße 19D-52074 Aachen

Telefon +49 (0)241-80-27436Telefax +49 (0)241-80-627436

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