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Blended-Learning-Curriculum „Qualifikation Tabakentwöhnung“ Online-Kurs Texte und Materialien der Bundesärztekammer zur Fortbildung und Weiterbildung Herausgeber: Bundesärztekammer In Zusammenarbeit mit: Prof. Dr. Anil Batra, Leiter der Sektion Suchtforschung und Suchtmedizin am Universitätsklinikum Tübingen, Wissenschaftlicher Aktionskreis Tabakentwöhnung, Dr. Thomas Hering, Stellvertretender Vorsitzender Bundesverband der Pneumologen, Peter Arbter, Arzt für Allgemeinmedizin, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ)

Tabakentwöhnung I

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Page 1: Tabakentwöhnung I

Blended-Learning-Curriculum „Qualifikation Tabakentwöhnung“

Online-Kurs

Texte und Materialien der Bundesärztekammerzur Fortbildung und Weiterbildung

Herausgeber:

Bundesärztekammer

In Zusammenarbeit mit:Prof. Dr. Anil

Batra, Leiter der Sektion Suchtforschung und Suchtmedizin am Universitätsklinikum Tübingen, Wissenschaftlicher Aktionskreis Tabakentwöhnung, Dr. Thomas Hering, Stellvertretender Vorsitzender Bundesverband der Pneumologen, Peter Arbter, Arzt für Allgemeinmedizin, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKdÄ)

Page 2: Tabakentwöhnung I

Modul 1

Das Tabakproblem im gesellschaftlichen Kontext und

Strategien der Tabakkontrollpolitik

Page 3: Tabakentwöhnung I

EinführungDas Rauchen gehört seit Jahrhunderten in vielen Gesellschaften zum Kulturgut. Mit dem Rauchen wurden religiöse oder gesellschaftliche Rituale verbunden oder es diente ganz einfach dem Genuss und der Entspannung. Bereits in früheren Jahrhunderten ahnte man, dass das Rauchen am menschlichen Körper Schäden verursacht, seit einigen Jahrzehnten ist die massive krankheitsfördernde

Wirkung und das Suchtpotential von Tabak

bewiesen und allseits bekannt. Trotzdem raucht auch heute ein Drittel der Bevölkerung. Welche Bedeutung hat das Konsumieren von Tabak in unserer Gesellschaft? Welche Schwierigkeiten sind beim Eindämmen des Tabakkonsums zu überwinden und was kann unternommen werden, um tabakbedingte Krankheiten und Todesfälle zu verhüten?

Page 4: Tabakentwöhnung I

BeschreibungIn diesem Modul erfahren Sie, wo der Tabakkonsum seinen Ursprung

hatte,

wie das Rauchen in der Gesellschaft schließlich weltweit allgegenwärtig wurde und sich parallel dazu das gesellschaftliche Bewusstsein zum Tabakkonsum und die Verbreitung des Tabaks veränderte. Sie lernen die Bedeutung und die Methoden der Tabakindustrie kennen und machen sich mit den wichtigsten epidemiologischen und wirtschaftlichen Kennzahlen des Tabakkonsums vertraut. Außerdem erfahren Sie, welche Maßnahmen zu einer wirksamen Tabakkontrollpolitik gehören und welche wichtige Rolle Sie als Arzt wahrnehmen können, um dem Tabakkonsum Einhalt zu gebieten.

Page 5: Tabakentwöhnung I

Inhalte1.1

Wie hat sich der Tabakkonsum entwickelt und sich seine gesellschaftliche Bedeutung gewandelt?

1.2

Welche Rolle spielt die Tabakindustrie?1.3

Wie sieht die Epidemiologie zum Tabakkonsum aus?

1.4

Wie sieht eine wirksame Tabakkontrollpolitik aus?1.5

Was kann der Arzt tun, um dem Tabakkonsum Einhalt zu gebieten?

Page 6: Tabakentwöhnung I

LernzieleNach Bearbeitung dieses Moduls können Sie:

die Geschichte des Tabakkonsums nachzeichnen und die Ursachen und Zusammenhänge identifizieren, die zu einer weiten Verbreitung des Tabakkonsums in der Bevölkerung führten

den Einfluss der Tabakindustrie auf den Tabakkonsum beschreiben•

wirksame Maßnahmen einer Tabakkontrollpolitik verstehen und bewerten

die Zielsetzung und Bedeutung des weltweiten Tabakkontrollabkommens (FCTC) erläutern

die wesentlichen deutschen gesetzlichen Bestimmungen zur Tabakkontrollpolitik nennen

die Möglichkeiten des Arztes in der Raucherberatung bzw. Tabakentwöhnung beschreiben und bewerten

Page 7: Tabakentwöhnung I

1.1 Wie hat sich der Tabakkonsum

entwickelt und wie hat sich seine gesellschaftliche Bedeutung

gewandelt?Modul 1

Das Tabakproblem im gesellschaftlichen Kontext

Page 8: Tabakentwöhnung I

Legende des Tabaks Eine indianische Legende besagt, dass in alter Zeit, als das Land dürr und karg war und die Menschen hungerten, der große Geist eine Frau zur Erde sandte, um die Menschheit zu retten.

Dort, wo sie den Boden mit ihrer rechten Hand berührte, wuchsen Kartoffeln. Dort, wo sie ihn mit ihrer linken Hand berührte, wuchs Getreide. Als die Erde wieder fruchtbar und bewachsen war, ließ

sie sich nieder, um zu ruhen. Und

als sie sich wieder erhob, wuchs an der Stelle Tabak.

Von gesundheitlichen Gefahren, berichtet die Legende nicht…

Bild: Public domain

Page 9: Tabakentwöhnung I

Ursprung des Tabakkonsums

©

Anil

Batra

Bilder: public

domain

Als Ursprungsland des Tabaks gilt Amerika. Die Ureinwohner Amerikas betrieben Tabakanbau und benutzten die Pflanze für rituelle und medizinische Zwecke.

Die Tabakpflanze wurde gekaut, pulverisiert und geschnupft, zu einem Saft verkocht oder gerollt und dann geraucht. Auch Pfeifen wurden benutzt.

Bild: Public domain Bild: Public domain

Page 10: Tabakentwöhnung I

Entdeckung des Tabaks durch die Europäer

Da den portugiesischen Entdeckern Amerikas das Rauchen völlig unbekannt war, berichteten sie davon, dass die Eingeborenen zusammengerollte Blätter anzündeten und den Rauch „tranken“. Sie eigneten sich den Anbau und den Gebrauch des Tabaks an und brachten ihn im 15. Jahrhundert als eine Entdeckung der Neuen Welt mit nach Europa.

Bilder: public

domain

Page 11: Tabakentwöhnung I

Aus dem Logbuch von Christoph Columbus

Dienstag, den 6. November 1492:

„Luis de Torres berichtete mir von einem seltsamen Brauch der Indianer, den er mehrmals beobachten konnte: Sie wickeln getrocknete Kräuter in ein Blatt, rollen das Blatt und den Inhalt zusammen, entzünden diese Rolle, stecken sie in den Mund und stoßen dann ständig dichte Rauchwolken aus. Diese Rolle nennen sie „tobacco“. Ein seltsamer Brauch! Ich glaube, dass diese Art, sich selber zu beräuchern, eine Art religiöse Handlung ist.“

Bilder: public

domain

Page 12: Tabakentwöhnung I

Bild: public

domainQualmende Zeitgenossen waren zunächst sehr befremdend…

Page 13: Tabakentwöhnung I

Tabak – Herba NicotianaDer lateinische Name der Tabakpflanze „herba

nicotiana“

ist abgeleitet von dem französischen Gesandten am portugiesischen Hof Jean Nicot, der die Pflanze im 16. Jahrhundert in Frankreich als Heilpflanze einführte.

Tabak fand z.B. bei der Behandlung von Kopfschmerzen, bei der Wundbehandlung und als Brech-

und Abführmittel Verwendung.

Der Name „Tabak“

stammt wahrscheinlich von dem antillischen

Wort „tabacco“, welches das

Rauchrohr bezeichnete.

Bild: public

domain

Page 14: Tabakentwöhnung I

Entdeckung des Nikotins

Als die Heidelberger Chemiker Reimann und Posselt

1828

erstmals das in der Tabakpflanze wirksame Alkaloid isolierten, gaben sie ihm Jean Nicots

zu

Ehren den Namen „Nicotin“.

Bild: public

domain

Page 15: Tabakentwöhnung I

Verbreitung des TabaksNeben den medizinischen Anwendungs-

möglichkeiten

wurden auch die angenehmen Wirkungen des Tabaks auf Leib und Seele geschätzt, wie die Verbesserung der Konzen-

tration

und die Erfrischung und Berauschung der Sinne. Diese Effekte führten dazu, dass der Tabak insbesondere im Zuge des 30jährigen Krieges (1618 –

1648) in Deutsch-

land

immer größere Verbreitung fand. Im Laufe der Jahrhunderte gab es aber auch immer wieder Bestrebungen, den Konsum von Tabak zu verbieten. Teilweise, weil er den Interessen der religiösen oder politischen Oberhäuptern zuwiderlief, aber auch aus praktischen Gründen z.B. wegen der Verschmutzung oder der Brandgefahr. Von gesundheitlichen Gefahren war noch nichts bekannt.

Bild: public

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Page 16: Tabakentwöhnung I

Sanktionierung und Steuerung des Tabakkonsums

Wer Tabak trotz Verbots konsumierte, musste mit Geldstrafen, Haft, Exkommunizierung, Verstümmelung oder gar der Todesstrafe rechnen. Trotzdem verbreitete sich das Rauchen immer mehr. Schließlich ging die Obrigkeit dazu über, den Tabak als Einnahmequelle zu nutzen und belegte Anbau, Handel und Konsum des stark nachgefragten Genussmittels mit Abgaben und Steuern. Die Bedeutung als Wirtschafts-

und Handelsgut wuchs

und der Tabakkonsum wurde schließlich als normaler Bestandteil des Lebens akzeptiert.

Bilder: public

domain

Page 17: Tabakentwöhnung I

Bilder: public

domain

Die Art des Tabakkonsums war stark der Mode und der gesellschaftlichen Stellung unterworfen.Während arme Leute den Tabak meist kauten, war in höheren Kreisen das Pfeife rauchen oder das Schnupfen verbreitet.Wertvolle Pfeifen oder Schnupftabakdosen wurden zu Statusgegenständen.

Kultur des Tabakkonsums

Page 18: Tabakentwöhnung I

Frühe Ressentiments»Das Rauchen macht dumm, es macht unfähig zum Denken und Dichten. Es ist auch nur für Müßiggänger, für Menschen, die Langeweile haben. Die ein Drittel des Lebens verschlafen, ein Drittel mit Essen und Trinken und anderen notwendigen oder überflüssigen Dingen hindudeln, alsdann nicht wissen, obgleich sie immer 'vita

brevis' ('das Leben ist kurz') sagen, was sie mit dem letzten Drittel anfangen sollen. Für solche faulen Türken ist der liebevolle Verkehr mit den Pfeifen und der behagliche Augenblick der

Dampfwolke, die sie in die Luft blasen, eine geistvolle Unterhaltung, weil sie ihnen über die Stunden hinweghilft.«»Wenn es so fortgehen sollte, wie es den Anschein hat, so wird man nach zwei oder drei Menschenaltern schon sehen, was diese Schmauchlümmel aus Deutschland gemacht haben. An der Geistlosigkeit, Verkrüppelung und Armseligkeit unserer Literatur wird man es zuerst bemerken, und jene Gesellen werden diese Misere dennoch höchlich bewundern. Und was kostet der Greuel! Schon jetzt gehen 25 Millionen Taler in Deutschland im Tabakrauch auf, die Summe kann auf 40, 50, 60 Millionen ansteigen. Und kein Hungriger wird gesättigt und kein Nackter bekleidet. Was könnte mit dem Gelde geschehen!«»Aber es liegt auch im Rauchen eine arge Unhöflichkeit, eine impertinente Ungeselligkeit. Die Raucher verpesten die Luft weit und breit und ersticken jeden honetten Menschen, der nicht zu seiner Verteidigung zu rauchen vermag. Wer ist denn imstande, in das Zimmer eines Rauchers zu treten, ohne Übelkeit zu empfinden? Wer kann darin verweilen, ohne umzukommen?«

Johann Wolfgang von Goethe(1749–1832), Zitate aus: Briefe an Karl Ludwig v. Knebel, 1776 / 1806

Bild: public

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Page 19: Tabakentwöhnung I

Tabakgenuss als Bürgerliche Freiheit

Noch 1846 hieß

es in einem Berlin-Reiseführer „In der Stadt darf nicht geraucht werden.“Erst in der deutschen Märzrevolution 1848 erstritten die Demokraten in Berlin das Recht, in der Öffentlichkeit zu rauchen: „Ooch

im Tiergarten?“

„Ja, auch

im Tiergarten darf geraucht werden, meine Herren.“

„Na, denn können wir ja zu Hause jehen.“

Am 25. März 1848 wurde es amtlich: „Das Verbot des nicht feuergefährlichen Tabakrauchens in den Straßen der hiesigen Residenz und der Vorstädte ist aufgehoben.“Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde zum Zeitalter des stilvollen Genussrauchens.

Bild: public

domain

Page 20: Tabakentwöhnung I

Frauen und TabakLange Zeit war der Tabakkonsum den Männern vorbehalten. Rauchende Frauen waren in der Gesellschaft völlig undenkbar. Aus dieser Trennung von rauchenden Männern und nicht rauchenden Frauen entstanden gesellschaftliche Rituale und Einrichtungen, z.B. Herrenrauchsalons, der „Smoking“

für Herren. Erst

1840 wurde von der ersten öffentlich rauchenden Frau berichtet. Es war George Sand.

Bilder: public

domain

Page 21: Tabakentwöhnung I

Industrielle MassenfertigungMit dem Beginn der industriellen Massenfertigung der Zigarette 1881 und der Einführung der ersten modernen Zigarettenmarke „Camel“

1913 gelang dem

Tabak nach und nach endgültig der Durchbruch als Volksdroge für breite Schichten der Gesellschaft.

Bild: GNU Free Documentation

License, ©

Chaps

Page 22: Tabakentwöhnung I

Widerstand gegen den Tabakkonsum

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts häuften sich medizinische Beweise für die gesundheitsschädigende Wirkung des Rauchens und es formierte sich Widerstand gegen den Konsum und die Verbreitung des Tabaks. Eine wichtige Studie ist z.B. die „British Doctors

Study“. Diese prospektive

epidemiologische Studie, die unter registrierten britischen männlichen Ärzten durchgeführt wurde, dauerte von 1951 bis 2001 und lieferte bereits 1956 eindrucksvolle statistische Belege dafür, dass Rauchen das Lungen-

krebsrisiko

erhöht.

Bild: GNU Free Documentation

License, ©

Gregory Maxwell

Page 23: Tabakentwöhnung I

Tabakkonsum verursacht todbringende Krankheiten

„Marlboro-Männer“

sterben an Krebs:

1992Kettenraucher Wayne McLaren

war Stuntman und Rodeo-Reiter, bevor er

von Philip Morris zur Werbefigur für Marlboro gemacht wurde. 1990 wurde bei ihm Lungenkrebs festgestellt, 1992 starb er. Diese zwei Jahre verbrachte er mit einem engagierten Kampf gegen Tabakwerbung. Bei seinem letzten TV-

Interview sagte er: "Meine Sucht hat sich gerächt. Ich beende mein Leben unter einem Sauerstoffzelt. Ich sage euch, Rauchen ist das nicht

wert.“

1995David McLean

ein weiterer Darsteller des „Marlboro Mannes“

stirbt ebenfalls

an Lungenkrebs.

Page 24: Tabakentwöhnung I

Reaktionen der TabakindustrieDie Wahrnehmung von Tabak als unbedenkliches Genussmittel änderte sich. Erstmals wurde versucht, aus gesundheitlichen Gründen mit dem Rauchen aufzuhören. Die Zigarettenindustrie reagierte darauf, indem sie die Filterzigarette, später die „Light-Zigarette“

einführte und verkündete, dass damit die

gesundheitlichen Risiken gebannt seien. Sie tut dies wider besseren Wissen, denn heute ist bekannt, dass auch die Tabakindustrie in den 50er Jahren Wissenschaftler konsultierte, welche die gesundheitsschädigenden Wirkungen des Tabaks bestätigten.

Beispiele für Tabakwerbung können Sie sich hier ansehen:

http://blog.modernmechanix.com/2006/10/18/more-doctors-smoke- camels-than-any-other-cigarette/

http://graphic-design.tjs-labs.com/gallery- view?product=CAMEL%CIG&log=C

Page 25: Tabakentwöhnung I

Angewohnheit oder Abhängigkeit?Obwohl man noch zu Beginn des Jahrhunderts Nicotin als abhängig machende Droge ansah, gerät diese Sicht in späterer Zeit immer mehr in den Hintergrund.Anders als beispielsweise Heroin oder Kokain und auch anders als Alkohol, dessen berauschende Wirkung nicht gesellschaftsfähig war, war das Rauchen so allgegenwärtig und so weit verbreitet, dass Tabakgenuss offiziell als „Angewohnheit“

und nicht als

„Abhängigkeit“

klassifiziert wurde.

Bilder. Public domain

Page 26: Tabakentwöhnung I

Erst 1989 wurde auf einer WHO-Konferenz beschlossen, dass Tabak in die Liste der „Abhängigkeit produzierenden Drogen“

der International

Classification

of Diseases

and Related

Health Problems“

(ICD) aufgenommen wird, da es die allgemein für Suchtstoffe geltenden Kriterien erfüllt.

Dies versetzt der Tabakindustrie einen schweren Schlag und den Anti- Tabak-Bewegungen und Plänen zur Tabakkontrolle einen mächtigen

Schub.

Tabak macht abhängig!

S U C H T!

Page 27: Tabakentwöhnung I

Weltweit gegen den Tabakkonsum

Die WHO setzt sich an die Spitze der globalen Bemühungen, dem Tabakkonsum Einhalt zu gebieten und besonders die USA gehen auch gerichtlich gegen die Tabakindustrie vor.

Dort verliert die Tabakindustrie Schadensersatzklagen und muss Kompensationszahlungen für die verursachten Gesundheitsschäden in Milliardenhöhe entrichten. 2005 tritt die WHO Framework Convention on Tobacco Control

(FCTC) in

Kraft.Das Abkommen ist rechtlich bindend für die 192 Mitgliedsstaaten der WHO. Es sieht die Umsetzung verschiedener Maßnahmen vor, um dem Tabakkonsum weltweit Einhalt zu gebieten. Dazu gehört das Tabakwerbeverbot, eine wirksame Preispolitik, objektive Produktinformationen, Jugendschutz, Schutz vor Passivrauch, Eindämmung des Schmuggels, Rauchverbote sowie ein qualifiziertes und flächendeckendes Angebot an Entwöhnungsangeboten. Hier fällt insbesondere Ärzten eine

wichtige Aufgabe zu.

Bild: WHO

Page 28: Tabakentwöhnung I

1.2 Welche Rolle spielt die

Tabakindustrie?Modul 1

Das Tabakproblem im gesellschaftlichen Kontext

Page 29: Tabakentwöhnung I

TabakunternehmenDie Tabakindustrie beschäftigt weltweit ca. 2 Millionen Menschen. Einige der größten Tabakunternehmen sind z.B.

Unternehmen Marktanteil 1999 in %

Einnahmen 1999 in Mrd. US$ 1999

Marken, z.B.

Philip Morris 16,4 47,1 MarlboroChesterfield

BAT British American Tobacco

15,4 31,1 DunhillHB

JTI Japan Tobacco International

7,2 21,6 WinstonCamel

Reemtsma 2,6 6,1 WestDavidoff

Altadis 1,9 2,3 GitanesGouloisesWHO Tabakatlas

Bild: GNU Free Documentation

License, ©

Geierunited

Page 30: Tabakentwöhnung I

Tabakunternehmen neuInnert wenigen Jahren sind von den zahlreichen Tabakherstellern in der Welt noch vier private Tabakkonzerne übriggeblieben. Sie stellen 52.2

% aller Zigaretten her. Der grösste

Zigarettenhersteller bleibt indessen weiterhin der staatseigene chinesische Tabakkonzern China National Tobacco Corporation

mit einem Marktanteil von 32

%.

Unternehmen Marktanteil 2007 in % Umsatz 2005 Marken, z.B.

China National Tobacco Corporation (CNTC)*

37,7 % k.A.

Altria / Philip Morris 17,6

% 63 Mrd. US $ MarlboroChesterfield

British American Tobacco

(BAT) 15,1

%17 Mrd. US $ Dunhill

HB

Japan Tobacco 6,4

% 40 Mrd. US $WinstonCamel

Imperial Tobacco 3,6 % 20 Mrd. US $GauloisesWestPeter Styvesand

WHO Tabakatlas

Bild: GNU Free Documentation

License, ©

Geierunited

* N.B. China hat mehr Raucher –

gut 350 Mio

–, als die Vereinigten Staaten Einwohner.

Page 31: Tabakentwöhnung I

Tabakanbau

Tabak wird in über 125 Ländern auf über 4 Millionen Hektar Land angebaut. Die wichtigsten Anbauländer sind:

Land Tabak in 1000 t im Jahr 2001

China 2.661Indien 701Brasilien 568USA 450Türkei 260Zimbabwe 175Indonesien 147Italien 132Griechenland 130Malawi 120Pakistan 103Argentinien 101

WHO Tabakatlas

Bild: Microsoft ClipArt

Page 32: Tabakentwöhnung I

Tabakimporteure und -exporteureTabakimporteure Tabak in 100

TonnenTabakexporteure Tabak in 100

Tonnen

Russland 263 Brasilien 343

USA 241 USA 191

Deutschland 190 Zimbabwe 164

Groß

Britannien 129 China 132

Niederlande 113 Türkei 129

Japan 99 Indien 120

Frankreich 71 Griechenland 101

Ukraine 70 Italien 94

Polen 60 Malawi 93

Ägypten 55 Argentinien 73

WHO Tabakatlas

Page 33: Tabakentwöhnung I

Tabakimporteure und –exporteure neu

Tabakimporteure2003

Tabak in 100.000 Tonnen

Tabakexporteure2003

Tabak in 100.000 Tonnen

Russland 281 Brasilien 456

USA 261 China 184

Deutschland 195 USA 157

Niederlande 82 Zimbabwe 135

Japan 113 Italy 121

Groß

Britanien 79 Indien 121

Frankreich 75 Türkei 114

Belgien 7270 Malawi 107

Ukraine 66 Griechenland 81

China 64 Argentinien 78WHO Tabakatlas

Page 34: Tabakentwöhnung I

TabakprodukteZigaretten, Zigarren, Bidis, Kreteks, Schnupftabak, Kautabak, loser Tabak für Pfeifen oder zum Drehen von Zigaretten

Kreteks: Zigaretten, die neben Tabak geschrotete Nelken enthalten, Indonesien

Bidis: kleine Rolle aus Tabak in einem Tendublatt, stark parfümiert mit Schoko-, Vanille-, Kirsch-, Mangoaromen, weit schädlicher als Zigarette, da tiefer und öfter inhaliert werden muss, um Bidi

am Glühen zu

halten, Indien

Bild: public

domain Bild: GNU Free Documentation

License

Page 35: Tabakentwöhnung I

TabakprodukteKautabak -

Snus

Bild: public

domain

Page 36: Tabakentwöhnung I

Aufbau einer Zigarette

Bild: mit freundlicher Genehmigung der John Hopkins Bloomberg School of Public Health

Page 37: Tabakentwöhnung I

Funktionsweise einer Zigarette

Mit Hilfe der Zigarette erreicht das Nikotin über Inhalation in 7-10 Sekunden (!) das Gehirn und entfaltet dort seine Wirkung.Die Nikotinzufuhr kann über die Anzahl und Tiefe der Züge vom Raucher dosiert werden.

1972, aus einem Dokument von Philipp Morris:

„The

cigarette

should

be

conceived

not

as a product

but as a package. The

product

is

nicotine. Think

of the

cigarette

pack as a storage

container

for

a day’s

supply

of nicotine…

Think

of the

cigarette

as a dispenser

for

a dose

unit

of nicotine…

think

of a puff of smoke as the

vehicle

of nicotine…smoking

is

beyond

question

the

most

optimized

vehicle

of nicotine

and the

cigarette, the

most

optimized dispenser

of smoke.“

Page 38: Tabakentwöhnung I

Filter- und Light-ZigarettenAls Ende der 50er Anfang der 60er Jahre die ersten Beweise für die Schädlichkeit des Rauchens vorlagen, wollten viele mit dem Rauchen aufhören. Die Zigarettenindustrie reagierte darauf mit der Einführung der Filterzigarette später mit den so genannten Light-Zigaretten, die „gesünder“

sein sollten. Die meisten Raucher konnten „beruhigt“

weiterrauchen. Die drohenden Verkaufseinbußen der Zigarettenindustrie waren abgewehrt.

Page 39: Tabakentwöhnung I

Wie funktioniert die Light-Zigarette?

„Full Flavor“-Zigarette

Der Anteil des Rauchstromes, der durch den Filter entweicht, beträgt nur ca. 13%.

„Light“-Zigarette

Der Haupteffekt von so genannten Light- Zigaretten

besteht darin, dass sich im Filter

mehr perforierte Löcher befinden. Der Anteil des Rauchstromes, der durch den Filter entweicht, beträgt so ca. 27%.

Viele Raucher wissen nicht, dass sich im Filter Ventilationslöcher befinden. Wenn die Löcher beim Inhalieren durch die Finger verschlossen werden oder wenn besonders tief und lange Inhaliert wird, ist deren Funktion

unwirksam.

Bilder: John Hopkins Bloomberg School of Public Health

Page 40: Tabakentwöhnung I

Filter-

und Light-Zigaretten als Reaktion der Tabakindustrie auf

gesundheitliche BedenkenHier finden Sie alte „Camel“-Werbeplakate

zur Kampagne „More

Doctors

smoke Camel than

any

other

cigarette“

http://adclassix.com/ads/46camelcigs.htm

http://adclassix.com/ads/51camel.htm

Hier finden Sie eine „Marlboro-Werbung“

aus einer Zeit, als Passivrauch noch kein Problem darstellte.

http://www.flickr.com/photos/aeillill/77066948/in/set-967623/

Hier finden Sie einen Zusammenschnitt von alten „Camel“-Werbefilmen.

http://legacy.library.ucsf.edu/about/multimedia.jsp

Page 41: Tabakentwöhnung I

Zusätze in Zigaretten•

Die Tabakverordnung gestattet für die Herstellung von Tabakerzeugnissen eine Fülle von Zusatzstoffen.

Moderne Zigaretten enthalten ca. 10% Zusätze.

Es ist bekannt, dass die Tabakindustrie ca. 600 verschiedene Zusätze gebraucht.

Sie werden im Wesentlichen benutzt, um den Geschmack zu verbessern, die zugeführte Nikotindosis zu erhöhen und den Geruch und die Beschaffenheit des Zigarettenqualms zu beeinflussen.

Die Stoffe sind teilweise bei bestimmungsgemäßer Verwendung z.B. in Lebensmitteln unbedenklich. Durch die hohen Temperaturen beim Zigarettenrauchen werden jedoch bei der Verbrennung der zugesetzten Stoffe neue Substanzen (Pyrolyseprodukte) gebildet, deren gesundheitliche Risiken besonders im Zusammenwirken mit anderen Inhaltsstoffen des Tabaks fatal sind.

Page 42: Tabakentwöhnung I

Beispiele für Zusätze (1)

Chemisch undefinierte Gemische

wie Früchte, frisch oder getrocknet, Fruchtsaft und -sirup, Süßholz, Lakritze, Ahornsirup, Melasse, Gewürze, Honig, Wein, Likörwein, Spirituosen, Kaffee, Tee, Dextrine, Zuckerarten, Stärke, Essenzen

Feuchthaltemittel, darunter Glycerin, hydrierter Glucosesirup, hydrierte Saccharide, 1,2-Propylenglykol, 1,3-Butylenglycol, Triethylenglycol, Glycerin-

und Phosphorsäure sowie deren Kalium-

und Magnesiumsalze

Klebe-

und „Verdickungsmittel“

für Zigarren, für Strang-

und schwarzen Rolltabak usf.: z.B. Gelatine, Schellack, Collodium, Celluloseacetat, Ethyl-

und Methylcellulose, arboxymethylcellulose, Carboxymethylstärke, Maisstärke, Gummi arabicum, Agar-Agar, Alginsäure

und Salze, Traganth,

Johannisbrotkernmehl, Guarkernmehl, Polyvinylacetat, Kopolymere

des Vinylacetats mit Ethylen

für Tabakfolien: Glyoxal, Melamin-Formaldehydharz

als „Weißbrandmittel“: Aluminiumhydroxid, -sulfat, -oxid, Magnesiumoxid, Talk (Puder), Titandioxid, Alkali-

und Erdalkalisalze der Salpetersäure

Bilder: public

domain

Page 43: Tabakentwöhnung I

Beispiele für Zusätze (2)

Stoffe für Zigarettenfilter: Glycerinacetate, Triethylenglycoldiacetat, Polyvinylacetate

Heißschmelzstoffe

zum Kleben von Mundstücken: z.B. Paraffine, mikrokristalline Wachse, Styrol-Misch-

und Pfropf-Polymerisate, 2,6-Di-tert-

butyl-4-methylphenol, hydriertes Polycyclopentadienharz

Farbstoffe

für Zigarettenpapier, Zigarettenmundstücke sowie Zigarrendeckblätter, u.a. Brilliantschwarz, Cochenillerot, Echtrot, Indigotin

= Indigo), sowie mehrere für Kanzerogenität

verdächtige Azofarbstoffe

und Chromkomplexe zweier Azo-Verbindungen

Weichmacher

für Farben und Lacke zum Bedrucken von Zigarettenpapier, -filtern und Mundstücken: Dibutylphthalat, Glycerinacetate

Stoffe für Aufdrucke

auf Zigarettenpapier und Mundstücke: Anthrachinonblau, „Schwarz 7984“, Paraffin, dünn-

und dickflüssig, Leinöl

und Holzöl, Phenol-Formaldehyd-modifiziertes

Kolophonium, mit Acrylsäure modifiziertes Kolophonium, Kondensationsprodukte von Phenolen

mit

Formaldehyd, Salze und Oxide des Cobalts, Salze der 2-Ethylhexansäure

Quelle: Tiehlmann, Pötschke-Langer, Deutsches Krebsforschungszentrum 2005

Bilder: public

domain

Page 44: Tabakentwöhnung I

„Marktneuheiten“Die Tabakindustrie versucht nach wie vor mit neuen „gesünderen“

Tabakprodukten auf die Bewegung gegen das Rauchen zu reagieren.

Waren es vor Jahrzehnten die Filterzigarette und dann die „Light-Zigarette“, die eine Alternative für besorgte Raucher sein sollten, so ist es heute die rauchlose oder die tabakfreie Zigarette.

Die sind unter Handelsnamen wie z.B. „Bluesky“, „NicStic“, „Ryan-Zigarette“

auf dem Markt. Ausführliche Informationen zu den Produkten erhält man z.B. unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Rauchlose_Zigarette

Bild: www.nicstic.com Bild: www.europe.ruyan-global.com

Page 45: Tabakentwöhnung I

Wasserpfeifen•

Längere Rauchzeit –

dadurch höhere

Ansammlung der Sucht-

und Giftstoffe •

Aromatisierter Tabak –

ebenfalls

krebserregend•

Problem der Hygiene, wenn mehrere Personen eine Wasserpfeife gemeinsam rauchen

Bild: public

domain

Page 46: Tabakentwöhnung I

Die „Tabakindustriedokumente“

Verleugnung des Zusammenhangs zwischen Zigarettenrauchen, Krankheit und frühzeitigem Tod

Vermeidung der Herstellung weniger gesundheitsschädlicher Produkte•

Verleugnung der Gefahren des Passivrauchens

Verleugnung des Suchtpotentials von Zigaretten bei gleichzeitiger Suchtverstärkung der Produkte

Entwicklung von so genannten „Light“-Zigaretten

als absichtliche Täuschung von Verbrauchern

Entwicklung eines Marktes für Kinder und Jugendliche durch Marketingstrategien

fortgesetzte Unterschlagung und Unterdrückung von Informationen

Über die Lobbyarbeit der Tabakindustrie war jahrzehntelang kaum etwas bekannt. Über verdeckte Einflüsse wurde spekuliert. Beweise jedoch fehlten, bis am 12. Mai 1994 dem amerikanischen Mediziner Stanton Glantz

von der

Universität von Kalifornien geheime Dokumente der Tabakindustrie zugespielt wurden. Die Dokumente gaben Auskunft über:

Page 47: Tabakentwöhnung I

Aussagen der TabakindustrieÖffentlich (1994):

„Ich glaube nicht, dass Nikotin süchtig macht!“

T. T. SandefurSandefur, , Brown&WilliamsonBrown&WilliamsonW. Campbell, Philip MorrisW. Campbell, Philip MorrisJ. Johnston, R.J. ReynoldsJ. Johnston, R.J. Reynolds

Intern (1963):„Nikotin macht abhängig. Dann verkaufen wir eben eine süchtig machende

Droge.“A. A. YeamonYeamon, , Brown&WilliamsonBrown&Williamson

Filmdokumente unter:http://legacy.library.ucsf.edu/a

bout/multimedia.jsp

Näheres zur Aufdeckung der Machen- schaften

der Tabakindustrie mit

umfangreichem Medienmaterial finden Sie unter:

http://legacy.library.ucsf.eduhttp://legacy.library.ucsf.edu

Page 48: Tabakentwöhnung I

Slogans der Tabakwerbung (1)Halt, mein Freund! Wer wird denn gleich in die Luft gehen?!“

(HB Zigaretten)Raucher: sind entspannt, haben alles im Griff

Nichtraucher: sind nervös, unruhig, kriegen nichts gebacken

„Ich gehe meilenweit für eine Camel“Raucher: ausdauernd, verfolgen ihre Ziele, vertrauen auf eigene Kräfte

Nichtraucher: ziellose Schlappis, brauchen immer andere

Heute tue ich nur, was ich will. Nichts.“

(Gauloises, 1993)Raucher: unabhängig, haben ihren eigenen Kopf, unangepasstNichtraucher: angepasst, tun das, was man von ihnen verlangt

Page 49: Tabakentwöhnung I

Slogans der Tabakwerbung (2)

„Gut gelaunt genießen“

(HB Zigaretten, 1985)Raucher: sind einfach gut drauf

Nichtraucher: sind meistens mürrisch, genussfeindlich

„Come together. So much

more

to enjoy.”

(Peter Stuyvesant, 1993)Raucher: können Englisch, sind gesellig, haben Spaß

Nichtraucher: können nur Hochdeutsch, gehen zum Lachen in den Keller

„Test the

West“

(West Cigarettes, 1993)Raucher: experimentierfreudig, kreativ, schrill, tolerant

Nichtraucher: Langweiler, ideenlos, intolerant

Page 50: Tabakentwöhnung I

Raucher und Nichtraucher in der Werbung

Langweilig•

Humorlos

Nervös•

Ideenlos

Intolerant•

Genussfeindlich

Gehorsam•

ohne Englischkenntnisse...??

Entspannt•

Zielorientiert

Unabhängig•

Kreativ

Tolerant•

Gesellig

Ausdauernd•

Humorvoll

Bilder: Microsoft ClipArt

Page 51: Tabakentwöhnung I

1.3 Wie sieht die Epidemiologie zum

Tabakkonsum aus?Modul 1

Das Tabakproblem im gesellschaftlichen Kontext

Page 52: Tabakentwöhnung I

Raucher und Nichtraucher in Deutschland

gelegentliche Raucher; 4%

regelmäßige Raucher; 23%

Nieraucher; 54%

Ex-Raucher; 19%

Nichtraucher 73% Raucher 27%

Anteil in % der Bevölkerung im Alter von 15 Jahren und mehr

Quelle: Mikrozensus 2006

Page 53: Tabakentwöhnung I

Raucherprävalenz in Deutschland 2003

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

15-20 20-25 25-30 30-35 35-40 40-45 45-50 50-55 55-60 60-65 65-70 70-75 >75

Alter

Pro

zent

M 2003 W 2003Quelle: Statistisches Bundesamt 2000, 2004

Page 54: Tabakentwöhnung I

Raucherprävalenz nach sozialer Schicht

30,1%

47,4%

29,5%

37,8%

25,0%29,0%

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Männer Frauen

UnterschichtMittelschichtOberschicht

Quelle: Bundesgesundheitssurvey, 1999

Page 55: Tabakentwöhnung I

Raucherprävalenz bei Kindern und Jugendlichen

Quelle: BzgA-Drogenaffinitätsstudie

0

10

20

30

40

50

60

1993 1997 2001 2004

18 - 25 J. Männer18 - 25 J. Frauen12 - 17 J. Männer12 - 17 J. Frauen

%

Page 56: Tabakentwöhnung I

Anteil der Niedrig-

und Starkkonsumenten

14,16,6

75,9

15,611,1

5,3

70,8

20,9

01020304050607080

Gelegentlich <5 5- 20 21-40

20-40 J. 40-65 J.

Quelle: Statistisches Bundesamt 2000

Anzahl Zigaretten pro Tag

%

Page 57: Tabakentwöhnung I

Raucherprävalenz in verschiedenen Berufsgruppen

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Land-, Tier-, Forstwirtschaft

Bergbau

Fertigungsberufe

Technische Berufe

Warenkaufleute

Dienstleistungskaufleute

Büroberufe

Ärzte

sonst. Gesundheitsberufe

Lehrergelegentlich (%) regelmäßig (%)

Quelle: Statistisches Bundesamt 2000

Page 58: Tabakentwöhnung I

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

bis 12 Jahre 13-17 Jahre > 18 Jahre

16%

73%

11%

Alter zu Beginn des ZigarettenkonsumsAlter zu Beginn des Zigarettenkonsums

Quelle: Commitee

on Preventing

Addictionin Children

and Youths, Washington, USA

Bild: Barmer

Page 59: Tabakentwöhnung I

Prävalenzen für Deutschland (1)Jede(r) Vierte über 15 Jahre raucht regelmäßig.

27%Statistisches Bundesamt 2005

Männer rauchen häufiger als Frauen.Männer ab 15 Jahre 33%, Frauen ab 15 Jahre 22%

Statistisches Bundesamt 2003

In der Altersgruppe der 20-

bis 24-Jährigen findet sich der größte Raucheranteil.

Männer 38%, Frauen 30%Statistisches Bundesamt 2005

Page 60: Tabakentwöhnung I

Prävalenzen für Deutschland (2)Bei den Jugendlichen (12-18 Jahre) ist der Anteil der Raucher gestiegen.

20% 1994-1998, 33% 2002-2006WHO

Geschiedene zählen weitaus häufiger zu den Rauchern als Verheiratete.Geschiedene 44%, Verheiratete 26%

Statistisches Bundesamt 1999

Erwerbslose rauchen häufiger als Erwerbstätige. Erwerbslose 47%, Erwerbstätige 36%, Nichterwerbspersonen 17%

Statistisches Bundesamt 1999

Page 61: Tabakentwöhnung I

Prävalenzen für Deutschland (3)Zu den Berufsgruppen mit dem höchsten Raucheranteil zählen Bus-, Taxi-

und Fernfahrer sowie Bauarbeiter. Am wenigsten rauchen Ärzte,

Apotheker und Lehrer.Bus-, Taxi-

und Fernfahrer je 52%, Ärzte, Apotheker und Lehrer je 18%

Statistisches Bundesamt 1999

Im Durchschnitt rauchen Männer 20, Frauen 16 Zigaretten am Tag.Statistisches Bundesamt 1998

Das Einstiegsalter für die erste Zigarette liegt bei 13,6 Jahren.Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Page 62: Tabakentwöhnung I

Epidemiologie der Abhängigkeit

Quelle: DHS 2001

Substanz Konsumenten starker Konsum Abhängigkeit Todesfälle / Jahr

Alkohol 90% 9,3 Mio. 2,7 Mio. 42 000

Tabak 28% 16 Mio. 6-12 Mio. 110 000

Medikamente 90% 7,8 Mio. 1,5 Mio. ./.

Harte Drogen 3% 300 Tsd. 150 Tsd. 2 000

Page 63: Tabakentwöhnung I

Rauchen und Mortalität

Page 64: Tabakentwöhnung I

Rauchen und Mortalität

Page 65: Tabakentwöhnung I

MortalitätAm Tag sterben in Deutschland 300 Menschen an einer durch den Tabakkonsum bedingten Krankheit.Das sind mehr als durch Alkohol, Verkehrsunfälle, illegale Drogen, Aids, Mord-

und Todschlag zusammen. Das sind so viele, als würde jeden Tag ein Zug wie in Eschede verunglücken oder als würden jeden Tag drei Concordes abstürzen.

Bilder: public

domain

Page 66: Tabakentwöhnung I

1.4 Wie sieht eine wirksame Tabakkontrollpolitik aus?

Modul 1Das Tabakproblem im

gesellschaftlichen Kontext

Page 67: Tabakentwöhnung I

Das Maßnahmenmodell (1)Die Auswirkungen des Tabakkonsums sind sehr komplex. Sie betreffen politische, soziale, wirtschaftliche und persönliche Ebenen. Eine wirksame Tabakkontrollpolitik sollte auf allen Ebenen ansetzten. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Stellen Sie sich folgendes Modell vor:

Mücke

Sie selbstSumpf

Bild: Microsoft ClipArt

Page 68: Tabakentwöhnung I

Das Maßnahmenmodell (2)Es gibt nun mehrere Möglichkeiten das Problem einer Mückenplage anzugehen:

Alle Lösungen, sind Möglichkeiten, das Problem zu bekämpfen. Sie bergen Vor- und Nachteile sowie Risiken, die abgewogen und kalkuliert werden

müssen.

Dieses trifft auch auf eine wirksame Tabakkontrollpolitik zu.

Man könnte die Umwelt verändern und den Sumpf trockenlegen.

Man könnte bei sich selbst ansetzen und z.B. Mückenspray benutzen oder nur noch lange Kleidung tragen.

Und man könnte die Mücke vernichten, in dem man Insektenvernichtungsmittel einsetzt.

Mücke

Sie selbstSumpf

Page 69: Tabakentwöhnung I

Tabakpolitik•

Das übergeordnete Ziel jeder sinnvollen Tabakkontrollpolitik ist die deutliche Absenkung des Zigarettenkonsums mit Hilfe von Maßnahmen, deren Wirksamkeit bereits belegt ist.

Grundsätzlich ist ein „Policy-Mix“

anzustreben, also möglichst gleichzeitig verschiedene Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen mit dem Ziel einer spürbaren Reduktion des Tabakkonsums. Die klassische Maßnahmentrias umfasst:

Page 70: Tabakentwöhnung I

„Maßnahmentrias“

zur Eindämmung des Tabakkonsums

1.

den Einstieg

in den Konsum wirksam verhindern2.

den Ausstieg

aus dem Konsum / der Abhängigkeit erleichtern und

3.

vor Passivrauch

schützen

Im Einzelnen sind das folgende Maßnahmen:

1)

wirksame Preis-

bzw. Steuerpolitik2)

Bekämpfung des illegalen Handels

3)

umfassende Werbeverbote4)

Schaffen einer rauchfreien Umwelt

5)

Produktregulierung und objektive Verbraucherinformation 6)

Regulierung der Abgabe und des Vertriebs

7)

schulische Tabakprävention8)

massenmediale Prävention

9)

Beratungs-

und Behandlungsmaßnahmen zur Tabakentwöhnung

Page 71: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 1. Wirksame Preis-

bzw. Steuerpolitik (1)

9000

10000

11000

12000

13000

14000

15000

16000

17000

1971 19741977 1980 1983 19861989 1992 1995

Ziga

rett

en K

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199

4)

1,25

1,45

1,651,85

2,05

2,25

2,452,65

2,85

3,05

Prei

s(in

Eng

l. Pf

und;

zu

den

Prei

sen

von1

994)

Konsum

Preis

Quelle: Townsend (1998)

Studien belegen, dass mit steigendem Preis für Zigaretten, der Konsum sinkt.

Inflationsbedingter Verkaufspreis und Zigarettenkonsum in Großbritannien zwischen 1971 und 1996

Page 72: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 1. Wirksame Preis-

bzw. Steuerpolitik (2)

Eine weitere Studie kommt zum gleichen Ergebnis: Mit steigendem Preis für Zigaretten sinkt der Konsum.

(Campaign

for

Tobacco Free Kids, 2002)

Page 73: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 2. Bekämpfung des illegalen Handels

Der Anteil der geschmuggelten Ware an der Gesamtzahl der jährlich konsumierten Zigaretten ist beträchtlich und mindert die Wirkung der Preispolitik.

Bild: ©

WDR

Page 74: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 3. Umfassende Werbeverbote

Der Zusammenhang zwischen Tabakwerbung und Konsumerhalten ist belegt.

Trends im gewichteten Pro-Kopf-Zigarettenverbrauch in Ländern mit einem umfassendenVerbot im Vergleich zu Ländern ohne Verbot, Quelle. Saffer, Henry, The

control

of Tobacco Advertising

and Promotion

Page 75: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 4. Schaffen einer rauchfreien Umwelt

Zahlreiche nationale und internationale Gremien und Organisationen haben im vergangenen Jahrzehnt das Passivrauchen als beim Menschen krebser-

regend

eingestuft.

Durch die flächendeckende Schaffung rauchfreier Einrichtungen (vorrangig Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Sportstätten, Gaststätten, öffentliche Verkehrsmittel, öffentliche Einrichtungen) sollen Nichtraucher vor Passivrauch geschützt werden.

Quelle: Kraus & Bauernfeind 1998

Page 76: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 4. Schaffen einer rauchfreien Umwelt

Auf einigen Straßen von Tokio ist das Rauchen verboten. Für Raucher gibt es spezielle Plätze wie diesen Wagon vor einer Tokioter U-Bahnstation. Bild: GNU Free Documentation

License, ©

Chris73

Page 77: Tabakentwöhnung I

Die Produktgestaltung

sollte sich an der Minimierung der gesundheits- schädigenden

Wirkung orientieren. Hier entsprechen Zigaretten nicht dem

Stand der Technologie und des Wissens.

Die Produktinformation

sollte vollständig, präzise und verständlich sein. Z.B. in Form von Beipackzetteln, die über Gesamtinhaltsstoffe und Gesundheitsgefahren informieren.

Bezeichnungen, die einen nicht belegbaren gesundheitlichen Nutzen suggerieren, sollten unzulässig sein. Z.B. „light“-Zigaretten

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 5. Produktregulierung, objektive Verbraucherinfo

Page 78: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 6. Regulierung der Abgabe und des Vertriebs

Eindämmung der Möglichkeiten zum Zigarettenerwerb, z.B. durch:

Bild: Creative

Commons

lizensiert, cc-by-sa-2.0

Hilchenbach

Abschaffung der Zigarettenautomaten

Abgabe erst ab 18 Jahren•

Entfernung aus Selbstbedienungsauslagen

Page 79: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 7. Schulische Tabakprävention

Unterrichtsgestützte Tabakprävention erweist sich nur im Rahmen einer Gesamtstrategie, die außerschulische Maßnahmen mit einschließt, als nachhaltig wirksam.Zwei wichtige Ziele werden verfolgt: 1. Verzögerung des Einstiegsalters2. Verringerung des Tabakkonsums insgesamt

„Der Jugendliche von heute ist der potenzielle Kunde von morgen, und die überwältigende Mehrheit aller Raucher fängt im Jugendalter an zu rauchen …

die erste Markenwahl wird

während der Jugendjahre getroffen … die Rauchgewohnheiten jugendlicher

Raucher sind besonders wichtig für Philipp Morris.“

Philipp Morris, 1981 (XVIII)

Bild: DAK / Wigger

Page 80: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 8. Massenmediale Prävention (1)

Quelle: Glantz, 1997, aufbereitet durch DKFZ, Der Rückgang des Tabakkonsums wird der dort durchgeführten Kampagne zugeschrieben.

Page 81: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 8. Massenmediale Prävention (2)

„De-Normalisierung“

des Tabakkonsums = Umwandlung der idealisierenden und beschönigenden Darstellung des Tabakkonsums

Massenmediale Kampagnen, die sich bestimmte Zielgruppen wenden, können bei diesen zur Verringerung des Tabakkonsums beitragen –

Stimulierung der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Tabakproblematik•

nachhaltige Wirkung nur in Kombination mit weiteren Maßnahmen des Policy-Mixes

Bild: WHO, Poster zum Weltnichtrauchertag

2000

Page 82: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 9. Beratung-

und Behandlungsmaßnahmen zur Tabakentwöhnung

Die Abbildung zeigt, dass ein großer Anteil der Raucher mit dem Rauchen aufhören möchte.

Der Anteil von erfolg-

reichen

Entwöhnungs-

versuchen

kann durch professionelle Berat-

ung

und Behandlung sowie pharmakolo-

gische

Entwöhnungs-

hilfen

erhöht werden.

Quelle: Boyle et al. 2000, Bearbeitung DKfZ

Page 83: Tabakentwöhnung I

Maßnahmen zur Verringerung des Tabakkonsums: 9. Beratung-

und Behandlungsmaßnahmen zur Tabakentwöhnung

Der Zeitpunkt des Rauchstopps ist ausschlaggebend für die Reduzierung des Lungenkrebsrisikos.

Quelle: Peto

et al. 2000, Bearbeitung DKfZ

Page 84: Tabakentwöhnung I

Gesetzgebung zum TabakkonsumDie Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits im Jahr 1998 die Initiative ergriffen und mit einstimmiger Unterstützung der Weltgesundheitskonferenz in den Folgejahren die Framework Convention on Tobacco Control

(FCTC), die erste weltweit gültige Gesundheitskonvention,

vorgelegt. Die FCTC wurde einstimmig von der Weltgesundheitskonferenz im Jahr 2003 verabschiedet und im Folgejahr von über 170 Ländern unterzeichnet.Parallel und zur Unterstützung der FCTC hat die Europäische Kommission mehrere Direktiven vorgelegt, welche den europäischen Mitgliedsstaaten Empfehlungen und Verpflichtungen auferlegen.

Deutschland hat sich nicht nur bei den Verhandlungen um die FCTC, sondern auch bei der Anerkennung von EU-Direktiven äußerst schwer getan.In Deutschland liegen verschiedene Gesetze vor, die sich u.a. auch mit Tabak und Tabakkonsum befassen.

§Bild: Microsoft ClipArt

Page 85: Tabakentwöhnung I

Deutsche Gesetzgebung zum Tabakkonsum (1)

Jugendschutzgesetz: Tabak darf nicht an Kinder und Jugendliche abgegeben werden. Kinder und Jugendliche dürfen in der Öffentlichkeit nicht rauchen. Zigarettenautomaten dürfen für Kinder und Jugendliche nicht zugänglich sein.

Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder:

Werbung für Alkohol oder Tabak darf sich nicht an Kinder richten oder sie beim Trinken oder Rauchen abbilden

Arbeitsstättenverordnung:

Pflicht zu Schutzmaßnahmen: Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind.

Bürgerliches Gesetzbuch:

Pflicht zu Schutzmaßnahmen: Der Dienstberechtigte hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung

vorzunehmen

sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.

§§

Page 86: Tabakentwöhnung I

Deutsche Gesetzgebung zum Tabakkonsum (2)

Arbeitsschutzrichtlinien:

Pflicht zu Schutzmaßnahmen: Der Arbeitsgeber ist verpflichtete, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat die Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichen falls sich ändernde Gegebenheiten anzupassen. Dabei hat er eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben.

Tabak-Produktverordnung:

Die Tabakproduktverordnung enthält Begriffsbestimmungen, legt die Höchstmengen an Teer, Nikotin und Kohlenmonoxid fest, die eine Zigarette enthalten darf, definiert

Messverfahren, regelt die Mitteilungspflicht an Behörden sowie die Art der Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen mit Warnhinweisen.

Tabakverordnung:

Die Tabakverordnung regelt die Verwendungszwecke und welche Stoffe in welcher Menge für die Herstellung von Tabakerzeugnissen zugelassen sind.

§§

Page 87: Tabakentwöhnung I

Deutsche Gesetzgebung zum Tabakkonsum (3)

Lebensmittelgesetz bzw. Vorläufiges Tabakgesetz: Das Lebensmittelsgesetz regelt im Abschnitt Werbeverbote die Tabakwerbung!Allerdings wurden die tabakrelevanten Regelungen in den 70er Jahren in einem so genannten „Vorläufigen Tabakgesetz“

separat verfasst:

Es ist verboten, für Tabakerzeugnisse im Hörfunk oder im Fernsehen zu werben.

Tabakwerbung darf nicht den Eindruck vermitteln, als wäre der Genuss gesundheitlich unbedenklich oder geeignet, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden zu beeinflussen.

Tabakwerbung darf sich nicht an Jugendliche richten.

§§

Page 88: Tabakentwöhnung I

Deutsche Gesetzgebung zum Tabakkonsum (4)

Am 29. Dezember 2006 ist das „Erste Gesetz zur Änderung des Vorläufigen Tabakgesetzes“

in Kraft getreten. Damit ist die Tabakwerberichtlinie des

Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 nunmehr in deutsches Recht umgesetzt.

Das Gesetz verbietet es grundsätzlich, für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben.

Entsprechendes gilt für das Internet. •

Zudem dürfen internationale Veranstaltungen mit grenzüberschreitender Wirkung wie zum Beispiel Formel-1-Rennen nicht mehr von Unternehmen gesponsert werden, deren Haupttätigkeit die Herstellung oder der Verkauf von Tabakerzeugnissen ist.

§§

Page 89: Tabakentwöhnung I

Deutsche Gesetzgebung zum Tabakkonsum (5)

Am 25. Mai 2007 hat der Bundestag den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundessregierung zum Nichtraucherschutz beschlossen (Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchs).Rauchen ist ab September 2007 in öffentlichen Einrichtungen des Bundes und öffentlichen Verkehrsmitteln verboten. Verstöße gegen das Verbot gelten als Ordnungswidrigkeit.Das Mindestalter für die Abgabe von Tabakwaren und das Rauchen in der Öffentlichkeit ist seit September 2007 von 16 auf 18 Jahre gestiegen.Zum Schutz der Angestellten vor Tabakrauch soll zudem die Arbeitsstättenverordnung erweitert werden. Arbeitgeber sollen „soweit erforderlich“

für ihre Betriebe „ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot“

erlassen können. Kritik an dem Gesetz richtet sich vor allem darauf, dass die

Möglichkeiten zum Schutz der Arbeitnehmer –

besonders in der Gastronomie –

nicht weit reichend genug sind und nicht bundesweit über das Arbeitsschutzgesetz geregelt werden. Die Länder haben hier die Möglichkeit, über die Arbeitsstättenverordnung nachzubessern. Zu erwarten ist, dass es in den Ländern sehr unterschiedliche Regelungen zum Rauchverbot geben wird.

§§

Page 90: Tabakentwöhnung I

Deutsche Gesetzgebung zum Tabakkonsum (6)

Eine aktuelle Übersicht über die gesetzlichen Regelungen zur Tabakprävention finden Sie auf den Seiten des Netzwerkbüros des Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR):

http://www.tabakpraevention.de/guv_index.htm

§§

Page 91: Tabakentwöhnung I

TabaksteuerDie Tabaksteuer soll dem Staat einerseits zu Einnahmen verhelfen

(70% vom

Kaufpreis entfallen auf Tabak-

und Mehrwertsteuer), andererseits wird mit einer Anhebung der Steuer und damit einer Verteuerung der Tabakprodukte auch versucht, den Konsum entsprechend zu reduzieren. Es ist leicht vorzustellen, dass diese beiden Ausrichtungen zu Interessenkonflikten führen können.

Bilder: Microsoft ClipArt

Page 92: Tabakentwöhnung I

Staatliche Einnahmen und Ausgaben durch den Tabakkonsum

Ob der Einzug einer Tabaksteuer einen positiven Einfluss auf den Staatsaushalt hat, hängt auch von den durch das Rauchen verursachten

Kosten ab. Ist der Staat beispielsweise auch am Gesundheitswesen beteiligt,

so müssen

zur korrekten wirtschaftlichen Betrachtung der Tabaksteuer auch die medizinischen Ausgaben zur Diagnose und Behandlung von Rauchern beachtet werden. Ebenso führt durch Rauchen verursachte Arbeitsunfähigkeit zu Steuerausfällen. Andererseits sind derartige Vergleichsrechnungen umstritten, weil den Mehrkosten im Gesundheitswesen und den Einnahmeausfällen meist nur die Tabaksteuer gegenübergestellt wird, nicht aber die Entlastungen der Rentenkassen und des Gesundheitssystems durch die um rund 8 Jahre

verkürzte Lebenserwartung der Raucher.

Page 93: Tabakentwöhnung I

Modellrechnungen zu staatlichen Einnahmen und Ausgaben durch den Tabakkonsum

Einnahmen Kosten

Einnahmen durch die Tabaksteuerplus MwSt.

14,4 Mrd. €3 Mrd. €

medizinische Versorgung tabakbedingter Krankheiten und Arbeitsausfälle

19,4 Mrd

Modellrechnung 1: Rauchen kostet den Staat 2 Mrd. € jährlich

Ersparnisse bei den Rentenzahlungen, durch die verkürzte Lebensdauer von Rauchern

11,6 Mrd

Ersparnisse im Gesundheitswesen durch verstorbene Raucher

5 Mrd. €

Modellrechnung 2: würden die Ersparnisse durch die früher versterbenden Raucher mitberücksichtigt, sähe die Rechnung anders aus. Dann lägen die Einahmen bzw. Ersparnisse durch das Rauchen bei 14,6 Mrd. €.

Modellrechnung des Instituts für Gesundheitsökonomie und Management im Gesundheitswesen

Page 94: Tabakentwöhnung I

1.5 Was kann der Arzt tun, um dem

Tabakkonsum Einhalt zu gebieten?

Modul 1Das Tabakproblem im

gesellschaftlichen Kontext

Page 95: Tabakentwöhnung I

Besondere Position der ÄrzteIhre besondere Schlüsselrolle bei der Eindämmung des Tabakkonsums haben die Ärzte einer Reihe eng miteinander verbundener Eigenschaften zu verdanken:

ihrem detaillierten medizinischen Fachwissen•

ihrem Ruf als unabhängige und fürsorgende

Gesundheitsexperten

ihrer Beratungsfunktion in Gesundheitsangelegenheiten

für Einzelpersonen•

der einzigartigen Möglichkeit, Patienten individuell und im klinischen Umfeld, in dem sie für Gesundheitsinformationen besonders empfänglich sind, zu beraten

ihren Kontakten zu Entscheidungsträgern•

ihrer gesellschaftlichen Position als allgemein respektierte und

finanziell

unabhängige Person•

Mitwirkungsmöglichkeiten in öffentlichen und privaten Organisationen

Wirkungsmöglichkeiten in den Medien

Aus: Ärzte und Tabak –

die große medizinische Herausforderung, Tobacco Control

Research Centre

Page 96: Tabakentwöhnung I

Ärzte und Tabak•

Ärzte haben einen Großteil bahnbrechender Forschungsarbeit zur Gefährdung durch den Tabakkonsum geleistet (z.B. British Doctors

Study)

Ärzte haben politische Feldzüge gegen den Tabak angeführt und die Entwicklung der Tabakpolitik mitgestaltet

Ärzte unterstützen Raucher beim Aufhören •

Ärzte fördern die Zusammenarbeit mit weiteren Berufssparten, die Gelegenheit haben, Raucher zum Aufhören zu motivieren und sie bei der Entwöhnung zu beraten und zu unterstützen.

Bildquelle: Microsoft ClipArt

Page 97: Tabakentwöhnung I

Was können Ärzte tun? -

Beispiele:•

mit gutem Beispiel vorangehen selber nicht rauchen oder mit dem Rauchen aufhören!

darauf hinwirken, dass die eigene Praxis bzw. Station rauchfrei ist•

Unterstützung von Forschungsarbeit zur Tabakentwöhnung oder Tabakkontrolle•

Gelegenheiten zum Informieren und Aufklären schaffen und nutzen (z.B. Materialen auslegen, Informationsveranstaltungen für Raucher in Praxen, Schulen oder Vereinen durchführen)

Kontakte zur Presse / den Medien knüpfen•

Veröffentlichungen zur Tabakproblematik•

Beraterfunktionen zur Tabakproblematik im lokalen Umfeld (z.B. Gemeindeverwaltungen, Schulgremien) übernehmen

Netzwerk zu Kollegen und anderen Berufssparten sowie Beratungsstellen und Entwöhnungsanbietern aufbauen

Mitarbeit in ärztlichen Verbänden / Gremien zur Tabakproblematik•

Kontinuierlicher Kompetenzerwerb, Aufbau von Expertenwissen –

sich auf dem Laufenden halten (z.B. Veranstaltungen besuchen, Newsletter

abonnieren, Veröffentlichungen verfolgen)

Qualifikation zur ärztlichen Raucherberatung und Tabakentwöhnung erwerben•

ärztliche Raucherberatung und Tabakentwöhnung anbieten

Page 98: Tabakentwöhnung I

Grundlagen der ärztlichen Raucherberatung

Bei jedem Raucher lohnt sich die Ansprache durch seinen Arzt. Insbesondere bietet sie sich bei solchen Rauchern an, die selber

Leidensdruck signalisieren, die bereits Folgeerkrankungen des Rauchens aufweisen sowie bei werdenden Eltern und solchen, die Verantwortung für mit im Haushalt lebende Kinder tragen.

Die Thematisierung des Rauchens sollte fachlich begründet und aus ärztlicher Fürsorge für die Gesundheit des Patienten erfolgen.

Zur Bestimmung des Grades der Tabakabhängigkeit hat sich der Einsatz des Fagerström-Tests

bewährt, der 6 Fragen zum Rauchverhalten umfasst.

Da Raucher unterschiedlich stark motiviert sind, das Rauchen aufzugeben, sollte sich die Ansprache an der jeweiligen Motivationsstufe orientieren, auf der sich der Patient aktuell befindet.

Page 99: Tabakentwöhnung I

Grundlagen der ärztlichen Raucherberatung

Die Motivation lässt sich durch die Ansprache ambivalenter Erfahrungen und Haltungen des Rauchers zum Tabakkonsum erhöhen (Schaffung sog. „kognitiver Dissonanzen“).

Beim aufhörbereiten Patienten sollten die Entscheidung zum Rauchstopp gestärkt und konkrete Schritte vorbereitet werden. Dabei sind die bisherigen Erfahrungen des Patienten sowie sein soziales Umfeld mit zu berücksichtigen.

Mit dem Patienten sollten Folgekontakte vereinbart werden, die der Besprechung unangenehmer Begleitsymptome und kritischer Situationen sowie der Stärkung der Motivation dienen. Rückfälle sollten thematisiert und konstruktiv bearbeitet werden.

Zur Abfederung von Entzugserscheinungen sollte eine Nikotinsubstitution erwogen und mit dem Patienten besprochen werden.

Page 100: Tabakentwöhnung I

Vorteile ärztlicher Raucherberatung•

die ärztliche Beratung ist niedrigschwellig

örtlich und zeitlich gut erreichbar•

schichtenunspezifisch

legitimer Gesprächseinstieg aufgrund des gesundheitlichen Kontextes•

langfristiger, wiederkehrender Kontakt

Motivationsfenster können abgepasst werden•

Begleitung bei medikamentöser Therapie

ärztlicher Rat hat Gewicht, ist motivierend

Bild: KBV Archiv