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Gutachten XY Stadt XY Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015 Perspektiven des SGB II Wo stehen wir in zehn Jahren? Durchführung und Dokumentation: gfa | public GmbH Schwedter Straße 9A D — 10119 Berlin fon +49.(0)30. 398205 300 fax +49.(0)30. 398205 309 web www.gfa-public.de

Tag der kommunalen Jobcenter 2015 Perspektiven des SGB II ... · Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015 0 Inhalt A Übersicht 1 B Eröffnungsplenum mit Redebeiträgen 2 C

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Gutachten XY Stadt XY Dokumentation

Tag der kommunalen Jobcenter 2015

Perspektiven des SGB II –

Wo stehen wir in zehn Jahren?

Durchführung und Dokumentation: gfa | public GmbH Schwedter Straße 9A D — 10119 Berlin

fon +49.(0)30. 398205 300 fax +49.(0)30. 398205 309

web www.gfa-public.de

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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Inhalt

A Übersicht 1

B Eröffnungsplenum mit Redebeiträgen 2

C Tagungskonzept 5

D Fachforen 7

D.1 Forum 1 – Kernauftrag und Klientel sowie Akteure im Umfeld der Jobcenter 8

D.2 Forum 2 – Rolle der Berater 14

D.3 Forum 3 – Dynamik von Arbeitsverhältnissen 19

D.4 Forum 4 – Share Economy und Social Sharing 23

D.5 Forum 5 – Digitalisierung und Kommunikation 28

D.6 Forum 6 – Rechtlicher Rahmen und Sozialstaatsidee 33

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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A Übersicht

Am 12. Mai 2015 fand der diesjährige Tag der kommunalen Jobcenter statt, mit dem die Optionskommunen zu einer öffentlichen Fachtagung eingela-den hatten. Das zehnjährige Bestehen des SGB II bot den Anlass, einen Ausblick auf die Entwicklung in den nächsten zehn Jahren zu nehmen.

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Der Ausblick auf die kommenden Herausforderungen, die

Frage danach, welche Schwerpunkte in der Sozialpolitik voraussichtlich gesetzt werden und wie die Auswirkungen der künftigen Entwicklung auf die Akteure im SGB II einzuschätzen sind, standen im Mittelpunkt der Ta-gung. Dabei wurde Gelegenheit zu einer Debatte über die strategische Ausrichtung der Jobcenter gegeben. Die zentralen Fragestellungen der Tagung lauteten:

Wie verändert sich in 10 bis 15 Jahren die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Situation in Deutschland und wie wirken sich diese Veränderungen auf die handelnden Akteure im SGB ll, insbesondere die Jobcenter, aus?

Das führt zu der Fragestellung: Was ist bereits heute zu tun, um sich strategisch darauf vorzubereiten?

Die Tagung wurde mit Fachvorträgen von Prof. Dr. Eberhard

Eichenhofer, Universität Jena, und Prof. Dr. Thomas Voelzke, Vorsitzender Richter des SGB II-Senats am Bundessozialgericht, eröffnet. Es folgte die Rede von Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages, und zum Abschluss der Tagung verabschiedete Dr. Dietlind Tiemann, Mitglied im Präsidium des Deutschen Städtetages die Teilnehmer.

Zur Vorbereitung der Fachforen für diese Tagung hatten ex-terne und kommunale Experten in acht Themenblöcken die Bandbreite der SGB II-Themen in Workshops bearbeitet. Dadurch konnte eine große Bandbreite fachlicher Überlegungen und gesellschaftlicher Positionen in die Debatte eingebracht werden (Kapitel C.) Im Zentrum stand jedoch die aktive Einbeziehung der Tagungsteilnehmer in den Fachforen durch inten-sive Fachdiskussionen (Kapitel D.).

Zur Einstimmung auf die Tagung erhielten die Teilnehmer vorab die Thesenpapiere aus diesen im Vorfeld durchgeführten Experten-workshops. Die Diskussionen, die in den Foren und am Rande der Tagung stattfanden, haben zur sozial- und arbeitsmarktpolitischen Debatte beige-tragen. Der Austausch der Jobcenter-Vertreter untereinander und mit vielen externen Experten und Tagungsgästen findet seine Fortsetzung im Rah-men des Benchlearning der kommunalen Jobcenter.

Mit 350 Teilnehmern aus Jobcentern, Politik, Wissenschaft, Wirtschaft, Sozialpartner und Sozialverbänden fand die Tagung großen Anklang und konnte in der langjährigen Reihe der Fachtagungen der Op-tionskommunen die bislang höchste Zahl an Teilnehmern verzeichnen.

1 Im Rahmen dieser Dokumentation wird zur verbesserten Lesbarkeit und bes-

seren Verständlichkeit auf geschlechtsspezifische Zusätze verzichtet. Die ein-fachste Form im Plural umfasst damit immer beide Geschlechter.

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B Eröffnungsplenum mit Redebeiträgen

Den Auftakt zu den Fachvorträgen am Vormittag machte Prof. Dr. Eber-hard Eichenhofer, Lehrstuhlinhaber für Sozialrecht und Bürgerliches Recht an der Universität Jena. Er nahm die geistesgeschichtlichen Grund-lagen der Hartz-Reformen in den Blick und stellte sie in den Entwicklungs-kontext europäischer Sozialpolitiken, um zu einer Verortung dieser tiefgrei-fenden deutschen Sozialreform zu gelangen. Das grundlegend Neue der Arbeitsmarktreform habe in der Einforderung der Kooperation von Arbeits-verwaltung und berechtigter Person gelegen, führte er aus. Sozialleistun-gen würden seither nicht mehr einseitig gewährt, sondern seien als Leis-tungsaustausch gedacht. Die Eingliederungsvereinbarung zwischen Leis-tungsberechtigtem und Leistungsträger unterstützte die Individualisierung, also die Ausrichtung des Verwaltungshandelns auf die höchst individuellen Bedürfnisse und Potenziale des Berechtigten. Daraus ergebe sich die Mög-lichkeit der Sanktionierung des Berechtigten im Falle von Vertragsverlet-zungen. Mit der Agenda 2010 sei Deutschland den europäischen Nachbar-ländern gefolgt, die bereits seit den 80er-Jahren diesen Ansatz verfolgen. Die europäische Beschäftigungspolitik richte sich auf das Modell der „Flexi-curity“ aus, in welchem die Flexibilität der Arbeitsplätze mit der Sicherheit der Beschäftigten verbunden werden soll.

Prof. Dr. Eberhard Eichenhofer, Universität Jena

Im zweiten Vortrag am Vormittag der Tagung thematisierte Prof. Dr. Thomas Voelzke, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht, die zent-ralen rechtlichen Entwicklungen seit Einführung des SGB II am Beispiel der Themenbereiche Eingliederungsleistungen, Sanktionen und New Gover-nance. Er stellte dar, dass nach zehn Jahren und trotz der hohen Zahl von 66 Änderungsgesetzen noch immer juristische Löcher des SGB II zu stop-fen seien. Dabei seien nicht nur juristische Handwerksfehler zu Zeiten der Entstehung des SGB II für die Vielzahl von Klagen verantwortlich. Bei einer Reform dieser Größenordnung seien Klagen und die damit verbundenen (höchst-)richterlichen Klärungen schlicht nicht zu verhindern. In Bezug auf Sanktionen betonte er, dass diesen kein allgemeiner Strafcharakter, son-dern vielmehr ein steuernder Charakter beizumessen sei. Für die Zukunft sei die Ungleichbehandlung von Single-Bedarfsgemeinschaften und Mehr-personen-Bedarfsgemeinschaften zu verhindern. Ebenso halte er ver-schärfte Sanktionen für unter 25-Jährige für nicht verfassungskonform.

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Prof. Dr. Thomas Voelzke, Vorsitzender Richter am Bundessozialgericht

Im Anschluss an die beiden Impulsvorträge richtete Reinhard Sager, Prä-sident des Deutschen Landkreistages und Landrat des Kreises Ostholstein, seine Rede an die Teilnehmer der Tagung. Nach einer kurzen Bewertung der Hartz-Reformen zehn Jahre nach deren Einführung, ging er auf die zentralen Zukunftsthemen des SGB II ein. Kritisch bewertete er die starken Mittelkürzungen und die mangelnde Langfristigkeit der Qualifizierungs-ansätze im SGB II. Als Erfolg bewerten ließe sich die unbestrittene Akzep-tanz der beiden Säulen des SGB II, der Vermittlung in den Arbeitsmarkt und die sozialpädagogische Betreuung der Leistungsberechtigten. Für die langfristige, sozialpädagogische Ausrichtung sei dies nicht von Beginn an akzeptiert gewesen, die kommunalen Jobcenter hätten hier wichtige Pio-nierarbeit geleistet. Eine flexible Anwendung von Arbeitsmarktinstrumenten durch die Jobcenter sei zukünftig von großer Bedeutung. Diese sei wich-tiger als die heutige, aufwendige Form der Erhebung von Steuerungskenn-zahlen. Gegenüber dem Personal, dem größten Gut der Jobcenter, müsse mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung auf Bundesebene entgegen-gebracht werden. Weiter sei auf die zentrale Aufgabe der Integration von Langzeitarbeitslosen stärker zu achten und nicht durch die gute Arbeits-marktentwicklung aus den Augen zu verlieren. Das Instrument öffentlich geförderter Beschäftigung dürfe nicht zu leicht abgetan werden. Insgesamt bestehe eine Gefahr darin, eine zu starke Fokussierung auf bestimmte Zielgruppen durch Programme, Schwerpunkte und Impulse auf Ebene des Bundes vorzunehmen, auch hier bräuchten die Jobcenter mehr Freiraum für individuelle Lösungen.

Reinhard Sager, Präsident des Deutschen Landkreistages

Den Schlussvortrag und die Verabschiedung der Tagungsteilnehmer am Ende der Tagung übernahm Dr. Dietlind Tiemann, Mitglied im Präsidium

des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeisterin der Stadt Branden-burg an der Havel. Sie betonte, dass die Reform der SGB II-Gesetze auch nach zehn Jahren noch nicht abgeschlossen sei. So sei die tatsächliche Realisierung sozialer Teilhabe für arbeitsmarktferne Menschen im Rahmen der SGB II-Zielsteuerung ein wichtiger Impuls. Des Weiteren müssten die Restriktionen bei den Instrumenten der öffentlich geförderten Beschäftigung

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zurückgenommen werden. Arbeitsgelegenheiten sollten zu „Teilhabejobs“ ausgeweitet werden und die Mittelkürzung für Einstiegsleistungen sollte zurückgenommen werden. Auch der Verwaltungskostentitel müsse seitens des Bundes angehoben werden, um die Kommunen zu entlasten. Nicht zuletzt solle auch die Zusammenarbeit aller an der Integration der Lang-zeitarbeitslosen Beteiligten verbessert werden.

Dr. Dietlind Tiemann, Mitglied im Präsidium des Deutschen Städtetages

Alle Redebeiträge sind im Anhang dieser Tagungsdokumentation vollständig dokumentiert.

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C Tagungskonzept

Um die zukunftsgewandte Ausrichtung der Fachtagung zu gewährleisten und um die Diskussionen in den Fachforen fachlich vorzubereiten sowie inhaltlich zu strukturieren, fanden acht eintägige Vorbereitungs-Workshops statt, zu denen das Benchlearning der Optionskommunen im Vorfeld der Tagung eingeladen hatte. Insgesamt 45 Experten aus Wissenschaft, Wirt-schaft, Politik und Verbänden nahmen an den Workshops teil, darunter Sozialrechtsexperten, Sozialwissenschaftler, Arbeitsmarktforscher, Vertre-ter der Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, der Bundesagentur für Arbeit, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und von Unternehmen. Dieser Gruppe standen insgesamt 25 Leitungskräf-te der kommunalen Jobcenter zur Seite, um die Praxisperspektive einzu-bringen. Diese Kombination verschiedener Sichtweisen hat zu fruchtbaren Diskussionen und Ergebnissen in Form von Thesen geführt, die von der gesamten Expertengruppe getragen wurden. Die Thesen bildeten die Grundlage für die Diskussion in den Fachforen beim Tag der kommunalen Jobcenter 2015. Es handelt sich um einen Ausblick in die Zukunft, der nicht durch empirische Befunde abgesichert sein kann.

Die Vorbereitungs-Workshops waren als eine Art Zukunfts-labor konzipiert, das Experten aus verschiedenen Fachrichtungen, gesell-schaftlichen Gruppen und Professionen zusammenbrachte. Eine Gemein-samkeit hatten alle Experten: ihre langjährige Auseinandersetzung mit Fra-gen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik und des SGB II.

Der Zeithorizont der Prognosen sollte darauf abzielen, die Situation in 10 bis 15 Jahren von heute aus betrachtet zu beschreiben. Im Fokus stand die Frage, auf welche Entwicklungen wir uns in dem ver-gleichbaren, kommenden Zeitraum von zehn Jahren einstellen müssen. Dies wird als Beitrag zu der Debatte verstanden, auf welche Fragen eine Hartz-Reform im Jahr 2015 Antworten finden müsste und wie diese in gro-ben Zügen aussehen könnten.

Dies waren die Themen der acht Vorbereitungs-Workshops:

Themen der Vorbereitungs-Workshop

1 Kernauftrag und Klientel der Jobcenter

2 Rolle der Berater

3 Akteure im Umfeld der Jobcenter

4 Dynamik von Arbeitsverhältnissen

5 Share Economy und Social Sharing

6 Digitalisierung und Kommunikation

7 Sozialstaatsidee und Transnationaler Rahmen

8 Rechtlicher Rahmen

Die Themenbereiche 1 und 3 wurden zusammengezogen zu einem Fachfo-rum, ebenso die Themenbereiche 7 und 8, sodass beim Tag der kommuna-len Jobcenter dann sechs Fachforen besucht werden konnten.

Um einen fundierten Blick in die Zukunft werfen und Szena-rien wie Prognosen entwickeln zu können, ist eine Analyse der heutigen Situation und der Entwicklungspfade dorthin natürlich unerlässlich. Den-noch sollte in den Vorbereitungs-Workshops wie dargestellt die Zukunfts-perspektive im Vordergrund stehen. Aus diesem Grund wurden Leitfragen entwickelt, die einen schnellen Einstig in das jeweilige Thema und eine Struktur, einen roten Faden für die Debatte ermöglichen sollten. Im Ergeb-nis entstanden Thesen, die als Zusammenfassung und Verdichtung kom-

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plexer Sachverhalte dienen, ohne dass unzulässig verkürzt oder verein-facht würde.

Dieser schnelle Einstig in die Themenbereiche half den Ta-gungsteilnehmern bereits im Vorfeld der Veranstaltung, indem die Thesen-papiere für alle Foren an alle angemeldeten Teilnehmer versandt wurde.

Die Thesenpapiere stellen dar, wie die Experten die gesell-schaftlichen Entwicklungen der nächsten Jahre einschätzen und welche Auswirkungen dies für die Sozial- und Arbeitsmarktakteure haben könnte. Einschätzungen dieser Art sind schwierig und stehen immer unter Vorbe-halt. Die Workshops wurden mit der Prämisse durchgeführt: je offener und breiter solche Fragen diskutiert werden, desto nutzbringender die Progno-sen. So sind auch widersprüchliche Thesen in die Papiere aufgenommen worden. Hier wurde über Begriffe und Formulierungen gerungen, bei zu stark unterschiedlichen Ansichten Gegenthesen eingebracht und immer wieder versucht, sich von den Eindrücken der aktuellen Situation zu lösen und die Zukunftsperspektive einzunehmen. Dennoch waren sich alle Exper-ten darin einig, dass die künftigen Entwicklungen von solch komplexer so-zialer und politischer Art nur äußerst schwer zu prognostizieren sind und sich dies auch in den Thesen widerspiegeln sollte. Die Leitfragen aus den Vorbereitungsworkshops finden sich am Beginn jedes Kapitels über die einzelnen Fachforen.

Übersicht zum Gesamtkonzept der Tagung

In allen acht Workshops zeigte sich ein großes Engagement für die The-men, für die Leistungsberechtigten und für die Kollegen. Es entwickelten sich engagierte, differenzierte und fachlich sehr tiefgehende Debatten. Der Austausch wurde dementsprechend auch von allen Beteiligten sehr positiv bewertet und die Diskussionen als ein großer Gewinn bezeichnet.

Das Benchlearning der Optionskommunen ermöglichte damit einen Aus-tausch über alle institutionellen Grenzen und inhaltlich differierenden Posi-tionen hinweg. Besonders würdigten die Teilnehmer aus allen Bereichen den fruchtbaren Austausch zwischen Theorie – vor allem der wissenschaft-lich geprägten Perspektive – und Praxis – der umsetzungsorientierten Per-spektive der Jobcenter-Vertreter auf Grundlage ihrer täglichen Arbeit. Hie-raus entstanden interessante und neue Ansätze für Debatten, die sich in den Thesen – so hoffen alle Beteiligten – wiederfinden.

Vorbereitungs-

Workshops

Thesenpapiere

Tag der kommunalen

Jobcenter 2015

– Inhaltliche Zuspitzung der Forenthemen auf die relevanten Aspekte und Formulierung von Thesen

– Diese Thesen stellen die Grundlage für sechs themenspezifische Thesenpapiere dar

– Qualitätssicherung durch Experten der Vorberei-tungs-Workshops im Umlaufverfahren

– Versand an die Teilnehmer im Vorfeld der Fach-tagung

– Experten aus den Vorbereitungs-Workshops stellen den Wissenstransfer in die Foren sicher

– Validieren der Thesen mit den Teilnehmern: Wie sollten sich die Jobcenter vorbereiten, welche Handlungskonsequenzen ergeben sich?

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D Fachforen

Auf Grundlage der dargestellten Vorbereitungs-Workshops und den dort erarbeiteten Thesen wurden beim Tag der kommunalen Jobcenter 2015 Fachforen zu sechs Themenfel-

dern in zwei Runden zu jeweils 90 Minuten durchgeführt. Die Teilnehmer-zahl der Foren reichte von 30 Teilnehmern bis zum größten Forum mit 90 Teilnehmern. Jede Forenrunde begann mit der Vorstellung durch einen Experten aus dem Vorbereitungs-Workshop.

Die thematische Bandbreite der Foren bildete die zentralen Fragestellungen ab, die sich für die zukünftige Umsetzung des SGB II stel-len:

Fachforen beim Tag der kommunalen Jobcenter 2015

1 Kernauftrag und Klientel sowie Akteure im Umfeld der Jobcenter

2 Rolle der Berater

3 Dynamik von Arbeitsverhältnissen

4 Share Economy und Social Sharing

5 Digitalisierung und Kommunikation

6 Rechtlicher Rahmen und Sozialstaatsidee

Mit den Forumsteilnehmern wurde nach dem Überblick über

die Thesen im nächsten Schritt eine Auswahl an zentralen Thesen getrof-fen und diskutiert. In einigen Foren mit einer kleineren Anzahl an Teilneh-mern wurde diese Diskussion für alle über den Beamer sichtbar in Stich-worten direkt mitgeschrieben. Daraufhin konnte das Plenum über die disku-tierten Thesen mithilfe grüner und roter Karten abstimmen (Validierung). Dies wurde je nach Diskussionsverlauf von Forum zu Forum unterschied-lich gehandhabt. Ebenso abhängig von der Diskussion konnte sich der letzte methodische Schritt anschließen, in dem ein Ideenaustausch über mögliche Handlungskonsequenzen stattfand, die aus den bestätigten The-sen bereits für heute abgeleitet werden können. Anschließend folgte erneut derselbe Ablauf für einen weiteren Themenschwerpunkt anhand weiterer Thesen.

Die folgenden Kapitel über die sechs Foren folgen einer ein-heitlichen Struktur. Zunächst wird ein Überblick über die übergeordneten Themen und Leitfragen, das Fazit und die beteiligten Experten in Tabellen-form gegeben. Im ersten Unterkapitel „Vorbereitungs-Workshop“ folgen die Leitfragen, die diskutiert wurden, und anschließend die Thesen, die von den Experten erarbeitet wurden. Im zweiten Unterkapitel „Verlauf des Fach-forums“ findet sich die Diskussion der Thesen wieder, die zur besseren Übersichtlichkeit nicht chronologisch dokumentiert ist, sondern den inhalt-lichen Bezug der Thesen beider Forenrunden folgen. Abhängig vom Vor-gehen in den einzelnen Foren folgen darauf die Ergebnisse der Validierung und die diskutierten Handlungskonsequenzen.

Thesen

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D.1 Forum 1 – Kernauftrag und Klientel sowie Akteure im Umfeld der Jobcenter

Überblick Fachforum 1

Leitfragen

— Wie verändert sich zukünftig die Klientel im SGB II? — Wie entwickelt sich der Kernauftrag der Jobcenter? — Haben die Jobcenter beim Kernauftrag Gestaltungsspielräume, finden

sie ein Korsett vor oder herrscht Beliebigkeit? — Wie verändern sich gesellschaftliche Erwartungen in Bezug auf Kern-

auftrag und Klientel? — Wie wird mit knappen Ressourcen umgegangen? — Welche Akteure mit welchen Aufgaben prägen zukünftig das SGB II?

Fazit

— Besonders wichtig wird in der Zukunft die Qualifizierung der Jobcen-ter-Mitarbeiter sein.

— Jobcenter müssen und werden künftig einen umfassenderen, langfris-tiger angelegten Beratungsansatz verfolgen.

— Der demografische Wandel zwingt alle Akteure zu neuen, flexiblen Lösungen.

— Zwei Drittel der Teilnehmer sehen künftig einen höheren Mittelbedarf im SGB II.

— Auch in Zukunft erwarten die Teilnehmer ein starkes Engagement des Staates und sehen eine ausreichende Mittelausstattung als erforder-lich an.

Experten

— Dr. Christoph Kahlenberg, randstad — Prof. Dr. Matthias Knuth, Institut für Arbeit und Qualifizierung Düssel-

dorf — Tina Hofmann, Paritätischer Gesamtverband — Rosemarie Lück, Landkreis Darmstadt-Dieburg

D.1.1 Vorbereitungs-Workshop

Im Vorfeld waren in zwei Workshops unter Beteiligung von Wissenschaft-lern und Praktikern Zukunftsthesen zu den Themenbereichen „Kernauftrag und Klientel der Jobcenter“, sowie „Akteure im Umfeld der Jobcenter“ erar-beitet worden. Wegen der inhaltlichen Nähe bzw. wegen der Themenüber-schneidungen wurden die Ergebnisse beider Workshops in einem gemein-samen Fachforum bei der Fachtagung vorgestellt.

Leitfragen

1. Wie verändert sich zukünftig die Klientel im SGB II?

Ändert sich die Klientel der Jobcenter in den nächsten Jahren? Wohin? Auf welche Indizien oder bisherigen Entwicklungen stützt sich die Annahme?

Wachsen die regionalen Unterschiede in der Zusammensetzung der Leistungsberechtigten oder schrumpfen sie?

Wer beschäftigt sich heute und künftig mit der Klientel? (Anteile Integrationsfachkräfte, Leistungsgewährung, Professionen im Jobcenter, Qualifikationen)

Welcher konkrete Zweck wird von den Jobcentern maßgeblich ver-folgt werden? Wovon ist das abhängig?

2. Wie entwickelt sich der Kernauftrag der Jobcenter?

Was ist heute der Kernauftrag der Jobcenter?

Wonach bestimmt sich das? (Diskussion vor Ort, Diskussion mit dem Land, politische Diskussi-on auf Bundesebene, Gesetz, Gesellschaft)

Sind klare und starke Impulse zum Kernauftrag zu erwarten? Aus der Politik oder vom Gesetzgeber?

Bestimmt jedes Jobcenter seinen Kernauftrag selbst? Wenn ja, wer dort?

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Welche Rolle spielt der breit angelegte gesetzliche Auftrag? 3. Gestaltungsspielräume der Jobcenter beim Kernauftrag oder Beliebig-

keit?

Ist die Entwicklung des eigenen Kernauftrags ein bewusster Pro-zess oder erfolgt sie implizit?

Wer ist daran beteiligt oder wer kann sich daran beteiligen?

Gibt es eine Legitimation für die Entscheidung, bedarf es einer sol-chen?

Ist es bisher in das Belieben gestellt, welcher Auftrag in den Job-centern verfolgt wird?

4. Wie verändern sich gesellschaftliche Erwartungen in Bezug auf Kern-

auftrag und Klientel?

Wohin könnten sich die gesellschaftlichen Vorstellungen und Er-wartungen an die Jobcenter verändern? Was liegt nahe?

Was wäre nach den bisherigen Erfahrungen erforderlich, damit hier Veränderungen eintreten?

5. Wie wird mit knappen Ressourcen umgegangen?

Ist zu erwarten, dass die Spannung zwischen knappen Mitteln bei weit gefasstem Auftrag fortbesteht oder weiter zunimmt?

Kann es – und unter welchen Voraussetzungen – zu einer deut-lichen Intensivierung der Arbeitsmarktpolitik durch größere Res-sourcen kommen?

Wie reagieren die Jobcenter künftig auf die knappen Ressourcen? Werden weiter betriebswirtschaftliche Optimierungen versucht?

Wird künftig stärker in das eigene Personal investiert?

Steigt die Bereitschaft zu Umschichtungen in Verwaltungsmittel zugunsten des eigenen Personals?

6. Welche Akteure mit welchen Aufgaben prägen zukünftig das SGB II?

Wie wird sich die Frage nach Sozialer Teilhabe entwickeln, gerade auch unabhängig von Erwerbsarbeit? Welche Rolle wird der Staat dabei einnehmen?

Wie wird sich der Arbeitsmarkt entwickeln, welche Akteure fördern den Zugang auf welche Art und Weise?

Wie nehmen die unterschiedlichen Akteure künftig ihre spezifische Rolle wahr, wird es einschneidende Veränderungen geben oder bleibt es, wie es ist?

Wie wird die Vermittlung in den Arbeitsmarkt künftig organisiert, welche Entwicklungen erwarten die Jobcenter, welche Instrumente werden zur Verfügung stehen?

Wie werden sich die Rahmenbedingungen verändern, etwa die Mit-telausstattung? Welche Rolle wird der Staat im Verhältnis zu priva-ten Akteuren spielen?

Thesen

1. Der Anteil Jugendlicher ohne (Berufs-)Ausbildung wird sinken, weil die (Aus-)Bildungschancen sich auch demografisch verbessern.

2. Der Anteil von Leistungsberechtigten mit Migrationshintergrund im SGB II wird in Zukunft deutlich höher sein als heute.

3. Auch Personen, deren soziales und familiäres Umfeld von Leistungs-bezug geprägt ist, werden künftig größere Chancen auf eine Integra-tion in den Arbeitsmarkt haben.

4. Die Sicherung des Lebensunterhalts bleibt eine sozialpolitisch und gesellschaftlich wichtige Aufgabe der Jobcenter. Sie wird künftig als Auftrag der Jobcenter zur Sicherung des sozialen Friedens stärker anerkannt werden.

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5. Um die Gestaltungsspielräume für die (kommunalen) Jobcenter bes-ser nutzen zu können, fehlen vielfach ausreichende finanzielle Mittel. Daran wird sich künftig nichts ändern.

6. Jobcenter werden in Zukunft einen langfristigeren und ganzheitliche-ren Beratungsansatz verfolgen (müssen) als heute.

7. Unternehmen werden in Zukunft stärker ihre soziale Verantwortung wahrnehmen und Aufgaben im Integrationsprozess übernehmen (müssen), weil der demografische Wandel sie dazu zwingt.

8. Niedrigschwellige Beschäftigungsmöglichkeiten wird es künftig im Ersten Arbeitsmarkt geben.

9. Die Jobcenter werden ihre Rolle stärker als Netzwerker und Makler definieren, als sie das heute tun.

10. Die Arbeitgeber werden ihre tendenziell reservierte Haltung gegenüber geförderter Beschäftigung und die Zurückhaltung bei der Einstellung von Leistungsberechtigten nicht verändern. Das wird die Integration von arbeitsmarktfernen Personen weiterhin sehr schwierig gestalten.

Gegenthese: Der Fachkräftemangel zwingt die Arbeitgeber zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit den Jobcentern.

11. Die Durchführung eigener Maßnahmen von den Jobcentern selbst und Umschichtungen aus dem Eingliederungstitel werden zunehmen.

12. Die (unausweichlich kommende) nächste Wirtschaftskrise wird zu der überfälligen Erhöhung der Mittel für die Jobcenter führen.

Gegenthese: Es wird prozyklisch auf die nächste (unausweichlich kommende) Wirtschaftskrise reagiert werden, und damit werden weni-ger Mittel für die Jobcenter bereitstehen.

13. Die Rolle des Staates wird sich in der Arbeitsmarktpolitik insgesamt verringern.

14. Die öffentliche Hand wird sich zugleich aus der Daseinsvorsorge zu-rückziehen. Dadurch werden neue Bedarfe entstehen, die neue Be-schäftigungsverhältnisse nach sich ziehen.

15. Die Definition von Erwerbsfähigkeit wird sich ändern, so dass der Kreis der Leistungsberechtigten, die in Beschäftigung integriert wer-den sollen, deutlich reduziert wird. Damit wächst zugleich der Perso-nenkreis derer, für die (noch) weniger soziale Teilhabe bereitsteht.

Gegenthese: Der Begriff der Erwerbsfähigkeit wird sich nicht verän-dern. Dem weiten Begriff müssen jedoch entsprechende Angebote gegenüberstehen. Perspektivisch wird der Soziale Arbeitsmarkt immer wichtiger.

16. Die Jobcenter werden die internen Arbeitsbedingungen verbessert haben, da sonst keine Rekrutierung neuer Mitarbeiter gelingen wird. Der Fachkräftemangel wird auch die Jobcenter als Arbeitgeber treffen.

D.1.2 Verlauf des Fachforums

Die Thesen des Forums 1 wurden in vier Themenbereiche untergliedert, um den Teilnehmern den Zugang zu erleichtern und die Diskussion im Plenum zu strukturieren:

1. Klientel und Arbeitsmarkt 2. Kernauftrag und Rollenveränderung der Akteure 3. Gestaltungsspielraum der Jobcenter und Rahmenbedingungen 4. Soziale Teilhabe und gesellschaftliche Entwicklung

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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Diskussionsverlauf

1. Themengebiet „Klientel und Arbeitsmarkt“

Der Themenbereich wurde entlang der Thesen 1, 2 und 3 diskutiert: die Erwartung, dass künftig aufgrund der demografischen Entwicklung weniger nicht-qualifizierte junge Menschen im SGB II landen, künftig auch junge Menschen mit SGB II-Hintergrund bessere Chancen haben und dass es mehr Menschen mit Migrationshintergrund geben wird. Die Experten wie-sen darauf hin, dass die Hartz-Kommission das Thema Migration in ihrer Konzeption gar nicht beachtet hätte. Das gesellschaftliche Bild der 70er-Jahre mit typischen Familienhaushalten sei die Ausgangssituation der Überlegungen der Kommission gewesen. Es sei aber eine selbstverständ-liche Einbeziehung des Themas Migration erforderlich. Gesellschaftspolitik solle immer auch unter diesem Gesichtspunkt betrieben werden. Durch die Zuwanderung entstünde auch eine Vielzahl neuer Probleme, mit denen die Jobcenter früher nicht beschäftigt gewesen seien. Ein möglichst früher Zugang zum Arbeitsmarkt sei von großer Bedeutung, darauf sollten die Bemühungen abzielen. Bei Aufbau-Studiengängen für Migranten entstün-den immer wieder Schnittstellenprobleme – viele Migranten seien zu alt für den BAföG-Bezug, aber im SGB II als Studenten nicht förderfähig. Nieder-schwellige Beschäftigung werde in Zukunft abnehmen, aber nicht ver-

schwinden.

Die Frage, ob künftig mehr niedrigschwellige Beschäfti-gungsverhältnisse am ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werden (These 8), wurde von den Teilnehmern kritisch bewertet. Mit deutlicher Mehrheit gingen die Teilnehmer davon aus, dass sich im Rahmen der Digi-talisierung und der weiteren Entwicklung am Arbeitsmarkt der bisherige Trend mit dem Wegfall einfacher Tätigkeiten fortsetzen werde.

Die Diskussion der Teilnehmer nahm auch die Gruppe der jungen Menschen mit schlechteren Bildungschancen in den Blick. Diese Gruppe werde nach Ansicht des Fachforums zukünftig kleiner, aber für die einzelnen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und den Umgang mit ihnen spiele das nur eine geringe Rolle. Außerdem wurde die Makler- und Vermittlerfunktion der Jobcenter reflektiert: Die kommunalen Jobcenter hätten bei dem Thema der Vernetzung vor Ort einen großen Vorteil. Der Mensch müsse konsequenter als bislang im Mittelpunkt des Handelns ste-hen.

Dabei zeigte sich, dass etwa 80 % im Forum die Ausweitung der Qualifizierung von Jobcenter-Mitarbeitern für ein wichtiges Element der eigenen Qualitätssteigerung halten. Etwa 60 % zeigte an, dass sie schon heute in die Offensive gehen und Mitarbeiter verstärkt fortbilden.

2. Themengebiet „Kernauftrag und Rollenveränderung der Akteure“

Schwerpunkt bildete die Frage, ob Unternehmen künftig in stärkerem Maße soziale Verantwortung übernehmen (müssen), welche Rolle der Fachkräftemangel künftig spielen wird und inwieweit sich die Ausrichtung der Jobcenter künftig ändern wird. Dabei geht es einerseits um die Bedeutung der sozialen Absicherung und andererseits um die Integration in Beschäftigung sowie um einen verstärkt ganzheitlichen Unterstützungs-ansatz. Etwaige Rollenveränderungen bei den Arbeitgebern, bspw. durch

Migration – als Heraus-forderung bei den Hartz-Reformen nicht bedacht

Qualifikationsprobleme künftig seltener, aber

weiterhin maßgeblich

Künftig nicht mehr ein-fache Tätigkeiten

Mitarbeiterqualifikation zentrales Thema

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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eine künftig stärkere Kooperation mit den Jobcentern, wurden auch erörtert (Thesen 4, 6, 7, 9, 10 und 11).

Die Experten betonen ihre Einschätzung, dass Arbeitgeber auch bewusst gesellschaftliche Verantwortung übernähmen. Aus Sicht der Jobcenter habe der Fachkräftemangel (bisher) keinen Einfluss auf die Ar-beitsvermittlung im SGB II ausgeübt. Daher solle der Fokus der Jobcenter in Zukunft eher auf der sozialen Teilhabe liegen. Weiter wurde die Ein-schätzung vertreten, dass bei einer guten Verknüpfung von kommunalen Aufgaben mit dem SGB II die Bedeutung der Bundesagentur für Arbeit bei der Arbeitsvermittlung weiter schrumpfe. Die Arbeitsmarktintegration bleibt nach breiter Überzeugung der Teilnehmer die Hauptaufgabe der Jobcenter. So wichtig die soziale Absicherung auch sei, stehe die Integration in Arbeit als Ziel auch künftig im Vordergrund.

Die Teilnehmer schätzen in der anschließenden Diskussion ein, dass der Übergang in Arbeit die größte Herausforderung darstelle. Menschen mit multiplen Hemmnissen würden nicht auf dem Arbeitsmarkt aufgenommen. Während das Problem bei Menschen mit Behinderungen gesellschaftlich angegangen werde, sei bei Langzeitleistungsbeziehern noch ein weiter Weg zu gehen. Eine Lösung könnten steuerliche Vorteile bei der Einstellung von Langzeitleistungsbeziehern sein. Dem wurde in der Diskussion entgegnet, finanzielle Anreize nicht überzubewerten. Qualifika-tion, Motivation und Disziplin der Leistungsberechtigten seien entschei-dend. Dafür müsse eng mit dem Leistungsberechtigten und vor allem dem Arbeitgeber zusammengearbeitet werden.

Ungefähr 60 % stimmten den Aussagen zu, dass die Job-center ihre Beratung und Unterstützung breiter anlegen müssen und sich dabei stärker als Vermittler zu den Arbeitgebern ausrichten müssen.

3. Themengebiet „Gestaltungsspielraum der Jobcenter und Rahmenbe-dingungen“

Die Zusammenhänge zwischen Gestaltungsspielräumen der Jobcenter und Mittelausstattung, die Frage von Umschichtungen und eigenen Maßnah-men sowie die Einschätzung zu den Folgen für die Mittelausstattung im Falle eines wirtschaftlichen Einbruchs wurden diskutiert (Thesen 5, 11 und 12).

Die Teilnehmer machten deutlich, dass einige Jobcenter Personal abbauen müssten, weil derzeit und absehbar die Zahl der Be-darfsgemeinschaften sinken werde. Als Gründe wurden Integrationserfolge und auch die demografische Entwicklung identifiziert. Für eine Erhöhung sprachen sich Teilnehmer aus, die wenig Spielraum für Umschichtungen und die zunehmende Komplexität in der Fallarbeit betonten. Diese Entwick-lungen sorgten für einen Mehrbedarf an Finanzierung. Dem wurde das Argument entgegengestellt, dass Umschichtungen auch in Zukunft möglich blieben und keine weiteren Aufgaben für die Jobcenter erkennbar hinzukä-men, daher seien die finanziellen Mittel eigentlich auskömmlich. Bei der Abstimmung wünschten zwei Drittel eine Mittelerhöhung im SGB II.

4. Themengebiet „Soziale Teilhabe und gesellschaftliche Entwicklung“

Zu der gesellschaftlichen Entwicklung stand zur Diskussion, ob der Staat sich künftig aus der Arbeitsmarktpolitik und die öffentliche Hand aus der Daseinsvorsorge zurückziehen werde. Weiterhin war zu diskutieren, ob der Begriff der Erwerbsfähigkeit künftig enger gefasst würde (Thesen 13, 14 und 15).

Beim Themenaufriss betonten die Experten den Finanzie-

rungsvorbehalt, unter dem auch notwendige Sozialausgaben stünden. Es herrsche derzeit ein gewisser Trend auf politischer Ebene, dass der Staat sich zurückziehe und das Ehrenamt zunehmen müsse. Eine mögliche Re-aktion darauf könne die verstärkte Einbeziehung und Unterstützung von Erwerbsloseninitiativen sein. Es stellten sich aber in jedem Falle Fragen nach der künftigen Qualität der Angebote, etwa wenn die Suchtberatung ausschließlich von ehrenamtlich Tätigen ausgeführt würde. In diesem Kon-

Fachkräftemangel abseh-bar kein Thema – Arbeits-marktintegration bleibt

zentrales Ziel

Unterschiedliche Ein-schätzung zu finanziellen

Anreizen für Arbeitgeber

Jobcenter müssen ganz-heitlich ausgerichtet und

gut vernetzt sein

Bei Mittelausstattung Kontinuität erwartet –

mehr gewünscht

Haushaltskonsolidie-rung als Impulsgeber für veränderte soziale Auf-gabenwahrnehmung?

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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text sei auch eine politisch ungelöste Frage, ob der Übergang aus dem SGB II z. B. ins SGB XII eine sinnvolle Lebensalternative vor dem Hinter-grund sozialer Teilhabe sei. Der viel diskutierte soziale Arbeitsmarkt könne hier eine Alternative sein, er sei aber politisch nur durchsetzbar, wenn er von der Wirtschaft akzeptiert würde.

Die Teilnehmer betonten in der Diskussion, der Staat könne und werde sich in Hinblick auf die großen Herausforderungen nicht zurück-ziehen, weil die dauerhafte Sicherung des sozialen Friedens von überge-ordneter Bedeutung sei. Die zukünftige Ausgestaltung der sozialen Teilha-be im SGB II hänge davon ab, ob die Definition der Erwerbsfähigkeit ver-ändert werde.

Auch die umstrittene Frage nach der Notwendigkeit eines sozialen Arbeitsmarkts spielte eine Rolle. Bei der Abstimmung teilten die Teilnehmer im Forum die zum Teil als zu pessimistisch empfundenen The-sen nur teilweise. Eine Mehrzahl im Saal blickte durchaus hoffnungsvoll in die Zukunft und erwartete, dass der Staat seine Bemühungen für die sozia-le Teilhabe im SGB II auch noch in zehn Jahren und darüber hinaus leisten werde. Möglicherweise werde geförderte Beschäftigung im Rahmen eines sozialen Arbeitsmarktes sogar verstärkt.

Kein Rückzug des Bun-des aus der Arbeits-marktpolitik erwartet

Erwartung von Kontinuität – vielleicht sogar verstärktes Enga-gement

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D.2 Forum 2 – Rolle der Berater

Überblick Fachforum 2

Leitfragen

— Wie wird sich die Rolle der Berater entwickeln? — Wann ist Beratung erfolgreich? — Wie wird die Gestaltung der Rolle aussehen? — Welche Entwicklungslinien sind erkennbar? — Welchen Anforderungen unterliegt Beratung?

Fazit

— Beratungsqualität gewinnt immer mehr an Bedeutung. — Individuelle, langfristige Beratungskonzepte mit hoher Nachhaltigkeit

sind zukünftig gefragt. — Eine Trennung von sozialer und beruflicher Integration erscheint als

weder sinnvoll noch möglich. — Die beiden zentralen Ansatzpunkte, an denen verstärkt gearbeitet

werden sollte, sind Personalentwicklung (in Bezug auf die Berater) und die Etablierung einer überzeugenden Führungskultur.

Experten

— Prof. Dr. Bettina Franzke, Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung

Nordrhein-Westfalen — Kerstin Wendt, Landkreis Verden

D.2.1 Vorbereitungs-Workshop

Zur Vorbereitung des Forums 2 trafen sich Wissenschaftler, die in dem Schwerpunkt Beratung und Coaching forschen und einen direkten Bezug zur Arbeitsmarktpolitik haben. Sie stammen von der Hochschule der Wirt-schaft für Management Mannheim, der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufs-forschung (IAB) und der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförde-rung mbH (G.I.B.). Hinzu kamen die Experten aus der Praxis, also die Ver-treter des Benchlearning der kommunalen Jobcenter.

Leitfragen

1. Rolle der Berater

Was ist heute die Rolle der Berater im SGB II?

Wie unterscheidet sich die Rolle der Berater im SGB II von ande-ren Beratern?

Wie ist die Wahrnehmung der Berater von Seiten der Leistungsbe-rechtigten?

Welche Bedeutung hat das „Machtgefälle“ in der Grundsicherung für Arbeitsuchende?

Welche besonderen Anforderungen ergeben sich daraus?

2. Erfolg von Beratung

Kann Beratung im SGB II erfolgreich sein, wenn ja, wann?

Welche Rahmenbedingungen sind erforderlich, damit Beratung funktioniert?

Gibt es Messmöglichkeiten für gute Beratung?

Wie lässt sich Beratung verbessern?

3. Gestaltung der Rolle

Was hat Einfluss auf die Rolle der Berater?

Welche Rolle spielen Qualifizierung, Sozialisation und Haltung?

Wie wirken Gesetz, Zielsteuerung und Öffentlichkeit auf Beratung ein?

Welche Bedeutung hat die BA beim Thema Beratung?

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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4. Entwicklungslinien

Welche Veränderungen sind zu erwarten?

Auf welchen Entwicklungen beruhen diese zu erwartenden Verän-derungen?

5. Anforderungen

Welche Anforderungen aus der Rolle ergeben sich?

Was muss ein idealtypischer Berater im SGB II können?

Thesen

1. Beratung als Instrument wird an Gewicht gewinnen, weil sie als zent-rales Element von Qualität und als wichtiger Erfolgsfaktor erkannt wurde.

2. Auch in zehn Jahren wird der Erfolg von Beratung im SGB II nicht objektiv messbar sein. Daher bleibt das Thema Beratung ein Spielball in der arbeitsmarktpolitischen Debatte.

3. Künftig wird sich die intensive, individuelle Beratung stärker durchge-setzt haben als heute.

Gegenthese: In zehn Jahren wird die Bedeutung von Beratung abge-nommen haben und die Vermittlung in Arbeit im Vordergrund stehen – aus Mangel an finanziellen Mitteln.

4. Die Ausgangssituation der Beziehung zwischen Leistungsberechtig-tem und Berater als asymmetrische „Pflichtberatung“ wird sich auch in Zukunft nicht anders darstellen als heute.

5. Brüche und Wechsel in der Erwerbsbiografie führen in der Zukunft verstärkt auch Arbeitnehmer aus Normalarbeitsverhältnissen in die Jobcenter. Dadurch wird die Aufgabe der Berater anspruchsvoller; gleichzeitig wird sich die gesellschaftliche Akzeptanz des Leistungs-bezugs erhöhen.

6. Berufsbegleitende Weiterbildung im Rahmen der Beratertätigkeit wird an Bedeutung zunehmen.

7. Die Anforderungen an Berater werden in Zukunft noch höher sein als sie es heute bereits sind: Fachkräftemangel, einer größeren Zahl an Langzeitleistungsbeziehern, Zuwanderung, verändertem Wirtschaften in der „Industrie 4.0“ kann nur mit individuellen, flexiblen und nachhal-tigen Lösungen begegnet werden.

8. Die Bedeutung der Personalauswahl im Jobcenter (Haltung und Men-schenbild der Bewerber) nimmt im gleichen Maße wie die Ansprüche an Beratung insgesamt zu.

9. Persönlichkeitsmerkmale der Bewerber für eine Beratertätigkeit spie-len bislang eine zu geringe Rolle bei der Personalauswahl; dies wird in zehn Jahren eine andere Gewichtung erfahren.

10. Der Fachkräftemangel wird zu einer veränderten Ausrichtung der Be-ratung führen, die Stellenbesetzung bei Arbeitgebern wird stärker im Vordergrund stehen.

11. Vor dem Hintergrund der gestiegenen Anforderungen für Beratung im SGB II lassen sich zwei Pole der Ausrichtung von Jobcentern ausma-chen: Konzentration auf die Kernkompetenzen Leistungsgewährung und Vermittlung in Arbeit – oder hin zu Sozialagenturen, in denen das gesamte kommunale Leistungsangebot gebündelt wird.

D.2.2 Verlauf des Fachforums

Zu Beginn des Forums wurde die Arbeit im Vorbereitungsworkshop ge-schildert und die dort formulierten Thesen erläutert. Das Fazit des Work-shops war positiv, insbesondere durch den gewinnbringenden Austausch

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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von Wissenschaft und Praxis. Dies führte auch dazu, dass über die Thesen sehr schnell Einigkeit erreicht wurde.

Diskussionsverlauf

Diskutiert wurden im Forum 2 in erster Linie die Thesen 1, 3, 9 und 11. Den Einstieg in das Thema fanden die Teilnehmer über die 1. These zur Frage der künftigen Bedeutung von guter Beratung im SGB II: „Beratung als Instrument wird an Gewicht gewinnen, weil sie als zentrales Element von Qualität und als wichtiger Erfolgsfaktor erkannt wurde.“ Aus Sicht der Jobcenter ist die Voraussetzung für Qualität in der Beratung eine dauerhaf-te Personalbindung, die oftmals nicht realisiert werden könne. Eine geringe Personalfluktuation sei auch die Voraussetzung für eine notwendige Pro-fessionalisierung in der Beratung durch eine größere Methodenkompetenz und -vielfalt. Eine Herausforderung für die Mitarbeiter stelle es auch dar, stets alle bestehenden Möglichkeiten und Angebote zu kennen. Als Antwort auf die Herausforderungen durch multiple Vermittlungshemmnisse sei eine professionelle Beratung von zunehmender Bedeutung, eng damit verbun-den die wichtige und notwendige Perspektive der Stärkenorientierung, die noch in größerem Maße etabliert werden müsse. Einen Gegensatz dazu sahen die Teilnehmer im Kennzahlensystem des SGB II, das die Bera-tungsqualität zugunsten quantitativer Fragen vernachlässige. So gebe es auch Beratungserfolge jenseits von Arbeitsvermittlung. Eine Messung von Integrationsfortschritten wäre wünschenswert. Einig war man sich, dass Qualität in der Beratung nicht nur ein Thema des Integrationsbereiches der Jobcenter, sondern auch des Leistungsbereiches und der zentralen Dienste darstelle.

Um Beratungsqualität den ihr gebührenden Platz einzuräu-men, seien eine gemeinsame Definition und klare Kriterien zur Messung notwendig. Allerdings waren sich die Teilnehmer bewusst, dass es sich um ein Thema mit häufigen Veränderungen, zahlreichen Trends und wech-selnden Rahmenbedingungen handelt. Begriffsdefinition und Kriterien sollten also nicht statisch, sondern dynamisch angelegt sein.

Gelungene Beratung zeichne sich durch das Erzielen eines Arbeitsbündnisses aus. Wenn die Selbstaktivierung des Leistungsberech-tigten gefördert und die Rolle des Beraters dahingehend interpretiert werde, das Selbstbild des Leistungsberechtigten zu entwickeln, sei ein wichtiger Schritt in der Zusammenarbeit gegangen. Es gelte den Mut zu haben, den Leistungsberechtigten als Experten im eigenen Anliegen anzuerkennen. Insgesamt zeige sich, wie wichtig die „weichen Faktoren“ beim Thema Be-ratung sind: Für Arbeitsuchende und Arbeitgeber gleichermaßen sei das gute Gefühl, richtig aufgehoben zu sein, ernstgenommen und wertge-schätzt zu werden, von zentraler Bedeutung. Haltung spiele hier eine wich-tige Rolle, die von Führungskräften in ihrer Vorbildfunktion vorgelebt wer-den solle, damit die Beratenden Orientierung fänden.

Anhand der These 9 wurde die Bedeutung der Persönlich-keitsmerkmale von Beratern im SGB II diskutiert: „Persönlichkeitsmerkmale der Bewerber für eine Beratertätigkeit spielen bislang eine zu geringe Rolle bei der Personalauswahl; dies wird in zehn Jahren eine andere Gewichtung erfahren.“ Anscheinend gibt es bereits ein Umdenken. Das Thema erfährt nach Ansicht der Teilnehmer eine höhere Gewichtung als noch in den letz-ten Jahren. Als Merkmale, die in den Vordergrund rückten, nannten die Diskutanten die „Belastbarkeit und Robustheit“ der Mitarbeiter sowie das Interesse des Beraters bzw. des Bewerbers um eine Stelle als Berater, täglich intensiv mit Menschen zu arbeiten, um ihnen zu helfen. Allerdings sei die Anzahl der Bewerbungen gering und damit die Möglichkeit der ge-zielten Auswahl beschränkt.

These 11 lautet: „Vor dem Hintergrund der gestiegenen An-forderungen für Beratung im SGB II lassen sich zwei Pole der Ausrichtung von Jobcentern ausmachen: Konzentration auf die Kernkompetenzen Leis-tungsgewährung und Vermittlung in Arbeit – oder hin zu Sozialagenturen, in denen das gesamte kommunale Leistungsangebot gebündelt wird.“ Die genannten zwei Pole der künftigen Ausrichtung von Jobcentern wurden von

Beratungsqualität ist der zentrale Erfolgsfaktor in Zukunft – aber wie lässt sie sich messen, auch jenseits von Arbeits-marktintegrationen?

Persönlichkeits-merkmale der Berater – bislang bei der Auswahl

unterschätzt

Trennung von sozialer und beruflicher Integra-tion ist nicht möglich – das muss auch bei der organisatorischen Aus-richtung berücksichtigt

werden

Einheitliche, dynami-sche Definition von Be-ratungsqualität als Ziel

Arbeitsbündnis Leis-tungsberechtigter – Berater ist v.a. von so-zialen Kompetenzen der

Berater abhängig

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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den Teilnehmern in dieser Gegensätzlichkeit nicht geteilt. Beratung sei gleichzeitig eine Arbeits- und Sozialberatung, auch in einer Sozialagentur gehöre das Thema Arbeitsmarktintegration immer mit dazu. Es handele sich nicht um eine Entweder-Oder-Frage. Alle Aufgaben müssten bewältigt werden, um sowohl die soziale als auch die berufliche Integration (Aktivie-rung, Vermittlung) zu erreichen. Ein individueller Zugang zum Menschen und eine umfassende Begleitung über einen längeren Zeitraum seien not-wendig, um Erfolge zu erzielen. Die Ausrichtung hänge demnach vom Be-darf des Leistungsberechtigten und von den lokalen Rahmenbedingungen ab, die sich ändern könnten. Das Ziel müsse sein, Veränderungen beim Leistungsempfänger zu realisieren, hiernach solle sich die organisatorische Ausrichtung richten. Dennoch nehme die Bedeutung der Netzwerkfunktion von Jobcentern in Zukunft zu. Um die Frage der organisatorischen Ausrich-tung zu beantworten, sei zunächst eine Definition von Beratungserfolg nötig und die Berücksichtigung des Aspektes der Nachhaltigkeit.

Validierung

Die Teilnehmer stimmten der These 1 fast geschlossen zu. Über These 3 wurde nicht abgestimmt. In Bezug auf These 11 wurde in der ersten Runde von 50 % der Teilnehmer eine Spezialisierung auf Leistung und Integration erwartet und von 50 % eine Ausrichtung als Sozialagentur. In der zweiten Runde war man sich einig, dass es keine Spezialisierung geben werde.

Handlungskonsequenzen

Als Konsequenz aus der These der steigenden Bedeutung von Beratung sahen die Teilnehmer zunächst die Etablierung eines eigenen Berufsbildes für kommunale Jobcenter als zentral an. Eine Ausbildungsakademie auf Landesebene könne hierzu beitragen. Als besondere Herausforderung wurde der Zwang zu einer zunehmenden Spezialisierung der Berater (Flüchtlinge, Gesundheit etc.) genannt. Die einheitliche und dauerhafte Personalentwicklung in Form von Schulungen, gewährleistet z. B. durch einen Fortbildungsbeauftragten, könne die Beratungsqualität sicherstellen. Als Themen für die Weiterbildung nannte die Gruppe:

— Kenntnisse des Arbeitsmarktes vermitteln — Methodik und Technik der Beratung vermitteln (insbesondere für psy-

chisch erkrankte Leistungsberechtigte) — detaillierte Auftragsklärung im Erstgespräch mit den Leistungsberech-

tigten — spezifische Handlungsstrategien entwickeln — kundenbezogene Instrumente und Methoden einsetzen (Stichwort:

Werkakademie) — Supervision — Prioritäten in Bezug auf Teilzielgruppen setzen (Leitbild dafür als Orien-

tierung nutzen), entsprechend dazu längere Kontaktintervalle bei ande-ren Leistungsberechtigten zulassen

— Wissensmanagement: Berater sollten die Lotsenfunktion erfüllen kön-nen

Verbesserte Ausbildung und Qualifizierung der Berater – mögliche Ant-worten zur Verbesse-rung der Beratungsqua-

lität

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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Als Führungsaufgaben bei diesem Thema identifizierten die Teilnehmer das Ausfüllen einer Vorbildfunktion durch die Führungskräfte, eine tiefgehende und zeitlich nicht zu knapp bemessene Einarbeitungszeit der Mitarbeiter, eine (vor-)gelebte Kultur der Wertschätzung und die Ein-richtung realistischer Fallschlüssel. Zu einer unterstützenden Führungskul-tur gehöre es auch, den Mitarbeitern ausreichend Zeit für die Erprobung neuer Beratungsansätze und damit ein gewisses Maß an Autonomie einzu-räumen. Für Mitarbeiter wie Führungskräfte gleichermaßen bedeutsam sei die Frage der Haltung. Eine positive, gemeinsam entwickelte und gelebte Haltung sei die Voraussetzung dafür, Aufgaben und Rollenverständnis des Beraters zu klären und festzulegen. Ohne diese Grundlage sei der Aufbau eines funktionierenden Arbeitsbündnisses (Leistungsberechtigte – Berater) nur schwer zu realisieren.

Auch Führungskultur ist entscheidend: gemein-same Haltung, gelebte Vorbildfunktion und Kultur der Wertschät-

zung

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D.3 Forum 3 – Dynamik von Arbeitsverhältnissen

Überblick Fachforum 3

Leitfragen

— Was sind heute typische Arbeitsverhältnisse? — Welche Folgen entstehen für die Integration von Arbeitsuchenden? — Arbeitslos, beschäftigt – neue Abgrenzungen? — Neue Integrationsmöglichkeiten durch neue Formen der Arbeit?

Fazit

— Die Qualifizierung der SGB II-Leistungsberechtigten wurde als zent-rales Mittel benannt, um auf die umfassenden, in immer schnellerer Abfolge erfolgenden wirtschaftlichen Veränderungen zu reagieren.

— Das Thema bedarf eines Umdenkens von Politik, Arbeitgebern und Öffentlichkeit, aber auch verstärkter Bemühungen der Jobcenter.

— Im Mittelpunkt sollten individuelle, auf die spezifischen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten ausgerichtete Qualifizierungsmaßnahmen stehen.

— Gleichzeitig ist eine genaue branchenspezifische Kenntnis des re-gionalen Arbeitsmarkts notwendig.

— Dazu sollten Konzepte erarbeitet werden, die Ziele und Erfolgsmes-sung genau definieren.

— Die zentrale Bedeutung von Erwerbsarbeit ist immer noch gesell-schaftliches Leitbild und stigmatisiert die Leistungsberechtigten.

Experten — Marie-Luise Roberg, Stadt Hamm

— Dr. Philipp Staab, Hamburger Institut für Sozialforschung

D.3.1 Vorbereitungs-Workshop

Am Vorbereitungs-Workshop nahmen ein Vertreter der Bundesagentur für Arbeit aus dem Referat "Zukunftsgerechte Gestaltung der Arbeitswelt und Arbeitskräftesicherung", ein Wissenschaftler aus dem Hamburger Institut für Sozialforschung und ein freiberuflicher Dozent zu ethischen Fragen der Arbeit und eine Vertreterin des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt Hamburg teil. Daneben waren die kommunalen Jobcenter der Stadt Hamm sowie des Kreises Recklinghausen beteiligt.

Leitfragen

1. Typische Arbeitsverhältnisse

Was sind künftig typische Arbeitsverhältnisse?

Werden Beschäftigungsverhältnisse allgemein kurzfristiger und flexibler oder gibt es ganz uneinheitliche Entwicklungen?

Gibt es ein Revival von sozialversicherungspflichtigen Vollzeitar-beitsverhältnissen? Oder tritt das Gegenteil ein?

Bleiben die Sozialversicherungen gegen Arbeitslosigkeit, Krankheit und für die Rente nebeneinander bestehen, oder ergibt sich auch demografisch ein Veränderungsdruck?

Spaltet sich der Arbeitsmarkt weiter zwischen dauerhaften und gut bezahlten Beschäftigungsverhältnissen auf der einen Seite sowie wenig beständigen, niedrig bezahlten Jobs?

Ist vorstellbar, dass mit Blick auf die große Zahl von erwerbs-fähigen Leistungsberechtigten ernsthafte, staatliche Interventionen am Arbeitsmarkt vorgenommen werden, um Teilhabe am Arbeits-leben zu erleichtern?

2. Folgen für die Integration von Arbeitsuchenden

Welche Entwicklungen ziehen welche Folgen für die Integration in Arbeit im SGB II nach sich?

Wird Integration in Arbeit einfacher, weil vielfach Arbeitskräfte knapp werden – wie derzeit bei den Auszubildenden?

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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3. Arbeitslos, beschäftigt – neue Abgrenzungen?

Entwickelt sich eine Kultur, die von Arbeitslosen gesellschaftliches Engagement außerhalb arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen er-wartet?

Bleiben Tätigkeitsformen parallel zum Bezug von SGB II-Leistungen eher anrüchig? Unter welchen Voraussetzungen gibt es neue Tätigkeitsformen?

Ziehen die Folgen des demografischen Wandels und der Druck zur Haushaltskonsolidierung einen Bedarf an stärkerem Engage-ment von SGB II-Leistungsberechtigten nach sich?

Wird es künftig stärkere Anreize zum Engagement geben, die viel-leicht statt der Sanktionen besser wirken?

4. Neue Integrationsmöglichkeiten durch neue Formen der Arbeit?

Ziehen neue Formen der Arbeit eher Chancen für SGB II-Leis-tungsberechtigte oder eher Risiken nach sich?

Worauf kommt es bei den künftigen Entwicklungen an?

Welche Tätigkeitsprofile wären nötig?

Thesen

1. Der subjektiv empfundene Wert von (Erwerbs-)Arbeit wird zunehmen.

2. Das SGB II wird sich der Vielfalt von Lebensmodellen anpassen.

3. Die Jobcenter werden weiterhin vor regional höchst unterschiedlichen Herausforderungen stehen.

4. Das Risiko des Arbeitsplatzverlustes wird sich für Geringqualifizierte weiter deutlich verschärfen. Dabei stellen die derzeit beschäftigten Ge-ringqualifizierten ein unsichtbares Risiko dar.

5. Die Verschärfung sozialer Ungleichheit am Arbeitsmarkt erzeugt neue Bedarfsprofile, auf die sich Jobcenter vorbereiten müssen.

6. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse werden allgemein zunehmen.

7. Ein Wettbewerb um immer mehr Qualifizierung ist (im SGB II) nicht zu gewinnen. Qualifizierungsmaßnahmen im SGB II sind oftmals nur im Einzelfall erfolgreich.

8. Um Beschäftigung zu erhalten, wird Arbeitskraft stärker subventioniert werden.

9. Technische Entwicklungen und Automatisierung werden die Zahl der (erwerbsfähigen) Leistungsberechtigten im SGB II erhöhen.

10. Der Transferbezug steigt in der gesellschaftlichen Akzeptanz.

11. Das SGB II und die Jobcenter müssen sich der Vielfalt der Arbeits-märkte anpassen.

12. Einfache Arbeitsmärkte verschwinden nicht; ihre Veränderung muss für die Jobcenter aber Handlungsgrundlage sein.

13. Die Zahl derjenigen, die immer wieder kurzfristig Leistungen beziehen, wird steigen.

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D.3.2 Verlauf des Fachforums

Zum Einstieg wurden die im Vorbereitungs-Workshop definierten Thesen einzeln vorgestellt, begleitet von theoretischem Hintergrundwissen und praktischen Beispielen. Zentral war die Unterscheidung von zwei Entwick-lungstendenzen: zum einen die Präkarisierung, hier verstanden als Auswir-kungen auf einfache Tätigkeiten und deren Risiken, die Entstehung neuer Bedarfsprofile und Problemgruppen sowie die regionalen Differenzen der Entwicklung; zum anderen die Technisierung und Automatisierung von Arbeit, insbesondere die Automatisierung industrieller Dienstleistungen mit großen Auswirkungen, „Arbeit 4.0“, „Internet der Dinge“ u. ä. Die Thesen wurden diesen beiden Entwicklungstendenzen zugeordnet.

Aus dem Benchlearning wurde ergänzt, dass der Vorberei-tungs-Workshop sowie das Tagungsforum als Chance gesehen würden, um fernab des Tagesgeschäfts eine überblickende, abstraktere Perspektive einnehmen und relevante Entwicklungen reflektieren zu können. Viele SGB II-Leistungsberechtigte könnten spezifische Erwartungen an lebens-langes Lernen und Weiterentwicklung nicht erfüllen und würden Gefahr laufen, diesbezüglich abgehängt zu werden.

Diskussionsverlauf

Diskutiert wurden im Forum 3 die Thesen 1, 7 und 10. Zu Beginn des Fo-rums wurde über die gesellschaftliche Bedeutung von Erwerbsarbeit disku-tiert, wie sie in These 1 angesprochen wird: „Der subjektiv empfundene Wert von (Erwerbs-)Arbeit wird zunehmen.“ Vor einer Verengung der Per-spektive wurde dabei gewarnt. Die Betrachtung weiterer Formen gesell-schaftlicher Teilhabe sei sinnvoll und dürfe nicht aufgegeben werden. Über die Frage, welchen „Wert“ wir Arbeit zumessen und worin dieser Wert ge-nau liege, sei eine breite öffentliche Diskussion notwendig. Eine Debatte über ein bedingungsloses Grundeinkommen, eventuell unter anderem Na-men, werde aller Voraussicht nach erneut aufkommen und an Fahrt gewin-nen.

Zum Thema Qualifizierung der Leistungsberechtigten stell-ten die Teilnehmer fest, dass der Nachhaltigkeitsaspekt besonders ent-scheidend sei. Darauf müssten die Qualifizierungskonzepte ausgerichtet sein, was bislang noch nicht der Fall sei. Ein Umdenken der Politik in die-sem Punkt sei vonnöten. Hier würden Maßnahmen noch zu oft als Repara-turwerkstatt angesehen. Ein Vorschlag zur Umformulierung der These aus dem Kreis der Teilnehmer lautete: „Das SGB II kann nicht leisten, was wo-anders versäumt wurde.“ Die immer schneller stattfindenden Veränderun-gen auf dem Arbeitsmarkt seien noch zu wenig im Fokus der Überlegun-gen. Dabei entstünde die Gefahr, dass die Leistungsberechtigten abge-hängt würden, da sie nicht im gleichen Maße veränderungsfähig seien. Die Differenzierung von (Wirtschafts-)Sektoren und damit einhergehende un-terschiedliche Entwicklungsperspektiven müssten stärker in die Maßnah-menplanung einfließen. Derzeit sei durch die bestehenden Strukturen im SGB II eine Unterstützung der Leistungsberechtigten in dieser Hinsicht nicht leistbar. Es könnten keine hochspezialisierten Fachkräfte ausgebildet werden. Hier gelte es, die Verantwortung der Arbeitgeber stärker einzufor-dern. Insgesamt sei der Mittelbedarf aufgrund des großen Qualifizierungs-bedarfs der Leistungsberechtigten sehr hoch.

Von Seiten der Jobcenter könne auf die folgenden Erfolgs-faktoren Einfluss genommen werden:

— eine stärker auf die individuellen Bedürfnisse des Leistungsberechtig-ten ausgerichtete Beratung und Qualifizierung

— eine gezielte Stärkenorientierung in der Beratung — eine Förderung der Qualifikation der Mitarbeiter — ein geeigneteres Verfahren der Erfolgsmessung bei Qualifizierungen — eine bessere Planung und Strukturierung der Qualifizierungen unter

Berücksichtigung der individuellen Bedarfe

Wie misst sich der ge-sellschaftliche Wert von

Arbeit?

Das zentrale Instrument der Qualifizierung der Leistungsberechtigten muss gezielter einge-setzt werden – welche Möglichkeiten haben die

Jobcenter?

Einflussfaktoren der Jobcenter beim Thema Qualifizierung der Leis-

tungsberechtigten

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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— eine Schwerpunktsetzung – breiter Kompetenzbereich oder fachliche Spezialisierung der Leistungsberechtigten?

Die gesellschaftliche Akzeptanz des Transferbezugs, wie er

in These 10 thematisiert wird, wurde im Forum als noch zu gering ausge-prägt eingeschätzt. Die verbreitete Ansicht scheine zu sein: „Jeder kann arbeiten, der will.“ In einigen Bereichen sei die Akzeptanz höher, wie etwa im Hochschulmilieu. Die Auswirkungen der weit verbreiteten Stigmatisie-rung sei für die Jobcenter täglich wahrnehmbar. Rückzug und Krankheit bei längerer Arbeitslosigkeit seien häufig bei den Leistungsberechtigten zu beobachten – auch dies stellt ein Hemmnis für Qualifizierung dar.

Handlungskonsequenzen

Die Teilnehmer des Forums 3 legten nach der inhaltlichen Diskussion bei den Handlungskonsequenzen den Schwerpunkt auf die Frage, welche Ziele für Qualifizierungsmaßnahmen definiert werden könnten, um eine Erfolgs-messung durchzuführen. Qualifizierung könne auch als erfolgreich angese-hen werden, wenn der Leistungsberechtigte nicht auf dem ersten Arbeits-markt integriert würde, sondern auf einem der anderen Arbeitsmärkte. Bei der Definition der Ziele und der Kennzahlen zur Messung müsse ein breiter Konsens erzielt werden. Erst auf dieser Grundlage könnten dann die Maß-nahmenkonzeptionen entsprechend der Zielgruppen angepasst werden. Zum Erfolg beitragen würde auch eine Verbesserung des Betreuungs-schlüssels, wobei klar sei, dass der Einsatz von mehr Mitteln und Ausstat-tung nicht automatisch bessere Ergebnisse mit sich bringe. Daher müsse ein Mix aus hochwertigen Betreuungsangeboten und passgenauen Maß-nahmen bereitgestellt werden, um ein flexibles Instrumentarium zu erhal-ten. Der vermehrte Einbezug der Arbeitgeber bei fortwährender Qualifizie-rung sei ebenfalls anzustreben.

Mix aus hochwertigen Betreuungsangeboten und passgenauen Maß-nahmen führt zum Erfolg – bei Einbezug der Ar-beitgeber. Sinnvolle Maßnahme-Evaluation ist dabei unverzichtbar.

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D.4 Forum 4 – Share Economy und Social Sharing

Überblick Fachforum 4

Leitfragen

— Share Economy – was gehört dazu, was nicht? — Gesellschaftliche Entwicklungen am Arbeitsmarkt — Chancen durch neue Erwerbsformen für SGB II-Leistungs-

berechtigte? — Risiko Schattenwirtschaft? — Grundsicherung für Arbeitsuchende als Grundeinkommen – Voraus-

setzung für Kreativwirtschaft?

Fazit

— Share Economy wird an Bedeutung gewinnen. — Jobcenter betrifft das Thema auf drei mögliche Arten:

1. als Möglichkeit, die durch den Regelsatz eingeschränkte Kauf-kraft durch Ko-Konsum zu kompensieren und dadurch die Hilfe-bedürftigkeit zu verringern,

2. als Gelegenheit für Leistungsempfänger, auf niedrigschwellige Weise Einkommen zu erwerben,

3. als Alternative zu sozial-integrativen Maßnahmen oder ehrenamt-licher Tätigkeit.

— Es bedarf dabei gesetzlicher Rahmenbedingungen, um den Aufbau eines prekären Beschäftigungssektors zu verhindern.

— Share Economy verlangt einen Paradigmenwechsel bei Arbeit, Kon-sum und Verwaltungshandeln, der durch die modernen Kommunikati-onsformen bedingt ist.

— Um zukünftig das volle Potenzial der Share Economy zu nutzen, ist ein positives Menschenbild Voraussetzung, ebenso wie die Bereit-schaft, sich von der klassischen Geldwirtschaft zu trennen.

Experten — Thomas Doennebrink, oui-share Connector — Jan Smith, Kreis Nordfriesland

D.4.1 Vorbereitungs-Workshop

Beim Vorbereitungs-Workshop trafen sich Unternehmer aus dem Bereich Share Economy, Wissenschaftler aus dem Forschungsgebiet alternative Arbeitsformen, Vertreter der Industrie- und Handelskammer und Vertreter des Benchlearning.

Leitfragen

1. Share Economy – was gehört dazu, was nicht?

Gibt es eine klare Abgrenzung?

Brauchen wir eine einheitliche Definition des Begriffs, und wie

könnte diese aussehen?

Was sind die maximalen Gegenpole/-positionen bei Prognosen?

2. Gesellschaftliche Entwicklung am Arbeitsmarkt

Was ist heute und künftig ein Normalarbeitsverhältnis? Spielt die

Share Economy für diese Frage überhaupt eine Rolle?

Welche Rolle spielt Share Economy heute, welche Entwicklungen

sind realistisch? Was für Anhaltspunkte und Anzeichen gibt es

hierfür?

Ergänzt Share Economy Beschäftigung oder ersetzt sie andere

Formen der Erwerbsarbeit?

Wandeln sich die Sozialversicherungen, um bunteren Entwicklun-

gen bei der Beschäftigung gerecht zu werden? Wenn ja, wohin?

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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3. Chancen durch neue Erwerbsformen für SGB II-Leistungsberechtigte?

Fokussieren die Erwerbschancen in der Share Economy nicht auf

Zielgruppen, die nur im Ausnahmefall und vorübergehend mit dem

SGB II zu tun haben?

Gibt es Möglichkeiten in der Share Economy, die sich gerade für

die Leistungsberechtigten im SGB II ergeben?

Welche Chancen stecken in der Share Economy für die Überwin-

dung individueller Arbeitslosigkeit? Was ist erforderlich, damit im

Einzelfall Arbeitslosigkeit durch Share Economy überwunden wer-

den kann?

4. Risiko Schattenwirtschaft?

Bestehen Risiken, dass sich die Schattenwirtschaft im Rahmen der

Share Economy noch vergrößert? Sind gerade SGB II-

Leistungsberechtigte besonders gefährdet?

Werden neue Erwerbsformen für die Jobcenter zur besonderen

Herausforderung in der Leistungsgewährung?

Gibt es klar gegenläufige Entwicklungen?

Werden Internetgeschäfte gebündelt und systematisch transparent

gemacht, indem hier ein zentrales staatliches Handlungsfeld ent-

steht?

5. Grundsicherung für Arbeitsuchende als Grundeinkommen – Vorausset-zung für Kreativwirtschaft?

Erfordern künstlerische oder technische Veränderungen die (vor-

übergehende) Grundsicherung der dort Tätigen durch das SGB II?

Führt dies zu einem höheren Ansehen der SGB II-Leistungs-

berechtigten, oder verschlechtert es die Wertschätzung wegen et-

waiger Missbrauchsdiskussionen?

Stellt eine solche Entwicklung den Übergang von einem faktischen

bedingungslosen Grundeinkommen zu einem gesellschaftlich an-

erkannten dar?

Wird es auf die Haltung der Jobcenter ankommen, ob sich vor Ort

künstlerische oder technische Entwicklungen unter Zuhilfenahme

staatlicher Existenzsicherung ergeben?

Wenn ja, wie positionieren sich die maßgeblichen Akteure?

Entlang dieser Leitfragen diskutierten die Experten unter-schiedliche Standpunkte und formulierten als Ergebnis des Austauschs die Thesen, mit denen bei der Tagung gearbeitet werden sollte. Sie nahmen auch eine Begriffsklärung vor, um den Teilnehmern der Tagung den Ein-stieg ins Thema zu erleichtern (siehe D.4.2).

Thesen

1. Share Economy und Social Sharing eröffnen vorrangig – aber nicht ausschließlich – denjenigen Bürgern zusätzliche Handlungsoptionen, die sozial und wirtschaftlich unabhängig sind, weil sie über eine gute Bildung sowie materielle und immaterielle Güter verfügen.

Gegenthese: Share Economy und Social Sharing bieten passende Tä-tigkeiten und Einkommens- und (Potenzial-)Entfaltungsmöglichkeiten auch für das SGB II-Klientel.

2. Die steuerrechtliche und sozialrechtliche Behandlung von Arbeit wird sich durch die Share Economy ändern.

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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3. Zukünftig wird es auch Aufgabe von Jobcentern sein, es Leistungs-empfängern zu ermöglichen, sich im Rahmen der Share Economy zu betätigen.

4. Während bisher Jobcenter Leistungsempfänger vorrangig auf geeig-nete Stellen zu vermitteln suchen, werden zukünftig Leistungsempfän-ger mit und ohne Unterstützung des Jobcenters mit potenziellen Dienstleistungskunden unmittelbar in Geschäftsbeziehungen treten.

5. Der Sozialleistungsmissbrauch wird steigen, weil die vielgestaltigen Möglichkeiten der Share Economy auch missbräuchliche Nutzung er-leichtern. Es kommt daher auf die rechtlichen Rahmenbedingungen an.

6. Viele SGB II-Leistungsberechtigte brauchen die Unterstützung des Jobcenters, um die Beschäftigungschancen, die sich durch die Share Economy ergeben, wahrnehmen zu können.

7. Die Share Economy birgt Potenziale vornehmlich zu ergänzender bzw. aufstockender Arbeit, nicht so sehr zu einer dauerhaft bedarfsdecken-den Beschäftigung.

8. Share Economy eröffnet einen einfacheren und niedrigschwelligen Zugang zu Beschäftigungsfeldern.

9. Kommunale Jobcenter können die kommunale Daseinsvorsorge mit den Aufgaben des Jobcenters verknüpfen, indem sie Social Sharing fördern. Die Selbstorganisation und -verwaltung wird die kommunale Daseinsvorsorge ergänzen.

10. Das Social Sharing wird zur Erbringung von Gemeinwohlaufgaben im Sinne von integrierter Sozialpolitik eingesetzt. Es eröffnet Möglichkei-ten zur sozialen Integration durch sinnstiftende Betätigung jenseits von Erwerbsarbeit.

D.4.2 Verlauf des Fachforums

Beiden Runden des Fachforums wurde eine Begriffsklärung vorangestellt, die „Share Economy“ als „Collaborative Economy“ präzisierte und diese von Ko-Konsum und Social Sharing abgrenzte. „Collaborative Economy“ trägt begrifflich gegenüber „Share Economy“ den Vorteil, auch nicht-kommerzielle Formen des Wirtschaftens einzubeziehen und ist zudem nicht durch Assoziation mit umstrittenen Vertretern von Share Economy wie Uber oder Air BnB vorbelastet.

„Share Economy” umfasst den neuen Wirtschaftsbereich, der sich auf die gemeinschaftliche Nutzung (Share) von Gütern und Dienst-leistungen bezieht. Dies umfasst bspw. die gemeinsame gewerbliche Nut-zung von Räumen, Autos und Maschinen. Die Gewinnerzielungsabsicht bei der Vermittlung spielt eine Rolle, auch wenn bisher vielfach private Güter (Autos, Wohnungen) eingebracht werden. Die durch Internet und Digitali-sierung mögliche zielgerichtete Vernetzung von einander unbekannten Menschen spielt dabei eine wesentliche Rolle.

„Collaborative Economy“ rückt den Gedanken der Zusam-menarbeit und gemeinsamen Nutzung von Ressourcen in den Fokus, ohne dabei eine kommerzielle oder eine nicht-kommerzielle Nutzung festzulegen. Dabei ergeben sich neue Formen von Arbeit, Tätigkeiten und Einkommen, welche über bisherige Organisationsformen innerhalb von Unternehmen hinausgehen und sich von diesen unabhängig machen und mittels Vernet-

Begriffsdefinitionen

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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zung ersetzen können. Ko-Konsum bezeichnet einen Unteraspekt von „Col-laborative Economy“, nämlich den gemeinschaftlichen Konsum von Gütern.

„Social Sharing“ konzentriert sich auf die nicht-kommerzielle und sozial ausgerichtete gemeinschaftliche Zusammenarbeit, bei der eh-renamtliche Betätigung eine wichtige Rolle spielt.

Diskussionsverlauf

Die Teilnehmer des Fachforums sahen die wachsende wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Bedeutung von „Share Economy“ als wahrscheinlich an. Einer möglichen Einbindung in die Jobcenter standen sie offen und tendenziell positiv gegenüber. Diskutiert wurde die Nutzung von „Share Economy“ durch kommunale Jobcenter bzw. durch erwerbsfähige Leis-tungsempfänger in dreierlei Hinsicht:

— als Möglichkeit, die durch den Regelsatz eingeschränkte Kaufkraft durch Ko-Konsum zu kompensieren und dadurch die Hilfebedürftigkeit zu verringern;

— als Gelegenheit für Leistungsempfänger, auf niedrigschwellige Weise Einkommen zu erwerben;

— als Alternative zu sozial-integrativen Maßnahmen oder ehrenamtlicher Tätigkeit.

Hinsichtlich des Ko-Konsums wurde kontrovers diskutiert, ob

erwerbsfähige Leistungsempfänger Ko-Konsum-Angebote vergleichbar mit Geldleistungen zu nutzen wüssten. Grundsätzlich wurde die Idee positiv bewertet, den Zugang zu Konsumgütern für erwerbsfähige Leistungsemp-fänger durch gemeinschaftlichen Konsum zu erweitern. Es wurde jedoch hervorgehoben, dass eine solche Lebensweise einen Paradigmenwechsel bedeute, denn der heutige Standard sehe vor, dass erwerbsfähige Leis-tungsempfänger mehr Einnahmen generieren, um ihre Hilfebedürftigkeit abzubauen. Share Economy-Ansätze setzen dem entgegen, Bedürfnisse direkt zu befriedigen, anstatt Geld zu erwirtschaften.

Einen größeren Schwerpunkt der Diskussion bildete die Op-tion, durch Sharing Einkommen zu generieren. Ein praktisches, bereits erprobtes Beispiel aus dem Jobcenter-Kontext sei hierfür die Vermietung von Übernachtungsplätzen durch Münchner Bedarfsgemeinschaften wäh-rend des Oktoberfests über die Übernachtungsplattform Air BnB. In Zu-sammenhang mit Sharing als Erwerbsmöglichkeit wurden zahlreiche Schwierigkeiten benannt. Sharing sei voraussetzungsreich und verlange Organisationstalent und Ressourcen, die überhaupt geteilt werden können. Hemmend wirkten zudem die strengen Einkommensanrechnungsregeln und eine bürokratische Leistungssachbearbeitung. Für zumindest hinrei-chend marktnahe Leistungsberechtigte wurden aber Betätigungen im Sinne von „Share Economy“ als geeignete, niedrigschwellige Verdienstmöglich-keit angesehen. Dies gelte insbesondere für Leistungsberechtigte mit po-tenziell vermarktbaren Fähigkeiten, denen für den ersten Arbeitsmarkt je-doch Zeugnisse und berufsrelevante Zertifikate fehlten. Dass das Jobcenter diese Aktivität jedoch durch aktive Unterstützung vorantreiben müsse, z. B. in Form von Informationsmaßnahmen zur Anmeldung bei Sharing Plattfor-men wie „MyHammer“, wurde einhellig angenommen. Alternativ wurde diskutiert, ob kommunale Jobcenter oder Kommunen selbst eine Plattform bieten könnten, auf der sich Anbieter und Nutzer von Sharing-Angeboten treffen.

Vor allem beim Thema Social Sharing waren sich die Teil-nehmer darüber einig, dass die Kommune eine relevante Vernetzungsstelle sei. Social Sharing könne sinnvoll mit dem örtlichen Ehrenamt verknüpft werden. Zur Einbindung von ehrenamtlicher Tätigkeit in Jobcenter wurde mehrfach von praktischen Erfahrungen berichtet. In diesem Zusammen-hang wurde jedoch vor überzogenen Erwartungen gegenüber der Bereit-schaft der erwerbsfähigen Leistungsempfänger für solche Angebote ge-warnt.

Möglichkeiten der Nut-zung von Share Econo-my im SGB II

Einkommen durch Share Economy?

Beim Social Sharing kann die Kommune sinnvoll vernetzen

Ko-Konsum als Chance?

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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Handlungskonsequenzen

Insgesamt wurde das Fazit gezogen, dass Sharing Economy zweifelsohne an Bedeutung gewinnen werde und sich in dreierlei Hinsicht die oben be-schriebenen Einbindungsvarianten für Jobcenter anböten. Dafür seien je-doch gesetzliche Rahmenbedingungen nötig, um nicht Gefahr zu laufen, einen prekären Beschäftigungssektor aufzubauen. „Share Economy“ ver-lange einen Paradigmenwechsel bei Arbeit, Konsum und Verwaltungshan-deln. Trotz des grundsätzlich neuen Charakters der „Share Economy“ grei-fe sie in vielfacher Hinsicht auf bereits Bestehendes zurück. Es wurde so-gar bemerkt, dass „Share Economy“ in hohem Maße der üblichen Form des Arbeitens in vorindustrieller Zeit ähnele. Neue Kommunikationskanäle be-gründeten allerdings den revolutionären Charakter, den „Share Economy“ heutzutage mit sich bringe. Ein positives Menschenbild sei Voraussetzung, ebenso wie die Bereitschaft, sich von der klassischen Geldwirtschaft zu trennen.

Share Economy gewinnt an Bedeutung – die technische Entwicklung wird dies auch künftig befördern und neue Möglichkeiten eröffnen, deren Relevanz auch für die Arbeitsvermittlung zunehmen wird

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D.5 Forum 5 – Digitalisierung und Kommunikation

Überblick Fachforum 5

Leitfragen

— Wohin geht die gesellschaftliche Entwicklung der Digitalisierung? — Welche Möglichkeiten eröffnen sich im Jobcenter? — Wie verändert sich die Kommunikation zwischen Jobcenter und Leis-

tungsberechtigten? — Wie wirkt sich die Digitalisierung auf persönliche Beratungsleistungen

aus? — Allgemeine oder spezifische Regelungen zur Kommunikation Staat –

Bürger? — Wie wird der Umgang mit sozialen Netzwerken und virtuellem Verhal-

ten gestaltet?

Fazit

— Der digitale Wandel kommt unausweichlich – je früher, strukturierter und bewusster man sich damit auseinandersetzt, desto besser.

— Gesellschaftliche Entwicklungen wirken auch auf die Jobcenter ein – Leistungsberechtigte und Mitarbeiter müssten sich gleichermaßen weiterentwickeln.

— Für die Leistungsberechtigten sind die gestiegenen Anforderungen an die Medienkompetenz besonders bedeutsam, da sie in vielen Berufen heute vorausgesetzt werden.

— Für die Mitarbeiter kann der Aufbau von Medienkompetenz ein sinn-voller Baustein der Personalentwicklung sein.

— Die Einführung der eAkte ist das bedeutsamste Beispiel der Digitali-sierung in Jobcentern. Unter dem Strich ist sie ein Gewinn für die Be-teiligten.

— Dazu bedarf es eines gut geplanten und umfassenden Einführungs-prozesses, in den alle einbezogen werden müssen.

— Ein Erfahrungsaustausch mit Jobcentern, die die eAkte bereits einge-führt haben, kann dabei sehr hilfreich sein.

Experten — Detlef Schütt, Kreis Coesfeld — Karl-Josef Cranen, Jobcenter Kreis Düren

D.5.1 Vorbereitungs-Workshop

Zur Vorbereitung des Forums 5 kamen Vertreter der Bundesagentur für Arbeit, des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, IT-Dienstleister sowie ein Vertreter der Stiftung Digitale Chancen zusammen. Daneben waren die kommunalen Jobcenter der Stadt Jena sowie der Kreise Coes-feld und Düren beteiligt.

Leitfragen

1. Gesellschaftliche Entwicklung der Digitalisierung

Was ist der allgemeine Trend? Wie weitgehend werden Alltags-prozesse virtuell oder virtuelle Prozesse zum Alltag?

2. Möglichkeiten im Jobcenter

eAkten-Systeme, Unterstützungsprozesse für Leistungsgewährung und Integrationsarbeit, interne Kommunikation und Bearbeitung

3. Kommunikation zwischen Jobcenter und Leistungsberechtigten

eMail, deMail, JobcenterApp, Videotelefonie, künftige Online-Servicecenter

4. Auswirkung auf persönliche Beratungsleistungen

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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Steigen persönliche Beratungsleistungen im Kurs, oder werden sie überflüssig?

Auswirkungen auf Obliegenheiten der Leistungsberechtigten

Wird der Leistungsberechtigte zu seinem eigenen Sachbearbeiter? Unmittelbare Eingabe von relevanten Informationen unmittelbar in das IT-System des Jobcenters?

5. Allgemeine oder spezifische Regelungen zur Kommunikation Staat – Bürger?

Wird es – wie ansatzweise im eGovernment-Gesetz – allgemeine Vorschriften dazu geben, wie Behörden mit dem Bürger kommuni-zieren?

6. Umgang mit sozialen Netzwerken und virtuellem Verhalten

Wird künftig die soziale Kontrolle (auch) über soziale Netzwerke erfolgen?

Thesen

1. Durch die Digitalisierung werden die Anforderungen an viele Arbeits-verhältnisse zunehmen und zugleich viele geringqualifizierte Tätigkei-ten wegfallen.

2. Eine gesellschaftlich entwickelte digitale Ethik ist notwendig, um eine digitale Spaltung zu verhindern oder zu begrenzen.

3. Medienkompetenz kann die digitale Spaltung verringern. Hierfür gibt es bisher keine klaren Verantwortlichen.

4. Die Digitalisierung erfordert als Voraussetzung einen Mehrwert bei den Nutzern, der als bessere Nutzungsmöglichkeit, mehr Effizienz o-der bessere Ergebnisse wahrgenommen werden muss.

5. Die Anforderungen für die Mitarbeiter im Jobcenter werden steigen, insbesondere bei der Auswertung von Daten und bei der Beratungs-kompetenz.

6. Stärkere Handlungs- und Informationsmöglichkeiten der Leistungsbe-rechtigten im Rahmen der Digitalisierung erhöhen die Autonomie kompetenter Leistungsberechtigter. Hierfür brauchen die Mitarbeiter zusätzliche Kompetenzen.

7. Es wird keine virtuellen Jobcenter geben, sondern „Multikanal-Jobcenter“. Die Digitalisierung schafft vor allem neue Kanäle, um Leis-tungen zu erbringen.

8. Die Beziehung zwischen Jobcenter-Mitarbeitern und Leistungsbezie-hern wird sich durch die Digitalisierung intensivieren (mehr Zeit, bes-sere Instrumente). Sie lässt sich durch Algorithmen nicht ersetzen.

9. Eine umfassende digitale Infrastruktur für Bürger wird es auch in den nächsten zehn Jahren nicht geben. Ein behördliches elektronisches Bürgerkonto und ein universeller (Dokumenten-)Safe sind nicht ab-sehbar.

10. Die Verwaltung wird bei der Digitalisierung weiterhin der technischen Entwicklung folgen, nicht sie anführen.

11. Der Grundsatz der Behörden, Daten vorrangig beim Leistungsberech-tigten zu erheben, wird auch zukünftig Bestand haben. Das virtuelle Verhalten der Leistungsberechtigten in sozialen Netzwerken bleibt deshalb auch künftig unberücksichtigt.

12. Soziale Netzwerke werden kein maßgeblicher neuer Kommunikations-kanal zwischen Jobcenter und Leistungsbezieher werden, aber als Kontaktmöglichkeit dienen.

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D.5.2 Verlauf des Fachforums

Gemeinsam stellten die beiden Experten aus den kommunalen Jobcentern die Thesen vor. Der Schwerpunkt des Forums 5 lag auf der Einführung der eAkte und der Vorstellung eigener Praxiserfahrungen aus der Jobcenter-arbeit. Die Digitalisierung wurde überwiegend als Chance angesehen, die zu Verbesserungen führen könne. Unabhängig davon lasse sich die Ent-wicklung nicht aufhalten, der bewusste und geplante Umgang mit dem Wandel sei entscheidend.

Diskussionsverlauf

Die Teilnehmer brachten zwei Änderungsvorschläge für die folgende The-se 1 ein: „Durch die Digitalisierung werden die Anforderungen an viele

Arbeitsverhältnisse zunehmen und zugleich viele geringqualifizierte Tätig-keiten wegfallen.“ Danach lautete die finale Formulierung der These 1: „Durch die Digitalisierung werden die Anforderung an viele Arbeitsverhält-nisse sich ändern“ (anstatt zunehmen). Der Änderungsvorschlag wurde damit begründet, dass Veränderungen in beide Richtungen möglich seien, denn die Anforderungen könnten sowohl steigen als auch sinken, da die Digitalisierung sowohl Chancen als auch Risiken berge. Der zweite Vor-schlag zur Änderung der These lautete, den letzten Teil (ab „und zugleich“) zu streichen, denn die Zahl der geringqualifizierten Tätigkeiten werde, ge-nau wie die der Aufstocker, zunehmen. Die Änderungsvorschläge wurden wie dargestellt angenommen (siehe auch weiter unten unter „Validierung“).

Die Digitalisierung und der Umgang mit ihr sei eine Genera-

tionenfrage. Die jungen Generationen hätten einen selbstverständlichen Umgang mit den neuen Medien und der Digitalisierung. Dennoch müsse in der gegenwärtigen Situation von dem Niveau an Medienkompetenz, den die Leistungsberechtigten mitbrächten, ausgegangen werden. Die Anforde-rungen der Digitalisierung auch an diese Gruppe nähmen zu, wodurch sich die Frage ergebe, wie Personen mit Unterstützungsbedarf in ihrer Medien-kompetenz gestärkt werden können. Der Druck aus der Gesellschaft steige, diese zu erweitern, denn es handle sich dabei um eine Kompetenz, die in allen (Arbeits-)Bereichen gefordert sei, nicht nur im Jobcenter. Eine „digita-le Spaltung“ der Gesellschaft drohe – mit Gewinnern, die über eine hohe Medienkompetenz verfügten, und Verlierern, die abgehängt würden. Hier zeige sich, wie generelle gesellschaftliche Veränderungen die Arbeit der Jobcenter beeinflussen. Die Digitalisierung sei nicht losgelöst von allgemei-nen Veränderungen der Arbeitswelt und der Arbeitsverhältnisse zu betrach-ten. Die Digitalisierung sei ein Megatrend, der Auswirkungen auf ver-schiedenste Lebensbereiche habe. Dennoch könne und solle man nicht in allen Lebens- und Arbeitsbereichen Menschen mit Hilfe der Digitalisierung ersetzen (Beispiel Pflege).

Im Rahmen der Digitalisierung sei es wichtig, Akzeptanz bei den Mitarbeitern zu schaffen und Qualifizierung anzubieten. Die Digitalisie-rung sei auch im Jobcenter nicht aufzuhalten. Die Frage sei dabei, wie Mitarbeiter motiviert und überzeugt werden könnten, sie anzunehmen und mitzugestalten. Sie gehe mit neuen Anforderungen an das Wissen der Mitarbeiter einher, dementsprechend müsse die Personalentwicklung aus-gerichtet werden. Die Digitalisierung biete neue Chancen für die Vereinbar-keit von Arbeit und Familie (familienfreundliche Arbeit) und die Verfügbar-keit für die Leistungsberechtigten.

Digitalisierung als Her-ausforderung und Chance– digitale Spal-tung scheint möglich

Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten, auch im Jobcenter nicht. Ent-scheidend ist eine Per-sonalentwicklung, die den Mitarbeitern gerecht

wird

Steigende Anforderun-gen durch die Digitali-sierung?

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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Im Rahmen der Thesen 4 und 7 diskutierte das Forum die

Einführung der eAkte und die möglichen Gewinne einer Umstellung. The-se 4 lautet: „Die Digitalisierung erfordert als Voraussetzung einen Mehrwert bei den Nutzern, der als bessere Nutzungsmöglichkeit, mehr Effizienz oder bessere Ergebnisse wahrgenommen werden muss.“ These 7 besagt: „Es wird keine virtuellen Jobcenter geben, sondern ‚Multikanal-Jobcenter‘. Die Digitalisierung schafft vor allem neue Kanäle, um Leistungen zu erbringen.“ In der Diskussion stimmte man überein, dass die eAkte sowohl Effizienz- als auch Qualitätsgewinne mit sich bringe. Ein Teilnehmer berichtete von einem Rückgang der Widersprüche um ca. 20 % sowie einer Beschleuni-gung der Widerspruchssachbearbeitung in seinem Jobcenter. Insgesamt könne ein deutlicher Zeitgewinn und eine Prozessoptimierung festgestellt werden. Die Erfahrungen im Bereich der ePost zeige, dass durch ihre Ein-führung ca. zwei Vollzeitstellen eingespart werden könnten und es einen Qualitätsgewinn gebe. Die Effizienzgewinne könnten in die Beratungsquali-tät und in den aktivierenden Bereich fließen, da die Mitarbeiter mehr Zeit für die Arbeit mit den Leistungsberechtigten zur Verfügung stünde. Auf direkte Art werde sich der Vorteil der Digitalisierung aber am stärksten im Leis-tungsbereich und beim Schnittstellenmanagement auswirken.

Ein differenzierter Blick zeige aber auch Herausforderungen durch die Digitalisierung. So würden viele Stellen durch die eAkte entlastet, andere hätten jedoch mehr Arbeit, v. a. die Poststelle. Die Einführung der eAkte bedeute einen Medienbruch, der eine Anpassung der Arbeitsweise notwendig mache. Um den Einführungsprozess zu unterstützen, biete sich die Bildung einer Projektgruppe an. Zudem bedürfe es ausreichender Zeit für die Überzeugungsarbeit und interner Kommunikation sowie einen Test-lauf.

Im Rahmen der These 6 diskutierten die Forenteilnehmer die Frage einer größeren Autonomie der Leistungsberechtigten durch die Digitalisierung: „Stärkere Handlungs- und Informationsmöglichkeiten der Leistungsberechtigten im Rahmen der Digitalisierung erhöhen die Autono-mie kompetenter Leistungsberechtigter. Hierfür brauchen die Mitarbeiter zusätzliche Kompetenzen.“ Die Leistungsberechtigten könnten die sie be-treffenden Prozesse stärker mitverfolgen und dadurch mehr Teilhabe und Autonomie erlangen, auch die Transparenz könne deutlich erhöht werden. Ob dies den Druck auf die Mitarbeiter erhöhen oder reduzieren würde, weil dadurch weniger Zeit für die Dateneingabe aufgebracht werden müsse, diskutierten die Teilnehmer kontrovers.

Angeregt durch die These 8 diskutierte das Forum die künf-tig zu erwartende Intensität der Beziehung zwischen Leistungsberechtigtem und Berater. These 8 besagt: „Die Beziehung zwischen Jobcenter-Mitarbeitern und Leistungsbeziehern wird sich durch die Digitalisierung intensivieren (mehr Zeit, bessere Instrumente). Sie lässt sich durch Algo-rithmen nicht ersetzen.“ Von einigen Teilnehmern wurde der Zeitgewinn für die Beratungsarbeit angezweifelt (vgl. Diskussion zur These 4). So wurde argumentiert, die Zunahme der Kommunikation per E-Mail führe zu weniger direktem Austausch mit den Leistungsberechtigten. Zwar wäre man insge-samt mehr mit dem Fall beschäftigt, aber nicht mit der Person. Dagegen hielten es andere Diskussionsteilnehmer für wahrscheinlich, dass es zwar weniger Kontakte gebe, diese dafür aber intensiviert würden.

Die These 11 „Der Grundsatz der Behörden, Daten vorran-gig beim Leistungsberechtigten zu erheben, wird auch zukünftig Bestand haben. Das virtuelle Verhalten der Leistungsberechtigten in sozialen Netz-werken bleibt deshalb auch künftig unberücksichtigt.“ wurde in dieser Form nicht von allen Forumsteilnehmern geteilt. So recherchierten bereits heute Mitarbeiter in sozialen Netzwerken, ohne dass es dazu Anweisungen gebe. Dies geschehe ungesteuert und berge die Gefahr der Verletzung des Da-tenschutzes. Es bestehe entsprechender Handlungsbedarf. Für die ge-meinsamen Einrichtungen gebe eine Anweisung der BA, die Nachfor-schungen in sozialen Netzwerken ausschließe. In den kommunalen Job-centern hingegen gibt es – unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmun-gen der verschiedenen Sozialgesetzbücher – unterschiedliche Herange-

Effizienz- und Qualitäts-gewinne durch die eAkte

Herausforderungen durch die eAkte

Höhere Autonomie der Leistungsberechtigten denkbar

Soziale Netzwerke – sinnvolle Unterstützung der Beratung oder Da-tenschutzproblem?

Auswirkungen auf das Verhältnis Leistungs-berechtigter – Berater

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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hensweisen. Die gewonnenen Informationen würden dazu genutzt, gezielt beim Leistungsberechtigten nachfragen zu können. Bei leistungsmiss-bräuchlichem Verhalten werde anlass- und einzelfallbezogenes Nachfor-schen für Gerichtsverfahren genutzt. Da der Auftritt der Leistungsberechtig-ten in sozialen Netzwerken eine Arbeitsmarktrelevanz besitze, könne man die Möglichkeit des Nachforschens in sozialen Netzwerken auch als Be-standteil der Beratungsleistung zum Vorteil des Leistungsberechtigten nut-zen („virtuelle Visitenkarte“). Daher plädierten die Teilnehmer dafür, Rege-lungen zu dem Thema einzuführen und eine bewusste Auseinandersetzung damit zu befördern.

Validierung

Die Änderungsvorschläge zu These 1 wurden angenommen. Damit lautet die These nun: „Durch die Digitalisierung werden sich die Anforderungen an viele Arbeitsverhältnisse ändern.“ Die Thesen 4, 6, und 7 wurden einstimmig und unverändert angenommen. Bei These 8 wurde der erste Satz der These nur von der Hälfte der Teil-nehmer geteilt, der zweite Satz von allen. These 11 wurde geändert in „Der Grundsatz der Behörden, Daten vorran-gig beim Leistungsberechtigten zu erheben, wird auch zukünftig Bestand haben. Das virtuelle Verhalten der Leistungsberechtigten in sozialen Netz-werken bleibt deshalb auch künftig unberücksichtigt.“ Handlungskonsequenzen

Die Teilnehmer diskutierten bei den Konsequenzen in erster Linie die Fra-ge, wie die Finanzierung der eAkte gelingen kann. Unter Berücksichtigung der Einsparungen könne es im Vergleich zum vorherigen Modell die günsti-gere Variante sein. Die Finanzierung könne aus dem normalen Verwal-tungsbudget vorgenommen werden, allerdings sei eine Priorisierung der Ausgaben für diesen Zweck notwendig. Das bedeute mitunter den Verzicht auf andere Investitionen in diesem Zeitraum. Die Beauftragung eines Dienstleisters sei eine Alternative hierzu, anfallende Kosten können in ei-nem Mehrjahresmodell entsprechend gestreckt werden.

Weitere Handlungsempfehlungen, die innerhalb der Gruppe vorgestellt wurden, lauteten:

— Ein guter Projektmanagementplan sei wichtig. Zudem sollte eine Sta-keholderanalyse durchgeführt werden.

— Die Einführung solle schrittweise in Projektphasen erfolgen. Die Bildung von Pilotteams könne hilfreich sein. Diese können ihre Erfahrungen an andere Teams weitergeben und diese motivieren.

— Eine konsistente Handhabung erfordere eine Verbindung zwischen eAkte und E-Post. Jedoch solle die Einführung nicht zeitgleich gesche-hen. Eine sinnvolle Abfolge von Schritten sei wichtig.

— Insgesamt sollten Schleifen für unerwartete Herausforderungen und Aufgaben mit eingeplant werden.

— Für den Prozess sei es wichtig, die Mitarbeiter zu motivieren, sie „mit-zunehmen“ und Erfolge zu feiern.

— Bei der Einführung der eAkte motivierten sich die Mitarbeiter verschie-dener Jobcenter gegenseitig. Dies könne genutzt werden.

— Die Erfahrung einiger Teilnehmer zeige, dass die Einführung in der Leistungssachbearbeitung reibungsloser funktioniere als im Fallma-nagement.

Einführung eAkte – Finanzierung und Hand-lungsempfehlungen

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D.6 Forum 6 – Rechtlicher Rahmen und Sozialstaatsidee

Überblick Fachforum 5

Leitfragen

— Wie lautet die heutige Sozialstaatsidee? — Wie wirkt sich darauf die demografische Entwicklung aus? — Welchen Einfluss übt die EU auf den Sozialstaat aus? — Wie wirken sich die Wanderungsbewegungen aus? — In welchem Verhältnis stehen Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik? — Welche gesellschaftlichen Entwicklungen werden rechtlich berück-

sichtigt? — Wie ist die gesetzliche Regelungskonzeption? — Welche Veränderungen innerhalb des SGB II sind zu erwarten?

Fazit

— Eine weitere Intensivierung der Abstimmungsprozesse auf europäi-scher Ebene und damit eine zunehmende Annäherung der Sozial-systeme sind zu erwarten.

— Die zentrale Bedeutung des SGB II für den sozialen Frieden in Deutschland wird oft unterschätzt und sollte stärker gewürdigt wer-den.

— Das Charakteristikum des SGB II ist die Idee, Sozialleistungen an Bedingungen zu knüpfen.

— Um auf die zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen adä-quat reagieren zu können, sind größere, besonders finanzielle Spiel-räume der Kommunen notwendig.

— Die Sprachförderung und deren Finanzierung ist der entscheidende Aspekt bei der Integration von Flüchtlingen. Hier fordern die Jobcen-ter eine größere Unterstützung ein.

Experten

— Prof. Dr. Eberhard Eichenhofer, Universität Jena — Prof. Dr. Dorothee Frings, Hochschule Niederrhein — Christiane Polduwe, Bundesministerium für Arbeit und Soziales — Michael van der Cammen, Bundesagentur für Arbeit — Heike Schumacher, Landkreis Osterholz — Eberhard Hertzsch, Jobcenter Stadt Jena

D.6.1 Vorbereitungs-Workshop

Wie bereits beim Forum 1 der Fall, wurde auch das Forum 6 aus zwei Vor-bereitungs-Workshops zusammengelegt. Daraus erklärt sich auch die ver-gleichsweise hohe Anzahl von Thesen. An der Vorbereitung des Forums 6 waren Sozialrechtler, Sozialwissenschaftler, Vertreter des Instituts für Ar-beitsmarkt- und Berufsforschung, des Deutschen Frauenrats, der AWO und der Caritas sowie Experten aus dem Benchlearning beteiligt.

Leitfragen

1. Sozialstaatsidee

Was ist die heutige Sozialstaatsidee in Deutschland und innerhalb der EU?

Gibt es unterschiedliche Grundkonzepte?

Was sind Entwicklungslinien?

Gegenleistungsgedanke oder bedingungslose Existenzsicherung – wohin geht der Trend?

Welche Rolle spielen die Jobcenter im Sozialstaatsgefüge – in Be-zug sowohl auf die Aufgabe der Grundsicherung als auch der In-tegration? Wie wird sich diese Rolle verändern?

2. Wirkung der demografischen Entwicklung auf die Sozialstaatsidee

Ergibt sich eine Erleichterung oder eine Verschärfung?

Wie ändert sich das Gefüge der sozialen Sicherung?

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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3. Einfluss der EU

Gibt es eine EU-Sozial- und Arbeitsmarktpolitik?

Welche Entwicklung ist bei Vorgaben der EU vorauszusehen?

4. Wirkungen von Wanderungsbewegungen

innerhalb der EU

in die EU

Wie werden die Auswirkungen auf den deutschen Sozialstaat und die Jobcenter ausfallen?

Thesen

1. Die Koordinierung der Sozialsysteme in Europa, also die Abstimmung der einzelstaatlichen Systeme unter- und aufeinander, wird sich ver-stärken. Die Grundsätze der Sozialpolitik werden künftig auf europäi-scher Ebene formuliert, die Umsetzung findet auf mitgliedstaatlicher Ebene statt.

2. Adressat und Garant der Sozialleistungen ist künftig noch stärker als bislang nicht nur der abhängig beschäftigte Arbeitnehmer, sondern auch der Erwerbstätige.

3. Erwerbsarbeit wird zentrales gesellschaftliches Leitbild bleiben, be-dingt auch durch weniger Erwerbstätige (Fachkräftemangel) wird die Bedeutung noch zunehmen.

4. Während der überwiegende Teil der Erwerbstätigen am Arbeitsmarkt erfolgreich ist, werden andere Erwerbstätige zunehmend den Anforde-rungen des Arbeitsmarktes nicht mehr entsprechen. Unterstützende und stabilisierende Instrumente zur Beschäftigung werden deshalb eingeführt.

5. Das SGB II hat Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik zusammengeführt. Die Einheit von Fördern und Fordern und damit die Verknüpfung von Arbeitsmarktintegration und Sicherung des Lebensunterhalts im SGB II wird auch in zehn Jahren fortbestehen.

6. Den Kommunen wird es verstärkt zukommen, sinnvolle Tätigkeiten außerhalb des ersten Arbeitsmarktes bereitzustellen.

7. Das Handeln der Jobcenter und die Arbeitsmarktprogramme werden zukünftig noch stärker am örtlichen Arbeitsmarkt auszurichten sein. Vor allem die übergeordneten Ebenen der SGB II-Steuerung müssen dies berücksichtigen.

8. Durch den demografischen Wandel wird der Anteil älterer und behin-derter Menschen am Arbeitsmarkt steigen und somit die Inklusion bei-der Gruppen befördert.

9. Das SGB II wird verstärkt eine Brückenfunktion für die Zuwanderung erfüllen. Bei Flüchtlingen wird eine frühere Arbeitsaufnahme bzw. Be-treuung oder Vermittlung ermöglicht werden, gleich ob sie im SGB II- oder AsylbLG-Leistungsbezug stehen.

10. Durch den Rückgang der Zahl von SGB II-Leistungsberechtigten wird das SGB II an Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verlieren.

Gegenthese: Wegen der Nachfrage nach Arbeitskräften wird das SGB II aufgewertet werden.

11. Schon heute ist der SGB II-Bezug kein „Stigma“. Es handelt sich um eine sozial akzeptierte staatliche Leistung. Dies wird sich in Zukunft weiter verstärken.

12. Für die Arbeitgeber wird die Einstellung von SGB II-Empfängern nach wie vor schwierig sein und schwieriger werden.

Gegenthese: Der Bedarf an Arbeitskräften wird in Zukunft SGB II-Empfänger für Arbeitgeber interessant erscheinen lassen.

13. Die zunehmende Gewalt gegen Mitarbeiter der Jobcenter bildet eine allgemeine Entwicklung ab, die auch andere Bereiche der öffentlichen und kommunalen Verwaltung betrifft. Wichtig ist, sowohl die Konflikt-

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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fähigkeit der Mitarbeiter als auch das Image der Jobcenter zu verbes-sern.

14. Derzeit besteht die auch von der Politik genährte Erwartung vieler Leistungsberechtigter, dass ein Anspruch selbstverständlich zu erfül-len ist. Das Bewusstsein der Leistungsberechtigten muss künftig ge-schärft werden, dass die Leistung mit einer Gegenleistung verbunden ist.

15. Der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr führt dazu, dass die Arbeitsaufnahme ab dem ersten Lebensjahr des Kindes zumutbar ist. Es ist wichtig, junge Eltern möglichst schnell wie-der an den Arbeitsmarkt heranzuführen.

Gegenthese: Es ist nicht zumutbar, Eltern ab dem ersten Lebensjahr des Kindes zwingend auf Kinderbetreuung zu verweisen.

16. Der kommunale Gestaltungsanspruch passt nicht immer in den sozial-rechtlichen Rahmen. Ein gestaltender kommunaler Einfluss ist weiter-hin sicherzustellen.

17. Die Jobcenter-Organisation wird – so wünschenswert es wäre, weitere Optionskommunen zuzulassen – auch in zehn Jahren voraussichtlich nicht erneut diskutiert werden.

18. In der Sozialhilfe wird die umfassend angelegte Unterstützung zur aktiven Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nach § 11 Abs. 3 SGB XII höhere Priorität bekommen. Dies darf nicht zu Doppelstruktu-ren führen.

19. Die Leistungen für Auszubildende (BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe) werden wegen des Mangels an jungen Menschen künftig bedarfsde-ckend ausgestaltet werden. Die Schnittstellen zum SGB II bleiben be-stehen.

20. Das SGB II enthält verschiedene „Fehlanreize“ im Vergleich zu unte-ren Einkommensgruppen außerhalb des Leistungsbezugs. Dies betrifft die Leistungen des Bildungspakets sowie den Krankenversicherungs-schutz. Insofern übt das SGB II auch künftig Anziehungseffekte aus.

21. Es ist fraglich, ob die § 16a-Leistungen im SGB II richtig verankert sind. Es ist klar, dass die Leistungen zu erbringen sind, aber ihre Ver-lagerung in das SGB II und die daran anknüpfende Erfassung gelingt nicht. Auch zukünftig müssen niedrigschwellige Hilfen weiter möglich sein.

22. Für den Personenkreis psychisch kranker Menschen wird es eine verbesserte Betreuung im Jobcenter und Möglichkeiten geben, früher zu helfen.

23. Die Qualifizierung im Rahmen des SGB II wird an ihre Grenzen sto-ßen. Es wird zunehmend um Menschen gehen, die kognitiv nicht in der Lage sind, sich zu qualifizieren.

Gegenthese: Qualifizierung wird an Bedeutung gewinnen. Der ganz-heitliche Ansatz der Betreuung wird noch wichtiger werden.

24. Sanktionen werden insbesondere auf der Rechtsfolgenseite flexibler werden. Sie spielen für das „Fordern“ eine wesentliche Rolle und blei-ben als „Drohkulisse“ auch künftig erforderlich. Die praktische Bedeu-tung verhängter Sanktionen wird künftig noch geringer sein.

25. Die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II hat sich nicht zu dem „Hilfeplan“ entwickelt, als der sie gedacht war. Der Vorbehalt, dass ein Verwaltungsakt nur erlassen werden kann, wenn eine Ein-gliederungsvereinbarung nicht zustande kommt, sollte aufgegeben werden.

Gegenthese: Die Eingliederungsvereinbarung ist ein gutes Instrument, wenn die beiderseitige Motivationslage über die Sicherung des Le-bensunterhalts hinausgeht. Sie gehört zum Repertoire eines Vermitt-lers.

26. Es wird künftig eine verbindliche Zusammenarbeit mit den Schulen geben, um Jugendliche besser integrieren zu können.

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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D.6.2 Verlauf des Fachforums

Die Methodik und der Aufbau des Forums 6 unterschieden sich von den anderen Foren, da sich die sechs Experten auf der Bühne zu den Thesen in der Art einer Podiumsdiskussion äußerten. In der ersten Forenrunde lag der Schwerpunkt auf dem Themenbereich der zukünftigen Entwicklung des Sozialstaats unter Einbeziehung der europäischen Perspektive. Auf diesen Blickwinkel beziehen sich die Thesen 1 bis 12. In der zweiten Forenrunde stand der rechtliche Rahmen im Fokus, auf den die Thesen 13 bis 26 ab-zielen.

Zunächst wurde ein Überblick über die formulierten Thesen zum Thema Sozialstaat gegeben und die Frage, welchen Einfluss die Eu-ropäische Union auf die Ausgestaltung der deutschen Sozialpolitik ausübt. Die im Vorbereitungs-Workshop erarbeiteten Thesen vertreten klar die Position, dass die heutige Arbeitsmarktpolitik stärker europäisch beeinflusst ist, als gemeinhin angenommen. Insbesondere die Wirtschaftspolitik werde nicht mehr national, sondern stark europäisch gesteuert. Daraus lasse sich ein Rückschluss auf die zukünftige Arbeitsgesellschaft ziehen, innerhalb derer das SGB II Anwendung finden wird. Künftig werde es neben den standardisierten Arbeitsverhältnissen weitere Formen von Erwerbsarbeit geben und sich das System ausdifferenzieren. So werde beispielsweise die Zahl selbstständiger Arbeitnehmer voraussichtlich zunehmen. Die Kernfra-ge dabei sei die gleiche wie heute: Was passiert mit den Menschen, die nicht dauerhaft arbeiten können, weil sie den Anforderungen des ersten Arbeitsmarktes nicht gerecht werden können?

Diskussionsverlauf

Die Expertenrunde auf dem Podium nahm die angesprochenen Themen auf und beleuchtete zunächst die These 1 und die Entwicklung der deut-schen und europäischen Arbeitsmarktpolitik der letzten zehn Jahre: „Die Koordinierung der Sozialsysteme in Europa, also die Abstimmung der ein-zelstaatlichen Systeme unter- und aufeinander, wird sich verstärken. Die Grundsätze der Sozialpolitik werden künftig auf europäischer Ebene formu-liert, die Umsetzung findet auf mitgliedstaatlicher Ebene statt.“ Der Beginn der europäischen Beschäftigungspolitik wurde zeitlich mit dem Beginn der Währungsunion verortet. Der Blick über die nationalen Grenzen intensivier-te sich ab diesem Zeitpunkt und als Vorbilder dienten v.a. Großbritannien, die Niederlande und Dänemark. So diente das niederländische Poldermo-dell als Vorbild, d. h. die organisierte Zusammenarbeit zwischen Arbeitge-bern, Gewerkschaften und unabhängigen von der Regierung ernannten Mitgliedern in einem Wirtschaftsrat. Der damalige Ansatz kann als erstes Beispiel für die von der EU gewählte „offene Methode der Koordinierung (OMK)“ genannt werden. Es wurde aber auch angemerkt, dass man bei der Übernahme guter europäischer Konzepte auf halbem Wege stehengeblie-ben sei. Die internationalen Einflüsse seien an die deutschen Verhältnisse angepasst worden, da hier auch andere Bindungen herrschten. Die Wert-schätzung der Jobcenter in Dänemark zum Beispiel sei eine völlig andere, dort herrsche eine viel persönlichere und engere Zusammenarbeit zwi-schen Berater und Leistungsberechtigtem, was sich auch in der Ausstat-tung der Behörden ausdrücke. In Deutschland seien diesbezüglich erst Anfangsschritte gegangen worden.

Heute könne man trotz der verstärkten europäischen Ein-flüsse auf die nationalstaatlichen Sozialpolitiken aber natürlich noch Unter-schiede erkennen. Die Nationalstaaten legten immer noch ihre eigene So-zialpolitik fest, orientierten sich aber stärker an anderen europäischen Staa-ten und an Brüssel. Hier sei das SGB II ausdrücklich zu würdigen, denn dessen Bedeutung für den sozialen Frieden in Deutschland sei deutlich erkennbar und größer, als öffentlich wahrgenommen. Unruhen wie in den

Hartz-Reformen – Über-nahme guter europäi-scher Konzepte auf halbem Weg stehen geblieben?

Das SGB II und seine Akteure sichern den sozialen Frieden

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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Pariser Vorstädten 2005 seien auch dank des SGB II bei uns unwahr-scheinlich.

Der Blick in die Zukunft lasse eine weitere Intensivierung der Abstimmungsprozesse auf europäischer Ebene zu erwarten und damit auch eine zunehmende Annäherung der Sozialsysteme. Momentan erfolge ein Konsultationsverfahren, bei dem alle EU-Mitgliedstaaten zu ihren Plä-nen und Wünschen für den Umgang mit Langzeitarbeitslosigkeit befragt würden, um eine gemeinsame Strategie entwickeln zu können. Hier sei Deutschland mit maßgeschneiderten, individuellen und stärkenorientierten Angebote für Langzeitarbeitslose ein Vorbild. In anderen Aspekten sei noch viel Modernisierungspotenzial, so sei beispielsweise nicht nur die Bereit-schaft der Leistungsberechtigten zu einem Umzug wegen einer neuen Ar-beitsstelle gering ausgeprägt, sondern dies werde auch oft von den Bera-tern nicht in Betracht gezogen.

Wie schwierig eine europäische Einigung in sozialpolitischen Fragen zu erzielen sei, zeige sich zurzeit beim Thema Flüchtlingspolitik. Hier würden die deutschen Jobcenter an die Grenzen ihrer Möglichkeiten stoßen und könnten z. B. nicht die Sprachförderung für anerkannte Flücht-linge aus dem SGB II finanzieren. Das Problem sei bekannt und eine Lö-sung werde im Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorbereitet. Hier wiesen die Vertreter kommunaler Jobcenter auf die vielen pragmatischen regionalen Lösungen hin, die bereits entwickelt wurden, da der Handlungs-druck enorm sei. Von Seiten der BA wurde auf das Early Intervention-Projekt aufmerksam gemacht und auf die kürzlich erschienene Evaluation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu dem Modell-projekt. Die herausragende Bedeutung von Deutschkenntnissen für die Arbeitsmarktintegration werde hier noch einmal bestätigt.

Bei allen gemeinsamen Fragestellungen spielten die unter-schiedlichen finanziellen Möglichkeiten der Nationalstaaten eine große Rolle. So sei die Frage nach der Realisierbarkeit gemeinsamer europäi-scher Strategien auch vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Finanz-krise zu diskutieren. Man könne von einer Krise Europas sprechen. Es wurde argumentiert, dass sich eine Entwicklung hin zur Unterordnung aller sozialen Aspekte unter die wirtschaftliche Marktlogik wahrnehmen lassen könnte, die einer Solidargemeinschaft widerspreche.

Im Kontext der These 5 und These 14 tauschten sich die Experten zu der Frage aus, ob im SGB II eine staatliche Leistung von einer Gegenleistung des Leistungsberechtigten abhängig gemacht würde. These 5 besagt: „Das SGB II hat Sozialpolitik und Arbeitsmarktpolitik zusammen-geführt. Die Einheit von Fördern und Fordern und damit die Verknüpfung von Arbeitsmarktintegration und Sicherung des Lebensunterhalts im SGB II wird auch in zehn Jahren fortbestehen.“ These 14 lautet: „Derzeit besteht die auch von der Politik genährte Erwartung vieler Leistungsberechtigter, dass ein Anspruch selbstverständlich zu erfüllen ist. Das Bewusstsein der Leistungsberechtigten muss künftig geschärft werden, dass die Leistung mit einer Gegenleistung verbunden ist.“ Das SGB II repräsentiere eine neue Sozialstaatsidee, nach der nicht Dauerzustände wie Krankheit oder Behinderung abgesichert, sondern temporäre Notlagen abgemildert werden sollten. Dies sei historisch gesehen eine neue Entwicklung, in der eine Unterstützung in Notlagen immer mehr ins Zentrum rücke. Verhungern solle niemand, unabhängig von seiner Mitwirkung. Aber das SGB II sei Ausdruck der Idee, dass Sozialleistungen an Bedingungen geknüpft seien. Im Unterschied zur Rente, die man sich verdiene, sei das SGB II ein be-dingter Sozialleistungsanspruch.

In diesen Zusammenhang wurde auch das Thema Sanktio-nen einbezogen. Eine Gegenleistung einzufordern, als Drohung formuliert, führe nicht zum Ziel, da das Arbeitsbündnis zwischen Leistungsberechtig-tem und Berater dadurch gefährdet werden könne. Auch sei der Rahmen durch die Rechtsprechung klar gesetzt. Die Lebensgrundlage dürfe nicht entzogen werden bspw. durch die Kürzung der Kosten der Unterkunft. Aus dem Kreis der kommunalen Jobcenter wurde dazu geraten, das Thema Sanktionen nicht überzubewerten. In der Praxis spiele es eine viel geringe-

Künftig ist eine weitere Annäherung der europä-ischen Sozialsysteme zu erwarten

Das Instrument der Sanktion als Ausdruck eines Sozialstaats-prinzips

Einheitliche europäische Sozialpolitik als Heraus-forderung – siehe Bei-spiel Flüchtlingspolitik

Große Unterschiede der nationalstaatlichen finanziellen Möglichkei-ten

SGB II als Ausdruck einer neuen Sozial-staatsidee – ausgelegt auf temporäre Notlagen

und nicht auf Dauer

Dokumentation Tag der kommunalen Jobcenter 2015

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re Rolle als in der öffentlichen Debatte. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle sei ein gutes Verhältnis zwischen Leistungsberechtigtem und Berater gegeben. Nur den kleinen Teil der Leistungsberechtigten erreiche man nicht, der von sich aus nichts zum Prozess beitragen wolle. Bei Sank-tionen entstehe auch oft das Problem, dass bei einer durch die Sanktion angestoßenen Verhaltensänderung des Leistungsberechtigten der bürokra-tische Prozess der Sanktion weiterlaufe und mit hohem Arbeitsaufwand von den Beratern beendet werden müsse.

Dem Thema Flüchtlinge und Asyl widmete sich das Forum 6 bei der Diskussion der These 9: „Das SGB II wird verstärkt eine Brücken-funktion für die Zuwanderung erfüllen. Bei Flüchtlingen wird eine frühere Arbeitsaufnahme bzw. Betreuung oder Vermittlung ermöglicht werden, gleich ob sie im SGB II- oder AsylbLG-Leistungsbezug stehen.“ Aus dem Kreis der Teilnehmer wurde der Appell formuliert, nicht nur die Verwaltung im Bereich SGB II in die Verantwortung zu nehmen, sondern ebenso die Akteure aus dem SGB III. Diese stünden als erste Instanz in der Pflicht, sich den Flüchtlingen zu widmen und ihnen adäquate Angebote zur Verfü-gung zu stellen. Die Arbeitsagenturen müssten wie die Jobcenter beson-ders einen Zugang zu Sprachkursen ermöglichen und dies auf möglichst pragmatische und unbürokratische Art und Weise. Von Seiten der Experten wurde betont, dass alle Akteure einbezogen werden und ihren Teil leisten müssten, also die Handwerkskammern, Arbeitgeber, Jobcenter, Kommu-nen etc. stünden in der Pflicht, den Zuwanderern den Erfolg auf dem deut-schen Arbeitsmarkt zu ermöglichen und zu fördern.

Der Hintergrund der These 16 wurde von den Experten übereinstimmend als wichtig eingestuft: „Der kommunale Gestaltungsan-spruch passt nicht immer in den sozialrechtlichen Rahmen. Ein gestalten-der kommunaler Einfluss ist weiterhin sicherzustellen.“ Die zahlreichen, regelmäßig überarbeiteten Regelungen, die auf die Kommunen zukämen, führten zu einem stets kleiner werdenden Gestaltungsspielraum vor Ort. Sozialraumbezogene Arbeit, etwa die Zusammenarbeit zwischen Jugend-arbeit und dem Jobcenter, sei sehr wichtig und benötige Freiräume, die eher erweitert als verkleinert werden sollten. Die Möglichkeit, Schwerpunkte für bestimmte Zielgruppen zu setzen, sei ein Erfolgsfaktor in vielen regiona-len Projekten. Einschränkend wurde vertreten, dass die Arbeitsmarktpolitik nicht zu stark kommunal ausgerichtet sein dürfe, da dies der erforderlichen Mobilität zuwiderlaufe. Auch dürfe die Mittelbindung im SGB II nicht ver-gessen werden. Mit kommunalen Mitteln dagegen könne man jederzeit eigene Schwerpunkte setzen. Hier scheuten die Kommunen oft, aus eige-nen Mitteln finanzierte unkonventionelle Wege zu gehen. Aus der Runde der Teilnehmer wurde die Idee eingebracht, Kommunen über die Mittel aus dem Eingliederungstitel vollständig selbst verfügen zu lassen, um sie für eigene Schwerpunkte einsetzen zu können. Dagegen wurde argumentiert, dass ein Vergleich mit den Niederlanden, in denen seit langen Jahren eine größere kommunale Budgethoheit praktiziert werde, einen geringeren Out-put als in Deutschland zeige. Das deutsche System sei erfolgreicher trotz einer geringeren Mittelaufwendung pro erwerbsfähigem Leistungsberechtig-ten.

Validierung

Über These 1 wurde abgestimmt, sie fand eine Zustimmung von 95 %. These 5 wurde ebenfalle von 95 % angenommen. These 9 wurde durch die Forderung nach mehr Ressourcen für die Kommunen und Arbeitsagenturen ergänzt und erhielt in dieser Form 100 % Zustimmung. These 4 wurde mit 100 % Zustimmung bestätigt.

Sprachförderung zur Integration von Flücht-lingen als Herausforde-rung – Jobcenter dürfen nicht alleingelassen werden

Regelungsflut schränkt den Gestaltungsspiel- raum der Kommunen ein – größere (auch finan- zielle) Freiräume sind erstrebenswert