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392 E. Schauer: Tagebuch Notizen: Tngebueh-Notizen, wahrend eines ornithologischen Ausflugs auf der hohen Tatra, in den Monaten Juli und August 1861, verfasst yon Ernst Schauer. (Fortsetz, ; s. Mai-Heft. 8. 225--240.) Es war Mittag, wir stieg'en (tern Gipfel zu, welchen wir in oh'el Stun.den erreicht h~itten; doch pl~tzlich zogen Gewitter heran, ein empiindlich kalter Wind erhob sich, wir driickten uns in Fel- senspalten, ich na.hnl den IIund auf den Schooss urn rnich zu er- warmen, der aber noch rnehr zitterte, als sein Herr. Einige A1- penfltievi)gel suchten die Tiefe, und Ja~ schwor, einen 5'[entel gesehen zu haben. Die Gesellschaft entschloss sich urnzukehrel~ und so gingen wir bis zurn Schacht wo wir gefriihstiickt batten, in dessert Nahe Wala einen alten satasz wusste, wir suehten ihn auf; er war yon dem Wintersehnee zerdriiekt. Aus dern Material, Stangen und Baumrinden, bauten wir eine neue It~itte. Ja~ cnt- schalte mit bewundenlswerther Geschieklichkeit 2 24 zOllige Fich- ten; bald broa~nte ein lustiges Feuer, wir zogen uns aus und trock- neten die Kleider. Bei dieser Gelegenheit fiillte sieh rneine K~i- ferflasche rnit den prachtigste~ Sachen. Einige Nusshaher orze- ch6wka, (orzech die hTuss), Eichelh~thc r,ojka, Buntsp echte, dzi~ciol, Meisen, sikora, Kreutzsdtlnabel Krzywonos, krzywy krurnm, nos, Nase, rnaehten uns Besuch. Im Herabsteigen erlaubte sich Wala einen kleinen Urnweg und sahe 19 Gemsen. Unsere Gesellsehaft hatte rnithin, in Zeit yon 3 Stunden, 4:) Gernsen ge- sehen. Die Nacht war neblig aber still. 28 Juli. Um 4 Uhr standen wir auf und zogen die getrock- neten Kleider an; geschwind war ein Glas Thee gernacht, und nach 2 Stunden hatten wir die Stelle erreicht wo wit gestern umkehrten. Nun warde der Weg rniihsarner, yon einern Granit- stiick muss man auf das andere klettcrn. In schr~gliegeaden Plat- ten 45 ° sind L0cher eingehauen, dass man die halbe Sohle ein- setzen kann, sie sollen im Jahre 1844 flit den K0nig yon Sachsen eingehauen sein. Hier wachst eine seltene ComTosita, Herbichia abrotanifol., Seneeio carniolicus Willd. Auf dern Gipfel, welehen wir urn 10 Uhr erreichten, s~anden 3 Gernsen. Wir batten das sch~nste heiterste Wetter, konnten bis Krakau und in das unga- rische Flachland sehen, zu unseren Fiissen, unter gruby wierzch liegen zwei Gebirgsseen, und stidlieh am Fusse des Krywan tier

Tagebuch-Notizen, während eines ornithologischen Ausflugs auf der hohen Tatra, in den Monaten Juli und August 1861

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392 E. Schauer: Tagebuch Notizen:

Tngebueh-Notizen, wahrend eines ornithologischen Ausflugs auf der hohen Tatra,

in den Monaten Juli und August 1861, verfasst yon

Ernst Schauer. (Fortsetz, ; s. Mai-Heft. 8. 225--240.)

Es war Mittag, wir stieg'en (tern Gipfel zu, welchen wir in oh'el Stun.den erreicht h~itten; doch pl~tzlich zogen Gewitter heran, ein empiindlich kalter Wind erhob sich, wir driickten uns in Fel- senspalten, ich na.hnl den IIund auf den Schooss urn rnich zu er- warmen, der aber noch rnehr zitterte, als sein Herr. Einige A1- pen f l t i ev i )ge l suchten die Tiefe, und Ja~ schwor, einen 5'[entel gesehen zu haben. Die Gesellschaft entschloss sich urnzukehrel~ und so gingen wir bis zurn Schacht wo wir gefriihstiickt batten, in dessert Nahe Wala einen alten satasz wusste, wir suehten ihn auf; er war yon dem Wintersehnee zerdriiekt. Aus dern Material, Stangen und Baumrinden, bauten wir eine neue It~itte. Ja~ cnt- schalte mit bewundenlswerther Geschieklichkeit 2 24 zOllige Fich- ten; bald broa~nte ein lustiges Feuer, wir zogen uns aus und trock- neten die Kleider. Bei dieser Gelegenheit fiillte sieh rneine K~i- ferflasche rnit den prachtigste~ Sachen. Einige Nusshaher orze- ch6wka, (orzech die hTuss), E iche lh~thc r,ojka, B u n t s p e c h t e , dzi~ciol, M e i s e n , sikora, K r e u t z s d t l n a b e l Krzywonos, krzywy krurnm, nos, Nase, rnaehten uns Besuch. Im Herabsteigen erlaubte sich Wala einen kleinen Urnweg und sahe 19 Gemsen. Unsere Gesellsehaft hatte rnithin, in Zeit yon 3 Stunden, 4:) Gernsen ge- sehen. Die Nacht war neblig aber still.

28 Ju l i . Um 4 Uhr standen wir auf und zogen die getrock- neten Kleider an; geschwind war ein Glas Thee gernacht, und nach 2 Stunden hatten wir die Stelle erreicht wo wit gestern umkehrten. Nun warde der Weg rniihsarner, yon einern Granit- stiick muss man auf das andere klettcrn. In schr~gliegeaden Plat- ten 45 ° sind L0cher eingehauen, dass man die halbe Sohle ein- setzen kann, sie sollen im Jahre 1844 flit den K0nig yon Sachsen eingehauen sein. Hier wachst eine seltene ComTosita, Herbichia abrotanifol., Seneeio carniolicus Willd. Auf dern Gipfel, welehen wir urn 10 Uhr erreichten, s~anden 3 Gernsen. Wir batten das sch~nste heiterste Wetter, konnten bis Krakau und in das unga- rische Flachland sehen, zu unseren Fiissen, unter gruby wierzch liegen zwei Gebirgsseen, und stidlieh am Fusse des Krywan tier

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Ornitholog. Ausfiug auf der hohen Tatra. 393

See yon (%orba und die Quellen des Poprad und der Waag. Die Stadt Hibie Geib und die vielen DOrfer mit den weissen Kir- chen, in si~chsischcr Bauart, erinne~¢en reich lebhaft an mein Hei- mathsland, ikber verwundert starrt das Auge 6stlich in die Gra- nitspitzen der hohen Tatra, deren Klfifte und Thaler mit Firn ausgeffillt sind. ,,Da bltihet kein Friihling, da griinet kein Reis." Es ist der Mond hinter einem guten Telescope. ,, Triimmer ei- ner Welt." Das Monument, welches man zum Andenken seiner Anwesenheit, dem K6nige yon Sachsen setzte, hat das Jahr J848 in die Untiefen gesttirzt; eine Eisenplatte liegt noch. Alte An- gaben stel]en die H6he des Krywans, (krzywy, krywy, krumm,) auf 8000', neuerc Barometermessungen auf 7643' und auf der neu- sten ungarisehen Karte is't er mit 7884' angcgebeu. Und bier suchte ich V6gel? Nun ja! und habe sic auch gcfuuden. Die h6chste Spitze, neben dem topographischen Zeichen, bewohnt ein vergniigtcs Tithys- Pi~rchen, welches ihren Jungen emsig magere Kost zutrug, i u f dam ganzen Karpathenzuge ist dic Tithys nicht so schwarz, als ich sie an anderen 0rten gefunden habe.

Wir blicben his Mittag, verdiichtige Wolkcn mahntcn zur Riick- kelu'. Angekommen auf dem ersten Bergsattel, wo ich die 3 Gemsen gestern sah, und einAlpenmurmelthier lebt, selflugcn wir einen ande- ren Weg ein~ Wala stimmte dagegen, und wit batten es zu bedauern.

Auf einem thtu'mi~hnlichen Felsen sass ausser Schussweite ein Wiir g fa lk e, polnisch rurog. Ueber keinen Falken ist vielleicht so vie1 geschrieben als fiber den Blaufuss. Wohl hat man be- merkt, dass auch welehe mit gelben Fiissen and gelber Wachs- haut vorkommen, und es ats einen krankhaften Zustand oder Fol- gen der Gefangenschaft genommen. Ich babe mehrere erlegt~ auch briitende beim Horste, auch yon anderwi~rts welche erhalten, so class ich~zu einer klaren Ansicht (iber diescn Vogel kommen konnte. Wer jemals V6gel gesammel~ hat, mag sich erinnern, dass m~n wohl 20 Z w e r g f a l k e n oder t t i i h n e r h a b i c h t e er- legt, bevor man ein sch6aes altes Thief bekommt. So ist es auch mit dem Blaufuss. Schon im vierten Jahre hat er gelbe Ftisse and gelbe Wachshaut, dem sehr alten ~[i~.nnchen wird die Brust weiss mit sehwarzen fast haardiinnen Sehaftstrichen~ und die Erb- sen-, Linsen- und Bohnenfiecke im Schwanzc des jiingeren Vogels haben sich zu vollkommen durchgehenden Binden gestaltet.

Unten stiess ich auf 2 Ketten I : [ase lhf ihner . In einiger Entfernung sahen wir d e n bekannten 0chsensalasch und um 7

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Uhr m~rden wir yon den Slowaken im Ziegensalasch, wo wir vor 48 Stunden unsere Visite abgestattet batten, zum Naehtlager herz- lieh aufgenommen. Wir baten um ZCtyca, Molken, aber die Schafe und Ziegen waren noch in den Bergen, kehrten jedoch bald zu- rfick. Die Caprimulgi gingen an ihre Arbeit, und in einer Stunde war die warmc. Z~tyea fertig.

29. Juli. Wir nahmen denselben Weg zurfick wie wir gekom- men. Noch in ciemna smereczyna blieb Wala stehen, und machte uns auf etwas aufmcrksam: widzicie to, to my nazywamy ptyn, Seht ihr, dass nenncn wir den Fluss, das Fliessende, ptyn~ ich rinne, ieh fiiesse. Es waren die Maden der Marcus-oder Johan- nisfliege Bibio oder T~ipula, in Prozession bega'iffen. Ein einzel- nes solches Wfirmchen ist 3 Linien lung, ~ Linie breit~ grau durch- sichtig mit hartem schwarzen Kopf. Der gauze Zug wax 4 Fuss fang und 2 Zoll dick and glich auf dem ersten Blick einer gros- sen natHx. Jedes Individuum ~tnderte jeden Augenblick seine Stellung iu der Masse, so dass diejenigen, wclche jetzt an der Oberfi~tche erschienen in dic Mitte gingen; auch w a r e n e s nicht stets dieselben, welche den Zug anfiihrten; immer neue K6pf- chen kamen zum Vorschein. Dieser Wechsel scheint n6~hig um sie scMiipffig zu erhalteu; einzehm blieben zuriick und sire'ben bald. Um einen Fuss Raum zurfickzulegen brauchten sie 7 Mi- nuten. Ieh zerriss den Zug um einige mitzunehmen, und bevor ich das Spiritusgef~ss geschlossen, waren sie wieder in Ordnung. Wala sagte, dass el' welt gr~issere Z(ige gesehen habe.

Beobachtet wurden: Turdus merula, musicus, torquatus, viscivorus, Troglodytes par-

vulus~ Syl, eia rubecula; (J~pselus alms , Loxia pyrrhula, curvirostra, Accentor alpinus ~ modula,ris~ Parus ater , cHstatus, Aquila chry- saetos, Phyllopneuste titls, Garrulus glandariu~ Nucifraga caryoca- tactes, Picu~ sp., Astur palumbarius~ Falco lana~qu~'~ Corvus corax~ Anti, us spinoletta, arboreus. Falco tinnunvuh~s~ Sylvia tithys~ Re- gulus flavie., Tetrao bonasia, Cinches aquaticus~ Motacilla alba~ bo- arula, F'Jingilla coelebs. Spuren yon Tetrao urogatlus und tetrix.

1. August. Es waxen mir Andeutungen gemacht worden, dass ich an der Nordseite des Czerwony wierzch YOgel finden kOnne, and so hatte ich Ja~ Pitum naeh Kos6ielisko besteilt. Wir gin- gen durch die fluster enge Schlucht KrakSw~ wobei mehr als eine Stunde Zeit erforderlich ist, und stiegen sodann auf Czerwony wierzch. Die Naeht Verbrachten wir im satasz auf Up~az.

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2. August gingen wir dureh die Thi~ler miCtusia in die mata t~ka, kleine Wiese. Beide Th~tler 6ftnen sich nach Norden, lie- gen parallel und gleichen sich in Form; abet die Thalsohle yon ma[a t~ka ist cine im Niveau liegende pri~chtige Wiese, w~,thrend in mi~ntusia mi~chtige Kalkblticke stehen~ zwischen wetchen Och- sen und Schafe diirftige Nahrung finden, die Ursache ist unver- kennbm'. Maia t~ka war ehedem geschlossen und bildete einen Teich; mi~tusia blieb often und die Gebirgswasser fiihrten den Humus hinaus~ w~hrend er in maia ~ka abgesetzt wurde. Wir blieben die Nacht in einem tteuschuppen.

3. August durchstreii~en wir das Thal Str~zysko, freundlicher noch, als die beiden letztgenannten, und gingen in ornithologischer Hinsich~ unzufiheden nach Hause.

Auf Uplaz schoss ich einige R i n g d r o s s e l n , in mietusia ei- nige H a s e l h f i h n e r , in mata taka zwei W a l d s c h n e p f e n .

5. August. Die genannten V~ge], die so eben auf dem Ti- sche liegen, geben mir, da ich nichts Besseres zu thun habe, An- lass zu folgender Bemerkung. Aus der J u g e n d z e i t der Ring- d r o s s e l scheint wenig bekannt zu sein. Im Neste, welches nach Art der Ams eln angelegt ist, gleicht sie sehr der jungen Wach- holderdrossel, s ieht dunkler und verriiuchert aus; am dunkelsten ist die Stelle, wo gleich bei der nachsten Mauser der weisse Fleck erscheint. Ich habe in diesem Jahre wie im vergangenen, im Ju]_i junge Vtigel geschossen, noch mit den ockerfleckige n Nest- federn auf dem Kopfe, an welchem die Dunen hingen, und deren Brust bereits weiss wurde; so schnell geht die Mauser vor sich. Der Fleck der ~ !~ ist erst grau, wfl'd im Alter auch weiss. Die Sehutter- und Fliigel-Deckfedern des Nestvogels haben grosse gelbliche, rhombische Schaf~striche, die manchmal die Hi~lfte der ganzen Fli~che der Feder einnehmen. Im Juli und August streifen die Ringdrosseln im Gebirge umher, ihre Nahrung sind dann aus- sctiliesslich Heidetbeeren; ihr Fleiseh wird davon blau, die Kno- chert roth, und es ist eine abscheuliehe Arbeit sie in dieser Zeit abzubalgen. Blut and Koth wo sie befiecken, lassen sich kaum abwaschen. Auf den Karpathen werden ji~hrlich Millionen Kram- metsvt~gel gefangen, in Laufdohnen unter Waehholderbiischen. Eine Menge Ringdrosseln sind auch dabei. Der Haupthandelsplatz ist K_rakau, yon wo aus sie nach Warschau, Lemberg, Wien versea- det werden. Ieh babe zur Zeit, als ich reich in Krakau aufhielt, allj~ba-lich mehrere Tage dazu verwendet, solche Transporte zu

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durchsuehen, trod nie etwas anderes als einige Varict~ten der W a e h h o l d e r d r o s s e l gefunden.

Der reizendste und lieblichste aller V~gel ist die W ald- s c h n e p fe und verdient noch gr(issere Aufmerksamkeit, als man ihr bis jetzt erwiesen hat. Vielen maeht die Waldsehnepfenjagd nicht mehr Vergniigen als die plumpe Rebhiihnerjagd, studire man aber die Eigenthtimlichkeiten dieses Vogels genau, so wird sich eine Vorliebe zur Waldschnepfe einfinden, die alle anderenjagdba- ren Thiere auf die Seitc stellt. Steht der Hund vor einer Dop- pelbekassine, so weiss man was geschehen wird; steht der Hund vor einer Bekas~ine, so erfolg t nut zweierlei; sie steigt schri~g, immer gegen den Wind, auf, oder zieht in Bogenlinien auf dem Sumpfe hin, und dieses maeht die Bekassinenjagd et~vas mehr anziehender. Stcht aber der Hund vor einer Waldschnepfe, so weiss man nie was geschehen wird; jedesmal passirt etwas Neues, auch wcml man sic wic gew0hnlich immer in demselben Busehe finder; ich habc erlebt, class mieh die Waldschncpfe mit dem Flfi- gel in's Auge schlug. Eine unzi~hlige Menge Waldsehnepfen habe ich erlegt, aber nie 2 unter gleichen Umsti~nden; bei jeder ereig- nete sich etwas Unerwartetes. Und welehe possirliehe Haltung hat sie, wenn sie in der Sehlinge h~ngt. Aber weit interessanter und bezaubernder sind die Schnepfen wenn sie ziehen. Alle sind yon einem einzigen Geiste, yon eider Seele belebt. Vorgestern zogen alle sehr niedrig und langsam, gestern niedrig und ge- schwind, heute sehr hoch und balzten nicht~ morgen kommen sie so spi~t, dass man kaum noeh schiessen kann, und tibermorgen sind sie schon da gleich naeh Sonnenuntergang. Manehmal bal- zen sie in zwei Tempo gin- gur, manehmal in 5 und 6 gur, gur, gur, gur, gur, aber zick immer nur zweimal uuch mitunter ein- mal. Die Haltung des Schnabels ist' der Massstab nach welchem ieh den Schnepfcnstrich beurtheile; ziehen sie gemi~chlieh, so h~tngt der Sehnabel perpendikuli~r herunter; ziehen sie sehnellcr, so wird er in einem Winkel yon 45 ~ gehal~en; ziehen sie aber geschwind und unruhig, so tragen sie ihn in horizontaler Lage vor sich her. Ieh habe den Schnepfenstrieh durch 17 Jahre in Polen trod Ga- lizien fast ti~glich frequentirt, und die letzten 5 Jahre wohnte ich so gelegen, dass ieh ihn jeden Tag ohne Ausnahme, yore ersten bis letzten April, bei dem sehlechtesten Wetter besucht habe. Da- bei habe ieh genaue Register gefiihrt mit Rubriken : Datum, Ther- mometer~ Barometer, Stunde des Striches, Anfang, Ende, Anzahl

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der Schnepfen, geschossen, gesehen, geh6rt, Witterung des Tages, wiihrend des Striehes, Wind, Wolkenzug, Winkel des Schnabels, Art und Weise des Zuges, besondere Bemerkungen. Die Uhr und das Thermometer hangen vor mir auf dem Buche. Sagt man mir: Sie gehen bei diesem Wetter auf den Schnepfenstrich, es wird keine ziehen, so antworte ieh: Davon eben will ich reich tiberzeugen. Solche Beobachtungen lassen sich nut machen wo es nicht.an Schnepfen fehlt, und man auch immer einige nach Hause bringt. Die a l i e n J i i g e r s ind d e r M e i n u n g , d a s s d e r S c h n e p f e n s t r i c h yon d e r a u g e n b l i e k l i c h e n W i t - te f -ung abhl inge . Dem i s t a b e r n i ch t sol

Am 7. April befand ich reich mit tterrn Grafen Dzieduszycki bei Jaroslau auf der Schweinsjagd. Die Wagen sollten mit Soa- nenuntergang bei uns eintreffen, kamen aber spater. Das Wetter war den Tag tiber unangenehm; abet um 5 Uhr erhob sich kal- ter Wind mit Regen, Schnee und Eis. Die Zeit des Schnepfen- striches nabte heran; ich nahm die Flinte unter den Mantel und suchte einen Stand, die Jagdgenossen machten zwar witzige Be- merkungen, abet folgten mir, da niehts besseres zu than war. Fast ein jeder yon uns schoss eine Sehnepfe. Am anderen Tage hatten wit- sch0nes warmes Wetter. Ein Jahr sp~tter am 14 April bei sch0nem warmen Wetter suehte ieh mit einem Gesellsehafter Schnepfen, mehr als 30 stiess ich auf, keine hielt abet vor dem Hunde, und keine kam zum Schuss; mein Gesellschafter wollte 50 gesehen haben und hatte einige Male vergeblich geschossen. Da so viele Schnepfen da waren, blieben wir nattirlieh zum Striche; aber keine einzige zog. Am anderen Morgen lag ein ~Fuss hoch Schnee. Ich k0nnte noch viele solehe Fglle anitihren. }Ieine genauen ununterbrochenen Beobaehtungen haben mich zu der U e b e r z e u g u n g geffihrt, dass wie alle Thiere, so auch die Wald- schnepfe, d u t c h sin V o r g e f i i h l fiir d ie b e v o r s t e h e n d e W i t t e r a n g zu i h r e n t t a n d l u n g e n g e l e i t e t wird. So l l schlechtes Wetter eiatreten, so hat sie nicht Zeit sieh zu belus- tigen, sie muss Nahrung suchen, steht gutes Wetter in Aussicht, nun, so freut sie sich im Voraus darauE Dass die Sehnepfe bei iha.em Streiehen oft denselben Weg zweimal nimmt, daftir habe ich Beweise. Beim letzten Schnepfenstriche h0rte ich eine, die nieht zick zick, sondern einen abseheulichen hustenden Ton yon sich gab, als h~ttte sie zerrissene Stimmritzen gehabt; sie zog genau zweimal denselben Weg. Wo die Schnepfen briiten~ kann

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398 E. Schauer: TagebuchNogzen:

man sie im Juni zu jeder Stunde, bei Tage wie bei Naeht zie- hen h~rcn. Am 17. Juli 1856 babe ich auf den Karpathen im Stanislauer Kreise 4500' hoch, mehr als 15 Sehnepfen balzend streiehen gesehen. Bekanntlich ziehen sie aueh im September und October, aber ohne zu balzen. Wfisste ich meine Worte so gut anzubringen, wie ich eine Unze Blei anzubringen weiss, ieh wiirde Folianten fiber die Waldschnepfe schreiben. Sie heisst polniseh slomka.

6. August. Mittlerweile waren Gaste bei Herrn Homolacz angekommen, und zu meiner nicht geringen Freude, Jagdgenossen aus der Ebene. Wir verabredeten einen Streifzug in die Mitte tier Tatra, die wildesten, fast unzug~glichsten Oerter zu besu- chen. Neun Gebirgsbewohner wurden mit Lebensmitteln beladen, unter ihnen befanden sieh Wala, Pitum, Zamek, Jan und Jqdrzej Krzeptowski, Paj~k und Sieezka, der gr~sste Theil der Gemsen- jager. Frfih um 4 Uhr rfickten wir 14 Mann froh aus, und gin- gen fiber den Zawrat, welchen ich am 19. Juli passirt war. Die tithys auf tier Swinnica war verschwunden, nur einige Alp enfl i ie- v~ge l hatten den Platz eingenommen. Wir kamen zu den 5 Tei- chen, liessen die miedziana links~ und stiegen fiber den Bergsat- tel, sodann neben den sehon erwahnten 2 Teiehen in die Ko- prowa hinab, ein sehr besehwerlicher Gang, und bogen links ein, in das Thal zwischen gruby wierzeh und sredni wierzeh, dicker Gipfel, H~he, und mitflere Gipfel gohe, und nahmen Nachtlager inmi~en yon Granitblt~cken und Krummholzkiefern. Obschon wir unser Feuer nieht gr6sser brennen liessen~ als nOthig war etwas Wasser zum Thee zu kochen und R~uberbraten anrichten zu kiln- hen, (man construirt eine voltaische Saule yon Fleiseh, Speck und Salz an einen Fiehtenstab gespiesst und bratet es fiber Kohlen,) so waren wir dennoch bemerkt worden. Wit gingen auf keinen guten Wegen; denn Wege giebt es bier fibcrhaupt nicht, damit sei aber nieht gesagt, dass wir Wilddieberei im Sinne hatten; Wilddiebe schleichen allein herum, Raubschfitzen gehen in Masse.

7. August. In der Morgendammerung sprangen, wie mit ei- nero electrischen Sehlage, unsere s~mmtliehen Begleiter auf und griffen nach den Flinten, ich that ein Gleiches, und bemerkte den tibergrossen Hut eines Slowaken und unter demselben meinen al- ten bekannten gazda aus: dem Ziegensalasch in der Koprowa. Er war nattirtich nicht ohne Absicht, vielleicht auch nicht atlein gekommen. Als es hell wurde erblickten wir auf sredni wierzch

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Ornithol. Ausflug a. d. h, Tatra . - - 0 rn i tho logen-Versammlung . 399

5 Gemsen, au f grnby wierzch 6 mit 2 Zicklein, die auf dem Sctmee die h s t i g s t en , herzer f reuends ten Boeksspri inge maehten, and spi~- ter zeigte sieh noch ein einzelner Boek. So schmal, so enge sind die Thaler , dass man zu g l e i c h e r Zeit auf zwei B e r g e n Gemsen sehen kann; man sol l te sie besser 3000 Fuss tieie Kltifte oder Spal ten nennen. Wir l iessen diese armen Th ie rchen in Ruhe, (sauere Trauben! ) und k le t te r ten hinfiber in das Mengsdorfer thal , si idlicher A b h a n g der Tat ra . H o c h oben im Thale liegen 2 kleine Te iche and tmten im I~-ummholze ein g rosse t , welcher reieh]ich Fore l len enthal ten s o l l . I n der Thalsohle weideten 13 Gemsen in enggesch lossene r Gesellschaft, ich sahe zu wie sich ein GSral auf 40 Schri t te nahe schlich, eia gezogenes Rohr und eine Doppelfl inte auf sie ohne Erfo lg abschoss. Diese Leu te sind wie alle Gebirgs- bewotmer schlechte Scht i tzen; 6 andere Gemsen liefen iifichtig dm-ch das Thai, zwei k le t t e r t ea an den W a n d e n uad ein a l ter B o c k tr ieb sich im Tha le herum, liess sich aber nicht beikom- men. A u f der Stelle wo wir waren machten wir Nacht lager .

(8¢hlusS folgt.)

N a c h r i e h t e n .

O r n l t h o l o g e n - V e r s a m m l u n g . Der Vorstand der D. O.-Gesellschaft h~t die folgende

Einladung erlassen: Die dies j i~hr ige V e r s a m m l u n g der deutsehen Ornithologen-Gesell-

schaft wird D i e n s t a g den 30. S e p t e m b e r in Tha l e bei der Rosstrappe am Harz, bis wohin die Eisenbahn yon Balberstadt aus f/lhrt, erSffnet werden. ¥on dolt ans wird die ¥ersammlung am z w e it e n o d e r d r it t e n T a g e fib e r H a 1 b e r s t a d t n a e h B r a u n s c h w e i g zur Besiehtigung der trefflichen Samm- lungen daselbst welter gehen. V o r v e r s a m m l u n g ~[ontag den 29. Sep- t e m b e r A b e n d s 9 Uhr im ,,Waldkater" am Ausgange des schSnen Bode- thals bei Thale, wohin oder an den Secretair Dr. Bal dumas .&nmeldungen wegen Wohnungen etc. zu riehten.

Der Thfiringisch-Siichsisehe Naturforsehende Yerein hat seine Versamm- lung auf den 29. September nach dem Bade Suderode am ttarz, unweit Qued- linburg und Thale, verlegt, and wird die Mitglieder der Ornithologen-Ge- sellsehaft gem empfangen wie auch viele Mitglieder des Yereins der so ganz in der N/~he tagenden 0rnithologen-¥ersammlung beizuwohnen gedenken.

Der Vorstand der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft. Dr. ~kLTUM. Prof. Dr. BL.¢sIus. Dr. J. HOFPMANN. Pf. Dr. BALDAMUS.

Pf. Dr. BaEHM. Major a. D. KiacHao~'F. Pastor Dr. ZANDER.