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8 _ results _ Deutsche Bank Offene Kommunikation bringt jede Menge Vorteile bei der Kapitalbeschaffung. Doch was müssen Investoren wissen – und was nicht? Talk! Talk! Talk!

Talk! Talk! Talk! - Deutsche Bank · ka“, erinnert sich Christoph Pesenacker, Leiter Finanzen des Wiesbadener Unternehmens. Es ist spezialisiert auf die Herstellung von Labor-Diagnostika

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Page 1: Talk! Talk! Talk! - Deutsche Bank · ka“, erinnert sich Christoph Pesenacker, Leiter Finanzen des Wiesbadener Unternehmens. Es ist spezialisiert auf die Herstellung von Labor-Diagnostika

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Offene Kommunikation bringt jede Menge Vorteile bei der Kapitalbeschaffung. Doch was müssen Investoren wissen – und was nicht?

Talk! Talk! Talk!

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Page 2: Talk! Talk! Talk! - Deutsche Bank · ka“, erinnert sich Christoph Pesenacker, Leiter Finanzen des Wiesbadener Unternehmens. Es ist spezialisiert auf die Herstellung von Labor-Diagnostika

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ThesenFinanzbedarf: Der Wettbewerb

um Finanzierungen wird härter.

Offene Finanzkommunikation

bringt Unternehmern einen bes-

seren Zugang zu Investoren.

Vertrauensaufbau: Gute

Finanzkommunikation dreht

sich nicht nur um Bilanzzahlen –

Finanzpartner sollten Produkte,

Märkte, langfristige Strategien

und Hintergründe zu aktuellen

Entwicklungen genau kennen,

damit Vertrauen entsteht.

Information: Auch die Geld- und

Kapitalgeber selbst stehen in der

Pfl icht: Sie müssen ihren Kunden

ein Feedback darüber geben,

warum sie welche Informationen

brauchen und welche Schwer-

punkte sie setzen.

 Nach zehn Jahren als Wirtschaftsprüfer wechsel-

te Bernd Kästner die Seiten. Das Angebot kam

ganz spontan, Kästner hatte sich zwei Stunden

lang mit seinen Klienten beraten, den Chefs des Solar-

anbieters Wirsol. Sein Fachwissen überzeugte. „Beim

Rausgehen haben sie mich gefr agt, ob ich nicht Lust

hätte, in ihren V orstand zu kommen“, erinnert sich

Kästner.

Im Oktober 2010 bezog der Finanzexperte seinen

Schreibtisch bei Wirsol. Auf ihn wartete eine echte Her-

ausforderung. Das auf die En twicklung großer Solar-

projekte spezialisierte badische Unternehmen wuchs

rasant. Seit der Firmengründung im Jahr 2004 war der

Umsatz von 200 000 Euro auf 167 Millionen Euro 2010

geklettert, auch im Ausland legte Wirsol stark zu. „Eine

wahnsinnige Entwicklung“, sagt Kästner. „Es war nötig,

bei den Finanzen rasch neue Strukturen aufzubauen.“

Aber er wollte mehr sein als eine ordnende Kr aft, es

ging ihm auch um eine vorbildliche Kommunika-

tionskultur. Das selbstgesteckte Ziel lautete dabei: ein

Höchstmaß an Transparenz. „Das habe ich von Anfang

an so gehalten.“

Schon kurz nach Dienstantritt lud Kästner alle

Banken, mit denen Geschäftskontakte bestanden, zu

sich ein. Gemeinsam wurde die Finanzierungsstra-

tegie diskutiert. Kästner baute für Wirsol zudem ein

IT-gestütztes Reporting-System auf . Dieses erlaubt ,

Konzernzahlen monatlich zu kommunizieren. In der

krisengeschüttelten Solarindustrie macht sich der

vertrauensvolle Austausch mit den Kapitalgebern nun

bezahlt. Als Entwickler von Photovoltaikanlagen steht

Wirsol im Spannungsfeld zwischen Komponentenher-

stellern einerseits und rückläufi gen Stromeinspeiseta-

rifen andererseits. Dank der konsequenten Offenheit

gibt es trotz der negativen Marktstimmung bislang

keine Finanzierungsprobleme.

Der Solarhersteller Wirsol macht es vor: Wer ge-

genüber seinen Kapitalgebern Offenheit beweist ,

verbessert den Zugang zu Finanzmitteln gerade auch

in turbulenten Zeiten. „Der Aufbau von gegenseiti-

gem Vertrauen ist ein Schlüsselfaktor“, sagt Stephan

Paul, Professor am Lehrstuhl für Finanzierung und

Kreditwirtschaft der Ruhr-Universität Bochum. „Gute

Finanzkommunika tion kann für ein Unternehmen

überlebenswichtig sein.“ Obwohl die Vorteile auf der

Hand liegen, hat Paul immer wieder festgestellt, dass

Mittelständler davor zurückscheuen, sich in die Bücher

schauen zu lassen. Sie laufen damit jedoch Gefahr , ih-

ren fi nan ziellen Spielraum einzuschränken.

Zwar bringt Offenheit gegenüber Banken und

anderen Finanzpartnern in der Regel keine niedri-

geren Zinsen. „Bei anderen Kreditbedingungen aber

zeigen sich sehr große V orteile“, sagt Paul. So steige

die Ver fügbarkeit, auch die Zahl der Finanzierung s-

alternativen, wie etwa Anleihen, wächst.

Zudem gelangen Unternehmen, die sich regelmäßig

und offen mit Banken austauschen, unkomplizierter an

ihre Finanzierung. „Sie sparen damit Zeit, die sie an an-

derer Stelle produktiver nutzen können“, erläutert Paul,

der die 2005 von der Euler Hermes Kreditversicherungs-

AG gegründete „Initiative Finanzkommunikation im

Mittelstand“ wissenschaftlich begleitet. „Schlechte Fi-

nanzkommunikation dagegen hat zur Folge, dass sich

die Anforderungen der Kapitalgeber an Informationen

und deren formale Aufbereitung drastisch erhöhen.“

Eine Ursache für die Zugeknöpftheit vieler Un-

ternehmen ist laut Wissenschaftler P aul die Angst ,

mögliche Abweichungen von Planungszielen erläu-

tern zu müssen. Das jedoch ist ohnehin unvermeid-

bar, wenn die Firma in größere wirtschaftliche Prob-

leme gerät. Wer aber erst dann die Karten offenlegt ,

provoziert erhebliches Misstrauen. Finanzexperte Paul

rät deshalb, frühzeitig gegenzusteuern. „Wer sich ILLU

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vorher um Transparenz bemüht und Vertrauen

aufbaut, muss nicht erst in der Krise das Steuer her-

umreißen.“ Zumal das Management dann auch ganz

andere Sorgen habe: „In der akuten Krisenphase ist

beispielsweise das Liquiditätsmanagement erst mal

wichtiger.“

Mit voller Wucht traf die Rezession 2009 die Hu-

man Gesellschaft für Biochemica und Diagnostica. „Die

Zahlungsmoral brach auf breiter Front ein, die fi nanziel-

len Engpässe reichten bis ins letzte Dorf in Schwarzafri-

ka“, erinnert sich Christoph Pesenacker, Leiter Finanzen

des Wiesbadener Unternehmens. Es ist spezialisiert

auf die Herstellung von Labor-Diagnostika und Schnell-

tests, mit denen zum Beispiel Malaria- oder HIV-Erkran-

kungen festgestellt werden können. Verkauft werden

diese Tests vor allem in Schwellenländern über Distri-

butoren vor Ort: unabhängige Partner mit exklusiver

Lizenz. Die aber zögerten in der Krise ihre Überwei-

sungen hin-aus – mit dramatischen Folgen für Human.

„Erstmals in der Firmengeschichte gab es bei uns Ent-

lassungen“, sagt Pesenacker – es traf fünf Prozent der

Beschäftigten.

Gerade erst hatte Human ein neues Gebäude bezo-

gen, das noch vor der Krise geplant worden war – es er-

wies sich nun als zusätzliche Last . „Die Liquiditätslage

war angespannt“, sagt Pesenacker. Human habe beste-

hende Kreditlinien zu 80 Prozent ausschöpfen müssen.

„Das hat uns geärgert.“ Denn die Folge war, dass das Ra-

ting sank. Doch wo andere Manager lieber schweigen

und hoffen, den Turnaround in aller Stille zu schaffen,

setzte das Management auf Transparenz: „Wir sind of-

fensiv mit dem Thema umgegangen“, sagt Pesenacker.

In Gesprächen konnte er die Kapitalgeber etwa davon

überzeugen, dass kein Risikoaufschlag nötig war – dabei

half auch die Einführung einer monatlichen Liquiditäts-

rechnung. Schon nach wenigen Monaten konnte Human

das Geschäft stabilisieren – und die Beschäftigtenzahl

wieder aufbauen.

Pesenacker ist überzeugt: Hätte Human nicht schon

seit Jahren eine offene Finanzkommunikation gepfl egt,

wäre die Lage schwieriger gewesen. Die Banken aber

wussten genau Bescheid – und hatten schon bewiesen,

dass sie dem Human-Management vertrauen.

Ein wichtiger Baustein ist der Quartalsbericht. „Er um-

fasst 30 Seiten“, erläutert Pesenacker. „Das ist kein Larifari

mit schönen Bildern, sondern sehr analytisch.“ Es werden

auch Zins- oder Währungsrisiken genau bewertet – Hu-

man liefert in 150 Länder weltweit . Die Lage auf jedem

Markt wird erschöpfend dargestellt. „Gerade beim Aufbau

neuer Märkte sind die Risiken hoch“, sagt Pesenacker.

„Wir sind offensiv mit dem Thema umgegangen“

Wirsol-Projekt Solarpark Mixdorf im Schlaubetal südöstlich Berlins: Ein modernes Reporting-System des Solarprojektierers ermöglicht monatliche Kommunikation von Firmenkennzahlen

Stephan Paul, Professor am Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft der Ruhr-Universität Bochum, glaubt: „Gute Finanzkommunikation kann für ein Unter-nehmen überlebens-wichtig sein“

Wirsol-Finanzchef Bernd Kästner: Kommunikation half dabei, die Banken trotz der Branchenprobleme vom Geschäftsmodell des Solarunternehmens zu überzeugen

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Regel 1Keine Angst vor klaren Worten

Gegenseitiges Vertrauen ist der

Schlüssel zu einer verlässlichen

Finanzbeziehung – und das

entsteht nur, wenn beide Seiten

offen miteinander umgehen. Der

Unternehmer profi tiert, weil er

sein Rating verbessern kann und

leichteren Zugang zu Krediten

erhält. Offenheit bedeutet,

Informationen aktiv bereitzu-

stellen – auch in wirtschaftlich

schwierigen Zeiten.

Regel 2Bleiben Sie authentisch

Bei guter Finanzkommunikation

geht es um Information, nicht um

Werbung. Sie muss zum Unterneh-

men passen, wenn sie glaubwürdig

sein soll. Personen, Botschaften

und die Form der Präsentation

sollten deshalb so gewählt werden,

dass sie die jeweiligen Eigenheiten

des Unternehmens widerspiegeln.

Eine aufwendig von einer Agentur

gestaltete Präsentation ist dabei

unnötig – Hauptsache, die Informa-

tionen sind klar zu erkennen.

Regel 3Sehen Sie Ihren Kapitalgeber

als Kunden

Adressaten der Finanzkommunika-

tion sind neben den Eigenkapital-

gebern und Banken auch Lieferan-

ten, Versicherer und die eigenen

Mitarbeiter. Jeder von ihnen muss

auf eine andere Weise angespro-

chen werden und wünscht sich

andere Informationen. Gute Kom-

munikation berücksichtigt die

unterschiedlichen Bedürfnisse der

Stakeholder des Unternehmens.

CHECKLISTE

Drei Regeln für eine erfolgreiche Finanzkommu nikation

Der Bochumer Finanzprofessor

Stephan Paul hat die Grundregeln

für den Umgang mit Finanzierungs-

partnern aufgestellt.

Vorteile guter Finanzkommunikation

Die Verfechter offener Kommunikation sehen mehr Vor- als Nachteile, doch auch eine

signifi kante Zahl von Skeptikern räumt möglichen Nutzen für Unternehmen ein.

Unterschiedliche Wahrnehmung von Kommunikation

Unternehmen beurteilen die eigene Kommunikation durchweg positiv, die Empfänger der

Nachrichten dagegen urteilen kritischer – dabei sind sie es, die überzeugt werden müssen.

Was ändert die Krise?

Mittelständler suchen Sicherheit – aber mehr

kommunizieren will nur jeder Sechste.

Was folgt jetzt?

Die Mehrheit der Firmen glaubt:

Finanzierung wird schwieriger.

Angaben in % Angaben in %

Angaben in % Angaben in %

Angaben in %

Wir können auf eine größere Palette von

Finanzierungsinstru menten zurückgreifen

Wir können über mehr Finanzmittel

verfügen

Wir erhalten von unseren Kapitalgebern mehr

Anregungen, Hinweise

Verfechter

Kapitalnehmer

Skeptiker

Kapitalgeber

Beziehung zu Kapitalgebern Finanzierungsmöglichkeiten

QUELLE: „FINANZKOMMUNIKATION JETZT KRISENFEST MACHEN! ERFOLGSREZEPTE FÜR DEN UMGANG MIT KAPITALGEBERN“. IN: WIRTSCHAFT KONKRET NR. 421, OKTOBER 2008

QUELLE: „FINANZKOMMUNIKATION JETZT KRISENFEST MACHEN! ERFOLGSREZEPTE FÜR DEN UMGANG MIT KAPITALGEBERN“. IN: WIRTSCHAFT KONKRET NR. 421, OKTOBER 2008

54

45

67

Unsere Kapitalgeber verstehen uns besser

7747 38

30

41

Der Umgang mit unseren Kapitalgebern ist schneller,

unkomplizierter

7148

Wir bekommen von unseren Kapitalgebern

positivere Rückmeldungen

79

45

Das Vertrauensverhältnis zu unseren Kapitalgebern hat

sich verbessert 52

82

Sachliche Qualität

Eingeleitete Maßnahmenp Unternehmen erwarten verschärfte

Kreditstandards durch Basel III

p Sicherung der Zahlungsfähigkeit

gewinnt an Bedeutung

p Weiterhin Zurückhaltung bei

innovativen Finanzierungsformen

(Leasing, Factoring, Kapitalmarkt)

p Notwendigkeit zur Stärkung der

Eigenkapitalbasis ist erkannt

p Aktuell kein Engpass in der

Kreditversorgung erwartet

Persönliche Qualität

Informations politik des Unternehmens ist sehr gut

nach vollziehbar

Stärkere Finanzierung aus dem Cashfl ow

Stärkung der Eigenkapitalbasis

Verstärkung der Liquiditätsreserve

Reduzierung der Abhängigkeit von einzelnen Hausbanken

Proaktivere Finanzkommunikation

Ausweitung der Kreditfi nanzierung

Stärkere Inanspruch nahme von öffentlichen Förderprogrammen

Unternehmen ist ehrlich gegenüber dem Kapitalgeber

Positives Klima zum

Ansprechpartner

Informationen werden im persön lichen Gespräch gut vermittelt

Die Informations politik wird an die Erwartungen des

Kapitalgebers angepasst

Es wird weder übertrieben optimistisch noch

pessimistisch informiert

Alle Informationen an den Ansprechpartner werden

intensiv auf Fehler geprüft

Unternehmen versucht regelmäßig, die Informations-

politik zu verbessern

Es werden Informationen im Gespräch weggelassen,

um nicht schlecht dazustehen

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38,5

37,6

37,2

32,4

15,4

5,9

13,5

58

63

69

57

49

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78

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QUELLE: BDI MITTELSTANDSPANEL, ERHEBUNG WINTER 2010 QUELLE: BDI MITTELSTANDSPANEL, ERHEBUNG WINTER 2010

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Die Kreditgeber können sich dank des umfassen-

den Reportings stets ein detailliertes Bild von der Lage

machen. Das ist auch wichtig, weil das Geschäftsmo-

dell mit vielen Distributoren vor Ort bei den Kennzah-

len für Abweichungen von der Norm sorgt . „Unsere

Banken wissen, dass wir einen hohen Bestand an For-

derungen haben“, sagt Pesenacker. Diese machen in der

Bilanz einen Posten in Höhe von einem Viertel des Um-

satzes von zuletzt knapp 44 Millionen Euro aus. „Das ist

normalerweise eine Größenordnung, wo Finanzpartner

sagen: Das Unternehmen muss bald kollabieren.“

Zwar dauert es bei Human l änger als üblich, bis

Forderungen beglichen werden – dafür aber sind die

Ausfälle gering. „Sie liegen bei unter einem Prozent“ ,

sagt Pesenacker. „Davon können viele nur träumen, das

haben wir gut im Griff.“

Nur wenige Mittelständler waren auf die Wirt-

schaftskrise so gut vorbereitet wie Human. Wenn das

Zusammenspiel zwischen Unternehmern und Kredit-

gebern nicht funktioniert, sei das Kernproblem meist

„fehlende oder unzureichende Finanzkommunikation“,

analysierte Hans-Joachim Metternich, der 2010 und

2011 im Auftrag der Bundesregierung als Kreditmedia-

tor tätig war. Sein Credo: Aktive Kommunikation sei der

Schlüssel zu einer zuverlässigen Geschäftsbeziehung

mit einem Kapitalgeber.

Immerhin habe die Bereitschaft zu V eränderun-

gen seit der Krise spürbar zugenommen, konstatiert

Fachmann Paul. Konsequenzen allerdings werden

noch immer zu selten gezogen. „Nur wenige Mittel-

ständler haben in ihre Finanzkommunikation inves-

tiert“, sagt Paul. Seiner Ansicht nach liegt das auch

daran, dass sich viele Unternehmer über ihre Defi zite

nicht im Klaren sind. Er hat jüngst untersucht , wie

Banken und Unternehmen die Informationspolitik in

Finanzierungs fragen bewerten. Das ernüchternde Er-

gebnis: „Zwischen dem Selbstbild und dem Fremdbild

liegen fast Welten“, sagt Paul – seiner Ansicht nach

oft eine F olge mangelnden V erständnisses für die

Informations bedürfnisse der Empfänger.

Wirsol löste das Problem, indem der erfahrene

Finanz profi Bernd Kästner angeheuert wurde. Die

vielbeschworene Kreditklemme fürchtet er nicht. „Im

Zweifel werden Kredite teurer. Da muss man als Un-

ternehmer eben anders rechnen und anders verkau-

fen. Und dafür muss man jede Zahl im Griff haben.“

Um das weitere W achstum zu fi nanzieren, schloss

Wirsol im vergangenen Jahr mit verschiedenen Ban-

ken einen längerfristigen Konsortialkreditvertrag über

65 Millionen Euro ab. Damit erhöhte das Unterneh-

men seine Kreditlinie um das Dreifache und gewann

zusätzliche Planungssicherheit. „Das sehen wir als Ver-

trauensbeweis“, sagt Kästner. Seine Erfahrung: „Wenn

man offen mit den Finanzpartnern spricht, sind sie

auch hilfsbereit.“ Und dies zahlte sich für das Unter-

nehmen aus: Es schraubte 2011 seinen Umsatz noch

einmal deutlich auf 317 Millionen Euro hoch.

Lange jedoch konnte der Mittelstand auch ohn e

Transparenz gedeihen: „Über viele Jahrzehnte war es

leicht, Bankkredite zu bekommen“, sagt Paul. „Ein grö-

ßerer Informationsaustausch war gar nicht nötig.“ Das

Echte Informationen statt „Larifari mit schönen Bildern“

Human Gesellschaft für Biochemica und Diagnostica: Als 2009 die Rezession zuschlug und Kunden nicht zahlten, geriet das Unternehmen in Schräglage – und suchte offensiv das Gespräch mit den Banken

Human-Finanzchef Christoph Pesenacker setzt auf umfassende Information. Wichtiges Medium: der ausführliche Quartalsbericht

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Finanzexperten bescheinigen vielen

Mittelständlern Defi zite bei der

Finanzkommunikation. Gibt es die

wirklich?

In vielen Unternehmen herrscht die

Einstellung: Tue Gutes und rede nicht

darüber. Oft sind die Unternehmer

Ingenieure oder Techniker, die nicht

gern über fi nanzielle Erfolge be-

richten. Auch spielt dabei die durch-

aus nachvollziehbare Sorge eine

Rolle, den Wettbewerbern Informa-

tio nen zukommen zu lassen.

Viele fürchten, dass offene

Kommunikation in schlechten Zeiten

mehr Nach- als Vorteile bringt.

In einer Krise ist es sogar besonders

wichtig, gegenüber Finanzierungspart-

nern Transparenz zu zeigen. Nur so

lässt sich zuvor aufgebautes Vertrauen

erhalten, das dem Unternehmen die

nötige Rücken deckung sichert. Das

setzt aber voraus, dass die Kommuni-

kation schon vorher funktioniert.

Was muss konkret kommuniziert

werden?

Kreditgeber sollten nicht nur die

Bilanz, sondern auch das Marktum-

feld, mögliche Risiken oder

Abhängigkeiten, etwa von bestimm-

ten Kunden oder Lieferanten, und

die mittel- und langfristige Strategie

kennen. Es geht darum zu wissen,

wo das Unternehmen in vier oder

fünf Jahren stehen will.

Wie können Unternehmer ihr

Informationsangebot verbessern?

Eine gute Finanzkommunikation

entsteht nicht einfach auf Knopf-

druck. Es ist ein Prozess, der neben

einem deutlichen Bekenntnis auch

Geduld erfordert. Denn Kontinuität

ist eine zentrale Maßgabe.

Stehen nicht auch die Banken in

der Verantwortung?

Absolut – und wir werden dieser

auch gerecht. Unsere Firmenkunden-

betreuer und Finanzierungsspezia-

listen verfügen über das Know-how,

Kunden beim Aufbau ihrer Finanz-

kommunika tion zu unterstützen. Wir

helfen gern, konkrete Verbesserungs-

potenziale zu identifi zieren – seien

es Inhalt, Umfang, Timing oder

Kommu nikationsweg. Die Deutsche

Bank bietet Mittelständlern zudem

regel mäßig Veranstaltungen zum

Thema an.

Findet ein Umdenken statt?

Unsere Angebote werden sehr gut

angenommen, es gibt hohen

Informa tionsbedarf. Die Kapital-

märkte, aber auch der Bankenmarkt,

befi nden sich im Umbruch. Und bei

den Unternehmen ist der Wille klar

erkennbar, die damit verbundenen

Herausforderungen zusammen

mit ihren Finanzierungspartnern in

den Griff zu bekommen.

Wie profi tieren die Unternehmen?

Eine gute Kommunikationsstrategie

bietet die Chance, sich vom Wettbe-

werb abzuheben: durch ein besseres

Rating oder einen leichteren Zugang

zu Kapital. Finanzkommunikation

wirkt zudem nicht nur nach außen.

Die Informationen sollten auch

mit den eigenen Mitarbeitern geteilt

werden. Damit die Finanzkommu-

nikation gelingt, müssen die nötigen

Informationen zunächst aber er-

hoben und aufbereitet werden. Hier-

aus kann dem Management eine

wertvolle Hilfestellung erwachsen,

die Strategie des eigenen Unter neh-

mens fortzuentwickeln.

INTERVIEW

„Transparenz ist nicht nur in der Krise wichtig“Cornel Wisskirchen ist Mitglied der Geschäftsleitung Firmenkunden Deutschland und des Management Committee Deutschland der Deutschen Bank

habe sich mit der Einführung von Basel II vor fünf Jah-

ren dramatisch geändert. „Die Banken sind gezwungen

worden, mehr zu erfragen“, sagt Paul. Freilich sieht er

auch die Kreditinstitute in der Pfl icht, wenn es darum

geht, den Austausch mit den Kunden zu verbessern.

„Sie haben eine gewisse Bringschuld. Das F eedback ist

wichtig, auch die Banken müssen kommunizieren, was

sie mit den Informationen anfangen.“

In den nächsten Jahren wird Basel III die Anforde-

rungen an die Banken und damit an ihre Kunden noch

einmal erhöhen – mehr Transparenz bei der Kreditver-

gabe ist ein erklärtes Ziel. „Die Liquiditätsversorgung

speziell des Mittelstands wird schwieriger“, sagt Lutz

Wiederstein, Finanzierungsexperte bei der Deutschen

Bank. „Das macht Finanzkommunikation notwendiger

denn je.“ Ein Patentrezept dafür gibt es freilich nicht .

„Es ist wie bei der V ermarktungsstrategie für die Pro-

dukte“, bestätigt Paul. „Jedes Unternehmen muss einen

eigenen Ansatz fi nden.“

Unerlässlich ist jedoch eine einheitliche Kommuni-

kation: „Es ist wichtig, alle Finanzierungspartner gleich

zu behandeln“, bestätigt Wiederstein. Das gelte nicht

nur für die Banken, sondern schließe beispielsweise

auch Kreditversicherer ein. „Alle müssen zeitgleich

dieselben Informationen zur V erfügung gestellt be-

kommen. Einseitige Exklusivität schürt Misstrauen bei

den anderen Partnern.“ Zudem sei die Entscheidung für

mehr Transparenz unumkehrbar: „Es gibt keinen W eg

zurück, wenn sich ein Unternehmen einmal geöffnet

hat“, sagt Wiederstein. „Wenn ein neuer Geschäftsfüh-

rer an die Spitze rückt, der das Thema kritischer sieht

oder sogar ablehnt, dann stößt das bei den Finanzpart-

nern negativ auf.“

Wer dagegen effi zient kommuniziert, nutzt auch

neue Kommunikationstechniken. „Es gibt einen star-

ken Zug dahin, sich elektronisch auszutauschen“, sagt

Paul. Einige Unternehmen gewähren ihren Kapital-

gebern gar einen Zugang ins Intranet. Selbst wenn sich

die Banker gar nicht einloggen, könne das höchst nütz-

lich sein, sagt Paul. „Schon das Wissen, dass die Infor-

mationen zugänglich sind, stärkt das Vertrauen.“

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