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BMLFUW VII/4 F. HEFLER 1 September 2003
TECHNISCHE ANLEITUNG ZUR BEGRENZUNG VON ABWASSEREMISSIONEN AUS DER
HER STELLUNG UND WEITERVERARBEITUNG VON EXPLOSIVSTOFFEN
(AEV Explosivstoffe BGBl. II Nr. 270/2003)
Inhaltsverzeichnis Seite
1 Allgemeines 2 1.1 Einteilung der Explosivstoffe 3
1.2 Eigenschaften der Explosivstoffe 5
1.3 Herstellung von Explosivstoffen 7
1.3.1 Chemisch einheitliche Explosivstoffe 7
1.3.2 Explosivstoffgemische 13
1.4 Abwasseranfall und –beschaffenheit 20
2 Geltungsbereich 22
3 Gegenwärtige Entsorgungssituation 23
4 Stand der Technik 23
5 Parameterauswahl und Emissionsbegrenzungen 25 5.1 Parameterauswahl 25
5.2 Emissionsbegrenzungen 26
6 Umsetzung wasserbezogener EU-Richtlinien 27
7 Fristen 29
AEV Explosivstoffe Technische Anleitung
BMLFUW VII/4 F. HEFLER 2 September 2003
1. Allgemeines Als Explosion bezeichnet man einen Vorgang, bei welchem unter Auftreten von Stoßwellen poten-
zielle Energie in Ausdehnungs- oder Verdichtungsarbeit oder in beide Arten von Arbeit umgewan-
delt wird. Das Auftreten der Stoßwellen bei einer Explosion wird in der Regel durch große Mengen
heißer Gase bewirkt, die während der Explosion durch schnell ablaufende chemische Reaktionen
explosionsfähiger Stoffe oder Stoffgemische gebildet werden oder auf sonstige Weise (zB. durch
chemischen Zerfall) entstehen.
Folgende Arten von Explosionen werden unterschieden:
- Explosionen durch Gemische von Luft mit brennbaren Gasen, Dämpfen oder Stäuben wie
zB. mit Wasserstoff (Knallgasexplosion), Methan (schlagende Wetter), Kohlenstoffmonoxid,
Kohlenstaub, Benzindämpfen, Leuchtgas uä.
- Geregelt schiebend verlaufende Explosionen fester Stoffe, durch welche in Feuerwaffen
(zB. Gewehren, Geschützen) Geschosse aus dem Lauf hinausgestoßen werden; bei Rake-
tentreibstoffen verwendet man auch flüssige Systeme
- Ungeregelt rasch verlaufende zertrümmernd wirkende Explosionen fester Stoffe (Bergbau,
Stollen- und Kraftwerksbau sowie Bomben, Granaten etc.)
- Nukleare Explosionen infolge explosionsartig ablaufender Kettenreaktionen von Atom-
kernen.
Explosionsfähige Stoffe sind feste, flüssige oder gasförmige Stoffe oder deren Gemische, die sich
in Form einer Explosion chemisch umsetzen können. Die chemische Umsetzung wird durch einen
Zündherd ausgelöst und breitet sich ohne Hinzutritt weiterer Reaktionsteilnehmer aus, wobei die
Entstehung hoch komprimierter Gase zu einer plötzlichen Druckwirkung führt. Die Auslösung der
Explosion kann auf folgende Weise erfolgen:
- mechanische Beanspruchung (Druck, Reibung)
- thermische Beanspruchung (Zündfunken oder –flamme, glühende Gegenstände)
- Detonationsstoß (Sprengzünder, Detonator, Verstärkerladung).
AEV Explosivstoffe Technische Anleitung
BMLFUW VII/4 F. HEFLER 3 September 2003
1.1 Einteilung der Explosivstoffe
Als Explosivstoffe bezeichnet man feste, flüssige oder plastische explosionsfähige Stoffe, die ge-
zielt hergestellt werden, um in Sprengstoffen, Schieß- und Treibstoffen, Zündstoffen, Anzündstof-
fen oder pyrotechnischen Erzeugnissen eingesetzt zu werden. Folgende Grobeinteilung ist ge-
bräuchlich:
Sprengstoffe
Sprengstoffe sind Explosivstoffe, die dazu bestimmt sind, eine Sprengwirkung zu erzeugen.
Sprengstoffe werden für gewerbliche Zwecke in Sprengmitteln und für militärische Zwecke in Muni-
tion eingesetzt. Für den jeweiligen Verwendungszweck ist ausschlaggebend, ob der Explosivstoff
mehr schiebend wirkt oder mehr zertrümmernd. Bei Sprengstoffen handelt es sich um Verbindun-
gen wie Salpetersäureester (Glycerintrinitrat, Glykoldinitrat, Mannitolhexanitrat), Nitroverbindungen
(Trinitrotoluol TNT), Nitroamine (Hexogen), Nitrosamine (Trimethylentrinitrosamin), Ammonium-
pikrat, explosionsfähige Substanzgemische wie zB. Schwarzpulver, Dynamit, Ammoniumsalpeter -
Salze, Chlorat - Sprengstoffe, Flüssig – Luft - Sprengstoffe (Oxyliquite), Treibstoff – Luft - Spreng-
stoffe, Kohlenwasserstoff – Stickstoffdioxid - Sprengstoffe (Panclastit).
Schieß- und Treibstoffe
Schieß- und Treibstoffe sind dazu bestimmt, eine Treibwirkung hervorzurufen. Es handelt sich um
relativ langsam abbrennende Stoffe ohne stark zertrümmernde Wirkung. Eingesetzt werden Nitro-
cellulosepulver, Nitroglycerinpulver, Nitroguanidinpulver, Fest - Treibstoffe (zB. Schwarzpulver)
und Flüssig - Treibstoffe.
Zündstoffe
Zündstoffe sind dazu bestimmt, die Detonation anderer Explosionsstoffe auszulösen; eine gängige
Bezeichnung ist auch Initialsprengstoffe. Als Initialsprengstoffe kommen Substanzen wie Knall-
quecksilber, Bleiazid, Diazodinitrophenol, Bleisalze der Nitrophenole, Tetrazen, Silberfulminat uä.
zum Einsatz.
Anzündstoffe
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BMLFUW VII/4 F. HEFLER 4 September 2003
Anzündstoffe haben den Zweck, eine Anzündwirkung auf andere Explosivstoffe zu übertragen,
ohne selbst in der angewandten Menge, Verarbeitung oder Verpackung zu detonieren. Sie werden
durch Schlag, Stoß, Reibung, Wärme oder elektrischen Funken zum Abbrand gebracht. Verwendet
werden verschiedene Schwarzpulversorten oder pyrotechnische Mischungen.
Pyrotechnische Stoffe
Pyrotechnische Stoffe sind dazu bestimmt, Licht-, Schall-, Rauch-, Nebel-, Heiz-, Druck- oder Be-
wegungswirkungen hervorzurufen. Hergestellt werden Leucht- und Signalsätze, Knallsätze, Treib-
sätze, Rauch- und Nebelsätze sowie Blitzlichtsätze.
Eine Einteilung der Explosivstoffe kann auch anwendungstechnisch nach dem Grad ihrer Sensibili-
tät erfolgen. Man unterscheidet zwischen
- sehr sensiblen Explosivstoffen, die nur in kleinen Mengen hergestellt und verarbeitet wer-
den (zB. Bleiazid oder Quecksilberfulminat)
- weniger sensiblen Explosivstoffen, wie sie in vielen gewerblichen Sprengstoffen einge-
setzt werden (zB. Glycerintrinitrat, Glykoldinitrat, Ammoniumnitrat)
- unsensiblen Explosivstoffen, die zur vollständigen explosiven Umsetzung neben einem
Zündmittel oft auch noch Verstärkerladungen (booster) benötigen (zB. gewisse Arten pul-
ver- oder schlammförmiger Sprengstoffe, die im englischen Sprachraum nicht mehr „ex-
plosives“ sondern „blasting agents“ genannt werden).
Die chemische Industrie stellt eine große Anzahl von Substanzen her, die zwar explosible Eigen-
schaften haben, deren primäres Einsatzgebiet aber nicht in der Herstellung von Sprengstoffen oä.
liegt. Derartige Stoffe sind zum Beispiel:
- Ammoniumnitrat (als anorganisches Düngemittel)
- Nitroverbindungen
- anorganische Mischungen aus Nitraten und Chloraten (für Pflanzenschutz- und Schäd-
lingsbekämpfungsmittel)
- Sulfonhydrazide
- Dinitrosopentaethylentetramin (als Blähmittel für die Kunststoff- und Gummiherstellung)
- Nitrocellulose(für Lacke etc.).
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BMLFUW VII/4 F. HEFLER 5 September 2003
Zahlreiche in der Laborchemie und verwandten Einsatzgebieten eingesetzte Chemikalien haben
gleichfalls explosible Eigenschaften und werden nicht zu den Explosivstoffen gezählt wie zB.
- Ammoniumchlorat oder –nitrat
- Etherperoxide
- Jodstickstoff
- Schwefelstickstoff
- Dijodacethylen
- Calcium- und Halogenazide
- Manganheptoxid
- Metallsalze des Hydrazins und Hydrazinnitrat etc.
1.2 Eigenschaften der Explosivstoffe
Explosivstoffe bestehen aus chemischen Verbindungen, die disponiblen Sauerstoff enthalten, wel-
cher die brennbaren Bestandteile des Explosivstoffmoleküls oxidiert unter Freisetzung von Wärme
und heißen Gasen. Der disponible Sauerstoff ist meist an Stickstoff (zB. in Nitriten, Nitraten, Nitro-
oder Nitrosoverbindungen) oder an Chlor (in Chloraten oder Perchloraten) gebunden. Die brennba-
ren Bestandteile sind fast immer Kohlenstoff und Wasserstoff, in Gemischen auch Schwefel, Mine-
ralöle oder Aluminium.
Bei einigen Explosivstoffen findet keine Umsetzung von disponsiblem Sauerstoff statt (zB. bei
Bleiazid, Quecksilberfulminat oder Tetrazen); dort liefert der bloße chemische Zerfall in die Ele-
mente der Verbindung genügend Energie und Gasvolumen (zB. als Stickstoff) für den Explosions-
vorgang.
Nach der Geschwindigkeit der chemischen Reaktion, die bei der explosiven Umsetzung abläuft,
unterscheidet man zwischen Deflagration und Detonation.
Als Deflagration bezeichnet man eine Zersetzungsreaktion, die sich durch die freiwerdende Reak-
tionswärme fortpflanzt und unterhalb der Schallgeschwindigkeit abläuft (zB. beim Abbrand eines
Raketentreibsatzes).
Bei der Detonation pflanzt sich die chemische Reaktionszone mit Überschallgeschwindigkeit fort.
Durch den auftretenden Verdichtungsstoß erhöhen sich in der Detonationszone Druck, Dichte und
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Energie auf extrem hohe Werte, wodurch in äußerst kurzer Zeit (in 10-5 bis 10-7 Sekunden) eine
fast vollständige chemische Reaktion erzwungen wird. Die Detonationsgeschwindigkeiten betragen
bei Gasen 1500 bis 3000 Meter pro Sekunde, bei festen und flüssigen Explosivstoffen bis zu 9000
Meter pro Sekunde. Trifft die eine Detonationswelle begleitende Stoßwelle auf Widerstand (zB.
Metall oder Gestein), so kommt es zur Zerstörung des Materialgefüges. Damit die Detonation wei-
tergeleitet wird, muss die Sprengladung eine bestimmte Mindestgröße aufweisen.
Die verformende und/oder zertrümmernde Wirkung von Explosivstoffen mit hoher Detonations-
geschwindigkeit nennt man Brisanz. Diese ist abhängig von der entwickelten Gasmenge, der Ex-
plosionswärme, der Detonationsgeschwindigkeit und der Ladedichte. Zur Prüfung der Brisanz wird
die Stauchung eines Kupfer- oder Bleizylinders unter dem Einfluss der Detonation gemessen. Das
Ergebnis der Prüfung wird als Brisanzwert angegeben; dieser ist das Produkt aus Dichte, spezifi-
schem Druck und Detonationsgeschwindigkeit.
Die Reaktionswärme, die beim explosiven Zerfall pro Masseneinheit eines Explosivstoffes frei wird,
nennt man Explosionswärme. Sie liegt für Trinitrotoluol (TNT) bei 4,5 MJ/kg, für Hexogen bei 5,7
MJ/kg und für Nitroglycerin bei 6,8 MJ/kg.
Die durch die plötzliche Druckerhöhung eines begrenzten Luftvolumens erzeugten Druckwellen
nennt man Explosionswellen. Ihre Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist bei starker Verdichtung grö-
ßer als die normale Schallgeschwindigkeit.
Zur Charakterisierung der Eigenschaften der Explosivstoffe dienen bekannte physikalische Para-
meter wie Siede- und Flammpunkt, Verdunstungszahl, Dampfdruck und –dichte, Entzündungs-
und Zündtemperatur, Explosionsgrenzen etc. Zusätzlich werden auch noch folgende spezielle Pa-
rameter zur Beschreibung des Explosivstoffverhaltens verwendet:
Sauerstoffbilanz : jene Sauerstoffmenge in Masseprozent eines Explosivstoffes, die bei
vollständiger Umsetzung frei wird.
Normalgasvolumen (Schwadenvolumen) : Gasvolumen, welches bei vollständiger Umsetzung ei-
nes Explosivstoffes entsteht (bezogen auf 0 °C und 1013 Millibar)
Ladedichte : Verhältnis des Gewichts des Explosivstoffes zum Volumen des Explosi-
onsraumes.
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Die Empfindlichkeit eines Explosivstoffs gegen mechanische Einwirkung (Schlag, Stoß, Erschütte-
rung) kann durch Zusatz von Stoffen wie Öl, Paraffin, Wachs, Dimethylphthalat, Centralit uä. her-
abgesetzt werden (Phlegmatisierung). Die Phlegmatisierung explosionsfähiger Gemische bezeich-
net man als Inertisierung.
1.3 Herstellung von Explosivstoffen
Im Folgenden wird die Herstellung einiger ausgewählter Explosivstoffe beschrieben, soweit sie
teilweise in Österreich hergestellt werden und abwasserrelevant sind.
1.3.1 Chemisch einheitliche Explosivstoffe
1.3.1.1 Salpetersäureester
Die flüssigen Salpetersäureester nehmen bei der Herstellung gewerblicher Sprengstoffe eine her-
ausragende Position ein, weil sie sehr energiereiche Bestandteile liefern und so detonationsfähig
sind, dass sie andere energieliefernde Systeme (zB. Natronsalpeter mit Holzmehl in Dynamit oder
Ammonsalpeter mit aromatischen Nitrokörpern oder Holzmehl in Geliten oder Donariten) auf eine
genügend hohe Umsetzungsgeschwindigkeit bringen.
Der erste Salpetersäureester, der von Alfred Nobel in die Sprengtechnik eingeführt wurde, war das
Nitroglycerin, welches heute teilweise durch Nitroglykol oder ein Gemisch aus Nitroglycerin und
Nitroglykol ersetzt wird.
Nitroglycerin, Nitroglykol und deren Gemische werden auch als Sprengöle bezeichnet. Diglykoldi-
nitrat ist anstelle von Nitroglycerin ein wichtiger Bestandteil für rauchloses Pulver ohne Lösungs-
mittel. Als Explosivstoffe verwendete feste Salpetersäureester sind insbesonders Pentaerythrit -
Tetranitrat, Mannitolhexanitrat und Nitrocellulose.
Nitroglycerin
Chemisch reines Nitroglycerin (Glycerintrinitrat, C3H5N3O9) ist farblos, bei Zimmertemperatur ge-
ruchlos und wenig flüchtig; es verdampft oberhalb 50 °C mit merkbarem Geruch. Das technische
Produkt ist gelblich gefärbt. Mit vielen organischen Lösungsmitteln (Ester, Ketone, Aromaten, ha-
logenorganische Lösungsmittel) ist es in jedem beliebigen Verhältnis mischbar.
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Die Herstellung geht von Glycerin aus, welches frei sein muss von sonstigen oxidierbaren Stoffen
und einen Wassergehalt von nicht größer als 0,5 % aufweist. Die Veresterungsreaktion findet in
einem Gemisch aus Glycerin und der fünffachen Menge an Nitriersäure (Säuregemisch bestehend
aus 55 % Salpetersäure und 45 – 50 % Oleum mit etwa 27 % freiem SO3) statt. Der Gehalt der
Nitriersäure an freiem SO3 liegt bei 7 – 9 %. Die Reaktionswärme bei der Nitrierung beträgt 500 –
710 kJ/kg Glycerin. Das gebildete Nitroglycerin ist in der Restsäure nahezu unlöslich und wird ab-
zentrifugiert. Durch mehrmaliges Waschen mit Wasser und Sodalösung wird es von der Säure
befreit. Die Abfallsäure besteht – abgesehen von einigen Prozent organischer Stoffe - aus 70 – 73
% Schwefelsäure, 12 – 15 % Salpetersäure und 15 – 16 % Wasser. Diese Zusammensetzung ver-
schiebt einerseits das Gleichgewicht bei der Veresterung weit in Richtung des Salpetersäureesters
und verursacht andererseits eine geringe Löslichkeit des gebildeten Nitroglycerins, sodass ein Op-
timum an Ausbeute (96 % der theoretisch möglichen Menge) erzielt wird. Das Herstel-
lungsverfahren kann diskontinuierlich oder kontinuierlich betrieben werden.
Die Abfallsäure lässt man einige Tage in Speicherbehältern stehen, sodass sich emulgiertes Nitro-
glycerin abscheiden kann. Danach wird in einer Denitrierungsanlage die Abfallsäure destillativ in
Schwefelsäure und Salpetersäure zerlegt. Die ablaufende Schwefelsäure muss von Restgehalten
an Salpetersäure und salpetriger Säure befreit werden. Durch Einblasen von Wasserdampf wer-
den noch vorhandene Salpetersäureester zersetzt; die dabei entstehenden nitrosen Gase werden
oxidiert und wieder in Salpetersäure rückgewandelt.
Nitroglykol
Nitroglykol (Ethylenglykoldinitrat, C2H4N2O3) hat seit seiner Markteinführung in vielen Anwen-
dungen das Nitroglycerin teilweise oder zur Gänze verdrängt. Es ist eine farblose Flüssigkeit mit
charakteristischem Geruch. Seine Flüchtigkeit ist etwa 20 mal höher als jene von Nitroglycerin. Es
ist mit zahlreichen organischen Lösungsmitteln in beliebigem Verhältnis mischbar. Mit einer ent-
sprechenden Menge an Nitrocellulose gemischt bildet es bereits bei Zimmertemperatur eine gela-
tinöse Masse.
Nitroglykol wird in ähnlicher Weise hergestellt wie Nitroglycerin. Durch Mischen von 98 %iger Sal-
petersäure und 65 %iger Schwefelsäure (Oleum) wird unter Kühlung eine Mischsäure hergestellt,
die mit der aus der Nitroglykol - Herstellung stammenden Abfallsäure zur „Nitriersäure“ verdünnt
wird (HNO3 - Gehalt cirka 25,5 %). Die gekühlte Nitriersäure (Temperatur 0 bis –3 °C) wird mit E-
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thylenglykol intensiv vermischt; die bei der stark exothermen Reaktion anfallende Abfallwärme
muss abgeführt werden. Die Trennung von Nitroglykol und Abfallsäure erfolgt durch Zentrifugation.
Die Abfallsäure fließt zur Säurestation und wird entweder direkt zur Nitriersäureherstellung ver-
wendet oder in einer Destillationsanlage in 70 %ige Schwefelsäure und 98 %ige Salpetersäure
getrennt. Das rohe Nitroglykol wird mit Wasser und Sodalösung säurefrei gewaschen. Die Abtren-
nung des Waschwassers vom Nitroglykol erfolgt in statischen Separatoren. Das gewaschene Nit-
roglykol wird filtriert, in Wasser emulgiert und gespeichert.
Diglykoldinitrat
Die Herstellung von Diglykoldinitrat (C4H8N2O7) erfolgt mit den gleichen Verfahren und Apparaten
wie für Nitroglycerin bzw. Nitroglykol. Die Abfallsäure neigt zur Selbstzersetzung, da das Dinitrat
relativ gut in ihr löslich ist. Es wird daher mit hohem Salpetersäureüberschuss gearbeitet, um die
Löslichkeit des Diglykoldinitrats zu verringern. Das rohe Diglykoldinitrat enthält daher mehr als 30
% HNO3 und muss sofort weiterverarbeitet werden.
Pentaerythrit-Tetranitrat (Nitropenta)
Nitropenta (C5H8N4O12) ist von allen festen technisch verwendeten Explosivstoffen am leichtesten
zur Detonation zu bringen. Nitropenta wird technisch durch Einwirkung eines großen Überschus-
ses (1:5 bis 1:8) konzentrierter Salpetersäure auf Pentaerythrit unter stark sauren Bedingungen
hergestellt; durch Verdünnung der Reaktionslösung mit Wasser fällt es als farblose Kristallmasse
an. Das Rohprodukt muss zur Gänze von der Nitriersäure befreit werden; zu diesem Zweck wird
es unter Zugabe von Neutralisationsmitteln aus Aceton umgefällt. Auf Grund seiner hohen Detona-
tionsgeschwindigkeit und seines hohen Energieinhalts ist Nitropenta ein bevorzugter Explosivstoff
für Sprengkapseln und Sprengschnüre.
Mannitolhexanitrat
Mannitolhexanitrat wird durch Einbringen von Mannitol in Mischsäure (HNO3/H2SO4) hergestellt.
Da seine chemische Stabilität geringer ist als die von Nitroglycerin, kann es technisch nur unter
Zusatz von Stabilisatoren eingesetzt werden.
Nitrocellulose
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Für die Herstellung von Explosivstoffen werden Nitrocellulosen mit Stickstoffgehalten von 12 bis
13,4 % verwendet. Gereinigte und von instabilen Nebenprodukten befreite Nitrocellulose besitzt
eine höhere chemische Stabilität als Nitroglycerin, zersetzt sich aber bei höheren Temperaturen
rascher als dieses.
Als Rohstoffe werden Baumwoll - Linters oder Holzcellulosen verwendet. Je nach Verwendungs-
zweck werden die Rohstoffe gereinigt und gebleicht. Als Nitriermittel werden Gemische von Salpe-
tersäure, Schwefelsäure und Wasser verwendet, wobei der Salpetersäureanteil bei 25 % liegt und
der Schwefelsäure-/Wasseranteil bei 67/8 %. Die Nitriertemperatur liegt bei 10 °C. Die Veresterung
erfolgt mit Chargen- oder kontinuierlichen Verfahren. Nach Abschluss der Veresterungsreaktion
wird die Abfallsäure abzentrifugiert und das Produkt mit Wasser versetzt. Daran anschließend
muss zur Stabilisierung (Verseifung anhaftender Schwefelsäure - Mischester) die Nitrocellulose in
Wasser gekocht werden. Die stabilisierte Nitrocellulose wird gemahlen (unter gleichzeitiger Wa-
schung) und durch eine weitere Kochung entstabilisiert, neuerlich gewaschen, zentrifugiert und
eingedickt, so dass letztlich ein Produkt mit etwa 25 bis 35 % Wassergehalt entsteht.
1.3.1.2 Nitroverbindungen
Aromatische Nitroverbindungen mit mindestens zwei Nitrogruppen je Sechserring sind trotz nega-
tiver Sauerstoffbilanz explosionsfähig. Mit drei Nitrogruppen je Sechserring werden sie in gegos-
sener oder gepresster Form in militärischen Sprengstoffen hoher Brisanz eingesetzt. Nitroverbin-
dungen zeichnen sich durch große chemische Beständigkeit sowie Temperatur- und Säurebestän-
digkeit aus. Die negative Sauerstoffbilanz führt bei der Detonation zur Bildung brennbarer und gif-
tiger Gase (zB. CO) und schließt daher ihren Einsatz in einigen Verwendungsgebieten aus (zB.
Bergbau). Im Gemisch mit sauerstoffabgebenden Verbindungen (zB. Ammoniumnitrat) spielen
Dinitro- und Trinitroverbindungen eine wichtige Rolle als eine die Detonation unterstützende
Komponente in gewerblichen Sprengstoffen.
Pikrinsäure
Pikrinsäure (2,4,6 - Trinitrophenol, C6H3N3O7) bildet gelbe Blättchen, hat bitteren Geschmack und
ist giftig. Sie wird technisch durch Nitrierung von Phenol oder Dinitrophenol hergestellt. Dinitrophe-
nol wird aus dem großtechnisch erzeugten Dinitrochlorbenzol durch Kochen mit wässrigem Alkali
gewonnen. Die Nitrierreaktion erfolgt unter Einsatz von Schwefel- und Salpetersäure, die jeweils
separat beigegeben werden. Nach dem Erkalten des Reaktionsgemisches scheidet sich die Pikrin-
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säure als Kristallbrei ab und wird durch Zentrifugieren gewonnen. Die Rohsäure wird in Wasser
gewaschen und notfalls umkristallisiert.
Trinitrotoluol
Trinitrotoluol (TNT, C7H5N3O6) hat von allen in der Sprengtechnik benutzen Nitroverbindungen die
weitaus größte Bedeutung erlangt. Es wird sowohl allein wie auch im Gemisch mit anderen Explo-
sivstoffen angewendet. Seine Sprengwirkung ist zum Maßstab der Wirkung von Atombomben ge-
worden, die in Tonnen Trinitrotoluol gewertet wird. Ausgangsstoff zur Herstellung von TNT ist To-
luol oder Mononitrotoluol; letzteres ist auch Rohstoff für die Herstellung von Farbstoffen, Pflanzen-
schutzmitteln etc. Die Nitrierung geht in drei Stufen über das Mono- und Dinitrotoluol zum Trinitro-
toluol. Je höher die Nitrierstufe, umso höhere Konzentrationen der Nitriersäure, höhere Temperatu-
ren und längere Reaktionszeiten sind erforderlich. Die Nitrierungen sind sowohl kontinuierlich wie
auch diskontinuierlich möglich. Gearbeitet wird mit Mischsäuren (HNO3, H2SO4 und SO3), deren
Konzentrationen mit jedem Nitrierschritt ansteigen. Die gebildeten Nitrokörper werden zur Auswa-
schung gelöster nitroser Gase und Salpetersäure in einen Ausrührbehälter gedrückt, der mit war-
mer Schwefelsäure gefüllt ist. Das aus der Nitrierung abgezogene TNT muss einer Reinigung un-
terzogen werden. Die Reinigungsverfahren arbeiten mit HNO3 oder mit Natriumsulfit.
Hexanitrodiphenylamin
Hexanitrodiphenylamin (Hexamin, C12H5O12N7) ist ein intensiv gelb gefärbtes Produkt, das nur
schwer in reiner und gut handhabbarer Form erhalten wird. Es entsteht durch Nitrierung einer Lö-
sung von Diphenylamin in Schwefelsäure; man erhält jedoch ein nicht gut stabilisierbares Produkt.
1.3.1.3 Nitroamine
Nitroamine unterscheiden sich von den Nitroverbindungen durch eine positivere Sauerstoffbildung
und ein größeres Gasvolumen bei der explosiven Umsetzung. In Form von Presskörpern liefern sie
wegen ihrer hohen Explosionswärme und des günstigen Gasvolumens in Kombination mit einer
hohen Dichte sehr hohe Detonationsgeschwindigkeiten. Sie sind daher regelmäßig Bestandteile
von militärischen Sprengstoffen.
Hexogen
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Hexogen (1,3,5 – Trinitro - 1,3,5 - triazinan, Cyclotrimethylentrinitramin oder Cyclonit, C3H6N6O6)
bildet farblose Kristalle, die bei 204 °C schmelzen. Es ist in Salpetersäure ohne Zersetzung löslich.
Hexogen ist einer der wichtigsten hochbrisanten Explosivstoffe. Es vereinigt die Eigenschaften
Sprengkraft und Brisanz mit hoher chemischer Stabilität und Unempfindlichkeit gegen mecha-
nische Beanspruchung.
Ausgangssubstanz für Hexogen ist Hexamethylentetramin (SH - Verfahren) oder Hexamethylen-
tetramindinitrat (KA - Verfahren). Beim SH - Verfahren wird die Ausgangssubstanz mit hochkon-
zentrierter Salpetersäure direkt nitriert, das KA - Verfahren dagegen arbeitet mit Ammoniumnitrat,
Essigsäureanhydrid und Salpetersäure.
Weitere Nitroamin - Explosivstoffe sind Octagen (als Nebenprodukt der Hexogen - Herstellung
nach dem KA - Verfahren), Nitroguanidin und Tetryl, die jedoch nur eingeschränkte wirtschaftliche
Bedeutung haben und daher an dieser Stelle nicht näher besprochen werden.
1.3.1.4 Bleiazid
Bleiazid [Pb(N3)2] ist seit seiner ersten Verwendung als Initialsprengstoff zum wichtigsten Initi-
alsprengstoff geworden, der das früher übliche Knallquecksilber fast völlig verdrängt hat. Bleiazid
entsteht durch doppelte Umsetzung von wasserlöslichen Bleisalzen mit Salzen der Stickstoffwas-
serstoffsäure (Azoimid, HN3). Je nach Verwendungszweck werden durch Variation der Verfah-
rensbedingungen (Art des Bleisalzes, Temperatur, Konzentration der Lösungen) Produkte kolloida-
ler Konsistenz bis zu regelmäßig ausgebildeten Kristallen gewonnen. Die Steuerung der Kristallisa-
tion erfolgt durch Zugabe von Stoffen wie Dextrin, Polyvinylalkohol uä.
1.3.1.5 Knallquecksilber
Quecksilberfulminat [Hg(ONC)2] wird durch Mischung von Quecksilber, Salpetersäure und Alkohol
hergestellt. Die Reaktion verläuft exotherm und stürmisch. Es entstehen braune bis graue ok-
taedrische Kristalle, die immer mit metallischem Quecksilber verunreinigt sind. Wegen seiner ge-
ringen Lagerfähigkeit ist Quecksilberfulminat durch Bleiazid als Initialsprengstoff vollständig ver-
drängt worden.
1.3.1.6 Diazodinitrophenol
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5,7 – Dinitro - 1,2,3 - benzoxadiazol (C6H2N4O5) entsteht in Form eines kristallinen Pulvers beim
Diazotieren von Pikraminsäure mit Natriumnitrit in saurer Lösung. Nach Umkristallisieren aus Ace-
ton erhält man hellgelbe Kristalle.
1.3.1.7 Bleisalze der Nitrophenole
Trinitrophenolblei (Bleipikrat), Trinitroresorcinblei (Trizinat), Trinitrophloroglucinblei (Bleiglucinat)
sowie die Bleisalze der entsprechenden Mononitro- und Dinitroverbindungen haben den Charakter
von Initialexplosivstoffen, die zur Erzeugung einer Flamme oder zur Erhöhung der Zünd-
empfindlichkeit, meist in Form von Mischungen mit anderen Stoffen für Zündsätze oder elektrische
Zünder verwendet werden.
Die wichtigste dieser Verbindungen ist das Trizinat. Es entsteht durch Reaktion von wasser-
löslichen Bleisalzen mit wasserlöslichen Salzen der Styphninsäure in schwach saurer Lösung in
Form von braunroten rhombischen Kristallen.
1.3.1.8 Tetrazen
Tetrazen (C2H8N10O) entsteht durch Behandlung eines Aminoguanidinsalzes mit Natriumnitrit in
wässriger saurer Lösung. Es ist kein Initialexplosivstoff im eigentlichen Sinn, kann aber andere
Explosivstoffe sensibilisieren. Bleiazid wird durch Zumischung von Tetrazen gegen Stich und
Schlag empfindlich, während andere Explosivstoffe durch Mischung mit Tetrazen detonationsfähig
werden bei Einwirkung von Hitze.
1.3.2 Explosivstoff - Gemische
1.3.2.1 Schwarzpulver
Schwarzpulver ist ein mechanisches Gemenge aus Kaliumnitrat, Schwefel und Holzkohle. Die Be-
standteile werden verdichtet, gekörnt, auf Korngrößen klassiert und mit Graphit poliert. Die Grund-
zusammensetzung besteht aus 75 % Kaliumnitrat, 10 % Schwefel und 15 % Holzkohle. Schwarz-
pulver ist der am längsten bekannte Sprengstoff, seine Zusammensetzung ist seit rund 600 Jahren
gleich geblieben. Zur Herstellung werden Kaliumnitrat einerseits und Schwefel mit Holzkohle ande-
rerseits fein gemahlen, sodann in Kollergängen unter Zusatz von etwas Wasser gemischt und in-
einander eingearbeitet. Das Rohgemisch wird hydraulisch gepresst und zwischen rotierenden
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Walzen und mit Kunststoffkugeln in Klassiersiebpolygonen (Körntonnen) auf die gewünschte
Korngröße gebracht.
1.3.2.2 Gewerbliche Explosivstoffe (Sprengstoffe)
Gewerbliche Explosivstoffe werden in erheblichem Umfang zur Gewinnung von Kohlen, Erzen und
Industriemineralen sowie im Straßen-, Eisenbahn-, Tunnel- und Kanalbau verwendet. Auf Grund
ihrer Zusammensetzung, Beschaffenheit und Anwendungsmöglichkeiten können vier Gruppen von
Produkten unterschieden werden:
- Pulverförmige Explosivstoffe (schüttbar zur losen Verwendung oder patroniert)
- gelatinöse patronierte Explosivstoffe
- wasserhaltige Explosivstoffe (schlammförmig[slurries, lose oder patroniert] oder plastisch
[watergels, patroniert])
- Emulsionsexplosivstoffe.
Vom Standpunkt der Anwendung unterscheidet man die Hauptgruppen Gesteinsexplosivstoffe und
Wetterexplosivstoffe.
Wetterexplosivstoffe werden im untertägigen Kohlebergbau eingesetzt und dürfen unter bestim-
mten Bedingungen (Gefahr von Schlagwettern [Methan – Luft - Gemische] oder Auftreten von Koh-
lenstaub – Luft - Gemischen) nicht zünden.
Gesteinsexplosivstoffe sind heute in der Regel Ammoniumnitrat - Explosivstoffe.
Pulverförmige Explosivstoffe
Die pulverförmigen Explosivstoffe enthalten in der Regel als sauerstofflieferndes Agens Ammo-
niumnitrat im Gemisch mit brennbaren Stoffen wie Holzmehl, Dinitrotoluol, Kohlenstaub oder Koh-
lenwasserstoffen. Bevorzugter Kohlenwasserstoff ist dabei Dieselöl (ANFO – Ammoniumnitrate –
Fuel - Oil). Die Explosivstoffe werden als lose Pulver oder in patronierter Form angeboten. Früher
waren in diesem Bereich auch Nitroglycerin – Kieselgur - Gemische oder Gemische aus Kaliumch-
lorat mit Petroleum, Öl und Holzmehl im Gebrauch (Chlorat - Explosivstoffe).
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Gemische aus Ammoniumnitrat und aromatischen Nitroverbindungen (zB. Di- oder Trinitrotoluol)
haben große Bedeutung als Sprengmittel erlangt (Ammonite, Donarite). Ammonite enthalten zur
Leistungssteigerung noch zusätzlich Aluminium; die Wasserfestigkeit dieser Explosivstoffe wird
durch Zugabe von Quellmitteln und grenzflächenaktiven Substanzen eingestellt. Werden zur Erhö-
hung der Detonationsfähigkeit Nitroglycerin oder Nitroglykol beigegeben, so bezeichnet man derar-
tige Explosivstoffe als Donarite.
Gelatinöse Explosivstoffe
Ein Gemisch aus Nitroglycerin und Nitrocellulose (zB. Massenverhältnis 93% zu 7 %) bildet bei
Erwärmung auf 40 – 60 °C eine gelatinös - elastische Masse. Diese Masse bezeichnet man als
Sprenggelatine; sie verliert auch bei langer Lagerung kein Nitroglycerin. Nitroglycerin oder ein Ge-
misch aus Nitroglykol und Nitroglycerin gelieren bereits bei Zimmertemperatur. Bei ausreichender
Initiierung ist Sprenggelatine der energiereichste Explosivstoff, der für gewerbliche Zwecke herge-
stellt wird. Durch Abstufung des Gehalts an Nitrocellulose kann die Weichheit der Sprenggelatine
und ihre Brisanz variiert werden. Durch Zusatz von brennbaren Stoffen (zB. Holzmehl) und Natri-
umnitrat erhält man die Gelatinedynamite (Zusammensetzung zB. 65 % Sprenggelatine, 27 %
Natriumnitrat und 8 % Holzmehl).
Wird das Natriumnitrat in den Gelatindynamiten durch Ammoniumnitrat sowie das Nitroglycerin
teilweise oder gänzlich durch Nitroglykol ersetzt, so erhält man die gelatinösen Ammoniumnitrat-
Sprengstoffe oder Ammon - Gelite. Auf Grund ihrer besseren Handhabungseigenschaften (voll-
ständige Umsetzung zu gasförmigen Reaktionsprodukten, höheres Schwadenvolumen, höhere
Sicherheit gegen mechanische Beanspruchung) haben die Ammon - Gelite die anderen gelatinö-
sen Explosivstoffe weitestgehend verdrängt. Für spezielle Anwendungen werden den Ammon -
Geliten Zusätze von hochbrisanten Explosivstoffen (zB. Hexogen, Nitropenta uä.) zugesetzt.
Wasserhaltige Explosivstoffe
Wasserhaltige Explosivstoffe auf der Basis von 55 % Ammoniumnitrat, 15 % Wasser und 30 %
TNT sind seit 1958 in Verwendung. Anstelle des TNT werden auch andere wasserunlösliche Ex-
plosivstoffe wie Hexogen, Gemische von TNT und Hexogen oder Nitrocellulosepulver verwendet;
auch wasserlösliche Explosivstoffe wie Monomethylammoniumnitrat oder –perchlorat kommen zur
Anwendung. Schließlich können die Explosivstoffe ganz oder teilweise durch wasserlösliche oder –
unlösliche Brennstoffe wie Glykol, Zucker, Mineralöl, Kohlenstaub, Schwefel und insbesonders
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pulverförmiges Aluminium ersetzt sein. Ebenso kann ein Teil des Ammoniumnitrates durch Calci-
um- oder Natriumnitrat ersetzt sein. Da Explosivstoffe dieser Art 8 – 18 % Wasser enthalten kön-
nen, liegt ein nicht unwesentlicher Teil der sauerstoffliefernden Salze in wässriger Lösung vor. Ein
weiterer wichtiger Bestandteil derartiger Explosivstoffe ist ein Quellmittel, das aus makro-
molekularen Stoffen wie Agar - Agar, Stärke oder Polyacrylamid besteht. Die Quellmittel können in
den gesättigten Salzlösungen mit Hilfe von Antimon-V- oder Chrom-VI - Salzen vernetzt werden.
Weiters werden die Explosivstoffe durch Zugabe von Inertstoffen (Bentonit, Kieselsäure u.ä.) an-
gedickt. Das Andicken der Salzlösungen durch ein Quellmittel verhindert die Sedimentation von
Feststoffen und damit eine Entmischung. Die Detonationsfähigkeit der wasserhaltigen Explosiv-
stoffe ist – ähnlich wie bei den gelatinösen Explosivstoffen - abhängig von der Anwesenheit von
Gasbläschen; eine wichtige Aufgabe der Andickmittel ist es, das Zusammentreten und Entweichen
der Gasbläschen zu verhindern.
Emulsionsartige Explosivstoffe
Basis dieser Art von Explosivstoffen ist die Emulsion einer wässrigen hochkonzentrierten Nitratlö-
sung (Ammonium- oder Natriumnitrat) in einer Ölphase (Mineralöl, Wachs oder Paraffin). In einem
Emulsionsmischer wird die Nitratlösung unter Zusatz eines Emulgators in feinste Tröpfchen zer-
schlagen und von der Ölphase eingehüllt (Wasser in Öl - Emulsion).
Der Emulsion werden in weiterer Folge feste Zusatzstoffe wie Aluminiumgrieß oder Mikrohohl-
körper zudosiert. Der Aluminiumgrieß dient der Steuerung der Detonationscharakteristik sowie des
Energieinhalts des Explosivstoffs. Durch Mikrohohlkörper (gasgefüllte Glas- oder Kunststoffkugeln
mit Durchmesser ca. 0,1 mm) entsteht aus der nicht sprengkräftigen Emulsionsmatrix ein Explo-
sivstoff, der durch ein Zündmittel oder einen elektrischen Zünder initiiert werden kann.
Der Explosivstoff wird anschließend patroniert. Während des Patroniervorganges wird Natriumnitrit
eingemischt. Das Natriumnitrit wird durch spezielle Zusätze in der Nitratlösung zu gasförmigem
Stickstoff zersetzt. Dies ergibt feine, gleichmäßig in der Emulsion verteilte Bläschen, die dieselbe
Wirkung haben wie Mikrohohlkörper. Die fertigen Patronen gelangen zwecks Kühlung in ein Was-
serbad, um die Emulsion und die gebildeten Gasblasen zu stabilisieren.
Wetter - Explosivstoffe
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Im Kohlebergbau können gefährliche Gesteinsexplosivstoffe nicht verwendet werden, da sie
Schlagwetter- oder Kohlestaubexplosionen mit verheerenden Folgen zünden können. Wetterex-
plosivstoffe müssen sich schnell (detonativ) möglichst ohne Flammerscheinungen und bei mög-
lichst niederer Temperatur umsetzen. Die geforderte Senkung der Explosionstemperatur führt zu
einer Erniedrigung des Energieinhalts und der Detonationsgeschwindigkeit. Dies wird erreicht
durch Zusatz inerter Stoffe, die an der chemischen Umsetzung während der Explosion nicht teil-
nehmen, jedoch einen Teil der Explosionswärme aufnehmen. Zu diesem Zweck wird meist Natri-
umchlorid verwendet, welches seiner spezifischen Wärme entsprechend Umgebungswärme auf-
nimmt. Das Wärmeaufnahmevermögen hängt eng mit der spezifischen Oberfläche zusammen und
damit von der Größe der Salzteilchen ab.
Die Wetterexplosivstoffe werden in drei Kategorien unterteilt, wobei die höchsten Anforderungen in
Klasse III gestellt werden. Die Explosivstoffe der Klassen II und III arbeiten nach dem Prinzip der
selektiven Detonation. Nach der Zündung leitet ein Anteil von etwa 10 % eines Nitroglycerin - Nit-
roglykol - Gemisches die Detonation weiter. 90 % des Explosivstoffes besteht aus einem Alkalinit-
rat – Ammoniumchlorid - Gemisch, dh. aus einer Mischung von Salzkörnern, die zum einen Teil
aus sauerstoffabgebenden und zum anderen Teil aus verbrennenden Stoffen besteht. Die hochsi-
cheren Wetterexplosivstoffe enthalten darüber hinaus Zusätze, die eine bestimmte Wasser-
festigkeit und Deflagrationssicherheit garantieren.
1.3.2.3 Zünd- und Anzündmittel
Die Einleitung einer Detonation bezeichnet man als Zündvorgang, die Einleitung eines Brand- oder
Deflagationsvorganges als Anzündvorgang. Dementsprechend werden die dazu erforderlichen
Hilfsmittel als Zünd- oder Anzündmittel bezeichnet.
Die Einleitung eines Zünd- oder Anzündvorganges kann auf mechanischem (Schlag, Stich, Rei-
bung) oder elektrischen Weg (Aufheizen eines hochohmigen Widerstandsdrahtes oder Funken-
überschlag) erfolgen. Die auf diese Weise zur Reaktion gebrachten Mischungen von Zündstoffen,
Oxidations- und Reduktionsmitteln sowie Sensibilisierungsmitteln haben je nach Verwen-
dungszweck unterschiedliche Zusammensetzung.
Zündkapseln
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Zündkapseln enthalten in einer Hülse aus Metall (Kupfer oder Aluminium) einen flammenempfind-
lichen Initialexplosivstoff (zB. Quecksilberfulminat, Bleiazid oder ähnliche Mischungen) und eine
Ladung eines energiereichen Sekunden - Explosivstoffes (zB. Nitropenta, Tetryl). Die Ladung ist
stark verdichtet und füllt nur einen Teil der Kapsel aus; der Leerraum enthält zB. eine Zündschnur.
Zündschnur
Die Zündschnur ist im Prinzip eine gestreckte Explosivstoffladung unendlicher Länge, die es ge-
stattet, eine Detonation von einem Ausgangspunkt zu einem anderen Punkt ohne nennenswerte
Verzögerung zu übertragen. Zündschnüre bestehen meist aus einer gedrehten oder gewirkten
Schnur (Textil- oder Kunstfaser, Durchmesser 5 bis 6 mm), die eine Seele aus Explosivstoff (meist
Nitropenta) enthält und von einer wasserdichten Hülle umgeben ist. Die Zündschnur wird mit einer
Zündkapsel gezündet, wobei sich die Detonation mit ca. 7000 m/s fortpflanzt.
Anzündschnur
Zum Anzünden von entflammbaren Stoffen verwendet man Lunten. Diese bestanden früher aus
salpetergetränkten Baumwollfäden, heute dagegen aus gedrehten oder gewickelten Schnüren mit
einer Seele aus Schwarzpulver. Zum Schutz gegen Feuchtigkeit sind sie mit einem Teer- oder
thermoplastischen Überzug versehen.
Elektrische Anzünder
Beim elektrischen Anzünder werden leicht entzündbare Stoffe (zB. Bleisalze der Nitrophenole)
durch Wärme infolge Übergang von elektrischem Strom gezündet.
1.3.2.4 Treibladungspulver
Als Treibladungspulver bezeichnet man ein Gemisch aus chemischen Verbindungen, das nach
einer Anzündung unter Gasentwicklung selbstständig und ohne zusätzlichen Sauerstoffverbrauch
raucharm verbrennt. Verbrennungsaktive Bestandteile derartiger Pulver sind Salpetersäureester,
Nitroamine, Nitroverbindungen oder Kaliumperchlorat. Bei der Anwendung verbrennt das Treibla-
dungspulver unter hohem Druck; die dabei entstehenden heißen Verbrennungsgase treiben Ge-
schosse aus Rohrwaffen. Der Ausdruck „Pulver“ ist historisch bedingt; er stammt aus der Zeit der
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Anwendung von Schwarzpulver für derartige Zwecke und wurde auch nach Einführung der rauch-
schwachen Pulver beibehalten.
Nach der Zusammensetzung werden folgende Arten von Treibladungspulvern unterschieden:
- einbasige Pulver
Diese Pulver bestehen aus der Grundkomponente Nitrocellulose. Gemische aus 80 %
Schießbaumwolle und 20 % Collodiumwolle werden in einem Alkohol – Ether - Gemisch
gelatiniert, stranggepresst und betrocknet und mit einer alkoholischen Lösung von Centralit,
Dibutylphthalat, Campher, Dinitrotoluol u.ä. phlegmatisiert.
- zweibasige Pulver
Diese Pulver bestehen aus einem Gemisch von Diethylenglykoldinitrat oder Glycerintrinitrat
und Cellulosenitrat. Die Mischungen werden auf beheizten Walzwerken gelatiniert und ma-
schinell geformt; dabei wird der Wassergehalt auf kleiner als 1 % gedrückt (POL - Pulver)
- dreibasige Pulver
Diese Pulver bestehen aus einem Gemisch von Di- oder Triethylenglykoldinitrat und Cellu-
losenitrat; als dritte Komponente wird Nitroguanidin eingesetzt. Derartige Pulver haben ei-
nen niedrigen Energieinhalt bei großem Gasvolumen.
1.3.2.5 Pyrotechnische Erzeugnisse
Pyrotechnische Erzeugnisse sind Gegenstände, die Vergnügungs- oder technischen Zwecken die-
nen und in denen explosionsgefährliche Stoffe oder Stoffgemische (pyrotechnische Sätze) enthal-
ten sind, die dazu bestimmt sind, unter Ausnutzung der in ihnen enthaltenen chemisch gebunde-
nen Energie Licht-, Schall-, Rauch- oder Nebel-, Heiz-, Druck- oder Bewegungswirkung zu erzeu-
gen.
Hauptbestandteile sind Oxidationsmittel bzw. Sauerstoff abgebende Chemikalien (zB. Nitrate,
Chlorate, Perchlorate, Oxide und Peroxide), Brennstoffe (zB. Holzkohle, Schwefel, Aluminium,
Magnesium, Phosphor etc.) sowie eine Vielzahl von Hilfsstoffen zB. zur Flammenfärbung, Ab-
brandregelung etc.
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Den größten Anteil an den pyrotechnischen Erzeugnissen haben die Feuerwerkskörper. Unter-
schieden wird zwischen Groß-, Mittel- und Kleinfeuerwerkskörpern. Eine Vielzahl von Produkten ist
auf dem Markt. Raketen enthalten Treibsätze (in der Regel Schwarzpulver) und Effektfüllungen
(Leucht-, Knall- oder Pfeifsätze bestehend zB. aus Holzkohle, Metallspänen u.ä.). Pfeif- und Knall-
sätze enthalten in der Regel Chlorate oder Perchlorate mit Aluminiumpulver oder Bariumnitrat.
Für technische Zwecke werden Gassätze (für die Auslösung sicherheitstechnischer Vorgänge –
zB. Airbag - Auslösung im Kfz - Bereich), Heizsätze (Verschweißen von Kunststoffen oder Schmel-
zen von Metallen), Rauch- und Schwelsätze (für die Schädlingsbekämpfung) etc. angewandt.
1.4 Abwasseranfall und –beschaffenheit
Bei den in Kapitel 1.3 geschilderten Herstellungsverfahren für Explosivstoffe können in Abhängig-
keit von den produzierten Substanzen und den angewandten Herstellungsverfahren folgende Ab-
wasseranfallstellen identifiziert werden:
- Muterlaugen und Reaktionslösungen
- Waschwasser aus der Rohstoff-, Zwischenprodukt- und Endproduktreinigung
- Vakuumerzeugung (zB. Wasserringpumpen)
- Abluftreinigung mit nassen Verfahren
- wässrige Kondensate aus der Prozess- oder Produktkühlung
- Anlagenreinigung, Verluste.
Die bei der Herstellung chemisch einheitlicher Explosivstoffe angewandten Verfahren und Anlagen
sind vergleichbar mit denen anderer Sparten der organisch - chemischen Chemie. Die Synthesen
können ein- oder mehrstufig ablaufen; bei mehrstufigen Prozessen sind häufig Zwischentrenn- und
-reinigungsoperationen durchzuführen, die zum Anfall von Abwasser mit hoher Belastung führen.
Zu den in der chemischen Industrie üblichen Anforderungen an Sicherheitsmaßnahmen für Anla-
genbau und -betrieb sind bei der Herstellung von Explosivstoffen zusätzliche Sicherheitsauflagen
zu beachten (dislozierte Anlagenauslegung, Fluchtwege, Explosionsschutz, Schutz vor elektro-
statischer Aufladung etc.).
Die spezifischen und gesamten Abwassermengen können im Hinblick auf die große Produkt- und
Verfahrensvielfalt stark schwanken; konkrete Zahlenangaben sind daher generell nicht möglich.
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Bei der Herstellung von Salpetersäureestern kann größenordnungsmäßig ein spezifischer Abwas-
seranfall von 2,5 Kubikmeter pro Tonne Salpetersäureester veranschlagt werden.
Abwasser aus der Herstellung der in Kap. 1.3 beschriebenen chemisch einheitlichen Explosivstoffe
ist in der Regel hochbelastet mit organischen Kohlenstoffverbindungen; bei Herstellung stick-
stoffhaltiger Explosivstoffe treten im Abwasser auch stickstoffhaltige Verbindungen auf. CSB –
Konzentrationen und TNb - Konzentrationen von jeweils mehreren Tausend Milligramm pro Liter
sind keine Seltenheit. Die Stickstoffverbindungen liegen in anorganischer Form (Ammonium, Nitrit,
Nitrat) und auch in organischer Form vor (zB. Nitroverbindungen, Amine, Triazine, Guanidine etc.).
Das im Vergleich mit anderen Abwässern (Lebensmittelindustrie, organische Chemie, Kommunen)
extrem in Richtung Stickstoff verschobene C/N - Verhältnis (oft kleiner als 1) zwingt zu besonderen
abwassertechnischen Lösungen. Neben den über TOC und CSB erfassten Abwasserinhaltsstoffen
spielen – in Abhängigkeit von der angestrebten Produktpalette – auch Parameter wie Summe der
Kohlenwasserstoffe, Phenole, Aromaten etc. eine wesentliche Rolle.
Metalle können im Abwasser aus der Herstellung von Explosivstoffen auftreten, wenn sie als Roh-
stoffe zum Einsatz kommen (Aluminium, Blei, Chrom, Quecksilber). Schwefelsäure stammt im we-
sentlichen aus dem Einsatz in Veresterungsreaktionen (Nitriersäure u.ä.).
Halogenierte organische Verbindungen können vereinzelt im Abwasser vorkommen, wenn derarti-
ge Stoffe als Rohstoffe für Synthesen oder als Hilfsmittel für Produkte eingesetzt werden.
Abwasser aus Betrieben, die lediglich Formulierungen durchführen, ist in der Regel weit weniger
belastet als jenes aus Produktionsanlagen mit Synthesen und fällt auch in wesentlich geringerer
Menge an. Trotzdem findet man an Inhaltsstoffen das gesamte Stoffinventar, das in der Produktion
eingesetzt wird.
Abwasser aus der Herstellung von Explosivstoffen ist prinzipiell einer biologischen Reinigung zu-
gänglich. Diese Reinigung kann in einer eigenen Reinigungsanlage erfolgen oder durch gemein-
same Reinigung mit organisch belastetem Abwasser aus anderen Herkunftsbereichen (zB. ge-
meinsam mit kommunalem Abwasser). Die Vorbehandlung einzelner Teilströme ist immer dann
erforderlich, wenn darin Teilstrom anorganische oder organische Stoffe enthalten sind, die den
biologischen Abbau hemmen oder unter den biologischen Bedingungen der gemeinsamen Reini-
gung nicht oder nur unzureichend (zu langsam) abgebaut werden. Eine Vorbehandlung kann aber
auch aus dem Gesichtspunkt der Reduktion von Behandlungskosten oder der Vermeidung einer
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Überlastung der Anlage für die gemeinsame Reinigung erstrebenswert sein. Für eine allfällige
Vorbehandlung bieten sich sowohl physikalisch wie auch chemisch Verfahren oder deren Kombi-
nationen an.
2 Geltungsbereich Im Hinblick auf die in Kapitel 1 geschilderten Verfahren der Herstellung von Explosivstoffen wird
der Geltungsbereich der AEV Explosivstoffe eingegrenzt wie folgt:
1. Herstellen von Explosivstoffen unter Einsatz von chemischen Synthesen
2. Herstellen von Sprengstoffen, Treib- und Schießstoffen, Zündstoffen oder pyrotechnischen
Erzeugnissen unter Einsatz von gemäß Z 1 hergestellten oder sonstigen Explosivstoffen
3. Reinigen von Abluft und wässrigen Kondensaten aus Tätigkeiten der Z 1 und 2.
Das Abwasser aus der Reinigung von Abluft und wässrigen Kondensaten weist in der Regel die
gleiche Zusammensetzung auf wie das Prozessabwasser. Eine Anwendung der AEV Abluftreini-
gung (einschließlich Teilstromreinigung nach § 4 Abs. 7 AAEV) erscheint in diesem Fall ein über-
zogener Aufwand, daher wird das Abwasser aus der Abluftreinigung in den Geltungsbereich der
AEV Explosivstoffe miteinbezogen.
Nicht in den Geltungsbereich der AEV Explosivstoffe fallen die Abwässer aus folgenden Her-
kunftsbereichen:
4. Kühlsysteme und Dampferzeuger
5. Wasseraufbereitung
6. Herstellung von explosionsfähigen Stoffen im Zuge der
- Herstellung von Kohlenwasserstoffen und organischen Grundchemikalien
- Herstellung von Wirk- oder Hilfsstoffen für Arzneimittel oder Kosmetika
- Herstellung von anorganischen Düngemitteln
- Herstellung von Wirk- oder Hilfsstoffen für Pflanzenschutz- und Schädlingsbe-
kämpfungsmittel
- Herstellung von technischen Gasen
- Erdölverarbeitung
7. häusliches Abwasser.
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Für Abwasser der in Z 4 bis 7 genannten Herkunftsbereiche gelten jeweils eigene Abwasser-
emissionsverordnungen. Bei gemeinsamer Ableitung und/oder Reinigung von Abwasser gemäß Z
1 bis 3 mit Abwasser gemäß Z 4 bis 7 sind die Mischungs- und Teilstrombehandlungsregeln nach
§ 4 Abs. 5 bis 7 AAEV anzuwenden.
3 Gegenwärtige Entsorgungssituation Explosivstoffe werden im Wege chemischer Synthesen gegenwärtig an einem Standort in Öster-
reich produziert. Das unter die AEV Explosivstoffe fallende Abwasser aus dieser Produktion wird in
ein Fließgewässer eingeleitet. Hergestellt werden Nitroglykol, gelatinöse Sprengstoffe und Emulsi-
onssprengstoffe.
Das Abwasser aus den Herstellungsprozessen weist im Vergleich zu anderen gewerblich – indus-
triellen Abwässern eine außergewöhnliche Zusammensetzung auf – die Konzentration der Stick-
stoffkomponenten ist signifikant höher als die Konzentration der Kohlenstoffverbindungen. Die
Reinigung mit biologischen Verfahren gelingt nur bei Einsatz spezieller Techniken (dreistufige Rei-
nigung mit Wechsel aerob – anaerob - aerob). Die anzuwendende Verfahrenstechnik wurde im
Rahmen eines aufwändigen Forschungsprojekts entwickelt und technisch erprobt. Die Realisie-
rung des Vorhabens erfolgte in den Jahren 1999/2000. Die in der AEV Explosivstoffe festgelegten
Emissionsbegrenzungen tragen den Erkenntnissen aus der Entwicklung und Implementierung des
Verfahrens Rechnung und stellen bis auf weiteres den neuesten Stand der Reinigungstechnik für
Abwasser aus der Herstellung von Explosivstoffen dar.
4 Stand der Technik Nachstehend genannte innerbetriebliche und externe Maßnahmen des Standes der Technik kön-
nen in Erwägung gezogen werden, um die geforderten Emissionsbegrenzungen gesichert ein-
halten zu können:
1. Verminderung des Frischwasserverbrauches und des Abwasseranfalles durch
a) weitestgehenden Ersatz nasser Kühlverfahren durch Trockenkühlverfahren
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b) Anwendung des Kreislaufkühlverfahrens bei unerlässlichem Einsatz nasser Kühl-
verfahren
c) Einsatz gereinigter Prozesswässer in den Kreislaufkühlsystemen
d) Einsatz wassersparender Reinigungsverfahren (zB. Gegenstromwäsche bei der
Produktreinigung, automatengesteuerte Anlagenreinigung); Kreislaufführung oder
Mehrfachverwendung schwachbelasteter wässriger Kondensate oder Wasch- und
Spülwässer, erforderlichenfalls unter Einsatz von Zwischenreinigungsmaßnahmen
e) Einsatz wasserfreier Verfahren zur Vakuumerzeugung sowie zur Reinigung von Ab-
luft; weitestgehender Verzicht auf den Einsatz von Mischkondensatoren;
2. Erfassung und Ableitung von Niederschlagswasser, Kühlwasser und Abwasser in getrenn-
ten Kanalsystemen; vom Abwassersystem weitestgehend gesonderte Erfassung und Ent-
sorgung des Niederschlagswassers jener Oberflächen einer Anlage gemäß Abs. 3, auf de-
nen keine oder nur geringe Rohstoff- oder Produktverunreinigungen anfallen;
3. Bevorzugter Einsatz solcher Roh-, Arbeits- und Hilfsstoffe sowie Herstellungsverfahren, die
eine stoffliche Verwertung der im Abwasser enthaltenen Roh-, Arbeits- und Hilfsstoffe oder
der Herstellungsrückstände erlauben (zB. Katalysatoren, Extraktionsmittel, Säuren und
Laugen, Waschflüssigkeiten);
4. Einsatz von Herstellungsverfahren und Katalysatoren mit optimierter Prozessausbeute,
welche das Entstehen von Stoffgemischen verhindern, die nachfolgende abwasserintensive
Trennoperationen erfordern;
5. Gesonderte Erfassung und bevorzugt thermische Verwertung hochkonzentrierter Abwässer
oder wässriger Rückstände, die nicht gemäß Z 3 stofflich verwertet werden können;
6. Beachtung der ökotoxikologischen Angaben in den Sicherheitsdatenblättern der einge-
setzten Roh-, Arbeits- und Hilfsstoffe; Auswahl und bevorzugter Einsatz solcher Stoffe, die
selbst keine gefährlichen Eigenschaften gemäß § 33a WRG 1959 aufweisen, bei denen
möglichst keine gefährlichen Reaktionsprodukte aus den Herstellungsprozessen zu erwar-
ten sind und welche durch bevorzugt biologische Abwasserreinigungsverfahren eliminiert
werden können;
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7. Einsatz von automationsunterstützten Maßnahmen zur reaktionstechnischen Überwachung
der ablaufenden Herstellungsprozesse zwecks Optimierung der Stoffausbeuten, Mini-
mierung des Anfalles an unerwünschten Nebenprodukten oder Reststoffen sowie zur früh-
zeitigen Erkennung und Behebung von Betriebsstörungen;
8. Abpuffern von hydraulischen Belastungsstößen und Schmutzfrachtspitzen durch Mengen-
ausgleich;
9. Einsatz physikalischer, chemischer oder physikalisch - chemischer Abwasserreinigungsver-
fahren oder deren Kombinationen (zB. Sedimentation, Neutralisation, Flotation, Fäl-
lung/Flockung, Strippung, Adsorption/Absorption, Extraktion, Oxidation/Reduktion, Mem-
brantechnik) für Abwasserteilströme oder für das Gesamtabwasser bei Direkt- und Indirekt-
einleitern; Einsatz biologischer Abwasserreinigungsverfahren bei Direkteinleitern;
10. vom Abwasser gesonderte Erfassung und Verwertung von Rückständen aus der Produk-
tion oder der Verarbeitung sowie aus der Abwasserereinigung oder deren Entsorgung als
Abfall (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 BGBl. I Nr. 102).
5 Parameterauswahl und Emissionsbegrenzungen 5.1 Parameterauswahl
Abwasser aus der Herstellung von Explosivstoffen kann im Einzelfall eine nicht überblickbare Viel-
falt an chemischen Einzelsubstanzen enthalten, die aus Roh-, Arbeits- und Hilfsstoffen, Zielproduk-
ten sowie Nebenreaktionen stammen. Die Überwachung der Abwasserbeschaffenheit kann daher
nicht über Einzelstoffanalytik erfolgen, sondern bedient sich der chemischen und biologischen
Summenparameter.
Die allgemeinen Parameter Temperatur, Abfiltrierbare Stoffe und pH - Wert kontrollieren den
Wärmeinhalt, den Feststoffgehalt und den Säure – Basen - Gehalt des Abwassers.
Der Parameter Toxizität erfasst unter Einsatz von Testorganismen verschiedener trophischer Ni-
veaus schädigende Auswirkungen der Abwasserinhaltsstoffe auf die aquatischen Biozönosen. Bei
Einleitung in eine öffentliche Kanalisation wird mittels Hemmtest geprüft, ob das Abwasser nachtei-
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lige Auswirkungen auf die Abbauvorgänge in der Biomasse der öffentlichen Abwas-
serreinigungsanlage ausübt (Prüfkriterien sind die Hemmung des Sauerstoffverbrauches von Be-
lebtschlamm bzw. die Hemmung der Nitrifikation). Das zugehörige Prüfinstrumentarium ist in An-
hang C der AAEV festgelegt.
Metalle (Aluminium, Blei, Chrom und Quecksilber) sind im Einzelfall als aktive Bestandteile in Exp-
losivstoffen enthalten (siehe Kapitel 1.3) und treten daher im Abwasser auf.
Die Stickstoffparameter Ammonium, Nitrit und TNb (der letztere erfasst auch NO3 - N) sind charak-
teristisch für das Abwasser aus der Herstellung von Explosivstoffen. Sie stammen aus dem Ein-
satz von Salpetersäure, ammonium- und nitrathältigen Salzen, organischen Nitro- und Amino-
verbindungen sowie sonstigen stickstoffhaltigen organischen Roh-, Arbeits- und Hilfsstoffen.
Phosphor stammt aus phosphorhaltigen Roh- oder Hilfsstoffen (zB. pyrotechnische Produkte), a-
ber auch aus dem Einsatz in der Abwasserreinigung. Schwefelverbindungen (insbesonders Sulfat)
resultieren primär aus dem Einsatz in Nitriersäuren; Sulfid wird auch im Zuge der Abwasserreini-
gung eingesetzt (Fällungsmittel für Schwermetalle).
Die organischen Inhaltstoffe des Abwassers werden durch die Parameter TOC, CSB und BSB5
überwacht; der Parameter CSB erfasst auch oxidierbare anorganische Verbindungen. Der in Ein-
zelfällen nicht vermeidbare Einsatz von halogenorganischen Verbindungen macht die Vorschrei-
bung des Parameters AOX notwendig. Kohlenwasserstoffe, Phenole und Aromaten sind Rohstoffe
in der Herstellung und Besteinteile der Endprodukte von Explosivstoffen und scheinen im Abwas-
ser auf.
5.2 Emissionsbegrenzungen
Die Emissionsbegrenzungen des Anhanges A der AEV Explosivstoffe beziehen sich auf die Be-
schaffenheit des Gesamtabwassers einer Produktion von Explosivstoffen an der Einleitungsstelle
in ein Fließgewässer oder eine wasserrechtlich bewilligte Kanalisation.
Eine Teilstromanforderung, die im Abwasser vor Vermischung mit sonstigem (Ab)Wasser einzuhal-
ten ist, wird für den Parameter Quecksilber gestellt, wenn die Produktion quecksilberhaltiger Exp-
losivstoffe gemeinsam mit der Produktion anderer Explosivstoffe erfolgt und das Abwasser aus
diesen Produktionen gemeinsam abgeleitet wird.
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Die Emissionsbegrenzungen des Anhangs A können durch Einsatz physikalisch - chemischer oder
biologischer Verfahren oder deren Kombinationen gesichert eingehalten werden. Im Hinblick auf
die große Produktvielfalt werden die Grenzwerte als Konzentrationen festgelegt. Bei definierten
Produktgruppen (zB. Salpetersäureester) ist die Festlegung produktionsspezifischer Grenzwerte
möglich (für die Parameter TNb, P - Gesamt, Nitrit - N, TOC, CSB und BSB5). Diese produktions-
spezifischen Emissionsbegrenzungen beziehen sich auf die Tonne installierte Produktionskapa-
zität der jeweiligen Produktgruppe.
Bei den Parametern TNb, NO2 - N, TOC, CSB und BSB5 enthält Anhang A der AEV Explosivstoffe
für Abwasser aus Produktionen, die keine produktionsspezifischen Frachten als Grenzwerte erhal-
ten, eine Gleitregelung in der Art, dass die Einhaltung eines starren Konzentrationsgrenzwertes
nicht erforderlich ist, wenn der Nachweis eine Mindesteliminationsleistung in der Abwasserreini-
gungsanlage gelingt. Voraussetzung für die Anwendung der Gleitregelung ist, dass die Konzentra-
tionen der Inhaltsstoffe des Abwasser im Zulauf zur biologischen Stufe der Abwasserreinigungsan-
lage über definierten Schwellenwerten liegen.
6 Umsetzung wasserbezogener EU-Richtlinien 6.1 RL 76/464/EWG
Gemäß Richtlinie 76/464/EWG legt die EU Programme zur Vermeidung oder Verminderung der
Gewässerbelastung durch Stoffe der Liste I (Schwarze Liste) fest. Für die Stoffe der Liste II (Graue
Liste) legen die Mitgliedstaaten autonome Programme zur Verringerung der Gewässerbelastung
fest; weiters legen sie für jene Stoffe der Liste I, für welche die EU noch keine Regelungen erlas-
sen hat, interimistisch autonome Regelungen fest.
Für folgende Stoffe der Liste I wurden bisher durch Einzelrichtlinien Emissionsbegrenzungen sei-
tens der EU festgelegt:
RL 84/156/EWG Herstellung organischer oder anorganischer Quecksilberverbindun-
gen
RL 88/347/EWG Einsatz von Hexachlorbenzol bei der Herstellung pyrotechnischer Er-
zeugnisse; Einsatz von Chloroform als Lösungsmittel
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RL 90/415/EWG Einsatz halogenorganischer Verbindungen (1,2 - Dichlorethan, Tri-
chlorethen, Tetrachlorethen oder Trichlorbenzol) als Lösungsmittel
Die AEV Explosivstoffe stellt die Umsetzung dieser Vorgaben in nationales Recht im Bereich der
Herstellung von Explosivstoffen dar.
Als Stoffe der Liste II kommen in Betracht:
Blei, Chrom VI, Ammonium, TNb, Nitrit, AOX, Aromaten (BTXE).
Die AEV Explosivstoffe stellt das nationale Programm (Art. 7 der RL) zur Verminderung der Ge-
wässerbelastung durch diese Stoffe der Liste II aus dem Bereich Herstellung von Explosivstoffen
dar.
6.2 RL 96/61/EG (IPPC)
Am 24. September 1996 veröffentlichte der Rat eine Richtlinie, wonach für bestimmte Typen und
Größen von Industrieanlagen ein integriertes Bewilligungsverfahren durchzuführen ist, bei welchen
Maßnahmen zum Schutz aller Umweltkompartimente auf der Basis des Standes der Technik
(BAT) vorzunehmen sind.
In Anhang I der Richtlinie sind unter Z 4.6 Chemieanlagen zur Herstellung von Explosivstoffen ge-
nannt, bei welchen ein derartiges konzentriertes Genehmigungsverfahren durchgeführt werden
muss.
Gemäß Art. 16 der Richtlinie organisiert die EU einen Informationsaustausch unter den Mitglied-
staaten betreffend die in den Genehmigungsverfahren vorgeschriebenen Maßnahmen nach dem
Stand der Technik zum Schutz der Umwelt (hier der Gewässer). Bei Bedarf können gemäß Art. 18
der RL auf der Basis der Ergebnisse des Informationsaustausches gemeinschaftseinheitliche E-
missionsgrenzwerte erlassen werden. Derartige Grenzwerte können im Rahmen der AEV Explo-
sivstoffe in nationales Recht umgesetzt werden.
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AEV Explosivstoffe Technische Anleitung
7 Fristen Die AEV Explosivstoffe BGBl. II Nr. 270/2003 wurde am 27. Mai 2003 kundgemacht. Sie tritt ein
Jahr nach der Kundmachung in Kraft. Am Tag des Inkrafttretens der AEV Explosivstoffe rechtmä-
ßig bestehende Einleitungen sind innerhalb von 5 Jahren an die Emissionsbegrenzungen des
BGBl. II Nr. 270/2003 anzupassen.