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Teil III

Teil III - link.springer.com978-3-658-10808-3/1.pdf · (auch Luigi oder Alvise) Cornaro machte sich als Mäzen sowie durch archi-tekturtheoretische und landschaftspflegerische Schriften

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Teil III

Glossar: Autoren, Schulen und „heilige Texte“

Augustinus

Der 354 im nordafrikanischen Thagaste geborene und 430 in Hippo Regia als Bischof während der Belagerung der Stadt durch die Vandalen gestorbene Aurelius Augustinus zählt zu den prägendsten Vätern der christlichen Kirche. Während des Studiums in Karthago zum Manichäer gewordenen, wandte er sich ab 385 unter dem Einfluss seiner Mutter Monika und des Bischofs von Mailand, Ambrosius, dem Christentum zu und wurde zu dessen glühendem Verfechter. Seine Abkehr von einem Leben in Üppigkeit und Zügellosigkeit schildert er in seinen „Confessiones“. Zu seinem einflussreichsten, struktu-rell jedoch auch den Einfluss des Manichäismus auf sein Denken belegendes Werk wird „De Civitas Dei“. In dieser nach der Erstürmung und Plünderung Roms durch die Westgoten im Jahre 411 zur Glaubensvergewisserung verfass-ten Schrift konzipiert Augustinus den Weg des Christen als Pilgerschaft, wobei er als „homo viator“ in stetem Abwehrkampf wider die Verstrickungen und Verlockungen der civitas terrena dem ihm als Mitglied des Gottesvolkes – der civitas Dei – einzig angemessenen Pfad der Tugend folgen muss, um dereinst im Jüngsten Gericht bestehen zu können.

Helena Petrovna Blavatzky

vgl. Theosophie

Franz-Theo Gottwald et al. (Hrsg.), Die unerschöpfliche Kraft des Einfachen, DOI 10.1007/978-3-658-10808-3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016

Glossar368

Buddha

Buddha ist im Sanskrit zugleich die Bezeichnung für den „Erwachten“ wie für die historische Figur Siddhartha Gautama. Der wohl im fünften vorchristli-chen Jahrhundert lebende Religionsstifter entstammte einem Adelsgeschlecht, wandte sich jedoch in seinem dreißigsten Lebensjahr zunehmend von seinem bisherigen Weg ab und begann als Reaktion auf seine Erfahrungen das Leben eines strengen Asketen, von dem er sich dann aber wieder abwandte. In sich selbst vertieft, erwachte er in einer Vollmondnacht und lehrte fortan seinen „achtfachen“ oder auch „mittleren“ Pfad, aus dessen Niederschrift hier einige Passagen zitiert werden.

Teilhard de Chardin

Marie-Joseph Pierre Teilhard de Chardin (1881-1955), französicher Paläon-tologe, Geologe, Theologe und Philosoph, kam durch seine – u. a. auf eige-ne Forschungen in China und Afrika gestützte – kosmologische Deutung des Schöpfungsgeschehens in Konflikt mit der Katholischen Kirche, der er als Jesuitenpater verpflichtet war. Insbesondere seine These, dass es sich bei der Schöpfung nicht um eine creatio ex nihilo gehandelt habe, sowie sein Versuch, die biblische Heilsgeschichte mit der naturwissenschaftlichen Evolutionstheo-rie zu verknüpfen, trugen ihm Schreib- und Redeverbote und 1862 auch eine Rüge des vatikanischen „Hl. Officiums“ ein. Schon durch das Zweite Vatika-nische Konzil von 1965 wurde er jedoch mittels einer Quasi-Übernahme sei-ner kosmologischen Gesamtschau rehabilitiert. Die ethische Vollendung des Menschen hat nach Teilhard in der Gemeinschaft zu erfolgen, wobei die Ver-schmelzung der zahllosen menschlichen Widersprüchlichkeiten in der Einheit des Göttlichen, dem „Punkt Omega“ erfolgt. Eine These dies, bei der die coin-cidentia oppositorum des Niklas von Cues philosophisch gewendet wird.

Lodovico Cornaro

Venezianischer Nobile, Mäzen und Autor aus einer ihre Herkunft auf das altrö-mische Patriziergeschlecht der Cornelier zurückführenden Familie, der nicht

Glossar 369

nur mehrere Dogen, sondern u. a. auch Caterina Cornaro (1454-1510), die letzte Königin von Zypern, Witwe Jakobs II Lusignan, entstammte. Lodovico (auch Luigi oder Alvise) Cornaro machte sich als Mäzen sowie durch archi-tekturtheoretische und landschaftspflegerische Schriften zum Schutz der La-gune im Umkreis der Serenissima einen Namen. Berühmt jedoch wurde er durch seine vier Abhandlungen „della vita sobria“. Sein eindringliches Plädo-yer für ein wenn nicht asketisches, so doch äußerst mäßiges Leben war durch schmerzliche eigene Erfahrungen mit dem üblichen üppigen Wohlleben eines venezianischen Edelmanns motiviert, das ihn nach eigenem Befinden an den Rand des Grabes gebracht hatte. Seine als letzten Ausweg empfundene magna conversio bescherte Cornaro in seiner zweiten Lebenshälfte fortwährende Ge-sundheit und ein für seine Zeit und seine Gesellschaftsschicht höchst unge-wöhnliches Lebensalter. Im Jahre 1566 starb er in Padua im Alter von 99 (nach anderen Quellen, die als Geburtsjahr 1464 nennen, sogar 102) Jahren.

Diogenes von Sinope

vgl. Stoa

Meister Eckhart

Meister Eckhart zählt zu den bedeutendsten Mystikern des Abendlandes. Der Mitte des 13. Jahrhunderts (um 1260) geborene, einem thüringischen Ritter-geschlecht entstammende Dominikaner studierte und lehrte in Paris und Köln Theologie, diente seinem Orden aber auch in verschiedenen hohen geistlichen Ämtern. Mit seinen Predigten wie auch seinem „Buch der göttlichen Tröstun-gen“ erregte er Anstoß bei diversen geistlichen Autoritäten. Ungeachtet eines öffentlichen Widerrufs in der Kölner Dominikanerkirche wurden 15 Lehrsätze Eckarts in einer päpstlichen Bulle Johannes XXII. als „häretisch“ und 11 als „kühn“ verworfen. Als besonders anstößig wurde Meister Eckarts Lehre von der Gottesgeburt im Menschen selbst („Gott gebiert seinen Sohn in dir“) von dogmatischen Eiferern empfunden.

Glossar370

Max Ehrmann (vgl. St. Pauls Church, Baltimore)

Der hier abgedruckte, mit „Desiderata“ betitelte, Text entstammt weder dem Jahr 1692 noch einer Inschrift in der St. Paul’s Church in Baltimore (wie eine zählebige Überlieferung behauptet), sondern der Feder des amerikanischen Schriftstellers und Rechtsanwaltes Max Ehrmann. Auch wenn seine Weisheits-empfehlungen auf uralte Menschheitserfahrungen zurückzuführen sind, ver-fasste Ehrmann diese Zeilen doch erst 1927 und erlangte mit ihnen zwar nicht persönlich, aber mittelbar großen Einfluss u.a. auf die Flower-Power-Bewe-gung der 1960er Jahre. Ihr Charme beruht auf dem zeitlos humanen Atem der sie unverkennbar trägt und prägt.

Empedokles

Der zu den Vorsokratikern zählende Dichterphilosoph Empedokles (495 bis 435 v. Chr.) hat sich durch zwei Gedichtfragmente der Nachwelt erhalten: die „Katharmoi“ („Reinigung“) und „Physika“ („Über die Natur“). Bemerkens-wert ist dabei, dass Empedokles sich in den Gedichten aus entgegengesetzten Erzählerstandpunkten inszeniert. In den „Katharmoi“ erzählt er aus der Pers-pektive eines Gottes, während er in den „Physika“ eine menschliche Sichtweise einnimmt. Zentral für die Lehre des Empedokles ist der ewige Weltenzyklus, d.h. die ewige Wiederkehr des immer Gleichen und die Idee der Reinkarna-tion. In den „Katharmoi“ ruft der göttliche Erzähler daher zum Ablassen von Blutopfern auf, da Opfertiere getrost auch verstorbene Verwandte sein könn-ten und diejenigen Götter, welchen mit Blut gehuldigt wird, zum Zweck ihrer Reinigung von der Göttergemeinschaft isoliert werden und in der Inkarnati-on als lebende Wesen verweilen müssen. Die „Physika“ führen die Idee des Weltenzyklus explizit aus. Hier spielen die Weltprinzipien, die Elemente Feuer, Luft, Erde, Wasser, und die Liebe und der Streit, die zentrale Rolle. Das Gedicht beschreibt, wie das sich ewig ändernde Verhältnis von Liebe und Streit zu Ver-einigung und Trennung der Prinzipien führt und somit den ewigen Kreislauf antreibt.

Glossar 371

Epikur

Die nach (dem 341 auf Samos geborenen) Epikur benannte Philosophenschule der Epikuräer wird oft vorschnell mit hedonistischer Lust in Verbindung ge-bracht, ohne deren Lehre hiermit vollauf gerecht zu werden. Mitsamt den in seinem Garten versammelten Schülern entwarf Epikur vielmehr eine Lehre, die individuelle Freude und Glück in den kleinen Dingen des Lebens suchte, um Seelenruhe zu erreichen. Die Diesseitsbezogenheit seiner Lehre erstrebt die Einsicht in die notwendige Zügelung der Begierden als Schlüssel zur Errei-chung des höchsten irdischen Zieles der Ataraxia; derjenige, dem dies gelingt, ist für Epikur „weise“.

Gnosis

Die an dieser Stelle aufgeführten Beispiele für den Gnostizismus des 2. und 3. nachchristlichen Jahrhunderts unterstreichen seinen Charakter des religiös-intellektuellen Erkenntniswissens abseits der kanonisch gewordenen Schriften des Christentums. Seine Vertreter eint der Grundgedanke des jedem Men-schen innewohnenden göttlichen Prinzips, das der körperlichen Welt entge-gensteht. Um die Wiedervereinigung mit dem Göttlichen zu erreichen, ist die Verhaftung des Menschen an die Materie zu lösen und der Geist freizusetzen.

Hermann Hesse

Prägend für das Werk des einer württembergischen Missionarsfamilie ent-stammenden, 1877 in Calw geborenen Dichters war das Thema der Identi-tätsfindung, wie es in seinem Roman „Narziß und Goldmund“ zum Ausdruck kommt, aber auch für sein persönliches Leben bestimmend blieb. Auch wenn er selbst erst als Erwachsener Indien bereisen sollte, wurde er durch sein El-ternhaus schon früh mit der indischen Kultur vertraut. 1922 veröffentlichte er den Roman „Siddharta“, der von seiner tiefen Verbundenheit mit den in-dischen Weisheitslehren Zeugnis ablegt. Hesse lebte ein turbulentes Leben, das ihn immer wieder in Depressionen führte. Schon während der Schulzeit musste er zeitweise in eine Nervenheilanstalt eingewiesen werden. In dem Ro-

Glossar372

man „Der Steppenwolf “ kam seine eigene Zerrissenheit im Spannungsfeld von bürgerlicher Anpassung und zivilisationskritischem Eigenbrötlertum zu litera-rischem Ausdruck. Die Faszination, die das einfache, ja asketische, Leben auf ihn ausübte, scheint in vielen seiner literarischen Werke auf. 1962 starb Hesse in seinem Tessiner Haus in Montagnola, die „Bekenntnisse“ des Augustinus in Händen.

Hinduismus

Der Hinduismus ist neben dem Christentum und dem Islam die drittgröß-te Religion der Welt. Zentrale Vorstellungen für den Hinduistischen Glauben sind das Karma und die Reinkarnation. Hindus glauben, dass in einem ewi-gen Kreislauf der Geist verschiedene Stationen des Lebens vom Tier bis zur Gottheit durchläuft. Dabei entscheidet das Karma, das man sich während des Lebens ansammelt, über die Beschaffenheit der weiteren Stationen. Die Er-leuchtung gilt dabei als das höchste Ziel des Geistes, welches nur durch ein Leben mit gutem Karma erreicht werden kann. Der Vegetarismus ist durch die hinduistische Religion in Indien weit verbreitet worden, da Fleischkonsum auf dem Akt der Tötung basiert und daher im Prinzip abgelehnt wird. Ein ge-waltfreies Leben gilt als das ethisch wertvollere und daher als den Zustand der geistigen Erleuchtung fördernd.

Jainismus

Der Jainismus ist eine altindische Religion, die wie der Hinduismus ihre Wur-zeln im Brahmanismus hat. Im jainistischen Glauben existiert ein Dualismus von beseelten und nicht beseelten Phänomenen. Alle Materie ist nach ihrer Vorstellung beseelt, nicht allein Mensch und Tier, sondern auch Pflanzen und das Wasser. Der Jainisumus fordert daher entschieden Gewaltlosigkeit. In der Ernährung der Jainisten schlägt sich dies besonders darin nieder, dass sie einer strengen Diät folgen, bei der weder Tier noch Pflanzen zu Schaden kommen dürfen. Weitere Vorstellungen jainistischer Lebensweise ist die Beschränkung des Besitzes auf lebensnotwendige Güter, absolute Keuschheit und Wahrhaf-

Glossar 373

tigkeit. Der Jainismus steht bis heute mit manchen seiner Dogmen im Kontrast zum Hinduismus.

Adolph Freiherr von Knigge

Dem 1752 in Bredenbeck geborenen Aufklärer Adolph Freiherr von Knigge (1752-1796) gelang es mit der hier in Auszügen zitierten Schrift „Über den Umgang mit Menschen“, seinen Namen bis heute zu einem Synonym für gutes Benehmen werden zu lassen. Sein Impetus, Höflichkeit und Takt im zwischen-menschlichen Umgang zu wahren, wurde allerdings in der Überlieferung auf eine Ratgeberliteratur zu Eß- und Kleidersitten verkürzt, anstatt diese im Sinne des Autors zu einer allgemeinen Menschheitsformel zu machen.

Kynismus

Die „auf den Hund“ (kynos = griech. Hund) gekommene, im fünften vorchrist-lichen Jahrhundert von dem Sokrates-Schüler Antisthenes begründete Phi-losophenschule der Kyniker richtete ihr Denken auf die radikale Ablehnung jeglichen Besitzes und kultureller Konventionen zugunsten einer Lehre der Bedürfnislosigkeit und Natürlichkeit. Ihre Protagonisten nutzten die Öffent-lichkeit, um durch schockierende Auftritte ihre Lehre zu verbreiten und das Bewusstsein ihrer Mitmenschen aus deren festgefahrenen Bahnen zu befreien.

Lao-tse

Bei Lao-tse (Lau-dse = „Alter Meister“) handelt es sich um einen legenden-umrankten chinesischen Philosophen, dessen Historizität jedoch nicht als endgültig gesichert erscheinen kann. Herkömmlicherweise wird sein Wirken wie auch das ihm zugeschriebene Tao-te-King zeitlich in das 6. Jahrh. v. Chr. verlegt. Nach neueren Erkenntnissen ist es jedoch erst um oder nach 300 v. Chr. entstanden und in mehreren Fassungen überliefert, von denen die von dem Taoisten Wang-Pi (226-249) redigierte die verbreitetste ist. Das in 81 Ab-schnitte gegliederte (die Quersumme 9 ergibt die chinesische Zahl der Unend-

Glossar374

lichkeit) Werk enthält in aphoristisch-poetischer Verdichtung die Lehre vom rechten Weg (Tao) und wurde so zum Ur- und Grundtext des Taoismus.

Martin Luther

Der im thüringischen Eisleben als Sohn eines Bergmannes geborene Martin Luther (1483-1546) wandte sich nach seinem Studium und dem Eintritt in den Augustinerorden leidenschaftlich gegen dubiose Finanzierungspraktiken und Selbstdarstellungsformen der Römischen Kirche. Mit seiner Bekenntnisformel „Sola fide“ betonte er die Vorrangigkeit des Glaubens gegenüber Anbetungs-riten und Zeremonien. Nach der Berufung auf eine Professur in Wittenberg (1512) und dem Anschlag der 95 Thesen wider den Ablasshandel folgten ab 1519/1520 in rascher Folge die öffentlichen Stellungnahmen und Schriften ge-gen das Primat des Papstes, die Unfehlbarkeit der Konzilien, die Prunksucht der Kirche etc., die ihn zum wohl bedeutendsten christlichen Kirchenreforma-tor der Renaissance werden ließen. Mit seiner 1521 auf der Wartburg begon-nenen und 1534 vollendeten Übersetzung des Neuen wie des Alten Testaments wurde Luther zum Autor eines der bedeutendsten Sprachdenkmäler der deut-schen Kultur.

Zur Sicherung seiner reformerischen Desiderata sah sich Luther im Ab-wehrkampf gegen Kaiser und Papst gezwungen, die Kirchenhoheit in die Hän-de der Landesherren zu legen, was er theologisch mittels seiner Zweireicheleh-re zu rechtfertigen suchte und was letztlich in die (im Westfälischen Frieden für lange Zeit festgeschriebene) pragmatische Formel „Cuius regio, eius reli-gio“ mündete.

Bernard de Mandeville

Der 1670 (wohl) in Rotterdam geborene und 1733 in Hackney (London) ver-storbene Arzt und Sozialphilosoph wurde mit seinem in Etappen zwischen 1704 und 1729 publizierten Hauptwerk „The Fable of the Bees. Private Vices, Public Virtues“ zu einem der bekanntesten Autoren seiner Zeit. In seinen bei-ßenden, unverkennbar der Hobbes’schen Anthropologie verpflichteten Ge-sellschaftskritik mag man seines Zeitgenossen, des Kupferstechers und Malers

Glossar 375

William Hogarth (1697-1764) nicht minder satirische, bis hin zur Karikatur verdichteten Sittenbilder der englischen Gesellschaft des Rokoko in Sprach-form wiederfinden. Seine Grundthese, dass jede (Hoch)Kultur nicht zuletzt von Untugenden befruchtet werde, dass mithin „Stolz, Luxus und Betrügerei [sein muß], damit ein Volk gedeih“ trug ihm viel Kritik, in der Nachwelt – u. a. von Nietzsche und Brecht – aber auch viel Beifall ein. Die hier wiedergege-benen Passagen sind Ausdruck seiner Kritik an der im Gefolge der Glorious Revolution von 1688 in England aufblühenden Wohlstandsgesellschaft.

Manichäismus

Der nach seinem geistigen Begründer, dem persischen Propheten Mani (216-276) benannte gnostische Manichäismus geht von einem strengen Dualismus von Geist und Materie bzw. Licht und Finsternis aus. Der Herr des Lichtes, Ahura Mazda, steht Ahriman, dem Herr der Finsternis in unversöhnlichem Widerspruch gegenüber. Spirituelle Aufgabe des aus einer Vermischung der beiden Elemente entstandenen Menschen ist es, das Licht aus der Finsternis herauszufiltern, wobei ihm äonische Gesandte (wie 2.B. Jesus) beistehen kön-nen – ein Prozess, der bis zur endgültigen Entmischung im Weltenbrand an-dauert.

Für die spirituellle Elite der Manichäer, die Electi (die Erwählten), war der Verzicht auf Fleisch und Weingenuss wie auch auf Arbeit und Besitz eine Ehrenpflicht, während die bloßen Auditores (die Hörer), für deren Lebensun-terhalt sorgten.

Der starke Einfluss der manichäischen Ideen auf die augustinisch-christ-liche, vor allem aber die katholische Gedankenwelt ist unverkennbar. Das ma-nichäische Psalmbuch in koptischer Sprache ist Teil der Papyruscodices, die 1980 von dem Altertumsforscher Carl Schmidt in einem ägyptischen Antiqua-riat aufgefunden wurden. Es sind Übertragungen aus unbekannten griechi-schen Quellen und stammen vermutlich aus dem 4. Jahrh. n. Chr.

Glossar376

Pico della Mirandola

Der hier in Auszügen wiedergegebene – ursprünglich als Einleitung für eine von Papst Innozenz VIII. verbotenen Disputation über vorab veröffentliche religionskritische Thesen verfasste – Text von Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494) verkündete erstmals die Grundprinzipien der italienischen Re-naissance. Er stellt die selbstbestimmte, vernunftgeleitete Entfaltung als einzig-artiges Kennzeichen in den Mittelpunkt des unbestimmten Wesens Mensch, das ihn zu einem Abbild Gottes macht. Auch der Aufstieg zu Gott war Pico della Mirandola Vernunftdisziplin, deren höchste Kategorie die Theologie.

Mohammed

Der um 570 n. Chr. in Mekka geborene und 632 in Medina gestorbene Stif-ter des Islam entstammte einer angesehenen haschemitischen Familie. Seine Laufbahn begann er als Kaufmann, der auf langen Handelsreisen mit der jüdi-schen und der christlichen Religion in Berührung kam. Wie er später berich-tet, erschien ihm im Zuge seiner häufigen Andachtsübungen im 40. Lebensjahr der Erzengel Gabriel und bewegte ihn zur Verkündung und Lobpreisung des einen Gottes („Allah“), dessen ihm „diktierte“ Gebote er im Koran – der „Bi-bel“ des Islam – niederlegt. Wegen des Widerspruchs mancher seiner Verkün-dungen mit Grundüberzeugungen der altarabischen Gesellschaft und diesen folgenden Auseinandersetzungen kommt es zur Übersiedlung Mohammeds und seiner Getreuen nach Medina, von wo aus er nach und nach zum Einer der arabischen Stämme sowie zu deren geistlichem und politischem Ober-haupt wurde – eine Position, die dann auch seinen Nachfolgern zukam. In seiner Abschiedspredigt betonte Mohammed die Gleichheit aller Menschen. Vor Allah vermöge nur der Grad ihrer Tugendhaftigkeit einen Unterschied zu begründen. Diese Verkündung wie auch die von Mohammed erfahrenen und im Koran niedergeschriebenen Offenbarungen bilden das Fundament des isla-mischen Glaubens, der auch Jesus von Nazareth als Prophet Gottes anerkennt, ihm jedoch die (im Christentum seit dem Konzil von Nicäa aus dem Jahre 325 zum Dogma erhobene) Wesensgleichheit mit Gott aberkennt.

Glossar 377

Moses

Ebenso wie Jesus und Mohammed ist Moses als Prophet und Gesetzgeber eine zentrale Figur der jüdischen, christlichen und islamischen Glaubenstradition. Besondere Bedeutung hat er für das Christentum als Empfänger des Dekalo-ges auf dem Berge Sinai. Laut Altem Testament wurde Moses als Säugling von seiner hebräischen Mutter am Ufer des Nils ausgesetzt und von einer Tochter des Pharao gefunden und am ägyptischen Hof aufgezogen. Daher auch sein ägyptischer Name. Nach Auffassung Sigmund Freuds und Anderer war Moses ägyptischer Abstammung, der dann jedoch die in Ägypten versklavten israe-litischen Stämme geeint und auf einen – vielleicht vom Aton-Kult inspirierten – Monotheismus eingeschworen habe. Der von dem charismatischen spiri-tuellen und politischen Führer Moses organisierte Exodus der Israeliten aus Ägypten und die anschließende entsagungsvolle Wanderung durch die Wüste Negev wurde in der hebräischen Tradition zu einem Sinnbild für die Auser-wähltheit des jüdischen Volkes. Freuds These hat denn auch heftige Kontro-versen ausgelöst.

Jesus von Nazareth

Die von Jesus von Nazareth gehaltene Bergpredigt ist keine genuin neue Leh-re, sondern spiegelt den in den mosaischen Geboten geoffenbarten Willen des Gottes vom Berge Sinai. Ihr hier in Auszügen wiedergegebener Inhalt wurde zu einer christlichen Alltagsethik, die in ihrer Eindringlichkeit konkrete Leh-ren für die persönliche Lebensgestaltung bereit hält.

Neuplatonismus

Als Neuplatonismus wird eine von Ammonias Sakkas im 2. Jahrh. n. Chr. be-gründete Schule bezeichnet, die das philosophische Denken bis in das 7. Jahr-hundert prägend beeinflusste und teilweise in starkem Konflikt zum Chris-tentum stand. Bekanntester Vertreter des Neuplatonismus war Plotin (205 bis 270), der u.a. eine 5-gliedrige Weltstufenlehre entwarf. Die neuplatonischen Lehren gehen auf ihren Namensgeber Platon zurück und legen die platonische

Glossar378

Philosophie in vielfacher Weise aus. Die entscheidende Prämisse Platons, Phi-losophie nicht bloß als Wissenschaft zu betrachten sondern sie als Anweisung für eine eigenständige Lebensweise zu verstehen, haben die Neuplatoniker von Grund auf übernommen. Die philosophische Lebensweise hat für die Neupla-toniker die Befreiung der unsterblichen Seele zum Ziel. Da die Seele aus der geistigen Welt stammt und nach dem Tod des Körpers zu ihr zurückkehrt, soll die Philosophie die bestmögliche Rückkehr und das bestmögliche Verweilen in der Ewigkeit durch die Ausbildung und Pflege der Tugenden erreichen. Zu den Grundregeln der neuplatonischen Lebenspraxis zählte der Vegetarismus.

Friedrich Nietzsche

Friedrich Nietzsche, 1844 im preußisch-sächsischen Röcken geboren, liefert an dieser Stelle eine Analyse asketischer Lebensformen. Selbst einem lutheri-schen Pfarrhaus entstammend, diagnostiziert der Kritiker von christlicher Re-ligion und Moral sie als dem menschlichen Dasein inhärente, wiederkehrende Muster. Der gesundheitlich zunehmend angeschlagene Nietzsche zeigte in den hier zitierten Ausführungen auf, welche Bedeutung sie über die Zeiten für den Menschen besaßen, und erhellt, wo sich asketische Ansätze in der Moderne äußern.

Benedikt von Nursia

Die im sechsten Jahrhundert n. Chr. von Benedikt von Nursia(480-547) for-mulierten Regeln dienten ursprünglich als Richtschnur für das mönchische Leben in dem von Benedikt gegründeten Kloster Monte Cassino. Sie wurden mit dem Konzil von Aachen (816-819) zur maßgeblichen Grundlage des mit-telalterlichen Klosterwesens und prägten dessen gesamteuropäisches Gesicht. Die an dieser Stelle exzerpierten Kapitel liefern Handreichungen, die auch heute noch einer Askese des Alltags außerhalb von Klostermauern den Weg weisen können.

Glossar 379

Die Orphiker

Ihren Namen verdanken die Orphiker dem – mit ihnen in eine geistige Ver-bindung gebrachten – Mythos vom thrakischen Sänger Orpheus, dessen nicht nur die Menschen, sondern auch Felsen, Bäume und wilde Tiere bezaubern-der Gesang selbst den Göttern der Unterwelt ein (dann von ihm allerdings wieder verwirktes) Zugeständnis abzuringen vermochte. Als theosophische, durch Wanderprediger verbreitete Strömung sind die Orphiker ab dem 6. vor-christlichen Jahrhundert in Attika, Unteritalien und Sizilien nachweisbar. Ihr Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, an Seelenwanderung und jenseitigen Ausgleich für diesseitigen Wandel sowie auch ihre – jegliches Blutvergießen ächtenden – asketischen Reinheitsregeln rückt die Orphiker thematisch in die Nähe der Pythagoräer.

Paulus

Die Redewendung „vom Saulus zum Paulus“ erinnert an den eindrucksvollen Sinneswandel, den Paulus von Tarsus, ein die Glaubensinhalte des Christen-tums nachhaltig prägender, früher Verkünder der Lehren des Jesus von Naza-reth im Laufe seines Lebens vollzogen hat. Mittlerweile ist bekannt, dass er von Geburt an beide Namen trug. Der Name Saulus verweist auf seine hebräische Herkunft, der Name Paulus auf das römische Umfeld in seiner Biographie.

Der strenggläubige pharisäische Jude und Zeitgenosse Jesu (dem er per-sönlich nie begegnet war) zählte zunächst zu den erbitterten Verfolgern von dessen Anhängern. Als ihm jedoch dieser nach eigenem Bekunden in einer Vision erscheint und die Frage stellt „Warum verfolgst Du mich“, vollzieht sich in ihm eine Wandlung, bekennt er sich zu den Lehren Jesu und verkün-det er dessen Göttlichkeit. Im Mittelpunkt der Lehren des Paulus steht neben der Verkündung der Göttlichkeit Jesu der Glaube an dessen Tod zur Erlösung der Welt von ihren Sünden. Nach einer weitgespannten Missionstätigkeit wird Paulus um 60 oder 62 n. Chr. unter Kaiser Nero in Rom enthauptet.

Glossar380

Plutarch

(ca. 50-120 n. Chr.), im boötischen Chaironeia geboren, wo er auch einen Großteil seines Lebens verbrachte und eine Privat- und Familienakademie lei-tete, in späteren Jahren aber auch im nahen Delphi als Opferpriester wirkte. Plutarch verfasste eine Vielzahl von populärwissenschaftlichen Schriften mit philosophisch-ethischem Inhalt. Die hier abgedruckte Passage über den Ver-zehr von Tieren stammt aus den „Gastmahlgesprächen“.

Porphyrios

Porphyrios von Tyros (ca. 233-ca. 305) war Neuplatoniker und Schüler von Plotin, dessen Werke er herausgab und dessen Biographie er verfasste. Bekannt wurde Porphyrios als Philosoph insbesondere durch seine Einleitung zu den „Kategorien“ des Aristoteles sowie auch durch seinen Kommentar zu diesem Werk. Porphyrios bemühte sich in diesen Schriften um eine Harmonisierung der aristotelischen mit der platonischen Philosophie. In seinen 15 Büchern „Gegen die Christen“, die Kaiser Theodosius II. im Jahre 448 öffentlich ver-brennen ließ, erwies er sich als entschiedener Gegner des Christentums, indem er unter Anwendung profunder philologischer Sachkenntnis die Authentizität der Bibel als göttliche Offenbarung in Frage stellte. Was seine Lebenspraxis anbelangt, war Porphyrios ein entschiedener Anhänger des Vegetarismus, für den er auch in seinen Schriften eintrat.

Pythagoras

Der vorsokratische Philosoph Pythagoras von Samos (ca. 570 bis 510 v. Chr.)zählte zu den Pionieren der Philosophie und der Naturwissenschaft. Entschei-dend für seinen Ruf ist jedoch die nach ihm benannte Schule der Pythago-räer, welche er nach seiner Auswanderung aus Griechenland in Unteritalien gründete. Kern der pythagoreischen Lehren ist ein Sinn von Harmonie, der sich in der Einheit der Natur und all ihren Elementen wiederfinde. Die Py-thagoreer waren überzeugt, dass der primäre Zugang zur Welt sich über Ma-thematik gestalte. Sie sahen es als ihre Aufgabe an, die Harmonieverhältnisse

Glossar 381

gemäß der Natur nicht allein persönlich in ihrem Seelenleben, sondern auch in ihrer sozialen Umwelt herzustellen. Pythagoräische Gemeinschaften wurden daher aufgrund reformatorischer Bestrebungen von den griechischen Behör-den bekämpft, vertrieben und sogar ausgelöscht. Zu den Charakteristika der pythagoräischen Schule zählte das Bekenntnis zur Seelenwanderung und ein entschiedener Vegetarismus.

Arthur Schopenhauer

Der in Danzig geborene Arthur Schopenhauer (1788-1860) tritt mit seinem eklektizistischem Philosophieansatz als Deuter und Erklärer der Askese als Le-bensform auf. Das Prinzip des „Willens“ ist ihm eine Kategeorie der individuel-len Verneinung, die in der Askese ihre Ausdrucksform findet und dadurch die Erlösung von dem innerweltlichen Leid ermöglicht.

Albert Schweitzer

Albert Schweitzer (1875-1965), im elsässischen Kayersberg geboren, gründete als Arzt ein Krankenhaus in Lambarene (damals Französisch-Äquatorialafri-ka), widmete sich als evangelischer Theologe und Philosoph aber auch Fragen des rechten Umgangs des Individuums mit seiner Umwelt. Als Pazifist lehnte Schweitzer Krieg und Gewalt ab und dehnte diesen Anspruch auf den sorg-sam-solidarischen Umgang des Menschen mit den ihn umgebenden Lebens-formen in der Pflanzen-, Tier- und Menschenwelt aus.

Percy Bysshe Shelley

Der 1792 in Sussex geborenen Dichter wurde zu einem der Hauptvertreter der englischen Romantik. Sein von unbändiger, gefühlsbetonter Freiheitsliebe beseel-ter Geist inspirierte sowohl die frühen religionskritischen (The necessity of athe-ism) als auch die späten gesellschaftskritischen (The mask of anarchy) Schriften. Seine Grundhaltung nährte sich philosophisch aus einer Verschmelzung plato-nisch-idealistischer und aufklärerischer Vorstellungen und mündete letztlich in einem unverkennbaren Pantheismus, der auch seine Plädoyers für Abstinenz und

Glossar382

Vegetarismus inspiriert haben dürfte. Konflikte mit Elternhaus, Schule, Universität und Gesellschaft führten ihn nach Italien, wo er seine Geistesverwandtschaft und Freundschaft mit Byron und Keats lebte und seine Hauptwerke (The revolt of the Islam, 1814; The Cenci, 1819; Prometheus unbound, 1820; Adonais, 1820; To the westwind; The cloud; To the skylark) verfasste. 1822 fand er auf einer Segelfahrt in der Bucht von La Spezia den „nassen Tod“. Seine Freunde Byron, Trelawyn und Hunt verbrannten den Leichnam am Meeresstrand (Gemälde von L. E. Fournier, 1889) – romantischer Abschluss eines romantischen Lebens. Bestattet ist das Cor cordium (Inschrift auf seinem Grabstein) in Rom.

Sokrates

Der Philosoph Sokrates, Sohn eines Steinmetzen und einer Hebamme (ca. 470-399 v. Chr.), lebte ein bescheidenes, der Kontemplation gewidmetes Le-ben. Obwohl er sowohl ein Haus als auch Frau und Kinder hatte, verbrachte er seine Tage und Nächte damit, seine Mitbürger auf den Straßen und Plätzen Athens durch bohrendes Fragen und Nachfragen auf den Pfad der Tugend zu führen. Nach dem Zeugnis seines Schülers Platon war für Sokrates, den das delphische Orakel als den weisesten aller Männer bezeichnet hatte, ein un-ergründetes Leben nicht lebenswert. Mehr als Reichtum und Ruhm galt ihm seine geistige „Hebammenkunst“. Obwohl sich Sokrates als Hoplit (schwer be-waffneter Fußsoldat) im Peloponnesischen Krieg verdient gemacht und auch politische Ämter ehrenhaft verwaltet hatte, wurde er wegen angeblicher Ver-führung der Jugend zum Schierlingstod verurteilt. Seine Lehren wurden aus-schließlich durch seine Schüler überliefert.

Rudolf Steiner

vgl. Theosophie

Stoa

Die um 300 v. Chr. durch Zenon von Kition in einer Säulenhalle (Stoa) auf der Athener Agora gegründete Philosophenschule streift mit ihrer kosmologisch-

Glossar 383

ganzheitlichen Perspektive die Askese des Geistes, zielt mit ihrer auf individu-eller Gelassenheit und Selbstbeherrschung ruhenden Lehre aber auch auf die Seelenruhe im Alltag. Durch die Aufnahme griechischer Kulturtraditionen im Römischen Reich bis in dessen Kaiserzeit wirkmächtig, liefern stoische Prota-gonisten auch heute noch unabweisbare Weisheitslehren, deren Befolgung die Hinnahme lebensweltlicher Erschwernisse unterstützen mag.

St. Paul’s Kirche, Baltimore

vgl. Max Ehrmann

Sufismus

Der Begriff „Sufismus“ entstammt dem gleichnamigen Werk des deutschen Gelehrten August Thöluck aus dem Jahre 1821. Unter Sufismus versteht man eine auf dem Islam gründende mystische Strömung, die – jedem Dogmatis-mus und Autoritätsglauben abhold – zahllose Facetten aufweist und daher auch sehr schwer fassbar ist. Unter einem Sufi versteht man gemeinhin einen Menschen, der auf der Suche nach einer Verbindung zu hohen geistigen Wel-ten weniger auf seinen Verstand, als auf die Stimme seines Herzens vertraut. Historisch wird die Entstehung des Sufismus auf den (728 gestorbenen) Pre-diger Hasan al-Basir und seinen Anhang zurückgeführt, die in asketischer Frömmigkeit (im Gebiet des heutigen Irak) Meditation und Gebet pflegten, um so der – nach der erfolgreichen militärischen Ausdehnung des Islam bis nach Spanien – um sich greifenden Verweltlichung entgegenzuwirken.

Theosophie

Die 1875 in New York gegründete Theosophische Gesellschaft steht in der mystischen Tradition einer verinnerlichten Gottesschau. In Anlehnung an freimaurerische Logen und fernöstliche Weisheitslehren erstrebten maßgeb-liche Vertreter der zersplitterten theosophischen Lehren wie Helena Petrovna Blavatzky (1831-1891) oder Rudolf Steiner (1861-1925) die Entfaltung des In-dividuums und seine Vereinigung mit einer Weltseele zu erreichen. Praktiken

Glossar384

des Rückzugs sowie alltagsnahe Lebensregeln sollten dem Einzelnen helfen, seinen spirituellen Weg zu finden.

Henry David Thoreau

Der Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau, 1817 in Concord, Massachusetts, geboren und 1862 dort auch gestorben, schrieb die hier ab-gedruckten Zeilen während eines zweijährigen Aufenthalts in einer Hütte am Walden-See. Das in Tagebuchform verfasste Werk reflektiert die Möglichkeit eines alternativen Lebensstils abseits der modernen Gesellschaftsentwicklung. Es beeinflusste mit seiner Suche nach einem höheren Daseinssinn die entste-hende Naturschutzbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts wie auch sonstige lebensreformerische Bewegungen.

Hermes Trismegistos

Bei den Büchern des „dreimal mächtigen Hermes“ handelt es sich um eine – im Umkreis der Schule von Alexandria entstandene und überlieferte – Sammlung von Schriften aus den Anfängen unserer Zeitrechnung, die wohl von einem Priesterkollegium verfasst wurden und für den Ritualgebrauch ägyptischer Priester bestimmt waren. Aufgefunden wurden die Texte in griechischen, la-teinischen, zum Teil aber auch koptischen Schriften. Nach den Angaben des Jamblichos waren es ursprünglich mehr als 42 Bücher, von denen heute nur noch 17 erhalten sind. Der Kirchenvater Clemens von Alexandrien berich-tet, dass die höheren Ränge der ägyptischen Priesterschaft einzelne oder auch mehrere dieser Bücher auswendig lernen und im Gottesdienst zum Teil auch intonieren mussten. Als Zeugnisse des Gotteswissens und der Weisheit werden die Bücher des Hermes Trismegistos auch von Augustinus in „De Civitate Dei“ anerkennend erwähnt.

Tschuang-tse oder Zhuangzi (ca. 365 v. Chr. - 290 v. Chr.)

„Meister Zhuang“ gilt als einer der wichtigsten chinesischen Dichter und Phi-losophen. Neben dem Tao-te-King von Lao-tse gilt das nach ihm benannte

Glossar 385

„Zhuangzi“ als Hauptwerk des Taoismus. Die ersten sieben Kapitel des Wer-kes werden ihm zugeschrieben, die übrigen wurden von seinen Schülern und Geistesverwandten zusammengetragen. Tschuang-tses Texte bestechen durch stilistische Eleganz und (zuweilen antikonfuzianisch akzentuierte) Ironie, die wohl der Tatsache geschuldet ist, dass er sowohl in seinen Schriften als auch in seinem Leben zu einer – der des Konfuzius widersprechenden – Haltung staatsferner Einfachheit neigt. Im Übrigen zollt er aber manchen Schriften des Konfuzius (wie u.a. den „Frühlings-“ und den „Herbstsonaten“) durchaus Re-spekt.

Upanischaden

Die Upanischaden sind Texte des sich der Erkenntnis eines Zusammenhangs „Verehrungsvoll Nahens“ – ein Wahrnehmungsvorgang, bei dem Mikrokos-mos und Makrokosmos im Blick auf das jeweils in Frage stehende Lebens-interesse zum Ausgleich gebracht bzw. vereint werden sollen. Die so erreich-te „Grenze des Wissens“ (Veda) teilen sich die Upanischaden mit den in die Frühzeit des 2. vorchristlichen Jahrhunderts zurückreichenden vorvedischen Textsammlungen (Rigveda, Sãmaveda, Yagurveda, Atharvaveda); sie selbst reichen bis in die vorbuddhistische Periode (d.h. vor 500 v. Chr.) zurück und sind verschiedenen vedischen Sammlungen zuzuordnen. Die Texte (Gedichte, Sprüche, Ritualformeln, Erörterungen) waren ursprünglich vorwiegend zum Gebrauch der brahmanischen Priesterkaste – der höchstgeschätzten der vier arischen Urkasten – bestimmt.

Max Weber

Mit dem 1864 in Erfurt geborenen, von 1919 bis 1920 an der Universität Mün-chen lehrenden Max Weber tritt ein großer Analytiker asketischer Lebens-formen im Alltag auf. Der interdisziplinär gebildete Wissenschaftler liefert eine kultursoziologische Deutung der Auswirkungen asketisch-religiöser Le-benspraxis und stellt diese in den Zusammenhang des kapitalistischen Auf-schwungs insbesondere calvinistisch-puritanisch geprägter Gesellschaften.

Glossar386

Seinem eigenen Anspruch folgend, interpretiert Weber seine Befunde mög-lichst objektiv und erhellt an dieser Stelle mehr, als dass er kritisiert.

Ernst Wiechert (1861-1950)

Aus Tilsit stammender, zeitweise in Königsberg und Berlin als Studienrat wir-kender Dichter, dessen Romane und Novellen atmosphärisch stark von der ostpreußischen Landschaft und der grüblerischen Gestimmtheit ihrer Men-schen, zugleich aber auch von der leidvollen Erfahrung zweier Weltkriege und der nationalsozialistischen Tyrannei geprägt ist, unter der er auch persönlich unmittelbar zu leiden hatte. Im Mittelpunkt seines dichterischen Werks steht die Suche nach wahrem Menschentum in der Auseinandersetzung mit „Gott und Welt“. Sein 1939 erschienener Roman „Das einfache Leben“ markiert die thematische Mitte seines Lebenswerkes.

Zarathustra

Altiranischer Prophet und Religionsstifter (ca. 628-551 v. Chr.). Im Mittelpunkt des von Zarathustra begründeten Parsismus steht der sich als steter Kampf zwischen dem Prinzip des Guten (Ahura Mazda) und dem Prinzip des Bösen (Ahriman) manifestierende Dualismus, in dessen Dynamik der menschliche Entwicklungsweg unentrinnbar verstrickt ist. Aufgabe des Menschen ist es, auf diesem Weg das Lichte vom Finsteren zu scheiden und so seinen individuellen Zugang zum Göttlichen zu finden.

Auf dem Umweg über den Kirchenvater Augustinus (der trotz seiner Ab-wendung von der Religionsgemeinschaft der vom Zarathustrismus geprägten Manichäer zeitlebens unter dem Einfluss von deren dualistischem Denken blieb) fanden Strukturelemente der Lehre Zarathustras auch ihren Weg in das Christentum.

Zenon von Kition

vgl. Stoa

(Peter Cornelius Mayer-Tasch)

Die Herausgeber

Prof. Dr. phil., Dipl.-Theol. Franz-Theo Gottwald, ist seit 1988 Vorstand der Schweisfurth-Stiftung München. Als Honorarprofessor für agrar- und ernäh-rungsethische Fragen forscht und lehrt er an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie an der Hochschule für Politik München. Als Unternehmensbe-rater sind Innovations-, Werte- und Nachhaltigkeitsmanagement sowie die Entwicklung leitbildgestützter Zielsysteme seine Schwerpunkte. Zahlreiche Veröffentlichungen, u.a. Social Business – für ein neues Miteinander (2011); Fair Finance-, Das Kapital der Zukunft (2013); Fair Business-, Wie Social En-trepreneurs die Zukunft gestalten (2013); Irrweg Bioökonomie (2014). Artikel über Ethik, Innovationsmanagement, Ernährungsökologie, Bewusstseinstheo-rie und integrales Denken.

Dr. rer. pol., Dipl. sc. pol. Bernd M. Malunat, geb. 1943, Studium der Politi-schen Wissenschaft, der Wirtschafts- und Sozialgeschichte sowie des Völker-rechts. Langjährige Tätigkeit als Akademischer Rat am Geschwister-Scholl-Institut der Universität München; freier Autor, Lehrbeauftragter und Berater. Mitglied der Forschungsstelle für Politische Ökologie. Zahlreiche Publikatio-nen zu Themen der Politischen Ökologie.

Prof. Dr. Peter Cornelius Mayer-Tasch, Habilitation für Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie und Politikwissenschaft an der Universität Mainz (1971). Seit demselben Jahr Professor für Pol. Wissenschaft und Rechtstheorie an der LMU München, 1972–2003 Mitglied des Direktoriums des Geschw.-Scholl-Instituts. Gründer der Forschungsstelle für Politische Ökologie (1974). 1998–2002 Prorektor, 2002–2010 Rektor der Hochschule für Politik München. Autor zahlreicher Bücher, u.a. Mitte und Maß – Leitbild des Humanismus v. den Ur-

Franz-Theo Gottwald et al. (Hrsg.), Die unerschöpfliche Kraft des Einfachen, DOI 10.1007/978-3-658-10808-3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016

Glossar388

sprüngen bis zur Gegenwart (2006), Meer ohne Fische (Hrsg. 2007), Welt ohne Wasser (Hrsg. 2009), Der Hunger der Welt (Hrsg. 2011). Die Himmelsleiter, mit B. Mayerhofer, 2. Aufl. 2015. Bei Springer VS: Polit. Theorie des Verfas-sungsstaates (2. Aufl. 2009); Raum und Grenze (2013); Die Macht der Schön-heit (2014).