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Tensorrechnung Prof. Thomas Apel Institut f¨ ur Mathematik und Bauinformatik Fakult¨ at f¨ ur Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften Wintertrimester 2015

Tensorrechnung - ZAH, Landessternwarte Königstuhl · Bem 1.1 Die Tensorrechnung stellt ein wichtiges Hilfsmittel zur Beschreibung ... f ur die eine Beschreibung als Vektor/Tensor

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Tensorrechnung

Prof. Thomas Apel

Institut fur Mathematik und Bauinformatik

Fakultat fur Bauingenieurwesen und Umweltwissenschaften

Wintertrimester 2015

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Inhaltsverzeichnis

Literatur 2

1 Tensoren 31.1 Tensoren erster Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31.2 Tensoren zweiter Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91.3 Tensoren hoherer Stufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

2 Tensorfelder 182.1 Krummlinige Koordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.2 Differentiale und der Gradient einer skalaren Funktion . . . . . . 222.3 Differentiation von Tensorfeldern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242.4 Gradient, Divergenz und Rotation von Vektorfunktionen . . . . . 27

Literatur

[dBP78] Boer, R. de und H. Prediger: Tensorrechnung – Grundlagen furdie Ingenieurwissenschaften. Forschungsberichte aus dem FachbereichBauwesen 5, Universitat Essen Gesamthochschule, 1978. 3

[Its07] Itskov, M.: Tensor Algebra and Tensor Analysis for Engineers.Springer, Berlin, 2007. 9

[LC03] Lebedev, L. P. und M. J. Cloud: Tensor Analysis. World Scientific,New Jersey, 2003. 3

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1 Tensoren

Literatur: [dBP78, LC03]

Bem 1.1 Die Tensorrechnung stellt ein wichtiges Hilfsmittel zur Beschreibungphysikalischer und ingenieurwissenschaftlicher Probleme dar. Die Elastizitats-und Plastizitatstheorie, uberhaupt die ganze Kontinuumsmechanik sind ohnedie Verwendung des Tensorkalkuls undenkbar.

1.1 Tensoren erster Stufe

E 1.2 (erster Versuch einer Begriffsklarung) Im Modul Mathematik I habenwir den Begriff des Vektors in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet. Ei-nerseits wurden Vektoren als gerichtete Großen eingefuhrt. Vektoren in diesemSinne sind Tensoren erster Stufe. Andererseits haben wir den Begriff Vektor fureinspaltige Matrizen (Spaltenvektor) und einzeilige Matrizen (Zeilenvektor) ver-wendet. Vektoren in diesem Sinne konnen zwar zur Beschreibung von Tensorenerster Stufe verwendet werden, sind aber selbst keine Tensoren erster Stufe.

E 1.3 (zweiter Versuch einer Begriffsklarung) Der Begriff Tensor erster Stu-fe ist ein Oberbegriff fur physikalische Großen, die nicht nur einen Betrag, son-dern auch eine Richtung haben, und fur die Rechenregeln wie die Vektoradditionsinnvoll sind. Ein typisches Beispiel sind Krafte. Wichtig ist die Feststellung,dass die Kraft, die Ihr Korper gerade auf Ihren Stuhl ausubt, eine objekti-ve Große ist, die nicht von der subjektiven Wahl eines Koordinatensystemsabhangt.

Wenn eine Gruppe von Kraften im Gleichgewicht ist, so gilt dies unabhangigdavon, in welchem Koordinatensystem die Krafte beschrieben werden.

Tensoren ermoglichen eine Beschreibung der Realitat unabhangig von derWahl eines Koordinatensystems. Damit wird vermieden, dass das Ergebnis einerBerechnung von der Wahl des Koordinatensystems abhangt.

Aufg 1.4 Wiederholen Sie die Definition des Nullvektors, der Vektoraddition,der Multiplikation eines Vektors mit einem Skalar, der Linearkombination, derlinearen Abhangigkeit/Unabhangigkeit, des Skalarprodukts, des Kreuzproduktsund des Spatprodukts.

E 1.5 In diesen Definitionen kommt kein Koordinatensystem vor. Alle dar-aus abgeleiteten Beziehungen sind unabhangig von einem Koordinatensystemgultig, zum Beispiel

u× (v +w) = u× v + u×w,[a, b, c] = (a× b) · c,[a, b, c] = [b, c,a]

u× (v ×w) = (u ·w)v − (u · v)w, (1.1)

(a× b) · (c× d) = (a · c)(b · d)− (a · d)(b · c),(a× b)× (c× d) = [a, c,d]b− [b, c,d]a.

Vektoren in diesem Sinne sind Tensoren erster Stufe. Alle diese Definitionensind in dieser Weise fur Tensoren erster Stufe gultig.

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Bem 1.6 Die Beschreibung eines Tensors erster Stufe als Große mit Betragund Richtung ist allerdings zu elementar und nicht zureichend. Zum Beispielhat der elektrische Strom durch einen dunnen Leiter auch einen Betrag undeine Richtung. Wenn sich aber 2 Drahte in einer Ebene kreuzen, dann kannman deren physikalischen Effekt nicht durch einen einzigen Draht beschreiben,der in Richtung der Winkelhalbierenden liegt. Der elektrische Strom ist keinevektorielle Große, sie folgt nicht den Regeln der Vektoraddition. Es gibt alsoGroßen mit Betrag und Richtung, fur die eine Beschreibung als Vektor/Tensorerster Stufe ungeeignet ist.

Bem 1.7 In der linearen Algebra haben wir Vektoren als Zusammenfassung vonn Zahlen zu einem mathematischen Objekt eingefuhrt. Aber man kann nichtjede Liste von n Zahlen sinnvoll mit einer reellen Zahl multiplizieren. Mandenke an eine Liste von Maßen, die ein Schneider von einem Kunden nimmt,bevor er einen Anzug schneidert. Vektoren in diesem Sinne eignen sich nichtzur Definition eines Tensors erster Stufe.

Def 1.8 Wir benotigen im Folgenden das Kroneckersymbol δji , das durch

δji :=

{1 fur i = j,0 fur i 6= j,

definiert ist.

E 1.9 (Orthonormalbasis und Koordinaten) Wenn wir drei linear unabhangi-ge Tensoren erster Stufe, g1 = g1, g2 = g2 und g3 = g3, auszeichnen und alsBasis verwenden, konnen wir jeden Tensor erster Stufe als Linearkombinationdieser Basistensoren darstellen,

x = x1g1 + x2g2 + x3g3 =3∑i=1

xigi. (1.2)

Stehen die Basistensoren senkrecht aufeinander und sind sie normiert,

gi · gj = δji , i, j = 1, 2, 3, (1.3)

sprechen wir von einer Orthonormalbasis oder auch von einem kartesischenKoordinatensystem. Die Koordinaten xi haben die Darstellung

xi = x · gi. (1.4)

Dies kann man leicht herleiten, indem man die Gleichung (1.2) skalar mit denBasistensoren multipliziert und die Orthogonalitat (1.3) ausnutzt. Zusammen-gefasst kann man auch schreiben

x =

3∑i=1

(x · gi)gi. (1.5)

Warum wir die Indizes manchmal unten und manchmal oben schreiben undsomit fur ein und dasselbe Objekt zwei verschiedene Bezeichnungen verwenden,wird im Laufe des Kapitels klar werden.

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E 1.10 (Wechsel zwischen Orthonormalbasen) Wenn wir zu einer anderen Or-thonormalbasis g1 = g1, g2 = g2, g3 = g3 ubergehen, konnen wir die altenBasistensoren als Linearkombination der neuen Basistensoren darstellen. Miteiner zu (1.5) analogen Formel erhalten wir

gi =3∑j=1

(gi · gj)gj =3∑j=1

Aji gj

mit Aji = gi · gj . Fur den Tensor x gilt dann

x =3∑i=1

xigi =3∑i=1

xi3∑j=1

Aji gj ,

also

x =3∑j=1

xj gj mit xj =3∑i=1

xiAji , j = 1, 2, 3.

g1

g2x

g1

g2

E 1.11 (Einsteinsche Summenkonvention) In den Formeln tauchen oft Sum-men von 1 bis 3 auf, wobei der Summationsindex genau einmal als Subskript(unterer Index) und einmal als Superskript (oberer Index) auftritt. Wir wollenvereinbaren, diese Summenzeichen zukunftig wegzulassen. Wir schreiben alsozum Beispiel

x = xj gj mit xj = xiAji .

Diese Summationsregel wurde von Einstein eingefuhrt und wird manchmal alsEinsteinsche Summenkonvention bezeichnet. Man beachte, dass die Wahl desSummationsindexes keine Bedeutung hat,

xigi = x1g1 + x2g2 + x3g3 = xkgk,

man sollte jedoch kleine lateinische Buchstaben verwenden. In einem anderenZusammenhang wird bei Verwendung von kleinen griechischen Buchstaben nurvon 1 bis 2 summiert.

Den Index j in der Beziehung xj = xiAji bezeichnet man als freien Index .Er geht auch von 1 bis 3, und wir vereinbaren, dass die entsprechende Angabe

”j = 1, 2, 3“ ebenfalls weggelassen werden darf.

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E 1.12 (Koordinaten bei nichtorthogonaler Basis) Ab jetzt wollen wirdie Annahme fallenlassen, dass die Basis g1, g2, g3 ein Orthonormalsystembildet. Wunschenswert ware eine ahnlich einfache Berechnung der Koordinatenxi eines Tensors x = xigi erster Stufe wie in Formel (1.4). Wir werden zeigen,dass es Tensoren erster Stufe gibt, die wir mit g1, g2, g3 bezeichnen wollenund die im Allgemeinen von g1, g2, g3 verschieden sind, mit denen sich dieKoordinaten weiterhin mit Formel (1.4) berechnen lassen.

E 1.13 (biorthogonale Basis, duale Basis) Aus der Beziehung

xi = x · gi = (xjgj) · gi = xj(gj · gi)

folgt, dass die Beziehunggj · gi = δij (1.6)

gelten muss.In kartesischen Koordinaten gilt gi = gi. Im Allgemeinen ist g1, g2, g3 ei-

ne von g1, g2, g3 verschiedene Basis, die man als biorthogonale Basis oder

duale Basis bezeichnet.

g1

g2

g1

g2

E 1.14 (Berechnung der biorthogonalen Basis) Man kann die Basis g1, g2,g3 leicht angeben: Aus g2 · g1 = g3 · g1 = 0 folgt, dass

g1 = c1(g2 × g3)

mit einer geeigneten Konstanten c1 ist, die man durch die verbleibende Bedin-gung g1 · g1 = 1 bestimmen kann,

c1[g1 · (g2 × g3)] = 1.

Sei V = g1 · (g2 × g3) das Volumen des durch g1, g2 und g3 aufgespanntenParallelepipeds. Dann gilt

g1 =1

V(g2 × g3)

und durch analoge Betrachtungen

g2 =1

V(g3 × g1), g3 =

1

V(g1 × g2). (1.7)

αigi = 0

skalar mit gjmultiplizieren

U 1.15 Zeigen Sie, dass die Tensoren g1, g2 und g3 linear unabhangig sind,also tatsachlich als Basis taugen.

E 1.16 (Dualitat der Koordinatensysteme) Durch analoge Betrachtungen er-halt man die Formeln

g1 =1

V ′(g2 × g3), g2 =

1

V ′(g3 × g1), g3 =

1

V ′(g1 × g2),

wobei V ′ = g1 · (g2 × g3) das Volumen des durch g1, g2 und g3 aufgespanntenParallelepipeds ist.

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Bsp 1.17 Wir suchen eine Beziehung zwischen V ′ und V . Da V ′ = g1 ·(g2×g3)ist, leiten wir zuerst eine Formel fur g2 × g3 her. Mit (1.7) und (1.1) gilt

g2 × g3 =1

Vg2 × (g1 × g2) =

1

V[(g2 · g2)g1 − (g2 · g1)g2] =

1

Vg1,

also

V ′ = g1 · (g2 × g3) = g1 · 1

Vg1 =

1

V.

E 1.18 Wir haben also zwei Basen g1, g2, g3 und g1, g2, g3 gefunden, manbezeichnet sie auch als kovariante und kontravariante Basis .

Jeden Tensor erster Stufe x konnen wir in beiden Basen darstellen,

x = xigi = xigi, xi = x · gi, xi = x · gi.

Die gleichzeitige Verwendung zweier Basen ist nicht nur fur die Zerlegung derTensoren in Komponenten vorteilhaft, sondern auch bei verschiedenen Rech-nungen, siehe die Beispiele 1.19 und 1.23.

Bsp 1.19 (Skalarprodukt) Sei a = ajgj = ajgj und b = bigi = big

i. Dann giltmit (1.6) Uberschieben

erklaren: j = ia · b = ajgj · bigi = ajbiδ

ij = aibi,

a · b = ajgj · bigi = ajb

iδji = aibi.

Verwendet man fur beide Tensoren erster Stufe jedoch die gleiche Basis, erhaltman

a · b = ajgj · bigi = ajbiGij ,

a · b = ajgj · bigi = ajbiG

ij ,

mit den Metrikkoeffizienten große Buchsta-ben

Gij = gi · gj , Gij = gi · gj . (1.8)

In diesem Fall hat man also 9 Summanden bei der Berechnung des Skalarpro-dukts.

E 1.20 (Metrikkoeffizienten) Die Metrikkoeffizienten sind symmetrisch,

Gij = Gji, Gij = Gji.

E 1.21 (Heben und Senken von Indizes) Mit Hilfe der Metrikkoeffizientenkann man zwischen den kovarianten und den kontravarianten Koordinaten um-rechnen. Wir multiplizieren die Gleichung xig

i = xigi skalar mit gj bzw. gj siehe 1.18und erhalten

xj = xiGij bzw. xj = xiGij . (1.9)

Man bezeichnet dies auch als Heben und Senken von Indizes.Eine Formel fur das Heben und Senken der Indizes der Basistensoren erhalt

man, indem man in die Formel x = (x ·gi)gi = (x ·gi)gi fur x die Basistensorengj bzw. gj einsetzt,

gj = Gijgi bzw. gj = Gijgi. (1.10)

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E 1.22 Aus (1.9) erhalt man eine weitere Beziehung zwischen den Metrikkoef-fizienten, denn aus xi = GijG

jkxk folgt

GijGjk = δki .

Bsp 1.23 (Kreuzprodukt) Sei a = ajgj , b = bkgk und c = a× b = cigi. Dann

giltci = c · gi = (ajgj × bkgk) · gi = εijka

jbk

mit den Levi-Civita-Symbolen

εijk := (gj × gk) · gi =

+V, wenn (i, j, k) eine gerade Permutation

von (1, 2, 3) ist,−V, wenn (i, j, k) eine ungerade Permutation

von (1, 2, 3) ist,0, wenn 2 oder 3 Indizes gleich sind.

Dabei heißt eine Permutation von (1, 2, 3) gerade, wenn mit einer geraden An-zahl von Vertauschungen die Reihenfolge 1,2,3 hergestellt werden kann, andern-falls heißt die Permutation ungerade.

Bem 1.24 Das Permutationssymbol εijk ist oft nutzlich, um Formeln kurz undbundig darzustellen. Ist zum Beispiel A = [aij ] eine 3× 3-Matrix, dann gilt

detA = εijka1ia2ja3k

mit ε123 = ε231 = ε312 = 1 und ε213 = ε321 = ε132 = −1.

U 1.25 Beweisen Sie diese Formel.6 Summandenausschreiben

E 1.26 (Basiswechsel) Wenn wir zu einem anderen (nichtkartesischen) Koordi-natensystem g1, g2, g3 ubergehen, konnen wir auch hier die alten Basistensorenals Linearkombination der neuen Basistensoren darstellen,

gi = Aji gj , (1.11)

wobei wie in Bemerkung 1.10 die Formelneu hier: nichtorthogonaleBasen

Aji = gi · gj

gilt. Fur den Tensor x gilt dann x = xigi = xiAji gj , also

x = xigi = xj gj , xj = xiAji . (1.12)

Analog erhalt man

x = xigi = xj g

j , xj = xiAij , Aij = gi · gj . (1.13)

Die Koeffizienten Aji treten entsprechend auch in den Zerlegungen gi = Ajigjund gi = Aij g

j auf.

U 1.27 Verifizieren Sie die in Bemerkung 1.26 nicht hergeleiteten Beziehungen.

Bem 1.28 (Zusammenfassung) Ein Tensor erster Stufe ist eine objektive Gro-ße. Durch die Wahl einer Basis werden die Koeffizienten eindeutig festgelegt,(1.4). Bei einem Wechsel der Basis, (1.11), werden die Koeffizienten nach einerfesten Regel umgerechnet, (1.12).

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1.2 Tensoren zweiter Stufe

Wir definieren eine neue Rechenoperation mit Tensoren erster Stufe.

Def 1.29 Das Tensorprodukt oder dyadische Produkt a⊗b zweier Tensoren ers-ter Stufe a und b ergibt ein neues mathematisches Objekt. Das Tensorprodukterfullt die folgenden Rechenregeln:

(λa)⊗ b = λ(a⊗ b),a⊗ (λb) = λ(a⊗ b),

(a+ b)⊗ c = a⊗ c+ b⊗ c,a⊗ (b+ c) = a⊗ b+ a⊗ c,

(a⊗ b) · c = (b · c)a,a · (b⊗ c) = (a · b)c.

Das Produkt auf der linken Seite der letzen beiden Eigenschaften wird alsverjungendes Produkt bezeichnet; es wird uber das Skalarprodukt auf der rech-ten Seite definiert.

Bem 1.30 Itskov [Its07] zeigt, dass die 5. Eigenschaft ausreicht und alle an-deren Eigenchaften daraus hergeleitet werden konnen. Wir vereinigen hier derEinfachheit halber alle 6 Eigenschaften in der Definition.

Bem 1.31 Das Tensorprodukt ist nicht kommutativ. Als Beispiel betrachteman

(g1 ⊗ g2) · g2 = (g2 · g2)g1 = g1,

(g2 ⊗ g1) · g2 = (g1 · g2)g2 = 0.

Ware das Tensorprodukt kommutativ, kame in beiden Zeilen das gleiche Er-gebnis heraus.

Def 1.32 Sei g1, g2, g3 eine Basis im linearen Raum der Tensoren erster Stu-fe. Jede Linearkombination der 9 Tensorprodukte gi ⊗ gj bezeichnet man als

Tensor zweiter Stufe , d. h., jeder Tensor A zweiter Stufe besitzt eine Darstel-lung

A = Aijgi ⊗ gj . (1.14)

Bsp 1.33 Fur zwei Tensoren a = aigi und b = bjgj gilt mit Hilfe der Rechen-regeln

a⊗ b = (aigi)⊗ (bjgj) = aibjgi ⊗ gj .

Folglich ist a⊗ b ein Tensor zweiter Stufe. Tensor 2. Stufekann auch alslinearer Opera-tor betrachtetwerden, sieheBem. 1.38

Es lasst sich aber nicht jeder Tensor zweiter Stufe als dyadisches Produktzweier Tensoren erster Stufe darstellen, denn fur einen Tensor zweiter Stufekann man 9 Koeffizienten frei wahlen, wahrend man bei zwei Tensoren ersterStufe nur 6 Koeffizienten frei wahlen kann.

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E 1.34 (Heben und Senken bei Tensoren 2. Stufe) Die Darstellung (1.14)ist nicht die einzig mogliche. Mit (1.10) erhalten wir

A = Aijgi ⊗ gj = Aij(Gikgk)⊗ (Gjlg

l) = Aklgk ⊗ gl

mit der Umrechnungsformel

Akl = AijGikGjl.

Das ist nichts anderes als das Heben von zwei Indizes.Weitere Darstellungen sind

A = Ai·jgi ⊗ gj = A·ij gj ⊗ gi.

Bem 1.35 Man konnte die 9 Koeffizienten eines Tensors A auch als Vektor imR9 auffassen. Aber ein Basiswechsel konnte dann nicht mit denselben Regelnwie in Bemerkung 1.34 formuliert werden.

E 1.36 (Weitere Rechenoperationen) Durch die Definitionen 1.29 und 1.32sind weitere Rechenoperationen definiert. SeienA = Aijgi⊗gj undB = Bijgi⊗gj Tensoren zweiter Stufe, x = xkg

k und y = ykgk Tensoren erster Stufe und

λ, µ ∈ R Skalare. Dann gilt

A+B = (Aij +Bij)gi ⊗ gj ,λA = λAijgi ⊗ gj

A · x = Aijxjgi,

x ·A = xiAijgj .

Es gelten die Rechenregeln

A · (λx+ µy) = λA · x+ µA · y,(λA+ µB) · x = λA · x+ µB · x.

Die Multiplikation mit Null ergibt den Nulltensor O.

E 1.37 Die Koeffizienten eines Tensors A zweiter Stufe konnen wieder mit Hil-fe von Skalarprodukten (bzw. verjungenden Produkten) ausgerechnet werden,denn es gilt

gl ·A · gk = gl · (Aijgi ⊗ gj) · gk = Aij(gl · gi)(gj · gk) = Aijδliδkj = Alk.

Analog giltAlk = gl ·A · gk.

Itskov fuhrtTensoren zweiterStufe so ein.Das dyadischeProdukt a ⊗ b istdann die lineareAbbildung, die(a ⊗ b) · x =(b · x)a realisiert.Man muss dannaber arbeiten, umzur Tensorbasiszu kommen.

Bem 1.38 (Tensoren als lineare Abbildungen) Das verjungende Produkt ei-nes Tensors A zweiter Stufe mit einem Tensor erster Stufe x fuhrt auf einenTensor erster Stufe y = A · x.

Eine lineare Abbildung f(x) zwischen 2 Tensoren erster Stufe kann stetsmit Hilfe eines Tensors A zweiter Stufe geschrieben werden, A · x. Fur dieKoeffizienten Aij gilt

Aij = gi ·A · gj = gi · f(gj).

Probe:f(x) = gi · f(x) gi = gi · f(gj)xjgi = Aijxjgi = A · x.

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Bsp. weg-lassen, sieheMechanik

Bsp 1.39 (Spannungstensor) Die an einer bestimmten Stelle in einem Korperwirkenden Spannungen werden in ihrer Gesamtheit durch die Spannungen pi indrei Schnittflachen mit den Normalenvektoren (Tensoren erster Stufe in Nor-malenrichtung) gi beschrieben, die sich an der Stelle kreuzen. Diese bilden zu-sammengenommen den Spannungstensor

σ = pi ⊗ gi.Diese Konstruktion ergibt

σ · gj = (pi ⊗ gi) · gj = (gi · gj)pi = pj ,

alsopj = σ · gj .

Schreibt man den Spannungstensor in der Form σ = σijgi ⊗ gj und setzt einOrthonormalsystem voraus, gi · gj = δij , dann stellen die Komponenten σii dieNormalspannungen (also die Krafte die senkrecht zur Flache wirken) und dieKomponenten σij mit i 6= j die Schubspannungen dar (diese wirken tangentialzur Flache).

σ12

σ13

σ11

σ32

σ33

σ31

σ22

σ23

σ21

Die Tensorrechnung erlaubt, den Spannungszustand zunachst unabhangigvon einem bestimmten Koordinatensystem zu beschreiben.

Bsp 1.40 (Einheitstensor) Die in Beispiel 1.19 eingefuhrten Metrikkoeffizien-ten sind die Koeffizienten eines Tensors

Gijgi ⊗ gj = Gijgi ⊗ gj .

Die Multiplikation mit einem Tensor x erster Stufe ergibt unter Nutzung von(1.9),

(Gijgi ⊗ gj) · (xkgk) = Gijx

kδjkgi = Gijx

jgi = xigi = x,

(Gijgi ⊗ gj) · (xkgk) = Gijxkδkj gi = Gijxjgi = xigi = x.

Dieser Tensor zweiter Stufe wird deshalb als Einheitstensor manchmalauch E

I = Gijgi ⊗ gj = Gijgi ⊗ gj = δijgi ⊗ gj = δji g

i ⊗ gjbezeichnet, denn es gilt

I · x = x · I = x ∀x.

U 1.41 Verifizieren Sie die in Bemerkung 1.40 nicht hergeleiteten Beziehungen.

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Bsp 1.42 (Tragheitstensor) Der Tragheitstensor eines Korpers gibt seine Trag- Bsp. weglassenheitsmomente, also die Tragheit des Korpers bezuglich Drehungen an. Er spieltdamit fur Drehungen dieselbe Rolle, die die trage Masse fur lineare Bewegungenspielt. Da unsymmetrische Korper fur Drehungen in verschiedene Richtungenverschiedene Tragheitsmomente aufweisen (beispielsweise lasst sich ein homo-gener zigarrenformiger Korpers leichter um seine Langsachse als um seine Quer-achse drehen), reicht – anders als bei der tragen Masse – fur die Beschreibungdes Tragheitsmoments eine einzelne Zahl nicht aus, sondern es muss ein Tensorzweiter Stufe verwendet werden.

Sei ` der Drehimpuls des Teilchens, x der Ortsvektor des Teilchens, v seineGeschwindigkeit, ω die Winkelgeschwindigkeit, p der Impuls und m die Masse.Es gilt ` = x× p und p = mv = mω × x, also

` = mx× (ω × x).

Das doppelte Kreuzprodukt kann man vermeiden, indem man den Tragkeits-BaumechanikIII tensor J einfuhrt,

` = J · ω.

Es gilt mit Hilfe von (1.1)

` = mx× (ω × x)

= m[(x · x)ω − (x · ω)x]

= m[(x · x)ω − (x⊗ x) · ω]

= m[(x · x)I − x⊗ x] · ω,

also

J = m[(x · x)I − x⊗ x].

In Komponentenschreibweise lautet diese Formel

J = J ·ji gi ⊗ gj , J ·ji = m(xlx

lδji − xixj).

Fur einen einzelnen Massepunkt mit der Masse m und den kartesischen Koor-dinaten (x1, x2, x3) gilt also

J ·ji =

m∑l 6=i

x2l , wenn i = j,

−mxixj , wenn i 6= j.

Bei einem System von Massepunkten ist uber die Punkte zu summieren. Beieinem homogenen Korper mit der Dichte %(x1, x2, x3) geht die Summe in einIntegral uber:

J ·ji =

∑l 6=i

∫V%(x1, x2, x3)x

2l dV, wenn i = j,

−∫V%(x1, x2, x3)xixj dV, wenn i 6= j.

Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Tr%C3%A4gheitstensor.

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Def 1.43 (Inneres Produkt von Tensoren zweiter Stufe, Uberschieben)Die Multiplikation (inneres Produkt) zweier Tensoren zweiter Stufe wirdunabhangig von einem Koordinatensystem durch

(A ·B) · x = A · (B · x) ∀x

definiert.

Lem 1.44 Seien A = Aijgi ⊗ gj und B = Bijgi ⊗ gj Tensoren zweiter Stufe.

Dann gilt

A ·B = AijBjkgi ⊗ gk

Beweis Sei C = A ·B = Ci·kgi ⊗ gk und x = x`g`, dann ist

C · x = (Ci·kgi ⊗ gk) · x`g` = Ci·kx`giδ

k` = Ci·kx

kgi.

Desweiteren gilt mit A = Aingi ⊗ gn und B = Bjkgj ⊗ gk die Beziehung

A · (B · x) = A · [(Bjkgj ⊗ gk) · x`g`]= A · [Bjkx`gjδk` ]

= A · [Bjkxkgj ]= [Aingi ⊗ gn] · [Bjkxkgj ]= AinBjkx

kgiδjn

= AijBjkxkgi.

Folglich giltCi·kx

k = AijBjkxk

fur beliebige Zahlen xk, also muss Ci·k = AijBjk gelten. Damit ist die Behaup-tung gezeigt. q.e.d.

Bem 1.45 Wir haben es hier mit einem Tensor in gemischten Koordinatengi ⊗ gk zu tun, aber wir wissen ja, wie man Indizes hebt und senkt: Beziehung(1.10). Es gilt also z. B. auch

A ·B = AijBjkGklgi ⊗ g` = G`iA

ijBjkg` ⊗ gk.

Bem 1.46 Die Multiplikation A · B wird auch als Uberschieben bezeichnet.Umgangssprachlich bedeutet das, dass die innen stehenden Indices gleichgesetztwerden, wobei vorausgesetzt wird, dass ein Index oben und ein Index untensteht.

Man kann zwei Tensoren zweiter Stufe auch doppelt uberschieben und erhaltein Skalar:

A · ·B = AijBji

(a⊗ b) · ·(c⊗ d) = (b · c)(a · d)

Man beachte die Reihenfolge der Indizes.

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E 1.47 Der inverse Tensor A−1 ist uber die Beziehung

A ·A−1 = I

definiert und es gelten die Rechenregeln

(A−1)−1 = A

(A ·B)−1 = B−1 ·A−1.Man uberlegt sich diese Regeln wie folgt:

A ·A−1 = I =(A−1

)−1 ·A−1,I = B−1 ·B = B−1 · I ·B = B−1 ·A−1 ·A ·B.

E 1.48 Der transponierte Tensor AT ist durch die Beziehung

AT · x = x ·A ∀xdefiniert und es gelten die Rechenregeln

y ·AT · x = x ·A · y,(A ·B)T = BT ·AT ,

(AT )−1 = (A−1)T =: A−T ,

(AT )T = A.

Das Transponieren ist fur Tensoren erster Stufe nicht definiert!

Beweis Der Beweis benutzt mehrfach die Implikation

a · x = b · x ∀x ⇒ a = b.

Diese gilt, weil (a− b) ·x = 0 ∀x auch bedeutet, dass (a− b) · (a− b) = 0 unddamit |a− b| = 0. Analog gilt

A · x = B · x ∀x ⇒ A = B,

denn die Voraussetzung ist aquivalent zu x = B−1 ·A ·x ∀x, also B−1 ·A = Ibzw. A = B.

Die erste Rechenregel mit dem transponierten Tensor erhalt man uber

y ·AT · x = y · (x ·A) = (x ·A) · y = x ·A · y.Die zweite Beziehung kann man ebenfalls in einer Zeile zeigen:

BT ·AT · x = (AT · x) ·B = x ·A ·B = (A ·B)T · x.Aus I · x = x = x · I = IT · x folgt I = IT und somit gilt

I = IT = (A ·A−1)T = (A−1)T ·AT ,

wobei wir die vorherige Beziehung ausgenutzt haben. Aus dieser Gleichungs-kette folgt die dritte Beziehung.

Schließlich gilt

x · (A · y) = (x ·A) · y = y · (x ·A) = y · (AT · x)

= (y ·AT ) · x = x · (y ·AT ) = x ·((AT )T · y

),

woraus die letzte Beziehung folgt. q.e.d.

U 1.49 Sei A = Aijgi ⊗ gj = Aijgi ⊗ gj = A·ji g

i ⊗ gj = Ai·jgi ⊗ gj . Berechnen

Sie AT in diesen Basen.

14 WT 2015

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E 1.50 Ein Tensor zweiter Stufe heißt symmetrisch , wenn

A = AT ,

und antisymmetrisch , wenn

A = −AT .

Jeder Tensor zweiter Stufe kann als Summe eines symmetrischen und einesantisymmetrischen Tensors geschrieben werden, denn 1

2(A + AT ) ist symme-trisch und 1

2(A−AT ) ist antisymmetrisch.

E 1.51 Ein Tensor Q zweiter Stufe heißt orthogonal , wenn

Q ·QT = QT ·Q = I.

Es gilt

QT = Q−1.

Def 1.52 Das Paar (λ,x), x 6= 0, heißt Eigenpaar des Tensors zweiter StufeA, wenn

A · x = λx.

Die Zahl λ heißt Eigenwert .

Bem 1.53 In der Definition des Eigenpaars kommt kein Koordinatensystemvor. Folglich sind die Eigenwerte und Eigenelemente vom Koordinatensystemunabhangig.

E 1.54 Die Eigenwerte eines Tensors A zweiter Stufe sind die Nullstellen descharakteristischen Polynoms, das in einer gemischten Basis aufgestellt wird1.Die Definitionsgleichung fuhrt auf

Ai.jgi ⊗ gj · xkgk = λxkgk,

Ai.kxkgi = λδikx

kgi.

Koeffizientenvergleich liefert das lineare Gleichungssystem

(Ai.k − λδik)xk = 0

aus drei Gleichungen, das nur dann eine nicht-triviale Losung besitzt, wenn dieDeterminante der Koeffizientenmatrix verschwindet,∣∣∣∣∣∣

A1.1 − λ A1

.2 A1.3

A2.1 A2

.2 − λ A2.3

A3.1 A3

.2 A3.3 − λ

∣∣∣∣∣∣ = 0.

Diese charakteristische Gleichung kann auch in der Form

−λ3 + I1(A)λ2 − I2(A)λ+ I3(A) = 0

1Jede andere Basis fuhrt uber Heben und Senken von Indices auf dasselbe charakterischePolynom.

WT 2015 15

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mit den Invarianten

I1(A) = spur(A) := Ai.i

I2(A) = det(A) spur(A−1)

I3(A) = det(A)

geschrieben werden. Nach dem Wurzelsatz von Vieta bzw. wegen

−λ3 + I1(A)λ2 − I2(A)λ+ I3(A) = (λ1 − λ)(λ2 − λ)(λ3 − λ)

gilt

I1(A) = λ1 + λ2 + λ3

I2(A) = λ1λ2 + λ1λ3 + λ2λ3

I3(A) = λ1λ2λ3.

U 1.55 Warum heißen die Invarianten Invarianten? Zeigen Sie

I2(A) = 12(I1(A)2 − I1(A2)).

I2(A) = I3(A) I1(A−1).

Satz 1.56 Die Eigenwerte eines symmetrischen Tensors sind reell und Eigen-elemente zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal.

U 1.57 Man finde alle Eigenpaare der Dyade a⊗ b.

Bsp 1.58 (Spannungstensor) Es ist sinnvoll, die Eigenelemente des Span-nungstensors als Basis g1, g2, g3 zu verwenden, man spricht von einer Haupt-achsentransformation. Zum einen ergibt sich bei Normierung ein Orthonormal-system. Zum anderen verschwinden in diesem Koordinatensystem alle Schub-spannungen. Die drei Normalspannungen in diesem Koordinatensystem sind dieEigenwerte des Spannungstensors.

σ21

σ22

σ11

σ12

σ22

σ11

16 WT 2015

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1.3 Tensoren hoherer Stufe

E 1.59 Das Tensorprodukt kann man verallgemeinern und Objekte der Forma ⊗ b ⊗ c oder a ⊗ b ⊗ c ⊗ d, . . . einfuhren. Jede Linearkombination der 3n

Tensorproduktegi1 ⊗ gi2 ⊗ . . .⊗ gin︸ ︷︷ ︸

n−mal

bezeichnet man als Tensor n-ter Stufe . Die Rechenoperationen werden wie inAbschnitt 1.2 definiert.

Bsp 1.60 Als Beispiel fur einen Tensor dritter Stufe betrachten wir den Levi-Civita-Tensor bzw. ε-Tensor

E = εijkgi ⊗ gj ⊗ gk,

dessen Komponentenεijk := (gj × gk) · gi

wir schon in Beispiel 1.23 eingefuhrt hatten. Es gilt

E · ·y ⊗ x = x× y,E · · · z ⊗ y ⊗ x = x · (y × z).

Bsp 1.61 Ein Tensor vierter Stufe tritt in der linearen Elastizitatstheorie auf.Der Verzerrungstensor ε und der Spannungstensor σ sind Tensoren zweiterStufe, die durch durch das Hookesche Gesetz

σ = C · · ε

in Beziehung gesetzt werden. Der Tensor C enthalt Materialkonstanten. EinTensor vierter Stufe wird durch 34 = 81 Koeffizienten bestimmt, aber aufgrundvon Symmetrieeigenschaften enthalt C nur maximal 21 unabhangige Koeffizi-enten, bei isotropem Material sogar nur 2.

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2 Tensorfelder

Bem 2.1 Bisher haben wir uns mit einzelnen Tensoren und einer festen Basisbeschaftigt. In diesem Kapitel betrachten wir vom Ort abhangige Tensoren, dieman auch als Tensorfelder bezeichnet. Zur Beschreibung des Ortes wollen wirallgemeine krummlinige Koordinaten verwenden (vergleiche Mathematik III:Kurven und Flachen im Raum), so dass die Basis in jedem Punkt eine anderesein kann. Wir konzentrieren uns hier vor allem auf Differentiationsregeln furWas ist der

Gradient,wenn wir Ku-gelkoordinatenverwenden?

solche Tensorfelder.

2.1 Krummlinige Koordinaten

E 2.2 Ein Punkt P wird durch drei Zahlen beschrieben, die Koordinaten; nen-nen wir sie q1, q2, q3 und schreiben P (q1, q2, q3). Die Bedeutung der drei Zahlenergibt sich aus dem verwendeten Koordinatensystem. Wir wollen annehmen,dass uns die Zuordnung von Koordinaten zum Punkt bekannt ist: sind Koor-dinaten gegeben, wissen wir welcher Punkt gemeint ist, und zu jedem Punktkonnen wir die zugehorigen Koordinaten angeben.

Wenn wir zwei der drei Koordinaten festhalten und die dritte variieren, er-halten wir eine Raumkurve, eine Koordinatenlinie .

Wenn wir einen Koordinatenursprung O festlegen, konnen wir den PunktP (q1, q2, q3) auch durch seinen Ortsvektor r =

−−→OP charakterisieren,

r = r(q1, q2, q3).

0

r

P (q1, q2, q3)

q1

q2

q3

Abbildung 1: Punkt P mit Ortsvektor r und Koordinatenlinien

Die Vektoren2

gi :=∂r(q1, q2, q3)

∂qi(2.1)

sind Tangentenvektoren an die Koordinatenlinien3. Man beachte, dass ein obe-rer Index im

”Nenner“ wie ein unterer Index behandelt wird.

2Der Einfachheit halber verwenden wir den Begriff Vektor fur Tensoren erster Stufe.3Die Differenz r(q1 + ∆q1, q

2, q3) − r(q1, q2, q3) beschreibt die Richtung einer Sekante. Ska-lieren mit (∆q1)−1 und Grenzubergang liefert die Richtung der Tangente.

18 WT 2015

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Wenn der Punkt P kein singularer Punkt des Koordinatensystems ist, dannsind die drei Vektoren g1, g2, g3 linear unabhangig. Damit haben wir im PunktP eine Basis konstruiert. Diese andert sich im Allgemeinen von Punkt zu Punkt.

Def 2.3 Bildet die Basis ein Orthonormalsystem und ist von P unabhangig,dann bezeichnen wir das Koordinatensystem als kartesisch , andernfalls als

krummlinig .

Wie in Kapitel 1 definieren wir die duale (biorthogonale) Basis g1, g2, g3

durch die Gleichungengi · gj = δij .

Die Metrikkoeffizienten

Gij := gi · gj , Gij := gi · gj ,

sind die Komponenten des Metriktensors bzw. Einheitstensors I, siehe Beispiel1.40.

E 2.4 (Koordinatentransformationen) Gehen wir von Koordinaten q1, q2, q3

zu Koordinaten q1, q2, q3 uber, dann gilt wegen

gi =∂r

∂qiund gj :=

∂r

∂qj

die Beziehung

gi =∂r

∂qi=

∂r

∂qj∂qj

∂qi= gj

∂qj

∂qi.

Man kann diese Transformation der Koordinatenvektoren wieder schreiben als

gi = Aji gj , Aji :=∂qj

∂qi

bzw.

gi = Ajigj , Aji :=∂qj

∂qi,

man vergleiche Bemerkung 1.26: Die Beziehung Aji = gi ·gj gilt naturlich immer

noch, aber jetzt haben wir einen Ausdruck fur Aji , ohne die gj berechnet zuhaben.

Ist f = f igi = f j gj ein Tensor erster Stufe, dann ergibt sich mit den Umre-

chenformeln zum Beispiel die Beziehung f igi = f jAijgi, also

f i = Aij fj .

WT 2015 19

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Bsp 2.5 (Zylinderkoordinaten) Mit Hilfe der kartesischen Koordinaten x1, x2,x3 konnen Zylinderkoordinaten (q1, q2, q3) = (%, ϕ, z) erklart werden werden,

x1 = % cosϕ,

x2 = % sinϕ,

x3 = z.

Damit ist % der Abstand von der x3-Achse und ϕ der Polarwinkel.

x2

x3

x1

·

·

ϕ

ρ

P

z

Bezeichnen e1, e2, e3 die kartesischen Basisvektoren, dann gilt

r = x1 e1 + x2 e2 + x3 e3

= % cosϕ e1 + % sinϕ e2 + z e3,

g1 =∂r

∂%= cosϕ e1 + sinϕ e2,

g2 =∂r

∂ϕ= −% sinϕ e1 + % cosϕ e2

g3 =∂r

∂z= e3.

U 2.6 Man zeige, dass die Vektoren g1, g2, g3 aus Beispiel 2.5 ein Orthogonal-system bilden und dassSkalarprodukt

bilden|g1| = 1, |g2| = %, |g3| = 1

gilt. Man schlussfolgere daraus die Beziehungen

g1 = g1, g2 = %−2g2, g3 = g3

und

[Gij ]3i,j=1 =

1 0 00 %2 00 0 1

, [Gij ]3i,j=1 =

1 0 00 %−2 00 0 1

.

Bem 2.7 Man konnte auch zu einer Orthonormalbasis ubergehen. Durch dieSkalierung verlore man aber die grundlegende Beziehung (2.1).

20 WT 2015

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Bsp 2.8 (Kugelkoordinaten) Kugelkoordinaten (q1, q2, q3) = (r, θ, ϕ) werdenmit Hilfe der kartesischen Koordinaten x1, x2, x3 durch die Gleichungen

x1 = r sin θ cosϕ,

x2 = r sin θ sinϕ,

x3 = r cos θ

erklart. Damit ist r = |r| der Abstand vom Koordinatenursprung.

x2

x3

x1

·

·

ϕ

θ

P

r

Analog zu Beispiel 2.5 erhalt man

r = x1 e1 + x2 e2 + x3 e3

= r sin θ cosϕ e1 + r sin θ sinϕ e2 + r cos θ e3,

g1 =∂r

∂r= sin θ cosϕ e1 + sin θ sinϕ e2 + cos θ e3,

g2 =∂r

∂θ= r cos θ cosϕ e1 + r cos θ sinϕ e2 − r sin θ e3,

g3 =∂r

∂ϕ= −r sin θ sinϕ e1 + r sin θ cosϕ e2.

U 2.9 Man zeige, dass die Vektoren g1, g2, g3 aus Beispiel 2.8 orthogonal sindund dass

|g1| = 1, |g2| = r, |g3| = r sin θ

gilt. Man schlussfolgere daraus die Beziehungen

g1 = g1, g2 = r−2 g2, g3 = (r sin θ)−2 g3

und

[Gij ]3i,j=1 =

1 0 00 r2 00 0 (r sin θ)2

, [Gij ]3i,j=1 =

1 0 00 r−2 00 0 (r sin θ)−2

.

WT 2015 21

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2.2 Differentiale und der Gradient einer skalaren Funktion

Def 2.10 Das Differential dr ist definiert als

dr :=∂r

∂qidqi = gi dqi,

wobei uber i summiert wird4. Man kann sich dr als infinitesimalen Vektor vomPunkt (q1, q2, q3) zum Punkt (q1 + dq1, q2 + dq2, q3 + dq3) veranschaulichen.

Folgerung 2.11 Es gilt

dqi = gi · dr = dr · gi. (2.2)

Folgerung 2.12 Fur die Lange ds des infinitesimalen Vektors dr gilt

(ds)2 = dr · dr = gi dqi · gj dqj = Gij dqi dqj . (2.3)

Rechts steht eine quadratische Form mit den kovarianten Komponenten desMetriktensors.

Bsp 2.13 In kartesischen, Zylinder- und Kugelkoordinaten gilt

(ds)2 = (dx1)2 + (dx2)2 + (dx3)2

= (d%)2 + %2 (dϕ)2 + (dz)2

= (dr)2 + r2 (dθ)2 + r2 sin2 θ (dϕ)2.

E 2.14 Sei f(q1, q2, q3) eine skalare Funktion in den Variablen qi. Das Differen-tial von f ist definiert als

df :=∂f

∂qidqi.

Mit (2.2) gilt folglich

df =∂f

∂qidqi =

∂f

∂qigi · dr = gi

∂f

∂qi· dr.

Def 2.15 Der Vektor

∇f = gi∂f

∂qi

wird als Gradient von f bezeichnet. Der symbolische Vektor

∇ := gi∂

∂qi(2.4)

heißt Nabla-Operator .

4Ein oberer Index im”Nenner“ wird wie ein unterer Index behandelt.

22 WT 2015

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Bsp 2.16 In Zylinderkoordinaten lautet der Gradient von f

∇f = gi∂f

∂qi= g1

∂f

∂%+ g2

∂f

∂ϕ+ g3

∂f

∂z

= g1∂f

∂%+ g2

1

%2∂f

∂ϕ+ g3

∂f

∂z

mit gi und gj aus Beispiel 2.5. Da die gi orthogonal sind, gilt mit Ubung 2.6

|∇f |2 =∣∣g1∣∣2 ∣∣∣∣∂f∂%

∣∣∣∣2 +∣∣g2∣∣2 ∣∣∣∣∂f∂ϕ

∣∣∣∣2 +∣∣g3∣∣2 ∣∣∣∣∂f∂z

∣∣∣∣2=

∣∣∣∣∂f∂%∣∣∣∣2 + %−2

∣∣∣∣∂f∂ϕ∣∣∣∣2 +

∣∣∣∣∂f∂z∣∣∣∣2 .

U 2.17 (Normalenvektor auf einer Isoflache) Gegeben sei eine skalare Funk-tion φ(q1, q2, q3). Dann beschreibt

φ(q1, q2, q3) = c

eine Flache im Raum, die Isoflache der Funktion φ zum Niveau c. Der Vektor∇φ zeigt in Normalenrichtung. (Auf der Oberflache ist dφ = 0, also ∇φ · dr =0, das heißt, der Gradient steht senkrecht auf allen Tangentenrichtungen drbzw. infinitesimal kleinen Bewegungen dr in der Isoflache.) Die auf Lange Einsnormierte Normale ist also

n =∇φ|∇φ| .

Es gilt

∇φ =∂φ

∂qigi

|∇φ|2 = ∇φ · ∇φ =∂φ

∂qmgm · ∂φ

∂qngn = Gnm

∂φ

∂qm∂φ

∂qn,

also

n =

∂φ

∂qi√Gnm

∂φ

∂qm∂φ

∂qn

gi =

Gij∂φ

∂qi√Gnm

∂φ

∂qm∂φ

∂qn

gj .

U 2.18 (Winkel zwischen zwei Isoflachen) Der Winkel α zwischen den Isofla-chen

φ(q1, q2, q3) = c1 und ψ(q1, q2, q3) = c2

ist in einem Schnittpunkt definiert durch

cosα = nφ · nψ

=

Gij∂φ

∂qi√Gnm

∂φ

∂qm∂φ

∂qn

gj ·

∂ψ

∂qk√Grt

∂ψ

∂qr∂ψ

∂qt

gk =

Gij∂φ

∂qi∂ψ

∂qj√Gnm

∂φ

∂qm∂φ

∂qn

√Grt

∂ψ

∂qr∂ψ

∂qt

.

Die Flachen stehen senkrecht aufeinander, wenn

Gij∂φ

∂qi∂ψ

∂qj= 0

gilt.

WT 2015 23

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U 2.19 (Koordinatenflachen) Speziell gilt fur die Normalenvektoren auf denKoordinatenflachen q1 = c1 und q2 = c2

n1 =1√G11

g1 =G1j

√G11

gj

n2 =1√G22

g2 =G2k

√G22

gk

und damit gilt fur den Schnittwinkel α12

cosα12 = n1 · n2 =G1j

√G11

gj ·1√G22

g2 =G12

√G11√G22

.

Die Koordinatenflachen stehen senkrecht aufeinander, wenn G12 = 0 gilt.

2.3 Differentiation von Tensorfeldern

E 2.20 Wir betrachten eine Vektorfunktion f(q1, q2, q3) und differenzieren die-se nach qj :

∂f

∂qj=∂(f igi)

∂qj=∂f i

∂qjgi + f i

∂gi∂qj

.

Wahrend bei einem kartesischen Kordinatensystem der zweite Term verschwin-det, hangt gi im Allgemeinen auch von q1, q2, q3 ab. Wir wollen uns jetzt dieseAbleitung genauer ansehen.

Def 2.21 Der Vektor ∂gi

∂qjkann in der Basis g1, g2, g3 bzw. g1, g2, g3 dargestellt

werden:∂gi∂qj

= Γijkgk = Γkijgk, (2.5)

wobei die Zerlegungskoeffizienten Γijk bzw. Γkij als Christoffel-Symbole 1. bzw.2. Art bezeichnet werden.

Folgerung 2.22 Es gelten die BeziehungenUbung 2.29kann beliebigvorgezogenwerden.

Γijk =∂gi∂qj· gk, Γkij =

∂gi∂qj· gk (2.6)

sowieΓijk = Γnij Gnk, Γkij = ΓijnG

nk.

Folgerung 2.23 Die Christoffel-Symbole besitzen die Symmetrieeigenschaften

Γijk = Γjik, Γkij = Γkji.

Beweis

Γkij =∂gi∂qj· gk =

∂qj∂r

∂qi· gk =

∂qi∂r

∂qj· gk =

∂gj∂qi· gk = Γkji

q.e.d.

Folgerung 2.24 Die Ableitung einer Vektorfunktion kann also wie folgt ge-schrieben werden:

∂f

∂qj=∂f i

∂qjgi + f i

∂gi∂qj

=∂fk

∂qjgk + f i Γkijgk =

(∂fk

∂qj+ f i Γkij

)gk.

24 WT 2015

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Def 2.25 (kovariante Ableitung der kontravarianten Komponenten) Manschreibt auch ∇jfk fur den Klammerausdruck in Folgerung 2.24, das heißt,

∇jfk :=∂fk

∂qj+ f i Γkij ,

∂f

∂qj= (∇jfk) gk,

und bezeichnet ∇jfk als die kovariante Ableitung der kontravarianten Kompo-nenten von f .

U 2.26 (Testfrage) Welchen Wert haben die Christoffel-Symbole bei einemkartesischen Koordinatensystem? uberlegen

Bem 2.27 Die Christoffel-Symbole hangen nicht nur von den Basisvektoren ab,sondern auch von der Anderungsrate der Basisvektoren von Punkt zu Punkt,siehe (2.6). Diese Anderungsrate folgt nicht den Transformationsregeln fur Ten-soren, deshalb sind die Christoffel-Symbole keine Komponenten eines Tensors,auch wenn die Notation so aussieht.

Allerdings gelten bekannte Formeln fur das Heben und Senken von Indizes.Wegen Γijkg

k = Γkijgk gilt Γijkgk · g` = Γkijgk · g` = Γ`ij , also

Γ`ij = ΓijkGk`.

E 2.28 Es gilt auch

Γkij = −∂gk

∂qj· gi, (2.7)

denn mit (2.6) folgt folgt aus 2.23

Γkij =∂gi∂qj· gk =

∂(gi · gk)∂qj

− ∂gk

∂qj· gi =

∂δki∂qj− ∂gk

∂qj· gi = −∂g

k

∂qj· gi.

U 2.29 Wir bestimmen die Christoffel-Symbole 2. Art fur Zylinderkoordinaten.Aus den Definitionsgleichungen, siehe Beispiel 2.5, erhalten wir

∂g1∂%

=0,∂g1∂ϕ

=1

%g2,

∂g1∂z

=0,

∂g2∂%

=1

%g2,

∂g2∂ϕ

=−% g1,∂g2∂z

=0,

∂g3∂%

=0,∂g3∂ϕ

=0,∂g3∂z

=0.

Daraus ergibt sich, dass alle Christoffelsymbole verschwinden, außer

Γ122 = −%, Γ2

12 = Γ221 =

1

%.

U 2.30 Analog ergibt sich fur Kugelkoordinaten

Γ122 = −r, Γ2

12 = Γ221 = Γ3

13 = Γ331 =

1

r,

Γ323 = Γ3

32 = cot θ, Γ133 = −r sin2 θ, Γ2

33 = − sin θ cos θ.

WT 2015 25

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E 2.31 (kovariante Ableitung der kovarianten Komponenten) In Definition2.25 haben wir die kovariante Ableitung der kontravarianten Komponentendefiniert. Wir konnen den Tensor f aber auch mit kovarianten Koeffizientendarstellen. Es gilt zunachst analog zu Bemerkung 2.20

∂f

∂qj=∂(fi g

i)

∂qj=∂fi∂qj

gi + fi∂gi

∂qj.

Mit (2.5) und durch Umdefinieren des Summationsindexes folgt weiter

∂f

∂qj=∂fi∂qj

gi − fiΓikjgk =∂fi∂qj

gi − fkΓkijgi = (∇jfi)gi, (2.8)

wobei die kovariante Ableitung der kovarianten Komponenten durch

∇jfi =∂fi∂qj− fkΓkij

definiert ist.

Bem 2.32 (Ableitung von Produkten) Es gelten die Produktregeln

∂(a · b)∂qj

=∂a

∂qj· b+ a · ∂b

∂qj,

∂(a⊗ b)∂qk

=∂a

∂qk⊗ b+ a⊗ ∂b

∂qk.

Die Herleitung kann aus der Definition der Ableitung erfolgen.

E 2.33 (kovariante Ableitung eines Tensors 2. Stufe) Ableitungen eines Ten-sors 2. Stufe kann man mit ahnlichen Uberlegungen bestimmen:

∂A

∂qk=

∂(Aijgi ⊗ gj)∂qk

=∂Aij

∂qkgi ⊗ gj +Aij

(∂gi∂qk⊗ gj + gi ⊗

∂gj∂qk

)=

∂Aij

∂qkgi ⊗ gj +Aij

(Γtikgt ⊗ gj + gi ⊗ Γtjkgt

)=

∂Aij

∂qkgi ⊗ gj +AsjΓtskgt ⊗ gj +Aisgi ⊗ Γtskgt

=

(∂Aij

∂qk+ ΓiskA

sj + ΓjksAis

)gi ⊗ gj

= (∇kAij)gi ⊗ gjwobei

∇kAij :=∂Aij

∂qk+ ΓiskA

sj + ΓjksAis

definiert wird. Analog gilt

∂A

∂qk= (∇kAij)gi ⊗ gj

mit

∇kAij :=∂Aij∂qk

− ΓskiAsj − ΓskjAis.

Bem 2.34 Fur weitere Formeln sei auf die Literatur verwiesen.

26 WT 2015

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Bem 2.35 Bei orthogonalen Basen reichen statt der Zahlen Γkij die drei Großen

Hi =√Gii.

2.4 Gradient, Divergenz und Rotation von Vektorfunktionen

E 2.36 (Differential und Gradient einer Vektorfunktion) Wir betrachten ei-ne Vektorfunktion f(q1, q2, q3). Fur das Differential gilt mit (2.2)

df =∂f

∂qidqi =

∂f

∂qi(dr · gi) = (dr · gi) ∂f

∂qi= dr ·

(gi ⊗ ∂f

∂qi

)= dr · ∇f

mit dem Vektorgradienten

∇f = ∇⊗ f = gi ⊗ ∂f

∂qi, (2.9)

der ein Tensor 2. Stufe ist.

U 2.37 Man wiederhole das Transponieren von Tensoren 2. Stufe, siehe Bemer-kung 1.48, und folgere, dass vorbereiten!

df = ∇fT · dr

gilt.

Folgerung 2.38 (kovariante Komponenten des Vektorgradienten) Es gilt mit(2.9) und (2.8)

∇f = gi ⊗ ∂f

∂qi= gi ⊗ (∇ifj)gj = ∇ifj gi ⊗ gj ,

das heißt, die ∇ifj sind die kovarianten Komponenten des Vektorgradienten∇f . Analog gilt

∇f = ∇if j gi ⊗ gj ,das heißt, die ∇if j sind gemischte Komponenten des Vektorgradienten ∇f .

Def 2.39 (Divergenz und Rotation) Mit Hilfe des Nabla-Operators, siehe (2.4),wird auch die Divergenz

div f = ∇ · f = gi · ∂f∂qi

und die Rotation

rotf = ∇× f = gi × ∂f

∂qi

definiert.

U 2.40 (Berechnung der Divergenz) Es gilt

div f = gi · ∂f∂qi

= gi ·(∇jfkgk

)= ∇jfk(gi · gk) = ∇kfk.

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Page 28: Tensorrechnung - ZAH, Landessternwarte Königstuhl · Bem 1.1 Die Tensorrechnung stellt ein wichtiges Hilfsmittel zur Beschreibung ... f ur die eine Beschreibung als Vektor/Tensor

U 2.41 (Berechnung der Rotation) Es gilt

rotf = gj × ∂f

∂qj= gj ×

(∇jfkgk

)= ∇jfk gj × gk = ∇jfkεijkgi.

E 2.42 Analog kann man Gradient und Divergenz von Tensorfunktionen k-terStufe, k ≥ 2, definieren. Man erhalt eine Tensorfunktion (k+1)-ter bzw. (k−1)-ter Stufe.

U 2.43 Fur den Ortsvektor r gilt

∇r = gi ⊗ ∂r

∂qi= gi ⊗ gi = I,

∇ · r = gi · ∂r∂qi

= gi · gi = 3,

∇× r = gi × ∂r

∂qi= gi × gi = 0.

Die letzte Beziehung erhalt man mit Hilfe der Beziehungen gi×gi = Gijgi×gj ,

gi × gj = −gj × gi und Gij = Gji.

U 2.44 (Differentiationsregeln) Man kann nun verschiedene Differentiations-regeln herleiten:

∇(φψ) = gi∂(φψ)

∂qi

= gi(∂φ

∂qiψ + φ

∂ψ

∂qi

)= ψ∇φ+ φ∇ψ,

∇(φf) = gi ⊗ ∂(φf)

∂qi

= gi ⊗(∂φ

∂qif + φ

∂f

∂qi

)= gi

∂φ

∂qi⊗ f + φ gi ⊗ ∂f

∂qi

= ∇φ⊗ f + φ∇f ,

Mit der Formel zur Ableitung des Skalarprodukts (Bemerkung 2.32) folgt

∇(a · b) = gi∂(a · b)∂qi

= gi(∂a

∂qi· b+

∂b

∂qi· a)

=

(gi ⊗ ∂a

∂qi

)· b+

(gi ⊗ ∂b

∂qi

)· a

= ∇a · b+∇b · a

Weitere Formeln findet man in der Literatur.

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