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TESLA Linear-Collider Projekt Abbildung 111: Lageplan des Linear-Collider Tunnels in Hamburg und im Kreis Pinneberg. 238

TESLA Linear-Collider Projekt - desy.de · PDF fileTESLA Linear-Collider Projekt TESLA Test Facility Linac-Betrieb und Erweiterungen Im Rahmen der Voruntersuchungen zum TESLA-Projekt

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TESLA Linear-Collider Projekt

Abbildung 111: Lageplan des Linear-Collider Tunnels in Hamburg und im Kreis Pinneberg.

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TESLA Linear-Collider Projekt

Voruntersuchungen zum TESLALinear-Collider Projekt

In der internationalen Gemeinschaft der Hochener-gie-Physik besteht eine breite Übereinstimmung,dass eine lineare Elektron-Positron Kollisions-Maschine im Energiebereich von etwa 500–1000GeV als nächstes Großprojekt realisiert werdensollte. Weltweit werden seit etwa 10 Jahren inten-siv die technischen Entwicklungen und Planungenfür eine solche Anlage vorangetrieben, wobei vonden verschiedenen Arbeitsgruppen unterschiedli-che technische Konzepte verfolgt werden.

Die Besonderheit des Ansatzes von TESLA liegtin der Verwendung supraleitender Beschleuniger-strukturen. Die Vorteile gegenüber konventionellerTechnologie liegen dabei in einer sehr hohen Effi-zienz der Strahlbeschleunigung (Verhältnis Strahl-leistung zu primärer Anschlussleistung), einerexzellenten Strahlqualität sowie einer sehr vorteil-haften Zeitstruktur der Strahlpulse. Die Leistungs-fähigkeit des TESLA-Colliders, gemessen an derWechselwirkungsrate, die sogenannte Luminosität,ist höher als bei einem konventionellen Linearbe-schleuniger. Die gleichen Argumente gelten bei derAnwendung eines supraleitenden Linearbeschleuni-gers als Treiber für eine Freie-Elektronen Röntgen-Laser (X-FEL) Anlage, mit der kohärente Strah-lung extrem hoher Brillianz bis zu Wellenlängenim Ångstrøm Bereich für ein breites Spektrum wis-senschaftlicher Forschung nutzbar gemacht werdenkann. Bei der Planung von TESLA ist daher die Ein-beziehungeinerX-FELNutzer-Anlageals integralerBestandteil des Projekts vorgesehen.

Im Berichtszeitraum konzentrierten sich die Arbeiten– im Rahmen einer breiten internationalen Kollabora-tion – auf die Fertigstellung eines Projektvorschlages(Technical Design Report, TDR), in dem das vollstän-dige Design für die zukünftige Anlage sowie die Kos-ten und das benötigte Personal zusammengestellt sind.Gleichzeitig konnten an der TESLA Testanlage (TTF)

weitere Fortschritte beim Entwicklungsprogramm fürdie supraleitenden Beschleunigerstrukturen, beim Be-trieb des Test-Linearbeschleunigers und bei der Inbe-triebnahme der FEL-Testanlage erzielt werden (sieheSeite 241 und 245).

Fortschritt der Design-Arbeiten

Die Arbeiten am TDR konnten bis Ende 2000 weitge-hend abgeschlossen werden, so dass das Ziel, den tech-nischen TESLA-Projektvorschlag im Frühjahr 2001demDeutschenWissenschaftsrat zurBegutachtungvor-zulegen, eingehalten werden kann. Diese Begutachtungwird ein erster, wichtiger Schritt auf dem Wege zurGenehmigung von TESLA als internationalem Projektsein.

Parallel zu den Arbeiten am technischen Design wurdendie detaillierten Studien für die Möglichkeit, TESLAin der Nähe von DESY zu errichten, fortgesetzt. DieUntersuchungen bezogen die Auslegung der erforder-lichen Bauten, wie Tunnel, Strahlverteilung und Ex-perimentierhallen für die Teilchenphysik und X-FEL-Nutzer, sowie die Schätzung der damit verbundenenKosten ein. Im Rahmen der Designarbeiten für TESLAwurden zahlreiche beschleunigerphysikalische Studiendurchgeführt, auf die hier im Folgenden nur kurz undbeispielhaft eingegangen werden kann.

Die theoretischen Untersuchungen für eine neuar-tige Elektronenquelle zur Erzeugung eines ,,flachen“Strahls, wie er für den Collider benötigt wird, zeig-ten, dass es im Prinzip möglich sein sollte, auf einender beiden Dämpfungsringe bei TESLA zu verzichten,waseineerheblicheKostenersparnisundVereinfachungder Komplexität der Anlage erbringen würde. Das beiDESY entwickelte neue strahloptische Konzept hierfürwurde im Berichtszeitraum erstmals erfolgreich in Zu-

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sammenarbeit mit Mitarbeitern vom Fermilab (Batavia,USA) am dortigen A0-Testbeschleuniger experimentellbestätigt.

Die Strahldynamik in dem für den Collider- und FEL-Strahl gemeinsam benutzten Teil des TESLA Linearbe-schleunigers wurde detailliert untersucht, und es konntegezeigt werden, dass der gleichzeitige Betrieb mit sehrunterschiedlichen Strahlenergien über einen weiten Be-reich problemlos möglich ist. Die Energiebandbreitedes FEL-Strahführungssystems wurde optimiert, wasein schnelles ,,Tuning“ der Laser-Wellenlänge in derNutzer-Anlage erlaubt. Ferner konnte gezeigt werden,dass die Effekte durch strahlinduzierte Felder (höhereModen) in den Beschleuniger-Strukturen weitgehendstationär sind und damit sehr effizient durch ein Feed-Forward System beseitigt werden können. Der Prototypeines solchen Systems wurde erfolgreich an der TTFgetestet.

Das Konzept zur Reduktion von Raumladungseffek-ten im Dämpfungsring wurde detailliert mit Compu-tersimulationen untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dassdieses potenzielle Problem im Rahmen des für TESLAvorgesehenen Bereichs von Strahlparametern keine Li-mitierung mehr darstellt.

Vorbereitung des Planfeststellungs-verfahrens für TESLA

Der geplante TESLA-Tunnel beginnt auf dem DESY-Gelände in Hamburg-Bahrenfeld und verläuft in Rich-tung Nordnordwest durch den Kreis Pinneberg bis zurGemeinde Westerhorn (Abb. 111). Er liegt also inder Freien und Hansestadt Hamburg und dem LandSchleswig-Holstein. Beide Bundesländer haben im Jahr1998 einen Staatsvertrag für die Schaffung der plane-rischen Voraussetzung für die Errichtung und den Be-trieb von TESLA abgeschlossen. In dem Vertrag wurdefestgelegt, dass für das Projekt ein gemeinsames Plan-feststellungsverfahren mit einer integrierten Umwelt-verträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist. Diedafür benötigte Umweltverträglichkeitsstudie (UVS)ist bereits im letzten Jahr in Auftrag gegeben worden.In der Studie wird der Einfluss der TESLA-Bauwerkeund des TESLA-Betriebs auf die Natur und den Men-schen untersucht. Für die Beurteilung sind an den ober-irdischen Standorten Indikatorpflanzen und -tiere kar-

tiert worden, das heißt, es sind ausgewählte, die Artrepräsentierende Pflanzen und Tiere gezählt worden.DieseGutachtensind imBerichtszeitraumfertiggestelltworden.

Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie wirdauch das Schutzgut Wasser untersucht. DESY hatein hydrogeologisches Fachgutachten in Auftrag ge-geben. Die erste Stufe ist fertig gestellt. Bis auf eineÜbergangsstrecke in Hamburg liegt die Tunnelachseeinheitlich 8 m unter Normalnull. Der Baugrund imBereich des Tunnels besteht im Wesentlichen aus quar-tären eiszeitlichen Ablagerungen. Überwiegend sinddas wasserdurchlässige Sande und Kiese, die von was-serundurchlässigem Geschiebelehm oder -mergel ab-gedeckt werden. Im gesamten Bereich liegt der Tunnelim Grundwasser. Untersucht werden in dem Gutachtenunter anderem der hydraulische Einfluss des Tunnelsund der Hallen und der Einfluss der Wasserentnahmenauf die Grundwasserstände.

Der TESLA-Tunnel liegt mit einem Abstand von 14 mdirekt unter der Rellinger Kirche. Das ist für einen imLockergestein mit einer Bohrmaschine aufgefahrenenTunnel ein sicherer Abstand. Trotzdem wurde das Un-terfahren der Kirche von einem Gutachter untersucht.Das Gutachten kommt zu folgendem Ergebnis: ,,Umdie Standsicherheit des Gebäudes während der Tun-nelarbeiten zu gewährleisten, sind keine Maßnahmenim Vorfeld erforderlich. Die Gutachter empfehlen imVorfeld jedoch geodätische Vermessungen in halbjähr-lichem Abstand und tägliche Begehungen während derBauzeit.“ Im Jahr 2000 wurden die Ergebnisse Vertre-tern der Kirche vorgestellt. Im Jahr 2001 beginnt dieVermessung der Kirche.

Im Jahr 2000 ist auch die Grundlagenermittlung fürdas Röntgenlaserlabor in Ellerhoop von externen Bau-ingenieuren durchgeführt worden. Die beiden Elektro-nenstrahlen für den Betrieb der Röntgenlaser werdenetwa 1.5 km vor dem Wechselwirkungspunkt aus demHaupttunnel in einen eigenen Tunnel gelenkt. In ei-nem Strahlverteilungssystem werden die Strahlen wei-ter aufgeteilt. In einer oberirdischen Halle mit einerGrundfläche von 200×50 m2 befinden sich die Mess-plätze für die Forschungen mit Röntgenlaserlicht. Dasganze Strahlverteilungssystem wird als Tunnelanlagegeplant und liegt auf einer schiefen Ebene mit einerNeigung von etwa 10 mrad. Dadurch kann man dasgegebene Gelände wesentlich besser ausnutzen.

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TESLA Test Facility

Linac-Betrieb und Erweiterungen

Im Rahmen der Voruntersuchungen zum TESLA-Projekt wird bei DESY der Linearbeschleuniger derTESLA Test Facility betrieben. Gleichzeitig wird die-ser TTF-Linac als Treiber für einen Freie-ElektronenLaser (FEL) genutzt (siehe Seite 245 ff).

Im Berichtszeitraum konnte der Beschleuniger in derRegel in einem 24-Stunden-Betrieb an durchschnitt-lich fünf Tagen pro Woche genutzt werden. LängereBetriebsperioden wurden im allgemeinen durch nurkurze Umbauphasen unterbrochen. Im Frühsommerwurden im Rahmen einer sechs Wochen dauernden Be-triebsunterbrechung Erweiterungen vorgenommen, dieim Folgenden gemeinsam mit den Betriebserfahrungenbeschrieben werden.

Das Jahr 2000 begann mit der Optimierung des Linac-Betriebs mit dem Ziel, den Freie-Elektronen Laser inBetrieb zu nehmen. Hierzu waren Strahlpulse mit eini-gen wenigen Elektronenpaketen pro Puls, aber mit min-destens 1 nC Ladung bei gleichzeitig hoher Strahlqua-lität der beschleunigten Elektronenpakete notwendig.Raumladungs- und Strahltransport-Probleme musstenüberwunden werden. Es galt, den Elektronenstrahlpraktisch verlustfrei durch den Undulator des FEL zuführen und innerhalb des Undulators eine Abweichungder Strahlbahn von der magnetischen Achse von un-ter 100 µm einzustellen. Dies gelang Mitte Februar underlaubte wenig später am 22. Februar erstmalig den Be-trieb des Lasers. Die erreichte Photonen-Wellenlängevon 108 nm stellte einen Weltrekord dar: kein ande-rer FEL konnte vor diesem Zeitpunkt, basierend aufdem Prinzip der selbstverstärkten spontanen Emission(SASE), Licht imultravioletten Bereich erzeugen (sieheSeite 245 ff).

Im Zusammenhang mit der weiteren Optimierung desFEL-Betriebs war eine Vielzahl von Messungen amElektronenstrahl notwendig.

In sogenannten Quadrupol-Scans wurde die transver-sale Emittanz bestimmt, die, anschaulich beschrieben,als mathematisches Produkt von Strahlquerschnitt und-aufweitung ein Maß für die Elektronenstrahlqualität

ist. Quadrupol-Scans messen den Strahlquerschnitt mit-tels Leuchtschirmen oder Drähten, die durch den Strahlgefahren werden.

Ebenso wichtig wie die transversale Emittanz ist dieLänge der Elektronenpakete, da sie den erreichbarenSpitzenstrom im FEL bestimmt. Nur hohe Spitzen-ströme erlauben einen FEL-Betrieb. Von der Elektro-nenquelle bis hin zum Undulator wird die Länge derElektronenpakete verkürzt und erreicht schließlich eineLänge von deutlich unter einem halben Millimeter. Diesmuss durch Messungen kontrolliert werden: das Strahl-profil längs des Elektronenpaketes wird rekonstruiert.Hierbei wurde eine unerwartete Unterteilung in ein-zelne, noch kürzere Pakete beobachtet, die im Weiterenausführlich untersucht werden musste.

Neben dem FEL-Betrieb lag ein weiterer Schwer-punkt bei der Vorbereitung von verschiedenen Expe-rimenten zum Verständnis des Betriebes supraleiten-der Beschleuniger. Lange Pulszüge (800 µs) mit vollerStrahllast (8 mA Strom) müssen beschleunigt werden,wobei praktisch kein Strahlverlust während des Trans-ports von der Elektronenquelle bis vor den Strahlfän-ger akzeptiert werden kann, weil dieser eine Zerstörungdes Beschleunigervakuums und damit möglicherweiseauch einiger Beschleunigerstrukturen zur Folge hätte.Es wurde ein System vorbereitet, das innerhalb von we-nigen Mikrosekunden einen Strahlverlust erkennt undden Beschleuniger abschaltet.

Weitere Experimente konnten durch Umbauten imFrühsommer vorbereitet werden. Vakuumkammern fürdas sogenannte RAFEL Experiment (siehe Seite 246),zwei extrem schnell pulsbare Magnete, sogenannteKicker, und eine spezielle Kammer mit austauschba-ren Strahlrohren unterschiedlicher Oberflächenrauig-keit wurden eingebaut. Hierfür wurden wie bisher alleneuen Vakuum-Komponenten im Reinraum mit ähnli-chen Prozeduren wie die supraleitenden Cavities ge-reinigt, um Staub und andere Partikel zu entfernen.

Die Installation der Vakuumkammern in den Beschleu-niger erfolgte mit kleinen mobilen Reinräumen. BeimBetrieb des TTF-Beschleunigers bereitete das Vaku-umsystem keinerlei Probleme.

Im Bereich der Hochfrequenz-Elektronenquelle muss-ten wiederholt Modifikationen vorgenommen wer-den. Der Betrieb bei dem geforderten hohen Be-

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schleunigungsfeld von 35 MV/m scheint insbeson-dere im Bereich der Kathode, also der eigentlichenQuelle, nicht unproblematisch. Der elektrische Kontaktzwischen Kathode und Hochfrequenzresonator mussgenauer untersucht werden. Der Betrieb der Photoka-thoden selbst entsprach den Erwartungen. Die gelegent-lich notwenige Präparation neuer Photokathoden wurdevom INFN Milano erfolgreich durchgeführt. Der fürden Betrieb der Elektronenquelle erforderliche Laser(Max-Born-Institut, Berlin) erwies sich auch im zwei-ten Betriebsjahr als äußerst zuverlässig. Im Hinblickauf den zukünftigen FEL-Betrieb, aber auch für einigeanstehende Experimente wurden Erweiterungen vorge-nommen. Insbesondere kann künftig der Abstand derElekronenpakete variiert werden.

Sowohl die unmittelbar hinter der Elektronenquelleals Einfangstruktur installierte einzelne TESLA-Beschleunigungsstruktur als auch die beiden schon imVorjahr betriebenen Beschleunigermodule liefen pro-blemlos. Als Standardbetrieb kann für den Berichts-zeitraum ein Modulgradient von 15–20 MV/m bei ei-ner Hochfrequenzpulslänge von etwa 1.3 ms inklusiveFüllzeit genannt werden.

Die Gruppe MVA hat für den TTF-Linac einen spezi-ellen Kollimator zur Kollimierung des Dunkelstromskonstruiert. Weiterhin wurde für einen schnellenFeedback-Kicker der Gruppe MIN ein Keramikrohrmit einer dünnen Schicht aus nichtrostendem Stahldurch Sputtern beschichtet. Zwei der mit diesen Rohrenausgerüsteten Feedback-Kicker wurden bei TTF sehrerfolgreich getestet (siehe Seite 224).

Strahldiagnose und Kontrollen

Im Berichtszeitraum wurde sowohl die Elektronen-strahldiagnose als auch die Diagnose des vom FELerzeugten Photonenstrahls deutlich verbessert. AmTTF-Beschleuniger wurde die Auslese von bereits frü-her installierten Strahllagemonitoren verbessert und dieElektronik an veränderte Elektronenstrahl-Parameterangepasst, vor allem konnten aber die Strahllagemoni-tore im Bereich der Undulatoren in Betrieb genom-men werden. Es wurde auf Anhieb eine Auflösungvon 20 µm für das einzelne Elektronenpaket erreicht.Über eine Mittelwertbildungung kann damit die fürdas ,,Beam-Based-Alignment“ geforderte Auflösung

von 10 µm problemlos erreicht werden. Hierbei wirddie exakte Position des Monitors durch mehrfach ver-setzten Einschuss des Elektonenstrahls bestimmt, unddie gewonnenen Korrekturen können danach für alleweiteren Messungen berücksichtigt werden.

An den Monitoren zur Bestimmung des Elektronen-strahlstroms wurde bis zum Ende des Berichtszeit-raumes gearbeitet; die variable Wiederholfrequenz derElektronenpakete (0.1–9 MHz) bereitet Schwierigkei-ten. An den ersten drei Strahllagemonitoren von TTFwurden Auslese-Elektroniken von HERA-e installiert.Mit deren Hilfe konnte zusammen mit einem neuen Si-mulationsprogramm (TU Darmstadt) die Ausrichtungder Solenoid-Spulen und des Laser-Spots im Bereichder Elektronenquelle präzise vermessen und korrigiertwerden.

Nach dem ersten Betrieb des FEL im Februar 2000wurde während der Betriebsunterbrechung im Som-mer der Bereich der Photonen-Diagnose deutlich mo-difiziert. Zum einen machte sich hier der schon obenerwähnte Einbau des RAFEL-Experiments stark be-merkbar, zum anderen wurden Experimentierkammerneingebaut, die im Hinblick auf den späteren Ausbau desFEL die Untersuchung von Spiegeln, aber auch ein ers-tes Physik-Experiment unter Verwendung des erzeug-ten Laserlichtes erlauben. Für das TTF-Kontrollsystemwurde der größte Teil der Magnete auf das TINE-Protokoll umgestellt. Dieses wurde in die DOOCS Li-braries aufgenommen. Dadurch können jetzt wiedersämtliche TTF-Programme auf alle Magnete zugreifen.Weitere umfangreiche Arbeiten zur Weiterentwicklungdes TTF-Kontrollsystems sind ausführlich im Berichtder Gruppe MVP geschildert (Seite 226).

Hochfrequenzversorgung und -regelung

Einen Meilenstein für das TESLA-Projekt stellt der er-folgreiche Test des ersten Prototyps des 10 MW Multi-beam Klystrons bei langer Pulsdauer dar. Es erreichteeine Ausgangsleistung von 10 MW bei einer Puls-länge von 1.5 ms. Die Effizienz lag bei 65%. ZumVergleich: Mit dem bisher verwendeten konventionel-len 5 MW Klystron lässt sich nur eine Effizienz von45% erreichen. Für den TESLA Linear-Collider werden600 der Multibeam-Klystrons benötigt. Seit Abschlußdes erfolgreichen Tests wird das Multibeam-Klystron

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für den TTF-Betrieb eingesetzt: Es versorgt die bei-den installierten Beschleunigermodule im Routinebe-trieb. In der Erweiterung der TTF Halle wurde begon-nen, einen weiteren Hochspannungsmodulator, dessenSchaltungsprinzip weitgehend dem der bisher bei TTFeingesetzten Modulatoren entspricht, zu installieren.Die verschiedenen großen Untereinheiten des Modula-tors wurden nach DESY Vorgaben von Industriefirmengefertigt und zum Teil von diesen auch weiterentwi-ckelt. Hervorzuheben sind der neue Hochspannungs-Halbleiterschalter unter Verwendung von IGCTs, derneue Typ des Pulstransformators und das neu ent-wickelte Hochspannungsnetzgerät, das es ermöglicht,Rückwirkungen auf das Hauptnetz zu beseitigen, diesonst mit der Betriebsfolgefrequenz des Modulatorsvon maximal 10 Hz auf dieses einwirken würden. DieHochfrequenzregelung der TTF, die für die Regelungder Vektorsumme von 24 supraleitenden Resonatorenausgelegt ist und zur Zeit die vorhandenen 16 Resona-toren ansteuert, wurde über mehrere Monate lang mitStrahl betrieben und hat sich dabei als sehr zuverlässigerwiesen.

Ein neues Konzept zur aktiven Kompensation der dyna-mischen Lorentzkraftverstimmung der supraleitendenResonatoren wurde entwickelt und erfolgreich am ho-rizontalen Teststand CHECHIA erprobt. Das Arbeits-prinzip beruht auf einem piezoelektrischen Transla-tor. Einzelheiten hierzu finden sich in dem Bericht derGruppe MHF-p (Seite 218).

Infrastruktur

Im Berichtszeitraum konnte die Kapazität der Anlagefür die Präparation der TESLA Beschleunigungsstruk-turen auf den maximal möglichen Durchsatz erweitertwerden. Insgesamt wurden 14 neue Strukturen ausge-liefert, an denen 146 Chemiebehandlungen (82 Titan-und 64 Niobbeizungen) durchgeführt wurden. Durchden im Vorjahr erfolgten Umbau der Reinstwasserver-sorgung konnten die Hochdruckspülen und die che-mischen Beizungen parallel gefahren werden. Für denTest im vertikalen Testkryostat wurden im Jahr 2000insgesamt 62 Strukturen vorbereitet. Im horizontalenTestkryostaten CHECHIA wurden 12 vollständig be-stückte Resonatoren bis zum Ende des Jahres getestet.Dies ist ein Systemtest, bei dem der Resonator horizon-tal in einen Testkryostaten eingebaut wird, der dem Be-

schleunigungkryostaten in der technischen Auslegungsehr ähnlich ist.

Im Berichtszeitraum wurde die Helium-Kälteversor-gung der TESLA Test Facility inklusive des TTF-Linac mit seinen beiden Beschleunigermodulen ge-währleistet. Der Betrieb des Linac war dabei das ganzeJahr durchgehend möglich. Die künftige Erweiterungdes TTF/FEL Linac verlangt eine höhere kryogeni-sche Anschlussleistung. Hierfür wurde die Helium-Kälteversorgung an die HERA Helium-Kälteanlageangeschlossen. Die bestehende TTF-Transferleitungwurde verlängert und an die FEL Vorkühler- und Ver-teilerbox herangeführt. Ein zweites Vakuumkompres-sorsystem für Helium, das zur Entkopplung der Kälte-versorgung des TTF-Linac und des TTF-Kältelabors,aber auch zur Kapazitätserweiterung benötigt wird,wurde geliefert, aufgebaut und in Betrieb genommen.Der endgültige und vollständige Anschluss zur HERA-Kälteanlage wird in der nächsten Betriebsunterbre-chung des TTF-Linac erfolgen.

Zur systematischen Untersuchung von verbessertenoder auch neuen Präparationsmethoden der Oberflä-chen supraleitender Resonatoren eignen sich beson-ders 1-zellige Resonatoren. Sie können mit kleinemapparativen Aufwand behandelt und gemessen wer-den. In der vorhandenen Infrastruktur für die 9-zelligenTTF-Resonatoren können solche Untersuchungen al-lerdings nicht durchgeführt werden, da die Produktionder Serienresonatoren nicht gestört werden sollte. Eswurde daher die vorhandene Anlage zur Präparation der500 MHz HERA-Resonatoren so modifiziert, dass einMessprogramm mit 1-zelligen 1.3 GHz Resonatorendurchgeführt werden kann.

Die Umbauarbeiten am Reinraum und an der Kälte-anlage stehen kurz vor dem Abschluss, und mit derInbetriebnahme kann im Frühjahr 2001 gerechnet wer-den.

Im Hinblick auf die Verbesserung der für TESLAeingesetzten supraleitenden Cavities wurde in derGruppe MVA an der Entwicklung einer Elektropolitur-Einrichtung für 9-zellige Niob-Resonatoren gearbeitet.Die konstruktiven Arbeiten für eine Versuchseinrich-tung sind abgeschlossen und die Fertigung des Aufbaushat begonnen. Es ist geplant, in der ersten Jahreshälftevon 2001 einen Vorversuch in der Galvanik-Einrichtungder Lufthansa in Hamburg durchzuführen.

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Weiterhin wurde im Verbund mit den Gruppen FDETund MKS ein Vorhaben zur Einrichtung einer stän-digen Elektropolitur-Einrichtung bei DESY bean-tragt. Für systematische Untersuchungen der optimalenSchweißparameter beim Schweißen der TESLA Niob-Resonatoren wird gegenwärtig eine Elektronstrahl-Schweißanlage mit besonders anspruchsvollen Vaku-umbedingungen beschafft. Es ist geplant, diese Anlagebis Ende April 2001 aufzubauen.

Superstruktur

Hierbei werden mehrere Resonatoren (7- oder 9-zelligeCavities) zu einer elektrischen Einheit verbunden undkönnen gemeinsam mit nur einem Einkoppler be-trieben werden. Die elektrischen Eigenschaften der4×7-zelligen und 2×9-zelligen Superstrukturen wur-den intensiv mit Simulationsprogrammen untersucht(siehe Seite 215). Für die Präparation der Superstruktursind bei der Gruppe MKS Vorrichtungen und Adapterkonstruiert und gefertigt worden. Die ersten beiden7-zelligen Resonatoren sind an DESY ausgeliefert wor-den und stehen zum Test bereit. Für den Test wurde zu-

nächst eine supraleitende Ultrahochvakuum-Dichtungentwickelt. Weiterhin entstanden neue Rahmen, die dieSuperstruktur während der Behandlung aufnehmen.

Entwicklungsarbeiten

Die Hochfrequenz-Eigenschaften der bei DESY gefer-tigten zwei einzelligen nahtlosen TESLA-Resonatoren1K2 und 1K3 wurden getestet. Die Behandlungen durchElektropolitur dieser in hydraulischer Umformtechnikgefertigten Resonatoren sind in Zusammenarbeit mitdem Jefferson Laboratory (USA) und KEK (Japan)durchgeführt worden. Die maximale erreichte Feld-stärke lag bei 43 MV/m bei hoher Güte. Dieses Er-gebnis gehört zu den besten Resultaten, die überhauptin der Geschichte von supraleitenden Resonatoren er-reicht worden sind (siehe Seite 232). Eine weitere Akti-vität war die Entwicklung und Konstruktion einer neuenFrequenz-Feinabstimmung für die TTF-Superstruktur,die in den Helium-Tank integriert wird und somit keinezusätzliche Beschleunigerlänge benötigt. Der Prototypging im Herbst in die erste Testphase, das Konzeptwurde bestätigt.

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