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Testament bei Patchworkfamilien bei Patchworkfamilien... · in „Patchwork“-Familien Informationen zum Thema vom Netzwerk Deutscher Rechtsexperten e.V. Author: Windows-Benutzer

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Testament bei Patchworkfamilien Von Hanna Beckmann Niemand denkt gerne an den Tod, und in „klassischen“ Familien sind Testamente in der Regel auch nicht notwendig. Doch Patchworkfamilien sollten sich darüber Gedanken machen. Wir zeigen am Beispiel einer typischen Patchworkfamilie, welche Tücken die modernen Famili-enkonstellationen haben, wenn es ums Erben geht. Denn: Das deutsche Erbrecht denkt traditi-onell – im Todesfall zählen nur leibliche und adoptierte Kinder, Stiefkinder sind darin nicht vor-gesehen. Wenn man ihnen etwas vererben möchte, ist ein Testament notwendig. Das gilt auch für den Fall, dass sie nichts bekommen sollen. Wie denn nun? Entscheidend ist, wer vor wem stirbt. Stiefkinder erben über den Ehepartner Mutter Kathrin hat Sohn Ole aus erster Ehe mit in die Familie gebracht, Vater Frank den klei-nen Moritz. Gemeinsam bekamen Kathrin und Frank dann noch Töchterchen Ava. Am Beispiel unserer Familie lassen sich verschiedene Konstellationen durchspielen: Sollte Kathrin zuerst sterben, erben ihre beiden leiblichen Kinder, Ole und Ava, die Hälfte ihres Ver-mögens; Ehemann Frank bekommt die andere Hälfte. Wenn er dann stirbt, geht das Erbe an seine leiblichen Kinder, Ava und Moritz. Kathrins Sohn aus erster Ehe, Ole, bleibt außen vor. Damit würde er einen Teil des Erbes seiner Mutter verlieren. Umgekehrt verliert Moritz, sollte Frank als Erster sterben. Ein Berliner Testament kann Klarheit schaffen. „Man kann eine Vor- und Nacherbschaft einrich-ten. Erst erbt der Partner alles, und wenn dieser auch verstirbt, geht das ganze Vermögen, zu gleichen oder unterschiedlichen Teilen, an alle Kinder“, erklärt der Anwalt Harald Bock. Ein anderer Weg aus der Situation ist, den Ehepartner zu „enterben“. In einem Testament können die leiblichen Kinder als Alleinerben eingesetzt werden, wenn nur sie erben sollen, und den Ehepartner sichert man zum Beispiel mit einem lebenslangen Wohnrecht im gemeinsamen Haus ab. Eine Regelung, die sich besonders dann anbietet, wenn die neuen Partner nicht ver-heiratet sind und folglich nicht voneinander erben. Ex-Partner könnten auch erben Und noch etwas sollten Patchworkfamilien bedenken: Wenn sie minderjährige Kinder aus frü-heren Beziehungen haben, können im Fall eines frühzeitigen Todes auch die Ex-Partner an das Vermögen der neuen Familie gelangen. Das Beispiel mit unserer Familie: Falls Kathrin stirbt, solange ihr Sohn aus erster Ehe noch minderjährig ist, hat das Sorgerecht für Ole nur noch ihr Ex-Mann. Der erhält damit dann auch die Sorge über dessen Erbe. Er könnte die Auszahlung von Oles Anteil am Haus der neuen Familie verlangen und so im schlimmsten Fall eine Zwangsversteigerung erwirken. Frank und die anderen Kinder müssten ihr Zuhause aufgeben. „Um das zu verhindern, könnte man den neuen Partner als Testamentsvollstrecker einsetzen“, sagt Harald Bock. „Als „Vermögensver-walter kann der auch bestimmen, was mit dem Haus passiert.“ Das heißt: Das Sorgerecht be-hält natürlich der leibliche Elternteil, aber das Erbe verwaltet der Stiefvater oder die Stiefmut-ter. Sollte Ole etwas zustoßen, bevor er eigene Nachkommen hat, geht sein Erbe sogar auf den leiblichen Vater über. Auch das kann ein Testament verhindern. Kathrins und Franks modernes Familienglück hat gerade erst begonnen, aber für den Fall der Fälle wollen sie nun vorsorgen: „Wir denken, es ist schon wichtiger als für ,normale Familien’. Wir werden uns mal zusammensetzen und eine gerechte Lösung ausarbeiten, mit der wir alle gut leben können.“ Ein Testament machen In Patchworkfamilien ist auch das Erben – wie so vieles – ein bisschen schwieriger. Jede Kons-tellation ist anders. Wenn die Partner der Patchworkfamilie nicht verheiratet sind oder sie kei-nen Ehevertrag haben, ändert das auch wieder die Erbsituation. Außerdem ist zu beachten, dass die Steuerfreibeträge für leibliche Kinder und Stiefkinder sehr unterschiedlich sind: 400.000 Euro für leibliche Kinder, nur 20.000 Euro für Stiefkinder. Grundsätzlich ist ein Testament wirksam, wenn es handschriftlich geschrieben und unter-schrieben ist. Dennoch ist es wegen der komplizierten Rechtslage in Patchworkfamilien ratsam, sich von einem Fachmann beraten zu lassen. Das Honorar richtet sich nach der Höhe des Erbes, eine Erstberatung beim Anwalt kostet maximal 250 Euro.

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Tipps im Umgang mit dem Testament von Diplom-Psychologin Katharina Grünewald Ein Testament ist ein Plan für das Leben nach dem Tod. Es spiegelt aber auch bereits die Kon-struktion der Familiensituation zu Lebzeiten. Dabei geht es um finanzielle Zuwendungen, die aber von den aktuellen Beziehungen im Leben abhängen. Soll heißen: Beim Thema Finanzen wird man ehrlich. Diplom-Psychologin Katharina Grünewald rät: In einer neuen Partnerschaft, in die ein oder beide Partner Kinder mitbringen, ist es sinn-voll, sich über die Familienkonstruktion in Form eines Testaments Gedanken zu machen. Dazu sollte jeder sich möglichst alleine und ungestört Zeit nehmen und ohne Zensur auf-schreiben, wie er seine „Zuwendungen“ verteilen möchte. Mit Sicherheit werden bei dieser Übung Gewissensbisse, Irritationen oder Widersprüche zur gelebten Situation spürbar werden (zum Beispiel: „Ich komme gut mit meinen Stiefkindern aus, lebe gerne mit ihnen zusammen und erlebe sie im Alltag wie meine eigenen Kinder. Komisch, dass ich sie im Testament benachteilige.“). Lassen Sie diese zu, auch wenn Sie Enttäuschungen bei Ihrem Partner/Ihrer Partnerin befürchten, und schreiben Sie kein „so-zial erwünschtes“ Testament! Setzen Sie sich mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin zusammen. Stellen Sie Ihren Entwurf samt Ihrer gefühlten und befürchteten Irritationen vor. Überlegen Sie sich gemeinsam, wie Sie mit diesen Widersprüchen, den Enttäuschungen und Irritationen umgehen. Versuchen Sie genau zu verstehen, was enttäuscht. Beschreiben Sie sich gegenseitig Ihre Gefühle, und versuchen Sie, die Position des anderen zu verstehen. Ändern Sie nicht direkt Ihren Entwurf! Es ist wichtig, über diese „Störungen“, „Irritationen“ etc. zu sprechen und herauszufinden, was sie für das gemeinsame Zusammenleben bedeuten. Wenn Sie merken, dass es schwierig wird und Sie keine sich für beide Seiten „gut anfühlende“ Lösung finden, suchen Sie sich professionelle Hilfe. Wenn Unverständnis, Enttäuschung, Unsicherheit etc. zurück-bleiben, besteht die Gefahr, dass diese unbewusst in der Partnerschaft weiterwirken. Seien Sie ehrlich zu sich und Ihrem Partner, und nutzen Sie die Chance, sich anhand Ihres Tes-taments Ihre aktuelle Lebenssituation zu verdeutlichen. Machen Sie sich klar, mit welchen Paradoxa Sie im Alltag klarkommen müssen und welche Schwierigkeiten Ihre Familienkon-struktion mit sich bringt. Links: http://www.ndeex.de/erbrecht_aktuell/1176985030.html Erbrechtliche Gestaltungen in „Patchwork“-Familien Informationen zum Thema vom Netzwerk Deutscher Rechtsexperten e.V.