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N° 20 — 16. MAI 2015 WE TSCHERNOBYL

The Magazine

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Julia oder Eine ukrainische Jugend. Eine Bildgeschichte Drei Krieger. Die Geschichte einer fatalen Begegnung in Afghanistan Gelobt sei der Feierabend. Ein Plädoyer für den Nine­to­Five­Job

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  • N 2016.M A I 2015

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    Es herrscht immer noch Krieg in der Ukraine, schon vor Monaten hat das Land die Halbinsel Krim an getarnte russische Interventionstruppen verloren, jetzt kmpft es gegen von Russland untersttzte Separatisten, besonders heftig im Industriegebiet des Donbass. Sogenannte News aus der Ukraine beschftigen sich daher fast ausschliesslich mit dem Kampfgeschehen oder der Schilderung von Moskaus Winkelzgen. Es gibt jedoch in dem grossen, kriegsgeplagten Land auch ein alltgliches Leben weit abseits der Kampfhandlungen. In diesem Heft zeigen wir Bilder aus dem Leben einer jungen

    Frau namens Julia. Der Schweizer Fotograf Niels Ackermann hat sie vor drei Jahren in einem Park von Slawutytsch erstmals getroffen, einer Stadt, die von den Sowjets als Mustersiedlung nach dem Reaktorunglck von Tschernobyl in einem riesigen Wald ausserhalb der Sperrzone hochgezogen wurde. Die Bilder aus dem Leben der jungen Frau haben, zum Glck, keinen Newswert. Sie verdanken ihre Wirkung ihrer poetischen Kraft, die dadurch entsteht, dass der Betrachter unmittelbar sprt, dass das, was er sieht, berall sein knnte.Finn Canonica

    S.12 Julia oder Eine ukrainische Jugend. Eine Bildgeschichte Von Niels Ackermann

    S.22 Drei Krieger. Die Geschichte einer fatalen Begegnung in Afghanistan Von Jan-Christoph Wiechmann

    S.32 Gelobt sei der Feierabend. Ein Pldoyer fr den NinetoFiveJob Von Hannes Grassegger

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    ET WAS LEISTEN NICHT BLOSS ERBENVon DANIEL BINSWANGEREs knnte scheinen, als htte der Allmchtige die Idee der Erbschaftssteuer lediglich in der Absicht in die Welt gesetzt, den Geist des Liberalismus auf die Probe zu stellen und klglich scheitern zu lassen. Die Erbschaftssteuer nmlich vereint Eigenschaften, die sie fr Be frworter brgerlicher Werte zu einer sehr delikaten Angelegenheit werden lsst. Jetzt steht uns in der Schweiz der grosse Gradmesser fr liberale Prinzipientreue bevor, und die brgerlichen Parteien liefern das Schauspiel, das sich auch schon in Lndern wie den USA beobachten liess: Sie winden sich, sie schwitzen Blut und suchen verzweifelt nach Grnden, um diese vermaledeite Steuer definitiv verhindern zu knnen.

    Es ist aus mehreren Grnden ein unschnes Spektakel: Erstens ist unbestreitbar, dass die Erbschaftssteuer diejenige Steuerform darstellt, die dem liberalen Gebot der Chancengleichheit am direktesten entspricht. Die steuerliche Belastung der Erbfolge ist nicht eine unter beliebigen Methoden, mit denen moderne Staatsapparate sich Finanzmittel verschaffen. Ihre Legi timitt bildet vielmehr das Fundament des Selbstverstndnisses des brgerlichen Standes, der seine erarbeitete Wirtschaftsmacht gegen die ererbten Privilegien des Adels geltend machen musste. Sie ist der direkteste Ausdruck der berzeugung, dass eigenstndige Leistung und nicht das bernehmen bestehender Pfrnde belohnt und durch steuerliche Belastung mglichst wenig gehemmt werden soll. Erben ist die einzige Form des Gelderwerbs, die ohne eigene Leistung vollzogen werden kann. In einer Gesellschaft, die sich zu Leistungsprinzip und Chancengleich

    heit bekennt, sollte es deshalb selbstverstndlich sein, dass noch vor den Arbeitseinkommen und vor den (eigenstndig geschaffenen) Vermgen die Erbschaften steuerlich belastet werden.

    Aus diesem Grund existiert die Erbschaftssteuer in den meisten Lndern schon sehr lange (in England seit dem 17. Jahrhundert, in Frankreich seit der Revolution), lange bevor es berhaupt nur denkbar gewesen wre, die Einkommenssteuer einzufhren. In den meisten Lndern wird bis heute eine Erbschaftssteuer erhoben. Auch in der Schweiz war sie bekanntlich eine gut etablierte Institution bevor ber die letzten zwanzig Jahre aus Grnden der Fiskalkonkurrenz die direkten Nachkommen in den meisten Kantonen von Steuerabgaben befreit wurden. Jetzt, da diese Entwicklung korrigiert werden soll, erheben sich die brgerlichen Parteien wie ein Mann gegen die legitimste aller Steuerformen, deren Durchsetzung dereinst das fiskalische Definitionsmerkmal der Emanzipation des Brgertums war. Was luft da schief?

    Zum einen existiert gegenber der Erbschaftssteuer ein weitverbreiteter negativer Affekt. Der Wunsch, seinen Nachkommen etwas zu vermachen und seine Eigentumsrechte auch noch pos thum auszuben, ist tief verwurzelt. Eine fiskalische Belastung der Erbfolge hat psychologisches Irritationspotenzial auch bei Brgern, die aufgrund des hohen Freibetrages von zwei Millionen Franken von der neuen Schweizer Erbschaftssteuer gar nie betroffen wren. Zum anderen bilden diejenigen (knapp 100000) Brger, die de facto eine Erbschaftssteuer entrichten mssten, also grosse Vermgen besitzen , die Machtelite des Landes, als deren Interessen

    vertreter sich die Rechtsparteien auch betrachten. Es ist der ewige qulende Widerspruch der wirtschaftsnahen Parteien: Predigten ber Chancengleichheit und Leistungsprinzip sind gut fr Festreden, doch wenn es darauf ankommt, nimmt man lieber die Interessen derer wahr, die das Geld schon haben und, bitte schn, behalten mchten!

    Da diese Widersprche peinlich sind, muss jetzt ein grosses Schattenboxen fr Ablenkung sorgen. Die ErbschaftssteuerInitiative soll KMUschdlich sein, obwohl es am Parlament lge, die Regelungen fr Betriebsbernahmen festzulegen, und obwohl es in der Hand der brgerlichen Mehrheit wre, diese so grosszgig wie ntig zu gestalten. Es wird damit argumentiert, dass mit der Vermgenssteuer in der Schweiz bereits eine Substanzsteuer existiere. Das trifft zu, aber unter anderem knnten die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer von den Kantonen zur Senkung der Vermgenssteuer genutzt werden. Es wird schliesslich geltend gemacht, es wrden ohnehin schon zu viele Steuern erhoben. Diese Behauptung wird durch den Vergleich mit der Steuerbelastung in anderen OECD-Lndern kaum gedeckt. Schon gar nicht ndert es etwas daran, dass die Erbschaftssteuer ihren Platz haben msste im Schweizer System.

    Erbschaftssteuern sind ganz einfach ein gewisses Korrektiv gegen die Entwicklung einer Schicht von reichen Faulpelzen. So sah es Winston Churchill, ein Mann, der etwas wusste von brgerlicher Prinzipienfestigkeit.

    KOMMENTAR

    DA N I EL BI N S WA NGER ist Redaktor bei Das Magazin.

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    Von CHRISTIAN SEILEREines ist sicher: Htte sich Sotiris Lymperopoulos entschie-den, die Nachthemdenfabrik seines Vaters in Athen zu ber-nehmen, msste er nicht so frh aufstehen. Aber er wrde auch etwas versumen: zum Beispiel, wie die Sonne sich ge-gen halb sieben Uhr ber die Bergkmme des Festlandes schiebt und die Insel Proti, die ein, zwei Kilometer vor der West-kste des Peloponnes aus dem Mittelmeer steigt, in Pastell-farben taucht. Die schroffen Felsen der ehemaligen Piraten-insel sehen pltzlich wie aus Licht gewirkt aus, und die Kirche, die unbewohnt auf dem Felskamm steht, strahlt in berirdi-schem, therischem Weiss.

    Werd nicht poetisch, sagt Sotiris, der kurze Hosen, einen Hoodie von ONeill und abgefuckte Turnschuhe trgt. Es ist nur Business.

    Aber das meint er nicht so. Wre Business nmlich nur Business, dann htte der 34-Jhrige wohl eine konventionellere Karriere eingeschlagen. Die Weichen waren gestellt. Sotiris hatte in Athen, wo seine Familie lebt, zuerst sein konomie-studium abgeschlossen, dann war er fr zwei Jahre nach Lon-don gegangen und hatte an der Cranfield University ein Post-graduate-Diplom in Logistik erworben. Um das Studium des Jungen in England bezahlen zu knnen, verkaufte sein Vater ein Haus in Athen. Aber als Sotiris nach einer ersten Stelle bei Sony Europe nach Griechenland zurckkehrte und sich um die Nacht-hemdenfabrik zu kmmern begann, bekam er es mit der Angst zu tun. Wenn ich in die Fabrik ging, sagt er, hatte ich das Ge-fhl, sie nie wieder verlassen zu drfen.

    Er kndigte. Der Vater war ausser sich. Er hielt mich fr einen Vollidioten, sagt Sotiris, der sich anschickt, ber die schroffen vulkanischen Felsen hinunter ans Wasser zu steigen. Aber er untersttzte mich natrlich trotzdem.

    Sotiris wollte nach draussen, ans Licht, in die Natur. Er in-teressierte sich fr Motorrder und Sport, also heuerte er als Anzeigenverkufer bei einem Motorradmagazin an. Damit verdiente er so viel Geld, dass er einen Sommer lang nach Kre-ta surfen gehen konnte. Luxus war ihm fremd, er wohnte mit ein paar Kumpels unter einem Baum. Als es September wurde, ging er nach Pilos auf dem messenischen Festland. Dort hat-ten seine Grosseltern gewohnt, er konnte ihr Haus benutzen.

    Damals beschloss ich, nur noch vegan zu essen, sagt Sotiris. Das war eine gute Entscheidung, denn deshalb begann ich mich fr Gemse zu interessieren.

    Er schreitet jetzt krftig aus. In der zerklfteten Uferregion fllt es mir schwer, ihm zu folgen. Es ist Ebbe. Sotiris interessiert sich vor allem fr die Zonen, aus denen sich das Meer gerade erst zurckgezogen hat. Hier wchst Seetang; weiter oben, von der Gischt nur besprht, gibt es Meerfenchel und Queller, auch Meeresspargel genannt. All diese Pflanzen sind nicht nur fr

    den gelernten Veganer interessant, sondern auch fr die ge-hobene Gastronomie in Athen, Wien und Paris.

    Mit routiniertem Blick untersucht Sotiris die pittoresken Steinformationen mit ihren Lchern, Pftzen, Schattenbuch-ten und Grenzzonen. Heute ist ein guter Tag. Es gibt jede Men-ge Meerfenchel; er trennt die rundkpfigen Bltter mit einem scharfen Messer vom Stein und schiebt sie in das dafr vorge-sehene Fach seiner Tasche. Seetang ist schwerer zu finden, da-fr entdeckt Sotiris nur ein paar Meter hher im sandigen Bo-den unzhlige Stauden wilden Knoblauchs. Der Geschmack der jungen Triebe ist von umwerfender Wrze. Er wird ihn ernten, wenn er morgen um dieselbe Zeit wiederkommt.

    Sotiris nahm einen Trend vorweg, der erst im Griechenland der Finanzkrise breitenwirksam wurde: Junge, gut ausgebil-dete Urbanisten verlassen die Stadt, um auf dem Land billiger, selbstbestimmter und frei von konomischen Zwngen leben zu knnen. So traf er auch seine sptere Frau, eine Anwltin, die ihre Kanzlei nach zwlf Jahren schloss, um am Meer zu le-ben. Sie haben eine zweijhrige Tochter. Seine Frau betreibt ein Yogastudio, und Sotiris hat ein Unternehmen namens Radiki gegrndet, der griechische Name der Zichorien.

    Ich hatte mir als Veganer einiges an Wissen ber Wild-pflanzen angeeignet, sagt Sotiris (der inzwischen auch wie-der Fleisch isst, aber einen grossen Teil der Ernhrung seiner Familie mit Wildpflanzen bestreitet: wilder Spargel, wilder Fen-chel, Gemsedisteln und -malven und vieles mehr). Dann dachte ich, ich knnte vielleicht ein Business daraus machen. Ich bin nicht nur ein guter Sammler, sondern auch ein guter Verkufer.

    Es brauchte viel Hartnckigkeit, bis der Koch eines nahen Luxusressorts zum ersten Kunden von Radiki wurde. Dann fand Sotiris interessierte Abnehmer in Athen und reiste auf de-ren Vermittlung mit einer Khlbox voller Warenproben nach Paris. Als Pascal Barbot vom Restaurant Astrance sich erstaunt ber die hohe Qualitt der exotischen Wildpflanzen zeigte, sah Sotiris Licht. Inzwischen verkauft er Wildpflanzen und Zitrus-frchte an mehr als 20 Kchenchefs in Paris und beschftigt sechs Angestellte und 40 Freelancer.

    Wir machen etwas von Wert in einer Region, die nicht werthaltig ist. Wir bringen mit unserer Art, neu zu denken, ein bisschen Wohlstand auf den Peloponnes. Und nein, es ist na-trlich nicht nur Business. Es ist die Schnheit der Region, die Sotiris jeden Tag von Neuem auf die Probe stellt, indem er das Mandat fr die Seetang-Suche keinem anderen Angestell-ten berlsst: Der frhe Morgen am Meer ist Chefsache.

    Die Sonne steht jetzt schon hoch. Die Fischerboote kehren gerade in den Hafen von Marathopolis zurck, und Sotiris wird auf der Terrasse demnchst seinen ersten Kaffee trinken.

    Sotiris macht da, wo sich das Meer zurckzieht, die besten Funde.

    Bild PER-A N DER S JRGEN SEN

    Der griechische Hndler von Wildpflanzen geht auf der Insel Proti auf Sam-meltour, um neue Ware fr die Spitzengastronomie zu finden.

    DR AUSSEN SEIN MIT: SOTIR IS LYMPEROPOULOS

  • real watches real peopleforK ATJA FRHLITTLE HELPER S

    Die Drehbuchautorin und Regisseurin K AT JA F R H schreibt hier im Wechsel mit Hazel Brugger.Bild LU K A S WA S SM A N N

    In letzter Zeit, in meiner mhseligen Rehabilitation, habe ich einige interessante Nahrungsmittel kennengelernt. Da sind zum Beispiel die kleinen, herzigen, rosa Kgelchen, die nach einigen Stunden die Gelenke schmieren und dehnen und ein befreiendes Gefhl verursachen. Allerdings bringen sie die Verdauung durcheinander. Kein grosses Problem, da es wunderbare Schmelztabletten gibt, die sanft auf der Zunge zergehen und den gepeinigten Darm zur Ruhe bringen. Was wiederum zu einer gewissen Trgheit fhrt, man weiss schon, wo. Um diese Gegend und den Magen resistenter zu machen, kann man ellipsenfrmige, ovale, blassgelbe winzige Dinger nehmen, jeden Morgen eins, und schon ist alles gut. Ich lese zwar, dass, wer MagenDarmBeschwerden hat, auf die Einnahme verzichten soll. Merkwrdig. Und vor allem der Risiko faktor Alter muss in Betracht gezogen werden. Ich ziehe den Faktor in Betracht und finde ihn nebenschlich. Dann gibts noch, sozusagen das Hauptnahrungsmittel, lngliche, blaudurchsichtige Kapseln, in denen wiederum weisse Mikrokgelchen zu sehen sind; die haben es in sich, da das Wort Morph drinsteckt und dies wiederum zu Halluzinationen oder Euphorie fhren kann. Lecker. Aber auch zu Depressionen. Doch gegen die gefrchtete schwarze Melancholie, wie man sie frher nannte, hilft heute eine Vielzahl stimmungsaufhellender, angstlsender Wiederaufnahmehemmer, welche die gute Laune wiederaufnehmen und die schlechte hemmen. Die machen was mit dem Serotoninspiegel. Ziemlich

    toll. Allerdings muss man zwei Wochen warten, bis die Wirkung sich voll entfaltet. Aber dann wirken sie gegen andauernde Mdigkeit, Traurigkeit, Antriebslosigkeit, Minderwertigkeit, Zurckgezogenheit und Versagensangst wie eine Eins. Wenn man dann etwas zu gut gelaunt ist, kann es sein, dass es aus und vorbei ist mit dem Schlaf. Und der ist in

    harten Zeiten schliesslich das Beste, was man hat. Aber natrlich gibt es auch da Mglichkeiten, und zwar viele: Da wre beispielsweise ein wattiges weiches Etwas, das du dir unter die Zunge legst, und ehe du dichs versiehst, hllt sich die Mdigkeit wie eine wollweisse Kaschmirdecke um dich. Wenn das nicht reicht und du dich nur wohlig rkelst statt in den

    Tiefschlaf sinkst, gibts noch was dazu. Ovale, teilbare Hypnotika. Wie der Name schon sagt, hypnotisieren diese Winzlinge dich. Man kann z.B. tanzende Bren an der Decke sehen oder schne Skilehrer. Es gibt Schlimmeres.

    Die wirklich schrfste Sache, die ich kennengelernt habe, ist ein Lollipop, hnlich einem Chubbystick, ganz aus

    Morphium. Gegen krasse Schmerzen. Man leckt und leckt daran, circa 20 Minuten er schmeckt etwas nach Himbee ren , und schon schwebt man ber den Schmerzen und Dingen. Wenn du dann ausgehst und Leute triffst, unterhltst du das ganze Lokal. Dein Partner wrde sich niemals mehr scheiden lassen wollen, so lieb und sss bist du zu ihm. Eine Pftze oder ein Herbstbaum kann dich vollkommen glcklich machen. So will man sich immer fhlen. Und tatschlich glaubt man, alles sei echt und wahr. Ich lese vorsichtshalber die Packungs beilage (die, wie man mir gesagt hat, ja nur fr Anwlte von Belang ist) und finde unter Nebenwirkungen: mglicher Atemstillstand oder pltzlicher, unerklrlicher Tod. Tja, man kann nicht auf alles Rcksicht nehmen.

    Nein, ich habe keine Aktien bei den Chemiemultis. Wie Sie

    vielleicht herauslesen konnten, bin ich dankbar und froh. Nur die Kehrseite, die erspare ich Ihnen. Denn Sie werden staunen: Obwohl Pillen meistens rund sind, haben sie eine.

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    M A X KNGVON EINER A FF R E

    Es war eines dieser Gesprche, sptabends an einem runden Tisch, eines dieser Gesprche, wie es sie nur ber Filme geben kann, die man gesehen hat, vor Jahren irgendwann, und ei-nem wieder in den Sinn kommen, ganz so wie ein alter Be-kannter, der einem nach langer Zeit zufllig wieder ber den Weg luft. Ich mag ja Michael Douglas Absolut, grossartiger Schauspieler, vor allem in Der Film, in dem er seine Frau betrgt Den schau ich jede Woche, das ist die beste Therapie gegen jedes aufkeimende Verlan-gen, fremdzugehen Ah, wie heisst er noch gleich ...In Die Strassen von San Francisco war er auch toll Ich habs: Basic Instinct Nein, der mit Sharon Sto-ne San Francisco, dort waren wir im letzten Herbst Basic Instinct ist mit Sharon Stone Du meinst 9 Weeks? 9 Weeks Was? San Francisco, fliegt die Swiss eigentlich noch direkt ab Zrich? Sharon Stone? Nein! Die andere spielt noch mit, meine Gte, wie heisst sie noch gleich Die andere? Kim Ba-singer? Nein, die Blonde Kim Basinger IST blond Es liegt mir auf der Zunge Farrah Faw-cett? Ah, du meinst Extreme Attraction ...Nein, er heisst Fatal Instinct Ah, jetzt weiss ich, der ist super, er betrgt die Frau mit einer, die dann total durch-dreht, am Ende schreckt sie so aus der Badewanne hoch Ja, verdammt, er hiess, er hiess Hats eigentlich noch Wein, irgendwo? Und so weiter. Bis jemand das Smartphone

    zckt und dem magischen Palaver ein modernes, bldes, bes-serwisserisches Ende setzt.

    Auf jeden Fall bekam ich total Lust, den Film wieder ein-mal zu sehen, der natrlich Fatal Attraction heisst, auf Deutsch Eine verhngnisvolle Affre, mit Glenn Close und Anne Archer neben Michael Douglas. Ich hatte ihn zuletzt ge-sehen, ich weiss nicht mehr, wann, als man noch ins Kino ging, also wohl 1988. Heute geht man nicht mehr ins Kino, weil der Babysitter nicht kann oder man schon schlft oder das Kino gerade abgebrannt ist. Dafr hat man jetzt ja Netflix: Das ist sehr, sehr, sehr bequem. Aber auch sehr, sehr, sehr ernch-ternd.

    Auf Netflix gibt es Fatal Attraction nicht. Ich war nicht wirklich berrascht, dass meine Suchanfrage kein Resultat zutage frderte, nicht wirklich enttuscht, denn schon oft hat-te ich diese Erfahrung machen drfen. Wie viele Filme von Godard gibt es bei Netflix? Null. Von Fellini? Null. Mit Bud Spencer? Null. Und sucht man Oliver Assayas, dann ist das beste Angebot von Netflix Jackass The Movie. Einmal war mir nach Moby Dick, dem alten Schwarzweissschinken ber den weissen Wal von John Huston. Natrlich gibt es Moby Dick in der Welt von Netflix auch nicht, dort gibt es bloss den Schauspieler Andy Dick, er spielt in Old School Wir lassen absolut nichts anbrennen den Oralsex-Lehrer Barry. Wre Netflix eine Videothek so wie es Videotheken damals gab, man erinnert sich vielleicht , es wre die mieseste Videothek der ganzen Stadt.

    Ich hatte Netflix begeistert abonniert, damals, als man Net-flix abonnierte, weil man House of Cards sehen wollte, weil ich House of Cards sehen wollte. Dann hatte ich House of Cards gesehen, schaute noch alle drei Staffeln von Dead-wood und eine halbe Folge von Orange is the New Black das wars. Alles, was ich seither auf Netflix sehen wollte, das gab es nicht und alles, was es auf Netflix gab, das wollte ich nicht sehen. Netflix und ich, ich und Netflix, es ist wie die Ehe zwi-schen Kim epic butt Kardashian und dem Basketballer Kris Humphries (obwohl ich bei dem Vergleich arg Mhe htte, zu sagen, ob ich dabei lieber Kim Kardashian oder Kris Hum-phries sein mchte).

    Ich glaube, es ist einfach mal wieder an der Zeit, ein Abo zu kndigen und wieder ins Kino zu gehen. Netflix war nichts als eine kurze Affre.

    M A X K NG ist Reporter bei Das Magazin.

  • JULIAoder

    EINE UKRAINISCHE

    JUGEND

    Bilder Niels Ackermann

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    Drei Stunden dauert die Busfahrt von Kiew nach Norden an die weissrussische Grenze. Dort liegt, am Ende eines Bahngleises und inmitten eines riesigen Waldes, die Stadt Slawutytsch. Die Bden sind schlecht, Industrie gibt es so gut wie nicht und auch keinen Handel mit dem nahen Nachbarn. Dennoch geht es wohl niemandem in der von Krieg und Wirtschaftskrise gebeu-telten Ukraine so prchtig wie den 25000 Einwohnern dieser einsamen Stadt am ussersten Rand des grossen Landes. Denn sie haben zwar kein Gewerbe, keine Landwirtschaft und auch keinen Tourismus. Aber sie haben Tschernobyl.

    Im April 1986 explodierte der Reaktor in Block 4 des Kern-kraftwerks. Durch die Strahlung, die der Unfall freisetzte, wur-den die Umgebung und weite Teile Europas radioaktiv ver-seucht, mit katastrophalen Folgen fr Natur und Menschen. Mindestens 10000 starben. Die Sowjetunion, zu der die Re-gion damals noch gehrte, versuchte mit allen Mitteln, das Ver-trauen in ihre Nukleartechnik wiederherzustellen. Sie be-schloss, die drei anderen Blcke des Atomkraftwerks weiter-zubetreiben. Um Ingenieure und Arbeiter nach Tschernobyl zu locken, baute sie noch im Jahr des Unglcks und gerade ausser-

    halb der Sperrzone eine Stadt, die komfortabler und moderner sein wrde als jeder andere Ort der Sowjetunion.

    Tausende zogen bereitwillig in die Neusiedlung in den ukrainischen Wldern, weil sie dort eine sichere und gut be-zahlte Arbeit fanden. Sie grndeten Familien und bekamen Kinder, weshalb Slawutytsch heute nicht nur die jngste Stadt der Ukraine, sondern auch der Ort mit der jngsten Bevlke-rung des Landes ist. Willkommen in der Stadt der Teenager, so begrsste ein Einheimischer den Schweizer Fotografen Niels Ackermann, als er hier vor gut drei Jahren aus dem Bus stieg. Eigentlich war er gekommen, um die Architektur zu fotografie-ren, die hier viel purer, ohne Werbeplakate und optische Ver-schmutzung, wie Ackermann es nennt, den Geist der Sowjet-moderne atme. Doch dann traf er Julia.

    Er sah sie in einem Park, und sie erzhlte ihm von sich, zeig-te ihm die Stadt, ihre Freunde. Sie liess ihn in ihre Wohnung und in ihr Leben. Ackermann war dabei, wenn Julia einen Jungen traf, wenn sie mit ihm knutschte am Fluss und wenn sie allein in ihrem Zimmer war, nachdem sie ihn verlassen hatte. Er be-gleitete sie nach Tschernobyl, wo sie einen Job annahm und bald darauf wieder kndigte. Er fotografierte auch, als sie Schenja traf, den sie mehr liebte als alle anderen zuvor, und als sie schliesslich heirateten, sie in Weiss und er in kurzen Hosen.

    Als deplatziert, aber glcklich empfand Ackermann so-wohl die Stadt als auch seine junge Bekannte. Julia, weil sie und ihre Freunde in der abgelegenen Provinz eine rauschhaf-te Grossstadt-Jugend lebten. Und Slawutytsch, weil dieser Ort zwar geografisch verloren, aber wirtschaftlich blendend da-steht. Das Jahr 2000, als die Ukraine auf massiven Druck Eu-ropas hin endlich die restlichen Reaktorblcke in Tschernobyl herunterfuhr, bedeutete nicht das Ende des Wohlstands, im Gegenteil. Denn nun kamen noch viel mehr Ingenieure und Bauarbeiter, um einen Deckel aus Beton ber das Kraftwerk zu stlpen; und nachdem sich der erste Deckel als zu schwach er-wies, wird nun darber noch eine zweite, ber hundert Meter hohe Kuppel errichtet. Schneller als in Slawutytsch erhofft, wird man auch damit fertig sein. Fr die Stadt bedeutet das einen Einschnitt, den Julia mit ihrer Hochzeit schon erfahren musste: Die Jugend ist vorbei. Und beide werden versuchen mssen, auf eigenen Beinen zu stehen.

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    Der Fotograf N I EL S AC K ER M A N N lebt in Kiew; www.slavuty.ch, [email protected] dieser Reportage ist er Gewinner des Globetrotter World Photo 2014

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    Khel, mit vier Dingos, Armeefahrzeugen, zwei Fuchs-Scht-zenpanzern und der Lust auf etwas Action. Ihr Auftrag lau-tete, die Zufahrtsstrasse von Sprengstzen zu rumen und die von Taliban kontrollierten Drfer zurckzugewinnen. Mutsch-ke erinnert sich an das Kribbeln im Bauch und seinen Heiss-hunger auf Schokolade. Dass er sich an jedes Detail erinnert, sagt eine Menge ber diesen Tag und was er aus dem Soldaten Maik Mutschke aus Dbern in Brandenburg gemacht hat.

    Es war ein Tag wie jeder andere, erinnert sich dagegen Commander Habib, Anfhrer einer lokalen Taliban-Einheit. Er glaubt sich lediglich zu entsinnen, dass er und seine 13 Mn-ner sich bald nach Sonnenaufgang versammelten, um die Deut-schen in einen Hinterhalt zu locken. Sie verschanzten sich zwischen Lehmhtten und warteten bei Tee und Fladenbrot und einem guten Joint.

    In jedem Fall standen sich zwei sehr unterschiedliche Scharfschtzen gegenber. Der Novize Mutschke, 24, Kriegs-erfahrung: vier Wochen. Er ist Fallschirmjger des Bataillons 373, 1,85 Meter gross, 110 Kilo schwer, ein Br von Mann. Aus-gerstet war er mit einem Sturmgewehr G3ZF und einer Pisto-le, mit kugelsicherer Weste, Kampfmesser KM 2000 und einem

    Sie waren drei Krieger. Mutschke. Habib. Und LaCrosse. Ein Soldat der deutschen Bundeswehr. Ein Taliban-Kommandant. Ein Pilot der US Army. Sie begegneten sich im Norden Afgha-nistans, am Karfreitag vor fnf Jahren. Begegnen ist bertrie-ben. Sie standen sich gegenber, im Gefecht. Sie schossen auf-einander. Und sie trafen.

    Auf den ersten Blick haben die drei Mnner nicht viel ge-meinsam. Ausser dass sie mit Leib und Seele Krieger waren. Doch am 2. April 2010 verwoben sich ihre Leben auf dramati-sche Weise. Im Rckblick lsst sich sagen, dass ihr eigentlicher Krieg danach erst begann. Sie fragen sich: Wer schoss damals auf wen? Wer gewann das Gefecht? Und wer den Krieg? Wie lebt man mit Krieg? Und wie ohne ihn?

    Die Begleitung der drei Krieger erstreckt sich ber fnf Jahre und fhrt an diverse Orte der Welt: nach Kalifornien und Maine, in den Osten Deutschlands und die Oberpfalz, nach Kabul und Kunduz. Dort beginnt ihre Geschichte, im Distrikt Tshar Darah, am Morgen des 2.April. Eigentlich war es ein friedlicher Tag, erinnert sich Stabsgefreiter Maik Mutschke. Ohne Zwischenflle erreichten er und 25 Kameraden vom Golf-Zug gegen 9.15 Uhr den Rand des kleinen Dorfes Isa

    Vor fnf Jahren geriet in Afghanistan eine Bundeswehr- Einheit in einen Hinterhalt der Taliban. Damals kreuzten sich die Leben dreier Mnner. Einer verlor ein Auge. Einer seine Kmpfer. Einer seine Seele.

    Von Jan Christoph Wiechmann

    Stabsgefreiter Maik Mutschke, Captain Jason LaCrosse, Commander Habib

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    dem Teppich Platz. Wir lassen Reis und Fladenbrot kommen, Orangen und Pistazien. Die Mnner essen mit Fingern und schmatzen, sie trinken Sprite. Commander Habib trgt ein dunkelgrnes Cape und einen grauen Turban. In seinen Haa-ren schimmern erste silberne Strhnen. Er sitzt barfuss in der Klte, in seinem Blick liegt ein Lcheln, das nicht freundlich wirkt, eher herausfordernd. Vielleicht liegt es daran, dass er nur noch ein Auge hat. Das linke verlor er bei einem Gefecht an der Grenze zu Tadschikistan. Er sieht aus wie Mullah Omar, sagt einer der Begleiter. Da lachen alle. Nur Habib lacht nicht. Er sagt: Ich habe viel eingesteckt. Aber auch viel ausgeteilt. Habib mchte klarstellen, dass er der beste Scharfschtze der Gegend ist.

    Schon die dritte Salve traf Hauptfeldwebel Adebahr, er er-litt Durchschsse im Ober- und Unterschenkel und einen Streif-schuss am Fuss. Fr einige Minuten wurde dort am Dorf rand von Isa Khel aus diesem asymmetrischen Krieg der Drohnen und Infrarotkameras, der Bomben und Selbstmordattacken eine, man knnte fast sagen: gleichberechtigte Schlacht. Mann gegen Mann. Beide Seiten zielten auf alles, was sich bewegte.

    Nach wenigen Minuten traf ein Schuss Commander Habib in den Unterschenkel. Ein brennender Schmerz, aber die Hauptschlagader war unversehrt, stellte er fest, nichts, was ihn vom Weiterkmpfen abhielt. Er brauchte keine Operation, er bekam anders als die Deutschen auch keine Therapien oder Orden. Heikel wird es beim Nachfragen. Es geht jetzt ums Tten. Um den Moment, in dem man gezielt das Leben eines Menschen auslscht.

    Anders als Habib weicht Mutschke der Frage zunchst aus. Unser erstes Gesprch findet in einer Fallschirmjger-Kaserne in Niedersachsen statt, im Frhsommer 2011. Mutschke ist um-geben von zwei Presseoffizieren und dem Beauftragten fr Einsatzgeschdigte der Luftlandebrigade 31.

    Haben Sie getroffen?, frage ich ihn.Weiss nicht. Du schiesst halt. Du siehst ja nicht alles.Wie ist der Moment, in dem man schiesst, um zu tten?Man macht halt seinen Job. Man versucht, nicht gross

    nachzudenken.Bei spteren Gesprchen nhert sich Mutschke der Wahr-

    heit. Da sagt er: Jeder wrde schiessen. Es ist dieses Duell: du oder ich. Man mchte das, wofr man vier Jahre trainiert, auch mal anwenden.

    Ein Jahr spter sagt er: Ich wsste schon gern, wie viele wir trafen. Knnen Sie das nicht rausfinden?

    Fragt man Habib, ob er die Deutschen gettet hat, sagt er: Darum geht es. Ich habe keine Skrupel zu tten.

    Wie viele haben Sie in Ihrem Leben gettet?Bestimmt 200, sagt er.LaCrosse, der Pilot, sagt: Bei all unseren Einstzen be-

    seitigten wir ber 100 Feinde. Sie haben es nicht anders ver-dient. Erst spter, nach Jahren, modifiziert er seine Sicht. Da sagt er: Ich mag das Tten nicht. Ich nehme dem Vater sei-nen Sohn. Dem Sohn seinen Vater.

    Ihre Angaben sind nicht berprfbar. Die Taliban neigen zur bertreibung, die Deutschen zur Verniedlichung. Der eine hat den Krieg immer nur simuliert. Der andere stets gelebt.

    Gefechtshelm aus Aramid. Und auf der anderen Seite Habib, 38, verheiratet, sechs Kinder, 25 Jahre Kriegserfahrung, 1,75 Meter klein, der Krper ein Narbenfeld. Ausgerstet war er mit einer alten Kalaschnikow, Turban und ausgelatschten Sandalen.

    Fr Mutschke war es das erste Mal im Leben Krieg. Fr Habib war Krieg das Leben. Mutschke fragt sich bis heute, was der Krieg aus ihm macht. Habib fragt sich eher, was er aus dem Krieg macht.

    Etwa 10 Kilometer entfernt, im Feldlager Kunduz, begann derweil Captain Jason LaCrosse, 35, der dritte Protagonist des Gefechts, seinen Tag. Er ging ins Fitnessstudio und schaute Filme ber den Zweiten Weltkrieg. LaCrosse, Pilot einer Sa-nittseinheit der US Army, war in Kosovo, im Irak und dreimal in Afghanistan. Anders als Mutschke und Habib war ihm nicht nach Action. Er hatte alles schon erlebt, was der Krieg an Grau-samkeiten hergab. Dachte er.

    Im Dorf Isa Khel in der Provinz Kunduz schickte Mutsch-kes Vorgesetzter, Hauptfeldwebel Naef Adebahr, gegen 12.30 Uhr eine Drohne in die Luft. Sie sollte Stellungen ausspionieren, strzte jedoch ab. Die Bergung war riskant, dennoch komman-dierte der stellvertretende Zugfhrer neun Fallschirmjger ab, um die rund 60 000 Euro teure Drohne zu suchen. Der erste in einer Reihe von Fehlern, in dieser Einschtzung sind sich Mutschke und Habib einig. Kurz darauf erging der fatale Be-fehl, dass ein Teil des Sphtrupps zurckkehren solle, sodass nur noch vier deutsche Soldaten im Weizenfeld brig blieben, un-ter ihnen Maik Mutschke, genannt Maiki, der beste Schtze seiner Einheit, der Mann mit der ruhigen Hand.

    Am meisten erinnert sich Mutschke an die Stille. Warum huschen die Bauern hinter Mauern, als wollten sie sich in Stel-lung bringen? Und warum zum Teufel steht er wie zum Ab-schuss frei auf diesem ungeschtzten Feld? Nur etwa 80 Me-ter entfernt legten die Taliban ihre Kalaschnikows an. Wie stmperhaft diese Deutschen doch sind, dachte sich Habib. Stellen sich wie Freiwild ins Feld. Sie haben vielleicht die beste Ausrstung, kennen aber die Gegend nicht. Sie haben High-tech-Drohnen, finden aber ihre Feinde auf 80 Metern nicht. Da fiel, gegen 13 Uhr, der erste Schuss.

    Auf alles schiessen, was sich bewegtWie immer im Krieg hat jede Seite ihre eigene Wahrheit, ge-trbt von Erinnerungen, gefiltert in den Klrstufen der Propa-ganda. Wenn berhaupt so etwas wie Einigkeit besteht zwi-schen Bundeswehr und Taliban, dann darin, dass sich in den folgenden neun Stunden zwei sehr ungleiche Feinde gegen-berstanden.

    Ein Treffen mit Commander Habib ist nicht einfach. Allein der Weg ist ein Abenteuer. Er fhrt von einer Kontaktperson in Kabul zu einem Mittelsmann in Kunduz. Der bringt uns in ei-nem Unterschlupf in der Innenstadt unter. Am nchsten Mor-gen fhrt sein Chauffeur uns zu einem bewachten Haus am Stadtrand. Der Besitzer kennt Habib aus der gemeinsamen Jugend.

    Etwa eine Stunde spter treffen vier bewaffnete Mnner ein. In einem leeren Raum nehmen sie im Schneidersitz auf

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    folgte, eine Schlacht zweier Philosophien, der deutschen Zu-rckhaltung und des amerikanischen Can do, ein Spiegel-bild dieses ganzen Krieges. Wertvolle Zeit ging verloren, ir-gendwann zog er sich frustriert auf seine Stube zurck.

    Whrenddessen kreisten die Taliban den Golf-Zug von drei Seiten ein, etwa 80 Kmpfer waren beteiligt. Vor Mutsch-ke sackte sein Kumpel Robert Hartert lautlos zusammen. Eine Kugel hatte ihn in den Oberkrper getroffen. Hartert. Wie er aus dem Osten, Fussballspieler bei SG Motor Wilsdruff, erst 25.

    An dieser Stelle wird Mutschke immer still. Es geht jetzt ums Sterben. Er spricht ber alles, aber nicht ber den ster-benden Kameraden im Arm.

    Habib dagegen sagt bers Sterben: Das gehrt zum All-tag. Krieg ist Sterben. Ich habe 60 Mann verloren. Sie sind bei Allah.

    LaCrosse sagt: Ich habe viele Kameraden verloren. Mich verfolgen ihre Bilder bis heute. Schlimmer sind nur die von sterbenden Kindern.

    Nach einem weiteren Wortgefecht bekam LaCrosse end-lich das Okay fr den Flug. Binnen sieben Minuten war er in der Luft, gemeinsam mit seinem Sanitter Travis Brown und einem zweiten Blackhawk, der ihm den Weg freischiessen soll-te. Doch da erhielt er einen Funkspruch: Sofort umkehren. Die Mission ist zu gefhrlich.

    Ich habe kurz nachgedacht, erzhlt LaCrosse. Befehl verweigern geht nicht. Verletzte im Stich lassen auch nicht. Ich sagte also: Ich versteh nichts. Hab Probleme mit der Funkver-bindung.

    Aber das ist doch Befehlsverweigerung? LaCrosse grinst. Das drfen Sie nicht schreiben, solange ich in der Army bin. Ich werde gefeuert.

    Gegen 13.15 Uhr wurde die Lage im Weizenfeld fr Maik Mutschke und seine drei Kameraden immer brenzliger. Die Schsse kamen nun von allen Seiten, die vier waren isoliert. Mutschke bemerkte, dass sein verletzter Vorgesetzter Ade-bahr das Kommando nicht mehr ausfhren konnte, zudem ging ihnen die Munition aus. Einer musste jetzt den Kontakt zum 300 Meter entfernten Hauptzug herstellen.

    Und so rannte Mutschke ballernd los. 110 Kilo Krperge-wicht plus 30 Kilo Ausrstung, die G3 in Hfthhe, mitten in die Feindstellung hinein, 300 lange Meter ber das stoppelige Weizenfeld.

    Es ist der Moment, fr den man nicht trainieren kann, in dem Menschen versagen oder ber sich hinauswachsen. Mut-schke sagt heute: In dem Moment hatte ich keine Angst vorm Sterben, nur unbndigen Willen. Du denkst: Mich trifft es nicht. Wenn ich heute realisiere, was ich gemacht habe, denke ich: Wahnsinn. Was wre passiert, wenn ich nicht angekommen wre? Dann htte ich massakriert im Propagandavideo ge-hangen.

    Mutschke erreichte die Mnner des Hauptzuges, sie hol-ten den verletzten Adebahr und die anderen raus. Spter er-hlt Mutschke dafr das Ehrenkreuz fr Tapferkeit und eine Gefechtsmedaille.

    Im HinterhaltIm Feldlager Kunduz verbreitete sich derweil die Nachricht, dass der Golf-Zug in einen Hinterhalt geraten ist. LaCrosse, der den Gefechtslrm bis in sein Zimmer hren konnte, fragte: Wenn es Verletzte gibt, warum werden wir nicht gerufen? Die deutschen Kameraden sagten ihm: Wir fliegen nicht in die Kampfzone. Er antwortete: Wir aber. Er nennt das, was nun

    Soldaten der 1.Infanterie der deutschen Bundeswehr in Char Darah

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    Wer gewann? Glaubt man Mutschke, so endete das Gefecht un-entschieden. Die werden tierisch gekotzt haben, dass sie nur so wenige gettet haben.

    LaCrosse sagt, ganz der Analytiker: Eigentlich die Deut-schen. Sie haben sich gegen einen zahlenmssig berlegenen Gegner behauptet. Dennoch war es eine Niederlage. Das Volk ist seitdem gegen den Einsatz. Afghanistan ist das deutsche Vietnam.

    Habib sieht einen klaren Sieg der Taliban, den Beleg, dass eine Gruppe Krieger in Sandalen eine hochgerstete High tech-Armee in die Knie zwingen kann.

    Einig sind sich die drei nur in einer Frage. Wer gewinnt diesen Krieg? Da sagen alle: keiner.

    Der Lohn fr das TtenEinige Wochen danach ist das Gefecht von Isa Khel in der f-fentlichkeit vergessen. Nicht aber fr die drei Krieger. Maik Mutschke wird dreimal wiederbelebt und noch am selben Tag nach Deutschland geflogen. Keine 24 Stunden spter wird er in Koblenz operiert, es ist die erste von zwlf Operationen. Die rzte haben es mit Nierenversagen zu tun, inneren Verbren-nungen, einem zersprengten Gesicht. Die Eltern sollten mit dem Schlimmsten rechnen, sagen sie.

    Ramona und Andreas Mutschke verbringen jeden Tag am Bett ihres Sohnes, zehn Wochen lang. Sie sehen ihn im Koma kmpfen, als fhre er das Gefecht weiter. Sein Arzt sagt: So etwas berleben nur ganz wenige. Maiks Fitness gab den Aus-schlag. Und dieser unglaubliche Kampfeswille.

    Auch das ist ein Unterschied zwischen den Kriegern. Mutschke wehrt sich gegen den Tod. Habib dagegen sehnt ihn fast herbei. Er hat, aus seiner Sicht, abgerumt fr Allah. Er hat sein Planziel bererfllt.

    Nach vier Wochen erwacht Mutschke aus dem Koma. Sein erster Weg fhrt vor den Spiegel. Er sieht dort einen Mann, den er nicht wiedererkennt. Um seiner Mutter die Sorgen zu neh-men, sagt er: Ich hab ja noch ein Auge. Das kriegen wir schon hin. Sechs Monate verbringt er im Krankenhaus, es folgen Reha, Therapien, ein Glasauge, eine neue Schulterorthese zum Preis eines Gebrauchtwagens. Er bekommt eine Einmal-zahlung von 150000 Euro, eine Versehrtenrente, sogar eine Ausbildung zum Skilehrer wird ihm bezahlt. Ich htte lieber mein Gesicht zurck, sagt Mutschke.

    Die Taliban dagegen entlohnen erfolgsabhngig. Fr Ha-bib und seine Einheit gibt es eine Pauschale: 100 000 Afghani im Monat, 1600 Euro. Davon bezahlt er Motorrder, Benzin, Essen, Kleidung. Darber hinaus gilt das Leistungsprinzip. Habib wird an der Zahl der Opfer gemessen. Der Karfreitag 2010 war sein bester Zahltag.

    Danach ndert sich sein Leben. Bald nach dem Gefecht nimmt die Bundeswehr Isa Khel ein und startet eine Gegenof-fensive. Sie verstrkt den Druck auf die Dorfltesten, sie bietet die Anreize der Counterinsurgency, baut Brcken, Strassen, Brunnen. Die Dorfltesten wiederum erhhen nun den Druck auf Leute wie Habib. Sie stellen ihm ein Ultimatum: Entweder wir liefern dich aus, oder du schliesst dich der CIP an; einer Art Brgerwehr, die von Bundeswehr und US Army bezahlt wird.

    Das erste Treffen mit LaCrosse findet in seinem Haus in der Oberpfalz statt. Der amerikanische Pilot lebt dort mit seiner Frau Michaela und zwei Kindern. Seit 16 Jahren ist er in Bayern stationiert. Anders als Habib redet LaCrosse ohne Hang zur Selbstglorifizierung. Anders als Mutschke redet er ohne Hang zur Ironie.

    Wir fliegen also rein. 13 Uhr. Wollen landen. Doch ber-all Schsse. Popp. Popp. Wie Popcorn. Eine Rakete explodiert unter uns. Zwei Schsse durchschlagen den Rotor. Aber Black-hawks sind robust. Wir brechen die erste Landung ab. Fliegen schneller an. Ich bekomme die Ansage: Touchdown unmglich. Landezone zu heiss. Ich antworte: Fr mich ist sie kalt genug. Mein Attack Bird schiesst mir einige Taliban aus dem Weg. Dann landen wir. Nehmen die beiden Verletzten an Bord. Sind auf dem Rckflug. Da hren wir die Explosion.

    Am Boden erging ein weiterer fataler Befehl. Mitten im Dorf versuchte der Dingo zu wenden, da wurde eine Spreng-falle ferngezndet. Die Explosion ttete zwei weitere deut-sche Soldaten. Auch Maik Mutschke wurde schwer getroffen, die Bombe zerfetzte sein Gesicht und den linken Arm. Er sagt es so: Du konntest vom offenen Hals bis in den Kiefer sehen. Da war bei mir Dienstschluss.

    Da lag Mutschke im Staub von Isa Khel und schien dem Tod geweiht. Ein Sanitter war bei ihm. Fr den Fall der Flle hatte Mutschke seinem Schwager einen Song in die Hand gedrckt. Er mge ihn auf der Beerdigung spielen, Geboren, um zu le-ben von der Gruppe Unheilig. Man denkt schon ber das Sterben nach, gibt Mutschke zu. Darber, dass man vielleicht nie mehr nach Hause kommt.

    ber den Anschlag sagt Mutschke zunchst: Das war fei-ge und hinterhltig. Spter, nach Jahren, sieht er auch die an-dere Seite: Das war gut geplant von den Taliban. Das sind Leute, die ihr Geschft beherrschen.

    Sprt er keinen Hass? Am Anfang schon, antwortet Mutschke. Und heute? Die kmpfen eben gegen ihre Eindring-linge. Aber Sprengfallen sind trotzdem hinterhltig.

    Habib erwidert: Sprengfallen sind nicht meine Sache, aber sie schaffen Gleichheit im Gefecht. Die Deutschen haben Droh-nen, Flugzeuge und Panzer. Es gibt eine Aufgabenteilung bei den Taliban: die Klerikalen, die Bombenbauer und die Krieger. Ich bin Krieger. Ich finde direktes Tten ehrlicher.

    Nach dem Anschlag flog LaCrosse zurck ins Gefecht und lud die nchsten Verletzten ein. Da sah er Mutschke als Bndel aus Verband und Blut , ein Bild, das sich in mein Gehirn ein-gebrannt hat. Viermal flogen die Blackhawks hin und her, sie sammelten Verwundete und Tote ein, sie bekmpften die Ta-liban aus der Luft und signalisierten den Deutschen, wo sich der Feind befand. Sie brachten die Wende, gibt Habib zhne-knirschend zu.

    Keine Angst vorm Sterben?, frage ich auch LaCrosse. Be-schossen zu werden, macht mir nichts aus. Ich liebe das Ad-renalin.

    Nach mehr als acht Stunden war das Gefecht von Isa Khel beendet. Die Bundeswehr erlebte die schlimmsten Stunden ihrer 60-jhrigen Geschichte. Sie beklagte drei Tote und acht Verletzte, die Taliban verloren mehr als ein Dutzend Kmpfer.

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    will zu den Paralympics. Ich will wieder schiessen, wie frher, wieder Scharfschtze sein.

    Drei NutzloseFr Habib dagegen wird die Lage mit den Jahren immer schlech-ter. Er beobachtet jetzt Brcken, Strassen, Grben, sagt: Ich war ein Fhrer. Jeder respektierte mich, weil ich ein guter Krie-ger war. Ihm geht es wie LaCrosse und vor ihm Mutschke: Er fhlt sich nutzlos. Habib druckst nun herum. Er raucht Kette, sein Telefon klingelt, eine westliche Melodie. Das Schlimms-te ist, dass die Taliban mich tten wollen, weil ich ein Verrter bin. Ich schlafe nicht mehr. Das regt ihn so auf, dass er wieder die Seiten wechseln will. Ich msste aber etwas Grosses ma-chen. Nur das wrden sie akzeptieren.

    Was kann das sein? Da grinst er. Etwas Grosses. Darun-ter fallen: Mord des Gouverneurs, Angriff auf Nato-Soldaten, Entfhrungen von Westlern. Es ist das letzte Gesprch mit Habib. Danach ist sein Telefon abgemeldet. Der Krieg in Af-ghanistan geht ins 37. Jahr.

    Ein letztes Gesprch mit Maik Mutschke, Mrz 2015, er ist auf dem Weg nach England zum Weltcup. Anschliessend gehts weiter nach Sdkorea, Australien, Amerika. Er bereitet sich auf die Schiesswettbewerbe bei den Paralympics 2016 vor. Es sieht gut aus. Seine ruhige Hand aus dem Krieg ist zurck. Fnf Jah-re nach Isa Khel lsst sich sagen: Mutschke hat es gepackt.

    Was hat geholfen? Eine Familie und Vorgesetzte, die zu dir halten. Und ein Ziel im Leben, Rio de Janeiro 2016.

    Eine Blockhtte in Maine am Lake Togus, Ende Mrz. Der See ist noch zugefroren, es war ein harter Winter. Jason La-Crosse fliegt Noteinstze fr ein Krankenhaus in der Klein-stadt Bangor. Ein Horrorjob, knurrt er. Nichts los. Hhe-punkt ist der Unfall eines Snowmobils im Wald.

    Seine Frau kommt dazu. Er ist so negativ, sagt sie. Ich versuche, mich zu finden, erwidert er. Wenn du dich ge-funden hast, lass bitte das Arschloch zurck, das du bist, Schatz, sagt sie liebevoll.

    LaCrosse blickt hinaus auf den See. Er hat zugenommen, hnelt eher einem Teddybren als einem sehnigen Krieger. Mit wem soll ich Sport machen?, klagt er. Ich habe hier keine Freunde. Auch meine Ehe stand am Abgrund. Woran liegt das? Ich habe Albtrume. Aber vor allem vermisse ich die Army. Es gebe noch eine Chance fr eine Rckkehr, sagt LaCrosse zum Abschied. Wenn es gegen den IS richtig los-geht. Dann lass ich meine Brder und Schwestern nicht im Stich. Es klingt nicht so sehr wie eine Mglichkeit denn wie eine Hoffnung. Eine Rettung.

    Endlich wieder im Einsatz.

    ten hflich nach der Ursache fragen, erklrt er es ihnen. Wenn sie glotzen, glotzt er zurck. Einmal erklrte ihm einer, dass es ihm recht geschehe. Das macht Mutschke am meisten zu schaf-fen: Die Deutschen mssen Krieg ja nicht mgen, aber sie knnten mit ihren verwundeten Soldaten mitfhlen.

    Habib dagegen erntet Bewunderung fr sein Aussehen. Je grausamer, desto besser, sagt er. Seine Wunden erzhlen die Geschichte eines Kriegers. Fr Mutschke mgen Narben ein Zeichen der Versehrtheit sein. Fr ihn sind sie eines der Voll-kommenheit.

    LaCrosse sagt ber seine Verletzung: Eine zerstrte See-le kann man nicht sehen.

    Fragt man Mutschke, ob er wissen will, wer ihn so zurich-tete, folgt eine lngere Pause. Nein, sagt er. Seine Stimme zittert. Anders Habib. Er wrde gern wissen, wer ihn traf. Es sind die sensibelsten Momente der Gesprche. Ich rede auch mit den Taliban, sage ich zu Mutschke, mit Menschen, die auf Sie schossen. Mutschke zgert mit einer Antwort. Schliess-lich sagt er: Warum nicht?

    Wrde er selbst mit ihnen reden? Dafr ist die Zeit nicht reif. Sie haben meine Kameraden gettet. Aber ich will schon wissen, was sie denken. Habib sagt ber eine Begegnung: Jederzeit. Wenn sie angemeldet in mein Dorf kommen, wrde ich ihnen ein Schaf schlachten. Und wenn nicht? Werden sie umgebracht.

    Es gibt nur eine Rettung: Nochmals in den EinsatzBeim nchsten Treffen scheint es LaCrosse besser zu gehen. Es findet im Herbst 2013 auf einer US-Militrbasis nahe Re-gensburg statt. LaCrosse ist voller Elan. Er befindet sich end-lich wieder in einem Kampf, diesmal allerdings mit der eigenen Armee. Sie wollen ihn fr ein Jahr nach Sdkorea abschieben, ein Schreibtischjob. Da reicht er impulsiv seine Kndigung ein, zehn Tage bevor er zum Major befrdert werden sollte. Nach 21 Jahren Army, nach 700 Gefechtsstunden. Er will ein neues Leben beginnen, in seiner Heimat im US-Bundesstaat Maine. Schon sein Vater kmpfte in Vietnam. Sein Grossvater landete im Zweiten Weltkrieg in der Normandie. Es war ein geradezu organischer Weg in den Krieg, eine Bestimmung.

    Zur gleichen Zeit macht sich auch Mutschke auf den Weg nach Amerika. Er erfllt sich einen Traum und nimmt fr Deutschland an den Warrior Games in Sdkalifornien teil, einem Wettkampf fr versehrte Krieger, bezahlt vom Vertei-digungsministerium.

    Es sind heisse Tage in Camp Pendleton, der Boden staubig, die Pflanzen trocken, fast wie in Afghanistan. Aber Erinnerun-gen kommen bei ihm nicht hoch. Mutschke geht in ein Shop-pingcenter, da hrt er: Thank you for your service. Im Bus: Thank you for your service. Der helle Wahnsinn, findet er, die Amis lieben Soldaten. Mutschke ist wie verwandelt. Er ist umgeben von Menschen, die hnlich aussehen wie er selbst. Amputierte, Vernarbte, Brandopfer. Und Tausende ju-beln ihnen zu.

    Am frhen Abend sitzt Mutschke unter einer Palme, auf dem Trainingsanzug der Bundesadler. Nie in den fnf Jahren schien er so glcklich. Er sagt: Ich habe ein neues Ziel. Ich

    Ein Seitenwechsel? Eine Herabstufung zum Spher? Er kann doch nur Krieg. Habib kmpfte schon mit 14 gegen die Russen. Er war das jngste von zehn Kindern, kann weder lesen noch schreiben. So wie andere in die Pubertt treten, trat er in den Krieg. Er lsst sich schweren Herzens darauf ein. Wie viele Ta-liban ist er nicht so ideologisch wie oft dargestellt. Es geht ihm weniger um den Tod der Unglubigen als um Geld und Macht. In der Sprache des Westens: um die berufliche Perspektive.

    Schwieriger ist die Rckkehr fr Jason LaCrosse. Nach sei-nem sechsten Auslandseinsatz freute er sich auf sein beschau-liches Dorf, aber nun kann er mit ihm nichts anfangen. Tags-ber geht er auf riskante Mountainbike-Touren. In den Nch-ten wacht er schweissgebadet auf. Er nimmt den Krieg mit ins Bett, in den Wald, in die Wortgefechte mit der Frau. Es sind die Anzeichen einer posttraumatischen Strung. Aber ihn qulen nicht nur die Bilder von Leichen und der Geruch brennenden Menschenfleisches. Es ist vor allem eine Frage: Warum habe ich nicht mehr Soldaten gerettet?

    Sie waren doch der Held!, halte ich ihm entgegen. Ich habe versagt, kontert er. Hartert war noch am Leben. Wren wir eher losgeflogen, knnte er jetzt hier sitzen.

    Sie haben sieben andere gerettet! Aber einen verloren. Das macht mich fertig.

    LaCrosse sitzt am Kchentisch, das jugendliche Gesicht zwischen den Hnden vergraben. Man hrt das Ticken einer Uhr, das Muhen einer Kuh. Er muss das Gesprch unterbre-chen. Man hat einen Helden erwartet und trifft auf einen ge-brochenen Mann.

    Es ist paradox, finden LaCrosse und Mutschke heute. Sie sind die Helden von Isa Khel und gleichzeitig die Leidtragen-den. Am ersten Jahrestag des Gefechts sehen sich die beiden Mnner zum ersten Mal. Sie sagen kein Wort. Sie umarmen sich. Und weinen.

    Mutschke macht gesundheitliche Fortschritte, aber er weiss nicht, wohin mit sich. Wir treffen uns in unregelmssigen Abstnden, in der Kaserne und bei ihm zu Hause. Seine Eltern beschreiben ihn als einen, der schon als Krieger auf die Welt kam. Von klein auf ging er mit seinem Vater, einem ehemaligen DDR-Soldaten, in den Wald und trug so viel Militrausrstung, wie ein Kind nur tragen kann. Er war ein Junge, der zu viel Kraft hatte. Einer fr Wlder, nicht fr Klassenrume.

    Sie sitzen um den Esstisch herum: Vater, Mutter, Schwes-ter, Maik, eine innig verbundene Familie. An der Wand hngt eine Postkarte aus Afghanistan: So, meine lieben Eltern, es ist Ostern. Das erste Mal Ostern ohne Familie. Wir werden das Beste draus machen mit den Jungs. Euer Sohnemann.

    Mutschke ist zunchst enttuscht von seinen Vorgesetzten. Sie haben ihn allein gelassen, erst im Krieg und dann in seinem Krieg danach. Er soll zum Materialbewirtschaftungssoldaten ausgebildet werden. Ich werde nicht mehr zum Schiessen ein-gesetzt, sondern zum Schleppen von Batterien. Nicht die Verletzung sei das eigentlich Schlimme, sondern die Sinnlo-sigkeit, findet er. Der halbe Krper mag weg sein, aber doch nicht seine Persnlichkeit.

    Auf der Strasse starren ihn die Menschen an. Sie sehen ein Gesicht, das sie nur aus Horrorfilmen kennen. Wenn Passan-

    JA N C H R I S T OPH W I E C H M A N N ist Reporter des Magazins und des Sterns in Rio de Janeiro; [email protected]

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    bevlkern oder durch die Geschftsstrassen bummeln. In Wahr-heit sind sie auf Abruf unterwegs, fr einen 20- bis 80-Pro-zent-Job mit flexiblen Arbeitszeiten. Es gibt diese Versionen. Gelebt wird das folgendermassen: Entweder wir machen mehrere Teilzeitjobs. Wir arbeiten Fulltime fr eine angebli-che Teilzeitstelle. Oder gewitzte Arbeitgeber kumulieren vier Teilzeitjobs zu einer Stelle. In Gleitzeit.

    Ich kannte den Personalchef eines Konzerns, der hatte 51,5 Prozent abzuleisten in Bern, Lausanne und Zrich. Smart-phone raus, sobald das Ding wieder brummt und piepst, wie ein hungriges Monsterkken, das die Hand, die es fttert, ir-gendwann einfach mitverschluckt.

    Die Arbeit geht nicht aus, sie verliert ihren Platz. Daher fllen sich heutzutage selbst die hsslichsten Brobrachen mit Ateliers voller Freelancer. Die zahlen sogar dafr, einen Platz zum Arbeiten zu haben. Zahlen obendrauf noch fr einen Yoga-kurs oder ein Essen um sechs, nur damit sie fr sich einen Grund haben, ihre Arbeitszeit einzuschrnken.

    Menschen lieben 9-to-5-Jobs so sehr, dass manche Dikta-turen sich allein dadurch aufrechterhalten knnen, dass sie ihre Brger zwischen neun und fnf zur Arbeit schicken. Ein gutes Beispiel dafr war die DDR. Und was vermissen ihre ehemaligen Brger prompt seit der Wende? Ihren 9-to-5-Job. Oder: Was bietet der IS den Auslndern an, die mit dem Ge-danken spielen, seinen Kampftruppen beizutreten? Geregelte Arbeits- und Lohnverhltnisse. Das zieht. Es gibt Leute, die sind bereit, fr geregelte Arbeitszeiten zu sterben.

    Auch in der Schweiz platzen berall Risse auf, seit die Ar-beitswelt so in Bewegung gekommen ist. Von den Tramfahr-plnen ber die Kindergrten bis zu den Ladenffnungszeiten, alles baut auf dem 9-to-5-Job auf. Wer keinen hat, steht vor ge-schlossenen Amtstren, kriegt keinen Mietvertrag, weiss nicht, wohin mit seinem Kind. Jede alte Arbeitsstruktur scheint in dieser jederzeit umprogrammierbaren Welt ein Hindernis zu sein.

    Alles ist im Fluss. Das schlgt sich auch im Architekturplan fr das neue Hauptquartier von Google in Kalifornien nieder: Vier vollstndig transparente Brogebude aus Fiberglas sol-len Aussen- und Innenwelt miteinander verschmelzen lassen, und sogar die zentralen Gebude werden flexibel zueinander zu verschieben sein, wie riesige Spielzeuge. Es soll das perfek-te Ambiente bieten, um darin zu leben und zu arbeiten, sa-gen die Planer.

    Die eine Antwort auf den 9-to-5-Mangel ist: Wir schaffen die Arbeit komplett ab. Anstelle von Arbeitsvertrag und defi-nierter Aufgabe schnappen wir uns via Apps Mikrojobs auf Crowdsourcing-Plattformen. Statt Lohntte am Monatsende kme unser Geld dann von Crowdfunding-Projekten. Die stiere Arbeit im alten Stil wre pass. Aber ganz ehrlich: Was klingt besser: Crowdfunding oder fester Arbeitsplatz?

    Meine Antwort ist: Schluss mit Homeoffice, modularen Bros und fliessenden Arbeitszeiten! Ich habe diese Freiheit satt. Gebt mir ein Desk und eine Stempelkarte.

    Gebt mir 9 to 5!

    Draussen scheint die Sonne, und ich frag mich: Wo sind bloss die Nine-to-Five-Jobs?

    Es gibt nichts verdammt Cooleres auf der Welt als einen Job von neun bis fnf Uhr. Die ganze Pracht eines eigenen Schreibtischs, den man zu vernnftigen Tageszeiten besucht, um sich in dieses Schlamassel namens Arbeit hineinzustr-zen wie die Perser im Hollywoodfilm 300: Rise Of An Empi-re. Oder die Typen, die von Klippen in den weiten Ozean springen, und dann folgt der harte Aufprall, das Ringen im kalten, tiefen Wasser, das Hinaufstreben ans Licht und, end-lich, die Sonne im Gesicht so fhlt sich Feierabend an.

    Fnf Uhr ist die optimale Zeit dafr: heimspazieren nach getaner Arbeit, Freunde grssend auf der Strasse, frhlich ein Kfferchen schwenkend. Bloss, das gibt es nicht mehr.

    Man sagt, die Generation der Millennials interessiere sich besonders fr die Work-Life-Balance. Das ist nichts als eine verlogene Verharmlosung der Tatsache, dass die Jungen ver-zweifelt auf der Suche nach 9-to-5-Jobs sind.

    Niemand soll behaupten, er habe die Zeichen nicht er-kannt. Die Bilder von Computern, die sich in unsere Rckzugs-rume vorwagten. Das waren die Nullerjahre: Werbungen von lssigen Laptops auf Bootsstegen, Caftischen oder am Strand bei Sonnenuntergang. Riesige Arbeitsspeicher und verlockend tiefe Preise. Wir selbst haben die 9-to-5-Welt zerstrt und so-gar noch 999 Franken fr das Ende unserer Freizeit bezahlt. Bald darauf vereinten sich die Laptops mit Telefonen zu Smartphones, die berallhin mitdurften. Heute whlen wir Provider nach Netzanbindung. Und Tag und Nacht arbeiten Techniker daran, die letzten Funklcher zu schliessen, damit wir immerzu und allerorts Mails beantworten und Tabs auf-klappen knnen.

    Die echten Arbeitspltze, diese begrenzten cker des Ackerns, verschwinden berall auf der Welt. Facebook und Google liefern sich ein Wettrennen darum, Drohnen und Sen-deballons zu konstruieren, um das Internet bis ins letzte Dschungeldorf zu strahlen. Nicht mal auf der Flucht sind wir mehr unerreichbar. Als einige Fluglinien jngst beschlossen, das Handyverbot an Bord aufzuheben wieso ging da niemand auf die Strasse? Die Trennung von Arbeit und Freizeit, von Be-rufs- und Privatleben ist vorbei. Der Kapitalismus kriecht nun in alle Ritzen. Es gibt Studien darber, wie viele Leute mitten beim Sex kurz ihre Mails checken. Ergebnis: viele. Du wolltest Unabhngigkeit? Dann renn los! Die ganze Welt ist jetzt dein Office. Rund um die Uhr, als Dauerschicht.

    Der pure Luxus9-to-5-Jobs dagegen sind der pure Luxus geworden. Vor der digitalen Revolution konnte man mit schnellen Autos ange-ben, jetzt dagegen mit den extra langsamen SUVs. Warum? Weil man heute am besten mit freier Zeit prahlen kann. Damit, gemtlich durch die Gegend zu kurven weil man entweder richtig reich ist. Oder einen 9-to-5-Job besitzt. Der ist inzwi-schen so selten, dass er einem ein anerkennendes Nicken auf Partys einbringt. Ein Prestigegut.

    Beweis dafr sind seine vielen Imitate. Man muss sich nur die vielen vermeintlichen Freizeitler anschauen, die die Cafs

    H A N N E S GR A S SE G GER ist Reporter bei Das Magazin; [email protected] JA N ROBERT D N N W EL L ER

    Was frher als bnzlig verpnt war, ist zur neuen Sehnsucht geworden: der Nine-to-Five-Job.

    GELOBT SEI DER FEIER A BEND

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    CHR ISTIAN SEILERDA S TAV ER NEN-R TSELberraschungen in Griechenland: Es gibt doch gutes Essen. Aber man muss danach suchen.

    Diese Kolumne hat eine Vorgeschichte: eine Kolumne. Als ich vor etwa zwei Jahren an dieser Stelle ber die, Achtung Ironie, Segnungen der griechischen Kche schrieb und zu dem Schluss kam, das Einzige, was den Griechen je eingefallen sei, sei griechischer Joghurt, provozierte das hmischen Szenenapplaus. Wie immer, wenn man Vorurteile stmmig bedient.

    Aber es gab auch Beschwerden. Ein junger Sternekoch, der aus Griechenland stammt, richtete mir aus, das Bashing der griechischen Durchschnittstaverne sei billig. Wenn ich mit ihm in Griechenland unterwegs gewesen wre, htte ich freihndig eine Kolumne ber das sagenhafte Niveau der griechischen Kche schreiben knnen.

    Zuletzt fgte es sich also, dass ich Teil einer Fact Finding Mission wurde, die sich den Reizen und Herausforderungen Messeniens widmete, jener sdwestlichen Region auf dem Peloponnes, wo die mykenische Kultur ihre Wiege hatte und wo heute gute Orangen, Zitronen, Mandeln, Feigen und vor allem Oliven angebaut werden. Mit im Tross war besagter Sternekoch samt lokalen Auskennern, die wussten, wo man abends einkehren wrde: wo sich also von zwei Thesen eine als die gltige erweisen wrde jene, dass griechisches Feuer jedes Lebensmittel zwangslufig verderbe, oder jene, dass gerade die einfachen Sachen nicht nur von guter, sondern von exquisiter Qualitt seien. Es ging wohlgemerkt nicht um irgendwelche Spitzenhtten, deren Chefs angesichts anderer Chefs die Korken knallen und die Hummerscheren zischen lassen; es ging um die Kneipe wie du und ich so kam es, dass unser Kleinbus irgendwo hinter Pylos enge Bergstrassen hinaufjagte und uns in einer Taverne namens Trichordo ablud.

    Was ist so besonders an dieser Kneipe?, fragte ich.Nichts, sagte der Koch. Das ist ja das Besondere.

    Dann erklrte er sein Bonmot. Hier, in der winzigen Ortschaft Mesochori, werde so gekocht, wie auch zu Hause gegessen wird. Das sei im brigen der Grund, warum in den Tavernen keine authentische Hausmannskost zu bekommen sei kein Mensch gehe in die Kneipe, um Gerichte zu essen, die man zu Hause ohnehin vorgesetzt bekommt. In der Kneipe wnsche man sich etwas Besonderes und damit befinde man sich augenblicklich abseits jener Qualitten, um die es uns ja gerade geht, wenn wir fremde Lnder bereisen und ihre kulinarischen Kulturen kennenlernen wollen. Zuerst standen auf dem Tisch ein paar Bierflaschen, dann zwei Weinkrge mit einem einfachen Ros, dann kamen in rascher Folge Kleinigkeiten: mit Tomaten und Kse berbackenes Weissbrot, fantastische Oliven, ein weicher, wrziger Feta, der im Vergleich zum salzigen Industriekse von smiger Eleganz war, ein Teller mit kstlichem, bitterfeinem gekochtem Grnzeug, aus dem nur die Zichorien einwandfrei zu identifizieren waren, dann eine grandiose Eierspeise, in der sich wilder Spargel und Ei genau die Waage hielten, und schliesslich der Hhepunkt: das Lamm mit den Artischocken, gemeinsam geschmort und fr jeden Anwesenden genau als letzter Happen bemessen. Es war in Summe ein unaufgeregtes, aber auch grossartiges Essen. Das Wunschessen des Reisenden. Ich muss zugeben: Meine These war mit diesem Abend hinfllig. Ich nahm alles zurck, was ich gegen die griechische Kche vorgebracht hatte. Aber eines wollte ich wissen.

    Wie viele von diesen Tavernen gibt es hier?, fragte ich.Drei.Hier im Dorf?Nein. In ganz Messenien. Schreibt euch also die Tele

    fonnummer auf und reserviert einen Tisch: +30 6945 428699.

    Mehr von C H R I S T I A N SEI L ER immer montags in seiner Montagsdemonstration auf blog.dasmagazin.chIllustration A L E X A N DR A K L OBOU K

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    Open Source und offene Rume: In der Casa Jasmina ist alles mit allem vernetzt.

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    Begonnen hat alles vor zehn Jahren. Der Student Massimo Banzi und seine Kommilitonen such-ten nach Hardware und Software, um ihre Tfte-leien umzusetzen Roboter, Videoinstallationen von Knstlerfreunden oder selbst gebaute Bewe-gungssensoren. Weil es aber massgeschneider-te Steuerungssysteme nicht gab oder diese viel zu teuer gewesen wren, haben sie selber drauflos-programmiert und -geltet. Ihr Dogma war und ist es, die Bauplne sowohl ihrer harten Leiter-platten als auch ihrer weichen Software nicht fr sich zu behalten, sondern allen verfgbar zu ma-chen. So grndeten sie Arduino, das mit seinen Produkten zwar Geld verdient, sich aber nicht als Unternehmen versteht, sondern als Plattform, auf der sich jeder bedienen kann und alle mitein-ander darber austauschen sollen, welche Lsun-gen fr welche Probleme taugen. Open Source offene Quelle lautet das Stichwort fr diesen An-satz, der die Kreativitt der Menge frdern will, anstatt sie als Konkurrenz zu verstehen.

    Banzi betreibt ausserdem zusammen mit dem Technologie-Designer Lorenzo Romagnoli ein FabLab. Ein solches Fabrikationslabor bietet mit seinen Przisionsmaschinen und 3D-Druckern jedem die Gelegenheit, seine Ideen materielle Wirklichkeit werden zu lassen wiederum im

    Geiste von Arduino, allen alles mglich zu ma-chen. Weil die beiden aber nicht nur Plne um-setzen wollen, die es schon gibt, sondern auch solche, die es in der Zukunft geben knnte, haben sie sich mit einem Spezialisten in diesem Fach zusammengetan: Bruce Sterling ist ein amerika-nischer Science-Fiction-Autor und Mitbegrn-der des Cyberpunk, einer literarischen Bewe-gung, die sich den Entwicklungen der digitalen Welt verschrieben hat, von denen bekanntlich nicht immer alle positiv ausfielen.

    Damit beim nchsten grossen Technologie-thema, dem Internet der Dinge, optimale L-sungen entstehen, haben die drei ihre visionre Intelligenz und ihr technisches Know-how ver-bunden und in Turin ein Zukunftsheim instal-liert, das sie Casa Jasmina nannten. Beim Internet der Dinge geht es um Objekte, die sich miteinan-der und mit ihren Benutzern vernetzen: Matrat-zen, die uns helfen, gut zu schlafen, oder Khl-schrnke, die selbstttig Milch bestellen. Zwei Jahre lang sollen hier, im Designland Italien, Ge-stalter, Programmierer und Erfinder gemeinsam Ideen und Objekte ausprobieren, die dann auch getestet werden.

    Bruce Sterling hat schon eine Nacht im Haus verbracht. Er sagt, er habe gut geschlafen.

    casajasmina.arduino.cc

    H A N S U L R IC H OBR I S T ist Kurator und Co-Direktor der Serpentine Galleries in London.

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    FR ENKEL MIR KOMMEN MOZA RT U ND EINSTEIN IN DEN SINN

    BEN I F R EN K EL ist freier Autor und lebt in Zrich.

    Wenn ich im Coop einkaufe, dann versuche ich immer im Kopf auszurechnen, wie viel alles kosten wird. Dann stehe ich vor der Kassiererin und sage mutig: 123 Franken. Erstaunt erwidert sie mir: 147.50 Franken. Sie sind aber fix im Kopf, Herr Frenkel!

    Danke, murmle ich ein wenig verschmt und nehme mir vor, endlich einmal meinen IQ zu messen. Zu Hause mache ich dann einen Gratistest, der zehn Minuten dauert. Ergebnis: 103 Punkte. Das heisst: Ich bin berdurchschnittlich hochbegabt! Im Durchschnitt hat ein Schweizer nur einen Intelligenzquotienten von 100. Dann machte ich den gleichen Test noch einmal: 109 Punkte. Wow! Beim dritten Anlauf: 112 Punkte! Krass!

    Diese beraus hohen Ergebnisse stellten mich allerdings auch vor ein Pro

    blem: Wie soll ich meinen Mitmenschen von meinem hohen IQ erzhlen? Ich kann ja nicht einfach herumposaunen: Ich habe einen IQ von 112 Punkten!

    Mir kamen Mozart und Einstein in den Sinn. Die hatten es auch nicht leicht mit ihrer hohen Intelligenz. Wir Hochbegabten stossen leider auch im 21. Jahrhundert! auf Neid und Skepsis bei den Mitmenschen. Dabei haben wir hnliche Bedrfnisse wie alle anderen Menschen.

    Ich dachte an meinen Chef. Soll ich ihm vielleicht eine E-Mail schreiben wegen meiner Hochintelligenz? Wie trete ich insknftig vor meinen Arbeitskollegen auf? Auf keinen Fall will ich hochmtig erscheinen und eine Extrabehandlung verlangen. Gewiss, ich bin hochbegabt, aber ich bin auch ein Mensch!

    Dann berlegte ich, wie wohl meine Frau reagiert. Wird sie jubeln, oder wird

    sie ngstlich fragen, ob ich ihr denn noch treu bleibe? Das ist eine sehr gute Frage. Wir mssen der Sache jetzt einmal Zeit geben. Auch fr mich kommt dieses Test ergebnis sehr berraschend. Natrlich denkt man an seine Kindheit zurck und an all die verpassten Chancen, wo die Eltern das hochintelligente Kind nicht gengend gefrdert haben.

    Im Nachhinein ist man immer klger. Aber vielleicht htten meine Eltern besser reagieren mssen, als ich immer MacGyver gucken wollte. Oder als ich immer Computerspiele machen wollte. Wie gesagt, nachher ist man immer klger. Ich schme mich fast ein wenig, aber ich habe dann den Onlinetest noch ein viertes Mal gemacht: Mein Intelligenzquotient liegt jetzt bei 114 Punkten. Ich hre jetzt besser damit auf.

    TRUDY MLLER-BOSSHAR D

    WAAGRECHT (J + Y = I): 5 Sind am virtuellen Stammtisch schnell weit verbreitet. 13 Rollender Verband mit beispielsweise Hollande. 18 Mit Handarbeit verbundener Freizeitvertreib. 19 Schmuck frs Leben werden in Basel Jahr um Jahr gegeben. 20 Weidmanns Missgeschick auf der Pirsch hinsichtlich Hirsch. 22 Von trgen Trampern Prferierte. 23 Ausser ohrenbetubend: rhetorische Frage. 24 ...---... beispielsweise oder ein Beatles-Streifen. 27 Anhaltende Innigkeit, heissts, sei dagegen gefeit. 31 Bloss en Provence Prachtstrasse, im Anschluss an englischen Gruss. 32 Spargelputer, gemixt, wird von Werbefritzen bezirzt. 33 Des Denkers von Sinope Eigenheim. 34 Musste, Heras wegen, zum Kreissen weit reisen. 36 Unter anderem Namen wre Paris etwa ein Schadprogramm. 38 Hufig randstndiger Kurzkommentar. 39 Senators Kollega in Sparta. 40 Passt zu Pass, der Krimiautor, der kein Vielschreiber leider. 41 Gangsterbossrollen machten den James famos. 42 Verklren oder erklren, was im Bild zu sehen. 43 Mit der Henne verglichen, ein Geck, mit, ob dem Auge, rotem Fleck.

    SENKRECHT (J + Y = I): 1 Laut Alien-Glubigen keine Exklusivitt des Blauen Planeten. 2 Befinden nach Animierdamenbegegnung, rein etymologisch betrachtet. 3 Mochte Tiger, die Frau, die sich ... schreibt. 4 Splittergruppe im Rebensaftladen zu haben. 5 Stammt vom gleichen Baum wie das Friedens-symbol. 6 Tatort-Brne nennt seine Assistentin nach Wchter ihres Horts. 7 Was wartende Briten mit der vierten Dimension tun. 8 Ein Zusammen-klappmesser sozusagen. 9 Was Pontoniere konstruieren. 10 Der grosse Barde flanierte an seinen Gestaden. 11 Der Name der Dame im Untergangsdrama. 12 Feindeslandgewinn macht bei Tabletten Sinn. 14 Mit Passepartout: Gigantin im alten Hollywood. 15 Der Valadon ebenfalls malender Sohn. 16 Interjektion, die beinahe ein Eskimo. 17 Unter den Dluge-berlebenden der Patriarch. 21 Der Mister Brown aus dem Song sitzt, nicht mit Ypsilon und entzweit, auf dem Thron. 25 5 senkrecht ist keines der schlechten. 26 Lohndumping in extremis. 28 Kopfstehender Marx: berhmt fr ihre Talks. 29 bung mit grsstmglicher Fussspitzendistanz. 30 Wo sich Scheunendrescher seinen Kohldampf holt. 35 Das Lager will im Grund keiner haben. 37 Mittelmssiges Fiasko auf der Insel sehenswert.

    HELPLINE FR RATLOSE: Sie kommen nicht mehr weiter? Whlen Sie 0901 591 937 (1.50 Fr./Anruf vom Festnetz), um einen ganzen Begriff zu erfahren. Wenn Sie nur den Anfangsbuchstaben wissen mchten, whlen Sie 0901 560 011 (90 Rp./Anruf vom Festnetz).

    LSUNG RTSEL N 19: ROSTSCHADEN

    WAAGRECHT (J + Y = I): 4 SPAZIERGAENGERIN. 12 FREUDENSPRUENGE. 18 LAUSBUBE. 19 Der TAUCHER. 20 ANSTACHELN. 22 SCENES (engl. fr Szenen, Scenes from a Marriage/Szenen einer Ehe). 23 ERDTEIL (E-uropa). 26 ARC (franz. fr Bogen [von Amor]). 28 TIBETER (Lama). 30 ALICE im Wunderland (Grinsekatze). 32 OELLEITUNG. 36 BUECHER. 37 NOAH. 38 KONZIL. 39 TIO (span. fr Onkel). 40 EPI-GONE. 41 AUDIMAX. 42 OHRSTOEPSEL. 43 ROMAN (Kilchsperger). SENKRECHT (J + Y = I): 1 Lo & LEDUC (gewannen 2015 drei Swiss Music Awards). 2 George BASTL. 3 URNEN(-gang). 4 SOLARAUTO. 5 PFANDLEIHE. 6 ZESTE. 7 JUBA (Hptst. des Sdsudan). 8 REBHAENGE. 9 EPA. 10 GUCCI. 11 NEUSEELAND (Drehort von Herr der Ringe). 13 RUSTICO. 14 NEER. 15 RUSTIKAL. 16 EHEBUND. 17 GRET Loewensberg (Ehefrau von Moritz Leuenberger). 21 NAEHE(!). 24 JEEP. 25 LORIOT. 27 CLANS (Tartanmuster). 29 ENZYM. 31 CHESS (Musical von Benny Andersson/Bjrn Ulvaeus). 33 LOOP. 34 TOUR (de France). 35 GYM (Fitnessstudio).

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    WORAUF SCHNDERFRSSIGER KARPATENGRAF ACHTET:Die Lsung ergibt sich aus den grauen Feldern waagrecht fortlaufend.

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    Die besten Geschichten lesenSie in der NZZ amSonntag.nzz.ch/sonntag42

    Die Sprachfhigkeitist angeboren,die Lesefhigkeit nicht.Lesen ist in unserenGenen nicht vorgesehen.Aus Auf Papier lesen geht tiefer als Tablet-Lektre von Joachim Gntner

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    Es war vor fast fnf Jahren, als mein Mann mit zwei Tickets fr eine Charity-Veranstaltung im Theater Basel nach Hause kam. Die Reden waren alle auf Deutsch, ich spreche Englisch, aber dass es um Krankheit und Tod ging, habe ich verstanden. Es war deprimierend, ich berlegte, wie ich hier rauskommen knnte. Aber dann kam Richard Wher-lock, der Ballettdirektor, auf die Bhne. Er sprach mit so viel Leidenschaft ber Tanz und was das Ballett ihm bedeutet

    ich musste sehen, wovon dieser Mann sprach.

    Zwei Tnzer kamen auf die Bhne und tanzten ein Pas de deux. So etwas Schnes hatte ich noch nie gesehen. Viel-leicht htte aus mir auch eine Tnzerin werden knnen, aber ich habe mich fr Fussball entschieden. Dieser Sport gab mir die Mglichkeit, all das auszudr-cken, was mir sonst im Leben unmglich war. Aber dieses Pas de deux liess sich nicht mit Fussball vergleichen, das war

    pure Emotion. Das lste etwas in mir aus, das mich vernderte. Ich wusste, ich muss diese Leidenschaft und Energie zurck in mein Leben holen.

    Ich war erfolgreich als Computer-wissenschaftlerin, verfolgte viele Inter-essen ausserhalb meines Jobs, mein Le-ben war erfllt. Aber ich war neugierig. Ich fragte mich: Was wrdest du tun, wenn dir keine Grenzen gesetzt wren? Ich lste meine Vertrge mit der Univer-sitt Basel und dem Institut fr Design und Kunstforschung auf. Mein Plan war es, keinen Plan zu haben.

    In der ersten Woche kaufte ich mir eine Kinect Camera. Diese zeichnet statt Bilder nur Positionspunkte von Objek-ten auf. So konnte ich Kunst machen aus Daten; in dieser Welt fhlte ich mich zu Hause. Das Faszinierendste war, dass ich Bewegung von Menschen visualisieren konnte, ohne dass man sah, welches Ge-schlecht, Alter oder Aussehen diese Per-sonen haben. Frher, beim Fussball, ging es immer nur darum, dass ich eine Frau bin, aus einer anderen Kultur komme, aber niemand hat sich dafr interessiert, wie Fussball sich fr mich anfhlt.

    Ein paar Tage spter traf ich mich mit einem Theaterregisseur zum Essen. Ich habe ihm meine Experimente gezeigt, und er bat mich, fr den ersten Akt den Hauptdarsteller hinter der Bhne mit meiner Kinect Camera aufzunehmen. So sahen die Zuschauer nicht ihn, son-dern auf einer Leinwand eine abstrakte Version seines Spiels. Mit tlerweile ging ich regelmssig ins Ballett. So habe ich eines Tages den Tnzer des Pas de deux der Charity-Veranstaltung kennenge-lernt, Jorge Garca Prez. Als ich ihm mei-ne Experimente zeigte, bat auch er mich, mit ihm zusammenzuarbeiten. Zuerst habe ich das nicht so ernst genommen. Ich dachte, das wre zu schn, um wahr zu sein. Aber dann habe ich Ja gesagt. Drei Jahre minus einen Tag nachdem ich ihn im Basler Theater gesehen hatte, ver-beugte ich mich mit ihm auf ebendieser Bhne.

    Protokoll DEN I SE BUC H ER ; Bild GUA DA LU PE RU I Z

    EIN ABEND IM LEBENPER M I JHOOTI, 4 4, war die erste asiatische Profifussballerin, ihre Geschichte erzhlt der Film Bend It Like Beckham. Heute lebt sie in Basel als Knstlerin.

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