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AUSGABE 2017/2018 | PERSPEKTIVEN FÜR IHR BERUFSLEBEN Zeitarbeit BRANCHENPORTRÄT Aktuelle Entwicklungen ZEITARBEIT ALS STRATEGIE In verschiedenen Lebenslagen MIGRANTEN IN ZEITARBEIT Auf dem Weg ins Berufsleben

Themenheft durchstarten | Zeitarbeit | Ausgabe 2017 · (Neu-)Start auf dem Arbeitsmarkt, zum Beispiel für Ältere oder Quereinsteiger. checkliste. Kommt Zeitarbeit für mich infrage?

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A U S G A B E 2 0 1 7 / 2 0 1 8 | P E R S P E K T I V E N F Ü R I H R B E R U F S L E B E N

ZeitarbeitBRANCHENPORTRÄTAktuelle Entwicklungen

ZEITARBEIT ALS STRATEGIEIn verschiedenen Lebenslagen

MIGRANTEN IN ZEITARBEITAuf dem Weg ins Berufsleben

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Themenheft 2017/2018 ZeitarbeitINHALT THEMEN

ZEITARBEITZeitarbeit kann eine Chance bedeuten: Gehen Sie

neue Wege im Berufsleben oder meistern Sie den

Wiedereinstieg. Das Beschäftigungsmodell eignet sich

auch für diejenigen, die zuvor noch nie beschäftigt

waren. Lesen Sie in diesem Heft, wie andere

Zeitarbeit nutzen. Motivierende Erfolgsgeschichten,

aktuelle Informationen und hilfreiche Praxistipps

erwarten Sie.

IMPRESSUM HerausgeberBundesagentur für Arbeit, Nürnberg

VerlagMeramo Verlag GmbH, Gutenstetter Straße 8d, 90449 NürnbergTel. 0911 937739-0 Fax 0911 937739-99E-Mail: [email protected]

Redaktion BerufsfeldinformationenGeschäftsführung: Andreas Bund, Rainer MöllerChefredaktion: Helmut StanglRedaktion: Leonore StraßnerLektorat: Edith BackerArt Direktion: Viviane SchaddeLayout: Claudia Costanza, Nicole SüßTitelfoto: Julien FertlWir fotografierten in den Kliniken Hallerwiesen Nürnberg und bedanken uns für die freundliche Unterstützung.

Autoren und AutorinnenBernd Klement, Gabriele Müller, Katharina Vähning

DruckAlpha print Medien AG, Darmstadt

RedaktionsschlussJuni 2017

HaftungsausschlussFür die Richtigkeit der Eintragungen kann – auch wegen der schnellen Entwicklung in Gesellschaft, Wirtschaft und Technik und der großen regionalen Unterschiede – keine Haftung übernommen werden. Bitte informieren Sie sich bei Ihrer Agentur für Arbeit, ob in der Zwischenzeit in ein-zelnen Punkten Änderungen eingetreten sind.

Copyright© Bundesagentur für ArbeitAlle Rechte vorbehalten. Der Nachdruck, auch auszugs-weise, sowie jede Nutzung der Inhalte bedarf der vor-herigen Zustimmung des Verlags. In jedem Fall ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Bilder dürfen grund-sätzlich nicht genutzt werden. Mit Namen gekennzeich-nete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Herausgebers wieder.

BestellungenDas Heft kann über den Bestellservice der Bundesagentur für Arbeit im Internet bezogen werden:www.ba-bestellservice.de

Die Branche ZeitarbeitÄnderungen, Trends, Berufsfelder .................................................................. 4

Häufig gestellte FragenWie funktioniert Zeitarbeit? ........... 6

PorträtsVier Zeitarbeitskräfte berichten ....................................... 8

Zeitarbeit als StrategieUnkomplizierter Einstieg möglich .......................................16

Interview Wolfgang Hamann von der Uni Duisburg-Essen ....................18

Weitere Themen

Erfolgsgeschichten Strategisch geschickt vorgegangen ..............................20Migranten in Zeitarbeit Weg zur dauerhaften Integration ................................. 22Glossar Abkürzungen, Stichworte, Fachbegriffe ...............................26

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Themenheft 2017/2018 ZeitarbeitDIE BRANCHE ZEITARBEIT EINFÜHRUNG

NEUIGKEITEN IN DER BRANCHEEs war lange angekündigt, nun wurde es umgesetzt: Seit April 2017 ist eine veränderte Fassung des Arbeit-nehmerüberlassungsgesetzes in Kraft. Die Neuregelungen darin haben weitreichende Konsequenzen für die Zeit arbeitsbranche – und ihre Arbeitskräfte.

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Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Wer angemessen entlohnt wird, ist mit seiner meist Stelle zufrieden.

gemessen an der Zahl aller Beschäftigten liegt der Anteil der Zeitarbeitnehmer und Zeitarbeitneh-merinnen bei weniger als drei Prozent – und bleibt

seit Jahren relativ konstant. In der Arbeitnehmerüberlassung gibt es schon immer viel Bewegung. Das kommt zum einen daher, dass sie eine Branche mit hoher Dynamik ist. Boomt die Wirtschaft, werden möglichst schnell viele Arbeitskräfte benötigt, um Auftragsspitzen abzubauen und Projekte ter-mingerecht umzusetzen. Herrscht eher eine wirtschaftliche Flaute, trennen sich viele entleihende Unternehmen von ih-ren Zeitarbeitskräften.

Auch die absolute Zahl der Beschäftigten schwankt im-mer wieder. Der Blick auf die vergangenen Jahre zeigt, dass sie insgesamt auf konstantem Niveau bleibt. Im Juni 2016 waren 1,006 Millionen Leiharbeitnehmer und Leiharbeitneh-merinnen sozialversicherungspflichtig oder ausschließlich geringfügig beschäftigt. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg um fünf Prozent.

Der Gesetzgeber regeltZeitarbeit ist im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt. Das wurde in den vergangenen Jahren reformiert und an-gepasst. Gesetzlich besteht seit 2011 die Möglichkeit, eine zwingende Lohnuntergrenze für die Zeitarbeit festzulegen.

Seit April dieses Jahres gibt es nun eine Änderung im Gesetz, die sich unter anderem mit der Überlassungsdauer und dem sogenannten Equal Pay beschäftigt. Mit dem In-krafttreten der neuen Regelung wird klar festgelegt, dass Arbeitskräfte in der Zeitarbeit künftig nur noch bis zu einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten bei einem Entlei-her eingesetzt werden können. Damit soll eine Arbeitnehme-rüberlassung als Dauerzustand verhindert werden.

Die zweite Änderung betrifft den bereits lange diskutierten Grundsatz des Equal Pay, also die gleiche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit.

Seit Juni 2017 gilt die Dritte Verordnung über die Lohnun-tergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung, die verbindliche Mindeststundenentgelte für die Branche vorgibt. Das Ge-setz stellt klar: Zeitarbeiter und Zeitarbeiterinnen erhalten grundsätzlich nach neun Monaten den gleichen Lohn wie die vergleichbaren Stammbeschäftigten. Arbeitgeberver-bände und Gewerkschaften können jedoch abweichende Vereinbarungen treffen, wenn ein Tarifvertrag existiert. Eine Ausnahme von der Neun-Monats-Frist gilt etwa, wenn der Arbeitgeber bereits ab der sechsten Beschäftigungswoche einen Branchenzuschlag zum Tariflohn bezahlt. Dann können Unternehmen die Angleichung des Lohns auf bis zu 15 Mo-nate ausdehnen.

Für wen eignet sich Zeitarbeit? Grundsätzlich eignet sich Zeitarbeit für alle, die be-ruflich und räumlich flexibel sind und die sich schnell auf neue Anforderungen einstellen wollen und kön-nen. Traditionell ist es noch immer so, dass der Groß-teil der Zeitarbeitskräfte männlich ist. Das hängt damit zusammen, dass der gewerbliche Sektor – vor allem der Bereich Verkehr und Logistik mit rund 30 Prozent – eine wichtige Rolle spielt. Bei den Männern sind rund ein Drittel im Bereich Metall und Elektro tätig und rund 13 Pro-zent arbeiten in anderen Fertigungsberufen.

Bei Frauen haben sich in der Zeitarbeit andere Schwer-punkte herausgebildet: Bei ihnen spielen Dienstleistungs-berufe sowie das Gesundheits- und Sozialwesen eine große Rolle. Angesichts einer alternden Gesellschaft gibt es zum Beispiel auch Verleihfirmen, die sich auf Pflege und Medi-zin spezialisiert oder eigene Abteilungen dafür eingerichtet haben, um Fachpersonal zu überlassen.

Chancen bieten sich in der Zeitarbeit auch für Menschen ohne Berufsabschluss, denn mit 27 Prozent ist ihr Anteil deutlich höher als an der Gesamtbeschäftigung. Ebenso kann Zeitarbeit aus der Arbeitslosigkeit heraus ein Sprung-brett in Beschäftigung sein. Im Jahr 2016 war jede fünfte neue Zeitarbeitskraft zuvor ein Jahr lang oder länger ohne Arbeit oder noch nie zuvor beschäftigt.

Manch eine oder einer findet dank Zeitarbeit nicht nur eine Arbeitsstelle, sondern gelangt zu einem Berufsab-schluss. Seit Jahren schon kümmert sich die Branche ver-stärkt um das Thema Weiter- und Ausbildung. Schließlich

ist qualifiziertes Personal gefragt. Lesen Sie dazu auch das Porträt ab Seite 8. Viele, vor allem die großen Entleihunter-nehmen, bieten Qualifizierungsbausteine an, die auf dem Arbeitsmarkt besonders nachgefragt sind. Oftmals handelt es sich um die Bereiche Lager und Logistik sowie IT. Warum nicht einfach den Arbeitgeber direkt darauf ansprechen, sofern Nachholbedarf besteht?

praxistippsZeitarbeit als Chance Durch eine Beschäftigung in Zeitarbeit können Sie Ihren beruflichen Zielen und Vorstellungen näher-kommen. Zeitarbeit ermöglicht Ihnen:

• Berufserfahrung in Ihrem Wunschberuf zu sammeln • berufliche Qualifikationen zu erwerben • das Kennenlernen verschiedener Branchen und Firmen, etwa wenn der Wunsch nach beruflicher Neuorientierung besteht

• nach abgeschlossener Ausbildung oder abge-schlossenem Studium den Schritt in die Arbeits-welt zu meistern

• berufliche Netzwerke aufzubauen • nach längerer Arbeitsmarktferne den Wiederein-stieg zu schaffen, etwa nach längeren Pflege- oder Kindererziehungsphasen

• Beschäftigung während einer längeren Qualifi-zierungsmaßnahme, etwa dem Nachholen eines Schulabschlusses

• unter Umständen einen erleichterten, zügigeren (Neu-)Start auf dem Arbeitsmarkt, zum Beispiel für Ältere oder Quereinsteiger

checklisteKommt Zeitarbeit für mich infrage?Sie interessieren sich für eine Beschäftigung in Zeit-arbeit? Prüfen Sie mithilfe der Checkliste, ob dieses Modell zu Ihnen passt.

□ Es fällt mir leicht, mich in neue Teams, Firmenstruk-turen, Arbeitsbedingungen und Aufgaben einzu-arbeiten. Dadurch vergrößere ich meinen Erfahrungs-schatz und erweitere meine Kontakte. □Mir gefällt die Aussicht, verschiedene Unternehmen und Branchen kennenzulernen. Dadurch finde ich he raus, in welche berufliche Richtung es für mich einmal gehen könnte.

□ Ich habe Berufserfahrung, möchte mich aber nun beruflich neu orientieren und/oder nach einer längeren Pause wieder einsteigen. □ Ich bin zeitlich flexibel, auch in der Urlaubsplanung. □ Ich kann mir gut vorstellen, in Zeiten ohne Arbeits-einsätze an einer Qualifizierungsmaßnahme teilzunehmen. □ Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Loyalität sind für mich selbstverständlich. □ Ich sehe Zeitarbeit als ein Beschäftigungs modell, das gerade zu meiner derzeitigen Lebenssituation passt.

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Themenheft 2017/2018 Zeitarbeit

Foto: Meramo Studios

DIE BRANCHE ZEITARBEIT HÄUFIGE FRAGEN

DAS ARBEITSMODELL ZEITARBEIT– HÄUFIG GESTELLTE FRAGEN Zeitarbeit ist ein reguläres Beschäftigungsmodell – unter besonderen Vorzeichen. Hier erfahren Sie mehr über die wichtigsten Regelungen.

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Wer engagiert bei der Sache ist, kann beruflich weiterkommen.

Wie funktioniert Zeitarbeit?Zeitarbeit, auch Arbeitnehmerüberlassung oder Personal-leasing genannt, ist eine feste Arbeitsbeziehung mit wech-selnden Einsatzorten. Sie lässt sich als eine berufliche Drei-ecksbeziehung bezeichnen: Sie sind als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer bei einem Zeitarbeitsunternehmen angestellt. Ihr Arbeitgeber setzt Sie dann bei einem seiner Kundenun-ternehmen ein. Diese sogenannten Entleihfirmen greifen also für einen bestimmten Zeitraum auf Sie als Zeitarbeits-kraft zurück.

Wer ist die oder der Vorgesetzte?Ihr Arbeitgeber ist das Zeitarbeitsunternehmen. Es schließt mit Ihnen als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer den Arbeits vertrag. Im Alltag gibt es für Sie im Grunde aber Vorgesetzte an zwei Stellen: beim Zeitarbeitsunternehmen und bei der entleihenden Firma. Das Entleihunternehmen hat Ihnen gegenüber als Zeitarbeitskraft ein sogenanntes

Direktions- beziehungsweise Weisungsrecht: Sie müssen die Anweisungen in dem entleihenden Betrieb befolgen – genau wie alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wer koordiniert Einsätze und Einarbeitung?Das Zeitarbeitsunternehmen regelt Ihre Einsätze bei den ver-schiedenen Entleihbetrieben. Neue Einsätze werden Ihnen rechtzeitig mitgeteilt. Geht es um die Einarbeitung am neuen Arbeitsplatz, ist wiederum der entleihende Betrieb gefragt.

Besteht eine soziale und rechtliche Absicherung?Wenn Sie einen Arbeitsvertrag mit einem Zeitarbeits-unternehmen geschlossen haben, befinden Sie sich in einem sozial versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis und

sind wie alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sozial abgesichert.

Das bedeutet, dass für eine Zeitarbeitskraft die üblichen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften gelten, etwa Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeits-schutz, Urlaubsanspruch, Schwerbehinderten- und Mutter-schutz sowie Kündigungsfristen.

Zeitarbeitsunternehmen sind wie andere Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitgeberanteil an den Sozialversiche-rungen abzuführen: Kranken-, Renten-, Arbeitslosen-und Pflegeversicherung. Jedes Zeitarbeitsunternehmen braucht eine behördliche Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit, um die Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen einer wirtschaft-lichen Tätigkeit auszuüben.

Gibt es einen Tarifvertrag?Es gibt die Tarifverträge der Verhandlungsgemeinschaft Zeit-arbeit (VGZ), bestehend aus dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund. Prüfen Sie die Konditionen der Tarif-verträge, denn sie können sich hinsichtlich der Arbeitsbe-dingungen unterscheiden. In jedem Fall gilt seit Anfang Juni 2017 die Dritte Verordnung über die Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung, die die Mindeststundenentgelte genau regelt.

Werden Überstunden bezahlt? Für Überstunden erhalten Zeitarbeitskräfte in der Regel Freizeitausgleich. Die Details regeln insbesondere die tarif-rechtlich vereinbarten Arbeitsbedingungen der Zeitarbeits-unternehmen. Viele Betriebe setzen auf Arbeitszeitkonten, welche die geleisteten Stunden erfassen. Sowohl Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer als auch Arbeitgeberin-nen und Arbeitgeber haben dadurch eine gute Übersicht. Auch Minus stunden, zu denen es in auftragsarmen Zeiten kommen kann, werden auf dem Konto gesammelt. Je nach Vertrag werden die Stunden zum Beispiel am Ende eines Einsatzes oder nach zwölf Monaten verrechnet.

Besteht die Chance einer Übernahme? Wenn Sie als Zeitarbeitskraft Engagement zeigen, gute Ar-beit leisten und die Auftragslage des entleihenden Betrie-bes gut ist, besteht die Chance auf eine Übernahme in ein Arbeitsverhältnis beim Entleihunternehmen. Haben Sie den Eindruck, sich bewährt zu haben? Um den Gleichbehand-lungsgrundsatz „Equal Treatment“ noch stärker umzusetzen, sind für Sie alle offenen Stellen des Entleihunternehmens einsehbar. Sollte Ihr Einsatzbetrieb keine konkrete Stelle ausgeschrieben haben, kann es sich lohnen, die Verant-wortlichen im Betrieb anzusprechen. Falls Sie übernommen werden und das Zeitarbeitsunternehmen verlassen möch-ten, müssen Sie die allgemein geltenden Regelungen für die Kündigung von Arbeitsverhältnissen beachten.

Worauf ist bei der Wahl eines Zeitarbeits­unternehmens zu achten? In einem persönlichen Vorstellungsgespräch können Sie ei-nen ersten Eindruck von einer Firma gewinnen. Ein Indiz für ein seriöses Zeitarbeitsunternehmen können die Betriebe sein, an die es regelmäßig verleiht. Handelt es sich um nam-hafte Firmen, kann dies ein gutes Anzeichen sein.

Welche Qualifikationen und Kompetenzen sind wünschenswert? Vom Aufgabenfeld einer Hilfskraft bis zu dem einer akademi-schen Fachkraft: Zeitarbeitnehmer und Zeitarbeitnehmerin-nen führen je nach Qualifikation unterschiedliche Tätigkeiten aus. Mitbringen sollten Sie in jedem Fall Motivation, eine hohe Lernbereitschaft und vor allem Flexibilität, denn der entleihende Betrieb braucht in der Regel kurzfristige Unter-stützung. Mobil zu sein, einen Führerschein und ein Auto zu besitzen, ist ebenfalls von Vorteil. Unter Umständen werden Sprachkenntnisse, Berufserfahrung oder IT-Wissen nachge-fragt, abhängig vom konkreten Einsatzgebiet.

Muss eine Zeitarbeitskraft jede Stelle annehmen? Nein. Im Arbeitsvertrag wird die Art der Beschäftigung fest-gelegt. Üblicherweise geschieht das unter dem Vorbehalt, dass Sie als Zeitarbeitskraft gegebenenfalls auch an dere zu-mutbare Tätigkeiten ausführen. „Zumutbar“ bedeutet, dass diese Aufgaben Ihren Qualifikationen entsprechen. Jemand, der für eine Bürotätigkeit eingestellt wurde, muss also weder Autos waschen noch Erdbeeren pflücken.

Gibt es ein Recht auf eine vom Zeitarbeitsun­ternehmen finan zierte Weiterbildung? Wenn Sie als Zeitarbeitskraft in einer Region mit Bildungsur-laubsgesetz leben – das die meisten Bundesländer anwen-den –, haben Sie ein Recht auf Bildungsurlaub. In der Regel handelt es sich um bis zu fünf Tage pro Jahr, an denen Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf bezahl-te Freistellung haben, um sich beruflich weiterbilden zu kön-nen. Ein erstmaliger Anspruch entsteht meist bei einem seit mindestens sechs Monaten währenden Arbeitsverhältnis.

Das Thema Qualifizierung ist hochaktuell. Zeitarbeitsun-ternehmen haben oftmals ein Interesse an der Weiterbildung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unterstützen entsprechende Maßnahmen. Zum Beispiel hat der Personal-dienstleister Technicum zusammen mit der IG Bergbau, Chemie und Energie den „Weiterbildungsfond Zeitarbeit“ ins Leben gerufen. Damit können Zeitarbeitskräfte zum ersten Mal von einer tariflich verankerten Weiterqualifizie-rung profitieren.

Wer stellt ein Arbeitszeugnis aus? Das Arbeitszeugnis stellt Ihnen das Zeitarbeitsunternehmen aus. Es empfiehlt sich, selbst aktiv zu werden und ein qua-lifiziertes Zeugnis zu fordern. Der entleihende Betrieb ist verpflichtet, Auskünfte über die Arbeitsleistung der Zeitar-beitskraft zu erteilen.

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Themenheft 2017/2018 ZeitarbeitDIE BRANCHE ZEITARBEIT PORTRÄTS

PREISGEKRÖNTE QUALIFIZIERUNG

Sabajdin Kindi (23) hat in der Arbeitswelt schon einiges ausprobiert. Dank einer Weiterbildung in der Lagerlogistik weiß er jetzt, wo er sich beruflich aufgehoben fühlt.

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Sabajdin Kindi, Lager-

logistiker

seine berufliche Welt ist jetzt ein modernes Lager eines großen Logistikunternehmens in Hamm. Dass er dort so richtig zupackt und mit seiner Ar-

beit rundum zufrieden ist, war vor einem Jahr noch nicht vorauszusehen. Aber Sabajdin Kindi hat seine Chance ge-nutzt. Die bekam er über das Zeitarbeitsunternehmen aba Logistics in Hamm und dessen Weiterbildungseinrichtung, der aba Service Akademie. Der 23-Jährige, der ursprünglich aus dem Kosovo stammt, war mit zwei weiteren Teilnehmern der Erste, der an einer „Modularen Qualifikation Lagerlogis-tik“ teilgenommen hat.

Sabajdin Kindi hat in der Vergangenheit schon einmal an einer Weiterbildungsmaßname teilgenommen. „Das hat mir fachlich nicht wirklich gefallen und es gab außerdem familiäre Veränderungen, daher musste ich die Maßnahme damals abbrechen“, erinnert sich der junge Mann.

Eine echte ChanceStatt weiter arbeitslos zu bleiben, kümmerte er sich um eine Alternative. Ein Bekannter riet ihm zur Zeitarbeit und zu der Firma, bei der er heute angestellt ist. „Ich habe mir gedacht, dass es besser ist, sich gleich persönlich vorzustellen und so bin ich mit meinen Unterlagen hier in Hamm in der Nie-derlassung vorbeigegangen.“ Bei anderen Unternehmen aus der Arbeitnehmerüberlassung hat Sabajdin Kindi gar nicht erst vorgesprochen, denn beide Seiten waren sich einig, es miteinander zu versuchen. Hamm gilt nicht grundlos als Logistikstandort. Dafür sorgen die Lage am Schnittpunkt von Schiene, Kanal und Straße und die Lage am östlichen Eingangstor zum Ruhrgebiet.

Daher war es nicht von ungefähr, dass Sabajdin Kindi eine Qualifizierung ausgerechnet zum Thema Lagerlogistik angeboten wurde. „Für mich war schnell klar, dass das eine Chance war“, erinnert er sich.

Er sagte zu und absolvierte die „Modulare Qualifikation Lagerlogistik“, die rund fünfeinhalb Monate dauerte. Das klingt im Rückblick einfacher, als es war. „Ja, das Lernen war schon manchmal schwierig“, räumt er ein. Geholfen hat ihm dabei nicht nur der eigene Wille, sondern vor allem auch die Art der Qualifizierung. Die kleine Lerngruppe und der Austausch mit seinen Mitstreitern waren für ihn ebenso wichtig wie die intensive Betreuung. Die übernahm ein sehr erfahrener Ausbilder und Logistikmeister, der auch für die schnelle Umsetzung in der Praxis sorgte.

Wechsel zwischen theoretischen und praktischen AnteilenWie war die Weiterbildung aufgebaut? Sabajdin Kindi be-richtet: „Es gab die fachspezifischen Module Lagerlogistik, Beschäftigungslogistik, Lagercontrolling, das betriebliche Praktikum und das Modul Transportlogistik.“ Dazu kamen der berufsbezogene Teil mit Bewerbungstraining und ar-beitsmarktlicher Orientierung, ein EDV-Basisseminar, die Ausbildung zum Fahrer von Flurförderfahrzeugen sowie die Themen Ladungssicherung und Gefahrgut. Mit der internen Prüfung gab es für den 23-Jährigen dann ein Zertifikat und den Gabelstaplerführerschein.

Das Besondere an der Qualifizierung ist, dass diese Weiterbildung in einem „Übungslager“ beim Zeitarbeits-unternehmen stattfindet und so eben flexibel im Unterricht zwischen Theorie und Praxis gewechselt werden kann. Die gelernten Inhalte können damit viel schneller im Betriebs-praktikum angewendet und umgesetzt werden, Das „war eine große Hilfe für mich“, erinnert sich Sabajdin Kindi. „Die Arbeit entsprach genau dem, was wir gelernt hatten.“

Noch etwas zeichnet diese Qualifizierung aus: Durch die kleinen Gruppen besteht ein sehr intensiver Kontakt zwi-schen Ausbilder und Teilnehmenden. Das fördert die Per-sönlichkeitsentwicklung – vor allem, wenn es um Pflichtbe-wusstsein, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit geht.

Mit einem Preis ausgezeichnet„Ja, ich habe gemerkt, dass ich endlich beruflich angekom-men bin und dass ich sehr gerne im Lager arbeite, das hat mich motiviert“, schaut Sabajdin Kindi zurück. Dennoch hätte er sich wohl kaum träumen lassen, dass er sogar einen Preis bekommen würde. Im Februar 2017 verlieh der Arbeit-geberverband Interessengemeinschaft Zeitarbeit (iGZ) zum

ersten Mal eine Auszeichnung für Mitarbeiterbetreuung. In der Kategorie „Weiterbildung zur Verbesserung der Arbeits-integration“ rangierte das in Hamm ansässige Zeitarbeits-unternehmen ganz vorne. Aber vor allem wurde auch ein konkreter Mitarbeiter geehrt, der davon profitiert hat. So konnte Sabajdin Kindi stolz eine Urkunde entgegennehmen. Was aber noch wichtiger ist: Sein Praktikumsbetrieb war so angetan von seinen Leistungen, dass er dort übergangslos als Zeitarbeitnehmer weiter beschäftigt ist.

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In einem modernen Lager werden täglich viele Waren bewegt. Hier erleichtert Erfahrung den Überblick.

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Ohne Gabelstapler funktioniert im Lager gar nichts. Der Führerschein ist unbedingt notwendig.

infoKenntnisse erweiternSie möchten einen Abschluss machen oder sich be-ruflich weiterbilden? Ob PC-Führerschein, Gesprächs-führung am Telefon, Fahrausweis für Krane oder Tech-nisches Englisch. In KURSNET finden Sie zahlreiche Angebote, auch in Ihrer Region.www.arbeitsagentur.de > Karriere und Weiterbildung > Kurse finden

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DIE BRANCHE ZEITARBEIT PORTRÄTSThemenheft 2017/2018 Zeitarbeit

DEN WECHSEL NICHT BEREUTRamona Würkner (35) hat für die Zeitarbeit einen unbefristeten Job aufgegeben. Seit rund zwei Jahren ist sie nun Leiharbeitnehmerin – und zufrieden.

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Montagehelferin

e igentlich ist der Werkstoff Holz ihre Welt ge-wesen. Ramona Würkner hat eine Ausbildung zur Schreinerin abgeschlossen. „Das war mein

Wunschberuf und ich hätte ihn auch gerne ausgeübt“, erin-nert sie sich. Aber als Frau in diesem immer noch männlich dominierten Beruf bekam sie trotz aller Bemühungen keine Anstellung. „Was blieb mir übrig? Ich musste flexibel sein und habe mich neu orientiert.“ Trotz ihrer qualifizierten Aus-bildung arbeitete die heute 35-Jährige als Helferin in Indus-trieunternehmen. Dazu gehören unter anderen Firmen, die Haushaltsreiniger oder Frostschutzmittel herstellen. Auch Lagerhaltung und Verpackung hat sie bereits kennenge-lernt – und damit einiges an Berufserfahrung gesammelt. „Das Geschlecht spielte dabei keine Rolle mehr“, sagt die Ingolstädterin. „Ich bin als Frau genauso gut wie die Män-ner Zugmaschinen und Stapler gefahren und habe auch die dafür erforderlichen Nachweise.“

Die Chance ergriffenBei ihrem letzten Arbeitgeber – einem großen Mittelständler, der sich mit Logistik, Transporten, Services und Logistik-immobilienmanagement beschäftigt – war Ramona Würkner immerhin sechs Jahre lang beschäftigt. „Wenn ich noch län-ger dort geblieben wäre, hätte ich den Absprung nie mehr geschafft“, erinnert sie sich. Aber sie wollte die Veränderung und sie hatte ein klares Ziel: die Beschäftigung bei dem größten Arbeitgeber in der Region, einem Automobilkon-zern aus Ingolstadt.

Vor rund zwei Jahren, als Ramona Würkner den Wechsel plante, gab es jedoch keine Möglichkeit zum Direkteinstieg dort. Was tun? „Ich habe mich mit Bekannten beraten und die haben mir Zeitarbeit empfohlen“. Lange umschauen und vergleichen musste sie damals gar nicht erst. Ihr Weg führte sie direkt zum Unternehmen Tuja Zeitarbeit GmbH, weil auch ihre Bekannten über die dortige Niederlassung an diesen Automobilbauer entliehen worden waren.

Viele Menschen sehen in der Zeitarbeit lediglich eine Al-ternative zur Arbeitslosigkeit. Den festen Job aufzugeben, um Zeitarbeitnehmerin zu werden, ist das nicht eine unge-wöhnliche Entscheidung? „Ja, ich habe gründlich darüber nachgedacht“, räumt Ramona Würkner ein. „Aber auch einer meiner vorigen Arbeitgeber musste ja Konkurs anmelden. Eine Sicherheit auf lebenslange Beschäftigung gibt es nir-gendwo. Warum also nicht Zeitarbeit?“

Kollegiale Arbeitsumgebung Gesagt, getan: Ramona Würkner stellt sich in der Ingolstäd-ter Niederlassung der empfohlenen Zeitarbeitsfirma vor. Sie bekam eine Zusage, kündigte ihren alten Job und wurde zügig an den Autobauer verliehen, bei dem sie gegenwärtig tätig ist. In der Zeit, in der sie nun dort beschäftigt ist, hat sie schon einige Abteilungen durchlaufen und vieles ken-nenglernt. Momentan arbeitet sie am Band und montiert bestimmte Teile eines Fahrzeuges, etwa Kabel, Schlösser oder Spiegelfüße. Die Geschwindigkeit ist vorgegeben und ihre Handgriffe, die sie zu tun hat, auch. Ist es kein Prob-lem, viele Male immer wieder das Gleiche zu tun? „Am An-fang musste ich mich sehr konzentrieren, um das Tempo zu halten“, weiß sie noch. Irgendwann werden die Handgriffe aber zur Routine.

Am Band arbeiten sowohl Männer als auch Frauen, und alle wissen, dass sie als Zeitarbeitnehmerin beschäftigt ist – wie viele hier. „Das macht für das Team keinen Unterschied“, bestätigt Ramona Würkner. „Wenn ich Hilfe brauche, werde ich behandelt wie jeder andere Kollege auch.“ Das gilt, sagt sie, ebenfalls für andere Arbeitsplätze hier im Ingolstädter Werk. „Es kann immer sein, dass irgendwo jemand ausfällt. Dann muss ich einspringen und mich eben neu einarbeiten, aber das ist kein Problem. Ich stehe ohnehin auf dem Stand-punkt, dass es umso besser für mich ist, je mehr ich kann.“

Bei Fragen oder Problemen kann sie sich nicht nur an die Kollegen und Kolleginnen im Werk wenden. Meist einmal wöchentlich kommt jemand aus der Niederlassung der Zeit-arbeitsfirma vorbei und bespricht alle aktuellen Dinge. Auch

die Gesundheits vorsorge wird ernst genommen: Es gibt re-gelmäßige arbeitsmedizinische Untersuchungen. Denn die ständig gleiche Haltung und wiederkehrenden Bewegungen können zu gesundheitlichen Belastungen führen. Das Arbei-ten von 22 Uhr abends bis 6 Uhr am nächsten Morgen, also die Nachtschicht, macht Ramona Würkner nichts mehr aus, sagt sie. „Ja, auch das ist Gewohnheit und bietet Vorteile für die Freizeit.“ Hat sie den Wechsel alles in allem je bereut? „Nein, ganz sicher nicht“, lautet die klare Antwort. „Hier stimmen der Job, das Arbeitsklima und der Verdienst.“

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Liegen vor dem Beginn der nächsten Schicht alle Werk-zeuge bereit? Kollegialität wird großgeschrieben.

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Gerade am Anfang ist besondere Konzentration gefragt. Im Laufe der Zeit werden viele Handgriffe dann tägliche Routine.

infoÜber Weiterbildungen informierenInteressant und informativ, auch für Zeitarbeits kräfte: die Infomappen „durchstarten“. Darin finden Sie Informationen zu Weiterbildungen und zu Trends in unterschiedlichen Branchen. Sie finden die Mappen im Berufsinformationszentrum (BiZ) Ihrer Agentur für Arbeit oder online.berufsfeld-info.de/weiterbildung

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Themenheft 2017/2018 ZeitarbeitDIE BRANCHE ZEITARBEIT PORTRÄTS

BRANCHENWECHSEL EINER ALLEINERZIEHENDEN

Seit sie Mutter ist, ist Manuela Razzu (44) beruflich nicht mehr so flexibel wie früher. Mithilfe der Zeitarbeit gelang der Einstieg in einen Bereich mit familienfreundlichen Arbeitszeiten.

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Manuela Razzu, Office- Managerin

manuela Razzu ist wahrscheinlich der typi-sche Fall einer Arbeitnehmerin, die nie größere Probleme gehabt hätte, einen ge-

eigneten Job zu finden und sich darin wohlzufühlen – gäbe es nicht das Thema Familie. Die 44-Jährige hatte zunächst eine Ausbildung zur staatlich geprüften Grafikdesignerin absolviert und diesen Beruf auch zwölf Jahre erfolgreich ausgeübt.

Dass sie dann doch die Branche gewechselt hat, hängt wohl mit ihrer Vielsprachigkeit zusammen: Manuela Raz-zu ist Berlinerin mit italienischem Pass. „Im Prinzip bin ich dreisprachig aufgewachsen, zur deutschen und italienischen Sprache kommt noch Serbisch hinzu“, macht sie deutlich. Und da Sprachkenntnisse natürlich die beste Basis sind, be-gann sie Gefallen am Reisen zu finden, am liebsten in Italien und Deutschland.

„Weil mich der Wechsel zwischen diesen beiden Wel-ten reizte, habe ich einfach umgesattelt“, erinnert sie sich. Vom Grafikbereich in die Tourismusbranche. „Eine beson-dere Ausbildung wurde nicht verlangt, sodass ich dort sehr attraktive Stellen finden konnte. So habe ich jahrelang als Reiseleiterin gearbeitet, später noch als Rezeptionistin in verschiedenen Hotels in Italien und Deutschland.“

Nachtarbeit unmöglichDer Bruch kam, als Manuela Razzu mit Ende dreißig Mutter wurde. „Nachdem ich nach der Geburt meines Sohnes ein-einhalb Jahre ausgesetzt hatte, wollte ich zunächst wieder

im touristischen Bereich Fuß fassen“, erläutert sie. Doch hier zeigt sich die Kehrseite dieser Branche: „Wenn man als Rezeptionistin arbeiten will, muss man flexible Arbeits-zeiten akzeptieren, da gehört auch Nachttätigkeit dazu. Als Alleinerziehende war das nicht zu schaffen“, macht sie ihr damaliges Dilemma deutlich.

Die Phase danach war dann ziemlich frustrierend: Eigent-lich wollte sie einfach nur einen Job mit ausreichendem Ge-halt und realisierbaren Arbeitszeiten, ohne ihren Sohn ver-nachlässigen zu müssen. „Es war nicht schwierig, zu einem Bewerbungsgespräch zu gelangen. Auf alle meine Bewerbun-gen bin ich sofort eingeladen worden. Aber in der Endrunde fiel ich dann immer raus“, stellt Manuela Razzu fest.

Im Mai 2016 wandte sie sich dann an die Serviceline Personal-Management GmbH & Co.KG. „Dort habe ich mich sofort gut aufgehoben gefühlt“, erinnert sie sich. Nach ei-nem Gespräch wurde ein Profil von ihr erstellt, bei dem die Proble matik um ihren Status als Alleinerziehende erfasst wurde. „Mein Anspruch war lediglich, eine Tätigkeit zu fin-den, bei der ich an Werktagen von 8 bis 16 Uhr am Arbeits-platz sein kann. Innerhalb von zwei Wochen hatte ich zwei bis drei Bewerbungsgespräche – und alle Firmen hatten plötzlich keine Probleme mit dieser zeitlichen Einschrän-kung“, bringt sie ihre Genugtuung zum Ausdruck.

„Wenn sich dann ein Arbeitgeber bei der Zeitarbeits firma meldet“, so ihre Beobachtung, „ist das eine ganz andere Sache als in Eigeninitiative. Da kann man davon ausgehen, dass man – nach einem Bewerbungsgespräch – mit einer 90-prozentigen Sicherheit genommen wird.“ Als Angestellte der Berliner Zeitarbeitsfirma hat sie fünf Bewerbungsgesprä-che geführt und zwei Urlaubsvertretungen übernommen, so war sie beispielsweise als Sekretärin drei Wochen bei einer Immobiliengesellschaft tätig.

Danach trat sie ihre dritte Stelle an, bei der keine Befris-tung vorgesehen ist: Es handelt sich um einen Kleinbetrieb im Kulturbereich, bei dem sie mittlerweile schon fast ein Jahr als „Office-Managerin“ tätig ist.

Ganztagsschule für den SohnWie wurde sie als Zeitarbeiterin aufgenommen? „Am Anfang waren meine Kollegen schon ein wenig distanziert, schließ-lich wussten sie nicht, wie lange ich bleibe. Aber das war schon nach einer Woche vorbei“, sagt Manuela Razzu. Alle seien sehr freundlich zu ihr gewesen, sodass auch die Ein-arbeitung schnell vonstattengehen konnte. Jetzt hofft sie darauf, dass sie in einer Festanstellung von dem Betrieb übernommen wird.

Auch für ihren Sohn hat sie eine Lösung gefunden: Er geht mittlerweile in eine Ganztagsschule, in der er nor-malerweise bis 16 Uhr betreut wird. Diese Schule hat da-rüber hinaus eine Art Zusatzangebot: Die Aufsicht kann – gegen Bezahlung – auf 18 Uhr ausgedehnt werden. „Wenn im Betrieb einmal Not am Mann ist“, erklärt Manuela Razzu, „habe ich die Möglichkeit, meine Arbeitszeit ausnahmsweise ein wenig auszudehnen.“

Dies sieht ganz nach einem passenden Kompromiss aus, den eine alleinerziehende Mutter eingehen muss, deren nä-here Verwandte im Ausland leben. „Hier geht es zunächst

um meinen Sohn“, erklärt Manuela Razzu voller Entschlos-senheit, „ich muss ihm jetzt einfach ein wenig Sicherheit bieten.“ Doch so ganz hat sie die Tourismusbranche nicht aufgegeben: Wenn der „Ruf nach der Mama“ leiser wird, so hofft sie, „fände ich es toll, wieder im touristischen Bereich unterzukommen – beispielsweise als Reiseleiterin, das wäre mir natürlich am liebsten“.

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Wenn Not am Mann ist, kann Manuela Razzu dank der Ganztagsschule ihres Sohnes die Arbeitszeit ein wenig ausdehnen.

infoWechsel gewünschtPlanen Sie, in einen anderen Beruf zu wechseln? Informieren Sie sich über Zugangswege und Verdienst. Weiter bringt auch eine berufliche Selbstein schätzung. Nutzen Sie hierzu auch den Karrierepfad unter Karriere und Weiterbildung in www.arbeitsagentur.de.

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Themenheft 2017/2018 ZeitarbeitDIE BRANCHE ZEITARBEIT PORTRÄTS

„MEINE ROLLE IN DEM PROJEKT WURDE ZUNEHMEND WICHTIGER UND MIR

HAT DIE ARBEIT GROSSEN SPASS GEMACHT.“

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Der IT-Spezialist Christian Zeller ge-nießt große Freiräume. Die Zielvorstel-lung ist vorgegeben, die Lösung liegt in seiner eigenen Verantwortung.

ZEITARBEIT ALS OPTIMALE ÜBERGANGSLÖSUNGDer IT-Spezialist Christian Zeller (27) ist Project Portfolio Manager bei einer Wirtschaftsprüfungs-gesellschaft. Bis zur geplanten Übernahme durch das Unternehmen ist er im Rahmen der Arbeit-nehmerüberlassung angestellt.

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Christian Zeller, Project

Portfolio Manager

die Arbeit auf Basis einer Arbeitnehmerüberlas-sung kann die perfekte Zwischenlösung sein, wenn eine Festanstellung in einem entleihen-

den Unternehmen gerade nicht möglich ist. Trotzdem den-ken manche bei Zeitarbeit zuerst an prekäre und unsichere Beschäftigungsverhältnisse. Für Christian Zeller ist sie eine Chance. Nach seinem Masterabschluss an der Technischen Hochschule Mittelhessen hatte der Wirtschaftsinformatiker zunächst bei einem IT-Beratungshaus angefangen, welches ihn für ein Beratungsprojekt zu einer Wirtschaftsprüfungs-gesellschaft entsandte. „Meine Rolle in dem Projekt wurde zunehmend wichtiger und mir hat die Arbeit mit den Ange-stellten der WP-Gesellschaft großen Spaß gemacht“, erzählt der IT-Spezialist.

Auch die WP-Gesellschaft arbeitete so gut mit Christian Zeller zusammen, dass sie ihn bei sich behalten wollte – und zwar unabhängig von dem IT-Beratungshaus.

Mehrstufiges BewerbungsverfahrenEine Festanstellung des Spezialisten bei der WP-Gesell-schaft war aus innerbetrieblichen Gründen zu diesem Zeit-punkt allerdings nicht möglich. Es musste eine andere Lösung für den Übergang gefunden werden, bis eine Über-nahme realisiert werden konnte. „Die Geschäftsleitung der WP-Gesellschaft bot mir an, vorübergehend in Arbeitnehmer-überlassung zu arbeiten“, sagt Christian Zeller, der sich dar-aufhin bei einer Zeitarbeitsfirma bewarb: Das Unternehmen Etengo Academic Experts GmbH widmet sich der Arbeitneh-merüberlassung von hoch qualifizierten IT-Spezialisten. Nach einem mehrstufigen Bewerbungsverfahren konnte Christian

Zeller quasi nahtlos an seinem Arbeitsplatz als Project Port-folio Manager bei der WP-Gesellschaft weiterarbeiten.

Die Einführung neuer Unternehmenssoftware, Umsetzun-gen gesetzlicher und vertraglicher Anforderungen oder der Aufbau eines neuen Rechenzentrums – all diese IT-Vorhaben bilden das Portfolio, welches Christian Zeller verwaltet. „Ich überblicke das Budget für dieses Portfolio, behalte im Auge, wie aktuelle Projekte laufen, welche neuen Projekte in der Warteschleife sind und sortiere die Anfragen aus den ver-schiedenen Bereichen des Unternehmens an die IT“, erklärt der Experte. Informationen sammeln, strukturieren, aufbe-reiten – und dies alles möglichst transparent und dem Ma-nagement jederzeit verfügbar machen –, darum geht es im Kern. Auch die Vorbereitung regelmäßiger Meetings mit den einzelnen IT-Abteilungen und den Partnern des Unterneh-mens gehört zu den Aufgaben von Christian Zeller.

Kollegiale ArbeitsatmosphäreIm Arbeitsalltag fühlt sich Christian Zeller gegenüber sei-nen direkt bei der WP-Gesellschaft angestellten Kollegen

und Kolleginnen gleichwertig behandelt. „Das entleihende Unternehmen bezahlt mich zwar nicht direkt, sagt mit sei-nem Weisungsrecht aber, welche Tätigkeiten auszuführen sind“, erläutert der IT-Fachmann, der wie ein interner Mit-arbeiter behandelt wird und so auch in sensible Prozesse eingebunden ist. „Das war als IT-Berater nicht der Fall“, so der Wirtschaftsinformatiker.

Die Arbeitnehmerüberlassung ist auch finanziell eine at-traktive Lösung für den 27-Jährigen. Denn bei einer Zeitar-beitsfirma kann man als hoch qualifizierte Fachkraft oder Akademiker/in manchmal sogar etwas mehr als die direkt angestellten Kollegen verdienen. Auch bei Christian Zeller ist das der Fall. Dennoch freut er sich auf den Wechsel zu einer direkten Anstellung durch die WP-Gesellschaft: „Neben dem Gehalt spielen Sicherheit und Planbarkeit für mich eine wich-tige Rolle. Ich fühle mich meinen Kollegen und dem entlei-henden Unternehmen sehr verbunden und möchte auch auf Dauer dort bleiben“, so Christian Zeller. Er wird in wenigen Monaten direkt zur WP-Gesellschaft wechseln. Diesen Weg hat ihm das Sprungbrett Zeitarbeit ermöglicht.

infoAm Computer lernenManch einer schätzt wegen zeitlicher Flexibilität und örtlicher Unabhängigkeit, sich selbständig am Compu-ter weiterzubilden. Im Angebot der LERNBÖRSE sind Bewerbungs-, IT- und Sprachtraining. Für registrierte Kundinnen und Kunden der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter gibt es ansprechende Angebote.www.arbeitsagentur.de > Karriere und Weiterbildung > Online-Trainings

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Themenheft 2017/2018 ZeitarbeitZEITARBEIT ALS STRATEGIE EINLEITUNG

DER WEG IST DAS ZIELZeitarbeit hat sich mittlerweile zu einem festen Bestandteil des Arbeits-marktes entwickelt. Der hohe Arbeits-kräftebedarf in dieser Branche sorgt meist für einen unkomplizierten und schnellen Einstieg.

z eitarbeit steht für Beschäftigung und ein regel-mäßiges Einkommen. In vielen Lebenslagen stellt sie ein hilfreiches Arbeitsmodell dar. Man kann

die Branche bewusst wählen, um sich neue berufliche Per-spektiven zu erschließen, die bisher erlangten Kenntnisse aufzufrischen und zu erweitern oder um praktische Erfah-rungen zu sammeln. Ideal ist, wenn jemand unbenommen aller Vorurteile und offen an die Strategie Zeitarbeit heran-geht. Das gilt auch für die eigene Bildung beziehungsweise den Abschluss, denn Menschen mit allen denkbaren Quali-fikationen finden in der Branche Zeitarbeit einen Job.

Ein Großteil der Stellen, die über Zeitarbeitsfirmen ver-mittelt werden, sind Helfertätigkeiten. Verglichen mit der Gesamtbeschäftigung ist daher auch der Anteil an Menschen ohne Berufsabschluss überdurchschnittlich hoch. Als Fach-kräfte sind immerhin knapp zwei von fünf Leiharbeitern ein-gesetzt. Mit Blick auf die Qualifikation bringen 65 Prozent der Zeitarbeitskräfte einen anerkannten Berufsabschluss mit. Damit unterscheidet sich dieser Anteil nur unwesentlich von dem in der Gesamtbeschäftigung. Der liegt bei 69 Prozent. Akademiker und Akademikerinnen sind hingegen in der Zeit-arbeit mit 9 Prozent unterdurchschnittlich vertreten. Unter diesen hoch qualifizierten Zeitarbeitskräften finden sich zum Beispiel IT-Fachleute oder auch Ingenieure und Ingenieurin-nen. Sie sind in der Regel bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt, die auf diese Dienstleistungen spezialisiert sind. Lesen Sie hierzu das Porträt ab Seite 14.

(Wieder­)Einstieg gewünschtHaben Sie beispielsweise beruflich einige Zeit ausgesetzt, weil Sie Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben? In solchen Situationen fällt es bisweilen schwer, zurück ins Arbeitsleben zu finden. Theoretische Kenntnisse veralten,

Technik entwickelt sich rasant, Standards werden vielerorts erhöht. Nach längerer Abwesenheit ist eine Rückkehr an den alten Arbeitsplatz manchmal ausgeschlossen. Es kann sein, dass eine Firma schlicht nicht mehr existiert oder aber eine Abteilung mit einer anderen zusammengelegt wurde. Oder neue Chefs stellen Anforderungen, denen man sich nicht mehr gewachsen fühlt.

In derartigen Fällen könnte Zeitarbeit die richtige Strate-gie sein. Probieren Sie es aus! Mut macht ein Blick auf die Zahlen: Nach sechs beziehungsweise zwölf Monaten sind 60 Prozent derjenigen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus eine Beschäftigung in der Zeitarbeit aufgenommen haben, sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Erfahrung vorteilhaft Personalverantwortliche sehen es gern, wenn Bewerber und Bewerberinnen Berufserfahrung vorweisen können.

Doch das kann nicht jeder. Wenn ein junger Mensch nach einer Ausbildung nicht übernommen wurde, hat er noch nicht viel Berufserfahrung. Ähnlich ergeht es vielen Stu-dierenden, die oft nur während Praktika die erlernte The-orie anwenden. Ihnen eröffnet sich durch Zeitarbeit die Chance, Wissen in Erfahrung umzumünzen. Das gilt übri-gens auch nach einem Ausbildungs- oder Studien abbruch. Dieser stellt meistens ein Hindernis für den Arbeitsmarkt-zugang dar. Die Zeitarbeit kann hier den Weg ebnen.

Natürlich gibt es auch Konstellationen, in denen eine berufliche Umorientierung ansteht – zum Beispiel aus ge-sundheitlichen Gründen. Oder jemand hatte sich berufsbe-gleitend weitergebildet und sucht nun den Einstieg in die neu anvisierte Branche. Bei einem Zeitarbeitsunternehmen kann man sich ausprobieren und Kontakte in dem bisher unbekannten Gebiet knüpfen.

Wie ergeht es älteren Arbeitskräften? Leider kämpfen sie oft mit mangelnder Akzeptanz am Arbeitsmarkt, weil man-che Alter mit nachlassender Leistungsfähigkeit oder gerin-ger Technikaffinität assoziieren. Das sind Vorurteile, die sich hartnäckig halten. Arbeitgeber können von der Lebens- und Berufserfahrung sowie Motivation älterer Beschäftigter pro-fitieren. Wem der (Wieder-)Einstieg als ältere Arbeitskraft nicht sofort gelingt, kann es über Zeitarbeit probieren – eventuell vorerst auch in Teilzeit. In dieser Branche sind viele Firmen offen dafür, Ältere mit wertvoller langjähriger Erfahrung einzustellen.

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Zeitarbeit steht für Beschäftigung und ein regelmäßiges Einkommen. Beides kann zur Zufriedenheit beitragen.

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Sie haben praktische Berufserfahrung? Das sehen Personal verantwortliche besonders gern.

praxistippsVarianten von Teilzeit:Der Begriff Teilzeit umfasst alle Beschäftigungsverhält-nisse, bei denen die Arbeitszeit unterhalb der Regel-arbeitszeit von Vollzeitarbeitskräften liegt. Möglich sind Beschäftigungen von vollzeitnah (über 30 Stun-den) bis sehr gering. Da Sie die Verkürzung sowie die Aufteilung innerhalb der Arbeitswoche bis zu einem gewissen Grad selbst gestalten können, ergeben sich vielfältige Varianten der Ausgestaltung: täglich halb-tags, an nur einigen Tagen pro Woche, einige Tage Voll-zeit, drei Wochen Vollzeit, die vierte Woche frei etc. Zu beachten sind die Regelungen im Schichtbetrieb und zu Wochenenddiensten.

Arbeitsrechtliche Auswirkungen von Teilzeit:Arbeitsrechtlich gesehen sind in Teilzeit Beschäftigte ihren Vollzeitkollegen und -kolleginnen gleichgestellt. Das heißt, sie haben ebenfalls einen Kündigungs-schutz sowie Anrecht auf Urlaub und Lohnfortzah-lung im Krankheitsfall. Lediglich das Gehalt wird auf die jeweilige Wochenarbeitszeit heruntergerechnet

und fällt damit dementsprechend geringer aus. Arbei-tet man nicht an fünf Wochentagen, sondern nur an drei oder zwei Tagen, verringert sich auch der jährliche Urlaubsanspruch.

Anspruch auf Teilzeit: Im Teilzeit- und Befristungsgesetz ist der grundsätzli-che Anspruch auf Teilzeitarbeit verankert. Es müssen folgende Voraussetzungen für den Teilzeitanspruch ge-geben sein: das Arbeitsverhältnis besteht seit mindes-tens sechs Monaten, der Betrieb hat mehr als 15 Ange-stellte und es sprechen keine wichtigen betrieblichen Gründe dagegen. Allerdings: Einen Rechtsanspruch auf Rückkehr zur Vollzeit gibt es nicht.

Vor­ und Nachteile auf einen Blick:Vorteile: mehr Zeit für Familie, ehrenamtliches und poli-tisches Engagement, Aus- und Weiterbildung. Gleitender Wiedereinstieg in das Berufsleben nach längerer PauseNachteile: geringeres Einkommen, Verzögerung des beruflichen Aufstiegs, aufwendigere Kommunikations- und Organisationsprozesse

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Themenheft 2017/2018 Zeitarbeit

„DIE ÜBERLASSUNG VON HILFSKRÄFTEN MACHT DEN

GROSSEN TEIL DES GESAMTEN MARKTES AUS.“

ZEITARBEIT ALS STRATEGIE INTERVIEW

INTERVIEW

ZEITARBEIT KANN EIN SPRUNGBRETT SEIN

Der Arbeitsrechtsexperte Professor Wolfgang Hamann der Universität Duisburg-Essen leitet den Lehrstuhl für Wirtschaftsprivat- und Arbeits-recht. Im Interview spricht er über Zeitarbeit als Sprung-brett, das neue Arbeitnehmer-überlassungsgesetz und eine „Rück orientierung zur ursprüng-lichen Idee der Leiharbeit“.

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Welche Vorteile bietet das Modell Zeitarbeit?

Wolfgang Hamann: Um diese Frage zu beantworten, muss man sich die Entwicklung anschauen. Das Modell war vom Gesetzgeber als Win-win-win-Situation ge-dacht. Alle Beteiligten sollten profitieren. Unternehmen sollten mithilfe der Leiharbeit kurzfristige Personaleng-pässe ausgleichen und Auftragsspitzen sowie saisonale Schwankungen, wie sie etwa im Weihnachtsgeschäft vorkommen, besser abfangen können. Für Arbeitneh-mer und Arbeitnehmerinnen – vor allem für diejenigen, die auf dem Arbeitsmarkt einen schweren Stand haben wie zum Beispiel Langzeitarbeitslose oder ältere Men-schen – sollte die Zeitarbeit eine Chance bieten, im entleihenden Unternehmen Erfahrungen zu sammeln, sich zu beweisen und über die Leiharbeit wieder den Sprung in eine feste Anstellung in ihrer angestammten

Branche oder in der gewünschten zu schaffen. Als dritte Akteure profitieren die entleihenden Firmen, für die sich ein neues Geschäftsfeld eröffnet hat.

Das klingt erst einmal positiv … Wolfgang Hamann: Dennoch darf man das natürlich nicht durch die rosarote Brille sehen. In einer wettbe-werbsorientierten Marktwirtschaft sucht sich die Wirt-schaft ihre Vorteile. Man musste feststellen, dass Leihar-beit auch genutzt wurde, um Personalkosten dauerhaft zu senken und nicht nur, um kurzfristig den Personalbedarf zu decken und flexibel auf sich ändernde Auftragslagen reagieren zu können. Genutzt wurde diese Möglichkeit von Arbeitgebern quer durch alle Branchen, sowohl in der Privatwirtschaft, im Öffentlichen Dienst als auch in kirch-lichen Einrichtungen. Einen Einschnitt gab es 2008 mit einer europäischen Richtlinie zur Leiharbeit, in der festge-halten wurde, dass Leiharbeiter nur noch vorüber gehend eingesetzt werden dürfen. Dieses „vorüber gehend“ wur-de in Deutschland zum 1. April 2017 mit der Reform des Arbeitnehmerüberlassungs gesetzes konkretisiert. Seit-dem gilt das neue Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Die Vorschriften sehen unter anderem eine grundsätzliche Höchstverleihdauer von 18 Monaten vor. Hierdurch soll verhindert werden, dass ein bestimmter Arbeitsplatz lang-fristig von demselben Leiharbeitnehmer beziehungsweise derselben Leiharbeitnehmerin besetzt wird. Mehrere Ein-sätze desselben Leiharbeitnehmers bei einem bestimm-

ten Entleiher werden zusammengezählt. Zudem sollen Leiharbeitskräfte grundsätzlich nach spätestens neun Monaten den gleichen Lohn wie die Stammbeschäftigten erhalten. Es ist eine Rückorientierung zur ursprünglichen Idee der Leiharbeit.

Gibt es Personengruppen, die von dem Arbeitsmodell Zeitarbeit besonders profitieren?

Wolfgang Hamann: Zum einen ist da die Gruppe, die es ohnehin schwer auf dem Arbeitsmarkt hat: Arbeitslose, Geringqualifizierte, Menschen mit Behinderungen. Für sie ist Zeitarbeit in mehrfacher Hinsicht ein Sprungbrett. Sie bekommen nicht nur Stellen vermittelt, sondern können in unterschiedlichen Unternehmen Erfahrungen sammeln und sich über dieses Training on the Job wieder für andere Arbeitgeber interessant machen. Zum anderen können Ar-beitnehmer und Arbeitnehmerinnen davon profitieren, die nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes von Arbeitslosigkeit bedroht sind. Sie kommen häufig in einer Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahme unter und werden danach von Zeitarbeitsfirmen eingestellt. Im Laufe der Jahre hat sich ein Stellenmarkt entwickelt, der fast ausschließlich von Zeitarbeitsunternehmen bedient wird. Viele Unter-nehmen schreiben vor allem Helfertätigkeiten gar nicht

erst aus, sondern decken ihren Bedarf über Zeitarbeits-unternehmen ab. Und auch wenn qualifizierte Fachkräfte aktuell händeringend gesucht werden, können zum Bei-spiel Berufseinsteiger Zeitarbeit nutzen, um erst einmal Erfahrungen zu sammeln und eine bestimmte Branche kennenzulernen.

Werden auch qualifizierte Tätigkeiten über Zeitarbeit vermittelt?

Wolfgang Hamann: Die Überlassung von Hilfskräften macht den großen Teil des gesamten Marktes aus. Ar-beitskräften ohne Berufsabschluss bleibt, je nach Bran-che, manchmal kaum eine Alternative zur Zeitarbeit. Aber es gibt auch Zeitarbeitsunternehmen, die auf Fachkräfte und Akademiker spezialisiert sind. Die Arbeitswelt verän-dert sich ja insgesamt. Gerade im IT-Bereich werden zum Beispiel häufig für Projekte Teams aus Spezialisten zusam-mengestellt, in die auch Leiharbeitnehmer eingebunden werden.

Warum sind wesentlich mehr Männer als Frauen in Zeitarbeit beschäftigt?

Wolfgang Hamann: Eigentlich spiegelt das nur die Verhältnisse in der Gesamtbeschäftigung wider. Wenn Sie sich die Vollzeitbeschäftigung anschauen, dominieren auch hier die Männer. Wobei hier der Anteil der Frauen, wie auch in der Zeitarbeit, in den vergangenen Jahren gestiegen ist.

Wie sieht es mit den Tarifverträgen aus? Wolfgang Hamann: Es gibt die Tarifverträge des Bundesarbeitgeberverbands der Personaldienstleister (BAP) und des Interessenverbandes Deutscher Zeitar-beitsunternehmen e.V. (iGZ) mit den jeweiligen Gewerk-schaften. Verglichen mit Tarifverträgen anderer Branchen bieten die Zeitarbeitstarifverträge jedoch ein „schlankes Paket“. Zwar gibt es in inzwischen elf Branchen Zuschlags-tarife für Leiharbeitnehmer. Danach steigen die Stunden-löhne mit zunehmender Einsatzdauer. Aufgrund der häufig kurzen Einsatzzeit bleibt der Stundenlohn jedoch zumeist deutlich hinter denen der Einsatzbranche zurück.

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Der Anteil der Frauen in der Zeitarbeit ist in den vergangenen Jahren gestiegen.

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Themenheft 2017/2018 ZeitarbeitZEITARBEIT ALS STRATEGIE PORTRÄTS

SCHNELL UND UNKOMPLIZIERTFür Alankaya Ferhat (39) war Zeitarbeit eine Möglichkeit, nach Jahren der Selbstständigkeit wieder den Weg in ein Unternehmen zu finden. Eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeits-verhältnis in der Automobilbranche ist sein Ziel.

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Alankaya Ferhat,

Fachhelfer

alankaya Ferhat ist gelernter Maler und Lackierer. Als sein Handwerksbetrieb Insolvenz anmeldete , arbeitete er kurzfristig bei einer Zeitarbeits-

firma, weil es der schnellste Weg war, eine Arbeitsstelle zu bekommen: „Damals gab es aber noch keinen Tarifver-trag, und der Verdienst entsprach für mich als Alleinverdie-ner mit Familie nicht meinen Erwartungen.“ Er wagte den Schritt in die Selbstständigkeit und verkaufte mit einem fahrenden Imbiss stand Pizzen. Dreizehn Jahre lang konnte er sich erfolgreich behaupten, bis die Geschäfte schlechter liefen. Aber nach so langer Zeit in eine feste Anstellung zu wechseln, war alles andere als einfach, so seine Erfahrung.

„Stellen, die für mich infrage kamen, wurden in der Regel über Zeitarbeitsfirmen vermittelt“, erzählt Alankaya Ferhat. Er suchte nach Aushilfstätigkeiten, im Handwerk ebenso wie in der industriellen Produktion. Ein Freund von ihm war bei der Zeitarbeitsfirma I. K. Hofmann GmbH beschäftigt. Also bewarb er sich auch dort und bekam kurz darauf ein Ange-bot als Fachhelfer in einem Automobilzulieferbetrieb: „Das ging schnell und unkompliziert.“ Mit dem Bus sind es rund 40 Minuten Fahrt von seinem Wohnort bis zur Arbeitsstelle.

Aktuell montiert er Zierleisten aus Chrom in allen möglich Größen: „Mir gefällt die Arbeit. Ich muss das Ausgangsma-terial kontrollieren, Sicht- und Qualitätsprüfungen vorneh-men, schauen, ob Fehler am Lack oder etwa am Kühlgitter vorhanden sind. Dabei muss man sehr vorsichtig vorgehen, umsichtig arbeiten. Am Ende muss das Fahrzeug perfekt aussehen. Das gefällt mir.“

Alankaya Ferhat arbeitet in drei Schichten, je nach Auf-tragslage manchmal auch am Wochenende. Bezahlt wird er nach dem Tarifvertrag, der zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und dem Bundesarbeitgeberver-band der Personaldienstleister (BAP) abgeschlossen wurde. Außerdem bekommt er die mit den Gewerkschaften aus-gehandelten Branchenzuschläge und erhält somit fast den gleichen Stundenlohn wie der Stammbeschäftigte.

Mittlerweile arbeitet er seit einem Jahr bei dem weltweit tätigen Automobilzulieferbetrieb, der auf Flexibilität und da-mit auf Zeitarbeit sowie befristete Arbeitsverhältnisse setzt. Eine Übernahme war für Alankaya Ferhat bisher nicht at-traktiv, da er ausschließlich in ein unbefristetes Arbeitsver-hältnis wechseln möchte. Vielleicht bringt die Zukunft es mit sich.

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Vorgaben und Arbeitsergebnisse schriftlich festzuhalten, verschafft Klarheit und bietet Sicherheit.

NEUE BRANCHE MIT FLEXIBLEN ARBEITSZEITENNina Löffler (36) fand einen Personaldienstleister, der ihr flexible Arbeitszeiten bot, sodass sie Erziehungszeit und Arbeits-leben gut in Einklang bringen konnte. Sie wurde von ihrem Entleihbetrieb übernommen.

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Nina Löffler, Assistentin des

Objektleiters

gerade mit kleinen Kindern lässt sich der Alltag nicht immer wie nach der Stechuhr planen: „Allein bei der Eingewöhnungsphase in den Kindergarten

kann es schon mal bei der Verabschiedung etwas länger dauern“, weiß Nina Löffler. Ein wenig Flexibilität vonseiten des Arbeitgebers würde helfen. Doch genau damit tat sich das Unternehmen sehr schwer, bei dem sie lange angestellt war: Die gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau war elf Jahre in einer Spedition tätig gewesen, wo sie am Ende Ver-sicherungsfälle abgewickelt und Aufgaben im Bereich Spe-ditionsrecht übernommen hatte. „Mit meinem ersten Kind musste ich feststellen, dass sich mein damaliger Job und die Kindererziehung nicht miteinander vereinbaren ließen.“ Sie nahm Elternzeit, bis ihr Kind in den Kindergarten kam. Gerne wäre sie wieder eingestiegen, doch starre Arbeitszei-ten machten ihr die Rückkehr schwer.

Auf der Suche nach Alternativen fand sie weder in den Anzeigen der Tageszeitungen noch in den Jobportalen eine entsprechende Teilzeitstelle mit flexiblen Arbeitszeiten. Ob-wohl sie bis dahin keinerlei Erfahrung mit Zeitarbeitsunter-nehmen hatte, startete sie einen Versuch und sprach bei einer Niederlassung des Personaldienstleisters Randstad in Nürnberg vor.

„Ich hatte sehr klare Vorstellungen von den Rahmen-bedingungen, war mir im Gegenzug aber auch darüber im Klaren, dass ich mit Zeitarbeit nicht so viel Geld verdienen würde wie mit einer Direktanstellung. Mir war es wichtig,

eine Stelle zu finden, die mir zeitlich entgegenkommt und die ich später als Sprungbrett für eine Direktanstellung nutzen kann.“ Keine zehn Tage vergingen, bis sie ihren ersten Kun-deneinsatz in einem Unternehmen antreten konnte: „Es war ein normaler Bürojob mit Gleitzeit. Ich konnte meinen Sohn in den Kindergarten bringen, musste nicht mit schlechtem Gewissen ins Unternehmen hetzen.“ In dieser Zeit bekam sie ihr zweites Kind und konnte nach eineinhalb Jahren El-ternzeit wieder einsteigen. Als ihre Tochter in den Kinder-garten kam, stockte sie ihre Stunden auf. „Eine Aussicht auf Übernahme bestand in dem Unternehmen leider nicht. Also schlug mir das Zeitarbeitsunternehmen eine andere Ein-satzstelle vor, in der ich dann später übernommen wurde.“

In einem Dienstleistungsunternehmen für technisches Gebäudemanagement betreut sie seitdem als Assistentin des Objektleiters Bauprojekte, ist Kontaktperson für Mitar-beiter und Mitarbeiterinnen, bearbeitet Rechnungen und Aufträge und erstellt Besprechungsprotokolle. „Natürlich habe ich feste Termine, muss auch mal nachmittags vor Ort sein. Aber mit ein wenig Vorlaufzeit ist das kein Problem. Für meinen Arbeitgeber ist es wichtig, dass ich verbindlich und zuverlässig meine Aufgaben erledige. Ob ich um 8:30 Uhr oder um 9:00 Uhr anfange, ist nicht ausschlaggebend.“ Ins-gesamt war sie fünf Jahre für den Personaldienstleister tätig: „Für meine Situation hat das Modell gepasst. Ich habe die Zeitarbeit wie eine Art Probezeit gesehen: Passt das Unter-nehmen zu mir und ich zum Unternehmen? Eine Garantie, dass man übernommen wird, gibt es zwar nicht. Aber bei mir hat es zum Glück funktioniert.“

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Nina Löffler bearbeitet zum Beispiel Rechnungen. Sie ist auch Kontaktperson für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

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Themenheft 2017/2018 ZeitarbeitMIGRANTEN IN ZEITARBEIT HINTERGRUND

SCHNELLER ZUGANG ZUM ARBEITSMARKTMit der Zeitarbeit haben Einwanderer nicht nur eine gute Chance, schnell einen Job zu finden. Es ist oft auch der Weg zur dauerhaften Integration in den deutschen Arbeitsmarkt.

flüchtlinge sowie Migrantinnen und Migranten mit Mo-tivation auf der einen Seite und Arbeitskräftemangel auf der anderen – was liegt da näher, als zusammen-

zubringen, was eigentlich zusammenpasst? Vor dem Einstieg ist jedoch noch zu klären, ob die gesetzlichen Voraussetzun-gen erfüllt sind. So gilt, dass anerkannte Flüchtlinge direkt in den Arbeitsmarkt einsteigen können. Asylbewerberinnen, Asylbewerber und Geduldete hingegen dürfen grundsätzlich drei Monate nicht arbeiten. Danach besteht ein beschränk-ter Zugang zum Arbeitsmarkt. Konkret heißt das, dass vor Antritt der Beschäftigung die Ausländerbehörde die Be-schäftigung erlauben muss.

Für Asylbewerberinnen, Asylbewerber und Geduldete hat sich die Situation mit dem Integrationsgesetz vom August 2016 deutlich verbessert. Unter anderem wurde die Mög-lichkeit zur Aufnahme einer Arbeit vereinfacht. Einer der wesentlichen Punkte dieser Neuregelung ist das befristete Aussetzen der Vorrangprüfung.

In vielen Regionen prüfen nun die Agenturen für Arbeit nicht mehr, ob es für einen bestimmten Arbeitsplatz einen deutschen oder ihm gleichgestellten Bewerber gibt, der den Vorrang gegenüber einem Asylsuchenden erhalten müsste. Ein Betrieb kann direkt einen Geflüchten oder eine Geflüch-tete einstellen, wenn dieser oder diese die Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung hat.

Anerkennung des Berufsabschlusses aus der HeimatGerade für Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge, die in ihrer früheren Heimat bereits eine Berufsausbildung absolviert haben, ist die Anerkennung und Bewertung ihrer

Berufsqualifikation von erheblicher Bedeutung. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erläutert, „haben Zuwanderer seit 1. April 2012 die Möglichkeit, ih-ren im Ausland erworbenen Berufsabschluss mit den An-forderungen an diesen Beruf in Deutschland vergleichen zu lassen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn sie einen reglementierten Beruf in Deutschland ausüben wollen.“ Mit reglementiert ist gemeint, „dass der Beruf ohne ein staat-liches Zulassungsverfahren und ohne Anerkennung der Berufsqualifikation nicht ausgeübt werden darf“. Dies gilt beispielsweise für Ärzte, Gesundheits- und Krankenpfleger oder Erzieher.

Auf der anderen Seite gibt es auch nicht-reglementierte Berufe, bei denen keine formelle Anerkennung des Ab-schlusses erforderlich ist, wenn die Migrantin oder der Migrant darin arbeiten möchte – wie etwa als Angestellte/r im Einzelhandel oder als Informatiker/in. Gleiches gilt für

Flüchtlinge. „Hier können Sie sich“, so das BAMF, „auch ohne eine Bewertung der Qualifikationen auf dem Arbeits-markt bewerben. Eine Prüfung Ihrer Qualifikationen kann aber trotzdem sinnvoll sein, damit der Arbeitgeber Ihre Qua-lifikation besser einschätzen kann.“

Ob nun mit oder ohne anerkannte Qualifikation – eine gute Möglichkeit, unkompliziert in den Arbeitsmarkt ein-zusteigen, besteht für Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge über die Zeitarbeit. Diese wird auch als „Be-schäftigung als Leiharbeitnehmer“ bezeichnet. Bei dieser Beschäftigungsform gelten die gleichen Kriterien wie bei einer Direktanstellung, unabhängig davon, ob eine vorhe-rige Zustimmung zur Beschäftigung oder Vorrangprüfung erforderlich ist oder nicht.

Ein Vorteil der Zeitarbeit sticht besonders hervor: Die zahlreichen Firmen der Leiharbeitsbranche sind häufig spe-zialisiert und haben einen großen Überblick über die ver-schiedenen Beschäftigungsmöglichkeiten, wenn ein Migrant oder eine Migrantin etwas finden möchte, was auf die Qua-lifikation passt.

Hoher Ausländeranteil in der ZeitarbeitSelbst bei fehlender Anerkennung des eigenen Ausbildungs-abschlusses ist es eine gute Strategie für Menschen mit Migrationshintergrund, es bei einer Zeitarbeitsfirma zu ver-suchen – auch unterhalb des eigenen Qualifikationsniveaus, beispielsweise in einer Helfertätigkeit. Überhaupt in den deutschen Arbeitsmarkt zu gelangen, ist sehr nützlich. So können Flüchtlinge sowie Migrantinnen oder Migranten im Berufsalltag beweisen, über welche Fertigkeiten sie verfü-gen. Man lernt betriebliche Abläufe und Strukturen kennen und erfährt, auf welche Weise das deutsche Arbeitsrecht Pflichten und Rechte der Beschäftigten regelt. Darüber hi-naus hat sich gezeigt, dass das Erlernen berufsbezogener Sprache sehr wirkungsvoll die Integration ins Arbeitsleben unterstützt.

Von Vorteil ist auch die Tatsache, dass Zeitarbeitsfirmen ihre Beschäftigten auf deren Einsätze vorbereiten und dazu Schulungsmöglichkeiten bieten. Nach Informationen des In-teressenverbandes deutscher Zeitarbeitsunternehmen sind immerhin 25 Prozent aller Zeitarbeitskräfte ausländischer Herkunft. In der Gesamtwirtschaft liege hingegen der An-teil gerade einmal bei zehn Prozent. Dies zeigt, dass Zeit-arbeitsunternehmen eine große Erfahrung haben, wenn es um die Vermittlung von Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt geht.

Die Zeitarbeit stellt eine sehr praktikable Möglichkeit für Migranten und Flüchtlinge dar, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Das Gefühl der finanziellen Unabhängigkeit hebt das Selbstwertgefühl und ist ein wichtiges Element, wenn es darum geht, wirklich in Deutschland anzukommen.

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Wer seine Tätigkeiten vorbereitet, hat in der Regel einen guten Start in den Arbeitstag und kann die vorgesehenen Aufgaben bewältigen.

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Das Erlernen berufsbezogener Sprache unterstützt wirkungsvoll die Integration ins Arbeitsleben.

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Themenheft 2017/2018 Zeitarbeit

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SERVICE HIER FINDEN SIE HILFE

HIER FINDEN SIE HILFE

Agentur für ArbeitDie regionale Agentur für Arbeit kennt nicht nur den Arbeits-markt, sondern hat auch Kontakte zu ortsansässigen Zeit-arbeitsfirmen und hilft bei der Kontaktaufnahme. Passende Stellenangebote finden Sie in der Jobbörse der Bundesagen-tur für Arbeit.www.jobboerse.arbeitsagentur.de

Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) Universitätsstraße 2-3a 10117 Berlin Tel. 030 206098-0 Im 2011 gegründeten BAP sind circa 2.000 Mitglieder or-ganisiert. Davon sind fast alle kleine und mittelständische Firmen. Ansprechpartner sind die Regionalsprecher und deren Stellvertreter.www.personaldienstleister.de

Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB)Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin Tel. 030-24060-0 Der DGB wurde 1949 gegründet. Organisiert sind darin acht Mitgliedsgewerkschaften, insgesamt mehr als sechs Millio-nen Arbeitnehmer/innen.www.dgb.de

Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ)Albersloher Weg 1048115 Münster Tel. 0251 32262-0 Der iGZ vertritt rund 3.200, überwiegend kleine und mittel-ständische Mitgliedsunternehmen. Er wurde 1998 gegrün-det und ist durch 39 Landesbeauftragte und Regionalkreis-leiter regional verwurzelt.www.ig-zeitarbeit.de

Personalorder.de Das Portal möchte Leiharbeitskräfte, Behörden und Institu-tionen sowie Entscheider in personalentleihenden Betrieben und Personaldienstleister ansprechen. Als Zeitarbeitneh-mer oder Zeitarbeitnehmerin können Sie sich über aktuelle Entwicklungen in der Zeitarbeitsbranche informieren, nach Stellen oder Personaldienstleistern suchen, sich mit ande-ren austauschen oder Fragen stellen. www.personalorder.de

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Sind Sie noch auf der Suche nach einem passenden Beruf oder einer spannenden Branche? In der Agentur für Arbeit können Sie sich informieren. Dort bekommen Sie Informationen über den Arbeitsmarkt aus erster Hand.

Ihre Bewerbungsunterlagen können Sie in die Berufsberatung mitbringen. Stellen Sie dort Fragen, auch zum Prozedere und zu Formalia.

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Themenheft 2017/2018 Zeitarbeit

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SERVICE GLOSSAR

AUF DEN PUNKT GEBRACHTWenn Sie sich mit dem Thema Zeitarbeit beschäftigen, werden Sie hin und wieder auf bestimmte Fachausdrücke stoßen. Hier erklären wir zentrale Begriffe.

AGGDas Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist ein Bundes gesetz, das Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Reli-gion, einer Behinderung oder des Alters verhindern soll.

AÜGDas Arbeitnehmerüberlassungsgesetz stellt die rechtliche Grundlage für die Tätigkeiten von Zeitarbeitsunternehmen dar. Im April 2017 trat eine Neuregelung in Kraft.

ArbeitsrechtFür Zeitarbeitskräfte gelten alle üblichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen: Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pfle-geversicherung, Arbeitsschutz, gesetzlicher Kündigungs-schutz, Schwerbehinderten- und Mutterschutz, Lohnfort-zahlung im Krankheitsfall und Urlaubsanspruch.

EntgeltgruppeDie Höhe des Gehalts hängt von der jeweiligen Entgeltgrup-pe ab. Die Einstufung in eine bestimmte Entgeltgruppe rich-tet sich nach den Aufgaben. Die Unterteilung beginnt mit Tätigkeiten, die keine oder eine nur kurze Anlernzeit erfor-dern und endet mit Tätigkeiten, die zum Beispiel ein Hoch-schulstudium oder mehrjährige Berufserfahrung erfordern.

Equal PayGrundsätzlich gilt, dass Zeitarbeitskräfte nach neun Mona-ten im selben Entleihbetrieb Anspruch auf den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft haben. Abweichungen sind gemäß Tarifvertrag möglich, jedoch innerhalb enger Grenzen.

Klebe­Effekt Übernehmen Firmen ihre Zeitarbeitskräfte in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis, wird das als Klebe-Effekt bezeich-net – nach Branchenerfahrungen betrifft das statistisch ge-sehen jede dritte Zeitarbeitskraft.

Lohnuntergrenze Die Lohnuntergrenze bezeichnet Mindeststundenentgelte für die Zeitarbeit, die in einer Verordnung verbindlich fest-gelegt sind. Seit 1. Juni 2017 gilt die Dritte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit.

Sozialversicherungspflichtig beschäftigt… sind alle Arbeitskräfte, die nach dem Arbeitsförderungs-gesetz kranken-, renten- und pflegeversicherungspflichtig sind, oder alle, für die der Arbeitgeber Beitragsanteile zu den gesetzlichen Rentenversicherungen abzutreten hat.

TarifvertragEin Tarifvertrag stellt die Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer dar und regelt die Arbeitsbedingungen. Folgende Punkte sind darin üb-licherweise festgelegt: Tarifentgelte, Regelung zur Arbeits-zeit, Regelungen und Sonderzahlungen bei Mehrarbeit, Produktivitätszulage, Entgeltfortzahlung im Krankheits-fall, Urlaubsansprüche, Weihnachts- und Urlaubsgeld. In Deutschland haben die DGB-Gewerkschaften zwei Flächentarifverträge für die Zeitarbeitsbranche abge-schlossen: mit dem Bundesarbeitsgeberverband der Per-sonaldienstleister (BAP) sowie mit dem Interessenver-band Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ). Diese sind in der Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ) organisiert.

ÜbernahmeWenn Ihnen der Betrieb, in dem Sie eingesetzt sind, eine Anstellung anbietet, können Sie diese annehmen, nachdem Sie das bestehende Arbeitsverhältnis beendet und den Ar-beitsvertrag mit der Zeitarbeitsfirma gekündigt haben.

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Für Zeitarbeitskräfte gelten alle üblichen arbeitsrechtlichen Bestimmungen wie beispielsweise Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung, auch Arbeitsschutz sowie gesetzlicher Kündigungsschutz.

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Welche Qualifikation wird verlangt? Davon hängt auch Ihre Einstufung in eine Entgeltgruppe ab.

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� 50plus – Ihre Erfahrung zählt

� Berufliche Reha

� Existenzgründung

� Familie und Beruf

� Jobchancen ohne Ausbildung

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www.arbeitsagentur.de/durchstarten

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Die durchstarten Infomappen bieten Informationen über Weiter-bildungsberufe, Anpassungs-qualifizierungen und Trends in verschiedenen Arbeitswelten.