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Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit/it Mtinchen. Theorie der Abfiihrwirkung der Folia Sennae und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe. Von W. Straub und E. Triendl. Mit 11 Textabbildungen. (Eingegangen am 3. Februar 1937.) In der ersten Untersuehung zur Pharmakologie der Sennawirkung 1 wurde als wesentliehstes Ergebnis festgestellt, dal~ bei direktem Durehleiten von Sennainfus (lurch den Diekdarm der Katze eine ungemein kleine Dosis wirksam ist. Sie betr~gt weniger wie den ~ausendsten Tell der Konzentration, die zum gleiehen Dickdarmeffekt bei oraler Einverleibung des Sennainfuses notwendig ist. Aus diesem auffallenden Befund ergab sieh eine Reihe yon Fragesgellungen, insbesondere fiber Sehieksal und Verteilung der wirk- samen Substanz, deren Klgrung der Zweek der nunmehr mitzuteilenden Versuehe ist. Methodisehes. a) Pendelbewegungen. Die Methode war im grol3en ganzen die gleiche, wie in der friiheren Arbeit 2. Da aber dort nur die grogen, peristaltisehen, flfissigkeitsf6rdernden Bewegungen des Diekdarmstfickes graphiseh erfat3t w~rden, schien es wfinsehenswert, auch noch Aufsehlug dariiber zu bekommen, in welehem motorisehen Zustand der Diekdarm zwisehen den einzelnen peristaltisehen Wellen, die dutch mehrere Minuten getrennt sind, sieh befindet. Die Beob- aehtung in der emvghnten Versuehs- anordnung zeigt, dal3 wghrend der Peristaltikpausen der Fliissigkeits- spiegel in dem Ausflul~rohr C hie in Abb. 1. Ruhe ist, sondern dauernd bin lind her pendelt, vermuglich der kusdruck yon Pendelbewegungen, die zur eigentlichen F6rderung nieht ausreiehen. Um auch diesen Darmzus~and wghrend der Peristaltikpausen zu erfassen, wurde (vgl. Abb. 1) seitlich an das Rohr C eine sehr empfindliehe Mareysehe 1 Straub, W. u. E. Triendl: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 175, 528 (1934). -- Straub, W. u. E. Triendl: Ebenda 175, 521 (1934). Archiv f. experiment. Path. u. Pharmakol. Bd. 185. 1

Theorie der Abführwirkung der Folia Sennae und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe

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Page 1: Theorie der Abführwirkung der Folia Sennae und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe

Aus dem Pharmakologischen Ins t i tu t der Universit/it Mtinchen.

Theorie der Abfiihrwirkung der Folia Sennae und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe.

Von

W. Straub und E. Triendl.

Mit 11 Textabbildungen. (Eingegangen am 3. Februar 1937.)

In der ersten Untersuehung zur Pharmakologie der Sennawirkung 1 wurde als wesentliehstes Ergebnis festgestellt, dal~ bei direktem Durehleiten von Sennainfus (lurch den Diekdarm der Katze eine ungemein kleine Dosis wirksam ist. Sie betr~gt weniger wie den ~ausendsten Tell der Konzentration, die zum gleiehen Dickdarmeffekt bei oraler Einverleibung des Sennainfuses notwendig ist. Aus diesem auffallenden Befund ergab sieh eine Reihe yon Fragesgellungen, insbesondere fiber Sehieksal und Verteilung der wirk- samen Substanz, deren Klgrung der Zweek der nunmehr mitzuteilenden Versuehe ist.

Methodisehes.

a) Pendelbewegungen.

Die Methode war im grol3en ganzen die gleiche, wie in der friiheren Arbeit 2. Da aber dort nur die grogen, peristaltisehen, flfissigkeitsf6rdernden Bewegungen des Diekdarmstfickes graphiseh erfat3t w~rden, schien es wfinsehenswert, auch noch Aufsehlug dariiber zu bekommen, in welehem motorisehen Zustand der Diekdarm zwisehen den einzelnen peristaltisehen Wellen, die dutch mehrere Minuten getrennt sind, sieh befindet. Die Beob- aehtung in der emvghnten Versuehs- anordnung zeigt, dal3 wghrend der Peristaltikpausen der Fliissigkeits- spiegel in dem Ausflul~rohr C hie in

Abb. 1.

Ruhe ist, sondern dauernd bin lind her pendelt, vermuglich der kusdruck yon Pendelbewegungen, die zur eigentlichen F6rderung nieht ausreiehen. Um auch diesen Darmzus~and wghrend der Peristaltikpausen zu erfassen, wurde (vgl. Abb. 1) seitlich an das Rohr C eine sehr empfindliehe Mareysehe

1 S t r a u b , W. u. E. T r i e n d l : Naunyn-Schmiedebergs Arch. 175, 528 (1934). - - S t r a u b , W. u. E. T r i e n d l : Ebenda 175, 521 (1934).

Archiv f. experiment. Path. u. Pharmakol. Bd. 185. 1

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2 W. ST]{~UB und E. TRIENDL:

Kapsel angeschlossen. Die Abb. 2 zeigt zuniichst, dab diese kleinen Be- wegungen wiihrend der ganzen Zeit der Peristaltikpausen stattfinden. Ihre FSrderleistung ist sehr gering.

Abb. 2. 0bets Kurve die groi~en Peristaltikbewegungen, llnten die Pendelbewegungen. Nnr die Gipfel eoinzidieren mit den peristaltischen Wellen. Mai~stab fiir die peristaltisehen Wellen: l em = 3,71cem. FSrderleistung ffir alle Kurven dieser Arbeit gleieh. Mal3stab ftir die Pendel-

bewegungen : 1 Intervall = 1 ecru. Zeitmarken fiberall 1 Minute.

b) Narkose.

In den friiheren Versuchen haben wit, um den Darm so normal wie mSglich zu erhalten, start der Narkose die Dezereb~ierung benutzt. Wir sind yon dieser Vorbereitung abet wieder abgekommen, da sie sehr oft kiinstliche Atmung erforde~t und auch sons~ dutch allerlei Zuf~lligkeiten gestSrt wurde. Wit haben uns infolgedessen bemtiht, doch eine Narkose mit chemischen Mitteln zu finden, die bei geniigender Tiefe ein Optimum an Darmtgtigkeit ermSglicht. Wir fanden schliel~lich in der Chloralose unter Einhaltung gewisser Bedingungen alas geeignete Mittel, das bei be- stehender Allgemeinnarkose die Darmmotilitgt intakt lgl~t. 0,034 g/kg Chloralose* erwies sich als die untere Menge, mit der die Versuche durch- geffihrt werden konnten. Mi{ dieser Dosis haben wir unsere Versucl~e angestellt. Die Darmbewegungen sind dabei intakt, kiinstliche Atmung ist immer entbehrlich, Al]gemeinnarkose besteht in ausreichender Tiefe.

* Die Dos ie rung mul~ sehr exak t sein, wenn die Bed ingung erftillt sein soil, dal~ bei Al lgemeinnarkose keine D a r m n a r k o s e bes tehen so]l. Sohon das D o p p e l t e - der obigen Dos ie rung li ihmt den D a r m vollst~ndig.

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Theorie der Abfflhrwirkung der Folia Sennae und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe. 3

Es ist femer yon grofter Wichtigkeit, daft die Operation und die Messungen nieh~ zu friih begonnen werden. Das Stadium, in dem ~iefste Allgemeinnarkose bei normai arbeitendem Darm besteht, beginnt 3--4 Sgnnden naeh der Injektion der Chloralose. In dieser Zeit, und natfir- lich auch wiihrend des Versuehs mug das Tier gut gew~irmt werden (Rectum- Temperaturkontrolle !). Es ist zweekmgftig, die operierten Tiere wghrend des Versnehs nieht zu fesseln, nut den Kopf im tIalter zu fixieren, die Beine aber so lose zu lassen, daft keine Zerrung der Bauchdeeken auftritt. Naeh der Darmoperation wurden die Tiere 1--2 Sgunden in Ruhe gelassen und erst nach Yerlauf dieser Zeig wnrde mit dem eigentliehen messenden Versueh begonnen. So vorbereitete Versuehe kSnnen dann ~iber viele Stunden ausgedehnt werden*.

Chloralose ist in Wasser schleeht 16slieh. Die ffir das Tier in der gorge- schriebenen Dosierung nStige Menge verlangt viel LOsungsmittel, was einen Un- sieherheitsfaktor mit sich bringt, der auch dureh Erwgrmung einer konzentrierten LOsung fiber Xgrpertempera~ur niehg ausgesehaltet werden kann. Wir fanden es zweekm~.13ig, eine L6slichkeitsverbesserung der Chloralose dutch Athylurethan herbeizuffihren. Wir verwendeten dazu eine StammlOsung yen 8 g Chloralose + 40 g Urethan + 100 ecru Wasser = 145 eem (0,625 eem ~ 0,034 g Chloralose. d. h. die n6tige Deals pro kg Tier.) Diese LOsung ffillt bei I~25rpertemperatur nieht, aus.

c) Dosierung der Sennasubstanzen.

In den frtiheren Versuehen wurde die Dosiernng naeh M~useeinhei~sn vorgenommen, wobei 200ME. 1 g Sennablatt entspraehen, d.h. der unteren therapeutisehen 5Ienschendosis. In allen bier mitgeteilten Ver- suehen wurde auf Grund der Untersuehung yon W. S t r aub und H. Geb- h a r d t a ehemiseh dosiert, und zwar naeh dem kolorimetriseh ermittelten Emodinwert, gleiehgiiltig, ob mit freiem Emodin oder einem Senna- glykosid, oder wie beim Infus mit einem Gemiseh yon allen operiert wurde.

Es i s tder Emodinwert fiir 100 ecru 10 ~oigen Infus etwa 70 mg, fiir freies Emodin etwa 8 rag, ffir die Fraktion des leiehtspaltbaren Glykosids etwa 8 rag, ftir sehwerspaltbares Glykosid etwa 50 rag.

d) Messung der Wasserresorption.

Die Versuchsanordnung erlaubt die Feststellung einer Wasserbilanz unter der Voraussetzung, daft das im Darm enthaltene tote Fliissigkeits- volumen erfaftt werden kann. In den friiheren Versuchen haben wir das dureh einfaehes Aushebern bewerkstelligt. Wir fanden es aber nmmaehr

* Es ist zweekmgBig, in die Blase einen Verweilkatheder einzuftihren, um Baumbehinderung in der Bauehh6hle dureh Zunahme der Blasenfiillung zu ver- meiden.

s S t r a u b , W. u. It. O e b h a r d t : Naunyn-Schmiedebergs Arch. 181, 399 (193G).

1"

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4 W. STI~AIJB und E. TttIENDL:

besser, dieses Volumen durch Aussaugen mit der Spritze zu entfernen. Zu diesem Zwecke haben wit den beiden in den Darm eingebundellen Kaniilen die Form eines Y gegeben. Es hat sieh gezeigt, dag wi~hrend des Versuehs ohne dessen StSrung das Darmstiiek mehrfaeh mit Vorsieht auf solehe Weise zwangsweise entleert werden kann.

Versuehe.

Weg tier wirksamen Stoffe zum Dickdarm bei Einverleibung in den Diinndarm.

Wie schon fri]her bemerkt, ist es uubedingt nStig, dab zur Erzeugun g der Dickdarmwirkung bei oraler Einverleibung eine grol~e Menge yon Sennainfus verwendet werden mug, w~hrend bei unmittelbarer Dickdarm- durchspiilung dieser Infus auf das 1000fache verdiinnt noch roll wirksam ist. Dies macht es nicht sehr wahrscheinlich, da~] die wirksamen Stoffe auf dem direkten, unmittelbaren Wege des Transports vom Diinndarm zum Dickdarm gelangen. Es lag vielmehr nahe anzunehmen, dal3 die Wirkung dadurch zustande kommt, dal~ die Substanzen iiberhanpt nieht auf dem natiirlichen, unmittelbaren Darmwege in den Dickdarm gehen, sondern auf dem Wege der Resorption aus dem Diinndarm aufgenommen und in den Diekdarm ausgesehieden werden. Der Beweis fiir diese An- nahme w~re ftir den Infus leieht zu erbringen, wenn man wiihrend der Dureh- leitung yon Wasser dutch den Dickdarm den Sennainfus in den Diinndarm iniiziert. Die dazu ~5tigen groften Fliissigkeitsmengen haben es jedoch teehniseh unm5glieh gemaeht, diese Frage fib den Infus zu beantworten. Wir konnten sie dagegen in Angriff nehmen, indem wir die inzwisehen isolierten wirksamen Substanzen (St raub und G e b h a r d t a) in geringerem Volumen, abet h6herer Konzentration in den Dfinndarm mit der Pravaz- 8pritze injizierten.

Die Versuche liefen also derart, da$ tier Diekdarm in der tibliehen Weise vorbereitet, lediglich mit Leitungswasser arbeitet und die Substanz- ]6sungen in den Diinndarm in kleinem Volumen mit der Pravaz-Spritze in das Jejunum, etwa 70 cm yon der Ileoeoecalklappe ab gereehnet, erfolgte. Zwischen Diinndarm uM Diekdarm bestand so keine Kommunikation mehr.

Naeh Beendigung des Versuehs wurde D~nndarm und Magen des Tieres untersueht und festgestellt, dab sie mit geringen Ausnahmen nur spurenweise noeh wirksame Substanz enthielten, dal~ also tatss die Hauptmenge der wirksamen Substanz im Diinndarm resorbiert worden ist. Die Injektion der wirksamen Substanz in den Dfinndarm erfolgte gleiehzeitig mit der Diekdarmoperation, also in dieser Versuehsreihe lange vor dem Beginu der Meisung und Registrierung. Resultat: Trotz Aussehaltung der anatomisehen Kommunikation zwisehen Diinndarm und Diekdarm trat bei diesen Versuehen doeh die voile Diekdarm- wirkung ein.

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Theorie der Abfiihrwirkung der Folia Sennae und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe. 5

Versuchsprotokolle.

27. August 1936. Versueh Xr. 67. Gewieht der Xatze 2800 g. Injektion in den Dtinndarm yon reinstem, s c h w e r s p a l t b a r e m Senna-

glykosid, entspreehend 30 mg Emodin, gelSst in 5 eem sehwaehem Alkali.

Dickdarm- Stundenwert fiJrderung in ecru

absolut in cem

11 h Injektion des Glykosids in den Dtinndarm

1 Beginn des Durchleitens von Wasser dureh den Dickdarm

2 . . . . . . . . . . . . . . 54,5 54,5 3 12' . . . . . . . . . . . . . . 70,1 58,4 4 12 . . . . . . . . . . . . . . 56,0 56,0 5 . . . . . . . . . . . . . . i 75,9 97,0 5 40 . . . . . . . . . . . . . . i 168,4 252,6

t~ esul t at : Die Wirkung des sehwerspaltbaren Glykosids am Dickdarm setzt zwischen der 6. und 7. Stunde nach Einbringung in den Diinndarm ein.

2. Mai 1935. Versueh Nr. 51. Gewieh~ der Xatze 3250 g. Injektion yon l e i c h t s p a l t b a r e m Glykosid in den Danndarm, entspreehend

etwa 15 mg Emodin, gelSst in 7 ecru sehwachem Alkali.

11 h 45' ~ Injektion des Glykosids in den [ Diinndarm

1 20 Beginn des Durchle~tens von Wasser durch den Dickdarm

2 20 . . . . . . . . . . . . . . 3 25 . . . . . . . . . . . . . .

Dickdarm- f~irderung S~undenwert absolut in ecru in ecru

120,23 120,23 287,97 287,97

t~esu l t a t : Die \VJrkung des leichtspaltbaren Glykosids am Dickdarm setzt schon in der ersten Versuchsstunde ein, f

Einverleibung auf parenteralem Wege.

Die niiehste Konsequenz der Tatsache, dal~ die therapeutische Senna- wirkung nicht durch direkten Transpor t vom Di inndarm zum Dickdarm zus~ande kommt , ist die Wa, hrscheinlichkeit, dal~ auch bet pa.renteraler Einverleibung die spezffisehe Diekdarmwirkung auftreten mul3. Diese Frage wurde gepriift.

a) I n t r a m u s k u I ~ r e I n j e k t i o n :

Wir haben zungehst intramuskul~re In jekt ionen desselben 10~oigen Sennainfuses vorgenommen, mi t dem die oralen Einverleibungen stat t - fanden, und zwar mi t 10 ecru Infus, auf versehiedene Stellen verteilt. Die Wirkung t r i t t aueh hier ein, wie Abb. 3 zeigt.

Die t,ypisehe Diekdarmwirkung ka m in diesem Falle friiher als bei der oralen Einverleibung des Infuses, war abet im iibrigen von gleieher Art. und Intensitg~. Wie erwartet , ist. der Infus also aueh int ramuskutgr wirksam.

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6 W. STP~AUB und E. TI~IENDL:

Abb. 3. Die intramusktlli~re Injektion yon 10 ecru 100[0igem Infus bei ~ . Dickdarmwirkung trat nach 60 Minaten auf. Ma~e nnd Zeiten wie in Abb. 2., Pendelbewegungen nicht verzeichnet.

Yersuehsprotokolle. 11. Jul i 1935. Versuch Nr. 15. Gewicht der Katze 2300 g. Intramuskul~xe In jek t ion yon 10 ecru gewShnlichem 10% igera Sennainius,

der rai t Soda neutra]isiert wurde, entsprechend etwa 7 rag Total-Emodin.

2 h08 ' Beginn des Durchleitens yon Wasser durch den Dickdarm

2 30 Intramusku[~re Injektion yon 10 ccm Sennainfus

3 20 . . . . . . . . . . . . . . . 4 30 . . . . . . . . . . . . . . .

Dickdarm- fSrdertmg

absolut in ccm

110,71 92,25 288,19 266,02

Stundenwert in ccm

11. Dezember 1934. Versuch Nr. 31. Gewicht der Xgtze 2400 g. In t ramuskul~re In jek t ion yon 15 ccm neutra] is ier tem Sennginfus, im Vakuum

konzentr ier t , en tsprechend etwa 20rag Total-Eraodin.

3 h05 ' Beginn des Durehleitens yon i Wassei" durch den Diekdarm

3 40~ Injek~ion yon 15 ccm neu~rali- I 71,67 57,34 4 20 ~ siertem Infus in 3 Portionen j 5 25 . . . . . . . . . . . . . . . I 254:,60 254,60 6 30 . . . . . . . . . . . . . . . I 168,67 168,67

b) I n t r a v e n 6 s e E inve r l e ibuag .

Die intravenSse Einverleibung des Infuses (Abb. 4) bringt die gleiche Wirkung an tier Peristaltik, wie die orate und die intramuskul~re Injektion, doeh bestehen zwei Besonderheiten: Einmal, da~ dieWirkung amDickd~rm wesentlich friiher eintritt, wie bei der oralen oder intram.uskul~tren Injektion, aber doeh nicht mit jener momentanen Geschwindigkeit, wie sie sons*

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Theorie der Abffihrwirkung der Folia Sennae und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe. 7

bei intravenSsen Einverleibungen yon wirksamen Stoffen zu erwarten ist. Es dauert hier vielmehr auch 30--40 Minuten, bis der Effekt am Dickdarm erscheint. Eine andere Besonderheit betrifft die Pendelbewegungen, die gleichzeitig mit dem Eintr i t t der Perist~ltikwirknng sich abschwachen und sogar ganz sistieren kSnnen. Der Darm registriert nunmehr keine Be- wegungen mehr, ist aber trotzdem nicht vSllig in Ruhe. Die kleinen Er- schlaffungen linden nich~ mehr start. Es herrscht also ein Zustand yon er- hShtem Tonus. Die gra- phisehe Registrierung er- scheint als gipfelst~ndige HorizontMe. Allerdings kann diese horizontMe Linie dutch starke peri- staltisehe Bewegungen de- formiert werden. In den Kurven ist dann zu sehen, dab diese p~ssiven Defor- mationen synchrom mit der Peristaltik verlanfen.

Abb. 4. Die intravenSse Injektion yon 4 ccm 100/oigem Zusammenf~ssend ist ~af~s bei ----~. Dickdarmwirkung tritt nach 40 Min. ~uf.

Pendelbewegungen verschw~nclen. ZU s~gen, dM~ die einzelnen Applikationsarten sich haupts~chlieh dureh die Geschwindigkeit des Ein- trit ts der Diekdarmwirkung unterseheiden. Fiir den Infus betrggt die Latenz ceteris paribus:

bei oraler Einverleibung . . . . . . . . . . . etwa 4 Stunden, ,, intramuskul~rer Einverleibung . . . . . . . . 1 Stunde, ,, intravenSser Einverleibung . . . . . . . . . . 40 Minuten.

Dies deutet schon fiir den komplexen Infus darauf hin, daI~ zwisehen Einverleibung und Wirkung ein Proze~ sieh einschiebt, vermutlich ehemi- scher Natur, nach dessen Ablanf erst die Wirkung auftritt. Dies soll in der Folge eine Latenz der Wirkung genannt werden.

Die einzelnen wirksamen Infusbestandteile.

Der verwendete g e n u i n e * 10~oige Sennainfus enth~lt pro g Blatt etwa 0,8 mg freies Emodin, etwa 0,8 mg Emodin aus leichtspaltbarem Glykosid nnd etwa 5 mg Emodin aus sehwerspaltbarem Glykosid. An

* 10%iger neu t r a l i s i e r t e r Infus, der einige Male verwendet wurde, enth~ilt pro g BlaSt etwa 0,06 mg freies Emodin, etwa 0,8 mg Emodin aus leichtspaltbarera Glykosid und etwa 6 mg Emodin aus schwerspaltbarem Glycosid.

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8 W. STRAV~ und E. TRIE~-DL:

Menge iiberwiegt also bei weitem das schwerspaltbare Glykosid. Bis zu einem gewissen Grade muB das leiehtspaltbare Glykosid als Q uelle von Emodin betrachtet werden, da es schon bei einem p~ von 6,4 verseift wird.

Da sieh bei der Priifung des Infuses bemerkenswerte zeitliche Ver- schiedenheiten in der L~tenz der Wirkung her~ustsellten, je nach der Art der Applikation, wurde in den folgenden Versuehen die Gesehwindigkeit des Wirkungseintritts besonders beriieksiehtigt, dies deshalb, well, wie sparer zu erSrtern sein wird, in therapeutiseher Hinsieht ein Stoff mit grSt~ter Latenz am wertvollsten erscheint.

Naeh der Art unserer Versuehsanordnung ist zwar das Maximum einer Wirkung am Dickdarm unsehwer zu erkennen, dagegen unsieher der Moment des Wirkungs- eintritts. Um zu einem gut bestimmbaren und vergleiehbaren Wert zu kommen, haben wit deshalb einen Mittelwert gewghlt, n~tmlieh denjenigen Grad der Wirkung, der die FSrderleistung der Peristaltil: gerade verdoppelt. Er ist reehneriseh aus den Kurven teieht zu ermitteln.

Weiterhin wurde besonders auf das Verhalten der Pendelbewegungen ge~chtet, deren Verschwinden sich besonders als t;olge der intr~venSsen, weniger tier anderen Einverleibungen des Infuses herausgestellt hat. In friiheren Versuchen des direkten Durchleitens durch den Dickdarm hat sich der Ausfall der Pendelbewegungen sehon als ein sehr friihes Stadium herausgestellt. Ebenso erg~b sich bei diesen Versuehen, dal~ Durehleitung hSherer Konzentrationen yon Sennainfus am Dickdarm neben dem Ver- schwinden der Pendelbewegungen auch morphologisch sichtbare StSrungen erzeugt, wie Hyper~mie. Bei der Sektion erwies sich der Diekdarm tonisch kontrahiert. Solche l~ebenwirkungen, die sieher jenseits des Optimums liegen, sind als pathologiseh zu bewerten.

Die angewendeten Dosen wurden naeh ihrem Emodinwert angegeben. Sie wurden ira allgemeinen so gehalten, dal~ die Dosen ungef~hr dem Emodin~quivalent yon etwa 20--30 cem eines 10~oigen Infuses, einer oral sicher wirksamen Dosis, entsprachen.

Ergebnis.

I. Sehwerspaltbares Glykosid.

(Kristallisierte Reinsubstanz.)

a) Iniektion in denDiinnd~rm: Latenz 360 Minuten, Pendelbewegungen erhalten und unver~ndert;

b) Injektion intravenSs (Infusion): Latenz 75Minuten, Pendel- bewegungen erhalten und unvergndert;

8) Injektion intramusku]ar: Latenz 320 Minuten, Pende]bewegungen erhalten und nnveri~ndert.

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Theorie der Abfiihrwirkung der Foli~ Sennae und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe. 9

Abb. 5. Injektion yon schwerspaltbarem Glykosid (Reinglykosid) in den Diinndarm, entsprechend 30rag Emodin. Die Kurve beginnt mit tier 252. Min. nach der Injektion. Pendelbewegungen

bleiben unver~ndert.

Abb. 6. Die intravenSse Infusion yon schwersp~Itbarem @lykosid, entsprechend et~va 20rag Emodin, beginn~ mit dem Beginn der Kurve, dauert 83 l~lin.

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10 W. ST~iUB und E.T~IENDL:

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Theorie der Abftihrwirkung der Folia S enn~e und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe. l 1

(Keine

~)

b)

~)

II. Leichtspaltbares Glykosid. Reinsubstanz, aber frei yon schwerspaltbarem Glykosid und freiem

Emodin.) Injektion in den Diinndarm: Latenz etwa 120 Minuten, Pendel- bewegungen abgeschwgcht; Iniektion intramuskuliir: Latenz 65 Minuten, Pendelbewegungen abgeschwttcht; Injektion intraven6s: Versuch nicht ausfiihrbar wegen der Un- mSglichkeit, die nStigen hohen Konzentrationen herzustellen.

Abb. 8. Intramuskul i i re Injekt ion yon leicht- spal tbarem Glykosid, entst~rechend e twa 13 mg Emodin. Die Injekt ion flillt mi t dem Kurven- beginn zusammen. Pende lbewegungen ver- sehwinden. Am Sehlul~ der unteren Kurve sind nu t passive E inwi rkungen der perista]- ~isehen Auswiirfe auf der M a r e y s e h e n Kapsel

verzeiehnet .

I I I . E m o d i n .

Abb. 9. Einmal ige Injektion yon 22 m g Emodin als Nat r iumsalz geliist, sehr rasehe~ sehr s tarke W i r k u n g m i t vSlligem Verschwinden der Fende lbewegungen . 1)arm zum Sehlug funkt ionslos %onisch. Messung der Wasserb i lanz in diesem Versaeh ergab schlieglieh eine Sekret ion in das Darmlumen (Emodinvergif tung).

Verwendet wurde ein aus Sennaglykosiden durch Spaltung hergestelltes reines Sennaemodin. Es ist in Wasser fast un]Sslich und wurde in seine Natriumverbindung iibergefiihrt. Auch dieses Natriumsalz ist nicht sonderlich gut 15slich. Herstellbar sind LSsungen yon l l--12 mg Senna- emodin in ]00 ccm 0,34 ~oiger Soda bei 20 ~ als maximale Konzentration. Nebenwirkungen (Krs Brechen) machten die intraven6se Injektion unmSglich.

Auch das Emodin steigert grundsiitzlich bei j eder Art der Einverleibung die Dickdarmperista]tik. Doch hat Emodin die Besonderheit, dal3 es bei e inmMiger Injek~ion einer Dosis starke tonische Effekte hervorruft (siehe Abb. 9). Die ganze Tiitigkeit macht den Eindruck des Krampfhaften,

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die einzelnen peristaltisehen Wellen erfolgen in einer ungew6hnlicl~ raschen Frequenz. Eine glatte Steigerung der FSrderleistung lgl~t sieh nut erzielen,

gg

.s ~=

"~

c~

~_.~ ~.~_

werm ma.a die Emodindosis ht einer sehr langsam verlaufend_en Dauer- infusion beibringt (Abb. 10). Wirksame Dosen fiihren bei ieder Art tier

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Theorie der Abf t th rwi rkung der Folia Sennas u n d ihrer w i rksamen Inhal tss toffe . 13

Einverleibung zum Absehwi~ehen his AufhSren der Pendelbewegungen. Die Latenz der Wirkung ist die kleinste yon allen Sennasubstanzen. Sis betriigt nur Minuten.

Zlun Vergleieh der versehiedenen Latenzen die Tabelle:

In den Diinndarm Intramuskuliir I Intraveni~s /

Sehwerspat tbares Olykosid . . . . etwa 360 Min. letwa 320 Min. I etwa 75 Min. Leiehtspaltbares Glykosid . . . . . ,, 120 ,, ] ,, 65 ,, i " -- " Emodin . . . . . . . . . . . . . , 30 ,, f ,, 30 , , ,, 30 ,,

Dieser Teil der Untersuehung hat gezeigt, dal3 das schwerspaltbare Glvkosid die grSl~te Latenz der Wirkung hat. Sis betrggt bei Injektion

Abb. 11. Durehleitung einer Emodinl~isung dnrch den Dickdarm. Zusrst bei A DurcMei~ung einer 0,34o/oigen Sodat~sung, dann bei B Umwechseln auf sine LSsung yon 0,0008 g Emodin in 500 ecru 0,34o/viger Soda. Abschwachung der Psndelbewegungen mit der Em0dinwirkung. Diese kommen wieder bet C beim Durchleiten yon SodalSsnng. D wieder

Emodinl0sung wie frfiher.

in den Ditnndarm 5--6 Stunden. Das freie Emodin hat die kleinste, etwa :30 ~Iinuten. Das leichtspaltbare Glykosid steht zwischen beiden, aber dem Emodinwert ngher.

Das schwerspaltbare Glykosid hat selbst in iibermaximalen Dosen keine Wirkung aaf die Pendelbewegungen, das Emodin die grSgte. Das leiehtspaltbare Glykosid steht aueh hier nigher dem Emodin. Dieses leieht- spaltbare Glykosid zerfiillt in vitro viel raseher in Emodin und Zueker, als das sehwerspaltbare Glykosid. Es ist also anzunehmen, dab das leieht- spaltbare Glykosid nur nnd in dem Mate wirksam ist, als es Emodin ab- spaltet. Grunds~itzlieh muB man eine Emodinabspaltung aueh fiir das sehwerspaltbare Glykosid annehmen, woraus m it grol~er Wahrseheinlieh-

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14 W. ST~AUB u n d E. TR1ENDL:

keit folgt, dab der eigentlieh wirksame Stoff in allen Sennaglykosiden das freie Emodin ist. Wenn aneh das schwerspaltbare Glykosid in vitro reehs resistent gegen Spaltung ist, so finder es doeh im Organismus geeignete MSgliehkeit der fermentativen Spaltung, wie E. T r i end l gezeigt hat 4.

Wenn das Emodin der eigentlich_ wirksame Stoff der Folia Sennae ist, so ist zu erwarten, dab es atteh tier wirksamste ist, d. h. mit niedrigstem Schwellenwert wirkt. Um dies zu pro'fen, wnrde die untere Grenze der Ver- diinnung der Sennastoffe ermittelt, die bei direkter Durehleitung dureh den Dickdarm noeh wirksam ist. Sehickt man dureh den arbeitendenDick- darm aus der Dewarflasehe start Leitungswasser* EmodinlSsungen (Abb. 11) verschiedener Konzentr~tion, so lgBt sich ein Grenzwert ermitteln. Wit fanden ihn bei 0,00001 ~o Emodin.

Die Wirkung besteht nur so lange, als die LSsung die Darmwand besptilt. Wechselt man die EmodinlSsung wieder gegen Leitungswasser aus, so tritt naeh kurzer Zeit (etwa 30 Minuten) wieder normale T~tigkeit auf. Das Spiel kann wiederholt werden. Die Emodinwirkung am Dickdarm ist also grundsiitzlieh reversibel.

Die in gleieher Weise ermittelten Grenzkonzentrationen fiir die Gly- koside sind hSher. Ftir das sehwerspaltbare Glykosid liegt sie bei 0,000 025 }o, fiir das leiehtspaltbare Glykosid bei 0,0009 }~ **

Die Glykoside sind also weniger wirksam wie das Emodin. Berechnet man die Emodinwerte der Grenzkonzentrationen, so ergibt

sieh folgendes:

] Grenzwert derl Grenzwert auf unver~tnderten Emodlngehalt

I Substanz in o/o gereehnet Jn %0

Emodin . . . . . . . . . . . . . . ~ 0,000 01 0,000 01. Schwerspal tbares Glykosid . . . . . . i 0,090 025 0 ,00001 (Leichtsp~l tb~res Glykosid . . . . . . 0 ,0009 i 0,000 02 ) t

t Die Werte ffir das leiehtspaltbare Olykosid fallen wohl nut seheinbar heraus, denn dieses Glykosid, m0gltcherweise eln Komplex, ist noch verunreinigt mit colloiden Stoffen.

D. h. die Glykoside sind nach Ma[3gabe ihres Emodingehaltes wirksam, dann aber ebenso wie das Emodin, was wiedemm die obige Annahme stiitzt - - allerdings nicht beweist - - da[t die Glykoside dutch Emodin- abspaltung wJrksam sJnd.

Die Wasserfrage.

In unserer friiheren Mitteilung (St raub und Tr iendD) ist gefunden worden, da~ bei direkter Durchleitung yon Sennainfus niedriger Konzen- tration dutch den Diekdarm eine Hemmung der Wasserresorption statt- findet. Es wurde die Vermutung ausgesprochen, dab mSglieherweise diese

4 T r i e n d l , E . : N a u n y n - S e h m i e d e b e r g s Arch. 182, 527 (1936). * Ff l r diese Versuche muB das W~sser e n t k a l k t w e r d e n zur V e r m e i d u n g des

Ausfa l lens y o n I t a lk . ** ]Die V e r s u c h s a n o r d n u n g g ib t ke ine v611ig scha r f en Wer te . Der GrSBen-

o r d n u n g n a c h k S n n e n die a n g e g e b e n e n Ms r ioh t ig ge l ten .

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Theorie der Abfiihrwirkung der Folia Senna e und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe. 15

Wirkung an der Abff ihrwirkung beteiligt sein kSnnte, insofern, als sie die Erre ichung des wi rksamen Dehnungsreizes begiinstige.

E in absehliel~endes Urtei l wurde aber zuriiekgestellt his zu dem Zeit- punkt , wo fiber die Wasserbi lanz bei oraler und parentera le r Appl ika t ion zuverl~ssiges Material gebraeht werden konnte. Wir haben deshalb in den al lermeisten unserer je tz t mitgete i l ten Versuehe die Wasserbi lanz ermittel t , indem ia jeder Versuehsperiode die Ausflul3menge und die Durehflul3menge gewogen wurde, und das jeweils im D a r m befindliehe Volumen dureh Aus- saugen ermi t te l t wurde.

Die Messungen ergaben in den sehr zahlreichen Versuehen immer eine geringe H e m m u n g der Wasserresorpt ion, die gleiehzeitig unter Zunahme der motor ischen Sennawirkung auftr i t t . I n der Tabelle sind drei Versuehs- protokolle mitgetei l t .

Yersuehsprotokolle.

26. Ok~ober 1934. Versuch Nr. 17. Oewicht der Katze 4050 g. Intramuskulgre Injektion yon 12,5 mg

S e n n a - E m o d i n .

a) Dickdarm- fSrderung/Std.

! b) Resoriotion/Std. in eeI f l

43,48 1. Std . . . . . . . . ~ 10,62

)- Std. (Injektion) { u) 89,25 �9 " " b) 4,32

k Std. (Wirkung) {i ah~ 157,78 �9 �9 4 , 1 3

14. Mai 1935. Versueh Nr. 53. Ge- .vicht der Katze 3050 g. intramuskul~re Injektion yon schwer - p a l t b a r e m G l y k o s i d , entspreehend

20 nag Emodin.

a) Dlckdarm- f~rderung/Std.

b) Resorption/Std. in ecm

Std. (Injektion) . .

Std . . . . . . . .

Std . . . . . . . .

S~d . . . . . . . .

Std . . . . . . . .

Std. (Wirkung) . .

a) 97,57 b) 9,60

a) 117,27 b) 9,32 a) 91,58 b) 9,39 a) 149,55 b) 9,28 a) 170,09 b) 9,69

a) 214,00 b) 8,63

3. h{ai 1935. Vet'such Nr. 52. Ge- wicht der I4atze 2800 g. lntramuskul~re Injektion von l e i ch t - s p a l t b a r e m Olykos id , entsprechend

etwa 13 mg Emodin.

I a) D i c k d a r m - , f i~rderung]Std. ,:b) Resorption[St& I in ccm

1. Std. (Iajektion) . .

2. Std. (Wirkung) . .

3. Std . . . . . . . . I !

a) 148,36 b) 12,35 a) 262,55 b) 5,0 a) 374,62 b) 5,26

21. Yuni 1935. Versuch Nr. 63. Gewicht der Katze 3080 g 1. [ntravenSse Iniektion yon 0,3 mg

Pbysostygmin, 2. IntravenOse Injektion yon 0,9 mg

Atropin.

a) Dickdarm- fSrdm'ung/Std.

i b) Resorption]Std. [ I n C~LCl

I a) 149,95 1.8td . . . . . . . . . / b) 9,68

2. Std. (Injektion yon [~ a) 211,95 Physostygmin) ] b) 6,30

3. Std. (Injektion yon] a) 173,06 Atropin) / b) 12,74

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16 W. ST~AUB und E. TRIENDL:

Es ist nieht sehr wahrseheinlieh, dal~ diese Verminderung der Wasser- resorption an dem abfiihrenden Effekt der Substanzen merklieh beteiligt ist, dag also das Reso~ptionsvermSgen tier Dickdarmschleimhaut iiber- hanpt weitgehend gest6rt ist. Wit neigen vielmehr zu der Annahme, dab dutch die vermehrte Motorik des Darms allein sehon in unspezifiseher Weise eine geringe Resorptionshemmung auftritt. Diese wird dadureh erhgr~et, dal~ wit die gleichen Resorptionshinderungen bekommen, wenn wit in nicht sennaspezifiseher Weise mit Physostygmin dis Darmperi- staltik anregten, wobei ungefi~hr die gleichen Effekte auftraten (vgl. Versuchsprotokoll Nr. 63).

Wirkt Senna auf den Diinndarm?

Wit haben uns sehr viel Miihe gegeben, eine motorische Sennawirkung am Dihmdarm mit unserer zur Analyse so geeigneten Versuchsanordnung zu studieren - - mit sehr geringem Erfolg. Der Katzendiinndarm ist so muskulSs and so zu tonischen Kontrakturen geneig~, dab nut in ganz wenigen Fgllen ein eindentiger Versueh mSglich war. In solchen Fi~llen haben wit aueh mit grogen Dosen Sennasubstanz keinerlei motorischen Effekt erzielen kSnnen. Naehdem schon Magnus s gezeigt hat, dag in seinen Versuchen mit t~5ntgenbeobachtung des nicht operierten Tieres keine Anderung der Diinndarmzeiten mit Dosen erfolgt, die am Diekdarm roll wirksam sind, ist es recht wahrscheinlieh, dal~ der Diinndarm, min- destens fiir die therapeutisehen Sennadosen, unempfindlich ist. Er resorbiert sic, seiner Bestimmung entspreehend, glatt und reaktionslos, wird abet in seiner Motorik nieht beeinflul~t.

Theorie der Sennawirkung.

Wie experimentell wahrscheinlich gemacht, ist das Emodin die eigent- liehe und endliche wirksame Substanz der Selmadroge. Wenn man yon dem mengenmgl~ig zu vernachlgssigenden freien Emodin der 8enna&oge absieht, sind (lie beiden glykoside die maskierte Form des Emodins. Der Zuckerpaarling also nut der Transporteur, der die leiehte LSslich- keit and Resorbierbarkdt veran]agt. Die Glykoside sind im Diinndarm sehr ldeht resorbierbar, sic werden yon Blur lind Lymphe aufgenommen and kommen - - gewissermai~en yon rtickwgrts - - an den Dickda~m, das Organ ihrer spezifisehen Wirksamkeit. Diese Wanderung ist abet mit viel Verlust verkniipft. Im Bilanzversueh hat H. G e b h a r d t ~ einen solehen yon 75~o Glykosid gefunden fiir das schwerspaltbare Glykosid.

Das ist abet nieht das einzige Sehicksal der Glykoside. Sic werden vielmehr im Kgrper aueh verseift, wie in vitro mit 8alzsgure. Diese Vet seifung ist eine Fermentwirkung. Wie E. T rie ndD fiir das schwerspaltbar(

5 Magnus, Heffter u. Heubner: biandb, d. exper. Pharmakol. -- ~ Geb hardt, It.: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 182, 521 (19~6).

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Theor ie der A b f i i h r w i r k u n g der Fol ia S e n n a e u n d ihrer w i r k s a m e n Inha l t s s to f fe . 17

Glykosid gezeigt hat, ist sie iiberall im KSrper mSglieh, aueh die Sehleimhaut des Diekdarms verseift. Das primgre Verseifungsprodukt ist aber noeh nieht das Emodin = Anthraehinon, denn wie in der Untersuehung yon W. S t r a u b und H. G e b h a r d t 3 gezeigt wurde, sind die Glykoside Anthra- n0lglykoside. Das abgespaltene Anthranol wird dutch einen sekundgren Oxydationsprozeg, der naeh E. T r i e ndl ~ im KSrper wiedermn auf Fennen- tationswege verlguft, in die endliche Anthrachinon-Emodinform vet- wandelt.

Der oben angegebene Verlust yon 75~o Glykosid dureh ZerstSrung ist noeh nicht der letzte. Denn aueh im Ham erseheinen noeh 22 ~o Glykosid. Die zu Verlust fiihrenden Prozesse der ZerstSrung und Ausseheidung ver- laufen mehr oder weniger gleiehzeitig mit der Wirknng. Wenn dieser Umstand aueh nieht erlaubt, eine Kalkulation des am Diekdarm wirksamen Anteils aufzustellen, so ist doeh evident, dab dem Diekdarm nut ein ganz kleiner Anteil des eingefiihrten Glykosids zur Yerftigung steht. Diese ehemisehen Befunde sehliegen sieh gut an die pharmakologisehe Tatsaehe an, dal~ veto Darmlumen aus sehon hSehst verdiinnte Glykosid- und Emodin- 15sungen maximal wirksam sind. Die zeitraubenden ehemisehen Prozesse erklgren die bei jeder Art der Einverleibung - - selbst der intravenSsen - - &uftretende Latenz der Wirkung, die jetzt heigt: Das eigentlieh wirksame Emodin mug erst hergestellt werden. Dabei mug vorerst noeh often bleiben, ob die zur Wirkung fiihrende Emodinfabrikation in der Diekdarm- wand vor sieh geht oder vor dieser im KSrper.

Praktisehe Folgerungen.

Praktiseh kann man mit Folia Sennae je naeh der Dosierung alle Grade Yon Abfiihrwirkung herbeifiihren, yon der ,,gelinden ekkopro- tisehen" Wirkung mit 1,0--2,0 g und 10stiindiger Latenz his zur dra- stisehen mit 5,0--10,0 g. Letztere maeht Koliksehmerzen und ein paar Stunden Latenz. Die milden Wirkungen sind die interessanteren; es sind diejenigen, die zur Stuhlregelung brauchbar sind, jene Wirkungen, die im Tageszyklus dahin verwertbar sind, dag sie abends gegeben, am anderen Morgen den Effekt der zwangsweisen Defgkation bringen. Von den ein- zelnen Sennasubstanzen ist nach der gegebenen pharmakologisehen Analyse zur Herbeifiihrung einer Stuhlregelung ohne weiteres das sehwerspaltbare Glykosid geeignet, wi~hrend das Emodin und das leichtspaltbare Glykosid geeignet sind, die Wirkung zu stSren. Gibt man die Desert zu solehen Zweeken einer milden Wirkung, so wird in ihnen das freie Emodin und das aus dem leiehtspaltbaren Glykosid entstehende Emodin zur Wirkung kommen. Diese Wirkung wird raseh eintreten. Die relativen Mengen dieser Stoffe im Infus sind zur Abfiihrwirkung zu gering, sic kSnnen aber die Koliksehmerzen hervorrufen, die im Laufe einer Sennabehandlung lange vor der Endwirkung auftreten. Sennainfus als Drastikum mug in vie] grSl~eren Desert gegeben werden. Dabei wird eine entspreehend grSgere

Arehiv f. experiment. Path. u. Pharmakol. Bd. 185. 2

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18 w. Sm~AUB und E. T~Eh'DL :

iVlenge Emodin zur rasehen Wirkung kommen mit sehr merklichen Kolik- schmerzen. Die Wirkung des schwerspaltbEren Glykosids wird dEnn spiiter ebenfElls zu seiner Zeit nEchkommen und mit grSl3erer Intensi tgt , Ms erwiinseht ist.

Es ist interessEnt, dab die Volksempirie schon 1ange eine besonders sehonend wirkende Ar t der Sennazuberei tung gefunden her. Es besteht bekanntl ich ' die alte Vorschrift, die fiir eine milde 8ennawirkung nStige Blat tmenge mit ka l tem Wasser den Tag iiber stehen zu lessen, dann zu filtrieren und des Fi l t ra t einzunehmen. Der Sinn ist der : Das 8ennEmazerEt ist sEuer (pu 5,8), in kurzem wird in ihm des leiehtspaltbare Glykosid ge- spMten. DEs freie Emodin ist unlSslich, geht vielleieht Eus dem B1Ett get nieht heraus, und das Fi l t ra t enthglt blog des in reizloser Weise wirk- seine sehwerspaltbEre Glykosid.

Auch die 8ennadroge geh/Srt nicht zu den unfehlbaren Mitteln. Es gibt VersEger, we die iibliehen Dosen unwirksEm sind, nnd gesteigerte die Wirkung nut mit Koliksehmerzen zuwege bringen. Es ist wohl anzu- llehmen, dEg solehe Versager in einem individuellen UnvennSgen begri indet sind, die ehemisehe Arbeit am sehwerspMtbaren Glykosid wghrend der Latenz der Wirkung riehtig zu leisten.

Anhang. Emodinwirkungen.

Es hat sich in diesen Untersuchungen herausgestellt, dab die Bindung des Anthranols art Zueker nut die Bedeutnng der 8chaffung eines Transportmittels hat. WirksaIa wird das Anthranol erst, wenn es im Stoffweehsel seinen Vorspann wieder losgeworden und oxydiert worden ist.

Warum ist abet das freie Emodin praktiseh nicht brauchbar? Dae ist eine Frage, die aueh liar die Problematik anderer niehtglykosidischer Abf0.hrmittel aus dieser Gruppe yon Bedentung sein kann.

Zungehst spielen L6sliohkeitsfragen eine Rolle Senna-Emodin ist in Wasser kaum 15slieh. Auch seine AlkJiverbindung ist noeh sehwer ]~slieh. Fiihrt man es ale festes Pulver innerlich zu, so mug es sehon welt vorw'~rts im Darm gelangt sein, bis es auf eine genti_gende Alkalimenge st61]t. Abet aueh dann istes sehr schwer, es in ausreichender Weise zu liSsen, denn aueh das Natriumsalz f~illt aus der kon- zentrierten L6sung wieder aus und 1/Sst sieh eret in einer gT613eren IV[enge Wasser. In dieser Richtung wurden einige Versuehe an Mgusen angestellt, die bekanntlieh ft~r die Priifung yen Senngwirkung gut brauehbare Tiere sind.

1. Aufschwemmung yon Emodin in Wasser; Wirksamkeit: 5 rag/20 g Maus. 2. lgmodin verriebm~ in 32/oigem 8t~irkekleister; Wirksamkeit: 1.2mg/20g

Maus (= 0,4 ecru). 3. Emodin, ge16st in t %iger Sod~; Wirks~mkeit : t,0 rag'/20 g Mgus (= 0,4 ecru). 4. Emodinnatrium in 3%igem StgrkeMeieter; Wirks~mkeit: 0,4mg/20g

Maus (= 0,4 eem). 5. 3~ Stgrkekleister: unwirksam. 6. 1 ~ Sodal6sung: unwirksam. D. h., wenn man mit, Hilfe dee natCirliehen Darmalkalis die wirksame Dosis

appliziert, so ist diese fth" gepulvertes Emodin 0,005 g/20 g Maus, Erh6htmg der Alkaleszenz auf 1 ~) drtickt die 1)osis aug den fiinften Tell. Aber soviel Alkali ist

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Theorie der ~bs der Folia Sennae und ihrer wirksamen Inhaltsstoffe. 19

im Darm nieht vorhanden. Neben der Alkalifrage spielt auch die Verteilung eine Belle. Zusatz yon St~irkekleister se?Jeint in dem Sinne zu wirken, denn die wirk- same Dosis sinkt auf ein Viertel.

In Versuehen am Mensehen hat sieh ergeben, dal3 300 mg unwirksam waren. Dieselbe Menge in 3 ~ Soda gelSst hatte abet sehon nach 1 Stunde allers~grkste Wirkung unter starken Xoliksehmerzen, Breehen, fiir mehrere Stunden, woraus man sehlieBen mug, dag das ireie Emodin zwar wirksam sein kann, abet in ganz ~mbereehenbarer Weise, also praktiseh ein grebes Risiko enthfilt.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

1. Die Resorption der wirksamen Bestandteile der Folia Sennae bei ,oraler Einverleibung erfolgt auf dem Blutwege veto Diinndarm aus.

2. Die Senuasubstanzen sind aueh parenteral, intramuskular und intraveniSs wirksam.

3. Zwiselten Einverleibung und Wirkung am Diekdarm besteht je naeh der Na~ur der Substanz eine Latenzzeit yon 8 Stunden bis 30 Minuten.

~. Wghrend der Latenzzeit gehen ehemisehe Vergnderungen mit den Glykosiden vet sieh, eine fermentative Abspaltung des Anthranols und eine Oxydation dieses zu Anthraehinon.

5. Mit Wahrseheinliehkeit ist das Anthraehinon die eigentlieh wirk- same Substanz.

6. Die genuine Glykosidform ist insofern yon Bedeutung, als in Gly- kosidform das Anthraehinon leieht 1/islieh, gleiehmgl3ig, sieher und wider- standslos resorbierbar wird.

7. Die reine Sennawirkung am Diekdarm ist eine Steigerung der Peristaltik, ohne Einflul3 auf die Pendelbewegungen. Sie wird in sieherer Art dutch das schwerspaltbare Glykosid erreieht.

8. Wghrend der Sennawirkung ist die Wasserresorption im Diekdarm etwas gehemmt, diese Wirkung seheint ~ber keine spezifisehe Senna- wirkung zu sein.

9. Das leiehtspattbare Glykosid und das Emodin bewirken neben der Peristaltikanregung Absehwgehung his Aufhebung der Pendelbewegungen und Steigerung des Tonus, bei Uberdosierung Kr~impfe und Erbrechen.

10. Zur Erzielung einer Stuhlregelung mit langer Latenz ist das sehwerspaltbare Glykosid allein geeignet.