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Therapie von kranio- mandibulären Dysfunktionen Daniel R. Reißmann Zahnmedizin up2date 2 · 2017 Kraniomandibuläre Dysfunktion 5 DOI: 10.1055/s-0042-116618 Zahnmedizin up2date 2017; 11 (2): 179201 ISSN 1865-0457 © 2017 Georg Thieme Verlag KG Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Therapie von kranio- mandibulären Dysfunktionen...unter substanziellen Einschränkungen der Lebensqualität, angefangen bei reinem Kiefergelenkknacken bis hin zu starken Schmerzen

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Page 1: Therapie von kranio- mandibulären Dysfunktionen...unter substanziellen Einschränkungen der Lebensqualität, angefangen bei reinem Kiefergelenkknacken bis hin zu starken Schmerzen

Therapie von kranio-mandibulären Dysfunktionen

Daniel R. Reißmann

Zahnmedizin up2date

2 · 2017

Kraniomandibuläre Dysfunktion 5

DOI: 10.1055/s-0042-116618

Zahnmedizin up2date 2017; 11 (2): 179–201

ISSN 1865-0457

© 2017 Georg Thieme Verlag KG

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Unter dieser Rubrik sind bereits erschienen:

Untersuchung und Diagnosebildung bei kraniomandibulärenDysfunktionen (CMD) O. Schierz Heft 1/2017

Verbreitung und Ätiologie von kraniomandibulären Dysfunk-tionen (CMD) im Kindes- und Jugendalter C. HirschHeft 6/2016

Zahnärztliche Schienentherapie G. Meyer, H. Schülein,O. Bernhardt Heft 3/2016

Bruxismus: Prävalenz und Risikofaktoren M. OmmerbornHeft 6/2013

Psychosoziale Aspekte bei Bruxismus A. Wolowski, H. RepgesHeft 4/2013

Bruxismus und Implantate D. Manfredini Heft 3/2013

Diagnostik von Bruxismus N. Giannakopoulos, M. SchmitterHeft 2/2013

Physiotherapeutische Untersuchung und Behandlung bei kra-niomandibulärer Dysfunktion M. Sander Heft 1/2013

Untersuchung und Behandlung von Patienten mit Funktions-beschwerden im Kausystem – ein skandinavisches ModellM. Gnauck, M. Helkimo Heft 4/2012

Physikalische Therapie und Schmerzmedikation bei derkraniomandibulären Dysfunktion M. Stiesch, M. Karst, M. FinkHeft 1/2010

Okklusionsschienen und ihre Indikationen I. Peroz Heft 3/2009

Identifikation funktionsgestörter Patienten M. Ahlers,H. Jakstat Heft 2/2008

Registrate in der Funktionslehre S. Reich, T. Reiber Heft 1/2008

Bildgebende CMD‐Diagnostik M. Schmitter Heft 1/2007

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Therapie von kraniomandibulärenDysfunktionen

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Kraniomandibuläre Dysfunktionen sind nach chronischen Rückenschmerzen diezweithäufigste Erkrankung des muskuloskelettalen Systems. Die Betroffenen leidenunter substanziellen Einschränkungen der Lebensqualität, angefangen bei reinemKiefergelenkknacken bis hin zu starken Schmerzen. Die Therapie sollte jedoch nichtnur die Folgen im Blick haben, sondern auch die Ursachen beseitigen –was allerdingsbei kraniomandibulären Dysfunktionen schwierig ist, da die Ursachen vielfältig undoft nur schwer zu diagnostizieren sind.

FALLBEISPIEL 1

Anamnese und Diagnostik

Bei einem 22-jährigen Studenten bestehen seit 2 Wochen akute

Mundöffnungsbehinderungen. Er hat starke Ängste, denMund nicht

mehr öffnen zu können. Auf Nachfrage gibt er an, früher Knacken im

Kiefergelenk verspürt zu haben, das jedoch seit 2Wochennichtmehr

besteht. In der klinischen Untersuchung imponiert neben der gerin-

gen Mundöffnung ein elastisches Endgefühl bei der passiven Deh-

nung, welches mit Schmerzen verbunden ist. Als Verdachtsdiagnose

wird anteriore Diskusverlagerung ohne Reposition mit limitierter

Mundöffnung gestellt.

Therapie und Prognose

Durch umfassende Aufklärungmit einer Zeichnung zur Visualisie-

rung des Kiefergelenks und Darstellung der positiven Prognose kön-

nen dem Patienten die Ängste genommen werden. In der Physio-

therapie erfolgt manuelle Therapie und Krankengymnastik unter

Kryotherapie. Auch werden Übungen für zu Hause verordnet. Bereits

nach 2Wochen stellt sich eine Besserung ein, nach 3 Monaten ist die

Mundöffnung kaummehr beeinträchtigt.

▶ Tab. 1 Begriffsbestimmung der kraniomandibulären Dysfunktion undderen Synonyme.

Begriff Abkürzung

kraniomandibuläre Dysfunktion CMD

Temporomandibular Disorders TMD

Myoarthropathie des Kausystems MAP

Schmerz-Dysfunktions-Syndrom (veraltet)

Costen-Syndrom (veraltet)

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Einleitung

Definition und Bedeutung

Die kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD; ▶ Tab. 1) istein Sammelbegriff für eine heterogene Gruppe von Er-krankungen der Kiefergelenke, der Kaumuskulatur undder umgebenden Strukturen [1,2] (▶ Abb. 1). Die Kardi-nalsymptome von CMD sind:▪ Schmerzen▪ Kiefergelenkgeräusche▪ Funktionseinschränkungen

Die Häufigkeit (Prävalenz) von CMD-Schmerzen in der All-gemeinbevölkerung liegt bei etwa 10% und die jährlicheNeuerkrankungsrate (Inzidenz) bei 3% [3]. Die Patientensind bis zu 80% weiblich [4].

Ursachen und Risikofaktoren

Häufig werden Ursachen und Risikofaktoren einer Erkran-kung mit Faktoren gleichgesetzt, die Teil der Behandlungsind und die Prognose einer Erkrankung bestimmen. Dieskann zu Verwirrung führen und erklärt die zum Teil gro-ßen Unterschiede in bestehenden Behandlungskonzep-ten. Risikofaktoren beziehen sich konkret auf die Ätiolo-gie einer Erkrankung und sind daher primär für präven-tive Strategien relevant. Die Ätiologie von CMD ist multi-faktoriell (▶ Tab. 2).

Die einzelnen Faktoren sind im Sinne eines dynamischenModells unterschiedlich stark an der Prädisposition, derAuslösung und dem Erhalt der CMD beteiligt. Währendfrüher den anatomischen Faktoren – Okklusion und Ana-tomie der Kiefergelenke – eine sehr große Bedeutungbeigemessen wurde, ist diese Annahme in den letztenJahrzehnten zunehmend zurückgedrängt geworden. Ak-

179n DR. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179–201

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Kopfschmerz/„Migräne“ Ohrenschmerz

Gesichtsschmerz/

Gelenkschmerz/

Gelenksymptome

Augenschmerz

Nackenschmerz/

Schulterschmerz/

Halsschmerz

Schmerzen im Mund

Schläfen

Hinterkopf

Stirn

Tinnitus

Hörstörung

Schwindel

Schmerzen in

Wangenregion

Schmerzen im Gelenk

Schmerzen bei Bewegung

eingeschränkte Bewegung

eingeschränkte Funktion

Gelenkknacken

Gelenkreiben

Gelenkblockade

Sehstörung

Doppelbilder

Sprachstörungen

Zahnschmerzen

Hypersensibilität

der Zähne

▶ Abb. 1 Schematische Darstellung von Symptomen und klinischen Befunden, die bei CMD auftreten können [5].

▶ Tab. 2 Ätiologische Faktoren für CMD (Auswahl).

Bereich Faktor

anatomisch ▪ Kiefergelenkmorphologie▪ generelle Gelenkhypermobilität▪ Okklusion

neuromuskulär ▪ Bruxismus▪ Trauma

psychosozial ▪ Depression▪ Somatisierung▪ Stress▪ Angst▪ andere Schmerzen

DEFINITION

Prävention

▪ Primärprävention setzt beim primär Gesunden an

und soll die Entstehung von Krankheiten verhin-

dern.

▪ Sekundärprävention kommt im Sinne der Früh-

erkennung beim Erkrankten zum Einsatz, um früh-

zeitig Fortschreiten und Progredienz einer Erkran-

kung zu vermeiden.

▪ Tertiärprävention soll beim fortgeschrittenen

(chronisch) Erkrankten Komplikationen verhindern

und beim Genesenen eine erneute Erkrankung ab-

wenden.

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tuelle biopsychosoziale Modelle von CMD gehen ehervon einem dominanten psychosozialen Faktor aus. DieseVeränderung von einer mechanistischen Denkweise hinzu einem personalisierten Ansatz sollte sich auch in derBehandlung von CMD niederschlagen [6].

Aufgrund der multifaktoriellen Natur der Ätiologie vonCMD ist bisher keine Primärpräventionmöglich. Ein Wis-sen um die Risikofaktoren ist aber dennoch für eine Ter-tiärprävention wichtig, um die Schwere und Dauer vonbereits manifestierter CMD zu reduzieren bzw. nach er-folgreicher Behandlung ein erneutes Auftreten von CMDzu verhindern.

Reißmann DR

Ein häufiges Missverständnis hinsichtlich Ätiologie undBehandlung besteht bei der Okklusion. Auch wenn vieleAspekte der Okklusion in Studien als Risikofaktoren auf-tauchen, so sind die Ergebnisse nicht eindeutig und kei-ner der Faktoren konnte in der Mehrzahl der Studien be-stätigt werden [7].

Auch wenn eine Änderung der Okklusion mit Schienenoft zu einer Verbesserung von CMD-Schmerzen führt, istdies kein Nachweis für okklusale Faktoren als Risikofaktorfür CMD und rechtfertigt keine definitiven okklusalenVeränderungen rein zur Prävention von CMD.

. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179–201

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ZUSATZINFO

Potenzielle okklusale Risikofaktoren

▪ fehlender Kontakt im Molarengebiet

▪ einseitige Kontakte in retraler Unterkieferposition

▪Overbite von ≥ 5mm

▪ offener Biss

▪Overjet von ≥ 5mm

▪ Angle-Klasse II (Distalokklusion)

▪ Kreuzbiss im Seitenzahngebiet

▪ Balancekontakte

▪ fehlende Eckzahnführung

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MerkeOkklusion spielt in der Ätiologie von CMD eine eheruntergeordnete Rolle.

Screening

Ein klassisches Screening im Sinne einer Früherkennung,bevor eigentliche Zeichen der Erkrankung sichtbar sind,ist bei CMD nicht möglich. Dennoch haben sich vieleKurzbefunde etabliert, deren Gemeinsamkeit darin be-steht, mit möglichst wenigen Fragen oder Tests heraus-zufinden, ob eine behandlungsbedürftige CMD vorliegt,die eine weitere und umfassende Diagnostik rechtfertigt.Geht man davon aus, dass insbesondere Schmerzen ei-nen Behandlungsbedarf auslösen [8] und auch die stärks-te Beeinträchtigung der Lebensqualität darstellen [9], sosollte ein wirksames Screening-Instrument mit hoher Si-cherheit das Vorhandensein von CMD-Schmerzen vorher-sagen können. Es hat sich herausgestellt, dass eine einzel-ne Frage diese Anforderungen optimal erfüllt:

PRAXISTIPP

Frage zum CMD-Screening:

„Haben Sie Schmerzen in der rechten Gesichtshälfte,

in der linken oder in beiden?“

ZUSATZINFO

Adressen im Internet

http://www.dgfdt.de

http://www.dentaconcept.de

http://www.rdc-tmdinternational.org

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Damit lassen sich bei minimalem Aufwand und hoherSensitivität (98,4%) sowie Spezifität (97,3%) die Patien-ten sicher identifizieren, bei denen CMD-Schmerzen vor-liegen [10]. Diese Frage eignet sich auch für den täg-lichen klinischen Alltag zum Ausschluss behandlungs-bedürftiger CMD vor umfangreichen prothetischen Res-taurationen oder vor kieferorthopädischer Behandlung.

Reißmann DR. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179

Diagnostik

Der Standard in der Diagnostik von CMD sollte sowohleine klinische Befundung des Kausystems als auch die Er-hebung psychosozialer Aspekte wie die Chronifizierungvon Schmerzen umfassen. Insbesondere bei chronischenund dysfunktionalen Schmerzen sind darüber hinaus dieAusmaße folgender Punkte relevant:▪ depressive Verstimmung▪ unspezifische Beschwerden (Somatisierung)▪ Angstneigung

MerkeSollten sich bei den psychosozialen Aspekten signi-fikant erhöhte Werte herausstellen, ist die Wahr-scheinlichkeit eines Behandlungserfolgs mit reinsomatischen Therapien unwahrscheinlich.

In diesem Fall sollte ein interdisziplinärer Therapieansatzunter Einbeziehung von Schmerztherapeuten oder Psy-chotherapeuten gewählt werden.

Die klinische Befundung des Kausystems im Sinne einerklinischen Funktionsanalyse sollte standardisiert erfol-gen und umfassend dokumentiert werden. Dazu stehenverschiedene Untersuchungsbögen zur Verfügung. InDeutschland am meisten verbreitet sind die frei verfüg-baren Bögen der Deutschen Gesellschaft für Funktions-diagnostik und ‑therapie (DGFDT) sowie die kommerziel-len Bögen von dentaConcept. International und in derWissenschaft ist der Standard für die klinische Funktions-analyse das Untersuchungsprotokoll des InternationalRDC‑TMD Consortium (▶ Tab. 3). Der entscheidendeVorteil dabei ist, dass Studienergebnisse direkt in die kli-nische Behandlung übertragen werden können und dassdas RDC‑TMD-Untersuchungsprotokoll einen Algorith-mus für die Stellung der Diagnosen beinhaltet, dessenValidität sehr gut untersucht ist.

Eine Weiterentwicklung stellt die kürzlich vorgestellteDC/TMD (Diagnostic Criteria for TemporomandibularDisorders, ▶ Tab. 3) dar [11]. Hier konnten die diagnosti-schen Eigenschaften noch einmal deutlich verbessertwerden. Die deutsche Version ist aktuell in Arbeit undwird zeitnah veröffentlicht werden.

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▶ Tab. 3 Standardisierte CMD-Diagnosen.

Hauptgruppe RDC/TMD-Diagnosen DC/TMD-Diagnosen (Auswahl) mit ICD-10-Code*

Muskulatur Muskelschmerz:

▪ myofaszialer Schmerz ohne limitierte Mundöffnung▪ myofaszialer Schmerz mit limitierter Mundöffnung

Muskelschmerz:

▪ Myalgie (ICD-10 M79.1)– lokale Myalgie– myofaszialer Schmerz– myofaszialer Schmerz mit Schmerzübertragung

Kiefergelenk Diskusverlagerungen:

▪ Diskusverlagerungmit Reposition▪ Diskusverlagerung ohne Reposition mit limitierter

Mundöffnung▪ Diskusverlagerung ohne Reposition ohne limitierte

MundöffnungKiefergelenkschmerz und degenerative Veränderungen:

▪ Arthralgie▪ Osteoarthritis des Kiefergelenks▪ Osteoarthrose des Kiefergelenks

Kiefergelenkschmerz:

▪ Arthralgie (ICD-10 M26.62)Diskusverlagerungen:

▪ Diskusverlagerung mit Reposition (ICD-10 M26.63)▪ Diskusverlagerung mit Reposition mit intermittierender

Kieferklemme (ICD-10 M26.63)▪ Diskusverlagerung ohne Reposition mit eingeschränkter

Mundöffnung (ICD-10 M26.63)▪ Diskusverlagerung ohne Reposition mit eingeschränkter

Mundöffnung (ICD-10 M26.63)Strukturveränderungen:

▪ degenerative Gelenkerkrankung (ICD-10 M19.91)Hypermobilitätsstörung:

▪ Subluxation (ICD-10 SO3.OXXA)

andere Schmerzen – Kopfschmerz:

▪ Kopfschmerzen zurückzuführen auf CMD (ICD-10 G44.89)

* ICD-10: International Classification of Diseases in der 10. Revision

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Grundsätzlich ist allen klinischen Untersuchungsverfah-ren gemein, dass Schmerzdiagnosen mit guter Sensitivi-tät und Spezifität gestellt werden können. Im Gegensatzdazu sind bei strukturellen Diagnosen wie Diskusverlage-rungen bei rein klinischer Untersuchung hohe Unsicher-heiten mit den Diagnosen verbunden; bei hoher Spezifi-tät ist die Sensitivität unzureichend. Dies bedeutet, dasseine positive Diagnose mit hoher Wahrscheinlichkeitdem wahren Zustand entspricht, eine negative Diagnoseaber eine sehr begrenzte Aussagekraft hat. Daher gilt:

MerkeWenn im individuellen Fall eine strukturelle Diagnosesichergestellt oder ausgeschlossen werden muss,sollte eine weiterführende bildgebende Diagnostikerfolgen.

Da sich in den meisten Fällen bei rein strukturellen Diag-nosen wie Diskusverlagerungen aber keine therapeuti-schen Konsequenzen anschließen, ist die Notwendigkeiteiner bildgebenden Diagnostik bei CMD stark begrenzt.Der Nutzen einer erweiterten Diagnostik mit instrumen-tellen Verfahren ist umstritten.

Behandlungsstrategie

Für die Behandlung von CMD stehen viele Therapieoptio-nen zur Verfügung [12], was unter Umständen verwir-rend sein kann. Nicht alle Therapieoptionen können hier

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umfassend dargestellt werden. Dafür gibt es viel zu vieleund etliche sind wissenschaftlich nicht ausreichend be-legt (z. B. Akupunktur). Daher werden hier nur die ambesten untersuchten und am häufigsten angewendetenOptionen vorgestellt. Dies soll Ihnen helfen, ein für Siepraktikables Praxiskonzept zu entwickeln.

Die Behandlung von Patienten mit CMD sollte einemKonzept folgen (▶ Tab. 4), das folgende Kriterien erfüllt:▪ orientiert sich an der wissenschaftlichen Evidenz▪ bezieht die persönlichen Qualifikationen und Möglich-

keiten ein▪ ist in der Praxis gut umsetzbar

Am Anfang der CMD-Behandlung steht nach Anamneseund klinischer Untersuchung mit Diagnosestellung dieInitialtherapie. Das wichtigste Ziel der Initialtherapie istdie Schmerzreduktion zur Vermeidung einer Chronifizie-rung des Schmerzes und der Entwicklung von dysfunktio-nalem Schmerz, der einer rein somatischen Behandlungnur noch schwer zugänglich ist.

Als Therapieprinzip für die Initialtherapie gilt, dass dieseminimalinvasiv und möglichst ursachenbezogen erfol-gen soll. Minimalinvasiv bezieht sich dabei in erster Linieauf eine Reversibilität der Behandlung. PharmakologischeTherapien oder Verhaltensänderungen innerhalb desSelbstmanagements können dabei als weitgehend rever-sibel bezeichnet werden.

. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179–201

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▶ Tab. 5 Grundlegende Aspekte von Aufklärung und Selbstmanagement.

Bereich Inhalt

Aufklärung umfassende Aufklärung über die Diagnose, diemöglichen Ursachen und die zu erwartendenFolgen

Präventionskonzepte Darstellung von Möglichkeiten zurVermeidung der Beschwerden

Therapiekonzepte Erläuterung von Aspekten des Selbstmanage-ments, um besser mit den Beschwerdenumgehen zu können

▶ Tab. 4 Stufenkonzept zur Behandlung von CMD.

Stufe Inhalt

Initialtherapie(erste Sitzung)

▪ Aufklärung▪ Selbstmanagement▪ Schmerzmedikation

Therapie-erweiterung und‑modifikation

▪ Physiotherapie▪ Schienentherapie▪ Pharmakotherapie

(z.B. Muskelrelaxanzien)▪ Verhaltenstherapie

weiterführendeTherapie(in seltenen Fällen)

▪ definitive Okklusions-änderungen

▪ Kieferchirurgie

DEFINITION

Chronische und dysfunktionale Schmerzen

Als chronische Schmerzen versteht man in der Regel

Schmerzen, die länger als 3–6 Monate vorliegen. Es

kann dabei zu einem „Schmerzgedächtnis“ kommen,

d. h. die Schmerzen können losgelöst von einer Er-

krankung existieren.

Bei dysfunktionalen Schmerzen handelt es sich um

chronische Schmerzen, bei denen der Schmerz seine

Signalfunktion weitgehend verloren hat und eine

starke psychosoziale Komponente mit einem hohen

Maß an schmerzbedingten Beeinträchtigungen vor-

liegt.

ZUSATZINFO

Vorteile von Aufklärung und Selbstmanagement

▪ einfach einzuführen und kostengünstig

▪ effektiv bei Schmerzreduktion und Verbesserung

der Funktionalität

▪ erleichtert gute Arzt-Patienten-Kommunikation,

verbessert Patienten-Compliance

▪ Patienten lernen selbstständig, ihre Beschwerden

zu bewältigen

▪ gibt den Beschwerden Zeit, um sich von alleine zu

lösen

▪ erlaubt Zahnarzt, Patienten-Compliance zu

bewerten

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Individuelle potenziell krankheitsauslösende Aspektesollten im Rahmen der Initialtherapie angesprochen wer-den. Darauf aufbauend muss der Arzt mit dem Patienteneine Strategie erarbeiten. Durch einen starken Fokus aufAufklärung und Selbstmanagement bestehen wesentli-che Vorteile.

MerkeDaher sollte der Ansatz der Aufklärung und desSelbstmanagements verfolgt werden, noch bevorüberhaupt andere Therapievarianten wie Schienenin Betracht gezogen werden.

Welche Therapieoptionen im individuellen Patientenfallausgewählt werden, hängt von der Diagnose (physischund psychosozial) sowie dem Verlauf der Beschwerdenab. Darauf wird bei den einzelnen Therapieoptionen nä-her eingegangen.

Reißmann DR. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179

Aufklärung und Selbstmanagement

Ein wesentlicher erster Schritt in einer patientenzentrier-ten Herangehensweise bei CMD ist das ärztliche Ge-spräch, das sowohl die wissenschaftliche Evidenz als auchdie spezifische Situation des Patienten einbezieht(▶ Tab. 5). Dabei wird schnell klar, dass dies nur gelingenkann, wenn auch bereits in der Diagnostik der Fokus nichtprimär nur auf der Erfassung von objektiven Befundenwie strukturellen Veränderungen der Kiefergelenke oderDruckdolenzen bestand, sondern das Befinden des Pa-tienten und die psychosozialen Begleitumstände miteinbezogen wurden.

Aufklärung

Die Bedeutung der Aufklärung ist nicht zu unterschätzen.Viele Patienten erscheinen mit Ängsten und unrealisti-schen Erwartungen und Befürchtungen hinsichtlich ihrerErkrankung. Dies ist zum Teil verständlich. Das Kieferge-lenk befindet sich zentral am Kopf. Die Geräusche wer-den über die Knochenleitung sehr gut ins Ohr weiterge-leitet und damit deutlich stärker wahrgenommen als von

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ZUSATZINFO

Wichtige Präventionsaspekte bei der Aufklärung

▪ Zusammenstellung einer schmerzfreien Ernährung

mit beidseitigem Kauen

▪ Identifikation und Kontrolle von Gewohnheiten

(Habits)

▪ Training der Ruhelage des Unterkiefers: Zunge an

den Gaumen, Zähne auseinander und entspannte

Kaumuskulatur

▪ Unterkiefer nicht auf der Hand abstützen

▪ Schlafposition ohne Druck auf Kiefer

▪ unkontrollierte Mundöffnung vermeiden

▪ Vermeidung von Koffein, Alkohol, Nikotin und

sonstigen Stimulanzien

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außenstehenden Personen. Der Mund ist nicht nur für dieKommunikation essenziell, sondern auch für die Nah-rungsaufnahme. Und die Lokalisation von Schmerzen inden Kiefergelenken und der Kaumuskulatur ist häufigschwer von Schmerzen im Bereich der Ohren oder vonKopfschmerzen abzugrenzen. Daher haben diese Symp-tome für die Patienten häufig einen deutlich höherenStellenwert als z.B. Gelenkgeräusche oder Schmerzenim Knie oder anderen peripheren Gelenken.

MerkeEin zentraler Punkt bei der Aufklärung der Patientensollte auf deren bestehende Ängste gelegt werden.

Gerade bei Kiefergelenkgeräuschen, insbesondere Kna-cken, bestehen oft große Ängste, dass der Mund irgend-wann nicht mehr komplett geöffnet werden kann unddass Schmerzen auftreten werden. Doch dafür gibt eswissenschaftlich keinen Nachweis.

MerkeKiefergelenkgeräusche sind kein Risikofaktor fürarthrogene Schmerzen [13].

Auch die immer noch weit verbreitete traditionelle An-nahme, dass mit der Zeit eine Progression der intraartiku-lären Erkrankungen von der Diskusverlagerung mit Repo-sition zur Diskusverlagerung ohne Reposition und hin zuverschiedenen Stadien der degenerativen Gelenkerkran-kungen wie Osteoarthrose der Kiefergelenke stattfindet[14–16], ist nicht belegt. Im Gegenteil, strukturelle Ver-änderungen der Kiefergelenke sind über die Zeit relativstabil und Veränderungen können sowohl hin zu schlech-teren als auch zu besseren Zuständen beobachtet wer-den [17].

Dies erklärt auch, warum reines Kiefergelenkknacken alsZeichen einer Diskusverlagerung mit Reposition heut-zutage in den meisten Fällen als nicht behandlungs-bedürftig eingeschätzt wird. Dabei hat es sich auch alssehr hilfreich erwiesen, den betroffenen Personen die Ur-sachen der Geräusche anschaulich zu erklären. Wennman weiß, warum es knackt, können Ängste und Be-fürchtungen relativ einfach deutlich reduziert werden.

PRAXISTIPP

Manmuss sich als behandelnder Arzt immer vor

Augen führen, dass die Patienten zwar Experten ihrer

eigenen Situation sind, aber von Anatomie und Funk-

tion der Kiefergelenke wenig bis keine Ahnung haben.

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Was jedoch auch nicht verwunderlich ist: Wenn man diePatienten in die Lage versetzt, ihre Beschwerden besserzu verstehen und realistisch zu bewerten, ist häufig derwichtigste Schritt in der Behandlung schon getan. Bei Pa-tienten mit reinem Kiefergelenkknacken reicht daherhäufig die Aufklärung schon aus, um die vorher empfun-dene Krankheitslast so weit zu reduzieren, dass kein wei-terer Behandlungsbedarf besteht.

Bei Schmerzen und Funktionseinschränkungen liegt derHauptfokus des Arztes darauf, die Patienten über diegute Prognose bei einer adäquaten Behandlung auf-zuklären und zu betonen, wie wichtig die Mitwirkungder Patienten im Rahmen der Therapie ist.

Prävention

Ziel der Prävention ist die Reduktion der auslösendenFaktoren. Auch wenn Patienten in der Regel versuchen,solche Verhaltensweisen zu umgehen, die mit Schmerzenassoziiert sind, ist dies häufig nicht ausreichend. Die Zu-sammenhänge zwischen diversen Verhaltensweisen undSchmerzen sind nicht bekannt und können durch die zeit-liche Verzögerung von den Patienten oft nicht erkanntwerden. Bei der Aufklärung hinsichtlich der Vermeidungvon Beschwerden haben sich mehrere Aspekte als beson-ders hilfreich herausgestellt:

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Konkret bedeutet dies: Mit den Patienten wird geklärt,dass sie für einen Zeitraum von etwa 2 Wochen auf harteund lang zu kauende Nahrungsmittel verzichten sollten.Gleichzeitig sollte möglichst beidseitig gekaut werden,um eine physiologische Belastung beider Kiefergelenkeund der Kaumuskulatur zu erreichen.

CaveHäufig wird extra die schmerzhafte Seite beim Kauenvermieden, was aber wiederum zu einer erhöhtenBelastung des entsprechenden Kiefergelenks führenkann.

. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179–201

Page 9: Therapie von kranio- mandibulären Dysfunktionen...unter substanziellen Einschränkungen der Lebensqualität, angefangen bei reinem Kiefergelenkknacken bis hin zu starken Schmerzen

DEFINITION

Schlafzyklus

Ein Schlafzyklus, also das Durchlaufen aller Schlafpha-

sen, dauert ca. 90 Minuten, sodass die Schlafphasen

mehrfach in einer Nacht durchlaufen werden.

DEFINITION

Schlafbruxismus

Schlafbruxismus ist definiert als schlafbezogene

Bewegungsstörung.

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Da sich der Nahrungsbolus nur auf einer Seite befindet,kann es auf der kontralateralen Seite zu einer Kranialver-lagerung des Kondylus mit Kompression des Kieferge-lenks kommen, was die Schmerzen im Gelenk sogar nochverstärken kann. Daher sollte auch auf der schmerzhaftenSeite gekaut werden.

Zur Vermeidung unphysiologisch erhöhter Belastungender Kiefergelenke kommt vor allem okklusalen Parafunk-tionen eine besondere Bedeutung zu – speziell demWachbruxismus. Durch Selbstbeobachtung können diePatienten bestimmte Situationen erkennen, in denen siesolche Parafunktionen durchführen. Danach kann mandann darauf fokussieren, diese Habits zu vermeiden, in-dem man sich z.B. mittels auffälliger Aufkleber an mar-kanten und häufig gesehenen Stellen (Computermonitor,Rückspiegel des Autos, etc.) kontrolliert. Das Pressen derZähne und Kiefer kann aktiv bekämpft werden, indemder Patient die physiologische Ruhelage des Unterkieferstrainiert: Die Zunge soll an den Gaumen gelegt werden,dabei sollen die Zähne auseinander und die Kaumuskula-tur entspannt sein. Diese Übung kann mehrfach täglichdurchgeführt werden.

Es gibt viele weitere Verhaltensweisen, die zu einer funk-tionellen Überlastung der Kiefergelenke und der Kaumus-kulatur führen können [18]: Dazu zählt u. a. das Abstüt-zen des Unterkiefers mit der Hand, d. h. der Patient lässtdas gesamte Gewicht des Kopfes über den Unterkieferauf der Hand lasten. Dies kann zu einer passiven Kom-pression der Kiefergelenke führen. Auch eine Schlafposi-tion auf dem Bauch und zum Teil auf der Seite kann fürdie Belastung der Kiefergelenke kritisch sein, da es beidiesen Positionen zu einer Verschiebung des Unterkieferszur kontralateralen Seite kommen kann. Gleichzeitigkann es auf der Seite, auf der der Kopf liegt, durch Kissenund Bett zu einem Temperaturanstieg im Gelenk kom-men, was mit verstärkten Schmerzen einhergehen kann.

MerkeDie Rückenlage wird meist als gelenkprotektiv beiKiefergelenkbeschwerden angesehen, da der Unter-kiefer sich in einer Ruhelage befindet, die Kom-pressionen oder Temperaturanstieg in den Kiefer-gelenken verhindert.

Das häufiger in Rückenlage zu beobachtende Schnarchenist im individuellen Fall abzuwägen. Die nächtliche Rü-ckenlage lässt sich durch Hilfsmittel fördern – so könnenz.B. Tennisbälle auf die Vorderseite des Oberteils, dasnachts getragen wird, eingenäht werden. Dann wird dieSchlafposition auf dem Bauch sehr unangenehm und derPatient tendiert eher zur Seiten- oder Rückenlage.

Neben der Schlafposition kommt auch der Schlafhygieneeine wichtige Bedeutung für eine erholsame Nacht mitgesundem Schlaf zu. Der Begriff „Schlafhygiene“ be-

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zeichnet dabei nicht die physische Reinigung des Körpersund der Zähne, sondern eine „psychische Reinigung“. Ge-meint ist die Reduktion von Stimulanzien jeder Art, die zuvermehrtem Schlafbruxismus führen können. Dazu zäh-len sowohl Genussmittel (Nikotin, Alkohol, Koffein) sowiePsychopharmaka (z. B. Amphetamine), aber auch psy-chologische Aspekte [19,20]. Insbesondere sollte ver-mieden werden, im Bett bzw. direkt vor dem Einschlafennoch zu arbeiten oder sich mit Herausforderungen undProblemen des zurückliegenden oder kommenden Tageszu beschäftigen. Damit vermeidet man die nächtlicheVerarbeitung dieser Dinge im Gehirn, was zu einer Ver-schiebung der Schlafphasen und einer Verstärkung vonSchlafstörungen führen kann.

Zu über 80% tritt Schlafbruxismus in der Non-REM-Phase2 auf (▶ Tab. 6). In der Non-REM-Phase 2 ist es ganz phy-siologisch, dass mehrfach (8- bis 15-mal pro Stunde) einesog. Mikroerregung (engl.: micro arousal) auftritt. Diesegeht einher mit einer kurzfristigen Erhöhung der Herzfre-quenz, des Atemumfangs sowie der Aktivität der Mund-öffner (suprahyoidale Muskulatur) und anschließend derKieferschließer (insbesondere M. masseter), was mit Zäh-neknirschen assoziiert sein kann. Am Ende der Mikroerre-gung folgt meist ein Schlucken. Die oben genannten Sub-stanzen und psychologische Aspekte können nun dasAusmaß der Mikroerregung deutlich erhöhen, was dannals substanzieller Schlafbruxismus imponiert. Die Wech-selwirkungen sind vielfältig und vom Wirkmechanismusher bisher noch nicht ausreichend untersucht [21,22].Eine Wirkung auf Schlafbruxismus scheint aber gesichertund sollte daher in der Aufklärung der Patienten unbe-dingt berücksichtigt werden.

Selbstmanagement

Hinweise zum Selbstmanagement stellen einen weiterenwichtigen Aspekt des Arzt-Patienten-Gesprächs dar. Siebeinhalten in erster Linie Hilfestellungen, wie man bessermit den Beschwerden zurechtkommt und wie man sich

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▶ Tab. 6 Schlafphasen.

Schlafphase Definition Inhalt

REM-Phase Traumphase ▪ schnelle Augenbewegungen (rapid eye movement)▪ hohe EEG-Aktivität bei weitgehender Blockade der Bewegungsmuskulatur

(Schutzmechanismus)

Non-REM-Phase 1 Einschlaf- undÜbergangsphase

▪ Körper kommt zur Ruhe▪ Atmung wird gleichmäßig▪ Puls wird reduziert▪ EEG-Aktivität undWahrnehmung der Umgebung gehen zurück

Non-REM-Phase 2 leichter Schlaf ▪ Muskelentspannung (gelegentlich spontanes Zucken), ca. 45–55% der Schlafenszeit▪ Mikroerregung▪ Schlafbruxismus

Non-REM-Phase 3 Tiefschlafphase ▪ körperliche Erholung▪ Schlafwandeln▪ Sprechen im Schlaf

FALLBEIS

Anamnese

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selbst behandeln kann. Eine Überschneidung mit zu denvorher bereits genannten präventiven Aspekten ist dabeinicht zu vermeiden. Die wesentlichen Bestandteile desSelbstmanagements wurden erst kürzlich von einerGruppe internationaler Experten definiert [23]. DiesePunkte reflektieren auch die Interventionen in Studien,die unter Selbstmanagement beschrieben sind und pri-mär auf Verhaltensveränderungen abzielen [24] (s. Box„Zusatzinfo“).

Unter Edukation ist neben der Aufklärung des Patientenauch die Information zur Einnahme von nicht verschrei-bungspflichtigen Analgetika, wie nicht steroidalen Anti-rheumatika (NSAR), vorgesehen. Dabei sollten die Patien-ten darauf hingewiesen werden, dass Schmerzmedika-

PIEL 2

und Diagnostik

rige Hausfrau berichtet über starke Schmerzen beim

n und starker Mundöffnung. Eine Stabilisierungsschiene

elnden Zahnarztes war ohne Effekt. Medikamente wer-

hnt. Nach klinischer Untersuchungwerden die Diagnosen

r Schmerz mit limitierter Mundöffnung und Arthralgie

nd Prognose

stbeobachtung stellt die Patientin ein morgendliches

gefühl und verstärkte Schmerzen bei mehr familiärer

est. Ursächlich sind hohe Erwartungshaltungen seitens

nns und der Kinder. Trotz Entspannungsübungen, Verhal-

ngen und Physiotherapie mit Wärme, Massage undma-

rapie kann keine ausreichende Besserung erreicht wer-

tientin schafft es nicht allein, eine adaptive Stressver-

u etablieren. Nach 6Wochen stationärmit u. a. kognitiver

therapie stellt sich ein langfristiger Behandlungserfolgmit

ierenden Schmerzen von geringer Intensität ein.

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tion neben dem Selbstmanagement einen eigenen Teilder Behandlung von CMD-Schmerzen darstellt. Da beiakuten Schmerzen eine Schmerzmedikation sinnvoll ist,müssen Patienten über die zeitliche Begrenzung derSchmerzmedikation und über potenzielle Nebenwirkun-gen wie medikamenteninduzierte Kopfschmerzen auf-geklärt werden.

CaveDer Arzt sollte die Patienten gegenüber im Handelerhältlichen Schienen sensibilisieren. Hier bestehteine nicht zu vernachlässigende Gefahr von ungüns-tigen Effekten [25].

Unter Übungen und Selbstmassage versteht man primärKieferbewegungen und Massage der Muskeln, welche diePatienten selbst und ohne fremde Hilfe ausführen können(▶ Abb. 2). Diese dienen hauptsächlich der Dehnung undLockerung der Muskulatur sowie der Verbesserung derBewegungskoordination des Unterkiefers. So kann derPatient z. B. morgens durch starke Mundöffnung die Kau-muskulatur dehnen und mittels der Handballen ausstrei-chen, um Verspannungen zu lösen. Solche Übungen fürzu Hause können direkt vom behandelnden Zahnarzt ver-mittelt werden, sind aber auch Bestandteil einer umfas-senden Physiotherapie. Sie sind insbesondere bei Myal-

ZUSATZINFO

Wichtige Bestandteile des Selbstmanagements

▪ Edukation

▪ Übungen

▪ Selbstmassage

▪ Thermotherapie

▪ Ernährungshinweise

▪ Identifikation, Beobachtung und Vermeidung

parafunktionellen Verhaltens

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▶ Abb. 2 Selbstmassage und Bewegungskoordination.

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gien und Bruxismus induziert, können aber auch bei Dis-kusverlagerungen hilfreich sein.

Darüber hinaus kann der Zahnarzt je nach IndikationWärme oder Kälte empfehlen. Wärme kann beispielswei-se über Kirschkernkissen oder Rotlichtlampen appliziertwerden und sorgt für eine verbesserte Durchblutung imGewebe, was insbesondere im Bereich der verspanntenKaumuskulatur zu Schmerzlinderung und Entspannungführen kann. Kälte hingegen vermindert die lokale Durch-blutung und wirkt dadurch insbesondere bei Entzündun-gen in den Kiefergelenken schmerzlindernd.

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Pharmakotherapie

Die Behandlung mit Medikamenten ist eine wesentlicheTherapiesäule von CMD. Auch wenn in den meisten FällenAnalgetika zum Einsatz kommen, ist das Medikamenten-spektrum deutlich größer und umfasst weitere wichtigeSubstanzklassen, die z.B. auch zur Behandlung neuro-pathischer orofazialer Schmerzen eingesetzt werden[26,27]. Die Pharmakotherapie kann dabei zusätzlich zu

▶ Tab. 7 Auswahl der (oralen) Pharmakotherapie bei CMD.

Indikation Stoffklasse

leichte akute Schmerzen antipyretische Analgetika

moderate Schmerzen nicht steroidale Antirheuma(NSAR)

Kiefergelenkschmerzen COX-2-Hemmer

Muskelschmerz oder ‑verspannung Benzodiazepine

chronische Schmerzen trizyklische Antidepressiva

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anderen Therapien (z. B. Analgetika) oder auch kausal(z. B. Muskelrelaxanzien) eingesetzt werden. Generell gilt:

MerkeMedikamente können Nebenwirkungen haben, überdie die Patienten aufgeklärt werden müssen! Außer-dem ist es die Pflicht des behandelnden Zahnarztes,mögliche Kontraindikationen zu erfassen und dieMedikation entsprechend anzupassen.

Die in ▶ Tab. 7 angegebenen Dosierungen sind mit größ-ter Sorgfalt erstellt, sie sind aber nicht für jeden Patientengeeignet und im individuellen Fall zu prüfen. Die Dosie-rungen sind für erwachsene Patienten ohne schwerwie-gende Allgemeinerkrankungen wie Leber- oder Nieren-funktionsstörungen ausgelegt. Bei älteren Patienten, Kin-dern, Jugendlichen und Patienten mit Allgemeinerkran-kungen können eine niedrigere Dosierung angezeigtoder spezielle Medikamente sogar kontraindiziert sein.

Analgetika

Der wichtigste Bestandteil der Initialtherapie sollte die ef-fektive Bekämpfung der Schmerzen sein.

Wirkstoff Dosierung

Paracetamol 4 x 500mg/d

tika Acetylsalicysäure (ASS) 3 x 1000mg/d

Ibuprofen 3 x 800mg/d

Naproxen 2 x 500mg/d

Celecoxib 2 x 200mg/d

Diazepam 1 x 2–5mg/d abends

Amitriptylin 1 x 10–50mg/d abends

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MerkeZiel der Schmerztherapie ist es, die Lebensqualitätder Patienten zu verbessern, weitere Therapieoptio-nen wie Schienentherapie oder Physiotherapie zuermöglichen und insbesondere die Chronifizierungder Schmerzen zu verhindern.

Orale Anwendung

Bei leichten und vor allem akuten Schmerzen hilft häufigschon Paracetamol (▶ Tab. 7). Es kann sowohl bei myo-genen als auch bei arthrogenen Schmerzen eingesetztwerden.

Bei moderaten Schmerzen haben sich als Mittel der ers-ten Wahl nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) be-währt. Diese weisen einen entzündungshemmenden Ef-fekt auf, mit dem die Ursache der Schmerzen direkt be-kämpft wird. Die Wirkung der NSAR beruht auf einerHemmung der Cyclooxygenasen COX-1 und COX-2, diefür die Bildung von entzündungsverstärkenden Prosta-glandinen sowie dem thrombozytenaktivierenden EnzymThromboxan notwendig sind.

CaveNSAR wirken gerinnungshemmend und könnendaher zu einer erhöhten Blutungsneigung führen.

Eines der am häufigsten eingesetzten NSAR ist Acetylsa-licylsäure (ASS). Besonders nachteilig an ASS ist der starkhemmende Effekt auf Thromboxan, was mit einer starkenVerminderung der Blutgerinnung für ca. 8–10 Tage nachEinnahme einhergeht. Besser verträglich und mit einemdeutlich geringeren Effekt auf die Blutgerinnung ist Ibu-profen (▶ Tab. 7). Daher sollte dies ASS vorgezogen wer-den, so lange keine Überempfindlichkeit gegenüber Ibu-profen vorliegt. Als Alternative hat sich Naproxen be-währt (▶ Tab. 7). Generell haben NSAR viele Nebenwir-kungen, die hauptsächlich den Magen-Darm-Trakt, aberauch andere Organe und bereits vorliegende Erkrankun-gen betreffen können. Daher sind der potenzielle Nutzenund das Risiko durch die Medikation in jedem einzelnenFall abzuwägen. NSAR sind aufgrund der Nebenwirkun-gen nicht für eine langfristige Behandlung geeignet.

Speziell für arthrogene Schmerzen sind sog. selektiveCOX-2-Hemmer (z. B. Celecoxib, ▶ Tab. 7) entwickeltworden, die weniger Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt aufweisen, dafür aber teilweise schwere Nebenwir-kungen im Herz-Kreislauf-System zeigen. Daher dürfenselektive COX-2-Hemmer nicht bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingesetzt werden und sollennur in der am geringsten wirksamen Dosis für die kürzest-mögliche Zeit verordnet werden.

Sehr starke Schmerzen sind bei CMD eher die Ausnahme.Zum Einsatz kommen dann vor allem Kortikosteroideund Opiate. Aufgrund der sehr starken Nebenwirkungen

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und des Abhängigkeitspotenzials ist hier eine Behandlungin Zusammenarbeit mit einem Schmerztherapeuten zuempfehlen.

MerkeGenerell gilt: Analgetika sollten nach Verordnung,und nicht nach Bedarf eingenommen werden.

Wenn CMD-Schmerzen bestehen, sollte das Analgetikummindestens 1 Woche entsprechend der Verordnung ein-genommen werden – und nicht nur bei Bedarf. Wennnach 1 Woche noch keine ausreichende Wirkung einge-treten ist, kann auf ein Alternativpräparat ausgewichenwerden. Generell sollten Analgetika nicht als Dauerthera-pie eingesetzt werden. Nach wenigen Wochen sollte dieDosis kontinuierlich herabgesetzt und die Medikationlangsam ausgeschlichen werden, um die Wahrscheinlich-keit von medikamenteninduzierten Kopfschmerzen zureduzieren.

Topische Anwendung

Neben der oralen Aufnahme von Schmerzmitteln bestehtauch die Möglichkeit der topischen Anwendung direkt ander Stelle des Schmerzes. Gerade bei oberflächlichenMuskel- oder Gelenkschmerzen kann eine lokale Applika-tion zu einer hohen Wirkstoffkonzentration an der rele-vanten Stelle führen, was natürlich nur bei peripher wirk-samen Analgetika wie NSAR sinnvoll ist.

MerkeDie Nebenwirkungen der Medikamente wie Magen-Darm-Beschwerden sind bei topischer Anwendungquasi komplett auszuschließen.

Zu beachten ist aber, dass auch lokale Nebenwirkungenwie Photosensibilisierung möglich sind. Zum Einsatzkommen zumeist Salben oder Gele mit Ibuprofen oderDiclofenac, die 3- bis 4-mal pro Tag aufgetragen werden.

Insbesondere bei arthrogenen Schmerzen ist auch dieAnwendung von Lidocain und Capsaicin möglich. Lido-cain kann als Gel oder Creme aufgetragen werden, inPflastern enthalten sein oder direkt ins Gelenk injiziertwerden (▶ Abb. 3). Die Injektion von 0,5ml erfolgt ca.1 cm vor dem Tragusrand unter Kontakt mit dem Unter-rand des Jochbogens bei maximaler Mundöffnung in denoberen Gelenkraum.

CaveDie Injektion von Lidocain muss zwingend unter ste-rilen Bedingungen ablaufen, um eine Stichinfektiondes Kiefergelenks zu vermeiden.

Capsaicin ist in Chilischoten enthalten und löst Schär-feempfindungen aus. Es ist häufig in Cremes (0,025%)und Wärmepflastern als Wirkstoff enthalten und kannauch bei muskulären Schmerzen eingesetzt werden.

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▶ Abb. 3 Injektion von Lidocain.a Darstellung des oberen und unteren Gelenkraums.b Darstellung der knöchernen Grenzen des Jochbeins vor Injektion.

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Während die Creme 4-mal pro Tag aufgetragen wird, soll-te lediglich ein Wärmepflaster pro Tag angewendet wer-den.

Muskelrelaxanzien

Die Indikation von Muskelrelaxanzien schließt vor allemdie Schmerzen ein, die primär auf eine Hyperaktivitätder Kaumuskulatur zurückzuführen sind. Dazu gehören:▪ akute myofasziale Schmerzen bzw. Myalgien▪ Muskelverspannung▪ Muskelspasmus▪ starker Bruxismus

Die Wirksamkeit ist nachgewiesen [28]. Muskelrela-xanzien wirken nicht nur am gewünschten Ort (Kaumus-kulatur), sondern betreffen die gesamte Muskulatur (z. B.Atemmuskulatur). Daher ist beim Einsatz potenter Mus-kelrelaxanzien (z. B. Baclofen) Vorsicht geboten und esbesteht ein erhöhter Aufklärungsbedarf des Patienten.

MerkeMuskelrelaxanzien wirken zentral und haben daherauch vielfältige Nebenwirkungen, wie Schläfrigkeit,Schwindel, orthostatische Hypotonie oder Depres-sion.

Die Behandlung mit Muskelrelaxanzien hat sich in denletzten Jahren deutlich erschwert: So wurde der Anwen-dungsbereich (beispielsweise bei Flupirtin aus der Grup-

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pe der zentral wirkenden, nicht opioiden Analgetika mitsowohl schmerzstillender als auch muskelentspannenderWirkung) aufgrund von beobachteten Nebenwirkungendeutlich eingeschränkt. Flupirtin ist nur noch bei akutenSchmerzen zugelassen, wenn eine Behandlung mit ande-ren Analgetika (z. B. nicht steroidale Antirheumatika,schwache Opioide) kontraindiziert ist. Damit ist es beiden meisten Patienten nicht anwendbar.

Weiter genutzt werden kann Baclofen. Es handelt sichdabei aber um einen Off-Label-Einsatz, also um eine zu-lassungsüberschreitende Verwendung. Betrachtet manauch die Nebenwirkungen und Risiken einer Überdosie-rung, sollte die Verordnung eher dem Spezialisten vor-behalten bleiben.

Als Vertreter der Benzodiazepine kann Diazepam (z.B.Valium) zum Einsatz kommen (▶ Tab. 7). Diazepam wirktanxiolytisch, antikonvulsiv, muskelrelaxierend und sedie-rend. Im Rahmen der CMD-Therapie wird es zumeistabends als Einmaldosis eingesetzt, da ansonsten durchdie Sedierung normale Alltagsaktivitäten wie Autofahrennicht möglich wären.

CaveBesonders gefährlich bei allen Benzodiazepinen istdas hohe Abhängigkeitspotenzial.

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Daher sollte eine Anwendungsdauer von etwa 3 Wochennicht überschritten werden. Außerdem bestehen vieleKontraindikationen, wie Nieren- oder Lebererkrankun-gen, Schlafapnoe oder Glaukom. Daher sollte vor Ver-schreibung unbedingt die Anamnese mit dem Beipack-zettel abgeglichen werden oder der Patient direkt zumHausarzt überwiesen werden.

Trizyklische Antidepressiva

Gerade bei chronischen Schmerzen können trizyklischeAntidepressiva zu einer signifikanten Schmerzreduktionführen. Diese werden auch bei Schlafstörungen, Depres-sionen, neuropathischen Schmerzen und Kopfschmerzeneingesetzt. Als häufige Nebenwirkungen gelten:▪ Mundtrockenheit▪ Verstopfung▪ Gewichtszunahme▪ orthostatische Hypertonie

Am verbreitetsten bei der CMD-Therapie ist Amitriptylin(▶ Tab. 7). Dieses wird als Einmaldosis abends eingenom-men, wobei mit einer niedrigen Dosis einschleichend be-gonnen werden sollte. Dadurch kann die Dosis eingestelltwerden, bei der eine ausreichende Schmerzreduktion beitolerablen Nebenwirkungen besteht.

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Schienentherapie

Die Anfertigung von okklusalen Schienen stellt für dieüberwiegende Mehrzahl der Zahnärzte die klassische Be-handlung von CMD dar [29]. Die angewendeten Schie-nen unterscheiden sich allerdings stark in Form und Funk-tion, teils sogar bei einem einzelnen Patienten (▶ Abb. 4).

Im Folgenden werden die 3 wichtigsten Schienentypen,ihre Indikationen und ihre Wirkmechanismen vorgestellt.

▶ Abb. 4 Sammlung an Schienen eines Patienten vonmehreren Behandlern über mehrere Jahre.

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Reflexschiene

Der Name „Reflexschiene“ kommt daher, da mithilfe die-ser Schienen ein Reflex bzw. neuromuskulärer Regel-kreis ausgelöst werden soll. Beim Zusammenbeißenkommt es zu einer Störung der statischen Okklusion,was zu einer reflektorischen Reduktion der Muskelkraftführen soll, d.h. Knirschen und Pressen sollen damit ver-hindert werden können. Dies ist vergleichbar mit demBeißen auf einen Kirschkern. Im Wesentlichen handelt essich dabei um okklusal nicht adjustierte Aufbissbehelfe,wie einer einfachen tiefgezogenen Folie (auch Miniplast-schiene). Sonderformen sind z.B. kleine klammerver-ankerte Modellgussgerüste (Interceptor), die mittelsbeidseitiger metallener Aufbauten die statische Okklu-sion stören, oder rein anteriore Aufbissbehelfe (z.B. Jig,NTI‑tss) [30,31].

Reflexschienen scheinen auf den ersten Blick viele Vortei-le aufzuweisen: Sie sind einfach, schnell und kostengüns-tig herzustellen und die Behandlungszeit am Stuhl ist ge-ring, da die Okklusion nicht geprüft oder angepasst wer-den muss. Gleichzeitig kommt es im Kiefer mit einer Mini-plastschiene zu einer Stabilisierung der Zähne, weshalbsolche Schienen auch teilweise als Retentionsgeräte inder Kieferorthopädie eingesetzt werden (▶ Abb. 5). DieseSchienen weisen aber gravierende Limitationen und einstark eingeschränktes Indikationsspektrum auf und erfor-dern eine klinische Untersuchung der Kiefergelenke.

Die Indikation von Reflexschienen sind ausschließlichmyogene Beschwerden, also Schmerzen im Bereich derKaumuskulatur, die auf einer Hyperaktivität der Kau-muskulatur beruhen, wie Knirschen und Pressen. Dennnur bei Kieferschluss kann der angenommene Wirk-mechanismus mit negativer Rückkopplung zum Tragenkommen. Nachteilig bei diesen Schienen ist die fehlendeAbstützung der statischen Okklusion, was bei Kiefer-schluss zu Lageveränderungen wie Kompressionen imKiefergelenk führen kann. Daher sollten diese Schienennur bei Patienten eingesetzt werden, die keine pathologi-schen Befunde im Kiefergelenk aufweisen. Auch könnendie Frühkontakte zu Fehlbelastungen der Zähne führen,weshalb die Tragedauer auf wenige Tage zu begrenzenist.

MerkeReflexschienen (insbesondere Miniplastschienen)sollten nur als Initialtherapie über wenige Tage bismaximal 2 Wochen angewendet werden und im An-schluss entweder am Stuhl direkt okklusal adjustiertoder durch eine laborgefertigte Stabilisierungsschie-ne ersetzt werden.

Im klinischen Alltag zeigt sich, dass viele Patienten auchmit Schienen mit Störkontakten weiter knirschen undpressen, sich sogar auf den Schienen eine gleichmäßigestatische Okklusion erarbeiten. Dies scheint auch wenig

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▶ Abb. 5 Miniplastschiene als Reflexschiene im Oberkiefer.a Schiene auf Gipsmodell.b Schiene vor Anprobe.c Eingesetzte Schiene beim Patienten.

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verwunderlich, da doch allgemein angenommen wird,dass gerade Früh- und Störkontakte zu einer verstärktenMuskelaktivität führen – was den Wirkmechanismus sol-cher Schienen wiederum infrage stellt.

Stabilisierungsschiene

Der mit Abstand am häufigsten angewendete Schienen-typ ist die Stabilisierungsschiene [32], auch bekannt un-ter Michigan-Schiene oder Äquilibrierungsschiene. ZumWirkmechanismus der Stabilisierungsschiene liegen da-bei häufig wissenschaftlich nicht belegte Annahmen vor:So ist die Vorstellung verbreitet, dass Schienen in der Re-gel einen spezifischen Effekt auf die Neueinstellung derOkklusion und Positionierung der Kiefergelenke ausüben.Diese mechanistische Denkweise ist so aber nicht zu un-terstützen, insbesondere da bislang immer noch keineokklusalen Faktoren eindeutig identifiziert werden konn-ten, die mit CMD-Schmerzen assoziiert sind [7]. Darüberhinaus scheint es, dass okklusal adjustierte Schienen in-nerhalb eines umfassenden Behandlungskonzepts mitAufklärung und Selbstmanagement jenen Schienen ohneAdjustierung hinsichtlich des Behandlungseffekts nichtüberlegen sind [33]. Dennoch wird die Anfertigung vonokklusal adjustierten Schienen schon aus präventivenGründen empfohlen, um die CMD nicht zu verschlech-tern, auch wenn diese Zusammenhänge wissenschaftlichso nicht belegt sind.

Die Wirkung von Schienen ist vielfältig und unspezifisch[34]: Durch die Veränderung der Kieferrelation beim Tra-gen der Schiene werden beim maximalen Zusammen-beißen in der Kaumuskulatur andere motorische Einhei-ten aktiviert als ohne Schiene. Daher können z.B. lädiertemotorische Einheiten entlastet werden, was zu einer Re-duktion von Schmerzen der Kaumuskulatur führen kann.Des Weiteren wird eine psychologische Wirkung überdie Veränderung des Bewusstseins diskutiert. Auch wennes bisher nur wenig wissenschaftliche Belege für diese

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Hypothese gibt, so zeigt doch insbesondere die klinischeErfahrung, dass Schienen für viele Patienten als eine Art„psychischer Schalter“ funktionieren: Sie sorgen dadurchfür eine Reduktion des nächtlichen Bruxismus und beu-gen so der Überbelastung der Kiefergelenke und der Kau-muskulatur vor. Die psychologische Wirkung ist nicht zuunterschätzen, auch wenn es sich dabei um einen Place-boeffekt handeln könnte.

MerkeDie Wirkung einer Stabilisierungsschiene scheinthäufig in einer Veränderung der Aktivierungsmusterder Kaumuskulatur und in der Psyche des Patientenbegründet zu sein.

Das Ziel einer Stabilisierungsschiene ist der Aufbau eineridealen Okklusion in Statik und Dynamik bei physiologi-scher horizontaler Kieferrelation (zentrische Kondylen-position) [35]. Das okklusale Konzept der Stabilisierungs-schiene hat spezifische Charakteristika in statischer unddynamischer Okklusion (▶ Abb. 6, Tab. 8). Bei Zahn- oderKieferfehlstellungen muss das okklusale Konzept entspre-chend angepasst werden.

Das Indikationsspektrum für Stabilisierungsschienen istweit und beinhaltet insbesondere CMD-Schmerzen undBruxismus. Bei strukturellen Veränderungen im Kieferge-lenk wie Diskusverlagerungen oder Osteoarthrose ist derNutzen einer Stabilisierungsschiene nicht belegt. In derRegel ist dasnächtlicheTrageneiner Schieneausreichend.

Positionierungsschiene

Unter Positionierungsschienen werden Schienen verstan-den, die bewusst eine Verlagerung des Kondylus errei-chen wollen. Die Wirksamkeit von Positionierungsschie-nen ist umstritten. Dafür sind vielfältige Nebenwirkun-gen wie Intrusion der Seitenzähne mit einhergehenderbeidseitiger Nonokklusion bekannt. Daher gilt:

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▶ Abb. 6 Schematische Darstellung des okklusalen Konzepts von Stabilisierungsschienen in der Statik (links und mittig) und Dynamik (rechts).

▶ Tab. 8 Okklusales Konzept der Stabilisierungsschiene.

Bereich Details

Okklusion in der Statik ▪ beidseitig gleichmäßige Kontakte der Stützhöcker▪ Kontakte punktförmig und ohne Fassung der Höcker oder Schneidekanten▪ Scherhöcker ohne Kontakt▪ geringfügige Nonokklusion der Frontzähne▪ Freiraum von ca. 1mm horizontal in alle Richtungen (freedom in centric) ohne Disklusion der Seitenzähne

Okklusion in der Dynamik ▪ Laterotrusion über reine Eckzahnführung▪ Protrusion über Front-Eckzahn-Führungmit gleichmäßiger Verteilung der Führungsflächen▪ komplette Disklusion der Seitenzähne▪ Steilheit der Führungsflächen von ca. 45°

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MerkePositionierungsschienen sollten in der Praxis auf-grund der bekannten Nebenwirkungen eher nichtangewendet werden.

Distraktionsschiene

Die Verlagerung des Kondylus in der Vertikalen zur Ent-lastung des Kiefergelenks kann durch sog. Distraktions-schienen (auch Dekompressionsschiene oder Entlas-tungsschiene) geschehen. Dies ist beispielsweise bei Ver-dacht auf Kompression oder Osteoarthrose der Fall. Dazuwird ein Hypomochlion im Molarenbereich in die Schieneeingearbeitet, sodass bei Kieferschluss nur in diesem Be-reich ein Kontakt besteht. Damit die Schiene wirksamwird, muss das Kinn forciert zum Oberkiefer bewegt wer-den, z. B. durch Kopf-Kinn-Kappen oder ein Aufsetzen desUnterkiefers auf die Hand.

Die Vertikalbewegung im Kiefergelenk lässt sich abernicht vorhersagen [36] und der therapeutische Effekt isthöchst fraglich. Dafür sind die Risiken sehr hoch. Amhäufigsten zu beobachten ist eine Intrusion der Seiten-zähne mit einhergehender beidseitiger Nonokklusion.Unter kritischer Risiko-Nutzen-Abwägung ist diese Schie-nenart daher in der Praxis nicht empfehlenswert.

Reißmann DR

Protrusionsschiene

In der Horizontalen soll mit sog. Protrusionsschienen(auch Repositionierungsschiene) eine Vorverlagerungdes Unterkiefers erreicht werden, um eine physiologischeKondylus-Diskus-Relation in temporär protrusiver Kiefer-relation bei bestehender anteriorer Diskusverlagerungmit Reposition zu erreichen (▶ Abb. 7).

Dazu können verschiedene Verfahren zum Einsatz kom-men. Diesen ist gemein, dass die Bewegungskapazitätdes Unterkiefers nach posterior stark eingeschränktwird. Das kann z.B. erreicht werden durch spezielle steileFührungsflächen in den Schienen, Herbst-Scharniere oderintermaxilläre Gummizüge, wie sie in der Kieferortho-pädie verwendet werden.

Auch der Nutzen von Protrusionsschienen ist umstritten.Gesichert ist hingegen, dass Diskusverlagerungen auchohne Behandlung keinen Risikofaktor für Schmerzen imBereich der Kiefergelenke darstellen – und sich mit derZeit nicht zwingend degenerative Veränderungen im Kie-fergelenk einstellen müssen [13,17]. Im Gegenteil, in vie-len Fällen erfolgt sogar eine dauerhafte Reposition vonganz allein. Da in den meisten Fällen von Diskusverlage-rungen mit Reposition keine Indikation für eine Behand-

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IKP IKP

▶ Abb. 7 Schematische Darstellung der Kondylus-Diskus-Relation bei anteriorer Diskusverlagerung mit Reposition in habitueller (links) und inprotrusiver Position (rechts) mit überlagerter Gelenkbahnaufzeichnung.

FALLBEISPIEL 3

Anamnese und Diagnostik

Ein 45-jähriger leitender Angestellter stellt sich mit

starken Schmerzen und Verspannungen der Kaumus-

kulatur vor, die seit über 2 Monaten bestehen. Die

Schmerzen stellten sich kurz nach der Übernahme

eines neuen Geschäftsbereichs ein. Eine Reflexschie-

ne wurde nach 2 Tagen durchgebissen. Schmerz-

medikation brachte nur kurzfristig Linderung. Ur-

sächlich für die Beschwerden scheint ausgeprägter

Bruxismus zu sein.

Therapie und Prognose

Zur Vermeidung einer Schmerzchronifizierung und

zur Verringerung des Bruxismus wird Diazepam für

1Woche verordnet. Eine Stabilisierungsschiene wird

angefertigt und der Patient zur intensiven Selbst-

beobachtung angehalten. Mittels Physiotherapie

(Wärme, Massage, manuelle Therapie) wird eine Deh-

nung und Lockerung der Muskulatur erreicht. Selbst-

management und Verhaltenstherapie beinhalten u. a.

Schlafhygiene, regelmäßigen Ausdauersport, Selbst-

massage undWärme für die Muskulatur und sichern

den langfristigenTherapieerfolg.

ZUSATZINFO

Ziele der Physiotherapie bei der CMD-Behandlung

▪ Schmerzbeseitigung oder Schmerzlinderung

▪ Dämpfung der muskulären Hypertonizität und Hyperaktivität

▪ Aktivierung hypotoner, atrophischer Muskeln

▪ Verbesserung der neuromuskulären Bewegungskoordination

▪Mobilisation bewegungslimitierter Gelenke

▪ allgemeiner positiver Effekt auf Körper und Geist

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lung gegeben ist, sollten auch Protrusionsschienen in derPraxis eher nicht angewendet werden.

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Physiotherapie

Unter Physiotherapie werden alle Behandlungen zusam-mengefasst, die Manipulationen an den Kiefern oder derKaumuskulatur sowie die Anwendung physikalischer Ver-fahren durch Dritte beinhalten. Der Bereich ist aus-gesprochen vielseitig und nicht alle Behandlungsoptio-nen sind wissenschaftlich untersucht [37]. Häufig kannein spezifischer Effekt der Behandlung nicht nachgewie-sen werden. Es zeigt sich aber, dass unabhängig vondem gewählten Behandlungsverfahren eine deutlicheLinderung der Beschwerden einhergehend mit einem ge-steigerten Wohlbefinden der Patienten eintritt.

Unter Berücksichtigung der geringen Risiken und Neben-wirkungen ist die Physiotherapie ein wichtiger Bestand-teil der CMD-Therapie.

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▶ Abb. 8 Lokale Applikation von Kältespray.

▶ Tab. 9 Ap

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Physikalische Therapie

Bei der physikalischen Therapie kommen Wärme- (Ther-motherapie) und Kälteanwendungen (Kryotherapie) zumEinsatz (▶ Tab. 9).

Thermotherapie

Bei der Thermotherapie handelt es sich um die lokale,oberflächliche Anwendung von Wärme (▶ Tab. 9). Durchdie lokale Durchblutungsförderung und die reaktive Hy-perämie bis in ca. 1 cm Tiefe erfolgt eine Reduktion desMuskeltonus. Dadurch kann die Muskulatur für weitereÜbungen und Manipulationstechniken vorbereitet wer-den.

Welche Anwendungsform (▶ Tab. 9) für den Patientenam besten geeignet ist, muss im individuellen Fall ent-schieden werden. Eine klare Überlegenheit einer Anwen-dungsform ist nicht bekannt. Zumeist wird Fango oderdie heiße Rolle beim Physiotherapeuten empfohlen, wäh-rend für die Anwendung daheim eher die Rotlichtlampeoder das Kirschkernkissen geeignet sind.

CaveZu beachten ist, dass eine Hitzeapplikation niemalsauf anästhesierte Körperpartien erfolgen soll auf-grund von Verbrennungsgefahr.

Kryotherapie

Bei der Kryotherapie wird Kälte appliziert (▶ Tab. 9). Diesführt zu einem Wärmeentzug mit lokaler Vasokonstrik-tion und Reduktion des muskulären Tonus. Gleichzeitiganästhesiert die Kälte: Die Kältereize werden von affe-renten sensorischen Nervenfasern vordergründig weiter-geleitet und der Kältereiz übertönt somit den Schmerz-reiz. Indiziert ist Kryotherapie bei akuten Muskelverspan-nungen und Schmerzen im Kiefergelenk. Sie stellt einewirkungsvolle analgetische Maßnahme vor Bewegungs-übungen dar.

plikationsformen von Wärme und Kälte.

Details

rme ▪ Infrarot- oder Rotlichtlampe▪ Wärmeflasche▪ Heizkissen▪ Kirschkernkissen▪ Heißluft

me ▪ Warmwasserbäder▪ Fango- oder Moorpackungen▪ heiße Rolle

te ▪ kalte Wickel▪ Eispackungen▪ Kältespray▪ Kaltluft

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Bei der Anwendung von Eispackungen ist zu beachten,dass es durch den direkten Hautkontakt nicht zu einerzu starken Unterkühlung an den betroffenen Stellenkommt. Daher sollten solche Packungen möglichst in einStofftaschentuch oder Handtuch eingewickelt sein, umlangsamer zu wirken. Kältespray kann auch in der zahn-ärztlichen Praxis eingesetzt werden (▶ Abb. 8). Auch hierist der Schutz des Patienten vor Erfrierungen zu beach-ten. Daher sollte die Applikation unter kreisenden Bewe-gungen mit einem Abstand von ca. 30 cm unter Schutzder Augen und Ohren erfolgen.

Ultraschall

Ein weiteres Verfahren innerhalb physikalischer Maßnah-men stellt die Anwendung von Ultraschall dar. Ähnlichder Wärmetherapie kommt es zu einer Erwärmung desGewebes, wobei der Erwärmungsschwerpunkt an derSehne-Periost-Grenzschicht liegt, und damit deutlich tie-fer als bei der Wärmetherapie. Des Weiteren kommt es zueiner Erhöhung der Zellpermeabilität und damit zu einerSteigerung des intra- und extrazellulären Stoffwechsels.Aufgrund der hohen Wärmeentwicklung bei Ultraschallist die Anwendung nur außerhalb des Gesichts und derWirbelsäule empfohlen. Daher stellt Ultraschall meistnicht die erste Wahl bei der Behandlung von CMD dar.

Transkutane Elektronervenstimulation

Die transkutane Elektronervenstimulation (TENS) wirdzur Behandlung chronischer muskulärer Schmerzen ein-gesetzt. Das Ziel ist dabei eine Verbesserung der Durch-blutung sowie die Reduktion von Muskelspasmen und

. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179–201

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FALLBEISPIEL 4

Anamnese und Diagnostik

Eine 73-jährige Patientin kommt zur Kontrolle ihrer 4 Jahre alten

Teleskopprothesen. Diese sind auf jeweils 5 Zähnen abgestützt bei

offener Gerüstgestaltung. Sie spürt Schmerzen beim Einsetzen der

Prothese. Die Schleimhaut unter der Prothese ist stark gerötet und

eingesunken. Es bestehen keine Anzeichen für eine Allergie, eine

Prothesenstomatitis oder andere Infektionen der Schleimhaut. Sie

trage die Prothesen auch nachts. Auf Nachfrage gibt sie leichte

Schmerzen der Kiefergelenke an und erkennt, dass sie tagsüber häu-

fig die Zähne zusammenbeißt, was auf Bruxismus schließen lässt.

Therapie und Prognose

Durch Aufklärung, Selbstbeobachtung und Selbstmanagement

(Training der Ruhelage des Unterkiefers und Erinnerung durch Auf-

kleber am Spiegel) sowie einer nächtlichen Prothesenkarenz stellt

sich bereits nach einer Woche eine deutliche Besserung ein. Nach

4Wochen bestehen keine subjektiven Beschwerden oder Entzün-

dungen der Mundschleimhaut mehr.

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Schmerzen. Mittels zweier Elektroden pro Seite, die imBereich des betroffenen Muskels (z. B. M. masseter) ange-bracht werden, wird Strom appliziert. Durch eine hoch-frequente Stimulation (80 Hz) soll es zu einer spinalenAusschüttung von Dynorphin kommen, wodurch eineschnelle Wirkung bei akuten Schmerzen erreicht wird.Im Gegensatz dazu wird bei chronischen Schmerzen ehereine niederfrequente Stimulation (2 Hz) eingesetzt, wo-durch Methionin-Enkephalin, β-Endorphin und Endomor-phin freigesetzt werden. Man geht von einer langanhal-tenderen Wirkung aus. Die Wirksamkeit von TENS zeigtsich zwar im klinischen Alltag, ist aber wissenschaftlichnicht nachgewiesen [37].

MerkeTENS wird daher nur bei Patienten empfohlen, beidenen mit anderen zahnmedizinischen oder physio-therapeutischen Behandlungen keine Linderung zuerzielen ist.

Manuelle Verfahren

Unter manuellen Verfahren sind alle Behandlungstech-niken zusammengefasst, die bei CMD ausschließlich mitden Händen durchgeführt werden. Dazu zählen u. a.Krankengymnastik, manuelle Therapie und Massagen.Welches manuelle Verfahren bzw. welche spezielle Mas-sagetechnik im individuellen Fall indiziert ist, hängt vonder Diagnose ab und sollte in Abstimmung mit dem Phy-siotherapeuten festgelegt werden. Dazu bieten sich kur-ze Patientenberichte an, die der Zahnarzt vom Physio-therapeuten anfordern kann. Dadurch besteht eine bidi-rektionale Kommunikation und die Behandlung des Pa-tienten kann den jeweiligen Umständen und Erfordernis-sen am besten angepasst werden.

Krankengymnastik und manuelle Therapie

Krankengymnastik und manuelle Therapie dienen der Re-habilitation und Aufrechterhaltung der muskuloskelet-talen Funktionen und damit einer Verbesserung der neu-romuskulären Bewegungskoordination, einer gezieltenSchwächung bzw. Stärkung einzelner Muskeln und Mus-kelgruppen und einer Mobilisation bewegungslimitierterGelenke. Dabei ist die manuelle Therapie eine besondersschonende Technik zum Auffinden von Dysfunktionender Kiefergelenke und der Kaumuskulatur sowie zur Mo-bilisation.

Massage

Massage ist eine manuell ausgeübte mechanische Reiz-applikation. Bei der Massage werden Haut, Bindegewebeund Muskulatur durch Dehnungs-, Zug- und Druckreizmechanisch beeinflusst. Lokale Wirkungen beziehen sichauf die Blut- und Lymphgefäße sowie auf die Muskulatur,globale auf den gesamten Organismus und die segmen-tal zugeordneten inneren Organe. Die Indikation liegtvor allem bei myogenen Dysfunktionen unterschiedlicherGenese.

Reißmann DR. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179

Verordnung

Wenn immer möglich, sollte eine Physiotherapie mit ma-nuellen Verfahren durch ein häusliches Übungspro-gramm unterstützt werden, wenn dieses nicht bereitsim Rahmen des Selbstmanagements in die Behandlungeinbezogen wurde. Gerade das Dehnen von Bändern undKapseln gleicht Hochleistungssport und ist mit wenigenTerminen pro Woche nicht effizient durchzuführen. Aberauch die Selbstmassage der Kaumuskulatur stellt einesinnvolle flankierende Maßnahme dar. Dies kann durchStreichen, Kneten und Reiben insbesondere der M. mas-seter, M. temporalis, M. sternocleidomastoideus und derNackenmuskulatur erfolgen.

Für die Verordnung einer Physiotherapie gelten bisher fürZahnärzte nicht die Vorgaben der Heilmittelrichtlinie(Heilmittelkatalog), diese wird nur auf Ärzte angewen-det. Zahnärzte dürfen daher auch keine Vordrucke fürHeilmittelverordnungen (Muster 13) nutzen. Stattdessenwerden Heilmittel (Physiotherapie) von Zahnärzten aufnormalen Rezeptvordrucken (Kassenrezept Muster 16)verordnet. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlendie Behandlungen. Die Patienten müssen nur den übli-chen Eigenanteil entsprechend SGB V entrichten. EineBudgetierung besteht (noch) nicht. Auch bei den pri-vaten Krankenversicherungen besteht keine Beschrän-kung hinsichtlich der Verordnungen.

Jede Verordnung von Physiotherapie muss eine Diagnoseenthalten. Zusätzlich zu „CMD“ kann eine Spezifizierungund Seitenangabe vorgenommen werden, wobei mög-lichst der ICD‑10-Code angegeben werden sollte(▶ Tab. 3). Es können gleichzeitig mehrere Behandlungs-

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Page 20: Therapie von kranio- mandibulären Dysfunktionen...unter substanziellen Einschränkungen der Lebensqualität, angefangen bei reinem Kiefergelenkknacken bis hin zu starken Schmerzen

FALLBEISPIEL 5

Anamnese und Diagnostik

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CME-Fortbildung

verfahren verordnet werden (z.B. Thermotherapie undKrankengymnastik), wobei die jeweilige Anzahl maximal10 betragen sollte.

Ein 32-jähriger Montagearbeiter klagt über laute und

stark beeinträchtigende Kiefergelenkgeräusche.

Schmerzen bestehen keine. Klinisch stellt sich bei Pal-

pation ein Kiefergelenkknacken dar, das kaum hörbar

ist. Die Darstellung des umfangreichen Beschwerde-

bilds des Patientenweicht deutlich vonden objektiven

Befunden ab. Eine Indikation für eine zahnmedizi-

nische Therapie besteht nicht.

Therapie und Prognose

Trotz umfassender Aufklärung und dem Versuch der

Reduktion von Ängsten stellen die Kiefergelenkge-

räusche für den Patienten ein das gesamte private,

soziale und berufliche Leben bestimmendes Problem

dar. Es wird zum Aufmerksamkeitsgewinn (sekundä-

rer Krankheitsgewinn) genutzt. Nach Hinzuziehen

eines Psychologen werden u.a. Verhaltensstörungen

festgestellt. In einer ambulanten Psychotherapie wer-

den die zugrunde liegenden Probleme des Patienten

bearbeitet. Die Prognose ist gut.

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Verhaltenstherapie

Unter Verhaltenstherapie sollen hier Verfahren auf-geführt werden, die zu einer Veränderung des Verhal-tens mit dem Ziel der Reduktion schmerzauslösenderFaktoren und einer besseren Schmerzbewältigung füh-ren. Dies reicht von einfachen Entspannungstechnikenbis zur kognitiven Verhaltenstherapie. Gewisse Über-schneidungen mit dem Selbstmanagement sind dabeinicht zu vermeiden. Die Effektivität von Verhaltensthera-pie ist wissenschaftlich nachgewiesen [38].

MerkeDurch eine Veränderung des Verhaltens kann es zureffektiven Reduktion schmerzauslösender Faktorenund zu einer signifikanten Verbesserung derSchmerzbewältigung kommen.

Entspannungstechniken

Ein möglicher Ansatz ist die Vermittlung von Entspan-nungstechniken. Dabei kann es sich beispielsweise umProgressive Muskelrelaxation nach Jacobsen, AutogenesTraining oder Joga handeln. Zum Erlernen dieser Tech-niken bietet es sich an, dass die Patienten spezielle Kursebesuchen oder entsprechende Literatur lesen. Häufighilft jedoch auch Ausdauersport wie Laufen, Schwimmenoder Radfahren, um Anspannungen abzubauen. Was derPatient letztlich durchführt, liegt an den individuellenVorlieben und den physischen Möglichkeiten.

Verarbeitungsstrategien

Da es sich herausgestellt hat, dass Patienten mit CMD-Schmerzen häufig zu mehr Ängsten neigen und eine un-günstige Stressverarbeitung aufweisen [39,40], kannauch hier die Verhaltenstherapie ansetzen. Ziel dabei ist,maladaptive Verarbeitungsstrategien wie Resignationoder Selbstmitleid abzubauen und stattdessen den Fokusauf adaptive Strategien wie Selbstbestätigung oder posi-tive Selbstinstruktion zu lenken.

Kognitive Verhaltenstherapie

Die klassische kognitive Verhaltenstherapie ist vor allembei chronischen Schmerzen indiziert. Dabei geht es weni-ger um die Reduktion der Schmerzen als um eine bessereSchmerzbewältigung, z. B. durch die Umlenkung der Auf-merksamkeit. Elemente der kognitiven Verhaltensthera-pie können die Erarbeitung eines Selbstveränderungs-plans, Entspannungstraining, Kontrolle von Schmerzendurch Ablenkungsmethoden, angenehme Arbeitsabläufeund die Formulierung eines angenehmenAktivitätenplanssein. Die kognitive Verhaltenstherapie erfolgt in der Regelinnerhalb einer psychotherapeutischen Behandlung.

Reißmann DR

Weiterführende Therapien

Unter weiterführenden Therapien werden im weiterenSinne definitive irreversible Ansätze zusammengefasst.

Veränderungen der Okklusion

Der ein oder andere mag sich noch an die sog. BOLU-Re-gel erinnern: Diese war Bestandteil der systematischenEinschleiftherapie und besagte, dass die bukkalen Höckerim Oberkiefer und die lingualen Höcker im Unterkiefer(Scherhöcker) eingeschliffen werden. Ziel war es, mittelssubtraktiver Maßnahmen in der Dynamik eine Front-Eck-zahn-Führung ohne Balancekontakte einzustellen. Um inder Statik eine optimale Okklusion bei zentrischer Kon-dylenposition zu erhalten, wurde die MODU-Regel (me-sial Oberkiefer; distal Unterkiefer) entwickelt. Die weitverbreitete Annahme war, dass durch die Einschleifmaß-nahmen CMD sowohl behandelt als auch vorgebeugtwerden kann. Bis heute konnte aber kein Nachweis fürdiese Annahme gefunden werden [41].

MerkeGenerell sind definitive okklusale Veränderungendurch systematische Einschleiftherapie, Zahnersatzoder Kieferorthopädie nicht zur Prävention oderTherapie von CMD geeignet.

Wie bereits dargestellt, ist die Rolle der Okklusion imRahmen der Ätiologie von CMD weitgehend unklar [7].Auch eine erfolgreich durchgeführte Schienentherapie

. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179–201

Page 21: Therapie von kranio- mandibulären Dysfunktionen...unter substanziellen Einschränkungen der Lebensqualität, angefangen bei reinem Kiefergelenkknacken bis hin zu starken Schmerzen

▶ Abb. 9 Vorgehen bei Kieferluxation. Blau: Distraktion im Kiefergelenknach kaudal; grün: Repositionierung des Kondylus nach dorsal.

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ist kein hinreichender Beleg für Okklusionsstörungen alswesentliche Ursache der CMD. Die Effekte der Schienesind vielfältig und gehen über die Änderung der Okklu-sionskontakte und der Kondylenposition weit hinaus [34].

Daher ist grundsätzlich von einem systematischen Ein-schleifen der Zähne abzuraten. Eine Ausnahme ist das se-lektive Einschleifen von iatrogenen Okklusionsstörungenauf neu eingegliederte zahnärztliche Restaurationen. De-finitive okklusale Veränderungen im Rahmen einer CMD-Therapie (z.B. durch Zahnersatz oder eine kieferortho-pädische Behandlung) sollten nur dann durchgeführtwerden, wenn eindeutige Indikationen bestehen, wiestarke Attritionen durch Bruxismus oder Zahnfehlstellun-gen – nicht aber rein zur Behandlung oder Präventioneiner CMD.

Kieferchirurgie

Hier sind 2 wesentliche potenzielle Indikationsbereicheim Rahmen der CMD-Behandlung zu nennen: Hyper-mobilitätsstörung und Form- und Lageveränderungdes Diskus. In den allermeisten Fällen bedürfen aber we-der Hypermobilitätsstörung noch Form- und Lageverän-derung des Diskus einer chirurgischen Therapie. Die Indi-kation zur Operation ist ausgesprochen selten vorhan-den. Sie besteht nur dann, wenn es zu häufigem Ausren-ken des Unterkiefers ohne Möglichkeit der Selbstrepo-sitionierung kommt oder wenn bei Form- und Lageverän-derung des Diskus sehr starke Funktionseinschränkungenund starke Schmerzen bestehen. Generell ist die Wirk-samkeit von chirurgischen Maßnahmen gegenüber nichtinvasiven Therapien nicht ausreichend belegt [42,43].

MerkeDie Indikation für Kieferchirurgie im Rahmen derCMD-Therapie sollte extrem eng gesetzt sein: Nichtinvasive Verfahren sind vorzuziehen und die Risikeneiner Kiefergelenkchirurgie müssen im Therapieplanberücksichtigt werden.

Hypermobilitätsstörungen

Bei Hypermobilitätsstörungen handelt es sich um eineübermäßige Auslenkung des Kondylus oder des Diskusbei Unterkieferbewegungen. Auslöser können sein:▪ Hypervalenz der protrahierenden Muskelgruppen▪ Bänderschwäche▪ flaches Tuberculum articulare

Die Hauptproblematik für die Patienten ist dabei die häu-fig nach dem „Ausrenken“ des Unterkiefers auftretendeArretierung des Kondylus in dieser Position, also eine Kie-fersperre, die häufig auch mit Schmerzen einhergeht.

Als Therapie kann angestrebt werden:▪ Verstärkung der Bandführung des Gelenks▪ Einschränkung der Gleitbewegung des Kondylus durch

partielle Abtrennung der protrahierenden Muskeln

Reißmann DR. Therapie von kraniomandibulären… Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179

▪ Verriegelung des Tuberculum articulare mit auto-logem Knochen oder alloplastischen Materialien

▪ Harmonisierung der Bewegung durch Abtragung oderModellierung des Tuberculum articulare

Bei einem akuten Ausrenken (Kiefersperre oder Kiefer-luxation) des Unterkiefers ohne spontane Reposition sindmanuelle Techniken sehr hilfreich. Bei der manuellen Re-position des Unterkiefers (▶ Abb. 9) sollte der Patientmöglichst aufrecht sitzen. Bei Bedarf kann eine Lokalan-ästhesie oder Sedierung erforderlich sein. Mittels desHippokrates-Handgriffs erfolgt ein Zug des Unterkiefersnach kaudal und dorsal. Darauf sollte eine deutlich hör-bare Reposition eintreten. Die auf den Zahnreihen lie-genden Daumen sollten geschützt werden, da es zueinem reflektorischen Kieferschluss kommen kann. ImAnschluss sollte der Patient den Kiefer ruhigstellen undstarke Mundöffnung vermeiden. Dabei kann eine Kopf-Kinn-Kappe hilfreich sein oder der Patient unterstütztbei starkem Reiz der Mundöffnung (z. B. Gähnen) den Un-terkiefer mit dem Handballen.

Form- und Lageveränderungen des Diskus

Bei Form- und Lageveränderungen des Diskus handelt essich in der Regel um Diskusverlagerungen mit oder ohneReposition und um Perforationen des Diskus oder seinerBänder. Diese sind entweder mit eingeschränkter Mund-öffnung oder reibenden Geräuschen bei der Mundöff-nung verbunden.

Ziel bei Form- und Lageveränderungen ist der Erhalt undRekonstruktion der Weichgewebe zwischen den Gelenk-flächen. Bei der operativen Diskusreposition erfolgt eineintraoperative Kürzung des hinteren und des seitlichenBandes, was den Diskus dauerhaft vor dem Vorgleiten be-wahren soll. Nachteil ist, dass häufig auch die Mundöff-nung eingeschränkt bleibt. Bei degenerativen Verände-

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▶ Abb. 10 Vorgehen bei anteriorer Diskusverlagerung ohne Reposition.Blau: Distraktion im Kiefergelenk nach kaudal und dorsal; grün: Reposi-tionierung des Kondylus auf den Diskus nach ventral.

KERNAUS

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rungen des Diskus kann der Diskus entweder teilweise(Diskoplastik) oder komplett (Diskektomie) entferntwerden. Eine Trennung der Gelenkflächen erfolgt dannentweder durch autologes (Haut, Ohrknorpel) oder allo-plastisches (teflonbeschichtete Folien) Interpositions-material.

Bei einer akuten anterioren Diskusverlagerung ohne Re-position kann mithilfe der manuellen Reposition(▶ Abb. 10) eine physiologische Kondylus-Diskus-Relati-on wieder hergestellt werden. Je eher die Behandlung er-folgt, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Über denlangfristigen Erfolg der manuellen Reposition liegen aberkeine Daten vor. Meist kommen die Patienten auch erst

SAGEN

inalsymptome der kraniomandibulären Dysfunktion

nd Schmerzen, Kiefergelenkgeräusche und Funktions-

nkungen.

ndlung der CMD kann je nach Diagnose und Chronifizie-

r komplex sein, da sie nicht nur die Folgen einer Erkran-

Blick haben, sondern auch die Ursachen beseitigen sollte.

er Zahnarzt muss dabei alle therapeutischen Optionen

nddurchführen können.Wichtig ist vielmehr, dass neben

ikamentösenTherapie ein hoherWert auf Aufklärung und

anagement gelegt wird.

er Schienentherapie stehen auch weitere Behandlungs-

n zur Verfügung, wie die Physiotherapie oder die Verhal-

apie.

ble und invasive Therapien sind dabei jedoch zu vermei-

ischen dysfunktionalen Schmerzen sollten die Patienten

einem Spezialisten überwiesen werden.

Reißmann DR

Tage nach dem Auftreten in die Praxis, sodass sich nachmanueller Reposition der Diskus gleich wieder vorver-lagert – dann sind nicht invasive Therapieverfahren wiedie Physiotherapie induziert.

Interessenkonflikt

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Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Über die Autoren

pie von kranioma

Daniel R. Reißmann

Priv.-Doz. Dr. med. dent. 2003–2008 Zahnarztund wissenschaftlicher Mitarbeiter der Polikli-nik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoff-kunde der Universität Leipzig. 2006 Promotion.Seit 2006 Leitung der Kiefergelenksprechstun-de. Seit 2008 Oberarzt und Forschungskoordi-

nator der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik am Univer-sitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. 2012 qualifiziert fort-gebildeter Spezialist für Zahnärztliche Prothetik der DGPro.2012–2014 DFG-Forschungsstipendiat (Research Fellow) ander Division of TMD and Orofacial Pain, University of Minne-sota, Minneapolis, USA. 2015 Tagungsbestpreis der Deut-schen Gesellschaft für Funktionsdiagnostik und Therapie.2016 Habilitation. Editorial Board Member von Health andQuality of Life Outcomes, Associate Editor des Journal ofProsthodontic Research.

Korrespondenzadresse

PD Dr. Daniel R. Reißmann

Poliklinik für Zahnärztliche ProthetikUniversitätsklinikum Hamburg-EppendorfMartinistraße 5220246 [email protected]

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DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0042-116618Zahnmedizin up2date 2017; 11: 179–201© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkISSN 1865-0457

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Frage 1

Wie hoch liegen die Häufigkeit (Prävalenz) und die jährlicheNeuerkrankungsrate (Inzidenz) von CMD-Schmerzen in derAllgemeinbevölkerung in etwa?A 100% und 50%B 50% und 30%C 30% und 10%D 10% und 3%E 3% und 1%

Frage 2

Welche Aussage zur Primärprävention von CMD-Schmerzentrifft zu?A Setzt eine instrumentelle Funktions- und Okklusionsanalyse

voraus.B Hat einen hohen Stellenwert in der CMD-Behandlung.C Ist bisher nicht möglich.D Beinhaltet die systematische Einschleiftherapie.E Der Effekt ist wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen.

Frage 3

Welche Aussage zur Bedeutung der Okklusion im Rahmen derÄtiologie und Therapie der CMD trifft zu?A Die Bedeutung in der Ätiologie wurde bisher unterschätzt.B Die Okklusion ist der wichtigste Risikofaktor für CMD.C Die definitive Korrektur der Okklusion ist Bestandteil der Ini-

tialtherapie.D Bei jedem CMD-Patienten mit natürlicher Bezahnung sollte

eine reine Front-Eckzahn-Führung in dynamischer Okklusionangestrebt werden.

E Die Okklusion hat als Risikofaktor für CMD einen bisher un-klaren und eher untergeordneten Stellenwert.

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Frage 4

Was gilt für die Diagnostik der CMD?A In der zahnärztlichen Praxis kann auf etablierte klinische Un-

tersuchungsprotokolle aus der Wissenschaft zurückgriffenwerden.

B Die Diagnostik beinhaltet ausschließlich eine klinische Unter-suchung.

C Auf eine Erhebung von Schmerzcharakteristika wie Schmerz-chronifizierung (chronischer und dysfunktionaler Schmerz)kann in der Regel verzichtet werden.

D Strukturelle Diagnosen wie Diskusverlagerung mit Repositionoder Arthrose können allein mit einer klinischen Unter-suchung mit hoher diagnostischer Genauigkeit gestellt bzw.ausgeschlossen werden.

E Bei Verdacht auf eine Diskusverlagerung ist immer eine bild-gebende Diagnostik (MRT) notwendig.

Frage 5

Was gilt für chronische Schmerzen? Sie …A können losgelöst von einer Erkrankung existieren.B sind im Allgemeinen einer somatischen Therapie sehr gut zu-

gänglich.C können sicher mit Analgetika behandelt werden.D erfordern in den meisten Fällen eine Schienentherapie.E können nicht in der zahnärztlichen Praxis diagnostiziert wer-

den.

Frage 6

Was ist ein wichtiger Bestandteil der Initialtherapie von CMD?A PhysiotherapieB Aufklärung und SelbstmanagementC SchienentherapieD EinschleiftherapieE kognitive Verhaltenstherapie

▶ Weitere Fragen auf der folgenden Seite…

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Frage 7

Was gilt als eines der wichtigsten Ziele der initialen Pharmako-therapie?A Verhinderung der Chronifizierung von SchmerzenB Reduktion von ÄngstenC Reduktion der muskulären HypertonizitätD Verhinderung von Schläfrigkeit und SchwindelE Verbesserung der Bewegungskoordination

Frage 8

Welche Aussage zur Schienentherapie ist richtig?A Protrusionsschienen führen bei einer anterioren Diskusver-

lagerung mit Reposition in der Regel zu einer langfristig si-cheren und stabilen Wiederherstellung einer physiologischenKondylus-Diskus-Relation.

B Distraktionsschienen haben sich aufgrund der geringen Risi-ken für die Behandlung einer Osteoarthrose der Kiefergelen-ke bewährt.

C Die primäre Wirkung von Stabilisierungsschienen ist unspezi-fisch und erfolgt hauptsächlich über Veränderungen in Re-krutierungsmustern von motorischen Einheiten der Kaumus-kulatur und über die Psyche des Patienten.

D Eine Reflexschiene eignet sich besonders gut bei Schmerzenund strukturellen Veränderungen der Kiefergelenke.

E Reflexschienen sollten mindestens über einen Zeitraum von3 Monaten über 24 Stunden angewendet werden.

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Frage 9

Welche Aussage zur Physiotherapie trifft zu?A Eine Verordnung vom Zahnarzt unterliegt bei gesetzlich ver-

sicherten Patienten den Heilmittelrichtlinien.B Zu allen Behandlungsoptionen liegen eindeutige wissen-

schaftliche Nachweise der Wirksamkeit vor.C Bei der CMD-Therapie kommen ausschließlich Wärme- und

Kälteapplikationen zum Einsatz.D Ultraschall wird besonders für die Gesichtsmuskulatur und

das Kiefergelenk empfohlen.E Die manuelle Therapie ist besonders zum Auffinden von Dys-

funktionen der Kiefergelenke und der Kaumuskulatur sowiezur Mobilisation geeignet.

Frage 10

Welche Aussage zur Kieferchirurgie trifft im Rahmen der CMD-Therapie zu?A Kieferchirurgie weist gegenüber nicht invasiven Therapien in

wissenschaftlichen Studien generell eine höhere Wirksamkeitauf.

B Die Indikation für Kieferchirurgie im Rahmen der CMD-Thera-pie sollte extrem eng gestellt sein.

C Bei einem akuten Ausrenken (Kiefersperre oder Kieferluxa-tion) des Unterkiefers muss immer eine Kiefergelenkchirurgiedurchgeführt werden.

D Ein degenerativ veränderter Diskus sollte immer operativ ent-fernt und mittels autologen oder alloplastischen Materials er-setzt werden.

E Eine manuelle Reposition bei einer anterioren Diskusverlage-rung ist auch nach mehreren Tagen noch mit hohen Erfolgs-aussichten verbunden.

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