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Die Plasmamembran hangelt sich dabei von einem Anti- gen-Antikörper-Komplex zum anderen, bis das Bakterium in eine Membranvakuole (Phagosom) eingeschlossen ist. Der Makrophage verschlingt und verdaut seine Beute mit Hilfe der Lysosomen (Abb. 1.26 und S. 35). Auch Komplement-Komponenten (S. 263) oder Oligo- saccharide werden von spezialisierten Rezeptoren er- kannt. Eine wichtige Aufgabe der Makrophagen ist es, Zellen, die durch Apoptose (S. 319) abgetötet wurden, aus dem Verkehr zu ziehen. Dabei helfen den Phagocyten Membransignale, um lebende von toten Zellen zu unter- scheiden. Letztere verlieren nämlich die asymmetrische Anordnung ihrer Phospholipide in der Membran (S. 7), wodurch negativ geladene Phosphatidylserine an die Au- ßenseite der toten Zellen gelangen und so die Phagocyten anlocken. 1.3.12 Zellkontakte Höhere Organismen sind multizellulär. Unzählige indivi- duelle Zellen bilden Gewebe und Organe, wobei jede Zelle im Kontakt mit ihrer Umgebung am harmonisch funktio- nierenden Ganzen mitwirken muss. Zu diesem Zweck sind die Zelloberflächen zur Kommunikation ausgebildet. Dass Zellen spüren, wenn sie eine andere Zelle berüh- ren, zeigt sich in der Zellkultur (Abb. 1.27). Hier wachsen Fibroblasten nur so lange, bis sie an allen Seiten an Zellen anstoßen. Dann stellen sie die Vermehrung ein: Kontakt- inhibition. Krebszellen haben diese Reaktionsmöglichkeit verloren. So finden sich z. B. (s. u.) in Tumorzellen Mutationen in den Genen für Adhäsionsmoleküle (Cadherine) oder deren Adaptermoleküle (Catenine). Eine Hypermethylierung des Promotors des E-Cadheringens z. B. bewirkt dessen Produk- tionsminderung und führt damit zu einer Beeinträchtigung der Zelladhäsion: Zellen wachsen ungehemmt, können ihren Zellverband verlassen und Tochtergeschwülste (Metasta- sen) ausbilden. Zellkommunikation wird im Wesentlichen durch vier transmembrane Adhäsionsproteingruppen (CAMs = Cell- Adhäsions-Moleküle) vermittelt: Selektine, Integrine, Mitglieder der Immunglobulin-(Ig-)Superfamilie (z. B. das interzelluläre Adhärens-Molekül ICAM) und durch Cadherine. Dabei können transiente (vorübergehende) Kontakte ausgebildet werden, wie z. B. zwischen Leukocy- ten und Kohlenhydraten auf Endothelzellen (S. 9). Es können gleichartige, aber auch unterschiedliche Adhä- sionsmoleküle zum Kontakt interagieren. Cadherine (ihre Wirkung wird durch Ca 2+ beeinflusst: Calcium ad- hering) vermitteln stabile Kontakte, wie in den Desmo- somen und den Verschlusskontakten, haben aber auch große Bedeutung bei Signaltransduktion und Differenzie- rung. 21 Abb. 1.25 Ausschnitt aus einem Makrophagen mit phagocy- tierten Viren. CV coated vesicles, MF Actin-Mikrofilamentbündel, V Virus, Mikrotubuli im Längsschnitt, Kreise umgeben freie Ri- bosomen (Aufnahme: E. Robbins, D. Sabatini, New York; M: Balken = 0,25 μm). Abb. 1.26 Phagocytose eines Bakteriums (sche- matische Darstellung). Die Rezeptoren an der Memb- ran-Außenseite binden an Antikörper, die am Bakte- rium haften. Die Membran bildet eine Vakuole um das Bakterium. Der Vakuolen- Eingang wird immer enger. Schließlich vereinigen sich die Membranen. Die so entstandenen Phagosomen gelangen ins Zellinnere, wo sie mit Verdauungsvesikeln verschmelzen. 1.3 Membranen Zellbiologie 1 aus: Hirsch-Kauffmann u.a., Biologie und molekulare Medizin (ISBN 9783137065074) 2009 Georg Thieme Verlag KG

Thieme: Biologie und molekulare Medizin · aus: Hirsch-Kauffmann u.a., Biologie und molekulare Medizin (ISBN 9783137065074) 2009 Georg Thieme Verlag KG WerdenvomPatienten Autoantikörper

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Die Plasmamembran hangelt sich dabei von einem Anti-gen-Antikörper-Komplex zum anderen, bis das Bakteriumin eine Membranvakuole (Phagosom) eingeschlossen ist.Der Makrophage verschlingt und verdaut seine Beute mitHilfe der Lysosomen (Abb. 1.26 und S. 35).

Auch Komplement-Komponenten (S. 263) oder Oligo-saccharide werden von spezialisierten Rezeptoren er-kannt. Eine wichtige Aufgabe der Makrophagen ist es,Zellen, die durch Apoptose (S. 319) abgetötet wurden,aus dem Verkehr zu ziehen. Dabei helfen den PhagocytenMembransignale, um lebende von toten Zellen zu unter-scheiden. Letztere verlieren nämlich die asymmetrischeAnordnung ihrer Phospholipide in der Membran (S. 7),wodurch negativ geladene Phosphatidylserine an die Au-ßenseite der toten Zellen gelangen und so die Phagocytenanlocken.

1.3.12 Zellkontakte

Höhere Organismen sind multizellulär. Unzählige indivi-duelle Zellen bilden Gewebe und Organe, wobei jede Zelleim Kontakt mit ihrer Umgebung am harmonisch funktio-nierenden Ganzen mitwirken muss. Zu diesem Zwecksind die Zelloberflächen zur Kommunikation ausgebildet.Dass Zellen „spüren“, wenn sie eine andere Zelle berüh-ren, zeigt sich in der Zellkultur (Abb. 1.27). Hier wachsenFibroblasten nur so lange, bis sie an allen Seiten an Zellenanstoßen. Dann stellen sie die Vermehrung ein: Kontakt-inhibition.

Krebszellen haben diese Reaktionsmöglichkeit verloren. Sofinden sich z. B. (s. u.) in Tumorzellen Mutationen in denGenen für Adhäsionsmoleküle (Cadherine) oder derenAdaptermoleküle (Catenine). Eine Hypermethylierung desPromotors des E-Cadheringens z. B. bewirkt dessen Produk-tionsminderung und führt damit zu einer Beeinträchtigungder Zelladhäsion: Zellen wachsen ungehemmt, können ihrenZellverband verlassen und Tochtergeschwülste (Metasta-sen) ausbilden.

Zellkommunikation wird im Wesentlichen durch viertransmembrane Adhäsionsproteingruppen (CAMs = Cell-Adhäsions-Moleküle) vermittelt: Selektine, Integrine,

Mitglieder der Immunglobulin-(Ig-)Superfamilie (z. B.das interzelluläre Adhärens-Molekül ICAM) und durchCadherine. Dabei können transiente (vorübergehende)Kontakte ausgebildet werden, wie z. B. zwischen Leukocy-ten und Kohlenhydraten auf Endothelzellen (S. 9). Eskönnen gleichartige, aber auch unterschiedliche Adhä-sionsmoleküle zum Kontakt interagieren. Cadherine(ihre Wirkung wird durch Ca2+ beeinflusst: „Calcium ad-hering“) vermitteln stabile Kontakte, wie in den Desmo-somen und den Verschlusskontakten, haben aber auchgroße Bedeutung bei Signaltransduktion und Differenzie-rung.

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Abb. 1.25 Ausschnitt aus einem Makrophagen mit phagocy-tierten Viren. CV coated vesicles, MF Actin-Mikrofilamentbündel, VVirus, ↑ Mikrotubuli im Längsschnitt, ○ Kreise umgeben freie Ri-bosomen (Aufnahme: E. Robbins, D. Sabatini, New York; M: Balken= 0,25μm).

Abb. 1.26 Phagocytoseeines Bakteriums (sche-matische Darstellung). DieRezeptoren an der Memb-ran-Außenseite binden anAntikörper, die am Bakte-rium haften. Die Membranbildet eine Vakuole um dasBakterium. Der Vakuolen-Eingang wird immer enger.Schließlich vereinigen sichdie Membranen. Die soentstandenen Phagosomengelangen ins Zellinnere, wosie mit Verdauungsvesikelnverschmelzen.

1.3 Membranen

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Zellkontakte (Tab. 1.7) haben verschiedenen Aufbauund verschiedene Funktionen. Sie spielen u. a. eine we-sentliche Rolle zwischen Epithelzellen. Diese Zellen be-decken als Gewebe die Oberfläche unseres Körpers undkleiden alle inneren Hohlräume aus.

Entsprechend der Beteiligung von CAMs an verschiedenstenZell-Zell-Interaktionen ergeben sich bei Mutationen in denGenen der entsprechenden Proteine unterschiedlichsteKrankheitsbilder. Die Bedeutung der CAMs in der Embryo-genese wird z. B. durch die Ausbildung von Zystennierendeutlich. In diesem Buch können nur punktuell Beispiele füreinzelne Ausfälle angeführt werden. Für weiterführende In-formationen sei im Besonderen auf das Lehrbuch der Patho-physiologie von Schwarz et al. verwiesen.

Die interzellulären Verbindungen werden, entsprechendihren Funktionen, in drei Hauptgruppen unterteilt▬ Die Zonula occludens (Verschlusskontakt, tight junc-tion) macht Zellschichten impermeabel. Funktion: Auf-rechterhaltung eines interzellulären Milieus, das sichvon dem der Umgebung unterscheidet;

▬ Zonula adhaerens bzw. Macula adhaerens (Gürtel-Des-mosom und Punkt-Desmosom). Funktion: feste Veran-kerung der Zellen untereinander zum Schutz gegenScherkräfte;

▬ Kommunikationskontakte oder Nexus (elektrische Sy-napse, gap junction) bilden ein Rohrpostsystem zwi-schen den Zellen. Funktion: Ermöglichung direktenStoffaustausches von Zelle zu Zelle.

Erregungsfortleitung zwischen Zellen mit Hilfe von Neu-rotransmittern – und deshalb kein Kontakt im engerenSinn – ist die Funktion einer vierten Gruppe, der chemi-schen Synapsen.Hemi-Desmosomen sind keine eigentlichen Zellkon-

takte. Sie verschweißen Epithelzellen mit dem daruntergelegenen Bindegewebe.

Zellkontakte unterscheiden sich▬ durch ihre Ausdehnung:– Zonula: gürtelförmig um die Zelle herumführendeKontaktlinien

– Macula: punktförmige Kontakte zwischen den Zellen▬ durch die Breite des interzellulären Spaltes:– Adhaerens: ein interzellulärer Spalt bleibt erhalten– Occludens: der interzelluläre Spalt verschwindet

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Tab. 1.7 Zell-Zell-Kontakte (in multizellulären Organismen)

Name Synonym Form Interzellularraum Hauptaufgabe

Verschlusskontakt Zonula occludens,Tight junction

gürtelförmige Nähte nicht mehr vorhanden Permeationseinschränkung

Gürtel-Desmosom Zonula adhaerens gürtelförmiges Band normal (20 nm) mechanischerZellzusammenhalt

Punkt-Desmosom Macula adhaerens druckknopfartig normal bis breiter(20–30 nm)

mechanischerZellzusammenhalt

Kommunikations-Kontakt

elektrische Synapse,Nexus, Gap junction

fleckförmig verengt (2–4 nm) interzellulärer Substanz-austausch

Hemi-Desmosom kein eigentlicher Zellkon-takt

Verschweißung von Epithel-zellen mit Bindegewebe(Basalmembran)

a

b

Abb. 1.27 Fibroblasten in Kultur (Rasterelektronenmikroskopi-sche Aufnahmen). a Logarithmisch wachsende Zellen (M: Balken =10 μm). bKontaktinhibierte Zellen (M: Balken = 100μm) (Aufnah-men: S. Berger, H. G. Schweiger, Heidelberg).

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Verschlusskontakte machen Epithelien undurchlässig

Verschlusskontakte (tight junctions) (Rep. 1.10) bilden Per-meationsschranken. In diesen Kontakten sind die äußerenPlasmamembran-Schichten zweier benachbarter Zellenso dicht aneinander gerückt, dass der Interzellularraumzwischen ihnen verschwindet (Abb. 1.28). Von beiden Sei-ten rücken Transmembranproteine (Occludin, Claudin)Kopf an Kopf dicht zusammen und bilden eine festeNaht, die gürtelförmig um die Zellen verläuft. Je mehrderartige Nähte aneinander gelegt sind, umso undurch-lässiger ist der Kontakt (Abb. 1.29).

Repetitorium 1.10

Verschlusskontakte

Aufbau ▬ Verzahnung von Plasmamembran-Pro-teinen (Occludin, Claudin) benachbarterZellen

▬ mehrere Nähte können untereinanderliegen und miteinander verzweigen

Aufgaben ▬ Verschluss des Interzellular-Raumes desEpithels

▬ Permeationsschranke▬ Einschränkung der Lateraldiffusion vonTransportproteinen in einer Membran

häufigesVorkommen

▬ in Epithelzellen– des Dünndarms– der Niere– der Blase– der Gehirngefäße (Blut-Hirn-Schranke)– der vorderen Augenkammer

Verschlusskontakte finden sich u. a. an der apicalen Seitevon Epithelzellen, die das Dünndarmlumen auskleiden(S. 16). In der Epithelzelle findet ein gerichteter, selektiverTransport der Glucose statt: apicale Resorption aus demDarmlumen und basaler und lateraler Export der Glucosein den Interzellularraum und in die Blutgefäße. Die Ver-schlusskontakte am apicalen Zellpol verhindern dabei denRückfluss der Glucose via Interzellularraum. Sie sind eineBarriere für die Lateraldiffusion der Proteine in der fluidenMembran (S. 8) und ermöglichen so eine regionale Anord-nung von Transportproteinen. Bakterielle Toxine (z. B. dasdes Cholerabakteriums) verändern die Permeabilität der Ver-schlusskontakte (S. 287). Sie bewirken massive Ionen- undWasserausscheidung ins Darmlumen (Diarrhoe).

Verschlusskontakte sind wesentlich an der Aufrechterhal-tung der Blut-Hirn-Schranke beteiligt. Die Blut-Hirn-Schranke schützt das Gehirn vor dem Übertritt schädi-gender Substanzen aus dem Blutstrom in die empfind-liche Gehirnmasse. Außer Glucose und Neurohormonenwerden viele Moleküle an der Permeation stark behindert– leider weder Alkohol noch Morphium.

Diese Tatsache bietet ein großes therapeutisches Handikap:Z. B. sind Antibiotika, die gegenMeningitis eingesetzt wer-den, nicht in der Lage, diese Schranke zu überwinden. Auchdie Behandlung des Morbus Parkinson bietet Probleme.

Verschlusskontakte an der vorderen Augenkammer sor-gen für die Aufrechterhaltung eines hohen Ionenmilieus.Verschlusskontakte wurden schon im Zweizellstadiumdes Embryos nachgewiesen und sind entscheidend fürdie ordnungsgemäße Embryonalentwicklung.

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Abb. 1.28 Verschlusskontakte. Schematische Darstellung überei-nander liegender Reihen von Verschlusskontakten am apicalen Randvon Zellen. Am Ort der Kontakte rücken die Membranproteine

zweier benachbarter Zellen Kopf an Kopf zusammen, sodass zwi-schen ihnen der Interzellularraum verschwindet. Es bildet sich einefeste Naht.

1.3 Membranen

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Desmosomen sorgen für den mechanischenZusammenhalt von Gewebszellen

Diese Kontakte (Rep. 1.11) finden sich besonders zwischenZellen, die einer intensiven mechanischen Belastungstandhalten müssen, wie z. B. Epithelzellen und Herzmus-kelzellen. Zwei Verbindungsarten können unterschiedenwerden: gürtelförmige und punktförmige Desmosomen.

Gürtelförmige Kontakte schließen bei den Epithelzel-len bzw. Endothelzellen unmittelbar basalwärts an dieVerschlusskontakte an (Abb. 1.30, Abb. 1.31). Hier ist derInterzellularraum wieder vorhanden. Er ist mit filamen-tösem Material angefüllt. Im Bereich des Desmosomen-bandes verlaufen intrazellulär unterhalb der Plasma-membran kontraktile Actinfasern, die über Adapter-Pro-teine (Catenine) an die transmembranen Cadherine desInterzellularraums gebunden werden. Diese Art der Kon-takte spielt in der Embryonalentwicklung eine wichtige

Rolle: Durch Kontraktion dieser Actinfilamente werdenlinear angeordnete Epithelzellen in ihrem oberen, lumen-wärts gerichteten Bereich zusammengerafft und die Epi-thelzellreihe ordnet sich zu einem Rohr, dem Neuralrohr(s. Kap.8).

Die punktförmigen Desmosomen sind wie Druck-knöpfe zwischen den Zellen verteilt. Sie sind für ihre Auf-gabe, die Zelle gegen mechanische Belastungen wider-standsfähig zu machen, mit einem besonderen Fasersys-tem ausgerüstet. Der Interzellularraum ist mit Glycopro-teinen undMucopolysacchariden vollgepackt. In derMitteverdickt sich diese Kittsubstanz zu einem Streifen, demzentralen Stratum. Cytoplasmawärts finden sich an denMembran-Innenseiten plattenartige Verdickungen, in diesich, senkrecht zur Plasmamembran ziehend, Bündel vonFibrillen, sog. Tonofilamente, senken. Diese Tonofilamentesind nicht kontraktil. Sie bestehen aus Keratin, durchzie-hen die ganze Zelle und strukturieren das Cytoplasma.

24

a b

Abb. 1.29 Verschlusskontakte im elektronenmikroskopischenBild. a und bGefrierbruchaufnahmen von Verschlusskontakten(tight junctions); in den Bildmitten ist deutlich die verzweigte An-ordnung der Partikelreihen zu erkennen. Ap apicale Region, Blbasolaterale Region (Aufnahme: E. Robbins, D. Sabatini, New York;M: Balken = 0,5 μm). c und dVerschlusskontakte, tight junctions,Pankreas des Menschen in zwei verschiedenen Vergrößerungen(Aufnahme: H. F. Kern, Marburg; M: Balken= 1μm und d: M: Balken= 0,2 μm).

c

d

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Auch durch den Interzellularraum ziehen derartige Tono-filamente und verankern sich im zentralen Stratum, indem Mitglieder der Cadherin-Superfamilie liegen(Desmoglein und Desmocollin). Diese nehmen über diecytoplasmatischen Plaques Verbindung zu Intermediär-filamenten benachbarter Endothelzellen auf.Hauptvorkommen der Desmosomen: Herzmuskel,

Uterushals und Haut.

Repetitorium 1.11

DesmosomenGürtel-Desmosomen

Aufbau ▬ Interzellularraum gefüllt mit filamentösemMaterial

▬ Actin-Filamente parallel zur Plasmamembran▬ Cadherine und Integrine als transmembraneZell-Adhäsions-Moleküle (CAMs)

▬ Catenine als Adaptor-ProteineAufgaben ▬ mechanischer Zusammenhalt

▬ Beteiligung auch an embryonaler Organbil-dung

häufigesVorkommen

▬ Epithelzellen im Anschluss an Verschlusskon-takte

Punkt-DesmosomenAufbau ▬ Interzellularraum normal bis leicht verbrei-

tert, gefüllt mit filamentösem Material –Zentralstratum-Tonofilamente (nicht kon-traktil) ankern in scheibenförmigen Ver-dickungen unter der Plasmamembran– ziehen zum Stratum – strukturieren dasCytoplasma

Aufgabe ▬ mechanischer ZusammenhalthäufigesVorkommen

▬ Epithelzellen der Haut▬ Epithelzellen des Uterushalses▬ Herzmuskelzellen

Hemi-Desmosomen: keine Zell-Zell-Kontakte!Aufbau ▬ scheibenförmige Verdickungen an der cyto-

plasmatischen Seite der Plasmamembran mitTonofilamenten

Aufgabe ▬ Verankerung der Epithelzellen mit der Basal-membran, dem Bindegewebe

Vorkommen ▬ Basalmembran

25

Abb. 1.30 Zellkontakte. aKomplex von Kontakten zwischen zweianeinander grenzenden Hepatocyten unmittelbar im Anschluss aneinen Gallenkanal. D Desmosom mit Tonofilamenten, GJ Gap Junc-tion, GK Gallenkanal, M Mitochondrium, RER Raues Endoplasmati-sches Reticulum, TJ Tight Junction (Aufnahme: E. Robbins, D. Sa-batini, New York; M: Balken = 0,4 μm). bVerschlusszonen in Azi-nuszellen, Pankreas der Ratte. D Desmosom, ZA Zonula adhaerens,ZO Zonula occludens. cDesmosom und Intermediärfilamente.(Aufnahmen: H. F. Kern, Marburg; M: Balken = 0,5 μm und c: M:Balken = 0,2 μm).

a

b

c

1.3 Membranen

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Werden vom Patienten Autoantikörper gegen Desmogleingebildet, zerstören diese die enge Bindung zwischen denEpithelzellen (Keratinocyten). Es kommt zum Krankheitsbilddes Pemphigus vulgaris mit extensiver Blasenbildung ander Haut (s. Tab. 9.4). Beim schwereren Krankheitsbild desPemphigus bullosus werden Autoantikörper gegen Pro-teine der Hemi-Desmosomen gebildet, die die Verbindungzwischen Epithelzellen und Bindegewebe lösen. Diese Er-krankungen bieten ein gutes Beispiel dafür, dass Ausfallser-

scheinungen eines Proteins nicht immer eine genetischeMutation zugrunde liegen muss. Autoantikörper-Reaktionensetzen Proteine ebenfalls außer Kraft.

Kommunikationskontakte ermöglichen den Stoffaus-tausch zwischen Zellen

Kommunikationskontakte (Nexus, gap junctions)(Rep. 1.12), die zum Informationsaustausch zwischen Zel-len dienen, sind die häufigsten Kontakte und könnenüberall fleckförmig auf der Zellmembran vorkommen.Der Interzellularraum ist stark eingeengt (2–4nm) undwird von Proteinen durchquert, die kanalartig die Zell-membranen zweier aneinander grenzender Zellen durch-ziehen (Abb. 1.32, Abb. 1.33). Connexin, für dessen Informa-tion mehrere Gene existieren, ist das Hauptprotein, des-sen sechs Untereinheiten einen Zylinder bilden; dieseRöhren haben eine Porengröße von 1,5 nm und lassenwasserlösliche Moleküle bis zu einer rel. Molekülmasse(Mr) von etwa 1500 direkt hindurch. Zu solchen Molekü-len zählen Disaccharide, Aminosäuren, Nucleotide, Vita-mine, Steroidhormone und cAMP. Gibt man eine Fluores-zenzmarkierung in eine Zelle, so taucht die Markierungunmittelbar in der benachbarten Zelle auf. Gibt man hin-gegen die Substanz in den Interzellularraum, dann breitetsie sich zwar zwischen den Zellen aus, erscheint abernicht intrazellulär.

Die Kommunikationskontakte verbinden Zellen unterÜberbrückung des Interzellularraums auf dem kürzestenWeg. Diese Tatsache erklärt ihre Funktion.

Eine Information kann sich von einer Zelle mit hoherGeschwindigkeit auf andere ausbreiten. Dazu gehörenelektrische Impulse. Dieser Kontakt wird deshalb auchelektrische Synapse oder Nexus genannt. Die Signale wer-den ohne Zwischenschaltung eines Neurotransmitters

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Abb. 1.31 Desmosomen. Skizze eines Desmosoms zwischen zweiZellen. Erweiterter Interzellularraum mit zentralem Stratum. Trans-membranfilamente verbinden dieses mit der cytoplasmatischenPlatte. Tonofilamente durchziehen die Cytoplasmen und senken sichin die cytoplasmatische Platte ein.

Interzellularraum

Zelle 1

Zelle 2

Kommunikations-kontakt aus 6 Unter-einheiten Connexinzusammengesetzt

Kanal 1,5 mm

Abb. 1.32 Kommunikationskontakte. Die röhrenförmigen Kom-munikationskontakte, die aus sechs Untereinheiten zusammenge-setzt sind, verbinden Zelle 1 mit Zelle 2. Der Interzellularraum istdabei stark eingeengt.

Repetitorium 1.12

Kommunikationskontakte

Aufbau ▬ Interzellularraum eingeengt▬ transmembrane, zylindrische Proteine(Connexin) verbinden Intrazellular-räume, Öffnung 1,5 nm

▬ Ausbildung der Kontakte erst bei Zell-berührung, Ca2+-abhängig

Aufgaben ▬ Zellkommunikation: Passage von Dis-acchariden, Aminosäuren, Nucleotiden,Vitaminen, Steroidhormonen, cAMPmöglich

▬ metabolische Synchronisation der Ge-websdifferenzierung und embryonaleWachstumskontrolle

▬ elektrische Kopplung:– Erregungsleitung im embryonalenGewebe; am adulten Myokard; bei derSynchronisation der Dünndarmperis-taltik

▬ Abkopplung toter Zellen aus dem Zell-verband

▬ eventuelle Beteiligung an der Kontaktin-hibition: einige Krebszelltypen defekt inKommunikationskontakt-Bildung

Vorkommen in allen Zellen an beliebigen Stellen derPlasmamembran

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