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Lowell Thomas Ritter der Tiefe Übersetzt und bearbeitet von E. Freiherr von Spiegel Kapitänleutnant a. D. Verlag C. Bertelsmann Gütersloh

Thomas, Lowell - Ritter Der Tiefe (1930)

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Thomas, Lowell - Ritter Der Tiefe

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  • Lowell Thomas

    Ritter der Tiefe

    bersetzt und bearbeitet von

    E. Freiherr von Spiegel

    Kapitnleutnant a. D.

    Verlag C. Bertelsmann Gtersloh

  • Gescannt von c0y0te.

    Nicht seitenkonkordant. Dieses e-Buch ist eine Privatkopie und nicht fr den Verkauf bestimmt!

    Version mit Illustrationen.

    39.-78. Tausend Einzige autorisierte bersetzung aus dem Englischen. Um-schlag und Einband: Siegfried Kortemeier Gtersloh. Druck von C. Bertelsmann Gtersloh. Copyright 1930 by Deutsche Verlagsgesel lschaft m. b. H. , Berl in. Printed in Germany

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    Vorwort des bersetzers

    Die Chronik des deutschen Unterseeboot-Krieges das Hel-denlied vom deutschen U-Boot von einem Amerikaner ge-schrieben? Ist das mglich? Von einem Auslnder, einem fr-heren Feind? Hatten wir denn kein Interesse fr die Unter-wassertaten unserer Helden keinen Schriftsteller, der sich ihrer annahm? O ja, wir htten ihn schon gehabt aber der Amerikaner kam uns zuvor. Der Hunger nach der Tradition und dem Heldentum des alten Europa, der jeden Amerikaner einmal bers groe Wasser treibt, spornte eilten ihrer besten Schriftsteller an, das Buch vom deutschen U-Boot-Krieg zu schreiben.

    Und doch hat es so sein Gutes. Der Wert dieses Buches, der fr die Geschichte des gewaltigen Weltenbrandes unermelich ist, steigt dadurch noch hher. Seht doch und lest! Ein Aus-lnder, ein frherer Feind, der sicherlich in das Kreuzige der ganzen Welt ber das Unmenschliche deutschen U-Boot-Piratentums eingestimmt hat, kommt jetzt mit der Wahrheit ans Tageslicht. Er selber sagt, er hielte sich streng an die Wahrheit. Nun bitte: wie sieht diese Wahrheit aus? Helden-tum, unerhrtes, tollkhnes Heldentum sonst nichts. Der Mann, der das Buch ber den deutschen U-Boot-Krieg schreibt, hat sich jahrelang mit dem Sammeln des Materials in allen europischen Lndern befat, hat die Strme der Ge-rchte und Verleumdungen bis zur Quelle verfolgt und ber-all nur klares Wasser statt Schmutz und Schlamm gefunden.

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    Er hat die deutschen U-Boot-Leute und Seeoffiziere der Alli-ierten persnlich aufgesucht, hat in den Archiven der Admira-litten gewhlt und bringt nunmehr die Wahrheit ans Licht.

    In Hunderttausenden von Exemplaren kursiert dies Buch der Wahrheit ber den U-Boot-Krieg in englischer Sprache in den Lndern der Welt, berall die Augen ffnend und zum Glauben an die Echtheit seines Inhaltes zwingend. Ein Ange-hriger der alliierten Mchte hat es geschrieben, kein deut-scher Patriot, der den frheren Feinden Sand in die Augen streuen will ein einwandfrei objektiver Mann, der sich mit seinem guten Namen fr alles, was er schreibt, verbrgt.

    Deshalb hat das Buch doppelten Wert. Einmal als einwand-freie Bereinigung aller Verleumdungen, die die Welt des U-Boot-Krieges wegen auf Deutschland warf, und dann als Chronik von Taten und Abenteuern, wie sie nie zuvor, solange es Kriege gibt, erlebt wurden und zusammengestellt werden konnten. Das Anhren der Geschichten der deutschen U-Boot-Kommandanten war wie ein Gang durch eine Galerie des Grauens. sagt der Chronist am Anfang des Buches. Und so ist es auch. Der menschliche Geist kann es kaum fassen, da Menschen jemals derart Grausiges ertrugen. Schauer ber Schauer rieselt einem beim Lesen ber den Rcken. Die Art, wie diese todgeweihte Schar kmpfte, siegte und starb, hat etwas Unirdisch-Unheimliches. Sie ist nirgends zuvor erlebt worden und wird es auch in aller Zukunft nicht, denn einen U-Boot-Krieg, wie ihn die deutschen U-Boot-Fahrer fhren muten, wird es in der Weltgeschichte nicht wieder geben.

    Die meisten der Mnner, deren Taten und Abenteuer hier geschildert werden, sind tot. Ihre Gebeine ruhen in eisernen U-Boot-Srgen tief unten auf dem Grunde eines Meeres. Aber ihr Geist ist nach Walhall aufgelegen und blickt von dort auf uns Irdische herab.

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    Und wenn ihr dieses Ehrenmal lest, das ein Amerikaner den deutschen Helden gesetzt hat, dann denkt an die, die in den Zeiten grter deutscher Not das schwerste Los auf ihre Schultern nahmen und willig fr euch starben.

    Der bersetzer.

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    Auf der Spur nach dem Meereswunder unserer Zeit

    Hoch oben in den Bergen von Colorado, in der Nhe der Tor-nado Mine, liegt ein verlassener Tunnel. Goldsucher hatten hier reiche Ernte gefunden und waren den verlockenden Adern tief in den Berg hinein gefolgt. ber hundert Jahre lang. Dann war der Segen pltzlich zu Ende. Ich stie eines Tages zufllig auf diesen alten Tunnel, und von diesem Tage an wurde er fr Jahre meine heimliche Ruberhhle. Dort hinauf zog es mich an schulfreien Nachmittagen, denn dort erschlo sich mir eine neue Welt. Bei einem lodernden Feuer aus Tan-nenzapfen und alten Dynamitkisten lag ich einsam in meiner Hhle, und unter mir versank die Welt. Denn ich las und las, und fieberte beim Lesen, die phantastischste Geschichte der Welt: Jules Vernes, 20 000 Meilen unter dem Meer. Und hier machte ich zum erstenmal die Bekanntschaft des geheimnis-vollen Unterwasserhelden. Kapitn Nemo. Von da an inter-essierte ich mich fr Unterseeboote. Wo in der Welt ist ein Junge oder ein Mdchen, eine Frau oder ein Mann, der sich nicht dafr interessiert?

    Dann brach der grte und schrecklichste Krieg ber die friedlich ruhige Welt herein und gebar ein ganzes Geschlecht von wirklichen Kapitnen Nemo. Die Geschichten Jules Vernes wurden nicht nur Wahrheit, sondern ihre wildeste Phantasie verblate gegen die haarstrubenden Abenteuer, die die U-Boot-Helden des Weltkrieges auf ihren Fahrten ber

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    viele hunderttausend Meilen unter dem Meer erlebten. Als der Krieg zu Ende war, befand ich mich in Europa und

    erlebte an Ort und Stelle die Zuckungen der Revolutionen, die die Lnder der alten Welt durchtobten. So kam ich auch nach Deutschland. Dort traf ich die ersten U-Boot-Leute und wurde durch wenige, atemlos erlauschte Erzhlungen ihrer Abenteuer und Taten derartig gefesselt, da ich begann, das Material ber das gewaltige Geschehen zu sammeln, das diese paar Handvoll tollkhner Mnner im Dienste ihres bedrohten Vaterlandes mit dem grten Mut, den die Welt je gesehen, und der grten Aufopferung, deren menschliche Kraft fhig ist, vollbracht hat-ten. Denn ich fhlte, da die Heldentaten dieser Mnner und das ganze ungeheuerliche Drama ihres Lebens, Strebens und Wirkens auf die Menschen eines spteren Zeitalters wie ein Wunder wirken mte, und da die unbestechliche, ewig gel-tende Forschung der Geschichte es als das tollste, unwirkliche und gleichzeitig grauenvollste Gespenst von all den tausend Schreckgespenstern des Weltkrieges werten wrde.

    So lie ich auf allen meinen Reisen nach Europa, die sich ber einen Zeitraum von zehn Jahren erstreckten, keine Gele-genheit vorbergehen, um die Abenteuer und Erlebnisse der Mnner zu sammeln, deren Taten um ein Haar die vereinigten Krfte von zwanzig Nationen auf die Knie gezwungen htten. Taten, die mit einer gnzlich neuen Art von Kriegfhrung vollbracht wurden, der Kriegfhrung unter dem Meer.

    Groer Gott, was waren das fr Geschichten! Sie zu sam-meln war ein Spierutenlaufen durch eitle Galerie des Grau-ens. Matt mute Nerven haben, allein schon um die Erzhlun-gen der phantastischen Gefahren mit anzuhren, in denen Menschen von Fleisch und Blut gesteckt.

    Erst schrieb ich Bcher ber die Taten anderer, ber Law-rence, den malerischen Helden der Verbndeten, und seine

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    Abenteuer in Asien, ber den Mann, der als erster die Erde umflog. Dann war ich auf der Suche nach einer romantischen Figur, einem Gegenstck zu Lawrence in Arabien.

    Ich fand sie eines Tages in Felix Graf Luckner, diesem la-chenden Korsaren, der die Meere auf einem kleinen Dreimast-schoner unsicher machte.

    Luckners abenteuerlicher Beutezug mit seinem schneewei-en Segler war sicher etwas Neuartiges in diesem Kriege. Und wie Pol zu Pol standen gegen seine Fahrten die schreckensvol-len Reisen seiner Kameraden unter der See, der Ritter der Tie-fe, der Unterseeboot-Kommandanten. Es waren die beiden uersten Extreme des Seekrieges. Das eine mit seinen schneeweien Segelflchen war die Romantik, das andere mit seinem verschlagenen Torpedo das Grauen. Trotzdem bestrik-kend und die ganze Welt in seinen Bann schlagend. Das aller-letzte Wunder der wunderspeienden modernen Technik, pltzlich ausholend zu einem gewaltigen, unerwarteten Schlage, der nahe daran war, den Lebenskampf der Vlker zu entscheiden. Die Phantasie der ganzen Menschheit war ge-packt von seinem eisernen Griff.

    Und nun erst die gespensterhaft anmutenden Gefahren, in denen die Mnner schwebten, die unter der Oberflche des Meeres fuhren, die ihre vernichtenden Schlge aus unheimli-chen Schlupfwinkeln fhrten, tief unten im Schoe des Oze-ans. Immer umgeben von der ber normale Begriffe gehenden Bedrohung durch ihren wasserumschlossenen eisernen Sarg. Ach, was fr Geschichten warteten darauf, erzhlt zu werden! Nicht nur Geschichten von wilden Abenteuern, sondern Ge-schichte, wichtig und von grtem Interesse fr die ganze Menschheit. Eins ist sicher, kein Kapitel unserer Zeitge-schichte kann so viel erzhlen wie dieses.

    So will ich also jetzt, nach den Erlebnissen des romantischen

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    Seglers, der mit gesetzter Leinwand und leichter Brise durch die Meere zog, die Schicksale jener eisernen kleinen Helden-schar erzhlen, die, von tausend Toden umgeben, die Tiefen der Meere durchfurchte, geisterhaft, frchterlich, todbrin-gend.

    Alles, was ich ber den U-Boot-Krieg erzhle, stammt direkt

    aus dem Munde der Unterseeboot-Kommandanten. Alle Streit-fragen und jede Kritik habe ich vermieden, oder mich jeden-falls bemht, es zu tun. Das Recht oder Unrecht von Unterwas-serkriegen wird hier nicht besprochen. Die Geschichten, die ich bringe, sind die Erzhlungen reiner Abenteuer. Spannender als jeder Roman? O ja, ganz gewi! Kein Chronist unserer Zeit wird in der Lage sein, etwas hnliches zu bringen.

    Wir werden wohl alle in der Hoffnung einig sein, da die Welt ihre Lehre aus diesem Kriege gezogen hat und die Menschheit es fertigbringt, eine Zeitlang in Frieden zu leben.

    Was waren es denn fr Mnner, die im Kriege den Ha und den tiefsten Abscheu der halben Welt auf sich gezogen haben? Piraten wurden sie genannt, die gehngt werden mten, wenn das Schicksal gerecht verfuhr. Und doch fhlte jeder in-nerlich, da sie die verwegensten Mnner aus dem wackeren Geschlecht der Helden sein muten. Etwas Dsteres lastete auf der Menschheit beim Gedanken an die Ritter der Tiefe. Sosehr der Beherrscher der Lfte bewundert wurde, der im flimmernden Sonnenschein seine Todeskapriolen schlug, so schreckenerregend wirkte sein Gegenspieler unterm Meer, der sich schleichend mit seinem unheimlichen Sehrohrauge vor-wrtstastete.

    Es ist immer interessant, zu verfolgen, wohin das Lebens-schiff des Kriegshelden steuert, wenn der Krieg beendet ist und das Leben seinen normalen Fortgang nimmt. Um so mehr

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    bei diesen deutschen Unterseeboot-Fhrern, denen fast allen die Fortsetzung ihres Berufes abgeschnitten wurde, da Deutschland keine Seemacht von Bedeutung mehr haben durfte. Ganz pltzlich wurden sie aus dem normalen Leben ihres Unterwasserkrieges in die sanften ruhigen Bahnen fried-licher Brgerlichkeit geschleudert.

    Ich traf in ihnen in keiner Weise feuerschnaubende Seeru-ber, noch war ihr Charakter irgendwie vom Seewasser versal-zen. Ganz im Gegenteil. Es waren ruhige, ordentliche Leute, viele noch ganz jung, die Blte der einstigen deutschen Ma-rine. Sie alle hatten sich freiwillig zur U-Boot-Waffe gemeldet, weil die Frische und die Gefahr in ihr sie verlockt hatte.

    Viele von den frheren U-Boot-Kommandanten sind im Schiffahrtsgewerbe beschftigt. Sie gehen jeden Morgen in ihr Bro, sehen Rechnungen durch und diktieren Briefe. Andere arbeiten in technischen Betrieben, wieder andere haben sich selbstndig gemacht und sind erfolgreiche Kaufleute gewor-den. Der Krieg ist fr sie endgltig vorbei. Das gefahrvolle Dasein auf den U-Booten liegt weit hinter ihnen. Nur selten, da sie noch daran denken. Sie haben mit ihren Geschften zu tun, und nur wenn sich alte Kameraden treffen, sprechen sie von den schnen, alten Zeiten. Oder wenn sie in geselligem Kreise gebeten werden zu erzhlen.

    Derselbe U-Boot-Kommandant, in dem die Welt vor einigen Jahren eine Art von Meeresungeheuer erblickte, ist heute im Jahre 1930 nichts weiter als ein solider Brger, der schwerlich von irgendeinem tchtigen Geschftsmann zu unterscheiden wre.

    Wie aber dachte er ber die sittliche Seite seiner Handlun-gen und Heldentaten, die Millionen von Menschen als den schwarzen Gipfelpunkt von Unmoral und Unrecht betrachte-ten? Hierber fand ich interessantes Material, besonders ber

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    den Fall des Mannes, der die Lusitania versenkte. Davon werde ich spter erzhlen. Inzwischen mssen wir uns verge-genwrtigen, was als moralischer Hintergrund hinter jedem U-Boot-Fhrer stand und seine Handlungen beeinflute. Im Grunde ist es sehr einfach. Als Abkomme von Adam war der Offizier uns allen gleich. Als Soldat, nun ja, als Soldat war er eben Seeoffizier, und als solcher hatte er den Befehlen sei-ner Vorgesetzten zu gehorchen. Das entsprach seiner Erzie-hung, dem Herkommen, und war der Inhalt seines Lebens. Der militrische Gehorsam ist seit Generationen der Grund-pfeiler aller Flotten und Armeen der Welt. Also warum noch viel darber sagen? Der U-Boot-Kommandant fhrte seine Be-fehle aus und setzte fr die Erfllung dieser hchsten soldati-schen Tugend jeden Augenblick sein Leben ein. Mag sein, da der eine oder andere im Eifer des Augenblicks mal darber hinausgegangen ist, das bringt jeder Krieg mit sich, und das ist zu allen Zeiten und unter allen Himmelsstrichen vorge-kommen.

    Und die Greueltaten, die den U-Booten so beraus freigebig angedichtet werden? Hiermit ist es, wie es im allgemeinen mit diesen Dingen ist, nichts ist bewiesen, alles ist Gercht. Die beiden hauptschlichen Verbrechen, die den U-Booten vorge-worfen wurden, waren das Abschieen von Lazarettschiffen und das Beschieen von Rettungsbooten. Was das erstere an-belangt, so weisen die Deutschen darauf hin, da viele Schiffe durch Auflaufen auf Minen gesunken sind, von denen nach-her behauptet wurde, sie seien torpediert worden. Soweit ich feststellen konnte, stimmt das. ber die zweite verbrecheri-sche Tat, das Beschieen von Rettungsbooten, war es unmg-lich, authentische Unterlagen zu bekommen. Die eine Seite behauptet es, die andere bestreitet es. Ja, erzhlten mir deut-sche U-Boot-Leute, hren Sie zu, wie solche Gerchte entste-

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    hen: Wir haben erlebt, da ein Rettungsboot, das harmlos lngsseits kam, pltzlich Bomben auf das U-Boot warf und versuchte, es zu vernichten. Da war es doch wohl klar, da wir die Kerle abschossen. Sehen Sie, so entstehen Gerchte! So et-was wird verallgemeinert und bertrieben!

    Im allgemeinen fand ich jedenfalls so gut wie nichts ber Greueltaten, was wirklich berzeugend war, andererseits hrte ich viele Flle menschlicher Barmherzigkeit von U-Booten erzhlen, und zwar bezeichnenderweise in England.

    Wer ein Gutachten ber diese Dinge wnscht, der soll die Mnner fragen, die sich im Kriege als Feinde gegenber-gestanden haben. Die sprechen mit grter Hochachtung von-einander. Seefahrendes Volk ist nun mal so geartet.

    Es ist ein lebhaftes Bild, mit dem unsere Erzhlung beginnt:

    Ein Kreuzer mit schumender Bugwelle und schwarz qual-menden Schornsteinen, die Geschtze nach allen Seiten ausge-streckt, wie die Speichen eines Rades, und dort, irgendwo, schleichend, geduckt, in den Wellen vergraben, ein unheimli-ches bses Tier, ein gefhrlicher Hai des Meeres, ein U-Boot.

    Im Kommandoturm des U-Bootes sieht ein Mann, den sein Schicksal zu einem der grten Kriegshelden Deutschlands bestimmt hat. Sein Sehrohr, der Spargel, wie die Deut-schen scherzweise das Auge des U-Bootes nennen, ist auf dem Posten gewesen. Er hat den Kreuzer, der ihm geradewegs in die Arme luft, schon lange gesehen. Er liegt auf der Lauer. Die See ist rauh. Kaum, da er das Boot in dem unruhigen Wasser auf Sehrohrtiefe halten kann. Und doch ist ihm der Seegang gnstig, er ntzt mehr, als er schadet. Schaum und Gischt verbergen das Sehrohr. Bei glatter See wird es leicht zum Verrter, da kann es der Ausguck im feindlichen Kr-hennest ersphen. Der Kreuzer fegt auf geradem Kurs heran,

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    majesttisch anzuschauen, ein Symbol von Kraft und Energie. Das U-Boot hat sich beiseitegestohlen, nahe an die Kurslinie des vorbeifahrenden Schiffes heran. Die tobende See verbirgt das Sehrohr. Eine ideale Stellung fr einen berfall, den er-sten im Kriege.

    Ein tdlicher Torpedoschu auf nchste Entfernung. Die See ist so rauh, da selbst die Blasenbahn des Torpedos unsichtbar bleibt. Der Kreuzer hat keinerlei Mglichkeit, zu entkommen. Ein dumpfer Krach. Treffer in Hhe des vorderen Schorn-steins. Das ganze Vorschiff wird in Stcke gerissen. Feuer bricht aus und lange Stichflammen schieen gen Himmel. Der Kreuzer legt sich ber. Sein Heck hebt sich hoch empor, hher, immer hher, bis es fast senkrecht gen Himmel ragt. So steht es zgernd wenige Sekunden. Dann verschwindet das Schiff, Bug voran, in den Wellen.

    Drei Minuten sind vergangen, seit der Torpedo sein Ziel traf. Der Krach der Explosion ist meilenweit in die Runde ge-drungen. Torpedoboote eilen nach dem Schauplatz der Kata-strophe. Nichts ist zu sehen, weder Kreuzer noch U-Boot.

    Dies war das erste Schiff, das je von einem U-Boot versenkt wurde. Es war der 3200 Tonnen groe britische Kreuzer H. M. S. Pathfinder. Die Identitt des Schiffes blieb unbekannt in Deutschland, bis die Nachricht aus Holland durchsickerte. Von der 360 Mann starken Besatzung wurde die Hlfte geret-tet. Nur ein Rettungsboot war zu Wasser gekommen, bevor der Pathfinder unterging. Die Mehrzahl der berlebenden klammerte sich verzweifelt an Wrackstcken fest. Der Kom-mandant, der diesen ersten erfolgreichen Unterwasserangriff gefahren hatte, war Kapitnleutnant Otto Hersing. Sein Boot S. M. S. U 21.

    Das Boot aber, das die Vorsehung bestimmt hatte, die Tor-pedos abzufeuern, die der ganzen Welt eine anschauliche Vor-

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    stellung von dem neuen Phnomen des Krieges geben sollte, war von einem viel lteren Jahrgang. Wieder und wieder, wenn ich mit den deutschen U-Boot-Kommandanten sprach, hrte ich sie sagen: Als Weddigen mit U 9 den ersten gro-en Sieg errang; oder, Als Weddigen mit U 9 die Abou-kir, die Cressy und die Hogue versenkte

    Ganz am Anfang des Weltkrieges tauchte die Nachricht auf, da ein deutsches Unterseeboot drei groe britische Panzer-kreuzer torpediert und versenkt habe. Damit war die neueste der neuen Erfindungen, das Unterseeboot, das bisher eine ge-heimnisvolle und zweifelhafte Gre in den Berechnungen der kriegfhrenden Nationen eingenommen hatte, mit einem berzeugenden Schlag in den Vordergrund gerckt.

    Weddigen liegt auf dem Grunde der Nordsee und sein U 9 gehrt lngst zum alten Eisen. Seine Taten aber werden unsterblich bleiben und sichern ihm fr alle Zeiten einen eh-renvollen Platz im Gedchtnis seines Volkes.

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    Die gewaltige Ouvertre,

    Weddigens Heldenlaufbahn und Ende

    Wer zu Beginn des Weltkrieges die Strkeverhltnisse der Seestreitkrfte der kriegfhrenden Mchte miteinander ver-glich und dabei im besonderen die einzelnen Kriegsschiffsty-pen im Auge hatte, dem konnte es nicht entgehen, da die deutsche Marine eine Lcke hatte. Sie hatte kaum U-Boote und die, die sie besa, waren zum grten Teil von einem ver-alteten Typ. Die deutschen Marinebehrden hatten das Hauptgewicht auf den Ausbau einer offensiven Hochseeflotte gelegt und das U-Boot als Neuerscheinung im Rahmen der Seekriegsfhrung an die letzte Stelle ihres Programms ge-rckt. Die Offensivkraft des U-Bootes war ein noch unbekann-ter Faktor, seine Leistungsfhigkeit nach den Ansichten der damaligen Zeit noch eng umgrenzt.

    Der hohe Wert des Menschenlebens im Frieden und die damit verbundene Vorsicht beim Ausprobieren einer als un-heimlich und besonders gefhrlich geltenden Waffe hatten die Entwicklung des U-Bootes als Kriegsinstrument bei allen Na-tionen aufgehalten und nicht ber ein gewisses Anfangsstadi-um hinausgehen lassen. Auch die technische Entwicklung der neuen Waffe war noch weit zurck. Das Leben auf einem U-Boot galt allgemein als ungesund. Die riesige Qualmentwick-lung der Petroleummotoren und das langsame Tauchverm-gen der Boote, ihre geringe Unterwassergeschwindigkeit und der Zweifel an ihrer Seetchtigkeit im Sturm verringerten in

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    den Augen der damaligen Sachverstndigen ihren militri-schen Wert. Erst kurz vor Ausbruch des Krieges wurde ihre Verwendungsmglichkeit durch Entwicklung der Dieselmoto-ren, die ein rauchloses Fahren gestatteten und den Booten eine hhere Geschwindigkeit gaben, gesteigert.

    Alle deutschen Seeoffiziere, die ich ber die Entwicklungs-jahre ihrer U-Boot-Waffe befragte, erklrten mir, da diese Waffe sich bis wenige Jahre vor dem Kriege keiner groen Be-liebtheit in ihren Kreisen erfreut habe, sondern in gewisser Weise als Stiefkind behandelt worden sei. Man habe eben von den U-Booten zu damaliger Zeit nicht viel gehalten und vor allem nicht geglaubt, da sie im Ernstfall irgendwie eine be-deutsame Rolle zu spielen in der Lage seien. Kreuzer, Panzer-kreuzer und schnelle Torpedoboote htten dem Offensivgeist der in Betracht kommenden jngeren Offiziere nher-gestanden. Trotzdem htten sie auf die wenigen Kameraden, die sich der U-Boot-Waffe gewidmet und sich zum Teil bei ihr spezialisiert hatten, mit grter Hochachtung und einem ge-wissen ehrfurchtsvollen Grauen geblickt. Die nicht ausblei-benden Unglcksflle auf diesem und jenem Boot, der He-roismus einzelner, der dabei zutage trat, und die schon damals zu ertragenden besonderen Unbequemlichkeiten und Strapa-zen verstrkten noch dieses allgemeine Gefhl.

    Der kleine, kernige Stamm der deutschen U-Boot-Offiziere der Vorkriegszeit arbeitete mit grter Hingabe und unbe-kmmert um Sympathie oder Antipathie, die ihre Waffe ge-no, an ihrer Vervollkommnung und Schlagbereitschaft fr den Ernstfall. Die Zumutungen, die sie an sich und ihre Boote stellten, wurden von Jahr zu Jahr grer. Im Grunde hielten sie sich jedoch noch in sehr bescheidenem Rahmen. Eine mehrtgige Sturmfahrt in die Nordsee, eine Teilnahme an den Manvern der Flotte in der Bucht von Helgoland galten den

  • Kapitnleutnant Weddingen Kriegsmarinesammlung

  • U 9 kehrt heim nach Versenkung der drei englischen Panzerkreuzer: Cressy, Aboukir und Hogue Kriegsmarinesammlung

    Letzte Ausfahrt von U 29 mit Kapitnleutnant Weddingen aus Ostende. Wenige Tage spter wurde U 29 von dem englischen Linienschiff Dreadnought ge-rammt. Kriegsmarinesammlung

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    Sachverstndigen der damaligen Zeit schon als auergewhn-liche Leistungen, immerhin hatten die Kommandanten bei diesen bungen bereits Gelegenheit, sich zu bewhren und in einzelnen Fllen sogar hervorzutun.

    Der tchtigste und geschicktere von allen U-Boot-Kommandanten der Vorkriegszeit war der damalige Ober-leutnant zur See Otto Weddigen, ein ruhiger, besonnener, uerst bescheidener junger Offizier, der bei Kameraden und Untergebenen gleich beliebt war. Seinem fast knabenhaft re-gelmigen Gesicht sah man es kaum an, welche Energie sich hinter der glatten Stirn versteckt hielt, die sich ber braunen Augen wlbte. Sein scharfgeschnittener Mund verzog sich kaum zu einem Lcheln, wenn er bei den vielen Gelegenhei-ten, wo er und sein Boot sich auszeichneten, von den Vorge-setzten belobt wurde. Es ging eine Ruhe und eine sichere Zu-versicht von dem Wesen dieses Mannes aus, die sich seiner Umgebung unfehlbar mitteilte; und es steckte doch ein un-bndiger Tatendrang und ein gewaltiger Ehrgeiz in dieser be-dchtig erscheinenden Hlle.

    Weddigen war Kommandant von S. M. S. U 9, als der Weltkrieg ausbrach. Kommandant, Besatzung und Boot waren wie ein Gu, denn sie waren schon mehrere Jahre beisammen. U 9 war eins von den zwlf altmodischen Petroleumbooten, mit denen Deutschland in den Krieg zog. Eine zweite Flottille von mit Dieselmotoren ausgersteten Booten war im Werden begriffen, bestand aber im August 1914 erst aus fnf Booten. Das war die gesamte Unterwasser-Streitmacht, mit der das Deutsche Reich in den Weltkrieg zog, in dessen Verlauf seine gewaltige U-Boot-Macht die ganze Welt zum Zittern brachte.

    Gleich in den ersten Tagen des Krieges wurde die l. U-Boot-Flottille zur Aufklrung in die Nordsee geschickt und kehrte nach acht Tagen mit dem Verlust von zwei Booten zurck,

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    ohne irgend etwas vom Feinde gesichtet zu haben. Das war gewi ein betrbendes Resultat. Die beiden vermiten Boote waren U 13 unter Kapitnleutnant Graf v. Schweinitz und U 15 unter Kapitnleutnant Pohle. Es verbreitete sich das Gercht, da U 15 von einem britischen Kreuzer der Bir-mingham-Klasse beim Angriff berrascht und gerammt wor-den sei. Von U 13 fehlt jede Nachricht.

    Die deutsche Marineleitung beschlo, die U-Boote von nun an einzeln hinauszuschicken, um eine Massenansammlung der feindlichen Abwehr zu verhindern. Die altmodischen, brauen Ungetme, die bei der berwasserfahrt eine 20 Meilen weit sichtbare weie Rauchsahne von Petroleumqualm hinter sich herschleppten und die bisher niemals aus der deutschen Bucht der Nordsee herausgekommen waren, stieen todes-mutig durch die ganze Nordsee bis nach den Ksten Schott-lands vor. Das bedeutete nach damaligen Begriffen eine unge-heure Leistung und trug viel dazu bei, den Geist zu erwecken, der spter bei den deutschen U-Boot-Fahrern das Wort un-mglich aus ihrem Sprachschatz strich. Die Meldungen, die sie auf funkentelegraphischem Wege an das Flottenflaggschiff sandten, waren fr die Entschlsse der deutschen Obersten Leitung von unschtzbarem Wert. Wochenlang lauteten diese Meldungen: Vom Feinde nichts in Sicht! Die ganze Nordsee war leer. Der Hauptfeind zur See, England, von dessen ber-legenheit man in deutschen Marinekreisen bereits in den er-sten Tagen des Krieges unbedingt das Suchen nach der Ent-scheidung erwartet hatte, hielt sich zurck. Der Grabenkrieg auf der See begann. Die Stagnation und Ungewiheit, die sp-ter so zermrbend auf den Vlkern lag, fing an, die Gemter zu belasten.

    Da platzte wie eine Bombe die funkentelegraphische schlichte Meldung von einem unglaublichen Seesieg eines

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    deutschen U-Bootes in die erstaunt aufhorchende Welt. Ein einziges deutsches U-Boot noch dazu eins von den alten hatte drei gewaltige britische Panzerkreuzer mit ber hundert Geschtzen und fast zweieinhalbtausend Mann Besatzung versenkt. Es war zunchst kaum glaublich, aber als es dann aus Holland besttigt wurde, da lief ein Begeisterungssturm um Deutschlands Grenzen, wie er dieses bisher sieggewohnte Land noch niemals durchbraust hatte. Und berall in allen deutschen Lndern, Stdten. Drfern, in den Grben der West-front und bei den Truppen im Osten war ein Name in dem Munde von Millionen U 9. Und ein zweiter Name Weddigen.

    Vierundzwanzig Stunden, bevor die donnernden Hurras

    von 65 Millionen Deutschen von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt ertnten, ging der kleine, kaum Mittelgre erreichende Kapitnleutnant Weddigen mit hohen Seestiefeln bekleidet im Morgengrauen des 22. September 1914 auf dem niedrigen, immer nassen Deck seines U-Bootes U 9 spazieren. Die hollndische Kste unweit Hoek van Holland, in deren Nhe das Boot ber Nacht auf dem Grunde der Nordsee geruht hatte, war aus Sicht. Mit nordwestlichem Kurs strebte U 9 den Gewssern in der Nhe von Grobritannien zu, denn England war der Feind und der Feind lie sich su-chen. Die Petroleummotoren ratterten und qualmten und ga-ben einen Teil ihrer Kraft an die elektrische Akkumulatoren-batterie ab, die nachtsber und am Tage vorher durch vieles Unterwasserfahren leer geworden war.

    Klar und scharf hob sich der Horizont vom Wasser ab. Eine leichte Dnung schaukelte das U-Boot sanft auf und ab. Aus dem offenstehenden vorderen Luk drang Kaffeeduft. Der Koch bereitete das Frhstck. Zwanzig Schritte hin und

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    zwanzig Schritte her konnte Weddigen machen; dann war er am Turm oder vorne am Bug. Wenn der Bug sich in der D-nung hochhob, blieb der Kommandant manchmal stehen, schtzte die Augen mit der Hand gegen die aufgehende Sonne und blickte ber die endlose weite Wasserflche rings um sich herum. Immer noch nichts zu sehen, kein Rauch, kein Schiff, nichts von Englands stolzen Geschwadern! Schon mehrere Ta-ge war er auf vergeblicher Streife und konnte es doch kaum erwarten, sich mit dem Feinde zu messen. Womglich ging der Krieg zu Ende, Deutschland siegte ja allenthalben, oh-ne da Enttuscht wandte er sich ab und nahm die Wande-rung ber das Deck wieder auf.

    Oben auf dem Turm stand die Wache. Der Offizier und ein Maat. Ihre Doppelglser kreisten ununterbrochen am Hori-zont entlang. Ab und zu durchsuchten sie das Wasser nach feindlichen Sehrohren.

    Der Kaffeeduft zog Weddigen mchtig ins Boot hinunter. Noch widerstand er der Versuchung. Seine Beine waren noch steif vom langen Im-Turm-Stehen am Tage vorher. Als er sich schlielich entschlossen hatte und gerade die ersten Stufen der Leiter, die nach unten fhrte, hinabgeklettert war, fuhr er zu-sammen. Laut und vernehmlich hatte ein Ruf vom Turm ge-klungen: Rauchwolken voraus in Sicht!

    Er htte nicht Weddigen sein mssen, wenn er nicht oben gewesen wre wie ein Blitz. Wo?

    Die Augen des Kommandanten drckten sich in die Mu-scheln des zwlffach vergrernden Doppelglases, da es schmerzte. Lange Zeit verharrte er so, unbeweglich wie eine Bildsule. Die Rauchwolke breitete sich aus. Jetzt sah man Ma-sten unter ihr berm Horizont. Hohe Masten mit kleinen Sten-gen und einem Gewirr von Drhten.

    Gott im Himmel, das sind doch Kriegsschiffe! Weddigens

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    Gesicht verzerrte sich in ungeheurer Spannung. Sein Kinn schob sich vor, und dort, wo das Fleisch um die Backenkno-chen spannte, erschienen weie Flecke.

    Dann wie eine Erlsung der Befehl, den die fast ber-schnappende Stimme im schrillen Diskant hervorbrachte:

    Schnelltauchen! Der Ruf durchdrang das Boot von vorne bis achtern. Alles

    rannte und strzte auf Station. Fieberhaft arbeiteten Kopf und Hnde. Dumpf klappten die Luken zu. Wasser rauschte in die Tanks. Die Dynamomaschinen sangen mit hellem Ton. Das Deck des Bootes tauchte in die Fluten.

    Weddigen hatte auf dem altmodischen Boot von seinem Stand im Turm die Hauptlast des Tauchmanvers auszufh-ren. Er blickte erregt auf die Entlfter der Tanks. Die Zeit des Flutens erschien ihm eine Ewigkeit. Endlich konnte er das Dutzend Hhne schlieen. Die Tanks waren voll. Jetzt hinun-ter mit dem Boot.

    Aufatmend gab er den Befehl in die Zentrale hinunter, auf Tiefe zu gehen. Die Tiefenruder rasselten herum. Das Boot ge-horchte ihrem Druck. Jetzt schnitt der Kommandoturm unter die sonnenbeschienene Oberflche. Dumpfes elektrisches Licht umgab die Leute im Turm. Ungeduldig blickte der Kommandant auf den Zeiger des Tiefenmanometers, whrend seine Hnde die Handgriffe des Sehrohres umklammerten. Endlich zeigte der Tiefenanzeiger zehn Meter Tiefe an.

    Sehrohr ausfahren! Weddigens Auge prete sich in die weiche Gummimuschel des Okulars. Jetzt durchbrach die Sehrohrspitze die Oberflche. Sonnenlicht blendete das Auge des Kommandanten. Angespannt suchte er mit dem Objektiv den Horizont in der Fahrtrichtung ab. Der Wachoffizier stand hinter ihm, bereit, den elektrischen Sehrohrhebel auf Befehl wieder nach unten zu legen.

  • 26

    Da ein Ausruf des Kommandanten am Sehrohr, laut, erregt, spontan:

    Donnerwetter! Der Wachoffizier konnte sich nicht mehr beherrschen. Auch

    der Kopf des Ingenieurs erschien auf der Leiter zum Turm. Was ist?

    Weddigen hatte sich jetzt wieder fest in der Hand. Seine Stimme hatte eine natrliche Ruhe. Und doch lag so viel Ener-gie und Entschlossenheit darin, da sie wie eine erzene Glocke klang:

    Es sind drei Kreuzer, direkt auf uns zu. Und dann mit einem ruckartigen Aufrichten: Sehrohr einfahren! Alle Bug- und Hecktorpedos klar zum Schu!

    Der Wachoffizier, der gleichzeitig Torpedooffizier war, rannte hinab zu den Torpedorumen. Nach kurzer Zeit melde-ten Transparente von Bug- und Heckraum: Torpedos klar!

    Weddigens Augen hatten jetzt einen fast bernatrlichen Glanz. Noch zweimal lie er das Sehrohr fr Sekunden an die Oberflche fahren, dann holte er tief Luft und rief schrill:

    Achtung! Torpedoschu! Sehrohr ausfahren! Tiefenruder Achtung!

    Jedermann im Boot hielt den Atem an. Man hrte das Trop-fen des Schweiwassers von der Decke. Die Dynamomaschi-nen liefen kleinste Fahrt und gaben ein kaum hrbares Singen von sich.

    Der Kreuzer war nur wenige hundert Meter ab. Weddigen mute wegen der ruhigen See besonders vorsichtig mit der Spitze des Sehrohrs umgehen, um nicht vorzeitig entdeckt zu werden. Je nach der Hhe der Dnungswellen, die ber dem Boot hinwegliefen, winkte er mit der rechten Hand das Sehrohr auf und ab, whrend die Linke es dem heranbrausen-den Feinde nachdrehte. Jetzt lief der Bug des Kreuzers in den

  • 27

    Zielfaden des Sehrohrs hinein, der vordere Turm, der Mast, die Brcke, und jetzt die Mitte des Schiffes, die Schornsteine.

    Loooooos! Der Wachoffizier drckte auf den elektrischen Kontaktknopf des ersten Rohres. Ein leichtes Erzittern im Boot, der Torpedo war raus.

    Sehrohr einfahren! Backbord 20! Weddigens Augen stier-ten auf den Zeiger der Stoppuhr, die bei Los in Gang gesetzt worden war und nun die Sekunden anzeigte, die der Torpedo lief. O Gott, wie langsam solche Sekunden vergehen! Sein er-ster Schu im Kriege, auf ein Kriegsschiff, auf einen Feind.

    Pltzlich ein harter metallischer Krach. Wie wenn ein Schmiedehammer auf eine Eisenplatte schlgt. Ein Zittern im Boot , und dann ein Schrei. Der schnste Schrei, den der Sol-dat im Kriege hat. Der Schrei, der Sieg und Erlsung zugleich bedeutet. Der deutsche Schlachtruf Hurra!

    Der Feind war getroffen. Zitternd vor ungeheurer Erregung befahl der Kommandant, das Sehrohr auszufahren. Sein Auge lag in der Muschel, lange bevor die Spitze die Oberflche durchbrach. Und dann ein spannunglsendes Haahh! Er lie den Wachoffizier hindurchsehen, seine Augen leuchteten dabei.

    Der britische Kreuzer war im Sinken. Sein Heck tauchte be-reits ins Meer. Es war deutlich zu sehen, da er rettungslos verloren war. Rettungsboote schwammen umher, Menschen sprangen ins Wasser und die Neigung des Schiffes nach ach-tern nahm schnell zu. Die englische Kriegsflagge wehte noch an der Gaffel, bald wrde sie fr alle Zeiten verschwunden sein.

    Weddigen ri sich von dem unerhrten Schauspiel los. Sein Blick umfing die anderen beiden Kreuzer, er wurde hart und starr, wie der Blick des Jgers kurz vorm Schu auf das lang-ersehnte, edle Wild.

  • 28

    Die mssen wahnsinnig sein, sagte er leise vor sich hin, die liegen gestoppt neben dem sinkenden Schiff.

    In voller Ruhe, wie auf dem Exerzierplatz in der Eckern-frder Bucht, fuhr Weddigen den zweiten Angriff auf den ihm zunchst liegenden Kreuzer. Der hatte seine Boote zu Wasser gelassen und bemhte sich um die Rettung der Besatzung des untergehenden Kameraden. Mitten in dieses Samariterwerk hinein trafen ihn zwei Bugtorpedos. Weddigen, der die Kreu-zer fr kleiner gehalten hatte und erst beim genaueren Hinse-hen erkannte, da er es mit Panzerkreuzern zu tun hatte, war zu dem Entschlu gelangt, diesmal gleich zwei Torpedos zu lsen, um der Wirkung absolut sicher zu sein. Und der Erfolg dieses Entschlusses war fr den Feind katastrophal. Das ge-waltige Schiff legte sich unmittelbar nach den Detonationen der Torpedos schwer auf die Seite und versank innerhalb we-niger Minuten, fast gleichzeitig mit dem zuerst torpedierten Schiff, obwohl dieses den tdlichen Treffer ber eine halbe Stunde frher erhalten hatte.

    Die Bilder, die sich an der Oberflche des Meeres abspiel-ten, waren frchterlich. Weddigens Pflichtgefhl kmpfte ei-nen schweren Kampf mit der Gutmtigkeit seines Herzens. Hunderte von Menschen rangen in seiner nchsten Nhe mit dem Tode. Sie hofften auf Rettung von dem Kameraden, der immer noch gestoppt auf der Stelle lag und sich mit allen er-denklichen Mitteln um ihre Rettung bemhte. Und jetzt sollte er herankommen. Die unerbittliche Pflicht zwang den deut-schen U-Boot-Kommandanten dazu, das Schiff zu versenken, auf dessen Decks sich vom Bug bis zum Heck die berleben-den der untergegangenen Schwesterschiffe drngten.

    Mit einem Ruck drehte Weddigen das Sehrohr von den Bil-dern vor sich weg und manvrierte sein Boot zum Heckan-griff. Der Ausdruck seines Gesichtes war in wenigen Minuten

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    lter geworden und das Leuchten, das seine Augen immer noch hatten, kam irgendwo von ferne her. Auf ziemlich weite Entfernung feuerte er seine beiden Hecktorpedos auf den drit-ten und letzten Gegner ab. Nur einer der beiden traf das Ziel. Der andere ging vorbei. Der getroffene Kreuzer schien auf die Detonation nur wenig zu reagieren. Er zeigte keine unnormale Neigung. Lange Zeit beobachtete Weddigen die Wirkung des Torpedos von weitem. Dann kam ein scharfer Zug um seinen Mund, und er drehte den Bug seines Bootes wieder auf den Gegner zu.

    Der letzte Torpedo von U 9 verlie das Rohr. Die Schu-entfernung war gering. Er traf sein Opfer im Bugraum. Der gewaltige Panzerkreuzer legte sich auf die Seite, seine massi-gen, mit roter Schutzfarbe gestrichenen Unterwasser-Teile wlzten sich glitzernd aus dem Wasser heraus, und mit den Hunderten von Menschen, die verzweifelt auf ihnen Halt suchten, versank er gurgelnd in den Fluten.

    Weddigen, der Kommandant des veralteten, kleinen Unter-seebootes U 9, der soeben in wenigen Stunden drei groe britische Panzerschiffe vernichtet hatte, zog sein Sehrohr ein und fuhr davon.

    Als er dann am nchsten Morgen, nachdem er mit Mhe und Not der Verfolgung der britischen Zerstrer entgangen war und seine vllig ausgepumpte Batterie wieder angefllt hatte, die drahtlose Meldung ber seinen groen Sieg nach der Heimat funkte, da strahlten seine Augen wieder wie zuvor.

    S. M. der Deutsche Kaiser verlieh der ganzen Besatzung des tapferen U-Bootes das Eiserne Kreuz und Weddigen, dem tchtigen Kommandanten, das Eiserne Kreuz Erster und Zweiter Klasse. Das war im September 1914 eine andere Aus-zeichnung als am Schlu des Krieges.

    Erst ber Holland erfuhren die Deutschen die Gre und

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    die Namen der von U 9 versenkten Panzerkreuzer. Weddi-gen hatte getuscht durch die geringe Augenhhe vom Sehrohr aus angenommen, da seine Opfer zu der Kent-Klasse gehrt htten, verhltnismig kleinen britischen Pan-zerkreuzern von 9000 Tonnen. Erst nach seinem Einlaufen in den Heimathafen erfuhr er, da er die Gre seines Sieges un-terschtzt hatte. In Wirklichkeit waren die versenkten Schiffe die stattlichen Panzerkreuzer Aboukir, Hogue und Cres-sy, Schiffe von 12 000 Tonnen Wasserverdrngung. In dieser Reihenfolge waren sie den vernichtenden Torpedos des deut-schen U-Bootes zum Opfer gefallen.

    Weddigen war einer von jenen Charakteren, denen nichts fernerlag, als auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Immer und immer wieder lief er mit seinem ruhmbedeckten Boot U 9 aus, um an den Feind zu gelangen. Einmal, im Sptherbst 1914, glckte ihm ein weiterer namhafter Erfolg. Er traf auf einer Streife in der Nordsee drei englische Panzerkreuzer und konnte einen davon mit einem meisterhaft gezielten Torpedo-schu auf den Grund des Meeres befrdern. Es war der engli-sche Panzerkreuzer Hawke. Schon glaubte er, da er den Sieg von jenem 22. September wiederholen knnte, aber die Briten hatten von ihrer Niederlage gelernt und allen ihren Schiffen die Anweisung gegeben, bei austretender U-Boot-Gefahr das Weite zu suchen und keinem torpedierten Schiff beizustehen. Weddigen erlebte daher zum Unterschied von damals, da die beiden Panzerkreuzer, die die Hawke be-gleiteten, sofort nach der Detonation des Torpedos davonfuh-ren.

    Nach der Rckkehr von dieser Fahrt wurde Weddigen von dem Kommando des inzwischen noch mehr veralteten Bootes U 9 abgelst und zum Kommandanten des modernsten deutschen U-Bootes U 29 ernannt. Der Abschied von seinem

  • Panzerkreuzer Aboukir, torpediert durch U 9 Kriegsmarinesammlung

    Panzerkreuzer Cressy, torpediert durch U 9 Kriegsmarinesammlung

  • Kleiner Kreuzer Hawke, torpediert durch U 9 Kriegsmarinesammlung

    Panzerkreuzer Hogue, torpediert durch U 9 Kriegsmarinesammlung

  • 31

    alten treuen Boot ist ihm schwer gefallen. Das neue Boot, das er bernahm, wurde sein Sarg.

    Ende Mrz 1916 lief er aus, um vor der Mndung der Themse auf britische Kriegsschiffe zu lauern. Der gute Anlauf, den er hatte, blieb ihm auch mit seinem neuen Boot treu. Aber sein Glck nicht. Er sichtete ein britisches Linienschiffs-geschwader, griff eines der Kolosse an, kam beim Angriff zu hoch aus dem Wasser und wurde von dem sofort auf ihn zu-drehenden Riesen gerammt. Kein Mann der Besatzung wurde gerettet.

    Nhere Mitteilungen ber Weddigens letztes Gefecht erhielt ich von den Englndern. Ein englischer Seeoffizier erzhlte mir die Geschichte:

    Die Grand Fleet war zu Manverzwecken in zwei Hlf-ten geteilt. Die See war ruhig, und es lief eine leichte Dnung. Die acht Linienschiffe unseres Geschwaders liefen mit 16 See-meilen Geschwindigkeit und westlichem Kurs auf Fair Island, nrdlich der Orkneys, zu. Da meldete der Unterseeboot-Ausguck im Vortrupp von H. M. S. Vanguard drei Meilen an Steuerbord voraus den Turm eines U-Bootes.

    Ich stand zu der Zeit mit mehreren anderen zusammen auf der Brcke von H. M. S. Colossus. Neben mir stand ein See-bataillons-Offizier, der Typ des britischen Armeeoffiziers, wie ihn die New Yorker Bhnen gerne karikieren.

    Ah, by Jove, schnarrte er pltzlich, das sieht ja dort beina-he so aus wie das Kielwasser eines dieser verdammten Zerst-rer. Sehen Sie mal den weien Streifen da. Man knnte das Ding fast mit der Bahn von som blooming Torpedo ver-wechsln, nicht? Und wei der Teufel, die Landratte hatte recht. Das war die Laufbahn eines Torpedos. Jetzt war es ganz deutlich zu sehen. Nun machte sie eine Kurve nach rechts. Der Kreiselapparat des Torpedos schien nicht in Ordnung, der

  • 32

    Torpedo lief im Bogen. Jetzt passierte er die Lcke zwischen dem dritten und vierten Schiff in der Linie, dicht hinter dem Heck von H. M. S. Superb.

    Alle Schiffe machten eine Wendung und fuhren senkrecht auf die Gegend zu, wo die U-Boote vermutet wurden. Signale blitzten auf, um das andere Geschwader, das von Osten he-rankam, zu warnen. Eins der Schiffe unseres Geschwaders war H. M. S. Dreadnought. Der Ausguck dieses Schiffes sah pltzlich in 400 Meter Abstand das Sehrohr eines U-Bootes, das fast einen Meter weit aus dem Wasser herauskam und sich schnell vorwrtsbewegte. Es war etwa 20 Grad an Backbord.

    Hchstwahrscheinlich ist Weddigen, der sein Sehrohr we-gen der ruhigen See sehr sparsam gebrauchen mute, von der pltzlichen Wendung unseres Geschwaders auf ihn zu ber-rascht worden, und hat sich dann durch unruhige Tiefensteue-rung in der Dnung verraten. Der wachhabende Offizier auf der Dreadnought drehte sofort auf das Sehrohr zu und warf die Maschinentelegraphen auf uerste Kraft voraus. Eine Minute danach erfolgte ein schwerer Zusammensto mit ei-nem unsichtbaren Etwas. Die Dreadnought hatte ungefhr 19 Meilen Fahrt und mu das U-Boot mitten durchgeschnitten haben. Ein Teil von ihm kam an der Steuerbordseite des gigan-tischen Panzerschiffes aus dem Wasser heraus, richtete sich senkrecht in die Hhe und lie die schreckensstarren Men-schen auf der Dreadnought deutlich die mit groen weien Zahlen am Bug angemalte Nummer U 29 lesen. Das Linien-schiff war noch nicht vorbeigebraust, da versank alles wie ein Spuk. Unsere Zerstrer dampften heran und suchten nach berlebenden. Es waren keine da, nichts war zu sehen, als lflecke und ab und zu eine Luftblase. Der Mann, der die Hogue, Aboukir und Cressy versenkt hatte, war seinen Opfern auf den Grund der Nordsee gefolgt.

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    Hersing, der Zerstrer der Schlachtschiffe, verlt seinen Kartoffelacker und erzhlt seine Erlebnisse

    Ich las die Befehle durch. Dann setzte ich mich erst mal hin und dachte nach. Das, was da stand, htte einen geradezu ein-gebildet machen knnen, wenn es nicht gleichzeitig einen durchaus nchternen Kopf verlangt htte. Das war ja aller-hand.

    Mein Boot, U 21, war zur Ausfhrung einer Unterneh-mung ausersehen worden, an deren Mglichkeit die khnste Phantasie bisher nicht gedacht htte. Selbst Jules Vernes ver-schlagener Held blieb weit dahinter zurck. Der alte Odysseus hatte mal so etwas hnliches unternommen, ging mir durch den Kopf.

    Unser Bestimmungsort war Konstantinopel! Dort sollten wir auf einer der bewegtesten und schrecklichsten Bhnen dieses Kriegstheaters eine Rolle spielen, in dem Giganten-kampf der Mchte um die Meerenge der Dardanellen.

    Der Sprecher dieser Worte war einer von Deutschlands her-vorragendsten und erfolgreichen U-Boot-Kommandanten des ersten Kriegsjahres. Seine jetzige Umgebung war alles andere als kriegerisch. Es war in der Tat so friedlich um ihn herum wie auf dem Hgel bei Bethlehem, wo die Schfer in der Ge-burtsnacht des Friedensfrsten ihre Lmmlein hteten.

    Das kleine Stdtchen Rastede liegt in der norddeutschen Tiefebene, etwa 50 Kilometer von der Nordsee entfernt. Seine

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    altmodischen kleinen Huschen sind in vertrumte Obstgr-ten eingebettet, als wten sie nichts von der Hetze der Zeit. Der ehrwrdige, efeuumrankte Kirchturm stammt aus dem 14. Jahrhundert. Ganz in der Nhe liegt der riesige Besitz des Groherzogs von Oldenburg. Das prchtige Schlo ist umge-ben von vielen tausend Morgen herrlichsten Parks, auf dessen weiten Rasenflchen es von Hirschen, Rehen, Fasanen und anderem munteren Getier wimmelt. Die Frster und Jagdge-hilfen tragen nach alter Sitte die moosgrne, kleidsame Jagd-uniform. Sie waren hufige Gste in der kleinen Gaststube, deren einziger auswrtiger Gast ich war, und wirkten fr mich in ihrem grnen Rock wie Typen aus der Alten Welt.

    Gegenber dem groherzoglichen Schlo liegt ein kleinerer Park und ein kleines Schlo. Dort wohnt die Tochter des Groherzogs, deren zeitgenssischer Roman viel Staub auf-geworfen hat. Sie war mit dem zweiten Sohn des Kaisers, Prinz Eitel-Friedrich, verheiratet, lie sich nach dem Kriege von ihm scheiden und heiratete einen Seeoffizier, mit dem sie jetzt ihr Schlchen bewohnt.

    In Sichtweite von den beiden frstlichen Schlssern liegt ein hbsches kleines Haus in einem groen Garten. Hier lebt als einfacher Landmann Deutschlands meistbejubelter U-Boot-Held, Kapitnleutnant Otto Hersing. Denn es ist wirklich schwer zu sagen, wer der geschichtlich grere U-Boot-Fhrer war Weddigen oder Hersing.

    Hersing hatte das erste Kriegsschiff, den kleinen britischen Kreuzer Pathfinder, durch einen U-Boot-Angriff versenkt. Aber das bewegte die Welt noch nicht sonderlich, denn der Pathfinder war nur ein unbedeutendes Schiff. Dann kam zwei Wochen spter Weddigens berhmter Seesieg ber die drei groen britischen Panzerkreuzer. Die an Zauberei gren-zende, unheimliche Macht des U-Bootes wurde der aufhor-

  • Kapitnleutnant Hersing, der Zerstrer der Schlachtschiffe Kriegsmarinesammlung

  • U 21 im Mittelmeer unter sterreichischer Flagge Kriegsmarinesammlung

    Das englische Linienschiff Majestic sinkt, torpediert durch U 21 bei Gallipoli Kriegsmarinesammlung

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    chenden Welt zum erstenmal in grausiger Klarheit vorgefhrt. Die Grenverhltnisse der Seerstungen der Mchte vern-derten sich mit einem Schlage. Hersing vollfhrte dann einen epochemachenden Angriff nach dem anderen. Er war in dieser Phase des Krieges der reine Pfadfinder zur See. Als erster zog er auf sogenannte Fernunternehmungen aus und befuhr auf seinen Reisen immer entferntere Gewsser.

    Hersing war es, der in die Irische See eindrang und den englischen Handel dort beunruhigte. Und kaum von dort zu-rckgekehrt, unternahm er jene unvergeliche Fahrt, die wirk-lich einer modernen Odyssee gleichkam, von der Nordsee bis nach Konstantinopel. Das war ebenso eine moralische wie na-vigatorische Glanzleistung, die in den unerhrten kriegeri-schen Heldentaten gipfelte, die er dort unten vollbrachte. Mit-ten im Brennpunkt der erbittert tobenden Gallipoli-Schlacht torpedierte und versenkte Hersing die beiden mchtigen briti-schen Schlachtschiffe H. M. S. Triumph und H. M. S. Maje-stic. Fr diesen Erfolg, der einer der grten in der neueren Seekriegsgeschichte war, erhielt jeder Mann der Besatzung das Eiserne Kreuz Erster Klasse, whrend Hersing, der Komman-dant, als erster deutscher Seeoffizier mit dem hohen Orden Pour le mrite geehrt wurde. Weddigen wurde diese Aus-zeichnung erst nach seinem Tode verliehen.

    Als Weddigen seine Tauchfahrt in die Ewigkeit antrat, hatte der Weltkrieg gerade begonnen. Hersing aber blieb am Leben und eilte bis zum Ende des Krieges von Tat zu Tat und von Sieg zu Sieg. Erst 1924 nahm er seinen Abschied von der Ma-rine. Und selbst, als das Kmpfen zu Ende war, fhrte er noch einen Streich gegen seine Feinde, der ihn vor seinen Landsleu-ten ehrte. Er hatte Befehl bekommen, sein Boot U 21 an Eng-land auszuliefern. Er fhrte den Befehl aus. Aber U 21 kam niemals in England an. Es befand sich im Schlepp von einem

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    britischen Dampfer, als es pltzlich (Hersings Gesicht ver-zieht sich zu einem hmischen Lcheln) irgendwie leck sprang und versank.

    Die U-Boot-Kameraden sagen von ihm, da er eine Vorliebe fr das Ungewhnliche gehabt habe. Ausgefallen, nannten sie es in ihrer Sprache. Jeder U-Boot-Mann sah tglich dem Tode ins Auge. Jeder Kommandant war sich darber klar, da die Entscheidungen der nchsten Stunde und Minute ihn am Rande des Grabes vorbeifhrten. Hersing hatte die Gewohn-heit, das anscheinend Unmgliche zu whlen. Seinem schnei-digen Draufgngertum verdankt er sein Leben. Oft wre er dem Feinde ins Garn gegangen, wenn er nicht khn das Ge-genteil von dem gemacht htte, was man von ihm erwartete.

    Millionen Deutscher schauten in jenen Tagen in atemloser Spannung auf die Taten der U-Boote, die berufen schienen, die Ketten, die das Land umklammerten, zu sprengen. Was Wun-der, da der, der durch seine Siege alle anderen berragte, ein Abgott des Volkes wurde? Hersing wurde bejubelt und war der Held des Tages. Hunderte von Artikeln wurden ber ihn geschrieben. Kein illustriertes Blatt oder Magazin war ohne sein Bild vollstndig. In jedem Papierladen wurden Postkarten mit seinem Bild verkauft, sie lagen in den Schaufenstern und auf den Buchstnden der Bahnhfe. Lieder und Gedichte wurden ber ihn gemacht. Die hchsten Admirle und Vorge-setzten sangen sein Lob. Jede irgendmgliche Auszeichnung wurde ihm zuteil. Die deutschen Stdte vom Rhein bis zur russischen Grenze beeilten sich, ihn zum Ehrenbrger zu ma-chen, und berschtteten ihn mit pergamentenen Urkunden in dickem, gepretem Leder.

    Auch seine Feinde versumten nicht, ihm zu schmeicheln. Die Englnder setzten einen Preis auf seinen Kopf. Und noch lange nach dem Kriege schmten sich die Franzosen im be-

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    setzten Gebiet nicht, demjenigen 20 000 Mark zu versprechen, dem es gelang, den berhmten deutschen Seehelden in ihren Machtbereich herberzulocken. Im Jahre 1924 glaubte eine Frau in Wilhelmshaven, wo Hersing stationiert war, sich die-ses Stck Geld verdienen zu knnen. Sie forderte ihn auf, ei-nen Vortrag vor einer Gesellschaft in Hamburg zu halten, und sagte, da er in einem Automobil hierzu abgeholt werden wrde. Hersing ging auf dieses anscheinend vllig harmlose Angebot ein und wurde erst im letzten Augenblick durch ei-nen Zufall davon in Kenntnis gesetzt, da man die Absicht hatte, ihn in diesem Automobil zu berfallen und den Franzo-sen jenseits der Grenze des besetzten Gebietes auszuliefern.

    Britische Marineschriftsteller, die ber den Weltkrieg ge-schrieben haben, uern sich mit grter Hochachtung ber Hersings Heldentaten. Der bekannte englische Offizier und Schriftsteller Commander E. Keble Chatterton, der verschie-dene Bcher ber den Seekrieg geschrieben hat, sagt: Ein sehr groer Teil des erfolgreichen und unternehmungslustigen Geistes, der die Triebfeder der deutschen U-Boot-Krieg-fhrung war, ist das Verdienst von Hersing. Seine Fahrten wa-ren von auergewhnlicher Khnheit und Ausdauer. Sie er-gaben unschtzbare Unterlagen fr die Folgerung, da man noch sehr viel mehr von den U-Booten erwarten knne, vor-ausgesetzt, da ihre Anzahl und Schlagkraft gesteigert wr-de.

    Die deutschen Marinebehrden gaben sich whrend des Krieges die grte Mhe, die Nummer von Hersings Boot ge-heimzuhalten. Allgemein war man bestrebt, in die Nummern der Boote und die Namen der Kommandanten mglichste Verwirrung hineinzubringen. Hufig trugen die Boote eine weit hhere Nummer als die tatschliche, um den Feind glau-ben zu machen, da grere Mengen von U-Booten zur Ver-

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    fgung stnden. Hersings Boot war whrend des ganzen Krieges U 21. Es lief meist unter der Nummer U 51. Da-durch waren die Englnder auf ihren Jagden nach Hersing in die Irre gefhrt und suchten nach einem falschen Boot. Auch ich, der eine ganze Anzahl englischer Bcher ber den Krieg gelesen habe, war immer in dem Glauben, da sein Boot U 51 gewesen sei. Ich war daher einigermaen erstaunt, als ich nach Deutschland kam und hrte, da es U 21 gewesen sei. Das Rtsel lste sich mir erst, nachdem ich die Grnde fr den Nummerntausch erfuhr.

    Die Englnder erzhlten mir, da die Moral der Trken um 50 Prozent gestiegen sei, als Hersing in seinem Boot, das da-mals die Nummer U 21 trug, vor Konstantinopel eintraf. Als er von seiner ersten Erkundungsfahrt zurckkehrte, zeigte sein Boot die Nummer U 51. Ah, fein! sagten die Tr-ken, jetzt schickt uns der Kaiser schon wieder ein U-Boot, und ihr Mut stieg noch um einige Prozent.

    Ich traf in dem berhmten U-Boot-Helden einen schlanken brnetten Mann, der mich mit der wrdigen und gastfreien Hflichkeit empfing, die den deutschen Landleuten eigen ist. Die Kriegsbilder, die ich von ihm kannte, zeigten einen energi-schen, forschen, gutaussehenden jngeren Mann mit einem ausgemergelten Habichtkopf. Jetzt, zehn Jahre nach dem Krie-ge, fand ich ihn sehr gealtert. Er erzhlte mir, da das einzige, was er noch vom Kriege habe, der Rheumatismus sei, den er dem jahrelangen Unterwasserleben verdanke. Als ich ihn frag-te, was er jetzt mit seiner Zeit anfinge, antwortete er:

    Ich ziehe herrliche Kartoffeln. Dieser entsagende Gleichmut pat ausgezeichnet zu der

    Gemtsverfassung dieses Monarchen der Tiefe. Whrend die Mehrzahl der U-Boot-Kommandanten sich einer bejahenden und anregenden Ttigkeit zugewandt haben und das phanta-

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    stische Leben der langen Kriegsjahre, dieses stndige Spielen mit dem Tode, in neuen Berufen, die alle ihre Krfte in An-spruch nehmen, vergessen, hat Hersing sich in die Einsamkeit des Landes vergraben, wo er nicht so leicht vergit, sondern ungestrt in den Bildern der Vergangenheit whlen kann. Er war von allen U-Boot-Leuten, die ich sprach, der verbittertste und der, der sich am wenigsten mit seinem und seines Landes hartem Los nach dem Kriege abfinden konnte. Die meisten anderen hatten sich mehr oder weniger in das Unvermeidliche gefgt, was bei werkttigen Menschen, die gewohnt sind, den Tatsachen in die Augen zu sehen, das Natrliche ist.

    Es war ein selten anregender Tag fr mich, dieser eine Tag in Rastede. Hersing sowohl wie seine liebenswrdige Gattin berschtteten mich mit herzlicher Gastfreundschaft, mit Es-sen und Trinken und mit der Flle der Kriegserlebnisse, de-rentwegen ich gekommen war. Am Abend begleiteten sie mich zu meinem Gasthof, und bis in die spte Nacht hinein trennten wir uns nicht von dem kstlichen U-Boot-Garn. Die grn uniformierten Jger des Groherzogs saen um uns her-um und tranken aus groen Steinkrgen Bier, und die einfa-chen Dorfbewohner gingen ein und aus. Im Nebenraum tagte eine Versammlung von einem Kriegerverein. Als sie zu Ende war, umdrngten seine Mitglieder den U-Boot-Komman-danten mit freudigen Begrungsworten. Es war deutlich zu sehen, welches Ansehen er bei ihnen allen geno. Als der Aus-lnder ihnen vorgestellt wurde, der gekommen war, um die Abenteuer der Helden, die in der Tiefe des Meeres gekmpft hatten, aufzuschreiben, zeigten sie noch mehr Herzlichkeit und schwatzten und blieben und sangen alte schne Lieder. Es wurde ein einfacher, festlicher, gemtlicher Abend durch den doch die Bilder von auftauchenden Kommandotrmen und untergehenden Schiffen wie ferne Geistersagen hindurch-

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    leuchteten: Geschichten von Menschen aus Fleisch und Blut, die, umgeben von dem Bersten von Wasserbomben, fnfzig Meter unter dem Meere in einer kleinen zigarrenfrmigen Granate dahinfuhren.

    Hersings Geschichte war wie eine Oper, die mit krftigem Einsatz eine gewaltige Handlung erffnete. Er streifte kurz eine Reihe von frheren Ereignissen, um dann auf das groe Abenteuer berzugehen.

    Sein erstes Schiff war gleichzeitig das erste Kriegsschiff, das U-Booten zum Opfer fiel, der britische Kreuzer Pathfinder. Dann kam wieder ein Rekord, ein erstes Mal. U 17 hatte das erste Handelsschiff versenkt, den Dampfer Glitra. Nach diesem Ergebnis entschlo sich die deutsche Admiralitt zum allgemeinen U-Boot-Handelskrieg. Der eingeschrnkte U-Boot-Krieg wurde gegen die Schiffe der Alliierten erffnet. Hersing ging mit U 21 in See.

    Der Novembernebel ist dicht, die See strmisch. Ein U-Boot

    eben aufgetaucht peitscht die Wogen an der franzsischen Kste. Ein Dampfer erscheint in dem Nebel der franzsische Dampfer Malachite. Ein Schu vor seinen Bug und er dreht bei. Hersing bringt U 21 lngsseit. Die See geht so hoch und die feindlichen Kriegsschiffe sind so nahe, da Her-sing es nicht wagen kann, ein Prisenkommando hinberzu-schicken, um den Dampfer zu versenken. U 21 mu jeden Augenblick tauchklar sein.

    Bringen Sie Ihre Papiere herber! ruft Hersing dem fran-zsischen Kapitn zu.

    Der Franzose lt ein Boot zu Wasser. Einige krftige Ru-derschlge und die Schiffspapiere der Malachite liegen in den Hnden des deutschen Kommandanten. Sie zeigen, da das Schiff Konterbande von Liverpool nach Le Havre fhrt.

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    Also eine regelrechte Prise nach dem Gesetz. Verlassen Sie das Schiff! Scharf klingt der Befehl an das

    Ohr des entsetzten Kapitns. Bald pullen die Rettungsboote der nahen Kste zu und das

    Heckgeschtz von U 21 donnert. Nach einigen wohlgeziel-ten Treffern in die Wasserlinie legt sich die Malachite ber und versinkt. Sie ist das erste Opfer der deutschen U-Boote in dem krzlich erklrten Handelskrieg. Drei Tage spter schliet sich der britische Dampfer Primo, der Kohlen von England nach Rouen geladen hatte, der Malachite auf ihrem Wege in die Tiefe des Meeres an. Dies ist das zweite Schiff in der langen Liste der im Weltkrieg versenkten Dampfer.

    Im Januar 1915 machte U 21 die erste seiner Rekordfahr-ten. Obwohl der U-Boot-Krieg damals erst begonnen hatte, fingen die Nerven der Seefahrer schon vor Furcht zu kribbeln an. Mit eintniger Gleichmigkeit versenkten die U-Boote Handelsschiffe. Etwas von dem Entsetzen, das spter wie ein schauriger Sturmwind ber die Ozeane brauste, lag jetzt schon in den Augen, die mitrauisch die Wellen nach dem Unglck bringenden, beweglichen kleinen Stock, dem Sehrohr, absuch-ten. Bis jetzt allerdings nur in den Nachbargewssern der kriegstobenden Nordsee. Weiter westlich, zwischen England und Irland, war noch alles in Ordnung. Die Schiffe, die in der Irischen See von und nach Liverpool fuhren, hatten noch nichts vom Kriege gesprt. Sie fuhren wie im tiefsten Frieden. Ein U-Boot in der Irischen See! Welch ein Unsinn. Wer htte jemals gehrt, da U-Boote so weit ab von ihrer Basis operier-ten?

    Und doch, U 21 war unterwegs nach der Irischen See. Es gab zwei Wege. Einmal durch den englischen Kanal und

    zweitens rund um Schottland herum. Der letzte Weg erschien viel zu weit, denn solche Strecken traute man damals den U-

  • 42

    Booten noch nicht zu. Der englische Kanal lag voll von Minen und Netzen, aber das half nichts. U 21 stahl sich glcklich unterwasser durch den gefhrlichen Schlauch hindurch. Es wimmelte von Kriegsschiffen. Groe Truppentransporter, umgeben von zahlreichen Zerstrern, zogen nach Osten, um ihre wertvolle Menschenfracht auf Frankreichs Schlachtfel-dern abzuladen. Wie Hornissen umschwrmten die kleinen Torpedoboote die Riesendampfer und machten jeden Angriff des U-Bootes unmglich. U 21 schlngelte sich durch all den Wirrwarr hindurch, umging geschickt die Netze, die an ihren Haltebojen weithin erkenntlich waren, und war zu sei-nem Erstaunen in der Lage, den zahllosen Minen, die die enge Durchfahrt sperren sollten, mit Leichtigkeit auszuweichen. Die Englnder hatten nmlich bei ihrem ersten Minenlegen einen Fehler gemacht, indem sie die teuflischen schwarzen Kugeln zu lang verankert hatten, so da sie zu nahe an der Oberflche schwammen und bei Niedrigwasser zu sehen wa-ren. Zu dieser Zeit fuhr Hersing hindurch und hatte alle Mi-nen klar in Sicht.

    Nun ging es in den St. Georg-Kanal hinein und dann direkt auf Liverpool los. Ganz nahe bei diesem bedeutenden Hafen wagte Hersing ein Husarenstck. Neben den Docks von Bar-row lag ein Flughafen mit langen Reihen von schimmernden Hallen. Der Flugplatz wimmelte von Flugzeugen aller Gren. .,U 21 schlich sich unter Wasser dicht an Land, tauchte pltz-lich auf und berschttete die Docks und die Flughallen mit einem rasenden Schnellfeuer aus seinen beiden Geschtzen.

    Der Schrecken an Land mu furchtbar gewesen sein. Er wurde abgelst von einer fieberhaften Abwehrttigkeit. K-stenbatterien, Flugzeug-Abwehrgeschtze, alles, was schieen konnte, erffnete ein wildes Feuer auf das freche U-Boot. Das lie sich, seiner Natur entsprechend, auf nichts ein und tauch-

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    te schleunigst in die Fluten, als die ersten feindlichen Granaten heransausten. Zum Kampf gegen Kstenforts waren U-Boote schlielich nicht gebaut. Wo die Araber ihre Zelte zusammen-gefaltet haben wrden, schlo Hersing seine Luken und ver-schwand.

    Sechs Meilen auerhalb des Hafens von Liverpool ri der Kapitn des 6000-Tonnen-Dampfers Ben Cruachan pltzlich seine Augen auf. Eine Granate heulte ber seine Brcke ein U-Boot war auf einmal da? Nach wenigen Minuten studierte Hersing die Schiffspapiere. Das war einmal ein schnes Studi-um! Kohlen fr die Grand Fleet! Abzuliefern in Scapa Flow? Das war mal was fr eine Nuschale von 60 Meter Lnge und 38 Mann Besatzung, dem Herrn Admiral Jellicoe eine Schiffsladung Kohlen fr seine mchtigen Geschwader fortzu-nehmen. Ein paar Bomben, richtig auf dem Englnder ange-bracht, und Admiral Jellicoes Kohlen kullerten auf den Grund der Irischen See. Drei Stunden spter ereilte den Dampfer Linda Blanche sein Geschick und am Sptnachmit-tag die Kilcuan.

    Allmhlich wurde die Luft hei. Die Nachricht, da ein U-Boot vor Liverpool Dampfer auf Dampfer versenkte, war auf-regend genug. Zerstrer und Patrouillenboote aller Art schwrmten umher und jagten ungestm hierhin und dorthin auf der Suche nach einem Sehrohr. Das war nichts mehr fr ein vernnftiges U-Boot. Hersing ging lachend auf Heimat-kurs und gelangte auch glcklich durch den Kanal zurck nach Wilhelmshaven.

    Und nun kommt die Erzhlung von der berhmten Fahrt nach Konstantinopel und der Versenkung der beiden groen Schlachtschiffe vor Gallipoli. Kapitnleutnant Hersing spricht mit einer merkwrdig heiseren und erregten Stimme. Wir sit-zen wie gebannt rings um den einfachen Tisch im Gasthof von

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    Rastede. Die grnen Jger des Groherzogs von Oldenburg im Nebenraum trinken, lachen und singen.

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    Im U-Boot von der Nordsee nach der Hlle von Gallipoli

    Wir von der deutschen Marine verfolgten natrlich ge-spannt die Entwicklung der Dinge in den Dardanellen. Die Alliierten hatten soeben mit ihrem berhmten Angriff auf die Trkei begonnen. England und Frankreich versuchten, die Durchfahrt durchs Goldene Horn zu erzwingen. Sie hatten eine mchtige Flotte versammelt und angefangen, die uralte Strae des Hellespont zu attackieren, jenen schmalen Wasser-weg, der zwischen steilen Klippen von den weiten Flchen des Mittelmeeres bis zu der alten trkischen Hauptstadt fhrt. Schiffe gegen Forts, eine altbekannte Kampfesweise im See-krieg.

    Die riesenhaften Geschtze der alliierten Geschwader hatten die Befestigungen in den Straits mit einem Regen ihrer 38-Zentimeter-Granaten berschttet. Die Beschieung hatte mit einer Strke eingesetzt, die in der ganzen Welt Aufsehen erreg-te, und steigerte sich trotzdem von Tag zu Tag. Die Trken hatten den Kaiser um U-Boote gebeten, um ihnen zu helfen, den Angriff abzuschlagen. Obwohl dieses Ansinnen nach da-maliger Ansicht kaum durchfhrbar war, hatten die Marine-behrden sich bereit erklrt, den Versuch zu machen. Ich be-kam den Befehl dazu. Eine Fahrt von Wilhelmshaven nach Konstantinopel war eine unerhrte Zumutung fr ein U-Boot. Aber es mute versucht werden. Zunchst mit einem einzelnen Boote. Das sollte U 21 sein. Uns war zumute, als mten wir

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    die Neuigkeit in alle Himmelsgegenden hinausschreien. Das mag verstndlich sein, aber mit dem Hinausschreien

    war es nichts, denn das Wichtigste bei der ganzen Unterneh-mung war die strengste Geheimhaltung. Naturgem waren die Vorbereitungen fr eine solche Pionierfahrt nicht gering. Alles wurde in grter Heimlichkeit ausgefhrt. Die Hauptsa-che war, die feindlichen Schiffe vor den Dardanellen zu ber-raschen. Sie durften nicht im Traume an das pltzliche Auf-tauchen eines deutschen U-Bootes im Mittelmeer denken. Um-fassende Anordnungen muten fr unsere Fahrt getroffen werden. Auf der ganzen Strecke bis Konstantinopel war kein Hafen einer befreundeten Macht, den wir zum Auffllen von Proviant und Brennstoff anlaufen konnten, bis zu dem ster-reichischen Hafen von Cattaro im Adriatischen Meer. Und bis dahin waren es immerhin 4000 Seemeilen. Von keinem U-Boot der damaligen Zeit konnte man erwarten, da es fr eine sol-che Fahrt gengend Proviant und Brennstoff mitfhrte. Ir-gendwo muten wir unterwegs Gelegenheit haben, beides aufzufllen. Der Admiralstab richtete es so ein, da wir an ei-nem bestimmten Tage an der spanischen Kste den Hapag-dampfer Marzala treffen sollten, der uns mit Lebensmitteln und Treibl versorgen wrde.

    Whrend U 21 ausgerstet wurde, brach der Hauptan-griff der alliierten Geschwader auf die Dardanellen zusam-men. Die Kstenforts hatten die Angriffe der Panzerschiffe abgeschlagen und ihnen empfindliche Verluste beigebracht. Es war unmglich geworden, mit Schiffen gegen Forts zu kmp-fen und die Durchfahrt durch die Meerenge auf diese Weise zu erzwingen. Die Alliierten gaben den Versuch auf. Das be-deutete aber nur, da das Ringen um die Dardanellen in ande-rer und viel blutigerer Weise fortgesetzt wurde. Der neue Ge-danke war, die Meerenge von der Landseite aus zu nehmen,

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    Truppen zu landen und an den langgestreckten Ufern vorzu-stoen. Wir hatten erfahren, da starke Truppenmassen be-reitgestellt worden waren und am selben Tage, als U 21 zu der Fahrt nach Konstantinopel auslief, landeten die australi-schen und neuseelndischen Regimenter an der gefrchteten, glhendheien Kste von Gallipoli, wo ein neues, schreckli-ches Kapitel dieses Krieges begann.

    Der Zweck meiner Unternehmung wurde dadurch in keiner Weise beeinflut. Es war klar, da Schiffe und U-Boote auch bei dem Landangriff eine bedeutende Rolle spielen wrden. Die Truppentransporte und rckwrtigen Verbindungen brauchten Bedeckung. Wir waren gespannt, was die Zukunft uns bescheren wrde und ob wir jemals nach Konstantinopel kmen.

    Am 25. April 115 liefen wir aus Wilhelmshaven aus und gingen auf nrdlichen Kurs. Wir hatten Befehl, uns unterwegs auf nichts einzulassen und nur das eine Ziel im Auge zu ha-ben: Konstantinopel. Wir nahmen daher auch den Umweg um Schottland in Kauf, da der Kanal zwischen England und Frankreich inzwischen durch neue Minenfelder und Netzsper-ren fr durchfahrende U-Boote zu einer ungeheuren Gefahr geworden war. Schiffe, denen wir begegneten, mochten fr andere U-Boote gut sein, uns lieen sie kalt.

    Nrdlich von den Orkneys lag dicker Nebel. Wir fuhren ber Wasser, als es pltzlich aufklarte.

    Donnerwetter, rief da mein Wachoffizier mit entsetzter Stimme. Ich stand an Deck in seiner Nhe. Wir lagen mitten zwischen Patrouillen-Booten. Es war eine ganze Mahalla, rings um uns herum.

    Ihr Erkennungszeichen? signalisierte das uns zunchst fahrende Schiff, bevor wir Zeit gehabt hatten zu tauchen.

    Der Englnder hatte uns beim ersten Insichtkommen aus

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    dem Nebel fr einen Landsmann gehalten. Wir machten uns das zunutze und wollten gerade wegtauchen, als eine neue Nebelbank kam und uns verdeckte. Wir brausten mit hchster Fahrt los und verlieen diese gefhrliche Gegend. Das Pa-trouillenboot mag umsonst nach uns gesucht haben. Der Ne-bel hielt an und war uns ein willkommener Bundesgenosse beim Durchbruch durch die englische Blockade.

    Eine Woche, nachdem wir Wilhelmshaven verlassen hatten, nherten wir uns der nordwestlichen Ecke der spanischen K-ste bei Kap Finisterre. Die Sonne schien warm auf unsere Le-derjacken und die See war ruhig wie ein Teich. Unsere Augen wanderten umher, als ob wir den grten englischen ber-dreadnought suchten, um ihn zu torpedieren. Endlich sahen wir weit am Horizont, dort, wo Himmel und Wasser sich be-rhrten, eine Rauchwolke. Sie wuchs und wuchs und schlie-lich zeichneten sich die Umrisse eines Schiffes unter ihr ab. Ja, es stimmte, das war die Marzala, unser Vorratsschiff. Bald waren wir nah genug, um Signale miteinander auszutauschen. Die Marzala hielt auf Land zu. Wir folgten ihr gehorsam wie ein Hndchen. Bei Nacht lagen wir nebeneinander in der Mndung des Rio Corcubion und nahmen Mengen von Le-bensmitteln, Wasser und zwlf Tonnen Treibl ber. Eine kurze Verbrderung bei diesem heimlichen, nchtlichen Tref-fen, ein krftiger Hndedruck von Mann zu Mann und laut-los glitten wir von der mchtigen Schiffswand ab ins dunkle Meer, froh ber unsere vollen Speisekammern und unsere aufgefllten ltanks.

    Unsere Zuversicht sollte bald in Trbsal umschlagen. Das l, das wir von der Marzala bekommen hatten, wollte in unseren Dieselmotoren nicht brennen. Wir probierten und probierten und experimentierten mit ihm herum, aber es woll-te nicht. Wir versuchten, es mit unserem l zu mischen, aber

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    der Erfolg war derselbe, als wenn man ein frisches Ei mit ei-nem faulen zusammenrhrt. Die Mischung war genau so un-brauchbar wie das l von der Marzala. Da waren wir nun, 2000 Meilen von der Heimat entfernt und noch mehr von Cat-taro. Wir waren mit 56 Tonnen l ausgelaufen und hatten jetzt noch 25.

    Sollte ich nach Wilhelmshaven zurckgehen oder den Ver-such machen, nach Cattaro zu gelangen. Keins von beiden war ein Vergngen. Wir hatten bis hierher 31 Tonnen l ver-braucht und hatten nur noch 25 brig fr die lange Rckfahrt rund um Schottland. Es war hchstwahrscheinlich, da wir damit nicht auskommen wrden. Ebenso unwahrscheinlich war es, da wir damit die grere Strecke bis Cattaro bewlti-gen wrden. Ich hatte keine Vorstellung davon, welch unge-heuer wichtige Rolle unserem U 21 bei dem Ausgang der Ereignisse an den Dardanellen vom Schicksal vorbehalten war, sonst htte ich sicherlich weniger gezgert. Und schlie-lich war es nun mal meine Art, den khneren Weg vorzuzie-hen, wenn ich die Wahl hatte. Wer wei, ob wir nicht im Nor-den viel mehr schlechtes, lfressendes Wetter trafen als auf dem sonnigeren Kurs in den Sden.

    Wir gehen nach Cattaro, sagte ich zu der Besatzung. Wenn wir Glck haben, kommen wir hin.

    Alle waren begeistert. Unser Erfolg hing wesentlich davon ab, da wir ungestrt und ohne viel zu tauchen vorwrts-kamen, denn jedes Tauchmanver verschlang eine Menge l. Wenn wir dann mit sparsamster Fahrt liefen, konnten wir es gerade bis Cattaro schaffen. Wurden wir dagegen viel gestrt, so da unser knapper lvorrat unnormal beansprucht wurde, dann wrden wir eventuell gezwungen sein, einen neutralen Hafen anzulaufen. Der Gedanke, dort interniert zu werden, war nicht gerade schn.

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    Von allen stumpfsinnigen Fahrten meines Lebens wurde diese die stumpfsinnigste. Wir krebsten frmlich an der Ober-flche entlang und vermieden sorgfltig die Dampferrouten. Sobald wir eine Rauchwolke entdeckten, wichen wir im gro-en Bogen aus. Die Fahrt von Kap Finisterre bis Gibraltar dau-erte vier Tage. Die Sonne schien herrlich vom Himmel und das Meer war trge und ruhig. Wir schlugen die Stunden tot, schliefen und spielten Karten an Deck und brauchten nicht einmal zu tauchen.

    Bei Gibraltar dachte niemand an U-Boote, auer vielleicht im Traum. Nirgends war ein Patrouillenboot zu sehen. Wir waren so sehr auf Sparen unseres Brennstoffes bedacht, da wir seelenruhig in aufgetauchtem Zustande in die Meerenge hineinfuhren. Es war am 6. Mai. Wir krochen an der afrikani-schen Kste entlang und hielten uns soweit als mglich auer Sicht und Schuweite der britischen Geschtze jenseits des schmalen Wasserstreifens. Friedlich zogen wir unseres Weges, bis wir am Nachmittag zwei kleine Torpedoboote entdeckten, die in gleicher Richtung fuhren wie wir. Ob sie uns sehen wrden? Ja, wahrhaftig, es sah so aus. Das war schlimm, aber ein Zweifel ausgeschlossen. Sie drehten pltzlich hart auf uns zu und liefen, was sie konnten.

    Klar zum Tauchen! Zgernd gab ich das Kommando. Es fiel uns nicht schwer, ihnen auszuweichen, aber das war

    ein schwacher Trost. Ich sparte mein l mit demselben Geiz wie ein Knicker sein Geld. Und nun wrde die Anwesenheit eines deutschen U-Bootes im Mittelmeer bekannt werden, wrden die Schlachtschiffe, die vor Gallipoli lagen, gewarnt, und das Schlimmste, es wrde eine Meute von Zerstrern auf unsere Spur gehetzt werden und uns dauernd zum Tauchen zwingen. Ach, mein schnes, schnes, teures l.

    Wie ein Fuchs schlichen wir uns vorsichtig weiter, allem aus

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    dem Wege gehend, was unseren Weg kreuzen konnte. Da, schon wieder, Dampfer voraus! Ein groer, allem Anschein nach bewaffneter Dampfer kam auf uns zu. Es blieb uns nichts anderes brig, als zu tauchen. ngstlich blickte ich auf die lmanometer, es wurde immer weniger. Und dann da hat-ten wir die Bescherung feindliche Zerstrer. Zwei Franzosen sahen uns und erffneten das Feuer. Wieder runter. Es war zum Verrcktwerden.

    Eine Woche, nachdem wir Gibraltar hinter uns gelassen hat-ten, und 18 Tage nach Auslaufen aus Wilhelmshaven, trafen wir in der Adria ein. Am 13. Mai nahm uns ein sterreichi-scher Zerstrer in Schlepp. Wir hatten noch 1,8 Tonnen l in unseren Tanks. Andere Zahlen, meinen Geburtstag, mein Al-ter kann ich vielleicht vergessen; diese Zahl hat sich mir un-auslschlich eingeprgt.

    In Cattaro erhielten wir genaue Nachrichten ber den Stand der Dinge an den Dardanellen. Die Englnder und die Trken waren aus der Halbinsel von Gallipoli in den wildesten Kampf auf Tod und Leben verstrickt. Die Anzar-Regimenter griffen die trkischen Grben Tag fr Tag mit unbarmherziger Wild-heit und Tapferkeit an und wurden immer wieder von der stoischen Ruhe und Todesverachtung der trkischen Soldaten mit blutigen Verlusten zurckgeschlagen. Die Briten unter-sttzten ihre Angriffe von der Seeseite aus. Die Schiffe Seiner britischen Majestt warfen das ganze Gewicht ihrer groen Kaliber zu Hilfe der angreifenden Bataillone an Land. Die groen Panzerschiffe kreuzten dicht unter der Kste und hiel-ten die Stellungen der Trken unter einem frchterlichen ver-wstenden Schauer ihrer riesigen 38-Zentimeter-Granaten. Ganze Tonnen von hochwertigem Sprengstoff sausten unun-terbrochen auf die trkischen Grben und Unterstnde nieder, ohne da die Beschossenen darauf antworten konnten.

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    Im Geiste sah ich mich schon heranschleichen an diese feu-erspeienden Riesen, die dort dicht unter Land lagen. Es war selten genug, da ein U-Boot-Kommandant so glcklich war, britische Schlachtschiffe auerhalb des schtzenden Hafens anzutreffen, und noch dazu aufgebaut wie hingesetzte Schei-ben.

    Nachdem wir das Boot innerhalb einer Woche berholt und mit Proviant und Brennstoff versehen hatten, gingen wir in See. Wir fuhren an der Kste entlang nach Sden, durchquer-ten dann den griechischen Archipel und nherten uns schlie-lich der blutgetrnkten Halbinsel von Gallipoli. Die Briten hat-ten die ganze Gegend mit Minen verseucht, so da wir uns dicht an der Kste entlangquetschen muten, um diesen h-lichen Unterwasser-Rben zu entgehen. Die ganze Nacht zum 24. Mai zogen wir uns, an der Oberflche langsam nach Sden fahrend, immer nher an die verhngnisvolle Landzunge her-an, auf deren verwsteter sdlichster Spitze die blutigste Schlacht tobte, die dieser blutige Krieg gesehen hat. Im Schut-ze der Dunkelheit kamen wir denn auch glcklich durch die Linie der Bewachungsschiffe hindurch.

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    Die Versenkung des Linienschiffs ,,Triumph

    Der Tag graute. Nackt und in flammendem Gelb lag die Kste mit weiten Strandflchen, zackigen Felsen und welligen Hgeln vor uns. Kein Kanonendonner war zu hren. Die tg-liche Schlacht hatte noch nicht begonnen. Die See war ruhig und glatt wie ein Spiegel, was leider fr das, was wir vorhat-ten, nicht gerade gnstig war. Es war nicht ratsam, das Sehrohr in dieser glasigen, spiegelnden Flche zu zeigen. Wir tauchten und schlngelten uns vorsichtig nher an die Kampf-zone heran.

    Im Sehrohrauge erschienen Schiffe. Ein genauer berblick war unmglich, denn alles, was ich wagen konnte, war, die Linse des Objektivs fr Sekunden zentimeterweise an die Ober-flche zu bringen in der stillen Hoffnung, da es niemand be-merkte. Endlich sah ich im blitzartigen Schauen drei britische Linienschiffe vor Kap Hellas liegen. Mit eingezogenem Sehrohr fuhren wir darauf zu. Ein schneller Blick in den Flottenkalen-der, und ich wute aus den Bildern und Beschreibungen, da es Schiffe der Majestic-Klasse sein muten. Wieder ein kurzes Auslugen. Die Riesen schossen Salven mit ihren ganzen Breit-seiten auf die trkischen Stellungen zwischen den Hgeln.

    Ganz in der Nhe der Linienschiffe lag ein Lazarettschiff. Dutzende von Patrouillenbooten, Torpedobooten und groen Zerstrern fegten um die Kolosse herum und wachten dar-ber, da ihnen kein ungebetener Gast zu nahe kme. Wozu diese nervse, sorgsame Wachsamkeit? War unsere Anwesen-

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    heit im Mittelmeer doch bekannt geworden? Wie dem auch sei, jedenfalls war es klar, da die Briten jede nur mgliche Sorgfalt anwandten, um ihre Linienschiffe vor U-Boot-Angriffen zu schtzen, whrend sie aus ihren feuerspeienden Monstergeschtzen ihre Granaten auf die trkischen Ksten-stellungen schleuderten.

    Donnerwetter, ist das ein Anblick! rief ich frohlockend meinem Wachoffizier zu und manvrierte U 21 vorsichtig nher an die rasend feuernden Ungeheuer heran.

    Sehrohr einfahren! Ein Zerstrer kam auf uns zu. Ich wu-te nicht, ob er uns gesehen hatte, aber ich wollte auf keinen Fall Gefahr laufen, da unsere Anwesenheit vorzeitig verraten und Warnungen in alle Welt geschrien wrden. Jetzt war das Ziel vor Augen. Jetzt hie es aufpassen.

    Blind fuhren wir eine Zeitlang unter Wasser. Ich hielt es fr besser, unseren Spargel in der Gegend vorlufig unten zu las-sen. Mit Nordkurs steuerten wir von der Spitze der Halbinsel auf Kaba-Tepe zu. Dort hielt ich vorsichtige Umschau und sah ein Linienschiff nahe am Nordstrand liegen. Mein Nachschla-gebuch zeigte, da es ein Schiff der Triumph-Klasse sei. Auch hier war der unvermeidliche Schwarm von Patrouillen-booten und Zerstrern, die wie die Zwerge um den Riesen herumtanzten, um ihn vor U-Boot-Angriffen zu schtzen.

    Sehrohr ein! Ich ging auf zwanzig Meter Tiefe hinab und nahm direkten Kurs auf das Monsterschiff. Wir tauchten tief unter der Linie der Bewachungsfahrzeuge hindurch. Ihre Schraubengerusche, die wir deutlich hren konnten, dienten uns als Wegweiser. Vier und eine halbe Stunde, nachdem ich das Schiff es war tatschlich H. M. S. Triumph in Sicht bekommen hatte, manvrierte ich U 21 zum Torpedoschu, wie ein Fuchs anschleichend und das Sehrohr nur fr kurze Sekunden zeigend.

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  • Englischer Zerstrer wirft Wasserbomben und wartet Kriegsmarinesammlung

    auf den lfleck (von oben gesehen), das untrgliche Zeichen der Vernichtung eines U-Bootes Kriegsmarinesammlung

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    Mit angehaltenem Atem standen mein Wachoffizier und ich im Kommandoturm. Immer mrderischer wurde die Lage, mrderisch fr den gewaltigen Titanen dort oben an der Ober-flche.

    Sehrohr ausfahren! H. M. S. Triumph lag in finsterer Ma-jestt, breit und mchtig, in nur dreihundert Meter Abstand vor uns. Noch niemals je zuvor hatte ein U-Boot ein solches Ziel vor sich gehabt.

    Erster Torpedo loooos!! Mein Herz machte einen richti-gen Satz, als ich diesen Befehl hinausschreien konnte.

    Ach, diese qualvollen Sekunden, die jetzt kamen, in denen nichts geschah, als da Zweifel und Ungeduld meine Sinne marterten! Rcksichtslos und unbekmmert lie ich das Sehrohr drauen und stierte, starrte und fra mit hervor-quellenden Augen den weien Schaumstreifen, der viel zu langsam vor uns hinlief. Wrde er gerade laufen? dann war keine Rettung fr den Riesen, wrde er abbiegen? Nein, er lief geradeaus, schnurgerade darauf zu, ah, bravo, lauf Tor-pedo, lauf! Und jetzt. Hurra! Hurra! Eine Riesenwolke von Qualm und Wasser scho empor. Erst kam eine trockene, me-tallische Erschtterung und dann eine furchtbare, langrollen-de Detonation.

    Es war ein unerhrt fesselnder und schrecklicher Anblick, der sich mir jetzt bot, und ich sehnte mich mit jeder Fiber da-nach, weiteres zu sehen. Aber das, was ich bisher gesehen hat-te, war schon beinahe genug, um uns das Leben zu kosten. Denn vom Abfeuern des Torpedos an, dessen Luftblase einen weien Strudel hinterlie, hatten uns die Zerstrer bemerkt und waren von allen Seiten hinter uns her.

    Sehrohr ein! Runter mit dem Boot! Auf dreiig Meter ge-hen! Rechts und links und ber uns donnerten die Schrauben unserer Verfolger. Mein Gott, warum war ich nicht gleich nach

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    dem Schu verschwunden? Jetzt war es zu spt, jetzt hatten sie uns. War denn kein Ausweg mehr? Ha, doch! Ein Gedanke scho durch meinen Kopf. U 21 lt sich nicht so schnell fangen!

    uerste Kraft voraus! rief ich, und fuhr in der gleichen Richtung, die der Torpedo gelaufen war, geradewegs auf un-ser Opfer zu.

    Ich gebe zu, da das ein tollkhner Entschlu war, aber es blieb mir keine andere Wahl. Wir tauchten so tief unter, als die Wassertiefe es erlaubte, und fuhren genau unter dem sinken-den Schlachtschiff hindurch. Ich mute mit der Mglichkeit rechnen, da es auf uns herabsank, denn gut genug hatte der Torpedo gesessen, da unsere riesenhafte Beute uns im To-deskampf umarmen und mit sich in die Tiefe ziehen wrde. Fr Minuten preten meine Hnde die harten Handgriffe des Sehrohrs, dann lieen sie langsam los. Es war geglckt, das tollkhne Manver hatte uns gerettet. Die Schraubengeru-sche der Zerstrer waren verstummt, denn die suchten uns in der Gegend, von der der Torpedo gekommen war. Die waren gar nicht auf den Gedanken gekommen, da wir unter dem sinkenden Schiff durchgetaucht sein knnten. Tiefe, wohltu-ende Ruhe umgab uns. Gemchlich und in voller Sicherheit zogen wir unseres Weges und hatten tief in der Brust ein ei-gentmlich jubilierendes Gefhl. Schlielich wagte ich wieder einen Blick nach oben, weitab von dem Platze, wo das Panzer-schiff Triumph von seinem Schicksal ereilt worden war.

    Erst mehrere Tage spter, als U 21 in den Hafen zurck-gekehrt war, hrte Kapitnleutnant Hersing das Ende der Ge-schichte. Das von ihm torpedierte Linienschiff war tatschlich H. M. S. Triumph, mit einer Wasserverdrngung von 12 000 Tonnen und einer Bewaffnung von 38-Zentimeter-Geschtzen. Die Triumph war erst krzlich nach dem Mittelmeer ge-

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    kommen, nachdem sie in China die Belagerung von Tsingtau mitgemacht hatte. Seit mehreren Tagen hatte sie unausgesetzt aus nchster Entfernung die trkischen Stellungen bombar-diert, ohne von der Gegenseite darin gestrt werden zu kn-nen. Rings um das Schiff waren die Torpedonetze ausgebreitet gewesen zur Sicherheit gegen U-Boote. Es war mehr eine Formsache gewesen, denn von der Anwesenheit von U 21 hatten die Englnder nicht einmal getrumt.

    In den Schtzengrben lagen sich Anzars und Trken wie immer gegenber. Gewohnheitsmig duckten sie sich vor dem Feuer der Scharfschtzen. Handgranaten und Minenwer-fer und auf trkischer Seite ganz besonders vor den schweren Koffern des vom Teufel gesandten Linienschiffes. Pltzlich donnerte von der nahen See das Rollen einer furchtbaren De-tonation herber. Sie sahen die Triumph zusammenzucken wie einen getroffenen Riesen. Dann verschwand sie hinter ei-ner Wolke von Wasser, Rauch und hoch in der Luft umher-fliegenden Trmmern. Wenige Minuten spter legte sie sich schwer auf die Seite, kenterte dann ganz und zeigte ihren mchtigen, breiten Kiel. Innerhalb dreiig Minuten war sie verschwunden. Wachboote und Zerstrer wimmelten umher, retteten Menschen aus dem Wasser und suchten hastig nach dem Verbrecher, der sich eingeschlichen und so gnzlich un-erwartet zum vernichtenden Schlag ausgeholt hatte.

    Am grnen Tisch der britischen Admiralitt in London sitzt der Kommandant eines jener Zerstrer, der Hersing zu seinem tollkhnen Tauchen unter dem sinkenden Schlachtschiff hin-zwang.

    Der deutsche Torpedo, erzhlte er, flitzte durch die Tor-pedonetze hindurch, wie ein Clown durch einen Papierreifen. Dann kam die Detonation, und als sie verklungen war, lag die Triumph bereits zehn Grad ber. Alles, was in der Nhe

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    war, strzte auf sie zu, um berlebende zu retten und auf das U-Boot Jagd zu machen. Die Triumph selbst erffnete noch das Feuer auf das Sehrohr und wies uns damit den Weg. In dem Durcheinander traf sie eins unserer eigenen Schiffe.

    Ich sah alles aus nchster Nhe. Die Triumph begann zu kentern. Menschen krabbelten wie Fliegen auf ihrem blanken Rumpf umher und strzten ins Wasser. Ich sehe noch einen chinesischen Heizer vor mir, der sich an eine Masche des Tor-pedonetzes klammerte. Dann kam der schreckliche Strudel, als das Panzerschiff kenterte. Der entsetzte Sohn des Himmels wurde mit einemmal aus seiner stoischen Ruhe gerissen. Er flog im weiten Bogen etwa fnfzig Meter weit ins Meer. Auch Fitzmaurice, der Kommandant der Triumph, wurde durch die Luft geschleudert, wie aus einer Kanone geschossen. Ein Zerstrer zog ihn heraus, wie man sich erzhlte, mit dem Monokel fest im Auge!

    Das sinkende Schlachtschiff bot einen grauenhaften Anblick dar. Das Meer war bedeckt mit Menschen, die mit dem Tode rangen. Nur ein kleiner Teil konnte von den verzweifelt arbei-tenden Booten aufgegriffen werden. Mitten dazwischen lag der gekenterte Riese, kieloben, anzuschauen wie ein giganti-scher Wal. Es war eine Schmach und Schande, dies jammer-volle Ende eines stolzen Kriegsschiffes mitanzusehen. Eine Zeitlang blieb es in dieser Stellung liegen. Dann ging pltzlich ein Ruck durch die tote Hlle. Das Heck richtete sich hoch auf, stand frei in der Luft und glitt dann ganz langsam und all-mhlich immer tiefer, bis die Fluten sich ber ihm schlossen.

    Der Grund des blauen Agischen Meeres ist nicht einsam und leer. Tausende von Schiffen aller Zeiten versanken hier zur ewigen Ruhe. Die salzigen Fluten bedecken die Taten sa-genhafter Geschichte. Dort, irgendwo zwischen den zer-

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    splitterten Armaden der Trojer und Acher, fand H. M. S. Triumph ihr nasses Grab.

    In Hamburg unterhielt ich mich mit Admiral Wilhelm T-

    gert, der spter Chef des Stabes beim Deutschen Mittel-meergeschwader war.

    Von Land aus war der Anblick der sinkenden Triumph ein solch gewaltiges Schauspiel, da der Krieg fr den Augen-blick vergessen wurde, erzhlte er mir. Die Truppen beider Seiten kamen aus ihren Schtzengrben heraus und standen in freier Sicht voreinander, alles um sich herum vor ungeheurer Aufregung auer acht lassend. Wie gebannt starrten sie hin-ber, bis die Triumph ihre letzte Fahrt angetret