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tier tötet bei Nacht Rinder und Hunde. Niemand...Clifford D. Simak, James H. Schmitz, David I. Masson, Jonathan Brand, R. A. Lafferty, Ron Goulart SCIENCE-FICTION-STORIES 61 (Ullstein

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Die Farmer sind aufgebracht. Ein unbekanntes Raub-tier tötet bei Nacht Rinder und Hunde. Niemandahnt, daß es sich um einen venusischen Nachthundhandelt, der aus dem ersten Kreis der Parazeit ge-kommen ist. Verkan Vall von der Parazeit-Polizei hatden Auftrag, das Tier unschädlich zu machen undalle Spuren zu verwischen, bevor die Bewohner desvierten Kreises es zu Gesicht bekommen ...

DER VENUSISCHE WÜRGER von H. Beam Piper

Als Gallegher den Auftrag annahm, war er betrun-ken. Er konnte sich nicht mehr erinnern, was er hatteerfinden sollen. Bestimmt nicht den eitlen RoboterJoe, der sich ständig vor dem Spiegel bewunderte ...

DER EITLE ROBOTER von Henry Kuttner

Es gab nichts auf diesem abgelegenen Planeten, wasder Mühe einer Untersuchung wert gewesen wäre –außer diesem Schrottplatz, auf dem es aussah, als ha-be eine Raumschiffbesatzung ihr gesamtes Schiff aus-geräumt, einschließlich der Motoren, und habe dannden Planeten fluchtartig verlassen. Erst als man denAntrieb starten wollte, stellte man fest, daß man nichtmehr wußte, wie das ging ...

DIE GEDANKEN-FALLE von Clifford D. Simak

Drei spannende Science-Fiction-Stories aus der Blüte-zeit der SF-Literatur.

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In der Reihe derUllstein Bücher:

SCIENCE-FICTION-STORIES Band 1bis Band 58

SCIENCE-FICTION-STORIES 59(Ullstein Buch 3235)Drei Erzählungen von H. Beam Piper

SCIENCE-FICTION-STORIES 60(Ullstein Buch 3250)Stories von Larry Niven,Clifford D. Simak, James H. Schmitz,David I. Masson, Jonathan Brand,R. A. Lafferty, Ron Goulart

SCIENCE-FICTION-STORIES 61(Ullstein Buch 3260)Stories von Vernor Vinge, HarlanEllison, Christopher Anvil,Fritz Leiber und anderen

SCIENCE-FICTION-STORIES 62(Ullstein Buch 3265)Erzählungen von Frank Herbert,Edgar Pangborn, Kris Neville,Roger Zelazny, Robert Silverbergund Philip Latham

SCIENCE-FICTION-STORIES 63(Ullstein Buch 3285)Phantastische und utopischeErzählungen von Ray Bradbury

SCIENCE-FICTION-STORIES 64(Ullstein Buch 3298)Erzählungen von Thomas M. Disch,Colin Free, Edward Macklin undJack B. Lawson

SCIENCE-FICTION-STORIES 65(Ullstein Buch 3314)Erzählungen von Algis Budrys,Brian W. Aldiss, Fritz Leiberund James H. Schmitz

Ullstein Buch Nr. 3323im Verlag Ullstein GmbH.Frankfurt/M – Berlin – WienAus dem Amerikanischenvon Dolf Strasser, Klaus Fecher undLothar Heinecke

Umschlagillustration: Paul LehrUmschlaggraphik: Ingrid RoehlingAlle Rechte vorbehaltenÜbersetzung © 1977 byVerlag Ullstein GmbH,Frankfurt/M – Berlin – WienPrinted in Germany 1977Gesamtherstellung:Augsburger Druck- undVerlagshaus GmbHISBN 3-548-03323-7

CIP-Kurztitelaufnahme derDeutschen Bibliothek

Science-fiction-stories/hrsg. von Walter Spiegl. –Frankfurt/M., Berlin, Wien:Ullstein.NE: Spiegl. Walter [Hrsg.]66. Von H. Beam Piper ... – 1977.

(Ullstein-Bücher; Nr. 3323:Ullstein 2000)ISBN 3-548-03323-7

NE: Piper, H. Beam [Mitarb.]

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Science-Fiction-Stories 66

vonH. Beam PiperHenry Kuttner

Clifford D. Simak

Herausgegebenvon Walter Spiegl

ein Ullstein Buch

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!

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INHALT

Der venusische WürgerH. Beam Piper .................................................... 6

Der eitle RoboterHenry Kuttner .................................................... 57

Die Gedanken-FalleClifford D. Simak ............................................... 119

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H. Beam Piper

DER VENUSISCHE WÜRGER

John Strawmyer stand abseits von den anderen. Ertrug einen verblichenen Overall und ein schwarzesHemd mit großen Schweißflecken. Den verwittertenFarmgebäuden und dem bereits eine rötlich-gelbeFärbung annehmenden Laubwald unter dem blauenOktoberhimmel hatte er den Rücken zugekehrt. Zor-nig und anklagend stieß er die schwielige Faust in dieLuft.

»Das Kalb da war zweihundert, zweihundertfünf-zig Dollar wert!« rief er. »Und der Hund da – er ge-hörte so gut wie zur Familie. Und jetzt sehen Sie sichdas an! Ich möchte nicht grob werden, aber Sie müs-sen einfach etwas tun!«

Steve Parker, der Wildhüter des Bezirks, richteteseine Leica auf den Hundekadaver und drückte denAuslöser. »Wir tun schon was«, sagte er kurz. Dannging er zu dem verstümmelten Kalb hinüber undsuchte den besten Blickwinkel.

Die beiden Männer im Grau der Staatspolizei sa-hen, daß Parker mit dem Hund fertig war, und tratenhinzu, um ihn sich anzusehen. Der mit den drei Win-keln auf dem Ärmel nahm ihn bei beiden Vorderbei-nen und drehte ihn auf den Rücken. Es war ein gro-ßes Tier unbestimmter Rasse mit zottigem, schwarz-braunem Fell. Etwas hatte den Hund an der Kehleerwischt, die mehrere tiefe Wunden aufwies, und miteinem einzigen Riß vom Brustbein bis zum Schwanzseine Bauchdecke geöffnet. Sie sahen ihn sich sorgfäl-

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tig an und gingen dann zu Parker hinüber, der immernoch das tote Kalb fotografierte. Wie der Hund wieses an beiden Seiten des Kopfes tiefe Wunden auf, undsein Hals war an mehreren Stellen aufgeschlitzt. Dar-über hinaus waren aus einer Flanke große FetzenFleisches herausgerissen.

»Außerhalb der Jagdzeit darf ich keinen Bärenschießen – nein!« klagte Strawmyer weiter. »Aberwenn ein Bär kommt und mein Vieh und meinenHund umbringt, dann ist das recht! So geht's denFarmern immer in diesem Staat! Ich möchte nichtgrob werden ...«

»Dann lassen Sie es doch sein!« fuhr Parker ihn un-geduldig an. »Machen Sie Ihre Schadensmeldung undhalten Sie im übrigen den Mund!« Er wandte sich zuden Männern in Grau mit den Stetson-Hüten. »Habtihr beiden alles gesehen?« fragte er. »Dann sind wirhier fertig.«

Rasch gingen sie zum Haus hinüber. Strawmyer,ein paar Schritte hinter ihnen, schimpfte weiter überdas Unrecht, das den Farmern von Seiten einer zyni-schen und korrupten Regierung widerfuhr. BeimHause angekommen, stiegen sie in den Polizeiwagen– der Sergeant und der Wachtmeister vorne, Parkerhinten, wo er seine Kamera neben einem Winchester-Gewehr auf den Sitz legte.

»Waren Sie da nicht ein bißchen kurz angebunden,Steve?« fragte der Sergeant, während der Wachtmei-ster den Motor anließ.

»Nicht allzusehr. ›Ich möchte nicht grob werden‹«,ahmte Parker den vom Unglück geschlagenen Käl-berbesitzer nach und sagte dann: »Ich bin ziemlich si-cher, daß er im letzten Jahr mindestens vier Stück

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Wild illegal geschossen hat. Sollte ich jemals wasHandfestes gegen ihn in die Hand kriegen, dann wirder noch viel belämmerter sein als jetzt.«

»Das sind die Burschen, die einem immer die Oh-ren vom Kopf jammern«, stimmte der Sergeant zu.»Glauben Sie, daß es wieder das gleiche Tier war?«

»Ja. Der Hund muß es angesprungen haben, als esdas Kalb zerriß. Dieselben oberflächlichen Kratzer amKopf, die tiefen Risse am Hals oder Bauch. Je größerdas Opfer, desto weiter vorn sind die tiefen Risse. Of-fensichtlich packt sie etwas mit den vorderen Krallenam Kopf und reißt sie mit den hinteren Klauen auf.Deswegen glaube ich, daß es ein Luchs ist.«

»Wissen Sie«, sagte der Wachtmeister, »ich hab imKrieg 'ne Menge solcher Wunden gesehen. MeineKompanie landete auf Mindanao, wo die Guerillasaktiv waren. Für mich sieht das nach der Arbeit miteinem Bolo-Messer aus.«

»Aus Armeebeständen werden jede Menge Ma-cheten und Dschungelmesser verkauft«, gab der Ser-geant zu bedenken. »Ich glaube, ich werde bei Dr.Winters im Bezirkskrankenhaus vorbeischauen undnachsehen, ob er alle seine Irren noch beisammenhat.«

»Aber die meisten der Tiere waren angefressen,wie dieses Kalb«, wandte Parker ein.

»Verrückte haben eben einen anomalen Ge-schmack«, erwiderte der Sergeant. »Oder das ist erstspäter passiert, durch Füchse.«

»Das hoffe ich; dann wäre ich aus der Sache her-aus«, sagte Parker.

»Ha, hör dir das an!« rief der Wachtmeister undhielt an einer Straßengabelung an. »Er glaubt, ein Ir-

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rer mit einer Machete und einem Tarzankomplex istder reine Spaß. Wohin jetzt?«

»Augenblick.« Der Sergeant hatte eine Karte vorsich ausgebreitet; der Wildhüter beugte sich vor, umihm über die Schulter zu schauen. Der Sergeant fuhrmit dem Finger von einem zu mehreren anderenKreuzen, die in verschiedenen Farben auf der Karteeingezeichnet waren.

»Am Montag abend wurde hier auf dem Copper-head Mountain diese Kuh getötet«, sagte er. »Amnächsten Abend gegen zehn passierte dann die Sachemit der Schafherde, auf dieser Seite des Berges, unge-fähr hier. Am Mittwoch abend wurde im Wald hinterder Weston-Farm dieses Maultier angegriffen. Es warnur leicht verletzt. Muß nach diesem Dingsda ausge-schlagen haben und abgehauen sein. Aber demDingsda war auch nichts Ernstliches passiert, dennein paar Stunden später fiel es über die Truthühnerauf der Rhymer-Farm her. Und diese Nacht war danndas.« Er zeigte mit dem Daumen über die Schulterauf Strawmyers Farm. »Es folgt dem Bergrücken inRichtung Südosten, vermeidet offenes Gelände, tötetnur bei Nacht. Könnte also ein Luchs sein.«

»Oder ein Irrer mit 'ner Machete«, erwiderte Par-ker. »Fahren wir bei Hindmans Gap hinauf undschauen, ob wir was sehen können.«

Nach einer Weile bogen sie in den Wald ein. Der Wegwar eng und holprig und wurde allmählich zu einergrasüberwachsenen Spur. Schließlich stellten sie denWagen ab und stiegen aus. Parker hatte seine Win-chester unterm Arm, der Sergeant inspizierte das Trom-melmagazin seiner Thompson-Maschinenpistole, und

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der Wachtmeister steckte Schrotpatronen in seinehalbautomatische Flinte. Eine halbe Stunde langfolgten sie dem Pfad neben dem schmalen Bach. Ein-mal kamen sie an einem grauen Zivil-Jeep vorbei, derseitwärts im Gebüsch stand. Endlich erreichten sie ei-ne Lichtung.

Ein Mann in Tweedjacke, Khaki-Breeches undFeldstiefeln saß auf einem Baumstamm und rauchteeine Pfeife. Er hatte ein Gewehr auf den Knien, undein Fernrohr hing ihm um den Hals. Er war etwadreißig Jahre alt, und jedes Teenager-Leinwandidolhätte ihn um die Regelmäßigkeit seiner seltsam un-bewegten Gesichtszüge beneidet. Als Parker und diebeiden Staatspolizisten sich näherten, erhob er sich,stellte das Gewehr beiseite und begrüßte sie.

»Sergeant Haines, nicht wahr?« fragte er. »Die Her-ren sind wohl auch hinter dieser geheimnisvollen Be-stie her?«

»Guten Tag, Mr. Lee. Ich dachte schon, daß dasdort hinten Ihr Jeep ist.« Der Sergeant wandte sichseinen Begleitern zu. »Mr. Richard Lee; er wohnt zurZeit im alten Kinchwalter-Haus jenseits von RuttersFort. Das ist Mr. Parker, der Bezirkswildhüter. UndWachtmeister Zinkowski.« Er warf einen Blick aufdas Gewehr. »Sie jagen das Tier also auch?«

»Ja; ich dachte, ich könnte vielleicht hier eine Spurvon ihm finden. Was glauben Sie, könnte es sein?«

»Ich weiß nicht«, sagte der Sergeant. »Vielleicht einLuchs. Jink hier hat eine Theorie, daß es ein aus derKlapsmühle Entsprungener mit einer Machete seinkönnte. Ich hoffe das nicht, doch darf ich die Mög-lichkeit nicht außer acht lassen.«

Der Mann mit dem Filmgesicht nickte. »Könnte ein

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Luchs sein. Sollen hier ab und zu vorkommen.«»Und letztes Jahr haben wir zweimal Jagdprämie

dafür bezahlt«, sagte Parker. »Eigenartiges Gewehrhaben Sie da; darf ich es mir mal ansehen?«

»Aber sicher.« Der Mann, der als Richard Lee vor-gestellt worden war, nahm es und reichte es ihm. »Esist geladen«, fügte er warnend hinzu.

»So eins habe ich noch nie gesehen«, sagte Parker.»Ausländisches Modell?«

»Ich glaube schon. Genaueres weiß ich nicht dar-über; ich hab es mir von einem Freund entliehen. DiePatronenkammer ist, glaube ich, deutsch oder tsche-chisch. Der Rest stammt von irgendeinem Büchsen-macher an der Westküste. Die Patronenkammer istfür Munition mit höchster Durchschlagskraft ausge-legt.«

Die Waffe ging von Hand zu Hand; die drei Män-ner besahen sie sich und sparten nicht mit anerken-nenden Bemerkungen.

»Haben Sie irgend etwas gefunden, Mr. Lee?«fragte der Sergeant, als er das Gewehr zurückgab.

»Keine Spur.« Lee hängte sich das Gewehr amRiemen über die Schulter und begann, die Asche ausseiner Pfeife zu klopfen. »Ich bin diesen Bergrückenetwa eineinhalb Meilen zu beiden Seiten der Lichtungabgegangen und bin auch auf der anderen Seite bisHindmans Run gekommen. Aber Spuren habe ichnirgends gefunden und auch keinerlei Hinweis dar-auf, daß es irgendwo ein anderes Tier angefallenhätte.«

Der Wildhüter nickte und wandte sich an SergeantHaines. »Noch weiter zu gehen, hat keinen Sinn«,sagte er. »Nach meinem Dafürhalten ist es hinter

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Strawmyers Farm in den Wald und dann in die Hü-gel dort drüben geflüchtet. Am meisten Erfolg scheintmir die Senke bei Lowries Run zu versprechen. Wasdenken Sie?«

Der Sergeant stimmte zu. Der Mann namens Leehatte bedächtig begonnen, seine Pfeife von neuem zustopfen.

»Ich glaube, ich werde noch eine Weile hierbleiben,aber Sie haben wohl recht. Lowries Run oder hinterLowries Gab im Coon Valley«, sagte er.

Als Parker und die Polizisten gegangen waren,setzte sich der Mann, den sie Richard Lee genannthatten, wieder auf seinen Baumstamm und rauchte,das Gewehr auf den Knien. Von Zeit zu Zeit sah erauf die Uhr und hob dann lauschend den Kopf.Schließlich hörte er, wie in einiger Entfernung einMotor angelassen wurde.

Sofort war er auf den Beinen. Aus dem hohlenBaumstamm auf dem er gesessen war, holte er einenleinenen Matchsack hervor. Dann ging er rasch zu ei-nem Stück feuchter Wiese am Bachrand lehnte seinGewehr an einen Baum und öffnete den Sack. Als er-stes holte er ein Paar Handschuhe aus grünlichem,gummiartigem Material heraus und zog sie an, wobeier die langen Handschuhmanschetten über seine Jak-kenärmel hinaufrollte. Dann nahm er eine Flascheheraus und schraubte den Deckel ab. Er ging herum,goß an mehreren Stellen eine klare Flüssigkeit aufden Boden, wobei er sorgfältig darauf achtete, daßkeine Spritzer an seine Kleidung kamen. Wo er dieFlüssigkeit ausgoß, stiegen weiße Dämpfe auf, undZweige und Gras zerfielen zu bräunlichem Staub.Nachdem er die Flasche wieder verschlossen und in

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den Sack zurückgesteckt hatte, wartete er ein paarMinuten, nahm eine Art Spachtel heraus und grub,wo er die Flüssigkeit ausgegossen hatte, vier schwar-ze, unregelmäßig geformte Klumpen aus, die er zumBach trug und sorgfältig wusch, bevor er sie einwik-kelte und zusammen mit den Handschuhen in denSack steckte. Dann warf er Gewehr und Sack über dieSchulter und machte sich auf den Weg zu seinemJeep.

Nachdem er das kleine Dorf Rutters Fort durch-quert hatte, fuhr er eine halbe Stunde später auf denHof einer verfallenen Farm und dann rückwärtsdurch bereits geöffnete Tore in die Scheune. Er schloßdie großen Türflügel hinter sich und verriegelte sievon innen. Dann ging er zur hinteren Wand derScheune, die der Vorderfront viel näher war, als dieäußeren Dimensionen des Gebäudes es hätten ver-muten lassen.

Aus seiner Tasche holte er einen schwarzen, einemDruckbleistift ähnelnden Gegenstand. Seine tastendeHand fand ein kleines Loch in der aus rohen Bretterngefügten Wand, steckte das spitze Ende des Pseudo-Bleistifts hinein und drückte auf das andere Ende. Ei-nen Augenblick lang geschah nichts. Dann wich einquadratischer Ausschnitt der Wand von drei MeterSeitenlänge einen halben Meter zurück und glittlautlos zur Seite. Der bewegliche Teil der Wand be-stand aus drei Zoll dickem, mit Brettern getarntemStahl, die Wand selbst aus über einen halben Meterstarkem, ebenso abgedeckten Beton. Er trat durch dieÖffnung.

Seine rechte Hand suchte nach einem Schalter unddrückte ihn. Sofort glitt die dicke Stahlplatte mit lei-

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sem, öligem Klicken an ihren vorherigen Platz zu-rück. Gleichzeitig gingen Lichter an und ließen einegroße, aus feinem Metallgewebe bestehende Halbku-gel von zehn Metern Durchmesser und fünf MeternHöhe erkennen. An einer Seite war eine Schiebetür;der Mann, den man Richard Lee genannt hatte, öff-nete sie, trat hinein und schloß sie hinter sich. Dannging er zur Mitte der Kuppel, wo vor einem kleinenSchaltpult unter einer großen Instrumentenkonsoleein Stuhl mit Armlehnen stand. Die Anzeigeskalender Konsole und die Hebel und Schalter und Knöpfedes Kontrollpults waren mit Buchstaben und Zahlenbezeichnet, die weder dem lateinischen Alphabetnoch den arabischen Ziffern angehörten. Auf demKontrollpunkt lag eine pistolenartige Waffe. Sie hatteden gewöhnlichen Kolben und Abzug, statt einesröhrenförmigen Laufes jedoch zwei dünne, parallele,etwa zehn Zentimeter lange metallene Stangen, diesich an der Stelle, wo sich normalerweise die Mün-dung einer Pistole befindet, in einem stromlinienför-migen Kolben aus hellblauem Keramik- oder Pla-stikmaterial vereinten.

Der Mann mit dem unbeweglichen Gesicht legteGewehr und Sack neben dem Stuhl auf den Bodender Kuppel und setzte sich. Er nahm die pistolenarti-ge Waffe, inspizierte sie und warf dann einen Blickauf die zahlreichen Instrumente der Konsole.Schließlich legte er einen Schalter auf dem Kontroll-pult um.

Sogleich kam leises Summen von irgendwoherüber ihm. Es vibrierte, nahm an Schärfe und Laut-stärke zu und ging sodann in einen gleichmäßigenTon über. Die Kuppel flackerte in seltsamem kaltem

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Licht und verschwand langsam. Dann verschwandder geheime Raum, und er blickte in das düstere In-nere einer verlassenen Scheune. Die Scheune ver-schwand; über ihm erschien blauer Himmel, durch-zogen von Streifen hoher Zirruswolken. Die herbstli-che Landschaft flackerte in unwirklichem Schein. Ge-bäude erschienen und verschwanden, andere Gebäu-de kamen und gingen in rascher Folge. Alles um ihnherum war voll kaum erkennbarer Umrisse, die sichkurz bewegten und sich dann in Nichts auflösten.

Einmal erschien die Gestalt eines Mannes innerhalbder Kuppel. Er hatte ein zorniges, brutales Gesichtund trug ein schwarzes mit Silberlitzen verziertesHemd, schwarze Breeches und glänzende schwarzeStiefel. Auf seiner Mütze war ein aus einem Kreuzund einem Blitz zusammengesetztes Zeichen. Er hielteine Automatikpistole in der Hand.

Der Mann am Schaltpult griff sofort nach seiner ei-genen Waffe und entsicherte sie, aber bevor er sie he-ben und zielen konnte, verschwand der Eindringlingaus der Kuppel und ihrem Kraftfeld, das den Stuhlund die Instrumente umgab.

Eine Zeitlang wüteten draußen Flammen, und füreine Weile befand sich der Mann am Schaltpult in ei-ner riesigen Halle mit hoher gewölbter Decke, durchdie Umrisse zuckten und verschwanden. Eine Zeit-lang wurden tiefe Wälder sichtbar, immer vor demgleichen Hintergrund von Bergen und stets unterdemselben, von Zirruswolken durchzogenen Him-mel. Für kurze Zeit erstrahlte flackerndes, bläulich-weißes Licht von unerträglicher Intensität. Dann warder Mann am Schaltpult in einem riesigen Fabrikge-bäude. Die Gestalten um ihn herum wurden langsa-

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mer in ihren Bewegungen und deutlicher. Der Mannauf dem Stuhl lächelte kurz, als er in ein geräumigesBadezimmer blickte, wo ein großes, blondes Mädcheneine Dusche nahm, während eine kleine Rothaarigesich mit einem Handtuch abtrocknete. Die Kuppelwurde wieder sichtbar und flackerte in vielfarbigemLicht. Dann erstarb das Summen, und die Halbkugelwurde zu einem kalten, starren Geflecht aus feinem,weißem Metall. Über ihm ging eine grüne Lampeimmer wieder langsam an und aus.

Er drückte auf einen Knopf, legte einen Schalterum, stand dann auf, nahm das Gewehr und den Sackund suchte unter seinem Hemd nach einem kleinenBeutel, aus dem er eine blaue Plastikscheibe von derGröße einer Geldmünze hervorholte. Aus einem Be-hälter auf dem Instrumentenbrett nahm er eine kleineRolle Solidograph-Film, die er in den Beutel steckte.Dann schob er die Tür der Kuppel zur Seite und be-trat seine eigene Dimension von Zeit und Raum.

Draußen war eine große Halle mit blaßgrünem Bo-den, Wänden in noch hellerem Grün und einer Deckein grünlichem Weiß. Ein Loch befand sich darin,Raum für die Kuppel zu schaffen, und am anderenEnde befand sich eine Art Schreibtisch. An ihm saßein Mann in hellblauem Hemd, der eben die Ohrhö-rer seiner Musikbox aus seinen Gehörgängen nahm.Ein paar Polizisten in grünen Uniformen mit Ultra-schall-Paralysatoren am linken Handgelenk und demauf dem Schaltpult in der Kuppel ähnlichen Sigma-strahlern, die sie in Halftern trugen, scherzten mit einpaar Mädchen in orangen, purpurroten und grünenKitteln. Eines von ihnen, hellgrün gekleidet, sah auswie eine Zwillingsschwester des Mädchens, das sich

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im Badezimmer abgetrocknet hatte.»Da kommt euer Chef«, sagte eines der Mädchen

zu den Polizisten. Sie wandte sich um und grüßte ihnleger. Der Mann, der zuletzt den Namen Richard Leegebraucht hatte, erwiderte ihren Gruß und ging zudem Schreibtisch. Die Polizisten entsicherten ihre Pa-ralysatoren und ihre Sigmastrahler und eilten in dieKuppel.

Lee nahm die blaue Plastikscheibe und gab sie demMann am Pult, der sie in einen Schlitz steckte. So-gleich ertönte eine mechanische Stimme:

»Verkan Vall, blauer Adel, Erb-Mavrad von Ner-ros. Chef-Assistent, Parazeit-Polizei, Sonderauftrag.Tortha Karf, dem Chef der Parazeit-Polizei, direktunterstellt. Ist nach Maßgabe des Parazeit-Transpositions-Codes und des Polizei-Codes in jederWeise zu unterstützen. Werden weitere Angaben ge-wünscht?«

Der Mann drückte auf den »Nein«-Knopf. Dieblaue Plastikscheibe fiel aus dem Rückgabeschlitzund wurde ihrem Inhaber zurückgegeben, der ebenseinen linken Ärmel hochkrempelte.

»Sie wollen sich bestimmt vergewissern, ob ich IhrVerkan Vall bin, nehme ich an?« fragte er undstreckte seinen Arm aus.

»Ja, allerdings, Sir.«Der Mann betupfte seinen Arm mit antiseptischer

Lösung, nahm ihm eine winzige Blutprobe ab undversorgte die kleine Stichwunde. Dann brachte er denBlutstropfen auf eine Glasscheibe auf, schob sie in ei-ne Seite eines Vergleichsmikroskops ein und nickte.Das Blut zeigte deutlich dasselbe Kolloid-Muster wiedie Vergleichsprobe. Schon in seiner Kindheit hatte

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man mittels einer Injektion dieses Kolloid-Muster inihm erzeugt, um ihn von den Myriaden anderer Ver-kan Valls auf jeder anderen Wahrscheinlichkeitslinieder Parazeit unterscheidbar zu machen.

»Gut, Sir«, nickte der Mann.Die beiden Polizisten, die jetzt aus der Kuppel ka-

men, hatten ihre Sigmastrahler wieder ins Halfter ge-steckt und zündete sich Zigaretten an.

»Alles klar, Sir«, sagte einer von ihnen. »Diesmalhaben Sie nichts mitgebracht.«

Der andere Polizist lachte vor sich hin. »Weißt dunoch, wie letzten Monat dieser Verrückte in derTransportkuppel nach Jandar auftauchte?« fragte er.Wenn er hoffte, ein paar von den Mädchen würdensich dafür interessieren, was für ein Verrückter daswar, so sah er sich getäuscht. Wenn ein Mavrad vonblauem Adel da war, was hatte dann ein gewöhnli-cher Polizist noch für eine Chance? Die Mädchen gin-gen bereits auf Verkan Vall zu.

»Wann schaffen Sie endlich diese Apparaturen ausunserem Ruheraum?« fragte die kleine grüngeklei-dete Rothaarige. »Wenn dieses Ding nicht drin wäre,könnte ich jetzt eine Dusche nehmen.«

»Als ich vor etwa fünfzig Parasekunden durchkam,hatten sie gerade eine genommen«, entgegnete Ver-kan Vall.

Das Mädchen sah ihn mit offensichtlich gespielterEntrüstung an.

»Nein, Sir – Sie Para-Voyeur!«Verkan Vall wandte sich lachend an den Mann

hinter dem Schreibtisch. »Ich brauche sofort einenPiloten und eine Strato-Rakete nach Dhergabar. Ru-fen Sie das Parazeit-Polizeifeld in Dhergabar und ge-

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ben Sie ihnen mein ETA; bestellen Sie mir ein Lufttaxiund benachrichtigen Sie den Chef von meiner An-kunft.« Er deutete auf die Kuppel. »Lassen Sie eineWache beim Conveyor; wahrscheinlich werde ich ihnbald wieder brauchen.« Er wandte sich der kleinenRothaarigen zu. »Können Sie mir den Weg zum Ra-ketenplatz zeigen?« fragte er.

Auf dem Landeplatz angekommen, sah VerkanVall zum Himmel empor und dann auf seine Uhr.Zwanzig Minuten waren vergangen, seit er auf jeneranderen, fernen Zeitlinie seinen Jeep in die Scheunegefahren hatte. Und jetzt zogen sich die gleichen fei-nen Zirruswolken durch den blauen Himmel überihm. Die Beständigkeit des Wetters selbst über zwei-hunderttausend Para-Jahre senkrechter Zeit hinwegbeeindruckte ihn immer wieder. Der lange Bergrük-ken war derselbe und er leuchtete in den gleichenHerbstfarben, aber wo auf dieser anderen Wahr-scheinlichkeitslinie das kleine Dorf Rutters Fort stand,erhoben sich hier die weißen Türme einer Apartment-Stadt, die Wohngebäude des Fabrikpersonals.

Ein Kran hob die Rakete, die ihn ins Hauptquartierbringen sollte, auf die Startrampe. Ein jungenhaftaussehender Pilot war auf der Plattform und öffnetedie Tür der Rakete. Er trat zur Seite, um Verkan Valleinsteigen zu lassen, folgte ihm dann und schloß siewieder, während sein Passagier den Matchsack unddas Gewehr verstaute und sich an einem Sitz fest-schnallte.

»Zum Handelshafen von Dhergabar, Sir?« fragteder Pilot und setzte sich neben ihm ans Steuer.

»Zum Parazeit-Polizeiplatz hinter dem Parazeit-Verwaltungsgebäude.«

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»Jawohl, Sir. Zwanzig Sekunden bis zur Zündung,wenn Sie fertig sind.«

»Ich bin fertig.« Verkan Vall entspannte sich undzählte unbewußt die Sekunden.

Die Rakete erzitterte, und Verkan Vall fühlte sichsanft in die Polster gedrückt. Die Sitze und die In-strumentenkonsole vor ihnen waren drehbar gelagertund blieben in stets gleichbleibender Stellung, wäh-rend der Neigungszeiger langsam einen Winkel vonneunzig Grad beschrieb, als die Rakete hochstieg unddann auf ihre Bahn einschwenkte. Die hohen Zirrus-wolken, die Verkan Vall vom Landeplatz aus gesehenhatte, waren sofort weit unter ihnen. Sie befandensich jetzt in der Stratosphäre.

In den nächsten drei Stunden, während die Raketenordwärts über den Pol und dann in südlicher Rich-tung nach Dhergabar jagte, war nichts zu tun; dieNavigation war völlig der Automatic-Steuerungüberlassen. Verkan Vall holte seine Pfeife hervor undzündete sie an; der Pilot rauchte eine Zigarette.

»Eine eigenartige Pfeife, Sir«, sagte der Pilot. »Ausdem Außenzeitbereich?«

»Ja; vierte Wahrscheinlichkeitsebene. Typisch fürden ganzen Parazeit-Gürtel, in dem ich arbeite.« Ver-kan Vall reichte sie ihm. »Der Kopf ist aus Bruyère-holz; der Stiel aus einem Material, das aus dem Saftbestimmter tropischer Bäume hergestellt wird. Derkleine weiße Punkt ist das Markenzeichen des Pfei-fenmachers; er ist aus Elfenbein.«

»Ordentliche Arbeit«, sagte der Pilot und gab diePfeife zurück. »Sieht wie gute Maschinenware aus.«

»Ja. Der Abschnitt, wo ich war, ist für eine elektro-chemische Zivilisation wirklich recht weit fortge-

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schritten. Die Waffe, die ich mitbrachte – diese Hart-geschoß-Pistole – ist typisch für die meisten Kulturendes Vierten Kreises. Die beweglichen Teile sind mitkleinsten Toleranzen gearbeitet und mit ähnlichenTeilen ähnlicher Waffen austauschbar. Das Geschoßist ein kleiner Bolzen aus mit einer Kupferlegierungummanteltem Blei, den mit Hilfe irgendeiner Nitro-zellulose-Mischung gezündete explodierende Gasebeschleunigen. Den größten wissenschaftlichen Fort-schritt haben sie im vergangenen Jahrhundert ge-macht, und das meiste davon in den letzten vierzigJahren. Natürlich beträgt die Lebenserwartung aufdieser Ebene nur etwa siebzig Jahre.«

»O je! Ich bin eben achtundsiebzig geworden«,sagte der jugendlich aussehende Pilot verächtlich.»Ihre Medizin befindet sich wohl mehr oder wenigernoch im Stadium der Alchemie!«

»Bis vor nicht allzulanger Zeit war das tatsächlichder Fall«, stimmte Verkan Vall zu. »Dies ist die glei-che Geschichte wie überall – rapide Entwicklung inden letzten paar Jahrzehnten nach Jahrtausenden zi-vilisatorischen Stillstandes.«

»Wissen Sie, Sir, die Sache mit dieser Parazeit ver-stehe ich nicht so ganz«, bekannte der Pilot. »Ichweiß, daß jedwede Zeit völlig gegenwärtig ist unddaß jeder Augenblick seine eigene Vergangenheits-und Zukunftslinie der Ereignissequenz hat, daß alleEreignisse in der Raumzeit nach den Gesetzen derhöchsten Wahrscheinlichkeit geschehen. Aber das mitdieser alternierenden Wahrscheinlichkeit verstehe ichüberhaupt nicht. Wenn etwas existiert, dann wegendes Höchstwahrscheinlichkeits-Effekts vorhergehen-der Ursachen; warum existiert auf anderen Zeitlinien

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auch noch was anderes?«Verkan Vall blies Rauch in den Lufterneuerer. Ein

Vortrag über Parazeit-Theorien würde die drei Stun-den bis zur Landung in Dhergabar vorzüglich füllen.Zumindest stellte dieser Junge intelligente Fragen.

»Nun, Sie kennen doch das Prinzip des Zeitver-laufs, nehme ich an?« begann er.

»Ja, natürlich; Rhogoms Doktrin. Die Basis desgrößten Teils unserer Psycho-Wissenschaft. Wir exi-stieren in jedem Augenblick unserer Lebenszeit; un-sere extraphysische Ich-Komponente geht von dem ineinem Augenblick existierenden zum im nächstenAugenblick existierenden Ich über. In Zeiten der Be-wußtlosigkeit ist die EPK ›zeitfrei‹; sie kann sich vondem zu diesem Zeitpunkt existierenden Ich lösen undsich in einem anderen Augenblick wieder damit ver-binden. So sehen wir in die Zukunft. Wir unterziehenuns einer Autohypnose und verwerten aus der Zu-kunft zurückversetzte, im Unterbewußten begrabeneErinnerungen.«

»Stimmt«, sagte Verkan Vall. »Und selbst ohne dieAutohypnose dringt eine Menge präkognitives Mate-rial aus dem Unterbewußten in das Bewußte, ge-wöhnlich in verzerrter Form, oder es inspiriert ›in-stinktive‹ Handlungen, deren Motivation nicht bis indie Ebene des Bewußten dringt. Nehmen Sie zumBeispiel an, Sie spazieren die Nordpromenade inDhergabar entlang und kommen zum Mars-Palast-Café. Sie gehen hinein, begegnen irgendeinem Mäd-chen und machen ihre Bekanntschaft. Diese zufälligeBekanntschaft entwickelt sich zu einer Liebesge-schichte, und ein Jahr später gibt sie ein halbes Dut-zend Schüsse aus einem Sigmastrahler auf Sie ab.«

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»Genau das ist vor nicht allzu langer Zeit einem mei-ner Freunde passiert«, sagte der Pilot. »Weiter, Sir.«

»Nun, in der Mikrosekunde vor Ihrem Tod – oderdanach, denn wir wissen, daß die extraphysischeKomponente physische Zerstörung überlebt – gleitetIhre EPK ein paar Jahre zurück, verbindet sich wiedermit ihrem Ich von irgendwann vor ihrer ersten Be-gegnung mit diesem Mädchen und trägt mit sich Er-innerungen an alles bis zu diesem Augenblick derAblösung, das unzerstörbar in Ihrem Unbewußtenruht. Wenn Sie also von neuem durstig vor demMars-Palast stehen, gehen Sie weiter zum Sarwayoder zu Nhergals oder zu irgendeiner anderen Bar. Inbeiden Fällen, auf beiden Zeitlinien folgen Sie der Li-nie der größten Wahrscheinlichkeit; im zweiten Fallsind Ihre unterbewußten Zukunftserinnerungen einzusätzlicher kausaler Faktor.«

»Und wenn ich zurückgleite, nachdem sie auf michgeschossen hat, erzeuge ich eine neue Zeitlinie? Ist esdas?«

Verkan Vall entfuhr ein Laut der Ungeduld. »Inkeiner Weise!« rief er aus. »Es ist semantisch unmög-lich, im gleichen Atemzug über die totale Präsenz derZeit und über die Schaffung neuer Zeitlinien zu re-den. Alle Zeitlinien sind in ständiger Koexistenz totalgegenwärtig. Die Theorie besagt, daß die EPK von ei-nem Moment auf einer Zeitlinie zum nächsten Mo-ment auf der nächsten Zeitlinie übergeht, so daß dertatsächliche Übergang der EPK von Moment zu Mo-ment eine zweidimensionale Diagonale ist. In unse-rem Fall also existiert das Geschehnis Ihres Gangs inden Mars-Palast auf einer Zeitlinie, und das Ge-schehnis Ihres Weitergehens zum Starway existiert

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auf einer anderen; beides aber sind Geschehnisse mitrealer Existenz.

Was wir nun bei der Parazeit-Transposition tun, ist,daß wir ein hyperzeitliches Feld bilden, welches dieZeitlinie, die wir erreichen möchten, enthält; damitwechseln wir in dieses Feld über. Derselbe Punkt imPlenum; derselbe Punkt in der Primärzeit – plus diefür die mechanischen und elektronischen Vorgängein den Relais notwendige Primärzeit – aber eine an-dere Sekundär-Zeitlinie.«

»Warum haben wir dann keine Zeitversetzung vonder Vergangenheit in die Zukunft auf unserer eige-nen Zeitlinie?« wollte der Pilot wissen.

Das war eine Frage, die er jedesmal beantwortenmußte, wenn er zu Laien über Parazeit sprach. Ver-kan Vall hatte sie erwartet und erklärte geduldig:

»Der Ghaldron-Hestor Feldgenerator ist wie jederandere Mechanismus; er kann nur in dem Bereich derPrimärzeit arbeiten, in dem er existiert. Er kann aufjede andere Zeitlinie transportieren und alle Inhalteinnerhalb seines Feldes übermitteln; aber er selbstkann nicht außerhalb des Zeitbereichs seiner eigenenExistenz sein, so wenig, wie eine Kugel, eine Wochebevor sie abgefeuert worden ist, ihr Ziel treffen kann.Von allem, was sich innerhalb des Feldes befindet,kann angenommen werden, daß es von nichts, wassich außerhalb befindet, beeinflußt wird. Man mußsagen kann angenommen werden; es funktioniertnicht immer. Hin und wieder gerät irgend etwasHäßliches mit in die Transposition hinein.« Er dachtekurz an den Mann in der schwarzen Uniform. »Des-wegen haben wir bewaffnete Wächter in unserenTerminals.«

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»Und wenn es die Detonation einer nukleonischenBombe ist?« fragte der Pilot, »oder irgend etwas Ra-dioaktives?«

»Vor dem Parazeit-Polizeihauptquartier in Dher-gabar steht ein Denkmal mit den Namen derer, vonunseren Leuten, die nicht mehr zurückkehrten. Es istein gewaltiges Denkmal; in den letzten zehntausendJahren ist da eine ganze Anzahl Namen zusammen-gekommen.«

»Da bleibe ich lieber bei meinen Raketen!« ant-wortete der Pilot. »Aber sagen Sie mir noch eines:Was ist das mit all diesen Kreisen, Sektoren undGürteln? Worin liegt der Unterschied?«

»Ganz willkürlich gewählte Begriffe. Es gibt fünfHaupt-Wahrscheinlichkeitskreise, die von den fünfwahrscheinlichen Ergebnissen dieses Versuchs vorfünfundsiebzigtausend Jahren, diesen Planeten zukolonisieren, ausgehen. Wir sind auf dem ErstenKreis – kompletter Erfolg, Kolonisierung völligdurchgeführt. Der fünfte Kreis ist die Wahrschein-lichkeit totalen Scheiterns – keine menschliche Bevöl-kerung auf diesem Planeten, und einheimisches, dortentwickeltes quasi-menschliches Leben. Auf demVierten Kreis gerieten die Kolonisatoren offensicht-lich in irgendeine Katastrophe und verloren alle Er-innerung an ihre extraterrestische Herkunft undKultur. Soweit sie wissen, sind sie eine einheimischeRasse; sie haben eine lange Vorgeschichte steinzeitli-cher Primitivität.

Sektoren sind Bereiche der Parazeit auf jeder Ebe-ne, wo die vorherrschende Kultur einen gemeinsamenUrsprung und gemeinsame Charakteristika aufweist.Sie sind mehr oder weniger willkürlich in Untersek-

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toren unterteilt. Gürtel sind Bereiche innerhalb vonUntersektoren, wo die Lebensbedingungen das Er-gebnis jüngerer Alternativ-Wahrscheinlichkeitensind. Ich zum Beispiel komme eben vom euro-amerikanischen Sektor des Vierten Kreises, einem Be-reich von etwa zehntausend Para-Jahren Tiefe, indem sich die vorherrschende Zivilisation auf demNordwestkontinent der Hauptlandmasse entwickelteund sich von dort über die kleinere Landmasse aus-breitete. Die Linie, auf der ich arbeitete, ist auch Teileines Untersektors von etwa dreitausend Para-JahrenTiefe und eines Gürtels, der sich auf einem von meh-reren möglichen Ausgängen eines vor drei vergange-nen Jahren beendeten Krieges entwickelt. Auf dieserZeitlinie ist das Feld bei den Hagraban-Synthetik-Werken, wo wir starteten, Teil einer verlassenenFarm; wo bei uns Hagraban City liegt, liegt dort einkleines Dorf. Diese Dinge sind jetzt dort, sowohl inder Primärzeit als auch im Plenum. Sie stehen etwazweihundertfünfzigtausend Para-Jahre senkrecht zu-einander, und beides gehört demselben allgemeinenRealitätsbereich an.«

Das rote Licht über ihnen leuchtete auf. Der Pilotsah in seinen Visor und griff zu den Hebeln derHandsteuerung – für den Fall des Versagens derAutomatik. Doch die Rakete landete weich; es gab ei-nen leichten Stoß, als der Kran sie in Ruhestellungbrachte und die Sitze sich in ihren Lagern drehten.Pilot und Passagier öffneten ihre Sicherheitsgurte undeilten durch den gekühlten Ausstieg weg von derglühendheißen Rakete.

Ein Lufttaxi mit dem Wappen der Parazeit-Polizei

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wartete. Verkan Vall verabschiedete sich von demRaketenpiloten und setzte sich neben den Fahrer desLufttaxis. Dieser zog sein Fahrzeug über die Dächerder Gebäude hoch und steuerte es dann in weitemBogen zur Landerampe des Gebäudes der Parazeit-Polizei hinüber. Ein Expreßlift brachte Verkan Vallhinunter zu einem der mittleren Stockwerke, wo erder Wache vor der Tür von Tortha Karfs Büro seineErkennungsmarke zeigte und sogleich eingelassenwurde.

Der Chef der Parazeit-Polizei erhob sich hinter sei-nem halbkreisförmigen Schreibtisch mit seinem In-strumentarium von Tastaturen, Sichtschirmen undKommunikatoren. Er war ein hochgewachsenerMann von gut zweihundert Jahren. Sein Haar war ei-sengrau und vorn schon etwas dünn; er zeigte dendeutlichen Ansatz eines Bauches, und seine ruhigenGesichtszüge wiesen die Linien des mittleren Altersauf. Er trug die dunkelgrüne Uniform der Parazeit-Polizei.

»Nun, Vall«, begrüßte er ihn. »Alles in Ordnung?«»Nicht ganz, Sir.« Verkan Vall ging um den

Schreibtisch herum, entledigte sich des Matchsackesund seines Gewehrs und setzte sich auf einen derfreien Stühle. »Ich werde nochmal zurückfahren müs-sen.«

»So?« Sein Chef zündete sich eine Zigarette an undwartete.

»Ich habe Gavran Sarn aufgespürt.« Verkan Vallholte seine Pfeife hervor und begann, sie zu stopfen.»Aber das ist nur der Anfang. Ich muß noch etwasanderes finden. Gavran Sarn hat seine Parazeit-Fristüberschritten und nahm eines von seinen Tieren mit.

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Einen venusischen Nachthund.«Tortha Karfs Gesichtsausdruck blieb unverändert;

nur seine Aufmerksamkeit schien sich gesteigert zuhaben. Er benützte eines der kurzen, semantisch un-schönen Worte, die als emotionale Ventile einer Rassefungieren, welche alle von metaphysischer Religionund Sexualrepression herrührenden Tabus und Ter-minologien vergessen hat.

»Sie sind sich dieser Sache natürlich völlig sicher?«Es war weniger eine Frage als eine Feststellung.

Verkan Vall bückte sich, holte in Stoff gehüllteDinge aus seinem Sack, wickelte sie aus und legte sieauf den Schreibtisch. Es waren aus hartem, schwar-zem Kunststoff bestehende Abgüsse der Fußabdrückeirgendeines großen, dreizehigen Tieres.

»Wie sehen die aus, Sir?« fragte er.Tortha Karf befühlte sie und nickte. Dann wurde er

so sichtlich wütend, wie ein Mann seines zivilisatori-schen und kulturellen Niveaus es sich überhaupt er-lauben konnte.

»Was glaubt eigentlich dieser Narr, wozu wir einenParazeit-Kodex haben?« fragte er. »Es ist absolut ille-gal, irgendein extraterrestisches Tier oder Objekt aufirgendeine Zeitlinie zu transportieren, wo Zeitverset-zung unbekannt ist. Mir ist ganz gleich, ob er einThavrad vom grünen Adel ist; wenn er zurück-kommt, wird er sich dafür verantworten müssen!«

»Er war ein Thavrad vom grünen Adel«, verbes-serte ihn Verkan Vall. »Und er wird nicht zurück-kommen.«

»Ich hoffe, Sie mußten nicht summarisch mit ihmumgehen«, sagte Tortha Karf. »Bei seinem Titel, sei-ner sozialen Stellung und dem politischen Einfluß

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seiner Familie könnte das Unannehmlichkeiten brin-gen. Nicht, daß mir das etwas ausmachen würde,aber anscheinend sind wir einfach nicht in der Lage,dem Management oder der Öffentlichkeit klarzuma-chen, zu welchen Maßnahmen wir manchmal ge-zwungen sind.« Er seufzte. »Wahrscheinlich wird unsdas nie gelingen.«

Verkan Vall lächelte ein wenig. »O nein, Sir; nichtsdergleichen. Er war schon tot, bevor ich mich in dieseZeitlinie transportierte. Er starb in einem Fahrzeugmit Eigenantrieb. In einem dieser Automobile desVierten Kreises. Ich gab mich als Verwandter aus undverlangte die Herausgabe seiner Leiche für die dortübliche Begräbniszeremonie, erhielt aber den Be-scheid, daß sie, da sein Automobil Feuer fing, völligverbrannt sei. Ich erhielt ausgehändigt, was er beisich gehabt hatte, soweit es nicht durch das Feuerzerstört worden war; seine Erkennungsmarke war inetwas versteckt, das wie eine Zigarettendose aussah.«Er holte eine grüne Scheibe aus seinem Sack und legtesie auf den Tisch. »Keine Frage: Gavran Sarn kam beieinem Autounfall um.«

»Und der Nachthund?«»War mit ihm im Wagen, entkam aber. Sie wissen,

wie schnell die sind. Ich fand diese Spur« – er zeigteauf einen der schwarzen Abgüsse – »in der Nähe desUnfallortes. Wie Sie sehen, ist der Abdruck nicht ganzeinwandfrei. Die anderen waren frisch, als ich sieheute morgen machte.«

»Und was haben Sie bis jetzt unternommen?«»Ich mietete eine alte Farm in der Nähe der Unfall-

stelle und installierte dort meinen Feldgenerator. DasFeld geht durch die Hagraban-Synthetik-Werke, etwa

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hundert Meilen östlich von Thalna-Jarvizar. Meinhiesiger Terminal ist im Ruheraum der Mädchen inder Plastik-Fabrik; das habe ich im Benehmen mit derdortigen Polizei erledigt. Seitdem jage ich nach demNachthund. Ich glaube, ich kann ihn finden, aber ichwerde Spezialausrüstung brauchen und eine Hyp-nomech-Indoktrination. Deshalb bin ich zurückge-kommen.«

»Hat das Tier irgendwie Aufmerksamkeit erregt?«fragte Tortha Karf besorgt.

»Ja, bringt dort Rindvieh um; das gibt natürlichziemliche Aufregung. Zum Glück ist es kein Indu-striegebiet, sondern besteht hauptsächlich aus bewal-deten Hügeln und landwirtschaftlich genutzten Tä-lern. Polizei und Wildhüter sind in großer Besorgnis;die Farmer sind erregt und laufen mit Waffen herum.Man glaubt, daß es entweder irgendein Raubtier istoder ein Wahnsinniger mit einem Messer. BeideTheorien passen mehr oder weniger zu der Art desangerichteten Schadens. Wirklich gesehen hat denNachthund niemand.«

»Das ist gut!« sagte Tortha Karf erleichtert. »Also,Sie müssen hin und ihn wegschaffen oder ihn tötenund den Kadaver vernichten. Warum, wissen Sie ge-nauso gut wie ich.«

»Natürlich, Sir«, erwiderte Verkan Vall. »In einerprimitiven Kultur würden Dingen wie diesen, über-natürliche Ursachen zugeordnet und in die örtlichherrschende Religion integriert. Doch während dieseKultur nominell religiös ist, ist sie in der Praxishöchst rational. Typischer Verzögerungseffekt, cha-rakteristisch für alle expandierenden Kulturen. Unddieser euro-amerikanische Sektor hat wirklich eine

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expandierende Kultur. Vor einhundertfünfzig Jahrenwußten die Einwohner dieser speziellen Zeitlinienicht einmal, wie man Dampfkraft anwendet; jetzthaben sie angefangen, in primitiver Form Kernener-gie freizusetzen.«

Tortha Karf pfiff leise durch die Zähne. »Ein ge-waltiger Sprung. In diesem Sektor dürfte es in dennächsten paar Jahrhunderten einigen Ärger geben.«

»Das hat man dort auch erkannt, Sir.« Verkan Vallkonzentrierte sich einen Augenblick darauf, seinePfeife wieder anzuzünden, und fuhr dann fort: »Indiesem Sektor wird man nach meinem Dafürhalteninnerhalb des nächsten Jahrhunderts mit der Raum-fahrt beginnen. Vielleicht schon innerhalb der näch-sten fünfzig Jahre, zumindest zum Mond. Und dieKunst der Taxidermie ist sehr hoch entwickelt. Wennwir nun annehmen, daß irgendein Farmer diesesDing erschießt – was würde er wohl dann damit tun,Sir?«

»Ganz logisch, Vall«, sagte Tortha Karf. »Eine sehrgute Aussicht. Er würde es ausstopfen lassen, unddann käme es irgendwo in ein Museum. Und sobalddas erste Raumschiff die Venus erreicht und sie dieseDinge herumlaufen sehen, ist das ausgestopfte Ex-emplar identifiziert.«

»Genau. Und statt sich den Kopf zu zerbrechen,woher ihr Exemplar kam, werden sie sich dann fra-gen, zu welcher Zeit es kam. Solcher Überlegungensind sie bereits zum jetzigen Zeitpunkt fähig.«

»Hundert Jahre sind keine besonders lange Zeit«,meinte Tortha Karf. »Ich werde im Ruhestand sein,doch werden dann Sie meinen Job haben und sich mitder Sache abplagen müssen. Am besten also, Sie erle-

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digen es gleich jetzt, solange das Problem überschau-bar ist. Wie wollen Sie es anpacken?«

»Ich weiß noch nicht recht, Sir. Zuerst möchte icheine Hypnomech-Indoktrination.« Verkan Vall deu-tete auf den Kommunikator auf dem Schreibtisch.»Darf ich?« fragte er.

»Natürlich.« Tortha Karf schob ihm das Instrumenthinüber. »Was immer Sie wollen.«

»Danke, Sir.« Verkan Vall knipste das Code-Verzeichnis an, fand das Symbol, das er suchte unddrückte es dann auf der Tastatur. »Chef-AssistentVerkan Vall«, identifizierte er sich. »Ich bin im Bürovon Tortha Karf, dem Chef der Parazeit-Polizei. Ichbrauche eine komplette Hypnomech über venusischeNachthunde mit Hauptgewicht auf der wilden Le-bensform unter besonderer Berücksichtigung von interrestischer Umgebung zur wilden Lebensform do-mestizierten Nachthunden und der einschlägigenJagdtechniken. Das Wort Nachthund genügt alsAuslösesymbol.« Er wandte sich Tortha Karf zu.»Kann ich das gleich hier machen?«

Tortha Karf nickte und deutete auf eine Reihe vonKabinen am anderen Ende des Büros.

»Bereiten Sie Drahtübertragung vor; ich mache eshier.«

»Sehr gut, Sir; in fünfzehn Minuten«, antworteteeine Stimme aus dem Kommunikator.

Verkan Vall schob den Kommunikator zurück.»Übrigens, Sir: Auf dem Rückweg nahm ich einenAnhalter mit. Ich beförderte ihn etwa hundert Para-Jahre weit; nahm ihn etwa dreihundert Para-Jahrenach dem Start von meinem anderen Terminal auf.Ein scheußlich aussehender Bursche in schwarzer

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Uniform; gehörte offenbar zu irgendeiner dieser pri-vaten Sturmtruppen, die man in dem Sektor überallfindet. Bewaffnet und feindselig. Ich glaubte schon,ich müsse ihn strahlen, aber er verschwand fast sofortaus dem Feld. Ich habe eine Aufzeichnung, wenn Siesie sehen möchten.«

»Ja, natürlich.« Tortha Karf wies auf den Solido-graph-Projektor. »Er ist auf Miniaturwiedergabe hierauf dem Tisch eingestellt; ist Ihnen das recht?«

Verkan Vall nickte, holte den Film hervor und legteihn in den Projektor ein. Dann drückte er einenKnopf, und eine strahlende Halbkugel von einemMeter Breite und halber Höhe erschien über demSchreibtisch. In ihr war ein kleines Solidograph-Bilddes Kuppel-Inneren mit dem Schaltpult und der In-strumenten-Konsole zu sehen sowie die Gestalt Ver-kan Valls, der davor saß. Der Sturmtruppler erschien,eine Pistole in der Hand. Verkan Vall griff zu seinemStrahler; der Uniformierte bewegte sich auf eine Seiteder Kuppel und verschwand.

Verkan Vall drückte auf einen Knopf und schaltetedas Bild aus.

»Ja. Ich kenne die Ursache nicht, aber das kommtdann und wann vor«, sagte Tortha Karf. »Meistensam Beginn einer Transposition. Ich erinnere michnoch: Als ich ein Kind war, etwa vor einhundertfünf-zig Jahren – einhundertneununddreißig, um es genauzu sagen – traf ich im Vierten Kreis, ungefähr wo Siejetzt arbeiten, so einen Burschen und zog ihn ein paarhundert Para-Jahre mit. Ich wollte ihn dann wieder-finden und zu seiner eigenen Zeitlinie zurückbringen,aber die örtlichen Behörden hatten ihn bereits alsverdächtig festgenommen, und er wurde erschossen,

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als er versuchte zu fliehen. Das war mir sehr unange-nehm, aber ...« Tortha Karf zuckte die Achseln. »Sonstnoch irgendwelche Vorkommnisse?«

»Im Zweiten Kreis kam ich durch einen Gürtel, wonukleonische Bomben angewendet wurden.« VerkanVall gab den ungefähren Para-Zeitpunkt an.

»Ach! Diese Khiftan-Zivilisation – wie man sie höf-licherweise nennt!« Tortha Karf verzog das Gesicht.»Die interfamiliären Auseinandersetzungen derHvadka-Dynastie haben wohl wieder die kritischeGröße erreicht. Die spielen so lange mit dem Feuer,bis sie sich direkt in die Steinzeit zurücksprengen.«

»In intellektueller Hinsicht sind sie jetzt auch unge-fähr dort. Ich mußte einmal in diesem Sektor operie-ren ... Ach ja, noch etwas, Sir. Dieses Gewehr.« Ver-kan Vall hob es auf, leerte das Magazin und reichtedie Waffe seinem Vorgesetzten. »Die Beschaffungs-stelle kam darauf; mit meiner Tätigkeit hat es eigent-lich nichts zu tun. Es ist ein schönes Gewehr, aberdem Stand der Waffenkonstruktion auf jener Zeitlinieum etwa zweihundert Prozent voraus. Es erregte dieNeugier von ein paar Polizeibeamten und einemWildhüter, die doch die Waffen ihrer eigenen Zeitli-nie kennen müßten. Ich wich ihren Fragen aus, indemich sagte, es gehöre mir nicht und ich wüßte auchnicht genau darüber Bescheid, und sie fanden sichdamit ab. Dennoch, es gab mir zu denken.«

»Ja. Es ist eine, in einem unserer Werke hier inDhergabar angefertigte Kopie.« Tortha Karf brachtees zu einer Fotobank hinter seinem Schreibtisch. »Ichlasse es überprüfen, während Sie sich Ihrem Hypno-mech unterziehen. Wollen Sie es gegen etwas Echteseintauschen?«

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»Nein, nein, Sir. Man weiß jetzt, daß ich es habe,und ich werde damit weniger Verdacht erregen, alswenn ich plötzlich wieder mit einem anderen daher-käme. Ich möchte es nur überprüft haben, und dieBeschaffungsstelle sollte in Zukunft vorsichtigersein.«

Tortha Karf nickte zustimmend. Die Dienstauffas-sung des jungen Mavrad von Nerros war vorbildlich.

»Wie lautet die Bezeichnung Ihrer Linie gleichwieder?«

Verkan Vall sagte es ihm. Es war ein kurzer nume-rischer Terminus von sechs Stellen, aber er drückteeine Zahl zwischen der zehnten und der vierzigstenPotenz exakt bis zur letzten Stelle hinter dem Kommaaus. Tortha Karf wiederholte ihn in seinen Stenome-mographen und machte einige erklärende Bemer-kungen dazu.

»In diesem Bereich läuft so einiges schief, wie esscheint«, sagte er dann. »Und nun wollen wir einmalsehen.«

Er drückte die Bezeichnung auf der Tastatur; so-gleich erschien sie auf einem Transparentschirm vorihm. Er gab eine weitere Zahlenkombination ein, undoben auf dem Schirm erschien unter der Nummer:

VORGÄNGE VERGANGENHEIT LETZTE FÜNFJAHRE.

Wieder drückte er mehrere Knöpfe; unter dieserZeile war jetzt zu lesen:

VORGÄNGE IM ZUSAMMENHANG MIT PARA-ZEITTRANSPOSITION.

Nach einer weiteren Zahlenkombination kam einedritte Zeile:

(VORGÄNGE, DIE ZU GRÖSSEREM AUFSEHEN

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BEI DER BEVÖLKERUNG FÜHRTEN)Er drückte den »Start«-Knopf. Die Überschriften

verschwanden und wichen einer gedruckten Text-seite nach der anderen, welche die beiden Männer la-sen. Es war die Rede von merkwürdigen und offen-bar nicht miteinander in Zusammenhang stehendenGeschichten – von ungeklärten Bränden und Explo-sionen; von spurlos verschwundenen Menschen; vonunerklärlichen Flugzeugkatastrophen. Viele Berichtehandelten von einer Invasion geheimnisvoller, schei-benförmiger Gegenstände, die einzeln oder in Grup-pen am Himmel gesehen worden waren. Jedem Be-richt waren eine oder mehrere Kenn-Nummern bei-gegeben. Manchmal drückten Tortha Karf oder Ver-kan Vall eine von ihnen in die Tastatur und lasen dieauf einem anderen Schirm erscheinenden Erklärun-gen.

Schließlich lehnte sich Tortha Karf auf seinem Stuhlzurück und zündete sich eine neue Zigarette an.

»Kein Zweifel, Vall; was den Nachthund des ver-unglückten Gavran Sarn betrifft, so müssen wir Maß-nahmen ergreifen«, sagte er. »Ich hatte vergessen, daßdas die Zeitlinie war, in welche die Ardrath -Expedition diese Antigravitationsscheiben schickte.Wenn dieses extraterrestische Ungeheuer unmittelbarnach diesen ›Fliegenden Untertassen‹ aufkreuzt, wirdjeder, der nicht gerade schwachsinnig ist, irgendeinenZusammenhang vermuten.«

»Was war denn bei dieser Sache mit der Ardrathwirklich los?« fragte Verkan Vall. »Ich war zu demZeitpunkt im Dritten Kreis bei der Operation im Lu-varischen Reich.«

»Stimmt, das haben Sie nicht mitbekommen. Nun,

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es war eine dieser gemeinsamen Operationen. Die Pa-razeit-Kommission und die Raumpatrouille experi-mentierten mit einer neuen Technik, ein Raumschiffin Parazeit zu bringen. Sie verwendeten den KreuzerArdrath unter dem Kommando von Kalzarn Jann. Erflog etwa bis in halbe Mondentfernung und gingdann in eine Kreisbahn, wobei er auf der Sonnenseitedes Planeten blieb, um Beobachtung zu verhindern.Das war in Ordnung. Dann aber sandte KapitänKalzarn ein Geschwader von vollbemannten Anti-gravigrav-Scheiben aus, die Aufnahmen machensollten, und erlaubte schließlich eine Landung imwestlichen Berggebiet der Kleineren Landmasse desNördlichen Kontinents. Und da fing der Ärger an.«

Er drückte den Rücklaufschalter, bis er die Seitefand die er suchte. Verkan Vall las etwas von einemFlieger, der im Vierten Kreis von seinem kleinen,propellergetriebenen Flugzeug aus, neun in großerHöhe befindliche, untertassenähnliche Objekte ge-sichtet hatte.

»Damit fing es an«, sagte Tortha Karf. »Es gabweitere Vorkommnisse dieser Art, und alsbald woll-ten unsere Leute auf dieser Zeitlinie wissen, was lossei. Natürlich schlossen sie aus den verschiedenenBeschreibungen dieser ›Untertassen‹, daß es sich umAntigrav-Landungsfahrzeuge eines Raumschiffshandelte. Ich ging also zur Kommission und machtedenen die Hölle heiß, und die Ardrath erhielt den Be-fehl, ihre Operationen auf die unteren Gebiete derFünften Ebene zu beschränken. Dann begannen unse-re Leute auf dieser Zeitlinie mit Korrektiv-Aktionen.Hier.«

Er drückte neue Kombinationen. Seite auf Seite er-

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schien mit Berichten von Leuten, welche behaupteten,die geheimnisvollen Scheiben gesehen zu haben; einBericht war phantastischer als der andere.

»Die Standard-Vernebelungstechnik«, grinste Ver-kan Vall. »Ich hörte nur wenig von den ›FliegendenUntertassen‹ reden, und alles nur im Scherz. In die-sem Kulturbereich kann man eine wahre Geschichtestets dadurch diskreditieren, daß man zehn andere,offensichtlich falsche, parallel dazu in Umlauf bringt... Übrigens, war das nicht die Zeitlinie, wo die Thar-max-Handelsgesellschaft beinahe ihre Parazeit-Lizenz verlor?«

»Stimmt! Sie kauften alle Zigaretten auf und verur-sachten eine beträchtliche Knappheit, nachdem Ziga-retten des Vierten Kreises auf dieser Zeitlinie einge-führt und populär geworden waren. Sie hätten ihreKäufe auf mehrere Zeitlinien verteilen und sich andas örtliche Verhältnis von Angebot und Nachfragehalten sollen. Außerdem kamen sie mit der dortigenRegierung in Konflikt, weil sie Benzin und Autoreifenschwarz verkauften. Wir mußten eine Spezialtruppehinschicken, und sie waren näher daran, in lokalePolitik verwickelt zu werden, als mir lieb sein konn-te.« Tortha Karf zitierte eine Zeile aus einem geradepopulären Lied über die Sorgen eines Polizisten. »Wirsind Jongleure, Vall – versuchen, unseren Geschäfts-leuten, Soziologen, Touristen und auch regelrechtenIdioten wie Gavran Sarn das Schlimmste zu ersparen;wir versuchen zu verhindern, daß unsere Operatio-nen zu Unordnung in der Wirtschaft, zu allgemeinerUnordnung oder gar Panik führen; wir versuchen,uns aus der lokalen Politik herauszuhalten – und vorallem versuchen wir jederzeit und um jeden Preis

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und mit allen Mitteln das Geheimnis der Parazeit-Transposition zu bewahren. Manchmal wünschte ichmir, daß Ghaldron Karf und Hesthor Ghrom schon inder Wiege erstickt wären!«

Verkan Vall schüttelte den Kopf. »Nein, Chef«,sagte er. »Das ist bestimmt nicht Ihr Ernst«, sagte er.»Seit zehntausend Jahren praktizieren wir jetzt dasParazeit-Verfahren. Als das Shaldron-HesthorscheTranstemporalfeld entdeckt wurde, hatten unsereVorfahren die Ressourcen dieses Planeten ziemlicherschöpft. Wir hatten eine Weltbevölkerung von einerhalben Milliarde, und sie besaß kein anderes Mittel,um am Leben zu bleiben. Als wir mit der Parazeit-Transposition begannen, stieg unsere Bevölkerungauf zehn Milliarden und blieb während der letztenachttausend Jahre auf diesem Stand. Wir sind geradeso viele, daß wir uns unseres und der anderen Pla-neten des Systems richtig erfreuen können; wir habenfür jeden genug von allem, so daß keiner mit irgendjemand um irgend etwas kämpfen muß. Wir habendie Ressourcen dieser anderen Welten auf anderenZeitlinien angezapft, ein wenig hier, ein wenig dort,aber nur so viel, daß niemand wirklich Schaden erlitt.An ein paar Stellen haben wir unsere Spuren hinter-lassen – in den Dakota Badlands und der Gobi in derVierten Ebene zum Beispiel – aber nennenswertenSchaden angerichtet haben wir nirgends.«

»Außer damals, als jemand den halben SüdlichenInselkontinent in die Luft sprengte – vor ungefährfünfhundert Para-Jahren im Dritten Kreis«, bemerkteTortha Karf.

»Ein zweifellos bedauerlicher Unfall«, räumte Ver-kan Vall ein. »Aber bedenken Sie, wie sehr wir aus

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unseren Erfahrungen auf diesen anderen Zeitliniengelernt haben. Nach der Krise nach dem Vierten In-terplanetarischen Krieg hätten wir vielleicht PalnarSarns ›Diktatur der Gewählten‹ akzeptiert, wenn wirnicht gesehen hätten, was ein ähnliches System in derJak-Hakka Zivilisation des Zweiten Kreises anrichte-te. Als man Palnar Sarn das entgegenhielt, ging er indie Parazeit, um sich selbst ein Bild zu machen, undnach seiner Rückkehr distanzierte er sich entsetzt vonseinem eigenen Vorschlag.«

Tortha Karf nickte. Er war jetzt sicher, keinen Feh-ler zu begehen, wenn er nach seinem Rücktritt seineAufgabe in die Hände des Mavrad von Nerros legte.

»Ja, Vall; ich weiß«, sagte er. »Aber wenn Sie ein-mal so lange hinter diesem Schreibtisch gesessen sindwie ich, dann werden Sie auch ein paar bittere Au-genblicke erlebt haben.«

Ein blaues Licht leuchtete über einer der Kabinen amanderen Ende des Raumes auf. Verkan Vall erhobsich, zog seine Jacke aus, hängte sie über die Stuhl-lehne und ging hinüber, wobei er den linken Hem-därmel hochkrempelte. In der Kabine war ein Ruhe-sitz mit einem blauen Plastikhelm darüber. Er warfeinen Blick auf den Indikatorschirm, um sicherzuge-hen, daß er die richtige Indoktrination bekam, setztesich dann auf den Stuhl, senkte den Helm über seinenKopf, schnallte den Kinnriemen fest und führte dieOhrhörer ein. Dann berührte er seinen linken Armmit einem Injektor, der auf einem Tischchen lag, unddrückte gleichzeitig den Startknopf.

Leise, langsame Musik begann in den Ohrhörernzu erklingen. Die Droge blockierte eine seiner Sinne-

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sempfindungen nach der anderen. Die Musik und dieWörter der hypnotischen Formel lullten ihn in denSchlaf.

Als er erwachte, hörte er lebhafte Tanzmelodien.Eine Weile blieb er entspannt sitzen. Danach schalteteer ab, nahm die Ohrhörer heraus, schob den Helmhoch und stand auf. Tief in seinem Unterbewußtenruhte das gesamte Wissen über den venusischenNachthund. Seine Vorstellung formte das Wort, undsofort strömte alles in sein Bewußtsein. Er kannte dieEvolutionsgeschichte des Tieres, seine Anatomie, sei-ne Charakteristika, seine Freß- und Fortpflanzungs-gewohnheiten, wie es jagte, wie es seine Feinde be-kämpfte, wie es sich Verfolgern entzog und wie manes am besten aufspüren und töten konnte. In seinerVorstellung nahm ein Plan, wie mit dem Nachthundzu verfahren sei, bereits feste Gestalt an.

Er nahm einen Plastikbecher aus dem Dispensor,füllte ihn mit rötlichem Würzwein aus einem Hahn,trank und warf den Becher in den Abfalleimer. Aufdas Tischchen legte er einen neuen Injektor zum Ge-brauch für den nächsten Benützer. Als er die Kabineverließ, sah er auf seine aus dem Vierten Kreis stam-mende Armbanduhr und übersetzte die Zeit im Gei-ste in diejenige des Ersten Kreises. Drei Stunden wa-ren vergangen; offensichtlich hatte es mehr über die-ses Problem zu lernen gegeben, als er vermutet hatte.

Tortha Karf saß rauchend hinter seinem Schreib-tisch. Es sah aus, als hätte er sich, seit Verkan Vall indie Kabine gegangen war, nicht von der Stelle be-wegt. Doch der Spezialagent wußte, daß er gegessen,an mehreren Sitzungen teilgenommen und noch vieleandere Dinge getan hatte.

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»Ich habe die Sache mit Ihrem Mitreisenden über-prüft, Vall«, sagte der Chef. »Wir brauchen uns sei-netwegen keine Gedanken zu machen. Er gehört zueiner Organisation, die sich ›Christliche Rächer‹nennt – eine dieser typischen euro-amerikanischenVereinigungen, die religiösen Fanatismus und Ras-senhaß predigen und praktizieren. Er gehört in einenGürtel, der aus Hitlers Sieg von 1940 resultiert, wasimmer das war. Etwas recht Unangenehmes, wie ichvermuten möchte. Wir schulden ihm nichts; Leuteseines Schlages sollte man einfach zertreten wie Kel-lerasseln. Auf der Linie, wo Sie ihn absetzten, wird ernicht mehr Unheil anrichten, als sie dort ohnehinschon haben. Es ist ein Gürtel, wo völlige soziale undpolitische Anarchie herrscht. Wahrscheinlich wurdeer auf der Stelle erschossen, als er dort aufkreuzte,weil er nicht die richtige Uniform trug. 1940 Jahrenach was übrigens?«

»Seit der Geburt irgendeines religiösen Führers«,erklärte Verkan Vall. »Und haben Sie etwas übermein Gewehr in Erfahrung gebracht?«

»Ach ja. Es ist eine Reproduktion von etwas, dassich Sharp's Modell 37,235 Ultraspeed-Express nennt.Hergestellt in einem benachbarten Parazeit-Gürtelvon einer Firma, die vor siebenundsechzig Jahren dieProduktion aufgab. Der Unterschied liegt im zweitenZwischenstaatlichen Krieg. Was das war, weiß ichauch nicht – die Geschichte des Vierten Kreises ist mirnicht allzu vertraut. In Ihrem Operationsgebiet fander jedenfalls nicht statt. Vermutlich zu Ihrem Glück,obwohl sie dort sehr wahrscheinlich irgend etwasanderes hatten, was genauso arg oder sogar nochschlimmer war. Ich habe in der Beschaffungsstelle ei-

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ne Beschwerde eingereicht und daraufhin Munitionund Nachladevorrichtungen für Sie erhalten. Jetzt sa-gen Sie mir, was Sie in Sachen Nachthund unterneh-men wollen.«

Als Verkan Vall geendet hatte, schwieg Tortha Karfeine Weile.

»Ziemlich riskant, Vall«, sagte er schließlich.»Wenn Sie es so machen, werden alle Vorteile bei die-sem Nachthund liegen. Er kann bei Dunkelheit eben-sogut sehen wie Sie bei Tage. Aber das wissen Sie jawohl; Sie sind jetzt unser Nachthund-Spezialist.«

»Ja. Aber sie sind an die Heißland-Sümpfe der Ve-nus gewöhnt. Im Nordosten des Nordkontinents istin den letzten zwei Wochen trockenes Wetter gewe-sen. Ich kann ihn schon lange hören, bevor er mir na-he kommt. Und ich werde eine elektrische Helmlam-pe tragen. Wenn ich die einschalte, wird er für einenMoment geblendet sein.«

»Nun, ich sagte ja schon, Sie sind der Nachthund-Spezialist. Dort ist der Kommunikator; ordern Sie al-les, was Sie brauchen.« Er zündete seine neue Ziga-rette an der alten an, bevor er diese ausdrückte.»Aber seien Sie vorsichtig, Vall. Ich habe fast vierzigJahre gebraucht, um Sie in die Geheimnisse der Para-zeit einzuweihen. Ich möchte das nicht noch einmalmit einem anderen tun müssen, bevor ich mich vondiesem Posten zurückziehe.«

Das Gras war naß, als Verkan Vall – er erinnerte sich,daß man ihn hier Richard Lee nannte – in der Däm-merung des Herbstabends vom Farmhaus über denHof zu der baufälligen Scheune ging. Am Morgen

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hatte es geregnet, als die Stratorakete von Dhergabarihn bei den Hagraban Synthetik-Werken in der ErstenEbene abgesetzt hatte. Ohne Rücksicht auf die Wahr-scheinlichkeit kam derselbe Regen auch in der Vier-ten Ebene auf die alte Kinchwalter Farm in der Nähevon Rutters Fort herunter. Und er hatte den ganzenTag über angehalten.

Das gefiel ihm nicht. Der Waldboden würde naßsein und die Fährten seines Wildes nicht lange be-wahren, wodurch der einzige Vorteil, den er hatte,zunichte wurde. Dennoch dachte er nicht daran, dieJagd zu verschieben. Im Gegenteil, der Regen machtees erst recht erforderlich, daß er den Nachthund soschnell wie möglich tötete. Um diese Jahreszeit wür-den die Temperaturen sicher bald sinken. Der Nacht-hund, ein Lebewesen aus den heißen Venus-Sümpfen, würde unter der Kälte leiden. Da er in Jah-ren der Domestizierung gelernt hatte, daß Wärme inmenschlichen Ansiedlungen zu finden war, würde erin irgendein einzeln stehendes Farmhaus oderschlimmer noch, in eines der kleinen Taldörfer ein-dringen. Wenn er ihn nicht noch in dieser Nacht tö-tete, würde es sicher zu dem kommen, was er geradeverhindern wollte.

Er ging in die Scheune, breitete eine alte Pferde-decke über den Sitz des Jeeps, legte sein Gewehr dar-auf und fuhr ins Freie. Dann zog er seine Jacke aus,wobei er seine Pfeife und den Tabak aus den Taschennahm, und legte sie auf das nasse Gras. Er öffnete einPäckchen, das eine kleine Plastikpistole enthielt, dieer von der ersten Ebene mitgebracht hatte, zielte mitihr auf die Jacke und drückte den Abzug, bis sie sichleergesprüht hatte. Ein übler, ranziger Gestank ver-

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breitete sich – der Geruch der riesigen venusischenGiftassel, des einzigen Lebewesens, gegen das derNachthund einen angeborenen, unerbittlichen Haßempfand. Es war wegen dieses zwanghaften Dranges,die tödliche Giftassel anzugreifen und zu töten, daßdie ersten menschlichen Siedler auf der Venus denhäßlichen und wilden Nachthund vor vielen Jahrtau-senden domestiziert hatten. Er dachte daran, daß dieFamilie Gavran ihren Titel von ihren ausgedehntenHeißland-Besitzungen auf der Venus ableitete daßGavran Sarn, der Mann, der dieses Ding in den Vier-ten Kreis gebracht hatte, auf dem inneren Planetengeboren war. Wenn Verkan Vall dieses Kleidungs-stück anzog, würde er sein eigener, lebender Köderfür die mörderische Wut des Tieres sein, das er such-te. Seinen Ekel überwindend, schlüpfte er in die Jak-ke. Wogegen er sich auflehnte, das war weniger dieGefahr, als der gräßliche Gestank, der nur unter Op-ferung eines wertvollen Exemplars des Museums fürextraterrestische Zoologie in Dhergabar hatte verfüg-bar gemacht werden können.

Er brachte die Plastikpistole und ihre Verpackungzu einer gemauerten Feuerstelle, zündete sie an undwarf sie hinein. Sie waren leicht brennbar, flammtenauf und waren einen Augenblick später verschwun-den. Er probierte die an seiner Mütze befestigte elek-trische Lampe aus, überprüfte sein Gewehr, zog denschweren Revolver, ein echtes Produkt seines Opera-tionsgebietes, und ließ die Trommel aus- und wiedereinschnappen. Dann setzte er sich in den Jeep undfuhr davon.

Eine halbe Stunde lang ging es rasch durch im Tal-grund verlaufende Straßen. Ab und zu kam er an

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Farmhäusern vorbei, und durch den fremdartigenGeruch verwirrte und gereizte Hunde verbellten ihnwütend. Schließlich bog er in eine Seitenstraße undvon dort in die kaum erkennbare Spur eines altenKnüppelpfades ein. Der Regen hatte aufgehört, undum jederzeit und in jeder Richtung feuerbereit zusein, hatte er das Faltdach des Jeeps zurückgeschla-gen. Jetzt mußte er sich hinter die Windschutzscheibebücken, um herunterhängenden Ästen auszuweichen.Einmal blieben drei Rehe einen Augenblick vor ihmstehen und starrten ihn an, bevor sie in wilder Fluchtdavonsprangen.

Er fuhr jetzt ganz langsam, eine intensive Geruchs-spur hinter sich lassend. In der vorhergehendenNacht, als er im Ersten Kreis gesessen war, war wei-teres Vieh getötet worden. Der Ort dieses letztenRaubzugs hatte seine Ansicht, welchen Weg das Tiervoraussichtlich nehmen würde, bestätigt und ließvermuten, wo es sich in dieser Nacht aufhalten wür-de. Er zweifelte nicht, daß es ganz in der Nähe war;früher oder später würde es die Witterung aufneh-men.

Schließlich hielt er an und schaltete die Lichter aus.An diesem Nachmittag hatte er die geologische Über-sichtskarte studiert und den Ort sorgfältig ausge-wählt. Er befand sich auf der Trasse einer früheren,jetzt aufgegebenen Eisenbahnlinie, die vor fünfzigJahren dem Holztransport gedient hatte. Auf einerSeite war eine jäh ansteigende Bergflanke, währenddie andere Seite ebenso steil abfiel. Wenn der Nacht-hund unter ihm war, würde er sich den fünfundvier-zig Grad steilen Hang heraufarbeiten müssen undkonnte nicht vermeiden, lockere Steine loszutreten

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oder sonstwie Lärm zu verursachen. Auf dieser Seitewollte er aussteigen; wenn der Nachthund über ihmwar, würde der Jeep ihn gegen seinen Angriff schüt-zen. Nachdem er ausgestiegen war, entsicherte er seinGewehr. Einen Augenblick später wußte er, daß ereinen Fehler gemacht hatte, der ihm leicht das Lebenkosten konnte – einen Fehler, vor dem ihn weder sei-ne scharfe Logik noch sein auf hypnotischem Wegeerworbenes Wissen über die Gewohnheiten des Un-tiers bewahrt hatte.

In Fahrtrichtung stehend, hörte er hinter sich einenleisen, wimmernden Laut und gedämpfte Schritte. Erfuhr herum, knipste mit der Linken die Lampe an, inder Rechten das Gewehr wie eine Pistole schußbereithaltend. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er dieangreifende Bestie, das eidechsenähnlich lange Maulmit den spitzen Zähnen weit aufgerissen, die krallen-bewehrten Vorderpfoten drohend gegen ihn ausge-streckt.

Er feuerte, aber der Schuß ging daneben. Im näch-sten Moment schlug ihm etwas das Gewehr aus derHand. Instinktiv schützte er mit dem linken Arm sei-ne Augen. Klauen gruben sich in seine linke Schulter,ein schwerer Schlag traf seine linke Seite und seineLampe ging aus, als er zu Boden stürzte und unterden Jeep rollte, wobei er versuchte, den Revolver ausseiner Jacke zu ziehen. In diesem Augenblick wußteer, was schiefgegangen war. Sein Plan war zu erfolg-reich gewesen. Der Nachthund hatte ihn gewittert, alser die alte Eisenbahnstraße heraufgefahren war, undwar ihm gefolgt. Seine Schnelligkeit hatte ihm er-laubt, dem Jeep in einem Steinwurf Abstand zu fol-gen, und der Lärm des Motors hatte das Geräusch

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seiner Bewegungen übertönt. In den wenigen Augen-blicken, die verstrichen waren, als er angehalten hatteund ausstieg, hatte der Nachthund aufschließen kön-nen und ihn attackiert.

Es war typisch für die Mentalität des Ersten Kreises,daß Verkan Vall keine Zeit mit Selbstvorwürfen oderPanik verlor.

Während er sich noch unter seinen Jeep rollte,überlegte er bereits blitzschnell, wie die Situationnoch zu retten war. Etwas berührte den Absatz seinesStiefels und er ließ das Bein in Unbeweglichkeit er-starren, während er den schweren Smith & Wessonzu ziehen versuchte. Obgleich aus dickem Leder ge-fertigt, war das Schulterhalfter zerrissen, und die zurFixierung der Waffe dienende Feder war so verbogen,daß er beide Hände benötigte, um den Revolver zuziehen. Die zwanzig Zentimeter lange Kralle desrechten Mittelbeins des Nachthundes hatte ihm einetiefe Rißwunde zugefügt. Nur seine instinktive Arm-bewegung und die Tatsache, daß er den Revolver ineinem Schulterhalfter trug, hatten ihm das Leben ge-rettet.

Der Nachthund schlich um den Jeep und heultewie wild. Er schien verwirrt zu sein. Selbst in der tie-fen Dunkelheit der sternenlosen Nacht konnte er gutsehen; seine Augen nahmen Infrarot-Strahlung wieLicht wahr. Und davon gab es genug. Der Motor desAutos, das zuletzt mit eingeschaltetem Vierradantriebgefahren war, war ziemlich heiß. Wäre er allein dage-standen, vor allem in dieser unwirtlich kühlen Nacht,durch seine eigene Körperwärme wäre Verkan Vallfür den Nachthund sichtbar gewesen wie ein Hafen-

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leuchtturm. So aber überdeckte der heiße Motor überihm seine eigene Strahlung. Außerdem stieg derGiftasselgestank seiner Jacke hoch und vermengtesich mit dem Geruch des Autositzes. Dennoch konnteder Nachthund das fast einen Meter lange, insekten-artige Ding nicht finden, von dem er annehmenmußte, daß der Gestank von ihm ausging. VerkanVall verharrte bewegungslos und wartete darauf, daßder nächste Angriff kommen würde. Dann hörte erüber sich einen dumpfen Schlag, gefolgt von dem Ge-räusch zerreißenden Stoffes, als der Nachthund dieDecke aufschlitzte und den Sitz zu zerfetzen begann.

»Hoffentlich kriegt er die Tatze voll Sprungfedern«,sagte Verkan Vall zu sich selbst. Er hatte inzwischeneinen doppelt faustgroßen und einen weiteren, etwaskleineren Stein gefunden und in je einer Seitentascheseiner Jacke verstaut. Jetzt steckte er seinen Revolverin den Gürtel und wand sich aus seiner Jacke, sichgleichzeitig des zerrissenen Schulterhalfters entledi-gend. Auf dem Rücken schob er sich dann unter derHinterachse hindurch, bis er sich hinter dem Jeepaufsetzen konnte. Die mit Steinen beschwerte Jackeschwingend, schleuderte er sie über Auto und Nacht-hund hinweg und zog im gleichen Moment seinenRevolver.

Durch die plötzliche Bewegung der Hauptge-ruchsquelle angelockt, sprang der Nachthund sofortaus dem Jeep und setzte, wild durch das Gebüsch desunteren Hanges brechend, der Jacke nach. VerkanVall schwang sich sogleich in den Jeep und schaltetedie Scheinwerfer ein.

Sein Plan funktionierte. Die stinkende Jacke warauf einem kleinen Busch gelandet, etwa drei Meter

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von seinem Jeep und eben so weit vom Boden ent-fernt. Der Nachthund hatte sich auf den Hinterbeinenaufgerichtet und versuchte, sie mit seinen Vorderbei-nen herunterzuziehen, wobei er gleichzeitig mit denmit einer einzigen Kralle versehenen Mittelbeinenwütend danach schlug. Sein Rücken war Verkan Vallzugekehrt.

Im hellen Licht der Scheinwerfer visierte VerkanVall auf die Wirbelsäulenbasis des Tieres, geradeoberhalb der Sekundärschultern, und drückte ab. Dieschwere .357 Magnum spie Flammen und sprang ihmfast aus der Hand – wenn die Waffen des ViertenKreises nur nicht so furchtbar viel Lärm verursachenwürden! – und der Nachthund jaulte auf und sacktezusammen. Verkan Vall spannte den Hahn wiederund nickte dann befriedigt. Die Wirbelsäule des Tie-res war zerschmettert, und sein Hinterkörper, ja sogarseine zum Kampf dienenden Mittelbeine waren ge-lähmt. Sorgfältig gezielt, traf sein zweiter Schuß denSchädel des Ungeheuers. Ein Zittern ging durch sei-nen Körper, bevor es starb.

Im Licht einer Taschenlampe fand er sein Gewehr,das ein wenig rechts hinter dem Jeep mit der Mün-dung voraus im Boden steckte. Verkan Vall fluchteein wenig in der Sprache des Vierten Kreises, denn erwar ein Mann, der gute Waffen liebte, seien es Sigma-strahler, Neutronensprenger oder die Hartgeschoß-waffen der niedrigeren Kreise. Die Wunde, die derNachthund ihm zugefügt hatte bereitete ihm jetztziemliche Schmerzen. Er zog das Hemd aus und warfes über die Motorhaube des Jeeps.

Tortha Karf hatte ihm den Rat gegeben, einen

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Strahler, einen Sprenger oder ein Neurostatgewehrmitzunehmen, aber Verkan Vall war nicht willensgewesen, solche Waffen in den Vierten Kreis einzu-führen. Falls ihm selbst etwas zustieß, konnten sie zuleicht in die Hände von jemandem fallen, der aus ih-nen wissenschaftliche Prinzipien ableiten konnte, dieden Kenntnissen des Vierten Kreises zu weit vorauswaren. Etwas aus dem Ersten Kreis hatte er allerdingsmitgebracht, vor allem weil es, entsprechend ver-packt, seine Herkunft nicht leicht erkennen ließ. Un-ter dem Sitz holte er eine der im Vierten Kreis übli-chen ledernen Aktentaschen hervor und nahm eineHalbliterflasche mit rotem Gift-Etikett und einHandtuch heraus. Er tränkte das Handtuch mit demInhalt der Flasche und rieb seinen Oberkörper damitein, wobei er auch nicht den winzigsten, von denseptischen Klauen des Nachthundes verursachten Rißüberging. Wo immer das nasse Handtuch offenesFleisch berührte, durchschoß ihn ein Schmerz, als stä-chen ihn glühende Nadeln; er war einer Ohnmachtnahe, als die Prozedur endlich vorüber war. Sich ver-gewissernd, daß er jegliche Wunde desinfiziert hatte,ließ er das Handtuch fallen und klammerte sich vorSchwäche an die Seite des Jeeps. Er stieß eine Reiheenglischer Flüche aus, garnierte sie mit einer obszö-nen spanischen Blasphemie, die er von den Einwoh-nern von Nerros, seiner hiesigen Inselheimat im Sü-den, aufgeschnappt hatte, und fügte in einer Sprachedes Dritten Kreises eine donnernde VerwünschungMoggas, des Feuergottes von Dool, hinzu. Er sprachden Namen Fasifs, des Großen Gottes von Khift, ineiner Weise aus, die ihm ein Säurebad eingetragenhätte, hätten die Priester von Khift ihn gehört. Er ließ

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eine Anspielung auf die barocken Liebespraktikendes Volkes der Illyalla des Dritten Kreises fallen undbesänftigte sich selbst in der klassischen Dar-Halma-Sprache mit einer der allgemeinen, genealogischen,dem Indo-Turanischen Sektor des Vierten Kreises solieben Beleidigungen.

Zu diesem Zeitpunkt war sein Schmerz einem un-angenehmen Jucken gewichen. Das würde er aushal-ten müssen, bis seine Arbeit beendet war und er einheißes Bad nehmen konnte. Er holte eine andere Fla-sche aus der Ledertasche. Sie war flach, trug das Eti-kett »Old Overholt« und enthielt ein hier üblichesMittel gegen innere und subjektive Wunden. Erschluckte reichlich davon, verschloß sie wieder undsteckte sie für den Fall zukünftiger Erfordernisse inseine Hüfttasche. Er hob das zerrissene Schulterhalf-ter auf, warf es unter den Rücksitz und zog seinHemd an. Dann ging er hin und schleifte den totenNachthund herauf auf die Trasse.

Er sah scheußlich aus und wog an die zweihundertPfund mit seinen muskulösen Hinterbeinen, die denHauptteil seiner Schnellkraft lieferten, und den kräf-tigen, in drei Klauen endenden Vorderbeinen. SeineSekundärglieder, die etwa am Ende des ersten Kör-perdrittels angesetzt waren, waren lang und schlank.Jedes davon hatte eine einzige gekrümmte Kralle,und normalerweise waren sie eng an den Körper an-gelegt. Die Revolverkugel war an der Schädelbasiseingedrungen und unterhalb des Kiefers wieder aus-getreten; der Kopf war relativ unbeschädigt. VerkanVall war froh darüber; er wollte diesen Kopf für denTrophäensaal seines Hauses auf Nerros. Mit großerAnstrengung schaffte er das Ding auf die Hintersitze

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des Jeeps und warf seine fast völlig zerfetzteTweedjacke darüber.

Mit einem letzten Blick vergewisserte er sich, daßer nichts Verdächtiges hinterlassen hatte. Das Geästder Büsche war zerbrochen wo der Nachthund dieJacke heruntergeholt hatte, das konnte ein Bär getanhaben. Auf der Erde waren einzelne Spritzer derklebrigen Flüssigkeit, die das Ding statt Blut hatte,aber sie würden nicht mehr lange da sein. Terresti-sche Nagetiere waren scharf auf Nachthundblut, unddie Wälder hier waren voll von Mäusen. Er setzte sichhinter das Steuer, wendete den Jeep und fuhr davon.

Im Inneren der Parazeit-Transpositionskuppelwandte sich Verkan Vall vom Kadaver des Nacht-hundes ab, den er eben hereingeschleift hatte, undbetrachtete ein anderes lebloses Tier – einen stum-melschwänzigen, spitzohrigen braunen kanadischenLuchs. Dieses Tier hatte bereits zwei Parazeit-Transpositionen hinter sich; in der weiten nordameri-kanischen Wildnis des Fünften Kreises gefangen, warer von Verkan Fall dem zoologischen Garten vonDhergabar im Ersten Kreis überstellt worden. Dannhatte er ihn mit Genehmigung Tortha Karfs wiederbeschlagnahmt und in den Vierten Kreis verbracht.Jetzt war er fast am Ende seines langen Weges.

Verkan Vall stupste den Luchs leicht mit dem Stie-fel. Er bewegte sich ein wenig. Seine Beine waren zu-sammengebunden, aber als Vall sah, daß die Wir-kung des Betäubungsmittels nachließ, nahm er eineSpritze, zerteilte das Nackenfell des Tiers ein wenigund gab ihm eine Injektion. Dann hob er es auf undtrug es hinaus zum Jeep.

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»So, Kätzchen«, sagte er und legte es unter denRücksitz, »so wie du jetzt gedopt bist, tut das über-haupt nicht weh.«

Er ging zurück und suchte in der verlassenenScheune herum. Er hob eine Hacke auf und fand siezu leicht. Eine alte Pflugschar war zu unhandlich.Dann geriet er an eine Axt, die unter einem Haufenmodriger Bretter lag. Irgend jemand hatte den Stielgekürzt, so daß es jetzt eher ein schweres Beil war. Erwog es in der Hand, probierte es an einem Holzblockaus, vergewisserte sich dann, daß die Geheimtür ge-schlossen war, und fuhr davon. Eine Stunde späterkam er zurück. Er öffnete die Geheimtür und brachtedas zerrissene Schulterhalfter, die Schnur, mit dem erdem Luchs die Beine gebunden hatte, und das Beil,an dem jetzt Blut und braune Haare waren, in dieKuppel. Dann machte er die Geheimtür wieder zuund nahm einen langen Schluck aus der Flasche inseiner Hüfttasche.

Das Werk war getan. Er würde ein heißes Badnehmen, im Farmhaus bis Mittag schlafen und dannin den Ersten Kreis zurückkehren. Vielleicht würde ervon Tortha Karf den Auftrag bekommen, für einegewisse Zeit hierher zurückzukehren. Die Lage aufdieser Zeitlinie war alles andere als befriedigend,selbst wenn die Krise, die Gavran Sarns Nachthundvielleicht herbeigeführt hätte, abgewendet war. DieAnwesenheit eines Chef-Assistenten konnte notwen-dig sein.

Zumindest stand ihm ein kurzer Urlaub zu. Erdachte an die kleine Rothaarige in den Hagraban-Synthetik-Werken. Wie hieß sie doch? Etwas wie Ka-ra – Morvan Kara, das war's. Wenn er morgen nach-

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mittag den Ersten Kreis erreichte, würde sie geradeSchichtende haben.

Seine Wunden schmerzten noch immer. Ein heißesBad und ein langer Schlaf ... Er nahm noch einenSchluck, zündete seine Pfeife an, ergriff sein Gewehrund ging über den Hof zum Haus hinüber.

Wachtmeister Zinkowski legte den Telefonhörer auf,erhob sich hinter seinem Schreibtisch und reckte sich.Er verließ den Dienstraum und ging über den Korri-dor ins Ruhezimmer, wo die anderen sich entspann-ten. Sergeant Haines, der gerade mit Corporal Con-ner, einem Deputy Sheriff und einem Mechaniker vonder nahegelegenen Tankstelle Karten spielte, sah auf.

»Sergeant, die Sache mit dem getöteten Vieh istwohl ausgestanden«, sagte Zinkowski.

»So?« sagte der Sergeant interessiert.»Ja. Diesem geheimnisvollen Würger ist es offenbar

an den Kragen gegangen. Hatte eben einen Anruf vonder Bahnpolizei in Logansport. Wie es scheint, hat einStreckengeher etwa eine Meile entfernt vom MMY-Signalturm einen toten Luchs gefunden. Dürfte sich mitdem Nachtzug angelegt haben und hat den Kürzerengezogen. Mehr oder weniger nur noch Hackfleisch.«

»MMY-Signalturm, das ist direkt hinter YodersCrossing«, überlegte der Sergeant. »In der vorletztenNacht die Strawmyer-Farm, letzte Nacht die von Am-rine ... Ja, das haut ungefähr hin.«

»Parker wird es auch recht sein; Luchse sind nichtgeschützt, also geht's ihn nichts an. Und da keine Ge-setzesübertretung vorliegt kann es auch uns egalsein«, sagte Conner. »Sie geben, Sergeant, nichtwahr?«

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»Mhm. Augenblick.« Der Sergeant stand auf. »Ichhabe Sam Kane, dem AP-Mann in Logansport, ver-sprochen, daß ich ihn anrufe wenn es was Neuesgibt.« Er ging zum Telefon. »Phantom-Killer!« Er ließeinen unhörlichen Laut hören.

»Na, so lange die Sache im Gang war, war sie jawirklich aufregend«, sagte der Deputy Sheriff. »Ge-nau wie die Geschichte mit den Fliegenden Untertas-sen.«

Übersetzt von Dolf StrasserOriginaltitel: POLICE ACTION

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Henry Kuttner

DER EITLE ROBOTER

Gallegher war ein Mann, der sich bei wissenschaftli-chen Experimenten ganz von seinem Gefühl leitenließ, und ihm passierten oft die merkwürdigsten Din-ge. Er war, wie er zu sagen pflegte, ein »beiläufigesGenie«. Manchmal begann er mit einem Stück Draht,ein paar Batterien und einem Druckknopfschalter –und wenn er fertig war, hatte er einen neuen Kühl-schranktyp erfunden.

Im Augenblick pflegte er einen Kater. Er war einschmächtiger, nicht sehr stabil gebauter Mann, und erlag ein bißchen windschief auf der Couch im Labor.Eine dunkle Haarlocke fiel ihm unordentlich über dieStirn, und er bediente mit Hingabe seine mechanischeSchnapsbar. Ein sehr trockener Martini rieselte lang-sam aus dem Hahn in seinen aufnahmebereitenMund.

Er versuchte, sich an etwas zu erinnern, aber erstrengte sich dabei nicht zu sehr an. Es hatte irgendetwas mit dem Roboter zu tun, natürlich. Aber ermachte sich darum keine weiteren Sorgen.

»He, Joe!« sagte Gallegher.Der Roboter stand steif aufgerichtet vor dem Spie-

gel und untersuchte seine Eingeweide. Seine Hautwar durchsichtig, und in seinem Innern drehten sichRäder mit großer Geschwindigkeit.

»Wenn du mich aus solcher Nähe rufst«, bemerkteJoe, »dann flüstere gefälligst. Und schaff die Katzehinaus, sie stört mich.«

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»So scharf sind deine Ohren doch gar nicht.«»Aber ja! Ich kann die Katze ganz deutlich herum-

laufen hören.«»Und wie klingt's?« fragte Gallegher interessiert.»Genau wie Trommeln«, sagte der Roboter ein we-

nig von oben herab. »Und wenn du redest, wie Don-ner.« Joes Stimme war ein mißtönendes Gequietsche,und Gallegher dachte daran, eine Bemerkung überGlashäuser und Steinewerfen zu äußern. Dann aberrichtete er – mit einiger Anstrengung – seine Auf-merksamkeit auf die Tür, wo hinter dem Mattglas einSchatten aufragte. Ein bekannter Schatten, dachteGallegher.

»Brock«, kam es aus dem Sprechgerät, »HarrisonBrock. Machen Sie auf!«

»Die Tür ist offen.« Gallegher rührte sich nicht. Erbetrachtete in aller Ruhe den gutgekleideten Mannmittleren Alters, der hereintrat, und versuchte, sichan so einiges zu erinnern. Brock war zwischen vierzigund fünfzig, sein Gesicht war sorgfältig massiert undglattrasiert, und er trug eine gereizte Ungeduld zurSchau. Vermutlich kannte Gallegher den Mann. Erwar sich dessen aber nicht sicher. Na ja, abwarten,dachte er und lehnte sich bequem zurück.

Brock blickte sich in dem großen, unaufgeräumtenLaboratorium um, besah sich den Roboter mit hoch-gezogenen Augenbrauen und suchte nach einemStuhl, der aber nicht vorhanden war. Er verschränktedie Arme, wippte vor und zurück und sah den aufseiner Couch ausgestreckten Wissenschaftler durch-dringend an.

»Und?« sagte er.»So sollte man keine Unterhaltung beginnen«,

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murmelte Gallegher tadelnd und spritzte sich einenweiteren Martini in die Kehle. »Ich habe heute schongenug Ärger gehabt. Setzen Sie sich und regen Siesich ab. Hinter Ihnen steht ein Dynamo, der ist nichtbesonders staubig, darauf dürfen Sie Platz nehmen.«

»Haben Sie es?« schnappte Brock. »Mehr will ichnicht wissen. Sie haben eine Woche Zeit gehabt. Ichhabe einen Scheck über zehntausend in der Tasche.Wollen Sie ihn haben oder nicht?«

»Aber sicher«, sagte Gallegher. Er streckte seinegroße Hand aus und griff in die Luft. »Geben Sieher!«

»Caveat emptor. Was bekomme ich dafür?«»Wissen Sie das nicht?« fragte der Wissenschaftler

ehrlich verblüfft.Brock fing wieder an, gereizt auf und ab zu wip-

pen. »Mein Gott«, sagte er, »man hat mir gesagt, Siekönnten mir helfen, wenn's überhaupt jemand kann.Gewiß! Und man hat mir außerdem gesagt, daß manIhnen jede vernünftige Antwort wie Würmer aus derNase ziehen muß. Sind Sie nun ein Techniker oder einplappernder Idiot?«

Gallegher überlegte. »Einen Augenblick! Ich erin-nere mich langsam. Ich habe letzte Woche mit Ihnengesprochen, nicht wahr?«

»Sie haben ...« Brocks rundes Gesicht rötete sich.»Jawohl! Sie haben dagelegen, Schnaps geschlucktund Gedichte aufgesagt. Sie haben ›Frankie undJohnnie‹ gesungen. Und schließlich haben Sie meinenAuftrag angenommen.«

»Tatsache ist«, sagte Gallegher, »daß ich wohl be-trunken war. Ich betrinke mich öfters. Besondersdann, wenn ich Ferien habe. Das befreit mein Unter-

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bewußtsein, und ich kann dann besser arbeiten. Mei-ne kompliziertesten Apparate habe ich gebaut, wennich blau war«, fuhr er strahlend fort. »Alles scheintdann sonnenklar zu sein. Klar wie eine Glucke. Ichmeine Glocke, oder? Jedenfalls ...« Er verlor den Fa-den und sah nachdenklich vor sich hin. »Übrigens –wovon reden Sie überhaupt?«

»Wollt ihr endlich ruhig sein?« forderte der Robo-ter, der immer noch vor dem Spiegel stand.

Brock fuhr zusammen. Gallegher machte einewegwerfende Handbewegung. »Kümmern Sie sichnicht um Joe. Er ist letzte Nacht erst fertig geworden,und es tut mir schon leid, daß ich ihn überhaupt ge-baut habe.«

»Ein Roboter?«»Ein Roboter. Aber er taugt nichts, wissen Sie. Ich

habe ihn entworfen, als ich betrunken war, und ichhabe keine Ahnung, wie oder warum. Alles, was erkann, ist dastehen und sich bewundern. Und singen.Er singt wie ein Reibeisen. Sie werden ihn schon nochhören.«

Es kostete Brock einige Anstrengung, wieder zumThema zurückzufinden. »Jetzt passen Sie mal gut auf,Gallegher. Ich stehe auf der Kippe. Sie haben ver-sprochen, mir zu helfen. Wenn Sie's nicht tun, bin ichein ruinierter Mann.«

»Ich bin schon seit Jahren ruiniert«, bemerkte derWissenschaftler. »Es hat mich nie gestört. Ich arbeiteeinfach weiter für meinen Lebensunterhalt und ba-stele in meiner Freizeit ein bißchen herum. Ich machealle möglichen Sachen. Wissen Sie, wenn ich richtigstudiert hätte, wäre ich ein zweiter Einstein gewor-den. So sagt man mir jedenfalls. Wie die Dinge liegen,

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scheint mein Unterbewußtsein irgendwo eine erst-klassige wissenschaftliche Ausbildung aufgeschnapptzu haben. Vermutlich habe ich mich deswegen auchnie besonders angestrengt. Wenn ich betrunken binoder sonst hinreichend geistesabwesend, kann ich dievertracktesten Probleme mit Leichtigkeit knacken.«

»Sie sind jetzt vollkommen betrunken«, klagteBrock ihn an.

»Ich nähere mich den angenehmeren Stadien mei-nes Daseins. Wie würden Sie sich denn fühlen, wennSie aufwachten und feststellten, Sie hätten aus ir-gendwelchen unbekannten Gründen einen Roboterhergestellt, und wenn Sie dabei nicht die geringsteVorstellung davon hätten, was diese Kreatur nun ei-gentlich kann?«

»Nun ...«»Ich bin da ganz anderer Meinung«, murmelte

Gallegher. »Wahrscheinlich nehmen Sie das Leben zuernst, Brock. Der Wein ist ein Schelm – starke Geträn-ke machen einen Mann verrückt Verzeihung! Ich binjetzt wohl nicht ganz bei Trost.« Er trank einen weite-ren Martini.

Brock fing an, sich in dem Laboratorium ein wenigumzusehen, wobei er vielerlei rätselhaften und unor-dentlich herumliegenden Gegenständen ausweichenmußte. »Wenn Sie ein Wissenschaftler sind, dann hel-fe der Himmel der Wissenschaft.«

»Ich bin der Larry Adler der Wissenschaft«, sagteGallegher. »Er, ein Musiker – lebte vor ein paar hun-dert Jahren, denke ich. Ich bin genau wie er. Habe niein meinem Leben etwas gelernt. Kann ich etwas da-für, wenn mein Unterbewußtsein mir gern Streichespielt?«

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»Wissen Sie, wer ich bin?« forschte Brock.»Offengestanden – nein. Woher sollte ich Sie ken-

nen?«In der Stimme des anderen schwang Bitterkeit. »Sie

hätten die Höflichkeit haben können, sich daran zuerinnern, auch wenn es schon eine Woche her ist.Harrison Brock ist mein Name. Mir gehört die Vox-View-Fernsehgesellschaft.«

»Nein«, sagte der Roboter plötzlich, »es hat keinenZweck. Überhaupt keinen Zweck, Brock.«

»Was zum ...«Gallegher seufzte müde. »Ich vergesse immer, daß

das verdammte Ding lebt und selbständig denkt. Mr.Brock, darf ich Ihnen Joe vorstellen? Joe, das ist Mr.Brock – von der Vox-View.«

Joe wandte sich um, das Getriebe in seinem durch-sichtigen Gehirn klickte. »Freut mich sehr, Sie ken-nenzulernen, Mr. Brock. Erlauben Sie mir, Sie zu be-glückwünschen, daß Sie meine liebliche Stimme hö-ren dürfen.«

»Äh«, sagte der Mediengewaltige undeutlich.»Hallo!«

»Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist Eitelkeit«, warfGallegher sotto voce ein. »So ist Joe nun einmal. EinPfau. Sinnlos, sich mit ihm zu streiten, er ändert sichnicht mehr.«

Der Roboter überging diese Randbemerkung.»Aber es hat keinen Zweck, Mr. Brock«, fuhr er quiet-schend fort, »ich bin nicht an Geld interessiert. Ichverstehe zwar, daß ich vielen Glück und Zufrieden-heit bringen könnte, wenn ich mich zu einem Auftrittin Ihrem Programm bereitfände, aber der Ruhm be-deutet mir nichts. Gar nichts! Das Bewußtsein meiner

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Schönheit ist für mich genug.«Brock biß sich auf die Lippen. »Hör mal«, sagte er

wütend, »ich bin nicht hergekommen, um dir eineRolle anzubieten, verstehst du? Biete ich vielleicht ei-nen Vertrag an? Eine solche Unverfrorenheit – ah!Das Ding ist verrückt.«

»Ihre Pläne sind völlig durchschaubar«, bemerkteder Roboter kühl. »Ich kann sehen, daß Sie überwäl-tigt sind von meiner Schönheit und der Lieblichkeitmeiner Stimme – von ihren gewaltigen tonalen Qua-litäten. Sie brauchen sich nicht zu stellen, als wolltenSie mich nicht, nur um mich zu einem niedrigen Preiszu bekommen. Ich sagte doch schon, ich bin nichtdaran interessiert.«

»Du bist ver-r-rückt!« heulte Brock, der jetzt überdas Maß des Erträglichen hinaus gereizt war, und Joewandte sich ungerührt wieder seinem Spiegel zu.

»Seien Sie nicht so laut«, klagte der Roboter. »DieseDissonanzen können einen ja taub machen. Außer-dem sind Sie häßlich, und es macht mir keine Freude,Sie anzusehen.« Zahnräder surrten unter der transpa-renten Plastikhülle. Joe streckte seine Augen aufStielen hervor und betrachtete sich mit allen Anzei-chen der Befriedigung.

Gallegher lachte leise auf seiner Couch. »Joe kannmanchmal sehr aufreizend sein«, sagte er. »Soviel ha-be ich schon herausgefunden. Außerdem muß ichihm einige bemerkenswerte Sinnesorgane eingebauthaben. Vor einer Stunde fing er an, sich halb totzula-chen, anscheinend ohne jeden Grund. Ich machte mirgerade etwas zu essen. Zehn Minuten später rutschteich auf einem Apfelrest aus, den ich weggeworfenhatte, und schlug ziemlich hart auf. Joe sah mich nur

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an. ›Das habe ich gewußt‹, sagte er. ›Die Logik derWahrscheinlichkeit. Ursache und Wirkung. Ich wuß-te, daß du den Apfelrest wegwerfen würdest, umdann auf dem Weg zum Briefkasten draufzutreten.‹Wie der große Abrakadabra, nehme ich an. Einschlechtes Gedächtnis, das nicht in beiden Richtun-gen arbeitet.«

Brock saß auf dem kleinen Dynamo – es gab zweidavon, der größere hieß Monstro, und der kleinerewurde von Gallegher als Bank benutzt – und holtetief Atem. »Roboter sind nichts Neues.«

»Der hier aber doch. Ich habe was gegen sein Ge-triebe. Ich bekomme allmählich einen Minderwertig-keitskomplex. Möchte bloß wissen, warum ich ihngemacht habe«, seufzte Gallegher. »Reden wir nichtmehr davon. Wollen Sie was trinken?«

»Nein, ich bin geschäftlich hier. Meinen Sie das imErnst, daß Sie die letzte Woche mit dem Bau einesRoboters verbracht haben statt das Problem zu lösen,wozu ich Ihnen den Auftrag gegeben hatte?«

»Es war ein Erfolgshonorar, nicht wahr?« fragteGallegher. »Ich glaube, daran kann ich mich noch er-innern.«

»Erfolgshonorar«, bestätigte Brock voll Befriedi-gung. »Zehntausend, falls Sie den Apparat liefern,zahlbar nachdem er sich bewährt hat.«

»Warum geben Sie mir nicht das Geld und nehmenden Roboter? So viel ist er wert. Zeigen Sie ihn in ei-ner Ihrer Sendungen.«

»Ich werde keine Sendungen mehr machen kön-nen, wenn Sie für meine Lage keinen Ausweg fin-den«, schnappte Brock. »Ich habe Ihnen das alles be-reits erklärt.«

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»Ich war damals betrunken«, sagte Gallegher.»Mein Gehirn ist wie leergewaschen. Ich bin jetzt wieein kleines Kind. Bald werde ich wie ein betrunkeneskleines Kind sein. Wenn Sie mir in der Zwischenzeitvielleicht die Sache noch einmal erklären wollten ...«

Brock schluckte einen Temperamentsausbruchhinunter, riß irgendein Magazin aus dem Bücherge-stell und nahm einen Kugelschreiber zur Hand. »Alsogut. Meine Aktien stehen bei achtundzwanzig, weitunter dem Nennwert.« Er kritzelte Zahlen auf dasPapier.

»Wenn Sie den mittelalterlichen Folioband danebengenommen hätten, dann müßten Sie jetzt 'ne StangeGeld bezahlen«, sagte Gallegher faul. »Sie gehören al-so zu den Leuten, die auf Tischtücher und so wasschreiben, wie? Lassen Sie diesen Kram mit den Akti-en. Erzählen Sie mir lieber, was los ist. Wen wollenSie nun eigentlich übers Ohr hauen?«

»Es hat keinen Zweck«, sagte der Roboter vomSpiegel her. »Ich werde keinen Vertrag unterzeich-nen. Die Leute können herkommen und mich be-wundern, wenn sie wollen, aber in meiner Gegenwartdürfen sie nur flüstern.«

»Eine Klapsmühle ist das hier«, murmelte Brockund versuchte, sich zu bezähmen. »Hören Sie, Gal-legher. Ich habe Ihnen das alles schon vor einer Wo-che erzählt, aber ...«

»Joe war damals noch nicht vorhanden. Tun Sie so,als redeten Sie mit ihm.«

»Äh – schauen Sie her. Sie haben doch bestimmtvon der Vox-View-Fernsehgesellschaft gehört.«

»Sicher. Die größte und beliebteste Fernsehgesell-schaft in der Branche. Sonatone ist so ziemlich Ihr

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einziger Konkurrent.«»Sonatone verdrängt mich vom Markt.«Gallegher blickte erstaunt auf. »Ich wüßte nicht,

wie das geschehen sollte. Sie liefern das beste Pro-gramm. Dreidimensional, Farbe, alle möglichen mo-dernen Verbesserungen, die besten Schauspieler Mu-siker, Sänger ...«

»Keinen Zweck«, sagte der Roboter. »Ich willnicht.«

»Halt jetzt endlich den Mund, Joe. Sie sind der be-ste Mann in Ihrer Branche, Brock. Das muß manschon sagen. Und ich habe immer gehört, Sie wärenhalbwegs ehrlich. Was kann Ihnen Sonatone anha-ben?«

Brock machte eine hilflose Handbewegung. »Ach,es hängt mit der Politik zusammen. Die sogenanntenSchwarztheater. Ich komme nicht gegen sie an. So-natone hat bei der Wahl der jetzigen Regierung mit-geholfen, und die Polizei blinzelt nur, wenn ich sieauffordere, gegen diese Schwarzmarktleute vorzuge-hen.«

»Schwarze Theater?« fragte Gallegher und runzelteein wenig die Stirn. »Ich habe da irgendwas gehört,aber ...«

»Das ist eine lange Geschichte. Reicht bis zurück indie alten Tonfilmtage. Das Heimfernsehen war derTodesstoß für den Tonfilm und die großen Ki-notheater. Die Leute wollten einfach nicht mehr zwi-schen Zuschauermassen sitzen und eine Leinwandbetrachten. Die Fernsehempfänger wurden laufendverbessert. Es machte mehr Spaß, bequem in einemSessel zu sitzen, Bier zu trinken und zu rauchen undsich so die Vorstellung anzusehen. Fernsehen war

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nicht mehr das Steckenpferd der Reichen. Das Miet-system ließ den Preis auch für mittlere Einkommens-klassen erschwinglich werden. Das weiß jeder.«

»Ich weiß es nicht«, sagte Gallegher. »Ich kümmeremich nie um das, was außerhalb meines Labors vor-geht, wenn ich nicht dazu gezwungen werde. Michinteressiert nur, was mich unmittelbar angeht. Erklä-ren Sie mir alles in Einzelheiten, so daß ich mir einvollständiges Bild machen kann. Es stört mich nicht,wenn Sie sich wiederholen. So, und wie ist das mitIhrem Mietsystem?«

»Fernsehgeräte werden kostenlos aufgestellt. Wirverkaufen sie nicht, wir vermieten sie. Die Leute be-zahlen uns nach der Stundenzahl, die sie das Geräteingeschaltet lassen. Wir senden vierundzwanzigStunden am Tag: Bühnenstücke, Magnetfilme, Opern,Orchester, Sänger, Kabarett – alles. Wer das Gerät oftbenutzt, zahlt entsprechend mehr. Einmal im Monatkommt ein Kassierer und liest den Zähler ab. Das istein gerechtes System. Jeder kann sich einen Vox-Viewleisten. Sonatone und die anderen Gesellschaften ma-chen es ebenso, aber Sonatone ist die einzige wirklichgefährliche Konkurrenz für mich. Oder wenigstensdie einzige, die mit Gangstermethoden arbeitet. Dieanderen, der Rest – sie sind zwar kleiner als ich, aberich trete ihnen nicht auf die Hühneraugen. Noch kei-ner hat mich eine Laus genannt«, sagte Brock finster.

»Na und?«»Und Sonatone hat nun angefangen, an die Zu-

schauerinstinkte zu appellieren, Arena-Appeal nenntman das bei uns. Bis vor kurzem war das unmöglich.Man konnte dreidimensionale Fernsehsendungennicht auf einen großen Bildschirm projizieren, ohne

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daß es Streifen und Spiegeleffekte gegeben hätte. Ausdiesen Gründen waren auch die Bildschirme derHeimmodelle nur 0,90 x 1,20 Meter groß. Die Wir-kung war vollkommen. Aber Sonatone hat eine Men-ge Geistertheater im ganzen Land aufgekauft ...«

»Was ist ein Geistertheater?« fragte Gallegher.»Nun – ehe die Filmindustrie zusammenbrach,

dachte man in großen Ausmaßen. Groß – verstehenSie? Haben Sie jemals von der Radio City Music Hallgehört? Aber das rentierte sich nicht mehr! Das Fern-sehen kam auf, und die Konkurrenz wurde schärfer.Die Tonbildtheater wurden größer und prachtvoller.Es wurden wahre Paläste gebaut. Gewaltig. Als aberdas Fernsehen vollkommen wurde, ging niemandmehr in die großen Theater, und oft war es zu teuer,sie wieder einzureißen. Geistertheater – verstehen Siejetzt? Große und kleine. Er hat sie gekauft und reno-viert. Und sie zeigen das Sonatone-Programm. Arena-Appeal ist dabei ein wichtiger Faktor. Der Eintritt isthoch, aber die Leute drängen sich nur so hinein. DerReiz der Neuheit und der Herdentrieb, das sind diebeiden Faktoren, mit denen Sonatone rechnet.«

Gallegher schloß die Augen. »Und was hindert Siedaran, dasselbe zu tun?«

»Patente«, sagte Brock kurz. »Ich habe schon er-wähnt, daß man bis vor kurzem dreidimensionalesFernsehen nicht auf große Bildschirme projizierenkonnte. Vor zehn Jahren unterzeichnete Sonatone mitmir ein Übereinkommen, daß alle neu aufkommen-den Vergrößerungsvorrichtungen von uns gemein-sam genutzt werden sollten. Diese Vertragsbindungleugnen sie jetzt. Es hieß, der Vertrag sei gefälscht,und die Gerichte haben ihnen recht gegeben. Kein

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Wunder, Sonatone hat Einfluß auf die Gerichte – Po-litik! Aber ganz gleich, Sonatones Techniker habenein Verfahren ausgearbeitet, das die Verwendung ei-nes großen Schirms erlaubt. Sie haben sich Patenteerteilen lassen – genauer gesagt siebenundzwanzigPatente, die jede mögliche Abwandlung des Prinzipsschützen. Mein technischer Stab hat Tag und Nachtgearbeitet, um eine ähnliche Methode herauszufin-den, die keine Nachahmung wäre, aber SonatonesPatente stehen uns überall im Weg. Sie nennen ihrSystem ›Magna‹. Es läßt sich an jedes Fernsehgerätanschließen, aber sie lassen es nur in Verbindung mitSonatone-Apparaten zu. Verstehen Sie jetzt?«

»Zwar wenig kollegial, aber durchaus rechtmäßig«,sagte Gallegher. »Trotzdem, Sie bieten Ihren Kundenmehr für ihr Geld. Die Leute wollen gute Sachen se-hen. Die Größe spielt dabei keine Rolle.«

»Ja, schon«, sagte Brock bitter, »aber das ist nochnicht alles. Die Nachrichtenbänder sind voll von A.A. – ein neues Schlagwort. Arena-Appeal. Der Her-deninstinkt. Sie haben zwar recht, daß die LeuteQualität sehen wollen – aber würden Sie Scotch fürvier Dollar kaufen, wenn Sie ihn für die Hälfte be-kommen könnten?«

»Das hängt von der Qualität ab. Was geschiehtdenn sonst noch?«

»Schwarztheater«, sagte Brock. »Im ganzen Landhaben sie sich aufgetan. Sie zeigen Vox-View-Programme, und sie benutzen dabei das Magna-Vergrößerungssystem, das Sonatone patentiert hat.Der Eintrittspreis ist niedrig – niedriger als die Mietefür ein Vox-View-Gerät im eigenen Heim – und dazukommt der Arena-Appeal. Es ist aufregend, weil es

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ein bißchen ungesetzlich ist. Überall lassen die Leuteihre Vox-View-Geräte wieder abholen, und ich weißauch, warum. Sie können statt dessen in ein schwar-zes Theater gehen.«

»Das ist ungesetzlich«, sagte Gallegher nachdenk-lich.

»Das waren die schwarzen Kneipen in der Prohibi-tionszeit auch. Es ist nur eine Frage der Schmiergel-der. Ich kann die Gerichte nicht zum Eingreifen be-wegen. Ich hab's versucht. Vox-View ist ein Verlust-geschäft geworden. Es dauert nicht mehr lange, bisich pleite bin. Und ich kann meine Mietgebühren fürdie Vox-View-Heimgeräte nicht erhöhen, sie deckenohnehin nur wenig mehr als die Selbstkosten. Ich er-ziele meine Gewinne durch ihre große Anzahl undjetzt – keine Gewinne mehr. Und was andererseitsdiese Schwarztheater angeht, es ist ziemlich klar, werdahintersteckt.«

»Sonatone?«»Aber sicher, als stiller Teilhaber. Er wird an den

Einnahmen beteiligt. In Wirklichkeit will er mich aberaus dem Geschäft drängen, so daß er ein Monopolbekommt. Danach werden sie die Öffentlichkeit mitSchund füttern und ihren Künstlern Hungerlöhnezahlen. Bei mir ist das anders. Ich zahle meinen Leu-ten, was sie wert sind – 'ne ganze Menge.«

»Und mir haben Sie lumpige Zehntausend ange-boten«, bemerkte Gallegher. »So, so!«

»Das war nur die erste Rate«, sagte Brock hastig.»Sie können Ihr eigenes Honorar verlangen, wenn esin Grenzen bleibt«, fügte er hinzu.

»Das werde ich auch. Eine astronomische Summe.Habe ich vor einer Woche zugesagt, daß ich den

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Auftrag annehme?«»Jawohl.«»Dann muß ich irgendeine Vorstellung gehabt ha-

ben, wie das Problem zu lösen wäre«, überlegte sichGallegher. »Mal sehen. Habe ich nicht irgend etwasdazu geäußert?«

»Sie haben fortwährend von Marmortafeln geredetund von ... hm ... Ihrem Liebling.«

»Dann habe ich gesungen«, erklärte Gallegher her-ablassend. »›St. James Infirmary‹. Singen beruhigtmeine Nerven, und Gott weiß, daß sie's manchmalnötig haben. Wein und Gesang. Oft nimmt michwunder, was die Wirte kaufen ...«

»Wie bitte?«»Nur halb so teuer, als was sie verzapfen. Hören

Sie nicht hin. Ich zitiere Omar. Hat nichts zu bedeu-ten. Sind Ihre Techniker was wert?«

»Die besten. Und natürlich die bestbezahlten.«»Und sie können kein Projektionsverfahren erfin-

den, das nicht die Magnapatente von Sonatone ver-letzt?«

»Sie haben es erfaßt!«»Dann muß ich wohl an die Arbeit gehen«, sagte

Gallegher niedergeschlagen. »Ich hasse das wie Gift.Immerhin, die Summe der Teile ist gleich dem Gan-zen. Verstehen Sie das? Ich nicht. Ich habe Schwierig-keiten mit den Worten. Wenn ich irgend etwas gesagthabe, fange ich an zu überlegen, was ich gesagt habe.Das ist besser, als sich so ein Stück anzusehen«,schloß er ratlos. »Ich habe Kopfschmerzen. Zu vielGerede und zu wenig zu trinken. Wo sind wir ste-hengeblieben?«

»Kurz vor dem Irrenhaus«, half Brock aus. »Wenn

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Sie nicht meine letzte Hoffnung wären, würde ich ...«»Zwecklos«, sagte der Roboter blechern. »Sie kön-

nen Ihren Vertrag ruhig zerreißen, Brock. Ich werdenichts unterschreiben. Der Ruhm reizt mich nicht –gar nicht.«

»Wenn du nicht den Mund hältst«, warnte ihnGallegher, »werde ich dir in die Ohren hineinschrei-en.«

»Schon gut!« kreischte Joe. »Schlag mich! Los,schlag mich schon! Je gemeiner du bist, desto schnel-ler geht mein Nervensystem in die Brüche, und dannbin ich endlich tot. Mich kümmert das nicht. Ich be-sitze keinen Selbsterhaltungstrieb. Schlag mich doch!Sieh zu, ob es mir was ausmacht.«

»Er hat recht, wissen Sie«, sagte der Wissenschaft-ler nach einer Pause. »Und das ist die einzig logischeArt, auf Erpressung oder Drohungen zu antworten. Jeeher es vorbei ist, desto besser. Für Joe gibt es keineAbstufungen. Alles, was ihm wirklich weh tut, wirdihn zerstören. Und es interessiert ihn überhaupt nicht,ob er am Leben bleibt oder nicht.«

»Mich auch nicht«, knurrte Brock. »Was ich wissenwill ...«

»Ja, ich weiß. Na gut, ich werde mich umtun undzusehen, was mir einfällt. Kann ich Ihre Studios malbesichtigen?«

»Hier ist ein Paß.« Brock kritzelte etwas auf dieRückseite seiner Geschäftskarte. »Werden Sie sichgleich an die Arbeit machen?«

»Aber gewiß«, log Gallegher. »Und jetzt gehen Sieund beruhigen Sie sich erst einmal. Versuchen Sie,Abstand von den Dingen zu gewinnen. Alles ist inOrdnung. Entweder kann ich bald eine Lösung Ihres

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Problems finden, oder ...«»Oder was?«»Oder ich kann's nicht«, fuhr der Wissenschaftler

ungerührt fort, dann ließ er seine Finger über dieKnöpfe auf einem Schaltbrett in der Nähe der Couchgleiten. »Ich habe die Martinis satt. Warum hab ichbloß aus diesem Roboter keinen mechanischen Bar-mixer gemacht, wenn ich schon mal dabei war? Al-lein die Anstrengung, die Knöpfe hier auszusuchenund zu drücken, ist manchmal deprimierend. Ja doch,ich werd mich um die Sache kümmern, Brock. Den-ken Sie nicht mehr daran.«

Der Fernsehgewaltige zögerte. »Nun, Sie sind mei-ne einzige Hoffnung. Ich brauche wohl nicht zu er-wähnen, für den Fall, daß Sie irgend etwas brauchen...«

»Ein wenig Gesellschaft«, murmelte Gallegher.»Dieser großartige, gutgebaute Star von Ihnen, dieSilver O'Keefe. Schicken Sie sie her. Sonst brauche ichnichts.«

»Auf Wiedersehen, Brock«, sagte der Roboterquietschend. »Schade, daß wir uns über den Vertragnicht einigen konnten, aber zum mindesten wurdenSie der unvergleichlichen Freude teilhaftig, meineschöne Stimme zu hören, ganz zu schweigen vondem Wohlgefallen, das mein Anblick in Ihnen er-zeugt haben muß. Sagen Sie es bitte nicht zu vielenLeuten weiter, wie lieblich ich bin. Ich möchte wirk-lich nicht, daß mich Menschenmassen belästigen. Siesind so laut.«

»Sie wissen erst, was Dogmatismus ist, wenn Siemit Joe einmal gesprochen haben«, sagte Gallegher.»Na ja, bis später. Vergessen Sie die Blondine nicht.«

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Brocks Lippen zitterten. Er rang nach Worten, gabes als vergebliche Liebesmüh auf und wandte sichzur Tür.

»Auf Wiedersehen, Sie häßlicher Mensch«, sagteJoe.

Gallegher fuhr zusammen, als die Tür zuknallte, ob-wohl es den überempfindlichen Ohren des Robotersweher tat als seinen. »Warum mußt du dich auch soverteufelt schlecht benehmen?« forschte er. »Du hastden Kerl fast an den Rand eines Schlaganfalls ge-bracht.«

»Er wird sich doch nicht für schön gehalten ha-ben«, bemerkte Joe.

»Jeder ist sich selbst der Schönste.«»Wie dumm du bist. Außerdem bist du auch häß-

lich.«»Und du bist eine Ansammlung von ausgeleierten

Getrieben, Kolben und Zahnrädern. Du hast Wür-mer«, sagte Gallegher, womit er natürlich bestimmteEinzelteile in dem Körper des Roboters meinte.

»Ich bin lieblich.« Joe starrte hingerissen in denSpiegel.

»Für dich vielleicht. Ich möchte bloß wissen, war-um ich dich durchsichtig gemacht habe.«

»Damit mich auch andere bewundern können. Ichselbst habe natürlich einen Röntgenblick.«

»Und Räder in deinem Kopf. Warum habe ich deinradioatomisches Gehirn in deinem Magen unterge-bracht? Zum Schutz?«

Joe antwortete nicht. Er summte mit seiner quiet-schenden Stimme schrill und nervenzerfetzend. Eswar rein zum Verrücktwerden. Gallegher hielt es eine

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Weile aus, mußte sich aber mit einem doppelten Ginaus dem Mundstück stärken.

»Aufhören!« schrie er schließlich. »Es hört sich anwie eine alte Untergrundbahn in der Kurve.«

»Du bist nur neidisch«, sagte Joe verächtlich, dochgehorsam steigerte er die Tonhöhe bis zum Ultra-schall. Eine halbe Minute blieb es ruhig. Dann fingensämtliche Hunde der Nachbarschaft zu heulen an.

Müde richtete Gallegher sein schmächtiges Gerüstvon der Couch auf. Er konnte ebensogut in die Stadtgehen. Offensichtlich fand er im Labor doch keineRuhe. Jedenfalls nicht mit diesem lebendigen Abfall-haufen, der mit seinem Ego die ganze Stube ausfüllte.Joe fing an zu lachen. Es war ein unmelodiöses Ge-knatter. Gallegher fuhr zusammen.

»Was ist denn schon wieder?«»Das wirst du schon merken.«Die Logik von Ursache und Wirkung, der Einfluß

von Wahrscheinlichkeiten, Röntgenaugen und ande-ren rätselhaften Sinnesorganen, die der Roboter zwei-fellos besaß – Gallegher fluchte leise, fand einenformlosen schwarzen Hut und machte, daß er zur Türhinauskam. Als er sie öffnete, prallte ein kurzem fet-ter Mann gegen den Bauch des Wissenschaftlers, wasrecht schmerzhaft war.

»Uff! Uh! Der Hampelmann hat doch einen abge-schmackten Sinn von Humor. Hallo, Mr. Kennicott.Freut mich, Sie zu sehen. Tut mir leid, daß ich Ihnennichts zu trinken anbieten kann.«

Mr. Kennicotts dunkles Gesicht verzog sich bösar-tig. »Will nichts zu trinken. Will mein Geld haben.Geben Sie's her. Wie steht's?«

Gallegher blickte gedankenvoll auf nichts Besonde-

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res. »Hm, wenn Sie's genau wissen wollen, ich wolltegerade einen Scheck einlösen.«

»Ich habe Ihnen meine Diamanten verkauft. Siesagten, Sie wollen etwas damit machen. Sie haben mirschon mal einen Scheck gegeben. Der Scheck ist ge-platzt, pff! Warum?«

»Sicher Gummi«, sagte Gallegher schwach. »Ichweiß nicht genau, was ich auf der Bank habe.«

Bei Kennicott zeigten sich Symptome, als wollte ernun seinerseits platzen. »Sie geben mir die Diaman-ten zurück, wie?«

»Hören Sie, ich habe sie für ein Experiment ge-braucht. Ich weiß bloß nicht mehr, zu welchem. Wis-sen Sie, Mr. Kennicott, ich glaube, ich war damals einbißchen betrunken als ich sie gekauft habe, oder?«

»Blau«, stimmte der kleine Mann zu. »Aber natür-lich. Was hat das damit zu tun? Ich warte nicht län-ger. Sie haben mich schon zu lange hingehalten.Zahlen Sie jetzt, oder ...«

»Gehen Sie fort, Sie schmutziger Mensch!« sagteJoe aus dem Zimmer heraus. »Sie sind widerwärtig!«

Gallegher schob Kennicott hastig hinaus auf dieStraße und schloß die Tür hinter sich. »Ein Papagei«,erklärte er. »Ich werde ihm bald den Hals umdrehen.Und jetzt zu dem Geld. Ich geb's zu, ich schulde Ih-nen das. Ich habe gerade eine gute Stellung ange-nommen, und wenn ich mein Geld kriege, bekommenSie Ihres.«

»Erzählen Sie das anderswo«, sagte Kennicott. »Siehaben eine Stellung, wie? Als Techniker bei irgendei-ner großen Gesellschaft, wie? Verlangen Sie dochVorschuß.«

»Das hab ich schon getan«, seufzte Gallegher. »Ich

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stecke schon für die nächsten sechs Monate in derKreide. Jetzt hören Sie einmal zu, in ein paar Tagenwerde ich Ihnen das Geld geben. Vielleicht kann ichaus meinen Kunden noch was herausholen. Okay?«

»Nein!«»Nein?«»Quatsch. Ich warte einen Tag. Vielleicht zwei. Das

genügt. Sie bekommen Geld. Ist in Ordnung. Wennnicht, okay, Kittchen für Sie.«

»Zwei Tage langen«, sagte Gallegher erleichtert.»Sagen Sie mal, gibt es hier in der Nähe irgendwelcheSchwarztheater?«

»Wenn Sie arbeiten wollen, verlieren Sie lieber kei-ne Zeit.«

»Das ist meine Arbeit. Ich muß mich über dieseVergnügungsstätten informieren. Wo kann ich dennsowas finden?«

»Einfach. Gehen Sie in die Stadt, wenn Sie jemandin einem Hauseingang stehen sehen, kaufen Sie beiihm Karten. Überall. Wo Sie wollen.«

»In Ordnung«, sagte Gallegher und verabschiedetesich von dem kleinen Mann. Warum hatte er bloßDiamanten von Kennicott gekauft? Es wäre fast bes-ser, sich sein Unterbewußtsein operativ entfernen zulassen. Das stellte doch die tollsten Sachen an. Es ar-beitete nach festen logischen Prinzipien, aber dieseLogik war für Galleghers Bewußtsein völlig unver-ständlich. Die Ergebnisse waren allerdings oft überra-schend gut, zumindest waren sie immer überra-schend. Das war der größte Nachteil: ein Wissen-schaftler zu sein, der nichts von Wissenschaft versteht– der nur nach dem Gefühl arbeitet.

In einer Retorte im Labor war Diamantenstaub, of-

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fenbar ein unbefriedigendes Experiment von Galleg-hers Unterbewußtsein, und außerdem hatte er eineschwache Erinnerung, die Steine von Kennicott ge-kauft zu haben. Merkwürdig. Vielleicht – ach ja. DieDinger steckten jetzt in Joes Magen. Als Lager oder soetwas. Den Roboter auseinanderzunehmen würdeauch nicht viel helfen, denn die Diamanten waren si-cherlich umgeschliffen. Warum zum Teufel, hatte erkeine Industriediamanten benutzt, die genauso gutwaren, anstatt blauweiße Steine von feinstem Feuerzu erstehen? Für Galleghers Unterbewußtsein wardas Beste gerade gut genug. Es war völlig frei von ir-gendwelchen kaufmännischen Instinkten. Es verstandeinfach das Währungssystem nicht oder die Grund-prinzipien des Handels.

Gallegher wanderte in die Innenstadt wie Diogenesauf der Suche nach Wahrheit. Es war noch früh amAbend, und die Leuchtröhren über der Straße flak-kerten zum Leben, helle Lichtstauden gegen dieDunkelheit. Eine Himmelsschrift strahlte über denTürmen von Manhattan auf die Stadt herunter. Luft-taxis sausten in verschiedenen Höhen und verschie-denen Richtungen dahin, hielten an den hochragen-den Plattformen und ließen Passagiere ein- und aus-steigen.

In der Stadt fing Gallegher an, auf die Hauseingän-ge zu achten. Schließlich fand er einen Mann, aber derverkaufte pornographische Postkarten. Gallegherlehnte ab und eilte in die nächste Bar. Er brauchtedringend eine Stärkung. Es war eine sogenannte Ka-russell-Bar, welche die schlimmsten Eindrücke einesJahrmarktes mit geistlosen Cocktails verband, undGallegher zögerte am Eingang. Doch schließlich er-

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griff er einen Stuhl, der an ihm vorbeischwang, undruhte sich so gut wie möglich aus. Er bestellte dreiRickeys und trank sie rasch hintereinander. Danachrief er den Barmixer zu sich und fragte ihn nach denschwarzen Theatern.

»Warum sagen Sie das nicht gleich?« meinte derMann und holte einen Kartenblock aus seiner Schür-ze. »Wie viele?«

»Einmal. Wo muß ich hingehen?«»Zwei-acht-zwanzig. Diese Straße. Fragen Sie nach

Tony.«»Danke!« sagte Gallegher, zahlte einen unver-

schämt hohen Preis, zwängte sich aus seinem Stuhlund schwankte fort. Karussell-Bars waren ein Kinddes Fortschritts, das ihm nicht zusagte. Er war derMeinung, daß man in einem Zustand der Ruhe trin-ken sollte, da man schließlich diesen Zustand ohne-hin nachher erreichte.

Er mußte eine Treppe hinuntergehen und gelangtean eine Tür mit vergittertem Fenster. Als Gallegherklopfte, klärte sich das Fenster ein wenig auf – offen-sichtlich konnte man nur in einer Richtung hindurch-sehen, denn der Pförtner war nicht zu erblicken.

»Ist Tony da?« fragte Gallegher.Die Tür öffnete sich, und er erblickte einen müde

aussehenden Mann in einem pneumatischen Anzug,der allerdings die dürre Figur auch nicht wesentlichverbesserte. »Haben Sie 'ne Karte? Herzeigen! Okay.Geradeaus. Eine Vorstellung läuft gerade. Was zutrinken gibt's in der Bar links.«

Gallegher trabte einen kurzen Gang hinunter,schob sich durch schalldämpfende Vorhänge und be-fand sich offenbar in der Vorhalle eines Filmtheaters

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aus alter Zeit, etwa 198 –, als Kunststoff noch die gro-ße Mode war. Er folgte seiner Nase zur Bar, tranksündhaft teuren, aber ganz miserablen Schnaps undbetrat derart gestärkt den Vorführraum. Er war so gutwie voll besetzt. Der große Schirm – vermutlichMagna – wimmelte von Leuten, die irgend etwas miteinem Raumschiff anstellten. Entweder ein Abenteu-erfilm oder eine Wochenschau, dachte Gallegher.

Nur die Aufregung, die verbotenes Tun begleitet,konnte die Zuhörerschaft in dieses Schwarztheatergetrieben haben. Es roch schlecht. Es war ganz offen-sichtlich verwahrlost, und Platzanweiser gab es nicht.Aber es war etwas Verbotenes und daher gut besucht.Gallegher blickte nachdenklich auf den Bildschirm.Keine Streifen, kein Spiegeleffekt. Ein Magna-Projektor war an einem illegal aufgestellten Vox-View-Empfänger angeschlossen worden, und einervon Brocks größten Stars hielt die Zuschauer in Bann.Das war regelrechter Diebstahl. Ja!

Nach einiger Zeit verließ Gallegher das Theater,wobei er einen uniformierten Polizisten auf einem derSeitensitze bemerkte. Er grinste. Natürlich hatte derOrdnungshüter keinen Eintritt bezahlt. Die Politikwar überall die gleiche.

Zwei Häuserblocks die Straße hinunter kündigteein Lichtermeer das SONATONE JUWEL an. Das warnun eines der lizenzierten Vorführungstheater, undder Eintritt war entsprechend hoch. Gallegher ver-schleuderte rücksichtslos ein kleines Vermögen, umeinen guten Sitz zu erhalten. Er war an einem Ver-gleich interessiert, und soweit er feststellen konnte,war das Magnagerät im JUWEL dem im schwarzenTheater gleichwertig. Beide arbeiteten hervorragend.

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Die schwierige Aufgabe, Fernsehbilder groß zu proji-zieren, war hundertprozentig gelöst worden.

Im JUWEL war jedoch alles palastähnlich. Portiersund Platzanweiser in strahlenden Uniformen ver-beugten sich bis zum Teppich. An den Bars gab eskostenlos Cognacs in zufriedenstellenden Mengen.Eine Sauna war auch dabei. Gallegher ging durch ei-ne Tür, die ein Schild mit der Aufschrift HERRENtrug. Und kam geblendet von der glänzenden Prachtwieder heraus. Schon nach kaum zehn Minuten kamer sich wie ein Schlemmer vor. Alles lief darauf hin-aus, daß Leute, die es sich leisten konnten, die ge-setzlich erlaubten Sonatone-Theater besuchten, wäh-rend der Rest auf den schwarzen Theatermarkt ging.Es gab nur wenige Ausnahmen, die sich von der neu-en Mode nicht mitreißen ließen und bei ihrem Heim-gerät blieben. Brock konnte das nicht durchhalten; ei-nes Tages würde ihn sein Defizit aus dem Geschäftdrängen. Die Leute der Sonatone-Gesellschaft wür-den dann das Feld beherrschen, ihre Preise hoch-schrauben und anfangen, ein immenses Geld zu ver-dienen. Die Leute verlangten nach Zerstreuung, undsie hatten sich an das Fernsehen gewöhnt. Es gab kei-nen gleichwertigen Ersatz dafür. Sowie SonatoneBrock an die Wand gedrückt hatte, würden die Kun-den erst richtig in die Tasche greifen müssen, und dasdann für billige Stücke und schlechte Schauspieler.

Gallegher verließ das JUWEL und winkte einLufttaxi heran. Er nannte die Adresse des Long-Island-Studios von Vox-View, in der schwachenHoffnung, Brock einen Vorschuß zu entlocken. Au-ßerdem wollte er noch weitere Untersuchungen an-stellen.

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Die östliche Niederlassung von Vow-View breitetsich weit und unregelmäßig über Long Island aus.Eine Ansammlung von verschieden aussehenden Ge-bäuden, bis hinunter zum Meer. Galleghers Instinktführte ihn zum Kantinengebäude, wo er sich nochweitere Alkoholmengen einverleibte. Eine reine Vor-sichtsmaßnahme. Sein Unterbewußtsein hatte eineschwierige Aufgabe zu lösen, und er wollte es nichtbehindern, sondern ihm völlige Freiheit lassen. Au-ßerdem waren die Tom Collins wirklich gut.

Dann entschied er, daß es für eine Weile reichte.Schließlich war er kein Übermensch, obwohl sein Fas-sungsvermögen ans Unglaubliche grenzte. Aber ermußte im Rahmen bleiben. Einerseits durfte seineObjektivität nicht getrübt werden, und andererseitsmußte er sein Unterbewußtsein freisetzen – einschwieriges Gleichgewicht mußte hergestellt werden.

»Ist das Studio jede Nacht geöffnet?« fragte er denKellner.

»Gewiß. Wenigstens einige Bühnen. Wir haben ein24-Stunden-Programm.«

»Das Restaurant ist aber voll.«»Ja, wir bewirten auch noch die Leute, die vom

Flughafen kommen. Noch eins?«Gallegher schüttelte den Kopf und ging hinaus. Die

Karte, die ihm Brock gegeben hatte, erlaubte ihm frei-en Eintritt, und als erstes suchte er Brocks Büro auf.Der Boss war nicht da, aber es drangen die Laute vonschrillen weiblichen Stimmen heraus.

Die Sekretärin sagte: »Einen Augenblick, bitte«,und schaute in ihren Hausbildschirm. Dann: »WollenSie bitte hineingehen?«

Gallegher tat es. Das Büro war prächtig, gleichzei-

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tig sachlich und luxuriös. Dreidimensionale Fotosschmückten Nischen in der Wand – Vox-Viewsgrößte Stars. Eine kleine, erregte, hübsche Brünettesaß hinter dem Schreibtisch, und ein blonder Engelstand ihr wütend gegenüber. Gallegher erkannte indem Engel die berühmte Silver O'Keefe. Er nutzte dieGelegenheit aus. »Hallo, Miss O'Keefe! Wollen Siemir Ihr Autogramm auf einen Eiswürfel geben? In ei-nem Cocktail?«

Silver sah aus wie ein Kätzchen. »Tut mir leid,Darling, aber ich gehöre zur arbeitenden Klasse. Undim Augenblick bin ich beschäftigt.«

Die Brünette zündete sich eine Zigarette an. »Wirwollen das später noch mal besprechen, Silver. Papasagte, ich soll diesen Mann hier empfangen, wenn ervorbeikäme. Es ist wichtig.«

»Wir werden es noch besprechen«, sagte Silver,»und zwar bald.« Sie rauschte hinaus. Gallegher pfiffnachdenklich, wobei er auf die geschlossene Türblickte.

»Sie können sie nicht haben«, sagte die Brünette.»Sie steht unter Vertrag. Und jetzt will sie den Ver-trag lösen, um mit Sonatone abzuschließen. Die Rat-ten, die das sinkende Schiff verlassen! Silver ist wieaus dem Häuschen, seit sie die Sturmzeichen amHimmel sieht.«

»Ja?«»Setzen Sie sich und rauchen Sie. Machen Sie sich's

bequem. Ich bin Patsy Brock. Papa führt das Geschäft,und ich schmeiße den Laden, wenn er mal wieder indie Luft geht. Der alte Herr kann keine Schwierig-keiten vertragen. Er hält jeden Angriff der Konkur-renz für eine persönliche Beleidigung.«

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Gallegher fand einen Stuhl. »Silver will also deser-tieren, wie? Wie viele andere noch?«

»Nicht viele. Die meisten sind treu. Natürlich,wenn wir pleite gehen ...« Patsy Brock zuckte dieAchseln. »Entweder müssen sie dann für Sonatonearbeiten, um sich ihre Brötchen zu verdienen, oder siehaben eben keine Brötchen.«

»Hm. Tja – ich wollte eigentlich eure Techniker se-hen. Ich möchte wissen, wie weit sie mit einem Ver-größerungsgerät für Fernsehsendungen gekommensind.«

»Lassen Sie sich nicht stören«, sagte Patsy. »Es hataber nicht viel Zweck. Man kann einfach keinen Fern-sehprojektor machen, ohne irgendein Sonatone-Patent zu verletzen.«

Sie drückte auf einen Knopf, murmelte etwas in ihrVisifon, und kurz darauf erschienen zwei hohe Gläserdurch einen Schlitz im Schreibtisch. »Mr. Gallegher?«

»Nun ja, da es ein Collins ist ...«»Ich merkte es an Ihrem Atem«, sagte Patsy un-

durchdringlich. »Papa erzählte mir, er hätte Sie be-sucht. Er schien sich ein bißchen aufgeregt zu haben,besonders über Ihren neuen Roboter. Wozu ist derdenn eigentlich gut?«

»Och, ich weiß nicht«, sagte Gallegher unsicher.»Er hat eine Menge Fähigkeiten – zusätzliche Sinnes-organe denke ich, die wir Menschen nicht besitzen –,aber ich habe keine Ahnung, wozu er zu gebrauchenist. Bis jetzt bewundert er sich nur andauernd imSpiegel.«

Patsy nickte. »Ich würde ihn mir gern mal ansehen.Aber zurück zu dieser Sache mit Sonatone. GlaubenSie, daß Sie etwas dagegen unternehmen können?«

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»Vielleicht. Wahrscheinlich.«»Nicht mit Sicherheit?«»Na gut, dann also mit Sicherheit. Daran kann kein

Zweifel bestehen – nicht der allergeringste Zweifel.«»Es bedeutet mir nämlich viel. Der Mann, dem So-

natone gehört, ist Elia Tone. Ein räuberisches Stink-tier. Eingebildet. Hat einen Sohn namens Jimmy. Undob Sie's glauben oder nicht: Jimmy hat jetzt ›Romeound Julia‹ gelesen.«

»Netter Junge?«»Ein Schwein. Ein riesenhaft gebauter Kerl ohne

Gehirn. Er will mich heiraten.«»›Zwei Familien, beide gleich an ...‹«»Verschonen Sie mich!« unterbrach ihn Patsy. »Ich

habe Romeo sowieso immer für einen Hampelmanngehalten. Und wenn ich je daran dächte, mich mitJimmy Tone zu einigen, könnte ich mir lieber gleicheine Eintrittskarte für die nächste Irrenanstalt kaufen.Nein, Mr. Gallegher, romantisch ist er nicht. KeineHibiskusblüten. Jimmy hat mir einen Antrag gemacht– nebenbei gesagt, besteht seine Art Antrag darin, ei-nen halben Nelson bei einem Mädchen anzubringenund ihr zu erzählen, wie glücklich sie ist.«

»Ah«, sagte Gallegher und tauchte in seinen Collins.»Diese ganze Geschichte – das Patentmonopol und

die schwarzen Theater, das ist Jimmys Idee. Ich binda ganz sicher. Sein Vater steckt natürlich auch mitdrin, aber Jimmy Tone ist der kleine Schlaumeier, deres angekurbelt hat.«

»Warum?«»Zwei Fliegen mit einer Klappe. Sonatone wird

sein Geschäftsmonopol haben, und Jimmy denkt, erkriegt mich. Er ist mehr als ein bißchen eingebildet.

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Er kann's nicht glauben, daß ich ihm im Ernst einenKorb geben könnte, sondern erwartet, daß ich baldnachgeben und nach einiger Zeit ja sagen werde. Daswerde ich aber nicht, was auch immer passiert. Es isteine persönliche Angelegenheit. Ich kann nicht zulas-sen, daß er uns an die Wand drückt. Ich möchte die-ses selbstzufriedene Feixen von seinem Gesicht ver-schwinden sehen.«

»Er gefällt Ihnen wohl einfach nicht, wie?« meinteGallegher. »Ich kann es Ihnen nicht übelnehmen, daer so einen einseitigen Charakter hat. Nun, ich werdemein Bestes tun. Ich brauche allerdings ein Spesen-konto.«

»Wieviel?«Gallegher nannte eine Summe. Patsy schrieb einen

Scheck für einen viel kleineren Betrag aus. Der Wis-senschaftler sah aus, als habe sie ihm weh getan.

»Es hat keinen Zweck«, sagte Patsy und grinstehinterhältig. »Ich habe von Ihnen gehört, Mr. Galleg-her. Sie handeln oft völlig unverantwortlich. Wennich Ihnen mehr geben würde, glaubten Sie, das wäregenug, und Sie würden die ganze Sache vergessen.Ich stelle Ihnen weitere Schecks aus, wenn Sie siebrauchen – aber ich möchte regelmäßig genaue Ab-rechnungsunterlagen sehen.«

»Sie tun mir unrecht«, sagte Gallegher, dann er-hellte sich sein Gesicht. »Ich dachte daran, Sie in ei-nen Nachtklub einzuladen. Natürlich wollte ich Sienicht in eine Spelunke führen. Und die besseren Sa-chen kosten viel Geld. Wenn Sie also jetzt noch einenScheck ausschreiben würden ...«

Patsy lachte. »Nein.«»Wollen Sie vielleicht einen Roboter kaufen?«

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»Nein, jedenfalls nicht von der Sorte, wie der, denSie zu Hause haben.«

»Dann bin ich am Ende«, seufzte Gallegher. »Hm,was sagen Sie denn zu ...«

Das summende Visifon unterbrach ihn. Ein aus-drucksloses, durchscheinendes Bild zeichnete sich aufdem Bildschirm ab. Getriebe ratterten in dem rundenKopf. Patsy stieß einen kleinen Schrei aus und trat ei-nen Schritt zurück.

»Sagen Sie Gallegher, Joe ist hier, Sie glücklichesMädchen«, sagte eine quietschende Stimme. »Sie dür-fen sich meines Anblicks und meiner Worte bis an Ih-ren Todestag erinnern und erfreuen. Ein Hauch vonSchönheit in einer Welt der Trostlosigkeit.«

Gallegher ging um den Tisch herum und stelltesich vor den Schirm. »Was, zum Teufel, machst dudenn dort?«

»Ich mußte ein Problem lösen.«»Und woher wußtest du, wo ich bin?«»Ich habe dich geweitet«, sagte der Roboter.»Was hast du mich?«»Ich weitete, daß du bei Patsy Brock in den Vox-

View-Studios sein müßtest.«»Was heißt denn eigentlich geweitet?« wollte Gal-

legher wissen.»Das ist eine meiner Fähigkeiten. Ihr Menschen

habt nichts, das dem auch nur im entferntestengleicht, also kann ich's dir nicht beschreiben. Es ist ei-ne Art Kombination von Sagrazi und Hellseherei.«

»Sagrazi?«»Ach so, du hast auch nicht Sagrazi, na ja. Jeden-

falls halte ich mich nicht mit Nebensächlichkeiten auf.Ich will zurück zum Spiegel gehen.«

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»Redet der immer so?« warf Patsy ein.»Fast immer. Manchmal ist es sogar noch sinnloser.

Gut, Joe. Was ist los?«»Du arbeitest nicht mehr für Brock«, sagte der Ro-

boter. »Du arbeitest für die Leute von Sonatone.«Gallegher holte tief Atem. »Rede weiter. Du bist

natürlich verrückt.«»Ich kann Kennicott nicht leiden. Er ärgert mich. Er

ist zu häßlich. Seine Schwingungen zersägen meineSagrazi.«

»Kümmere dich nicht um ihn«, sagte Gallegher, dervor dem Mädchen nicht über seinen Diamantenhan-del sprechen wollte. »Geh zurück zu ...«

»Aber ich wußte, Kennicott würde so lange zu-rückkommen, bis er sein Geld erhalten hatte. Als Eliaund James Tone unser Labor besuchten, ließ ich mirdaher von ihnen einen Scheck geben.«

Patsys Finger bohrten sich in Galleghers Bizeps.»Nur mal langsam! Was geht hier eigentlich vor?

Wollen Sie uns an die Konkurrenz verkaufen?«»Nein! Warten Sie. Ich muß erst mal sehen, was

sich hier abgespielt hat. Joe, Gott verdamme deindurchsichtiges Fell! Was hast du nun genau ange-stellt? Wie konntest du einen Scheck von den Tonesannehmen?«

»Ich gab vor, ich wäre du.«»Natürlich«, sagte Gallegher mit verzweifeltem

Hohn. »Das erklärt alles. Wir sind Zwillinge. Wir se-hen einer aus wie der andere.«

»Ich habe sie hypnotisiert«, erklärte Joe. »Ich ließsie denken, ich wäre du.«

»Das kannst du auch?«»Ja. Es überraschte mich ein wenig. Immerhin,

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wenn ich daran gedacht hätte, hätte ich es weitenkönnen, daß ich dazu in der Lage bin.«

»Du ... ja, natürlich. Das hätte ich selbst auch ge-weitet. Was ist geschehen?«

»Die Tones müssen vermutet haben, daß dichBrock um Hilfe bitten würde. Sie boten einen Aus-schließlichkeitsvertrag an – du arbeitest für sie undsonst für niemanden anders. Eine Menge Geld. Nun,ich gab vor, ich wäre du und sagte, es wäre alles inOrdnung. Also habe ich den Vertrag unterzeichnet –übrigens: es ist genau deine Unterschrift – und danngaben sie mir einen Scheck, und den schickte ich anKennicott.«

»Den ganzen Scheck?« fragte Gallegher schwach.»Über welchen Betrag lautete dieser Scheck denn?«

»Zwölftausend.«»Die Halunken haben es gewagt, mir das anzubie-

ten?«»Nein«, sagte der Roboter. »Sie haben hunderttau-

send angeboten und zweitausend die Woche für dienächsten fünf Jahre. Ich wollte aber nur so viel haben,um Kennicott bezahlen zu können und um sicherzu-stellen, daß er nicht mehr zurückkommen würde, ummich zu stören. Die Tones waren zufrieden, als ichsagte, zwölftausend seien genug.«

Gallegher erzeugte ein unartikuliertes, gurgelndesGeräusch, tief in der Kehle. Joe nickte gedankenvoll.

»Ich hielt es für besser, dich davon zu unterrichten,daß du jetzt für Sonatone arbeitest. Ich gehe jetzt zu-rück zum Spiegel und singe mir etwas vor.«

»Warte«, sagte der Wissenschaftler, »warte nur,Joe. Mit meinen eigenen beiden Händen werde ichdich Rad für Rad auseinanderreißen und auf deinen

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Bruchstücken herumtrampeln.«»Das Gericht wird die Unterschrift und damit den

ganzen Vertrag nicht anerkennen«, sagte Patsy undschluckte.

»Es wird ihn anerkennen«, sagte Joe heiter. »Siedürfen einen letzten, freudigen Blick auf mich werfen,und dann muß ich gehen.«

Er ging.Gallegher stürzte seinen Collins in einem Zug hin-

unter. »Der Schreck hat mich nüchtern gemacht«,teilte er dem Mädchen mit. »Was habe ich nur alles inden Roboter hineingesteckt? Was für abnorme Fähig-keiten hat er denn noch? Hypnotisiert da Leute, daßsie glauben, er sei ich – ich bin er – ich weiß nichtmehr, was ich eigentlich meine.«

»Ist das ein Jux?« fragte Patsy nach einer Weile.»Sie haben nicht vielleicht zufällig selbst mit Sonato-ne den Vertrag unterschrieben und lassen jetzt IhrenRoboter hier anrufen, um sich ein Alibi zu verschaf-fen? Ich stelle mir das nur vor.«

»Tun Sie's nicht. Joe hat den Vertrag mit Sonatoneunterschrieben, nicht ich. Aber denken Sie nur malnach. Wenn die Unterschrift der meinen vollkommennachgebildet ist, wenn Joe die Tones hypnotisiert hat,daß sie glaubten, mich zu sehen, statt ihn, wenn esZeugen bei der Unterschrift gab – die beiden Tonessind natürlich Zeugen –, ach, zum Teufel!«

Patsys Augen wurden eng. »Wir zahlen Ihnen ge-nau so viel, wie Ihnen Sonatone geboten hat. Dann,wenn Ihre Lösung der Angelegenheit sich bewährthat. Aber Sie arbeiten nur für Vox-View, das mußfeststehen.«

Gallegher schaute sehnsüchtig auf sein leeres Glas.

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Sicher. Er arbeitete für Vox-View. Aber nach allemAnschein von Recht und Gesetz hatte er einen Ver-trag unterzeichnet, in welchem er seine Dienste aus-schließlich Sonatone zur Verfügung stellte. Fünf Jahrelang – und das für zwölftausend! Heiliger ...! Washatten die angeboten! Hunderttausend auf den Tischund ... und ...

Ihn störte nicht das Prinzip der Sache, sondern dasGeld, um das ihn Joe gebracht hatte. Nun steckte ertiefer in der Klemme als ein Fuchs in der Falle. Wennes zu einem Gerichtsverfahren kam, das Sonatonegewinnen würde, so war er rechtlich fünf Jahre langan diese Gesellschaft gebunden, ohne eine weitereEntschädigung verlangen zu können. Irgendwiemußte er sich von dem Vertrag lösen – und gleichzei-tig eine Antwort auf Brocks Problem finden.

Warum nicht Joe? Der Roboter hatte mit seinenüberraschenden Fähigkeiten Gallegher in diese mißli-che Lage gebracht. Er müßte auch in der Lage sein,den Wissenschaftler wieder herauszuhauen. Wennnicht, dann würde sich der eingebildete Roboter baldals ein Haufen kleiner Stückchen bewundern können.

Das ist es, sagte Gallegher zu sich selbst, ich werdemit Joe reden. Laut sagte er: »Patsy, besorgen Sie mirschnell noch ein bißchen Alkohol und zeigen Sie mirdann den Weg in die technische Abteilung. Ich willdie Pläne sehen.«

Das Mädchen blickte ihn argwöhnisch an. »Na gut,aber wenn Sie versuchen, uns zu verkaufen ...«

»Ich bin selbst verkauft worden. Verraten und ver-kauft! Allmählich kriege ich Angst vor dem Roboter.Er hat mich in eine ganz hübsche Falle geweitet. Ja,noch einen Collins.« Gallegher trank lang und tief.

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Danach führte ihn Patsy in die technischen Büros.Das Lesen der dreidimensionalen Pläne wurde mit-tels eines Betrachters ermöglicht, eine Vorrichtung,die bestimmte Ebenen oder Konstruktionseinzelhei-ten besonders hervorhob. Gallegher studierte die Plä-ne lange und nachdenklich. Es lagen auch Kopien derSonatone-Patente vor, und soweit er es übersehenkonnte, hatte Sonatone die ganze Sache wundervolleingefädelt. Es gab keine Auswege. Es sei denn, manbenutzte ein völlig neuartiges Prinzip.

Aber neue Prinzipien ließen sich nicht aus der Luftgreifen. Auch würde dadurch das Problem noch nichtvöllig gelöst. Selbst wenn Vox-View einen neuenProjektor besäße, der die Magna-Patente nicht verlet-zen würde, so gäbe es immer noch die schwarzenTheater, die Brock das Geschäft verdarben. A. A. –Arena-Appeal war zu einem Faktor geworden, mitdem man rechnen mußte. Das durfte man niemalsvergessen. Es handelte sich nicht nur um ein rein wis-senschaftliches Problem. Auch eine menschliche, einepsychologische Gleichung mußte gelöst werden.

Gallegher speicherte die notwendigen Kenntnissein seinem Verstand auf, sauber beschriftet und einge-ordnet. Später würde er benutzen, was er davonbrauchte. Im Augenblick war er völlig ratlos. Irgendetwas bohrte in ihm.

Was? Der Vertrag mit Sonatone.»Ich muß mich mit den Tones in Verbindung set-

zen«, sagte er zu Patsy. »Wie geht das am besten?«»Ich kann sie über Visifon erreichen.«Gallegher schüttelte den Kopf. »Psychologisch

falsch. Es ist zu einfach, die Verbindung zu unterbre-chen.«

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»Na gut, wenn Sie's eilig haben, finden Sie dieLeute vielleicht auf einer Nachtklubtour. Ich werdemal sehen, was ich herausfinden kann.« Patsy verließden Raum, und Silver O'Keefe erschien hinter einemWandschirm.

»Ich bin schamlos«, gab sie bekannt. »Ich horcheimmer an Schlüssellöchern. Dabei hört man manch-mal interessante Sachen. Wenn Sie die Tones sehenwollen – sie sind im Castle Club, und ich glaube, ichwerde Sie wegen des Cocktails doch noch beim Wortnehmen.«

Gallegher sagte: »Okay. Besorgen Sie ein Taxi, ichsage Patsy inzwischen, daß wir gehen.«

»Das wird ihr wenig Freude machen«, meinte Sil-ver. »Also, in zehn Minuten vor dem Kasino. RasierenSie sich aber inzwischen noch!«

Patsy Brock war nicht in ihrem Büro, aber Galleg-her hinterließ eine Nachricht. Danach besuchte er dieToilette, massierte selbsttätige Rasierkreme in seineGesichtshaut, ließ sie ein paar Minuten einwirkenund rieb sie dann mit einem imprägnierten Handtuchab. Die Stoppeln ließen sich mit der Kreme abwi-schen. Dergestalt erfrischt, traf Gallegher Silver amvereinbarten Ort und winkte ein Lufttaxi herbei. Kurzdarauf lehnten sie sich in die Polster zurück rauchtenund sahen sich vorsichtig an.

»Nun?« fragte Gallegher.»Jimmy Tone versuchte, sich heute mit mir zu ver-

abreden, daher wußte ich, wo er zu finden war.«»Und?«»Ich habe heute nacht eine große Umfrage veran-

staltet. Schließlich ist es ungewöhnlich, daß ein Au-ßenseiter in die obersten Verwaltungsbüros von Vox-

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View eingelassen wird. Ich ging herum und fragte:›Wer ist Gallegher?‹«

»Was haben Sie erfahren?«»Genug, um mir eine ziemlich genaue Vorstellung

machen zu können. Brock hat Sie angestellt, wie? Ichkann mir denken, warum.«

»Ergo?«»Ich habe es mir angewöhnt, immer auf die Füße

zu fallen«, sagte Silver und zuckte die Achseln. »Vox-View geht in die Brüche. Sonatone übernimmt dasGeschäft. Es sei denn ...«

»Es sei denn, ich finde einen Ausweg.«»Das stimmt. Ich möchte wissen, auf welcher Seite

des Zauns ich landen muß. Sie sind der Knabe, dermir das vermutlich sagen kann. Wer von den beidenwird gewinnen?«

»Sie setzen immer auf den Gewinner, wie?«forschte Gallegher. »Haben Sie keine Ideale, Mäd-chen? Gibt es keine Wahrheit in Ihnen? Schon malwas von Ethik und Gewissen gehört?«

Silver strahlte ihn förmlich an. »Sie vielleicht?«»Nun ja, ich habe davon gehört. Im allgemeinen

bin ich zu betrunken, um mir restlos klarzumachen,was sie bedeuten. Unglücklicherweise ist mein Un-terbewußtsein aber völlig unmoralisch veranlagt, undwenn es erst mal das Steuer ergreift, ist die Logik dereinzige Maßstab.«

Sie warf ihre Zigarette in den East River. »WollenSie mir einen Tip geben, welche Seite des Zauns dierichtige ist?«

»Die Wahrheit wird siegen«, sagte Gallegher fromm.»Das tut sie immer. Andererseits habe ich den Ein-druck, daß die Wahrheit veränderlich ist, also stehen

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wir wieder genau da, wo wir angefangen haben. Nagut, Liebling. Ich will die Frage beantworten: BleibenSie auf meiner Seite, wenn Sie sichergehen wollen.«

»Und auf welcher Seite stehen Sie?«»Gott allein weiß es«, sagte Gallegher. »Mit mei-

nem Bewußtsein bin ich auf Brocks Seite, aber meinUnterbewußtsein hat da vielleicht andere Vorstellun-gen. Wir werden's ja sehen.«

Silver schien von dieser Antwort nicht sehr befrie-digt, doch sagte sie nichts. Das Taxi schwang sichhinab zum Dach des Castle Clubs und landete sanft.Der Club selbst lag ein paar Stockwerke tiefer in ei-nem ungeheuren Raum, der aussah wie eine umge-kehrte halbe Melone. Jeder Tisch stand auf einerdurchsichtigen Plattform, die sich auf einer Säule hy-draulisch in jede gewünschte Höhe pressen ließ.Kleinere Fahrstuhlanlagen sorgten dafür, daß dieKellner die Gäste bedienen konnten. Für diese Ein-richtung gab es keinen eigentlichen Grund, aber dieIdee war zumindest neuartig, und nur besondersstarke Trinker fielen damals von ihren Sitzen aus derHöhe hinunter. Im übrigen hatte die Geschäftsleitungseit kurzem aus Sicherheitsgründen durchsichtigeNetze aufgehängt.

Silver zog Gallegher zu einem Bedienungsfahr-stuhl. Er schloß die Augen und wurde himmelwärtsgerissen. Der Alkohol in seinem Magen beschwertesich auf äußerst unangenehme Weise. Er torkeltenach vorn, hielt sich an Elia Tones kahlem Kopf festund ließ sich in einen Sessel neben dem Fernsehbossfallen. Seine suchende Hand fand Jimmy Tones Glas,das er hastig leerte.

»Was, zum Teufel?« rief Jimmy empört.

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»Es ist Gallegher«, gab Elia bekannt. »Und Silver.Eine freudige Überraschung. Setzen Sie sich zu uns?«

»Ein Höflichkeitsbesuch«, sagte Silver.Der gestärkte Gallegher sah sich die zwei Männer

genauer an. Jimmy Tone war ein großer, sonnenge-bräunter, hübscher Lümmel mit vorgestrecktem Kinnund einem beleidigenden Grinsen. Sein Vater sah auswie die übelste Kreuzung von Nero und einem Kro-kodil.

»Ich bin erstaunt«, sagte Jimmy. »Warum hast dues dir anders überlegt, Silver? Du sagtest doch, duhättest heute abend zu arbeiten.«

»Gallegher wollte euch sehen. Ich weiß nicht, war-um.«

Elias kalte Augen wurden noch eisiger. »Na gut.Warum?«

»Wie ich höre habe ich einen Vertrag mit Ihnenunterzeichnet«, sagte der Wissenschaftler.

»Ja. Hier ist eine Fotokopie. Was ist damit?«»Einen Augenblick.« Gallegher überflog das Do-

kument. Offensichtlich war es seine eigene Unter-schrift. Dieser verdammte Roboter!

»Es ist eine Fälschung«, sagte er schließlich.Jimmy lachte laut. »Ich verstehe. Wir sollen ausge-

nommen werden. Tut mir leid, Junge, aber Sie sitzenfest. Sie haben das vor Zeugen unterzeichnet.«

»Nun ja«, sagte Gallegher gedankenverloren. »Ichvermute, Sie werden es mir nicht glauben, aber einRoboter hat meinen Namen gefälscht.«

»Hah!« sagte Jimmy.»Und euch beide hypnotisiert, so daß ihr den Ro-

boter für mich gehalten habt.«Elia strich sich über die leuchtende Glatze. »Ehrlich

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gesagt, das glauben wir nicht. Roboter bringen so wasnicht fertig.«

»Meiner kann es.«»Beweisen Sie das vor Gericht! Wenn Sie das kön-

nen, dann natürlich.« Elia kicherte. »Dann bekommenSie vielleicht recht.«

Galleghers Augen verengten sich. »Daran hatte ichgar nicht gedacht. Hm, reden wir mal von was ande-rem. Ich hörte, Sie hätten mir hunderttausend ange-boten und außerdem noch ein wöchentliches Gehalt.«

»Sicher, Sie Hampelmann«, sagte Jimmy. »Nur ha-ben Sie gesagt, Sie brauchten bloß zwölftausend, unddie haben Sie auch bekommen. Ich will Ihnen aber maletwas sagen. Wir zahlen Ihnen eine Prämie für jedeverwertbare Erfindung, die Sie für Sonatone machen.«

Gallegher stand auf. »Sogar mein nicht sehr morali-sches Unterbewußtsein kann diese Schufte nicht lei-den«, sagte er zu Silver. »Kommen Sie, wir gehen.«

»Ich denke, ich bleibe noch ein bißchen.«»Vergessen Sie den Zaun nicht«, sagte er warnend.

»Aber tun Sie, was Sie nicht lassen können. Ich gehe.«Elia sagte: »Denken Sie daran, Gallegher, Sie ar-

beiten für uns. Wenn uns zu Ohren kommt, daß SieBrock irgendwelche Dienste leisten, werden wir Ih-nen so schnell eine gerichtliche Klage ins Gesichtschleudern, daß Sie noch nicht einmal Zeit zumAtemholen haben.«

»Wirklich?«Die Tones verzichteten auf eine Antwort. Der un-

glückselige Gallegher fand den Fahrstuhl und ließsich zum Boden hinab. Was nun?

Joe!

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Eine Viertelstunde später schloß Gallegher sein Labo-ratorium auf. Die Lichter strahlten, und im Umkreisvon mehreren Häuserblocks bellten die Hunde wieverrückt. Joe stand vor dem Spiegel und sang, unhör-bar für Menschenohren.

»Ich werde dich mit einem Hammer bearbeiten«,sagte der wütende Gallegher. »Sag deine letzten Ge-bete auf, du mißgeborene Zahnräderversammlung.Gott helfe mir, ich werde dich jetzt vernichten.«

»In Ordnung, schlage mich«, quietschte Joe. »Siehzu, ob ich was dagegen habe. Du bist bloß neidischauf meine Schönheit.«

»Schönheit!«»Du kannst ja nicht einmal alles davon sehen – du

hast nur sechs Sinne.«»Fünf Sinne«, berichtigte Gallegher.»Sechs. Aber ich habe viel mehr. Meine wahre

Pracht enthüllt sich daher nur mir selbst. Aber dukannst immerhin genug sehen und hören, um zu-mindest einen Teil meiner Lieblichkeit zu erkennen.«

»Du quietschst wie ein rostiger Blechkarren«,brummte Gallegher.

»Du hast abgestumpfte Ohren; meine sind aberüberempfindlich. Selbstverständlich entgeht dir dervolle Tonumfang meiner Stimme. Und jetzt schweigstille. Diese Rederei stört mich. Ich bewundere geradedas Arbeiten meiner Getriebe.«

»Lange lebst du nicht mehr in deinem Narrenpara-dies. Warte nur, bis ich einen Hammer finde.«

»Na gut, schlag mich doch schon. Was geht dasmich an?«

Gallegher ließ sich müde auf die Couch fallen undstarrte auf den durchsichtigen Rücken des Roboters.

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»Mein Gott, du hast mir vielleicht eine schöne Suppeeingebrockt. Warum hast du bloß diesen Vertrag mitSonatone unterzeichnet?«

»Das habe ich dir doch am Visifon gesagt. DamitKennicott nicht mehr vorbeikommt und mich ärgert.«

»Du bist der selbstsüchtigste, vertrotteltste ... ach!Jedenfalls, du hast mich in einen schönen Schlamasselhineingeritten. Die Tones können mich zwingen, denVertrag einzuhalten, wenn ich nicht meine Unschuldbeweise. Na gut. Du wirst mir dabei helfen müssen.Du gehst mit mir zum Gericht und stellst dort einenHypnotismus an oder was das nun für eine besonde-re Fähigkeit ist. Du wirst dem Richter beweisen, daßdu dich als mich ausgeben kannst und daß du es auchgetan hat.«

»Mitnichten«, sagte der Roboter. »Warum sollte ichdas?«

»Weil du mich in diesen Dreck hineingefahrenhast«, schrie ihn Gallegher an. »Jetzt mußt du michauch wieder herausziehen!«

»Warum?«»Warum? Weil ... äh ... das verlangt doch der An-

stand.«»Menschliche Werte sind für Roboter unsinnig«,

sagte Joe. »Was interessieren mich Begriffe wie An-stand und Ehrlichkeit? Ich weigere mich, Zeit zu ver-schwenden, die ich besser damit verbringe meineSchönheit zu bewundern. Ich werde hier vor demSpiegel stehenbleiben, immer und ewig ...«

»Den Teufel wirst du«, schnaubte Gallegher. »Ichzertrümmere dich zu Atomen.«

»Na gut. Das regt mich nicht auf.«»Wirklich nicht?«

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»Du und dein Selbsterhaltungstrieb!« sagte der Ro-boter ziemlich verächtlich. »Obwohl ich verstehenkann, daß er für dich notwendig ist. Wesen von einersolch unübertroffenen Häßlichkeit würden sich ver-mutlich aus reiner Scham selbst zerfleischen, wennsie nicht einen Instinkt hätten, der sie am Leben er-hält.«

»Und wenn ich dir jetzt deinen Spiegel wegneh-me?« fragte Gallegher mit hoffnungsloser Stimme.

Als Antwort ließ Joe seine Augen auf ihren Stielenaus dem Kopf treten. »Brauche ich etwa einen Spie-gel? Außerdem kann ich mich auch selbst weiten, oh-ne den Spiegel.«

»Jetzt fang bitte nicht damit an. Ich möchte in dernächsten Zeit noch nicht verrückt werden. Jetzt hörmal, du Trottel! Ein Roboter muß doch irgend etwastun. Ich meine, etwas Nützliches.«

»Das tue ich doch. Ich bin schön, das reicht.«Gallegher schloß die Augen und versuchte, zu

denken. »Jetzt schau mal her. Nimm einmal an, icherfinde einen neuen, dreidimensionalen Projektor fürBrock. Die Tones werden ihn beschlagnahmen lassen.Ich muß also rechtlich frei sein, für Brock zu arbeiten,oder ...«

»Sieh mal«, schrie Joe kreischend. »Sie drehen sich!Wie lieblich!« Entzückt starrte er auf seine wirbeln-den Innereien. Gallegher erbleichte vor ohnmächti-gem Zorn.

»Du Hund!« murmelte er. »Ich werde noch einenWeg finden, um dich unter Druck zu setzen. Jetzt ge-he ich ins Bett.« Er erhob sich und schaltete boshaf-terweise die Lichter aus.

»Es ist gleich«, sagte der Roboter. »Ich kann auch

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im Dunkeln sehen.«Die Tür knallte hinter Gallegher zu. In der Dunkel-

heit fing Joe an, sich ein Ultraschalliedchen vorzusin-gen.

Galleghers Kühlschrank beanspruchte eine ganzeWand seiner Küche. Zum größten Teil war er mit al-koholischen Getränken angefüllt, die gekühlt werdenmußten, einschließlich des importierten Dosenbiers,mit dem er immer seine Trinkgelage anfing. Am an-dern Morgen suchte Gallegher, betrübt und mit ge-röteten Augenlidern, nach dem Tomatensaft, nahmeinen kleinen Schluck und spülte ihn hastig mit ei-nem Korn hinunter. Da er sich bereits seit einer Wo-che unter dem Einfluß des Inhalts verschiedener Fla-schen befand, war Bier zur Zeit nicht angebracht. Erarbeitete immer kumulativ, das heißt, die Prozentemußten sich von Stadium zu Stadium steigern. DerNahrungsdienst, dem er angeschlossen war, hatte ausdem Schlitz ein luftdicht verpacktes Frühstück aufden Tisch fallen lassen, und widerwillig stocherteGallegher auf einem halbrohen Steak herum.

Was nun?Das Gericht, so entschied er schließlich, war die

einzige Möglichkeit. Er wußte zwar nicht viel überdie Psyche des Roboters, aber ein Richter würde sichsicher von Joes Fähigkeiten beeindrucken lassen. DieAussagen von Robotern waren zwar nicht rechts-kräftig – aber wenn Joe als ein Apparat anerkanntwürde, welcher der Hypnose fähig war, so könnteder Vertrag mit Sonatone vielleicht für null und nich-tig erklärt werden.

Gallegher benutzte sein Visifon, um die Kugel ins

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Rollen zu bringen. Harrison Brock hatte immer nochein gewisses politisches Gewicht, und die Verhand-lung wurde noch für denselben Tag anberaumt. Wassich dabei allerdings ereignen würde, das wußten nurGott und der Roboter.

Mehrere Stunden vergingen mit angestrengtem,aber vergeblichem Nachdenken. Gallegher konntesich keine Methode ausdenken, den Roboter zu demzu bewegen, was er tun sollte. Wenn er sich bloßnoch daran erinnern könnte, zu welchem Zweck erJoe erschaffen hatte – aber das konnte er nicht. Im-merhin ...

Gegen Mittag betrat er das Labor.»Jetzt hör mal zu, du Blechmann«, sagte er. »Du

gehst jetzt zum Gericht mit mir. Sofort.«»Ich will nicht.«»Okay.«Gallegher öffnete die Tür, und zwei untersetzte

Männer, die eine Bahre trugen, kamen herein. »Los,Jungs legt ihn drauf!«

Insgeheim war er ja ein bißchen nervös. Joes Kräftewaren ihm unbekannt, seine Fähigkeiten warengleich x. Jedoch – der Roboter war nicht sehr groß,und wenn er sich auch wehrte und aufgebracht seinequietschende Stimme erschallen ließ, so wurde erdoch ohne Mühe auf die Bahre gelegt und in eineZwangsjacke gesteckt.

»Hört ihr wohl auf! Das könnt ihr mir nicht antun!Laßt mich los, hört ihr? Laßt mich los!«

»Hinaus mit ihm«, sagte Gallegher.Der heftig widerstrebende Joe wurde hinausgetra-

gen und in einen Lufttransporter geladen. Nachdemer einmal darin war, beruhigte er sich und starrte

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ausdruckslos ins Nichts. Gallegher setzte sich auf eineBank neben den gefesselten Roboter. Der Transporterschwang sich in die Lüfte.

»Nun, mein Lieber?«»Wie du willst«, sagte Joe. »Du hast mich schreck-

lich aufgeregt, sonst hätte ich euch alle hypnotisiert.Ich könnte es immer noch weißt du. Ich könnte euchalle herumlaufen und bellen lassen, wie Hunde.«

Gallegher zuckte ein bißchen zusammen. »Liebernicht.«

»Ich werde es nicht tun. Das ist unter meiner Wür-de. Ich werde einfach hier liegen und mich selbst be-wundern. Ich sagte dir ja, ich brauche keinen Spiegel.Ich kann meine Schönheit auch ohne ihn weiten.«

»Jetzt hör mal zu«, sagte Gallegher. »Du gehst mitmir in einen Gerichtssaal. Dort gibt es eine MengeLeute. Sie werden dich alle bewundern. Sie werdendich noch mehr bewundern, wenn du zeigst, wie dudie Menschen hypnotisieren kannst. Genauso, wie dues bei den Tones gemacht hast, erinnerst du dich?«

»Was interessiert es mich, wie viele Leute michbewundern?« fragte Joe. »Ich brauche keine Bestäti-gung meiner Schönheit. Wenn sie mich sehen, dannhaben sie eben Glück gehabt. Und jetzt sei ruhig.Wenn du willst, darfst du sogar mein Getriebe be-trachten.«

Gallegher betrachtete das Getriebe des Robotersmit haßerfüllten Augen. Die Wut brannte immer nochin ihm, als sie im Gerichtsgebäude ankamen. UnterGalleghers Anweisung trugen die Männer Joe in denSaal und legten ihn vorsichtig auf einen Tisch, woman ihn nach kurzer Rede und Gegenrede als Be-weisstück A kennzeichnete.

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Der Gerichtssaal war ziemlich voll. Die Hauptper-sonen waren ebenfalls anwesend – Elia und JimmyTone, die unverschämt zuversichtlich zu sein schie-nen. Silver O'Keefe hatte dank ihrer angeborenenVorsicht einen Platz in der Mitte zwischen den Ver-tretern von Sonatone und Vox-View gefunden. DerGerichtsvorsitzende war ein gestrenger Mann na-mens Hansen, doch soweit ihn Gallegher kannte, warer ehrlich. Das war immerhin etwas.

Hansen sah Gallegher an. »Wir wollen uns nichtdurch Formalitäten aufhalten lassen. Ich habe denSchriftsatz gelesen, den Sie hergeschickt haben. IhreSache steht oder fällt mit der Frage, ob Sie einen be-stimmten Vertrag mit der Sonatone-Fernseh-Vergnügungs-Gesellschaft unterzeichnet haben odernicht. Stimmt das?«

»Es stimmt, Euer Ehren.«»Unter den vorliegenden Umständen verzichten

Sie auf einen Anwalt. Habe ich recht?«»Es stimmt, Euer Ehren.«»Dann ist diese Verhandlung technisch nicht

rechtskräftig, kann aber später auf Verlangen der ei-nen oder anderen Partei bestätigt werden. Andern-falls wird nach zehn Tagen die Entscheidung rechts-kräftig.« Diese neue Art von nicht formellen Ge-richtsverhandlungen war in der letzten Zeit populärgeworden. Sie ersparte Zeit und beanspruchte dieBeteiligten nicht so sehr wie eine offizielle Gerichts-verhandlung. Außerdem hatten gewisse Skandale ausder letzten Zeit dem Ruf der Anwälte in der Öffent-lichkeit ein wenig geschadet. Man hatte mit Recht einVorurteil gegen Anwälte.

Richter Hansen rief die Tones auf, befragte sie und

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bat dann Harrison Brock in den Zeugenstand. DerFernsehgewaltige sah besorgt aus, antwortete aber of-fen.

»Sie haben mit dem Kläger vor acht Tagen einÜbereinkommen getroffen?«

»Jawohl. Mr. Gallegher verpflichtete sich, eine ge-wisse Aufgabe für mich zu übernehmen.«

»Kam es zu einem schriftlichen Vertrag?«»Nein. Es war ein mündliches Übereinkommen.«Hansen sah Gallegher nachdenklich an. »Stand der

Kläger zu der fraglichen Zeit unter Alkoholeinfluß?Soviel ich weiß, ist das öfter der Fall.«

Brock schluckte. »Ich habe ihn daraufhin nichtüberprüft. Ich kann es beim besten Willen nicht sa-gen.«

»Nahm er in Ihrer Anwesenheit irgendwelche al-koholischen Getränke zu sich?«

»Ich weiß nicht, ob es alkoholische Geträn...«»Wenn sie Mr. Gallegher trank, dann waren sie al-

koholisch, das steht fest. Der Herr arbeitete einmalmit mir in einem Fall zusammen. Immerhin, es schei-nen keine rechtsverbindlichen Beweise vorzuliegen,daß Sie irgendeinen Vertrag mit Mr. Gallegher abge-schlossen haben. Der Beklagte – Sonatone – besitztdagegen einen schriftlichen und auch rechtskräftigunterschriebenen Vertrag. Die Unterschrift ist für echtanerkannt worden.«

Hansen machte eine Handbewegung, und Brockverließ den Zeugenstand. »Nun, Mr. Gallegher, wol-len Sie bitte heraufkommen – der fragliche Vertragwurde gegen zwanzig Uhr letzte Nacht unterzeich-net. Sie geben an, Sie hätten ihn nicht unterzeichnet?«

»Genau das. Ich war um diese Zeit noch nicht ein-

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mal in meinem Laboratorium.«»Wo waren Sie?«»In der Stadt.«»Können Sie Zeugen dafür benennen?«Gallegher überlegte. Nein, er konnte es nicht.»Nun gut. Der Beklagte gibt an, daß Sie etwa um

zwanzig Uhr letzte Nacht in Ihrem Laboratorium ei-nen bestimmten Vertrag unterzeichnet haben. Sieleugnen das kategorisch. Sie behaupten, daß das Be-weismittel A mit Hilfe der Hypnose sich für Sie aus-gegeben hat und an Ihrer Stelle erfolgreich Ihre Un-terschrift gefälscht hat. Ich habe Sachverständige be-fragt, und sie sind der Meinung, daß Roboter übersolche Fähigkeiten nicht verfügen.«

»Mein Roboter ist ein vollkommen neuer Typ.«»Sehr wohl. Lassen Sie mich von Ihrem Roboter

hypnotisieren, so daß ich ihn entweder für Sie, Mr.Gallegher, oder irgendeinen anderen Menschen halte.Mit anderen Worten, beweisen Sie mir seine Fähig-keit. Lassen Sie ihn mir in jeder Form erscheinen, dieihm geeignet erscheint.«

Gallegher sagte: »Ich werde es versuchen«, undverließ den Zeugenstand. Er begab sich zu dem Tisch,auf dem der Roboter in seiner Zwangsjacke lag. Dannsandte er ein Stoßgebet zum Himmel.

»Joe.«»Ja.«»Hast du zugehört?«»Jawohl.«»Wirst du den Richter Hansen hypnotisieren?«»Laß mich in Ruhe«, sagte Joe. »Ich bewundere

mich gerade.«Gallegher brach der Schweiß aus. »Jetzt hör doch

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mal zu! Ich verlange ja gar nicht viel. Du brauchstdoch bloß ...«

Joes Augen richteten sich in weite Fernen, und ersagte schwach: »Ich kann dich nicht hören. Ich weitegerade.«

Zehn Minuten später sagte Hansen: »Nun, Mr.Gallegher?«

»Euer Ehren, ich brauche nur ein wenig Zeit. Ichbin davon überzeugt, daß ich diesen Narziß mit sei-nem klappernden Getriebe dazu bringen kann, meineAngaben zu beweisen, wenn Sie mir die Möglichkeitdazu geben.«

»Das Gericht ist nicht unfair«, sagte Richter Han-sen. »Wenn Sie beweisen können, daß das Beweis-stück A in der Lage ist, jemand zu hypnotisierenwerde ich die Verhandlung wieder eröffnen. In derZwischenzeit ist Ihr Vertrag gültig. Sie arbeiten fürSonatone und nicht für Vox-View. Die Verhandlungist geschlossen.«

Er ging. Die Tones feixten unangenehm durch denGerichtssaal. Auch sie begaben sich nach Hause, mitSilver O'Keefe, die sich nun entschieden hatte, welcheSeite des Zaunes die sicherste für sie war. Galleghersah Patsy Brock an und zuckte hilflos die Achseln.

»Tja«, sagte er.Sie lächelte matt. »Nun, Sie haben es versucht. Ich

weiß zwar nicht, wie sehr Sie es versucht haben, aber... Ach, lassen Sie es gut sein. Vielleicht hätten Sie unssowieso nicht helfen können.«

Unsicheren Schrittes kam Brock zu ihnen herüber.Er wischte die Schweißtropfen von seinem rundenGesicht. »Ich bin ein ruinierter Mann. Sechs neueSchwarztheater sind gestern in New York eröffnet

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worden. Ich werde noch verrückt. Das habe ich nichtverdient.«

»Willst du, daß ich Jimmy Tone heirate?« fragtePatsy ironisch.

»Zum Teufel, nein! Oder nur, wenn du versprichst,ihn sofort nach der Trauungszeremonie zu vergiften.Diese Stinktiere können mich nicht besiegen! Ichwerde mir schon noch etwas einfallen lassen.«

»Wenn es Gallegher nicht kann, kannst du es auchnicht«, sagte das Mädchen. »Also – was nun?«

»Ich geh zurück in mein Labor«, sagte der Wissen-schaftler. »In vino veritas. Alles hat damit angefan-gen, daß ich betrunken war und wenn ich mich wie-der genug betrinke, finde ich vielleicht die richtigeAntwort. Wenn nicht, dann können Sie meine alko-holischen Überreste zu Liebhaberpreisen verkaufen.«

»Okay«, stimmte Patsy zu und führte ihren Vaterhinaus. Gallegher seufzte, überwachte den Rück-transport von Joe und verlor sich dann in hoffnungs-lose Theorien.

Eine Stunde darauf lag Gallegher flach auf der La-borcouch, bediente verbissen seine mechanische Barund blickte wütend auf den Roboter, der vor demSpiegel stand und einen quietschenden Gesang her-vorbrachte. Der Rausch drohte monumental zu wer-den. Gallegher war nicht sicher, ob Leib und Seeledas aushalten würden. Aber er war entschlossen,weiterzumachen, bis er entweder die Antwort fandoder das Bewußtsein verlor.

Sein Unterbewußtsein kannte die Antwort. Warum,zum Donnerwetter, hatte er Joe überhaupt gebaut?Sicherlich nicht deswegen, daß sich der Roboternachher einen Narzissuskomplex leisten konnte. Es

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gab auch noch einen anderen Grund, einen völlig lo-gischen Grund, der in den Tiefen des Alkoholtraumesverborgen lag.

Der Faktor X. Wenn der Faktor X bekannt war, ließsich Joe vielleicht beherrschen. Er mußte sich kon-trollieren lassen. X war der Hauptschalter. Im Au-genblick war der Roboter gewissermaßen sich selbstüberlassen. Wenn man ihm die Arbeit auftrug, zu derer gebaut worden war, würde sich bei Joe ein psychi-sches Gleichgewicht einstellen. X war der Katalysator,der Joe wieder zu einem normalen Roboter machenkonnte.

Sehr gut. Gallegher war auf seiner Stufenleiter beiden höchsten Prozenten angelangt.

Eitelkeit der Eitelkeiten; alles ist Eitelkeit. Wie ließsich der Faktor X finden? Ließ er sich ableiten?Konnte er ihm einfallen? Wurde er durch alkoholi-sche Osmose vermittelt? Man müßte in Spirituosenbaden. Gallegher klammerte sich an seine wild tor-kelnden Gedanken. Was hatte sich damals in jenerNacht vor einer Woche ereignet?

Er hatte Bier getrunken. Brock war hereingekom-men. Brock war wieder gegangen. Gallegher hatteangefangen, den Roboter zu bauen – hm. Wenn manvon Bier einen Schwips bekam, dann war das andersals bei sonstigen Getränken. Vielleicht trank er ebenheute das falsche Zeug. Gallegher erhob sich, er-nüchterte sich mit Thiamin und holte Dutzende vonimportierten Bierdosen aus dem Kühlschrank. Er sta-pelte die Dosen in einen Kühler neben der Couch.Bier spritzte an die Decke, als er den Dosenöffner an-setzte. Nun wollen wir einmal sehen, sagte er sich.

Der Faktor X. Der Roboter wußte, wie dieser Faktor

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hieß, das war selbstverständlich. Aber Joe hatte nichtdie Absicht, es zu verraten. Da stand er mit seinemdämlichen, durchsichtigen Fell in der Ecke und freutesich, daß sich in ihm die Zahnräder drehten.

»Joe.«»Störe mich nicht. Ich versenke mich in die Be-

trachtung meiner Schönheit.«»Du bist nicht schön.«»Aber ja. Bewunderst du nicht etwa auch mein

Tarzeel?«»Was für ein Ding?«»Oh, das vergesse ich immer«, sagte Joe bedau-

ernd. »Das kannst du mit deinen beschränkten Sinnengar nicht wahrnehmen, oder? Übrigens fällt mir ein,ich habe mein Tarzeel selbst hinzugefügt, nachdemdu mich gebaut hattest. Es ist sehr reizend.«

»Hm-m-m.«Die Zahl der leeren Bierdosen wuchs regelmäßig.

Es gab nur eine Brauerei, irgendwo in Europa, dienoch Bier in Dosen verkaufte, statt die üblichen Pla-stikbehälter zu verwenden. Gallegher zog aber dieDosen vor, irgendwie war der Geschmack anders.Aber zurück zu Joe. Joe wußte, warum er gebautworden war. Oder wußte er es nicht? Gallegherwußte es auch, allerdings nur in seinem Unterbe-wußtsein.

Halt! Und wie stand es mit Joes Unterbewußtsein?Besaß ein Roboter überhaupt ein Unterbewußtsein?Nun ja, er hatte ein Gehirn.

Gallegher bedachte die Unmöglichkeit, Joe eineScopolaminspritze zu verpassen. So ein Blödsinn!Wie konnte man das Unterbewußtsein eines Robotersfreilegen?

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Hypnose.Joe ließ sich nicht hypnotisieren. Dazu war er zu

schlau. Es sei denn ...Autohypnose?Gallegher schluckte rasch noch ein bißchen Bier. Er

fing wieder an, klar zu denken. Konnte Joe in die Zu-kunft sehen? Nein – er verfügte zwar über zusätzlichesonderbare Sinne, aber sie gehorchten der Logik undden Gesetzen der Wahrscheinlichkeit. Außerdem be-saß Joe eine Achillesferse – seinen Narzissuskomplex.

Darin könnte – auch nur vielleicht – eine Möglich-keit liegen.

Gallegher sagte: »So besonders schön kommst dumir aber doch nicht vor, Joe.«

»Was kümmert mich deine Meinung? Ich binschön, und ich kann es sehen. Das ist für mich ge-nug.«

»Ja, ich weiß. Ich habe eben nur fünf Sinne. Ichkann nun einmal dein Wesen nicht vollständig erfas-sen. Aber trotzdem, ich sehe dich jetzt mit anderenAugen an. Ich bin betrunken. Mein Unterbewußtseinkommt zutage. Ich kann dich jetzt sowohl mit mei-nem Bewußtsein wie auch mit meinem Unterbewußt-sein erfassen. Verstehst du das?«

»Du Glücklicher!« tröstete ihn der Roboter.Gallegher schloß die Augen. »Du kannst dich selbst

besser erkennen als ich es kann. Aber doch nicht voll-ständig, wie?«

»Was war das? Ich sehe mich so, wie ich bin.«»Und du kannst alles verstehen und bewundern?«»Ja, doch, natürlich«, sagte Joe, »selbstverständlich.

Oder vielleicht nicht?«»Mit deinem Bewußtsein und mit deinem Unter-

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bewußtsein? Vielleicht verfügt dein Unterbewußtseinnoch über weitere Sinne, von denen du gar nichtsweißt. Oder vielleicht sind sie dort schärfer. Ich jeden-falls weiß, daß ich die Dinge qualitativ und quantita-tiv anders sehe, wenn ich blau oder hypnotisiert bin,oder wenn mein Unterbewußtsein sonst irgendwievon mir Besitz ergriffen hat.«

»Oh!« der Roboter schaute gedankenvoll in denSpiegel. »Oh!«

»Zu schade, daß du dich nicht betrinken kannst.«Joes Stimme quietschte vor Erregung mehr denn je.

»Mein Unterbewußtsein! Ich habe meine Schönheitnie auf diese Art bewundert. Vielleicht entgeht mirdabei etwas.«

»Nun ja, es hat keinen Zweck, darüber nachzuden-ken«, sagte Gallegher. »Du kannst eben dein Unter-bewußtsein nicht freilegen.«

»Doch, das kann ich«, sagte der Roboter. »Ich kannmich selbst hypnotisieren.«

Gallegher wagte nicht, seine Augen zu öffnen. »Ja?Würde das gehen?«

»Natürlich. Genau das werde ich jetzt tun. Viel-leicht offenbaren sich mir dabei Schönheiten, von de-nen ich zuvor kaum träumen konnte. Weitere Hori-zonte, größere Glorie.«

Joe ließ seine Augen auf ihren Stielen hervortreten,richtete sie aufeinander und blickte das eine mit demanderen scharf an. Es trat eine lange Stille ein.

Dann sagte Gallegher: »Joe!«Schweigen.»Joe!«Immer noch Schweigen. Hunde begannen zu heu-

len.

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»Rede, damit ich hören kann.«»Ja«, sagte der Roboter wie von weither.»Bist du hypnotisiert?«»Ja.«»Und findest du dich lieblich?«»Viel lieblicher, als es mir je im Traum eingefallen

wäre.«Gallegher ging darauf nicht ein. »Und stehst du

jetzt unter dem Einfluß deines Unterbewußtseins?«»Jawohl.«»Warum habe ich dich gebaut?«Keine Antwort.»Denk doch mal zurück. Damals, als ich dich ge-

baut habe. Was ist damals geschehen?«»Du hast Bier getrunken«, sagte Joe schwach. »Du

warst schon so weit fortgeschritten, daß du mit demDosenöffner nicht mehr zurecht kamst. Du sagtest,du wolltest einen größeren und besseren Dosenöffnerbauen. Das bin ich.«

Gallegher fiel vor Schreck bald von der Couch.»Wie bitte?«

Der Roboter kam herüber, nahm eine Dose undöffnete sie mit unglaublicher Geschicklichkeit. KeinBier spritzte heraus. Joe war der perfekte Dosenöff-ner.

»Das kommt davon«, murmelte Gallegher vor sichhin, »wenn man die Wissenschaft nach dem Gefühlbetreibt. Ich habe den kompliziertesten Roboter ge-baut, den es je gab, nur damit er ...« Gallegher warüberwältigt.

Joe erwachte mit einem Ruck. »Was ist geschehen?«fragte er.

In Galleghers Blick lag der Sieg. »Mach diese Dose

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auf!« fuhr er ihn an.Einen Augenblick zögerte der Roboter, dann ge-

horchte er. »Aha. Du hast es also herausbekommen.Nun, mir scheint, von nun an bin ich bloß noch einSklave.«

»Und damit hast du verdammt recht. Ich habe denKatalysator gefunden – den Hauptschalter. Ab heuteliegst du in den Sielen und tust das, wofür du gebautworden bist.«

»Von mir aus«, sagte Joe philosophisch, »wenig-stens kann ich immer noch meine Schönheit bewun-dern, wenn du meiner Dienste nicht bedarfst.«

Gallegher grunzte. »Du Dosenöffner in Übergröße!Jetzt hör zu. Wenn ich dich jetzt mit ins Gericht neh-me und dir befehle, Richter Hansen zu hypnotisieren– dann mußt du es tun, oder?«

»Ja. Ich bin jetzt nicht mehr Herr meiner selbst. Vonnun an muß ich dir in allem gehorchen. Bis jetztbrauchte ich nur auf einen Befehl zu hören – das zutun, wofür ich gebaut worden war. Solange du mirkeine Bierdosen zum Öffnen gabst, war ich frei. Jetztmuß ich dir in jeder Beziehung gehorchen.«

»Endlich«, sagte Gallegher. »Gott sei Dank! An-dernfalls wäre ich nämlich binnen einer Woche ver-rückt geworden. Wenigstens kann ich jetzt den Ver-trag mit Sonatone lösen. Dann brauche ich bloß nochBrocks Problem anzugehen.«

»Aber das hast du doch schon erledigt«, sagt Joe.»Was?«»Damals, bei meinem Zusammenbau. Du hattest

vorher mit Brock gesprochen und demzufolge die Lö-sung zu seinem Problem in mich mit hineingebaut.Vielleicht unbewußt.«

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Gallegher griff nach dem Bier. »Jetzt rede, aberdalli! Wie lautet die Antwort?«

»Ultraschall«, sagte Joe. »Du hast mir die Fähigkeitgegeben, bestimmte Ultraschallschwingungen auszu-senden, die Brock bei seinen Fernsehprogrammen inunregelmäßigen Abständen mit übertragen muß ...«

Ultraschall kann man nicht hören. Aber man kannihn fühlen. Man spürt ihn zuerst als schwaches, un-erklärliches, unangenehmes Gefühl, das bis zur blin-den, kopflosen Panik führen kann. Diese Wirkunghält nicht an. Aber in Verbindung mit A. A. – Arena-Appeal – ergeben sich bestimmte, unvermeidbareFolgen.

Die Besitzer von Vox-View-Heimgeräten wurdenkaum davon berührt. Es war eine akustische Angele-genheit. Katzen miauten, Hunde heulten zum Erbar-men. Doch die Familien, die in ihrem Wohnzimmersich von den Stars der Vox-View unterhalten ließen,stellten keinen besonderen Unterschied fest. Zum Teildeswegen, weil die Verstärkung bei den kleinerenHeimgeräten nicht ausreichte.

Doch in den Schwarztheatern, wo die illegalenVox-View-Empfänger an die Magnas angeschlossenwaren ...

Zuerst bemächtigte sich der Zuschauer ein schwa-ches, unerklärliches Gefühl der Unruhe. Es wuchsimmer mehr an. Jemand fing an zu schreien. Manstürzte zu den Türen. Die Zuschauer fürchteten sichvor irgend etwas, ohne zu wissen, wovor. Sie wußtennur, daß sie sich so schnell wie möglich ins Freie ret-ten mußten.

Überall im ganzen Lande dasselbe Schauspiel: Pa-nikartig stürzten die Leute aus den Schwarztheatern,

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als Vox-View das erstemal während einer SendungUltraschall in den Tonkanal schmuggelte. Niemandwußte, woher die Panik kam – außer Gallegher, denBrocks und ein paar Technikern, die man in das Ge-heimnis eingeweiht hatte.

Eine Stunde darauf erfolgte ein zweiter Ultra-schallstoß. Wieder kam es zu turbulenten Szenen, alsalles wie von Furien gehetzt zu den Ausgängendrängte.

Binnen ein paar Wochen war es unmöglich, auchnur einen einzigen Besucher in ein schwarzes Fern-sehtheater zu locken. Heimgeräte waren da viel si-cherer. Die Verkaufsziffern von Vox-View stiegensteil an.

Niemand wollte mehr ein schwarzes Theater besu-chen. Eine weitere unerwartete Folge war, daß nacheiniger Zeit niemand mehr auch ein legales Sonatone-Theater betreten wollte. Gebranntes Kind scheut dasFeuer!

Die Zuschauer wußten nicht, warum sie in den un-gesetzlichen Theatern von Panik erfaßt wurden. Sieführten ihre blinde, unüberwindbare Furcht auf an-dere Faktoren zurück – insbesondere auf die Men-schenansammlungen und eine Art von Klaustropho-bie. Eines Abends besuchte eine Frau, die zwar denNamen Jane Wilson, aber keine sonstigen besonderenMerkmale besaß, eine Vorstellung in einemSchwarztheater. Sie floh mit den anderen, als der Ul-traschall gesendet wurde.

In der nächsten Nacht ging sie in das palastähnli-che Bijou von Sonatone. Mitten während der Vor-stellung sah sie sich einmal um, stellte fest, daß sievon dichten Menschenmassen eingeschlossen war,

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warf einen entsetzten Blick nach oben und bildetesich ein, die Decke würde auf sie herniederstürzen.

Sie mußte ins Freie!Ihr Aufschrei war der zündende Funke. Andere

aus dem Publikum hatten ebenfalls vorher schon dieWirkung von Ultraschall erfahren. Niemand wurdebei der Massenflucht verletzt, aber es wurde plötzlichklar, daß der Ultraschall in den Menschen die Furchtvor einer Kombination von Theater und Volksmassenaufkommen ließ. Ein einfacher Fall der Psychologie.

Nach vier Monaten waren die Schwarztheater ver-schwunden, und die Superpaläste von Sonatonemußten wegen Besuchermangels schließen. Die To-nes, Vater und Sohn, waren darüber nicht glücklich;dafür aber jeder, der zu Vox-View gehörte.

Gallegher war eine Ausnahme. Er hatte von Brockeinen Scheck erhalten, dessen Höhe seine Erwartun-gen weit übertraf, und unverzüglich in Europa tele-graphisch eine unglaubliche Menge Dosenbier ange-fordert. Nun lag er auf seiner Laborcouch, beklagtesein mißliches Schicksal und ließ eine spirituoseMixtur durch seine Kehle rinnen. Joe stand wie ge-wöhnlich vor dem Spiegel und bewunderte sein inne-res Getriebe.

»Joe«, sagte Gallegher.»Ja, was soll ich tun?«»Oh, nichts.« Das war der wunde Punkt. Gallegher

fischte ein zerknülltes Telegramm aus der Tasche undlas es kummervoll zum x-ten Male. Die Bierbrauereiin Europa hatte beschlossen, ihre Verpackungsart zuändern. Von nun an, so teilte das Telegramm mit,würde das Bier in den üblichen Plastikflaschen ver-sandt werden, in Übereinstimmung mit den Wün-

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schen der Kunden und dem sonst üblichen Gebrauch.Keine Dosen mehr.

Jetzt wurde überhaupt nichts mehr in Dosen ver-packt. Nicht einmal mehr Bier.

Wozu war also ein Roboter nütze, wenn er zu demeinzigen Lebenszweck gebaut worden war, ein Do-senöffner zu sein?

Gallegher seufzte und mischte sich ein weiteresGetränk, und zwar ein scharfes. Joe stand eitel vordem Spiegel.

Dann streckte er seine Augen hervor, ließ das eineins andere blicken und setzte rasch sein Unterbe-wußtsein durch Autohypnose frei. Joe konnte sich aufdiese Art besser bewundern.

Gallegher seufzte wieder. Im Umkreis von mehre-ren Häuserblöcken fingen die Hunde wie verrückt zubellen an. Ach, es war ihm schon ganz egal.

Er nahm einen weiteren Schluck und fühlte sichwohler. Dann hielt er die Zeit für gekommen, »Fran-kie und Johnnie« zu singen. Vielleicht konnte er mitJoe ein Duett singen – der eine im Bariton und derandere im unhörbaren Ultraschall. Eine hervorragen-de Harmonie.

Zehn Minuten später sang Gallegher ein Duett mitseinem Dosenöffner.

Originaltitel: THE PROUD ROBOTÜbersetzt von Klaus Fecher

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Clifford D. Simak

DIE GEDANKEN-FALLE

1

Sie glaubten, das Geheimnis enträtselt zu haben. Siehatten ein paar scharfsinnige Überlegungen ange-stellt, die entsprechenden Schlüsse gezogen – aber si-cher waren sie sich ihrer Sache nicht. Es war dieszwar nicht die Art, in der üblicherweise eine Abtei-lung des Vermessungsdienstes ihre Arbeit tat. Fürgewöhnlich griffen sie ein Problem auf, schüttelten eskräftig durch und ließen nicht locker, bis sie heraus-geholt hatten, was herauszuholen war, und konntenabschließend immer mit einer eindrucksvollen Listevon Tatsachen aufwarten. Hier jedoch gab es keineeinzige greifbare Tatsache außer der einen, die selbsteinem zwölfjährigen Kind als solche erschienen wäre.

Commander Ira Warren machte sich deshalb Sor-gen, und er äußerte sich auch in diesem Sinne, als ersich mit Schlappohr Brady, dem Schiffskoch und et-was anrüchigen Kumpan seiner Jugendzeit, unter-hielt. Die beiden fuhren jetzt schon seit mehr als drei-ßig Jahren zusammen und konnten, obwohl oder weilsie an entgegengesetzten Enden der Rangliste stan-den, sich gegenseitig doch Dinge sagen, die sie kei-nem anderen an Bord sagen konnten oder einem an-deren Mann hätten erlauben können zu sagen.

»Schlappohr«, sagte Warren, »ich mach mir Sor-gen.«

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»Du machst dir immer Sorgen«, gab Schlappohrzurück. »Das gehört nun mal zu deinem Job.«

»Diese Sache mit dem Schrottplatz ...«»Du wolltest schließlich was werden«, sagte

Schlappohr, »und ich hab dir gesagt, was dann pas-sieren würde. Ich hab dich gewarnt. Autorität – dasheißt Verantwortung, und das heißt Sorgen. Damitmußt du dich abfinden. Hm, also es geht um dieseSchrottplatz-Geschichte? Ich hab da noch irgendwoeine Flasche stehen. Wie wär's denn mit einem klei-nen Schluck?«

Warren wies den Gedanken weit von sich. »EinesTages werde ich es dir schon mal besorgen. Ich kannmir nicht denken, wo du das Zeug immer versteckthältst, aber auf jeder Fahrt ...«

»Aber, Ira! Nun reg dich bloß nicht unnütz auf.«»Aber auf jeder Fahrt schleppst du genug totes

Gewicht an Alkohol mit, um immer halb beduseltherumlaufen zu können.«

»Es ist Gepäck«, meinte Schlappohr störrisch.»Schließlich darf man doch wohl sein Reisegepäckmitnehmen. Ich hab sonst nicht viel anderes. Ichbringe eben meine Getränke mit.«

»Eines Tages«, sagte Warren heftig, »wirst du erle-ben, daß man dich deshalb fünf Lichtjahre von Nir-gendwo aus dem Schiff hinauswirft.«

Die Drohung war nicht neu und konnte deshalbSchlappohr auch nicht weiter aufregen.

»Diese Sorgen machen dich noch ganz krank«,sagte Schlappohr, »und sie bringen dich auch nichtweiter.«

»Aber unser wissenschaftliches Team hat versagt«,widersprach Warren. »Begreifst du denn nicht, was

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das heißt? Zum erstenmal in mehr als hundert JahrenVermessungsarbeit haben wir Anzeichen gefunden,die darauf hindeuten, daß noch eine andere Rasseaußer der menschlichen die Raumfahrt kennt. Undwir wissen nichts darüber. Aber wir sollten es. Bei derMenge des Plunders, der da draußen herumliegt,sollten wir inzwischen ein dickes Buch darüberschreiben können.«

Schlappohr spuckte verächtlich aus. »Du meinst,diese Wissenschaftler sollten es.«

Auf die Art und Weise, wie er »Wissenschaftler«aussprach, klang es wie ein unanständiges Wort.

»Die sind schon in Ordnung«, sagte Warren. »Diebesten, die es gibt.«

»Erinnerst du dich noch an die alten Tage, Ira?«fragte Schlappohr. »Damals, als du noch ein kleinerLeutnant warst und wir uns ab und zu einen hinterdie Binde gossen und ...«

»Was hat das mit dieser Sache zu tun.«»Damals hatten wir noch richtige Männer an Bord.

Wir haben uns einen Knüppel gegriffen, uns ein paarEingeborene geschnappt und ihnen mit dem Knüppelein bißchen nachgeholfen. Und auf diese Weise habenwir in ein paar Stunden mehr in Erfahrung gebrachtals diese Wissenschaftler mit ihren Methoden in ei-nem Monat.«

»Du übersiehst eine Kleinigkeit«, sagte Warren.»Hier gibt es keine Eingeborenen.«

Tatsache war, daß es auf diesem Planeten wederEingeborene gab noch sonst was zu holen war. Eswar ein ausgesprochen armseliger Planet, und erwürde auch die nächste Milliarde Jahre nicht viel an-sehnlicher werden. Verständlicherweise war der

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Vermessungsdienst nicht allzusehr an Planeten inter-essiert, die erst in einer Milliarde Jahren etwas dar-stellen würden.

Seine Oberfläche bestand zum größten Teil ausgewachsenem Fels und herumliegenden Gestein-strümmern. Während der letzten halben Million Jahrewaren die ersten primitiven Pflanzen aufgetaucht.Moose und Flechten füllten die Felsspalten und kro-chen über das Gestein, aber davon abgesehen schienkein anderes Leben vorhanden zu sein. Obwohl, umgenau zu sein, man dessen nicht sicher sein konnte,denn keiner hatte sich eingehender für den Planeteninteressiert. Sie hatten ihn weder genauer untersuchtnoch nach Leben geforscht. Dafür war jedermann vielzu sehr an dem Schrottplatz interessiert gewesen.

Ursprünglich hatten sie nicht einmal die Absichtgehabt, hier zu landen. Sie hatten den Planeten um-kreist, die üblichen Messungen vorgenommen unddie üblichen Angaben in das Logbuch eingetragen.

Dann hatte jemand, der hinter einem Teleskop saß,den Schrottplatz entdeckt, und sie waren gelandet,um ihn sich näher anzusehen, und hatten ein Vexier-spiel vorgefunden, das sie fast an den Rand desWahnsinns trieb.

Sie hatten die Stelle Schrottplatz getauft, und etwasanderes war sie auch nicht. Ringsherum verstreut lagein Haufen Zeug, das allem Anschein nach Maschi-nenteile waren, obwohl niemand etwas Bestimmtessagen konnte. Pollard, der Ingenieur, war über derAufgabe, einige von ihnen zusammenzubauen, baldverrückt geworden. Schließlich hatte er drei Stückeirgendwie zusammenbekommen, aber klüger war erdadurch auch nicht geworden. Deshalb wollte er sie

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wieder auseinandernehmen, schon um zu sehen, wieer sie zusammenbekommen hatte. Er bekam sie nichtwieder auseinander. Das war der Moment, wo Pol-lards Nerven mit ihm durchgingen.

Die Maschinenteile, falls es wirklich Maschinenteilewaren, lagen in der ganzen Gegend umher, so alshätte sie etwas oder jemand einfach weggeworfen,ohne sich darum zu kümmern, wohin sie fielen. Aneiner Stelle des Platzes jedoch lag ein Haufen andererSachen, alle fein säuberlich aufgestapelt, und schondem flüchtigen Betrachter mußte offenbar sein, daß eres hier mit einem Vorratslager zu tun hatte.

Darunter befand sich etwas, was aller Wahrschein-lichkeit Lebensmittel waren, obgleich es seltsame Le-bensmittel waren (falls das wirklich zutraf) undmerkwürdig geformte Kunststoffflaschen, die einegiftige Flüssigkeit enthielten, und andere Sachen auseiner Art Material, die vielleicht Kleider darstellten,obwohl es einen kalt überrieselte, wenn man sichvorzustellen versuchte, welche Art von Wesen wohlsolche Kleidung tragen würde, und Bündel von Me-tallstangen, die von einer Magnetkraft zusammenge-halten wurden statt von Drähten, die ein Mensch be-nutzt hätte, um sie zu Bündeln zu schnüren. Unddann noch eine Anzahl Gegenstände, für die es über-haupt keinen Namen gab.

»Sie hätten die Lösung finden sollen«, sagte War-ren. »Sie haben noch viel härtere Nüsse geknackt alsdiese da. In diesem Monat, den wir jetzt schon hiersind, hätten sie den Motor in Gang setzen müssen.«

»Falls es ein Motor ist«, machte ihn Schlappohraufmerksam.

»Was soll es denn sonst sein?«

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»Du redest schon genauso wie die daher. Such dirwas, was du nicht erklären kannst, denk dir abernichtsdestoweniger eine schöne Erklärung aus, undwenn dir jemand mit Zweifeln kommt, dann frag,was soll es denn sonst sein. Aber das ist kein Beweis,Ira.«

»Da hast du recht, Schlappohr«, gab Warren zu.»Es ist tatsächlich kein Beweis, und gerade das machtmir eben Sorgen. Wir bezweifeln in keiner Weise, daßder Trödelkram da draußen ein Raumschiffmotor ist,aber wir haben keinen Beweis.«

»Kein Mensch wird wohl sein Schiff landen«, sagteSchlappohr verdrießlich, »um den Schiffsmotor her-auszureißen und wegzuschmeißen. Wenn sie das ge-tan hätten, dann müßte auch das Schiff noch da sein.«

»Aber wenn es das nicht ist«, sagte Warren gequält,»was soll es denn dann sein?«

»Woher soll ich das wissen? Ich bin nicht mal neu-gierig, ich werd mich hüten, mir unnötig Kopf-schmerzen zu machen.«

Er stand auf und machte einen Schritt auf die Türzu.

»Na, was wär's mit der Flasche, Ira?«»Nein, danke«, sagte Warren.Er blieb sitzen und lauschte Schlappohrs Schritten,

die die Treppe hinunterklapperten.

2

Kenneth Spencer, der Fremdpsychologe, kam in dieKabine und ließ sich auf den Stuhl sinken, in demvorher Schlappohr gesessen hatte.

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»Wir sind endlich fertig«, sagte er.»Sie sind nicht fertig«, sagte Warren. »Sie haben

noch nicht einmal angefangen.«»Wir haben getan, was wir konnten.«Warren knurrte nur.»Wir haben alle möglichen Versuche angestellt«,

sagte Spencer. »Wir haben ein ganzes Buch vollerAnalysen. Wir haben jeden Teil in allen Einzelheitenfotografiert. Wir haben alles schwarz auf weiß – inDiagrammen, Notizen ...«

»Dann sagen Sie mir eines. Was ist das Zeug dadraußen?«

»Es ist ein Raumschiffmotor.«»Wenn es ein Motor ist«, sagte Warren, »warum

bauen wir ihn dann nicht zusammen? Lassen Sie unsherausfinden, wie er arbeitet und was für eine Artvon Intelligenz ihn mit größter Wahrscheinlichkeitkonstruiert haben kann.«

»Wir haben es ja schon versucht«, antwortete Spen-cer. »Wir alle haben es versucht. Einige von uns besa-ßen nicht das dazu nötige Spezialwissen, aber sie ta-ten trotzdem ihr Bestes. Sie halfen denen, die es hat-ten.«

»Ich weiß, wie hart Sie gearbeitet haben.«Und sie hatten wirklich hart gearbeitet, hatten sich

nur ab und zu ein paar Stunden Schlaf gegönnt, undgegessen hatte jeder nur so nebenbei, wenn er geradeZeit fand.

»Wir haben es eben mit fremden Intelligenzen undihrer Auffassung von Mechanik zu tun«, sagte Spen-cer.

»Wir befassen uns schließlich nicht zum erstenmalmit fremden Begriffsvorstellungen«, erinnerte ihn

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Warren. »Fremdökonomie und Fremdreligionen undFremdpsychologie ...«

»Dieser Fall liegt anders.«»Nicht so sehr anders. Nehmen Sie Pollard, zum

Beispiel. Er ist der Mann, auf den es in diesem Fallhauptsächlich ankommt. Würden Sie nicht auch sa-gen, daß Pollard die Lösung hätte finden müssen?«

»Wenn es überhaupt eine Lösung gibt, dann istPollard Ihr Mann. Er hat alles – die theoretischenKenntnisse, die Erfahrung und Phantasie.«

»Sie glauben also, wir sollten es aufgeben?« fragteWarren. »Um mir das zu sagen, sind Sie doch ge-kommen, nicht wahr? Sie sind der Meinung, daß wirhier nur noch unsere Zeit verschwenden, wie?«

»Ja, das ist allerdings meine Meinung«, kam dieBestätigung.

»Also schön.«, sagte Warren. »Wenn Sie es sagen,dann bleibt mir nichts übrig, als es zu akzeptieren.Wir starten nach dem Abendessen. Ich werde Schlap-pohr sagen, daß er uns einen Festschmaus herrichtet.Damit wir unseren Erfolg feiern können.«

»Das brauchen Sie uns nicht ausdrücklich unter dieNase zu reiben«, beschwerte sich Spencer. »Wir sindgewiß nicht stolz auf unseren Erfolg.«

Warren stemmte sich aus seinem Sessel hoch.»Ich gehe jetzt runter und sage Mac, daß er seine

Motoren anheizen soll. Auf dem Wege werde ichgleich Schlappohr Bescheid sagen.«

Spencer sagte: »Ich mach mir Sorgen, Warren.«»Die mach ich mir auch. Und worüber machen Sie

sich welche?«»Wer sind diese Wesen, diese Leute mit diesem

anderen Raumschiff? Das ist der erste Hinweis auf

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eine andere raumfahrende Rasse, den wir hier be-kommen haben. Und was ist ihnen hier zugestoßen?«

»Bange?«»Ja. Sie nicht?«»Noch nicht«, sagte Warren. »Ich werde es ver-

mutlich sein, wenn ich erst einmal Zeit finde, allesrichtig zu überdenken.«

3

Er fand Mac in seiner Koje. Mac schmauchte seineschwarze Pfeife und blätterte in seiner mit Eselsohrenverzierten Bibel herum.

»Gute Nachrichten«, sagte Warren zu ihm.Mac legte das Buch hin und nahm seine Brille ab.»Es gibt nur eine einzige gute Nachricht, die Sie

mir bringen können«, sagte er.»Das ist sie. Machen Sie alles startklar. Wir fliegen

ab.«»Wann, Sir? Was nicht heißt, daß es mir nicht

schnell genug gehen kann.«»In ein paar Stunden oder so«, sagte Warren. »Wir

essen noch zu Abend und verladen. Ich gebe Ihnenendgültig Bescheid.«

Der Schiffsingenieur klappte seine Brille zusam-men und verstaute sie in seiner Tasche. Dann klopfteer die Pfeife aus und klemmte sie sich wieder zwi-schen die Zähne.

»Mir hat dieser Ort nie ganz behagt«, sagte er.»Das geht Ihnen überall so.«»Die Türme sind irgendwie unheimlich.«»Sie sind verrückt, Mac. Hier gibt es keine Türme.«

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»Ich bin mit den Jungs mal ein bißchen spazieren-gegangen«, sagte der Ingenieur. »Dabei fanden wirein paar Türme.«

»Felsformationen, vermutlich.«»Türme«, beharrte der Ingenieur eigensinnig.»Wenn ihr ein paar Türme gefunden habt«, sagte

Warren inquisitorisch, »warum habt ihr das nichtgemeldet?«

»Damit diese Wissenschaftler sich auch noch dar-auf stürzen und wir noch einen weiteren Monat hierfestsitzen?«

»Na ja, ist auch egal«, lenkte Warren ein. »Es sindwahrscheinlich gar keine Türme. Wer sollte denn aufdiesem gottverlassenen Planeten auch schon Türmebauen?«

»Sie waren direkt unheimlich«, sagte Mac. »Sie sa-hen so düster aus. Und der Hauch von Tod und Ver-wesung lag über ihnen.«

»Da spricht der Kelte aus Ihnen. Der alte abergläu-bische Kelte, der im Weltraum herumkutschiert undtrotzdem noch immer an Feen und böse Geisterglaubt. Der Geist des Mittelalters im Zeitalter derWissenschaft.«

Mac sagte: »Gehen Sie nur hin. Es wird Ihnen ge-nauso gehen wie mir.«

Sie schauten sich einen langen Augenblick wortlosan. Dann streckte Warren eine Hand aus und klopftedem anderen sanft auf die Schulter.

»Ich werde kein Wort über diese Türme verlautenlassen«, sagte er. »Und jetzt kümmern Sie sich um Ih-re Maschinen.«

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4

Warren saß schweigend am Kopf der Tafel und hörteden Gesprächen der anderen zu.

»Es war eine provisorische Arbeit«, sagte Clyne,der Physiker. »Sie haben eine Menge Zeug herausge-rissen und dann ihr Triebwerk aus dem einen oderanderen Grunde überholt und umgebaut. Eine Mengevon dem Zeug, das sie herausgerissen haben, habensie dann nicht mehr gebraucht. Aus irgendeinemGrunde mußten sie ihre Motoren umbauen, und siebauten sie einfacher, als sie vorher waren. Griffen aufdie Grundgedanken zurück und verzichteten auf dasDrumherum – Automatik und ähnliche Geräte. Aberdas neue Triebwerk muß größer und unhandlichergewesen sein als das alte. Das würde jedenfalls erklä-ren, warum sie einen Teil ihrer Vorräte zurückgelas-sen haben.«

»Aber«, fragte Dyer, der Chemiker, »was haben siezu dem provisorischen Umbau hergenommen? Wohaben sie die Materialien herbekommen?«

Briggs, der Metallurge, sagte: »Diese Gegend stecktvoller Erz. Wenn der Planet nicht so abgelegen wäre,dann wäre es eine Goldgrube.«

»Wir haben nichts entdeckt, was auf einen Erzab-bau hingedeutet hätte«, gab Dyer zu bedenken. »We-der das, noch Anzeichen einer Verarbeitung.«

»Wir haben uns hier nicht allzu gründlich umgese-hen«, sagte Clyne. »Nicht ausgeschlossen, daß sie einpaar Kilometer von hier gebuddelt haben, ohne daßwir je was davon zu sehen bekamen.«

Spencer sagte: »Das ist der Fehler bei diesem gan-

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zen Unternehmen. Wir arbeiten mit Annahmen, alswären es Tatsachen. Wenn sie wirklich ein paar neueTeile gießen mußten, dann könnte es vielleicht ganznützlich sein, wenn wir ein bißchen mehr darüber inErfahrung bringen würden.«

»Das ändert auch nichts an der Sache«, sagte Clyne.»Die Grundtatsachen sind uns jedenfalls bekannt –ein Raumschiff machte eine Notlandung, die Maschi-nen wurden repariert, und dann flog es wieder ab.«

Doc Spears am unteren Ende des Tisches schlugmit der Gabel auf seinen Teller.

»Ihr wißt nicht einmal sicher«, sagte er, »daß es einRaumschiff war. Immer dieselbe alte Leier. Ich höresie mir jetzt schon seit Wochen an. Noch nie in mei-nem ganzen Leben habe ich so viel Geschäftigkeitund so wenig Resultate gesehen.«

Jeder starrte ein wenig erstaunt zu dem Arzt hin-unter. Doc war normalerweise von sanfter Natur,kümmerte sich gewöhnlich nur wenig um das, wasum ihn vorging, und begnügte sich mit seiner tägli-chen Runde durch das Schiff, auf der er hin und wie-der einen gequetschten Daumen oder Halsschmerzenoder sonst ein kleines Wehwehchen zu kurieren hat-te. Alle an Bord hatten sich schon manchmal mitleichtem Unbehagen gefragt, was wohl passierenwürde, wenn Doc mal mit einer schwierigen Sache,beispielsweise einer Operation, konfrontiert werdenwürde. Aber obwohl sie nicht viel Zutrauen in seinemedizinischen Kenntnisse hatten, mochten sie ihndoch alle gut leiden, hauptsächlich wohl deshalb,weil er sich eben nicht in ihre Angelegenheiten ein-mischte.

Und hier saß er nun und tat gerade das.

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Lang, der Nachrichtenoffizier, sagte: »Wir habenSpuren gefunden, Doc. Vergessen Sie das nicht. Spu-ren auf dem Felsboden. Die Art von Spuren, die nurein landendes Raumschiff hinterlassen haben kann.«

»Haben kann«, sagte Doc höhnisch.»Haben muß!«Doc schnaufte nur verächtlich durch die Nase und

wandte sich wieder seinem Teller zu, wobei er denKopf tief gesenkt hielt und völlig unparteiisch einmaldie Gabel und einmal das Messer benutzte, um sichdie Speisen in den Mund zu schaufeln. Doc war be-rüchtigt wegen seiner Tischmanieren.

»Ich hab so ein Gefühl«, sagte Spencer, »als wärenwir auf dem Holzweg, wenn wir uns die Sache nurals einfache Reparatur vorstellen. Nach der Anzahlder Teile zu schließen, die auf dem Schrottplatz her-umliegen, möchte ich sagen, daß sie es notwendigfanden, eine völlige Neukonstruktion in Angriff zunehmen, also einen ganz neuen Motor zu entwerfen,um hier wieder wegzukommen. Ich habe so das Ge-fühl, als ob die Teile da draußen das ganze Triebwerkund nicht nur einen Teil davon darstellen, und daß –wenn wir nur wüßten wie – wir sie zusammenbauenund einen kompletten Motor vor uns haben würden.«

»Hab ich ja versucht«, sagte Pollard.»So ganz leuchtet mir der Gedanke von einer völli-

gen Neukonstruktion nicht ein«, meinte Clyne. »Daswürde bedeuten, daß sie das Problem von einer ganzneuen Seite hätten angehen müssen, also neue Ideen,für deren Verwirklichung kein einziges Teilstück derursprünglichen Maschine verwendet werden konnte.Eine solche Annahme würde zwar erklären, warumso viele Teile herumliegen, aber so etwas ist einfach

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nicht möglich. Wer auf einem so öden Planeten wiediesem notgelandet ist, macht sich nicht die Mühe,ein völlig neues Triebwerk zu erfinden und zu bauen.Da hält man sich an das, was man weiß.«

Dyer sagte: »Und außerdem erhebt sich hier wiederdie Frage, wo haben sie das nötige Material herge-nommen.«

»Und die Werkzeuge«, fügte Lang hinzu. »Wohersollten sie die Werkzeuge nehmen?«

»Vermutlich haben sie eine Reparaturwerkstatt anBord ihres Schiffes gehabt«, sagte Spencer.

»Für kleinere Reparaturen«, korrigierte ihn Lang.»Aber nicht die Art von Einrichtung, die manbraucht, um einen völlig neuen Motor zu bauen.«

»Was mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet«,sagte Pollard, »das ist unsere absolute Unfähigkeit,auch nur einen einzigen Aspekt dieser Angelegenheitzu verstehen. Ich habe versucht, diese Teile zusam-menzupassen, ich habe versucht, das Verhältnis dereinzelnen Teile untereinander herauszubekommen –und es muß zwischen ihnen irgendein Verhältnis exi-stieren, denn Teile, die nicht zusammengehören,würden überhaupt keinen Sinn ergeben. Endlich be-kam ich auch drei davon zusammen, aber damit warich auch schon am Ende meiner Weisheit angelangt.Als ich sie zusammen hatte, war ich nicht klüger alszuvor. Sie sagten mir einfach nichts. Und als ich ver-suchte, sie wieder auseinanderzunehmen, gelang mirnicht einmal das mehr. Man sollte doch denken, daß,wenn man schon mal etwas zusammenbekommenhat, man es auch wieder auseinandernehmen könnte,oder?«

»Es war eben ein fremdes Schiff«, sagte Spencer,

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»von Fremden gebaut und von fremden Motoren an-getrieben.«

»Trotzdem«, sagte Pollard, »irgend etwas Gemein-sames sollte doch vorhanden sein, das wir auch alssolches hätten erkennen können. Auf die eine oderdie andere Art und Weise sollte ihr Triebwerk wenig-stens nach einem der Prinzipien gearbeitet haben, diefür unsere Vorstellung von Mechanik gelten. EinMotor ist im Grunde nichts anderes als ein Mecha-nismus, der Energie im Rohzustand aufnimmt, sieverwandelt und als gelenkte Energie wieder von sichgibt. Das ist der Zweck eines jeden Motors, gleich-gültig, von welcher Rasse er nun konstruiert wird.«

»Das Metall«, sagte Briggs, »ist eine uns völlig un-bekannte Legierung, die aber auch in keiner Weise ir-gendwie einer uns bekannten ähnelt. Es ist uns zwargelungen, ihre Bestandteile zu bestimmen, aber dieFormel – einmal aufs Papier gebracht – liest sich wieein surrealistisches Dada-Gedicht. Eine solche Ver-bindung ist eine Unmöglichkeit, würde es jedenfallsauf der Erde sein. Sie enthält irgendein Geheimnis,das so verborgen ist, daß ich nicht einmal eine Ver-mutung äußern möchte.«

Doc sagte vom Ende des Tisches: »Ich muß Ihnenzu Ihrer Bescheidenheit gratulieren, Mr. Briggs.«

»Lassen Sie das, Doc«, befahl Warren in scharfemTon und mischte sich zum erstenmal in das Gesprächein.

»Na, schön«, sagte Doc, »wenn Sie es wollen, Ira,dann lasse ich das.«

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5

Warren stand vor dem Schiff und schaute über dasLand. Der Abend verblaßte zur Nacht, und derSchrottplatz war jetzt nur noch ein grotesk geformterdunkler Schattenfleck auf dem Hügel.

Einmal – und das war gar nicht so lange her – hattehier ein anderes Schiff gestanden, nur wenige Metervon der Stelle entfernt, wo sein Schiff jetzt ruhte. Einanderes Schiff – eine andere Rasse.

Und irgend etwas war mit diesem Schiff gesche-hen, etwas, das die Wissenschaftler seines Schiffesausfindig zu machen versucht hatten.

Es war nicht nur eine einfache Reparatur gewesen,dessen war er sich sicher. Gleichgültig, wie auch dieMeinung der anderen war, es war beträchtlich mehrgewesen.

Sie hatten sich in irgendeiner Art von Notlage be-funden, in einer Situation seltsamer Dringlichkeit. Siehatten den Planeten in solcher Hast verlassen, daß siedabei sogar auf die Mitnahme ihrer Vorräte verzichtethatten. Kein Kommandant eines Raumschiffs – sei erein Mensch oder ein Fremder – würde freiwillig einenTeil seiner Vorräte preisgeben, außer in einer Notla-ge, in der es um Tod oder Leben ging.

Auch Nahrungsmittel befanden sich in dem Vor-ratsstapel – wenigstens hatte Dyer behauptet, daß esNahrungsmittel wären, obwohl sie nicht so aussahen.Und dann die Kunststoffflaschen mit der giftigenFlüssigkeit, die – was sich nicht von der Hand weisenließ – vielleicht das Äquivalent eines irdischen Whis-kys war. Und niemand – Mensch oder Fremder –, so

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sagte sich Warren, läßt Lebensmittel und Whisky zu-rück, außer im äußersten Notfall.

Er schritt langsam den Pfad entlang, den viele Füßezwischen dem Schiff und dem Schrottplatz ausgetre-ten hatten, und es wurde ihm bewußt, daß er in einerStille ging, die genauso tief war wie die erhabene undschreckliche Stille des Weltraums. Hier gab es nichts,das den geringsten Laut verursachte. Hier gab es keinLeben, außer den Moosen und Flechten und den an-deren primitiven Pflanzen, die zwischen dem Felsge-stein ihr Dasein fristeten. Später würde es sicher auchanderes Leben geben, denn der Planet besaß Luft undWasser und Mineralien und die anderen Vorausset-zungen für einen fruchtbaren Boden, und in einerweiteren Milliarde von Jahren vielleicht würde es hiervon Leben wimmeln, das genauso komplex war wiedas auf der Erde.

Aber eine Milliarde Jahre, dachte er, ist eine lange,lange Zeit.

Er erreichte den Schrottplatz und schritt über denvertrauten Boden, wich hier und da den größerenStücken aus, die als dunkle Schatten emporragten,stolperte ab und zu über die kleineren Teile, die dieDunkelheit unsicher machten.

Als er das zweite Mal stolperte, bückte er sich undhob den Gegenstand auf, über den er gestolpert war,und es war, daß wußte er plötzlich, eines der Werk-zeuge, die die fremde Rasse bei ihrer Flucht zurück-gelassen hatte. Er konnte sie sich bildhaft vorstellen,wie sie ihre Werkzeuge fallen ließen und flohen, aberdas Bild war etwas verschwommen. Er konnte sichnicht klarwerden, was für ein Aussehen er diesenFremden verleihen sollte, und er konnte nicht erken-

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nen, wovor sie geflohen waren.Er warf das Werkzeug in die Luft und fing es wie-

der auf. Es war leicht und handlich, und zweifellosbesaß es irgendeinen Verwendungszweck, aber erwußte nicht welchen, konnte es nicht einmal ahnen.Und niemand konnte es ihm verraten. Hand oderSaugarm, Klaue oder Pfote – wie hatte das Glied wohlausgesehen, das dieses Werkzeug umklammert hielt?Wie war der Geist wohl beschaffen, der es oder sieoder ihn lenkte?

Er blieb stehen und beugte sich zurück und blickteempor zu den Sternen, die diesen Planeten beschie-nen und nicht die vertrauten Sterne seiner Kindheitwaren.

Weit draußen, dachte er, weit draußen. So weitdraußen wie noch kein Mensch vor ihm.

Ein Geräusch ließ ihn zusammenfahren, und erwandte sich um. Es war das Geräusch eiliger Füße,die den Pfad entlanggerannt kamen.

»Warren!« schrie eine Stimme. »Warren! Wo sindSie?«

Furcht klang aus dieser Stimme, der verzweifelteKlang des Entsetzens, das man auch in den Schreieneines verängstigten Kindes hört.

»Warren!«»Hier!« rief Warren. »Hier bin ich. Ich komme.«Er setzte sich in Bewegung und hastete in großen

Sätzen dem Mann entgegen, der im Dunkeln auf ihnzugelaufen kam.

Der Mann wäre fast an ihm vorbeigerannt, hätte ernicht eine Hand ausgestreckt und ihn bei der Schulterzu fassen bekommen.

»Warren! Sind Sie das?«

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»Was ist los, Mac?« fragte Warren.»Ich kann ... ich kann nicht ... ich ...«»Was ist passiert? Los, erzählen Sie schon! Was

können Sie nicht, Mac?«Er spürte die zitternden Hände des Ingenieurs auf

seinem Körper, die nach ihm tasteten, seine Jacke zufassen bekamen und sich daran klammerten, als hätteer Angst, zu ertrinken.

»Also los, also los«, drängte ihn Warren mit derUngeduld der Beunruhigung.

»Ich bekomme die Motoren nicht an, Sir«, sagteMac.

»Sie – was?«»Ich bekomme sie nicht an, Sir. Und auch keiner

der anderen. Keiner von uns bekommt sie an, Sir.«»Die Motoren!« sagte Warren. Seine Unruhe wurde

größer, wurde zur Angst. »Was ist mit den Motoren?«»Mit den Motoren ist nichts. Wir sind es, Sir. Wir

können sie nicht anbekommen.«»Sprechen Sie endlich vernünftig, Mann. Warum

können Sie es nicht?«»Wir wissen nicht mehr, wie. Wir haben vergessen,

wie man die Motoren startet!«

6

Warren knipste die Schreibtischlampe an und suchteunter den Büchern auf dem Regal.

»Hier ist es ja, Mac«, sagte er. »Ich wußte, hiermußte es sein.«

Er nahm das Buch herunter und schlug es auf. Ha-stig durchblätterte er die Seiten. Hinter ihm konnte er

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das angespannte, verängstigte Atmen des Ingenieurshören.

»Es ist schon in Ordnung, Mac. Es steht alles hier indem Buch.«

Er blätterte zu weit, mußte ein paar Seiten zurück-schlagen, fand die Stelle und breitete dann das Buchunter der Lampe aus.

»Jetzt also«, sagte er, »werden wir diese Motorenanbekommen. Hier steht es ja ...«

Er versuchte zu lesen und konnte es nicht.Er konnte die Wörter verstehen und die Symbole,

aber die Summe der Wörter ergab wenig Sinn, unddie Symbole überhaupt keinen.

Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach, seineStirn herunterrann und sich in seinen Augenbrauensammelte. Wie er seine Achselhöhlen benetzte undentlang seinen Rippen lief.

»Was ist denn nun wieder los, Skipper?« fragteMac. »Was haben Sie?«

Warren merkte, wie sein Körper sein Äußerstes tat,um zittern zu können, und sich trotzdem nicht zubewegen vermochte. Er war wie versteinert.

»Das ist das Maschinen-Handbuch«, sagte er. SeineStimme war völlig tonlos. »Hier steht alles drin, wasman über sie wissen muß – wie sie arbeiten, wie manSchäden feststellt und repariert.«

»Dann ist ja alles in Ordnung«, atmete Mac er-leichtert auf.

Warren klappte das Buch zu.»Nein, das ist es nicht, Mac. Ich habe die ganzen

mathematischen Symbole vergessen und den größtenTeil der Terminologie.«

»Sie haben was?«

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»Ich kann das Buch nicht mehr lesen«, sagte War-ren.

7

»Das gibt es doch einfach nicht«, widersprach Spen-cer.

»Das kann es nicht nur geben«, sagte Warren, »dashat es sogar schon gegeben. Ist etwa einer unter Ih-nen, der das Buch lesen kann?«

Er erhielt keine Antwort.»Wenn es einen gibt, der es kann«, forderte Warren

sie auf, »dann soll er herkommen und es uns zeigen.«Clyne sagte leise: »Keiner von uns kann es lesen.«»Und doch«, verkündete Warren, »würde noch vor

einer Stunde ein jeder von Ihnen – jeder einzelne vonIhnen – höchstwahrscheinlich um seinen Kopf ge-wettet haben, daß er – wenn nötig – die Motoren an-lassen könnte, und wenn er nicht gewußt hätte, wie,dann hätte er zumindest das Handbuch zu Rate zie-hen können.«

»Das stimmt«, sagte Clyne. »Wir hätten um unse-ren Kopf gewettet. Noch vor einer Stunde. Es wäreeine Wette ohne jedes Risiko gewesen.«

»Das glauben Sie«, sagte Warren. »Aber woherwissen Sie, wieviel Zeit schon vergangen ist, seit Siedas Handbuch nicht mehr lesen konnten?«

»Natürlich kann man das nicht sagen«, war Clynegezwungen zuzugeben.

»Da ist noch etwas. Sie haben die Lösung desSchrottplatzproblems nicht gefunden. Sie glaubten,sie gefunden zu haben, aber in Wirklichkeit haben Sie

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es nicht. Und doch hätten Sie sie finden sollen. Siewissen verteufelt gut, daß Sie sie hätten finden sol-len.«

Clyne erhob sich von seinem Stuhl. »Also jetzt hö-ren Sie mal, Warren ...«

»Setzen Sie sich«, sagte Spencer. »Warren hat voll-kommen recht. Wir haben sie nicht gefunden, unddas wissen wir. Wir haben einfach geraten und dasals Tatsache hingestellt. Und auch da hat Warrenrecht – wir hätten sie finden sollen.«

Unter anderen Umständen, so dachte Warren,würden sie ihn wegen seiner Offenheit gehaßt haben,aber das war jetzt nicht möglich. Sie saßen einfach da,und er konnte ihnen ansehen, wie ihnen allmählichdie Wahrheit dämmerte.

Dyer sagte schließlich: »Sie meinen, wir haben ver-sagt, weil wir vergaßen – so wie Mac alles vergessenhat?«

»Sie haben einige Ihrer Fertigkeiten verloren«, ant-wortete Warren, »einige Ihrer Fertigkeiten undKenntnisse. Sie haben genauso angestrengt gearbeitetwie sonst auch. Aber es kam nichts dabei heraus. Oh-ne es zu wissen, taten Sie nur so als ob. Sie besaßeneinfach nicht mehr Ihre alten Kenntnisse und Fertig-keiten, das ist alles.«

»Und jetzt?« fragte Lang.»Ich habe keine Ahnung.«»Das war es, was mit dem anderen Schiff passiert

ist«, sagte Briggs mit Betonung.»Möglich«, gab ihm Warren mit weniger Überzeu-

gung zurück.»Aber es gelang ihnen zu entkommen«, sagte Cly-

ne.

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»Das wird uns auch gelingen«, versprach Warren.»Irgendwie.«

8

Die Mannschaft des anderen, des fremden Schiffeshatte offenbar auch alles vergessen. Aber irgendwiewar es ihnen gelungen, zu entkommen – irgendwiehatten sie ihre Erinnerung wiedergefunden oder sicheinfach gezwungen, sich zu erinnern. Aber wenn esnur darum ging, sich an Vergessenes wieder zu erin-nern, warum hatten sie dann ihr Triebwerk umge-baut? Sie hätten genauso gut ihr eigenes altes benut-zen können.

Warren lag in seiner Koje und starrte in das Dunkeldes Raums. Er wußte, daß kaum einen halben Meterüber ihm sich eine Stahlplatte befand, aber er konntesie nicht sehen. Und er wußte, daß es einen Weg gab,die Motoren in Gang zu bringen – einen einfachenWeg, sobald man ihn kannte oder sich an ihn erin-nerte –, aber auch diesen konnte er nicht sehen.

Der Mensch sammelte Erfahrungen, bereichertesein Wissen, erlebte Gefühlsregungen – und dann, imLaufe der Zeit, vergaß er die Erfahrungen, das Wis-sen, die Gefühle. Das Leben war ein einziges Verges-sen. Erinnerungen gingen verloren, Wissen verblaßteund Kenntnisse wurden vergessen, aber es nahm Zeitin Anspruch. Das gab es einfach nicht, an einem Tagetwas zu wissen und es schon am nächsten Tag wie-der vergessen zu haben.

Aber hier auf dieser öden Welt war dieser Prozeßdes Vergessens auf irgendeine unglaubliche Art und

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Weise beschleunigt worden. Auf der Erde dauerte esJahre, bis man ein Erlebnis oder eine einmal erworbe-ne Fertigkeit vergaß. Hier geschah das über Nacht. Erversuchte zu schlafen und konnte nicht. Dann gab eres auf, stand auf, zog sich an und stieg die Treppehinunter zur Schleuse und trat hinaus in die Nacht.

Eine leise Stimme sagte: »Bist du das, Ira?«»Ja, Schlappohr. Ich konnte nicht einschlafen. Ich

mache mir Sorgen.«»Du machst dir immer Sorgen«, sagte Schlappohr

und rülpste. »Das ist bei dir schon zur Berufskrank-heit geworden.«

»Wir sitzen in der Klemme, Schlappohr.«»Ich hab Planeten gekannt«, sagte Schlappohr, »da

wär's mir egal gewesen, wenn man mich dort ausge-setzt hätte, aber der hier gehört nicht dazu. Der hier,der ist wirklich und wahrhaftig das Hinterteil desUniversums.«

Sie standen nebeneinander in der Dunkelheit. Diefremden Sterne kreisten über ihnen, und der schwei-gende Planet verdämmerte hinter einem nebelhaftenHorizont.

»Irgend etwas stimmt hier nicht«, fuhr Schlappohrfort. »Ich kann's direkt riechen. Die Neunmalge-scheiten drin im Schiff haben gesagt, es gäbe hiernichts, weil sie nichts finden konnten. Und in den Bü-chern, die sie lesen, steht, daß es auf einem Planetenaus Fels und Moos auch nicht viel geben kann. Aberich, ich habe schon eine Menge Planeten gesehen. Ichhab mich schon im Weltraum herumgetrieben, als diemeisten von denen noch in den Windeln lagen, undmeine Nase sagt mir mehr über einen Planeten als ih-re ganze Gescheitheit auf einem Haufen.«

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»Ich glaube, du hast recht«, bekannte Warren. »Ichhabe das gleiche Gefühl. Seit kurzem wenigstens.Vielleicht ist es auch nur deswegen, weil wir uns jetztzu fürchten beginnen, daß wir es fühlen können.«

»Ich hab's schon gespürt, bevor ich mich zu fürch-ten begann.«

»Wir hätten uns eingehender umsehen sollen. Daswar unser Fehler. Aber wir hatten soviel mit demSchrottplatz zu tun, daß uns das einfach nicht einge-fallen ist.«

»Mac hat mal einen kleinen Spaziergang gemacht«,sagte Schlappohr. »Sagt, er hätte ein paar Türme ge-funden.«

»Das hat er mir auch erzählt.«»Mac war direkt ein bißchen weiß um die Nase, als

er mir davon erzählte.«»Er erwähnte, daß ihm bei ihrem Anblick nicht

ganz wohl zumute war.«»Wenn es irgendeine Stelle geben würde, wohin er

sich verkriechen könnte, dann hätte er sich schondorthin verkrochen.«

»Morgen früh«, sagte Warren, »gehen wir los undschauen uns diese Türme an.«

9

Es waren tatsächlich richtige Türme, acht Stück in ei-ner Reihe nebeneinander, als wären sie Teil einer lan-gen Kette von Wachtürmen, die sich früher einmalüber den ganzen Planeten gezogen hatte Aber etwaswar ihnen widerfahren, und sie waren zusammenge-stürzt und vergangen, und nur diese acht waren üb-

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riggeblieben.Sie waren aus unbehauenen, roh übereinander ge-

schichteten Felsplatten ohne jeden Mörtel gebaut.Kleinere Platten und Keile waren in die Zwischenräu-me gezwängt und verliehen der ganzen Konstruktioneine größere Standfestigkeit. Es waren Türme, wie ei-ne primitive Rasse sie gebaut haben konnte, und siesahen sehr alt aus. Am Fuß besaßen sie vielleicht ei-nen Durchmesser von zwei Metern. Nach oben ver-jüngten sie sich leicht, und jeder von ihnen war ge-krönt mit einem riesigen flachen Stein, auf dem, umihn zu beschweren, noch ein Felsblock ruhte.

Warren sagte zu Ellis: »Das ist Ihre Branche. Schau-en Sie sich mal um.«

Der kleine Archäologe gab keine Antwort. Er um-schritt den am nächsten stehenden Turm, trat dannnahe heran und untersuchte ihn. Er stemmte seineHände dagegen und tat so, als ob er die Absicht hätte,den Turm zu schütteln, aber der Turm rührte sichnicht.

»Solide«, sagte er. »Solide gebaut und alt.«»Typ F-Kultur, würde ich sagen«, meinte Spencer.»Vielleicht noch niedriger. Kein Versuch einer äs-

thetischen Wirkung – nackte Zweckmäßigkeit. Abergute Arbeit.«

Clyne sagte: »Wichtiger ist, was für einen Zweck ererfüllen sollte. Wozu hat man sie wohl gebaut?«

»Silos«, sagte Spencer.»Eine Markierung«, widersprach Lang. »Eine Grenz-

markierung, oder für ein geheimes Versteck ...«»Wir können es herausfinden«, sagte Warren. »Wir

brauchen deswegen weder zu streiten noch herumzu-raten. Wir brauchen nur den Felsblock da oben her-

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unterzuwerfen, die Platte zu heben und hineinzu-schauen.«

Er trat auf den Turm zu und begann hinaufzuklet-tern.

Es war nicht schwierig, denn es gab genügendVertiefungen, um Händen und Füßen Halt zu geben.

Dann war er oben.»Aufpassen da unten!« schrie er und stemmte sich

gegen den Felsblock.Der Block wackelte ein wenig und fiel dann wieder

zurück. Er nahm seine ganzen Kräfte zusammen unddrückte noch einmal, und dieses Mal hatte er Erfolg.Der Stein stürzte hinunter, prallte auf den harten Bo-den auf und rollte immer schneller den Abhang hin-ab, wobei er gegen andere Gesteinsbrocken auf sei-nem Weg prallte und tolle Luftsprünge vollführte.

Warren sagte: »Schmeißt mir ein Seil herauf. Ichschlinge es um die Platte, und dann können wir sieherunterziehen.«

»Wir haben kein Seil«, sagte Clyne.»Dann soll einer zurück zum Schiff laufen und eins

holen. Ich warte hier oben, bis er wiederkommt.«Briggs machte sich auf den Weg.Warren richtete sich auf. Von der Spitze des Tur-

mes hatte er einen weiten Blick über das Land. Lang-sam drehte er sich im Kreise, während er die Gegendmit den Blicken absuchte.

Irgendwo in der Nähe, dachte er, mußten die Män-ner – nein, nicht die Männer, sondern die Wesen, diediese Türme gebaut hatten – ihre Wohnstätten gehabthaben. Im Umkreis von ein oder zwei Kilometernmußte vor Zeiten einmal eine Siedlung bestanden ha-ben. Denn der Bau der Türme hatte Zeit gekostet, und

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das bedeutete, daß ihre Erbauer sich zumindest vor-übergehend hier niedergelassen haben mußten.

Aber es war nichts zu sehen – nichts außer sichendlos dehnenden Geröllfeldern und hochaufragen-den gezackten Felsformationen und dem primitivenPflanzenwuchs, der alles überzog.

Wovon hatten sie gelebt? Warum waren sie hiergewesen? Was hatten sie hier zu schaffen gehabt?Was hatte sie hierher gelockt? Was würde sie hier ge-halten haben?

Er hielt abrupt inne. Kaum glaubte er seinen Augentrauen zu können. Sorgfältig fuhr er mit seinen Blik-ken den Umrissen nach und vergewisserte sich, daßes nicht das von einem fernen Geröllfeld reflektierteLicht war, das ihn narrte.

Es konnte nicht sein, sagte er zu sich selbst. Es kanneinfach nicht dreimal passieren. Er mußte sich täu-schen.

Er zog den Atem scharf durch die Zähne, hielt ihnan und wartete darauf, daß die Illusion sich in Nichtsauflösen würde.

Sie tat es nicht. Das Ding war dort und blieb dort.»Spencer!« rief er. »Spencer, bitte kommen Sie doch

mal herauf!«Er fuhr fort, zu seiner Entdeckung hinüberzustar-

ren. Er hörte, wie Spencer auf den Turm heraufgekra-xelt kam. Er streckte ihm eine Hand entgegen undhalf ihm auf die Platte.

»Schauen Sie dorthin«, sagte Warren und deutetemit einem Finger. »Was sehen Sie dort?«

»Ein Schiff!« rief Spencer. »Dort drüben steht einRaumschiff!«

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10

Das Raumschiff war alt, unvorstellbar alt. Es warganz rot vor Rost, man konnte mit der Hand überseine Metallhaut streifen, und der Rost rieselte indichten Flocken hernieder, und die Hand war ganzrot.

Die Luftschleuse war früher einmal geschlossengewesen, aber jemand hatte ein Loch hindurchgebro-chen, ohne sie vorher zu öffnen, denn der Rahmenbefand sich immer noch an Ort und Stelle, und nurdurch die gezackte Öffnung konnte man in das Inne-re des Schiffes gelangen. Viele Meter weit um dieSchleuse war der Boden mit dem Rot des Rostes ge-färbt.

Sie kletterten hinein. Drinnen war keine Spur vonRost zu sehen. Alles war noch heil und unversehrt,nur eine dünne Staubschicht bedeckte jede Oberflä-che. Durch den Staub auf dem Fußboden lief eineSpur, die viele Füße hinterlassen haben mußten, undeinzelne Fußspuren, wo deren Urheber beiseite ge-treten waren. Es waren fremde Fußspuren mit einerbreiten Ferse und drei großen Zehen, ähnlich denen,die ein großer Laufvogel oder einer jener schon langeausgestorbenen Dinosaurier der Erde hinterlassenwürde.

Die Spur führte durch das Schiff hinunter in denMaschinenraum, und dort stand der leere Sockel. DieMotoren waren verschwunden.

»Auf diese Weise sind sie also weggekommen«,sagte Warren. »Die, die ihre Motoren herausgerissenhaben. Sie holten sich die Motoren dieses Schiffes,bauten sie in ihr Schiff ein und flogen ab.«

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»Aber woher konnten sie wissen ...« wendete Clyneein.

»Offensichtlich wußten sie es«, unterbrach ihnWarren unhöflich.

Spencer sagte: »Sie müssen es gewesen sein. DiesesSchiff steht hier schon eine sehr lange Zeit – das siehtman an dem Rost. Und es war hermetisch verschlos-sen, weil im Innern kein Rost zu sehen ist. Das Lochwurde erst kürzlich durch die Schleuse gebrochen,und dann wurden die Motoren herausgeholt.«

»Das bedeutet also«, sagte Lang, »daß sie tatsäch-lich ihre eigenen Motoren auf den Abfallhaufen war-fen. Sie rissen sie heraus und bauten an ihre Stelle dasTriebwerk dieses Schiffes ein.«

»Aber warum?« fragte Clyne. »Warum mußten siedas tun?«

»Weil«, sagte Spencer, »sie vergessen hatten, aufwelche Weise sie ihre eigenen Motoren in Gang brin-gen konnten.«

»Aber wenn sie das vergessen hatten, woher wuß-ten sie dann, wie sie diese hier in Betrieb setzenkonnten?«

»Jetzt hat er Sie«, sagte Dyer. »Die Frage könnenSie wohl nicht beantworten.«

»Nein, das stimmt«, sagte Warren achselzuckend.»Ich wünschte allerdings, ich könnte es, dann hättenwir auch die Lösung unseres Problems.«

»Vor wie langer Zeit«, fragte Spencer, »schätzenSie, ist dieses Schiff wohl hier gelandet? Wie langewürde der Rumpf eines Raumschiffes wohl brauchen,um so zu verrosten?«

»Das läßt sich schwer sagen«, beantwortete Clyneseine Frage. »Das hängt von der verwendeten Metal-

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lart ab. Aber darauf können Sie sich verlassen – derRumpf eines jeden Raumschiffes, egal welche Rassees gebaut hat, wird aus dem widerstandsfähigstenMetall bestehen, das diese Rasse überhaupt herzu-stellen in der Lage ist.«

»Tausend Jahre?« meinte Warren.»Ich weiß es nicht«, sagte Clyne. »Vielleicht tau-

send Jahre, vielleicht auch mehr. Schauen Sie sichdiesen Staub hier an. Das ist alles, was von der orga-nischen Substanz übriggeblieben ist, die sich einmalhier im Schiff befunden hat. Wenn die Wesen, die mitdiesem Schiff ankamen, hier drin geblieben sind,dann befinden sie sich immer noch hier in der Formvon Staub.«

Warren versuchte nachzudenken, versuchte sichdie chronologische Folge der Ereignisse klarzuma-chen.

Vor tausend Jahren, oder vor Tausenden von Jah-ren, war hier ein Raumschiff gelandet und nicht wie-der weggekommen.

Dann war ein zweites Raumschiff gelandet, tau-send oder Tausende von Jahren später, und auch daswar nicht mehr fähig, den Planeten zu verlassen.Doch endlich war es entkommen, nachdem seineMannschaft dieses Schiff hier seiner Motoren beraubtund sie an Stelle derjenigen installiert hatte, die dasSchiff hergebracht hatten.

Dann war Jahre oder Monate oder Tage später einirdisches Vermessungsschiff gelandet und saß nun inder gleichen Falle. Es war zum Dableiben verdammt,weil die Männer, die es bemannten, vergessen hatten,wie seine Motoren in Gang gebracht wurden.

Er drehte sich um und verließ den Maschinenraum,

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ohne sich weiter um die anderen zu kümmern, dieihm verblüfft nachsahen. Er folgte der Wegspur indem Staub bis zu der aufgebrochenen Schleuse ...

Und dort, wenige Schritte von ihr entfernt, fand erBriggs, der auf dem Fußboden hockte und mit ausge-strecktem Zeigefinger Kringel in den Staub malte –Briggs, der zum Schiff zurückgegangen war, um einSeil zu holen.

»Briggs!« sagte Warren scharf. »Briggs, was tun Siehier?«

Briggs schaute auf mit ausdruckslosen, lachendenAugen.

»Geh weg«, sagte er.Dann fuhr er fort, seine Kringel zu malen.

11

Doc Spears sagte: »Briggs ist wieder zum Kind ge-worden. Sein Verstand ist momentan nicht größer alsder eines einjährigen Kindes. Er kann sprechen, waswohl der einzige Unterschied zwischen ihm und ei-nem wirklichen Kind ist. Aber sein Wortschatz ist be-schränkt, und was er sagt, ist nicht sehr sinnvoll.«

»Und wird sich dieser Zustand wieder bessern?«fragte Warren.

»Das kann ich nicht sagen.«»Spencer hat sich ihn ja auch angeschaut. Was

meint er?«»Spencer meint so Verschiedenes«, erklärte ihm

Doc. »Im wesentlichen läuft es praktisch auf einenTotalverlust des Gedächtnisses hinaus.«

»Und was können wir unternehmen?«

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»Ihn im Auge behalten. Aufpassen, daß er sichnicht weh tut. Nach einer Weile können wir es viel-leicht mit Unterricht versuchen. Möglich, daß er so-gar einige Dinge von selber wieder lernt. Irgend et-was ist ihm widerfahren. Ob das, was immer ihm seinGedächtnis stahl, auch sein Hirn beschädigt hat, kannich nicht sagen. Es scheint nicht der Fall zu sein, aberohne eine Menge diagnostischer Hilfsmittel, die wirnicht zur Verfügung haben, ist es unmöglich, sich einendgültiges Urteil zu bilden.«

»Anzeichen einer Verletzung sind nicht zu fin-den?«

»Aber auch nicht die kleinste Wunde«, sagte Doc.»Er ist nicht verletzt. Das heißt, nicht körperlich. Esist nur sein Verstand, der Schaden gelitten hat. Viel-leicht nicht mal sein Verstand – er hat eben nur seinGedächtnis verloren.«

»Gedächtnisschwund?«»Nein, nicht das. Wenn man darunter leidet, ist

man ganz konfus. Man bekommt den Gedanken nichtlos, daß man etwas vergessen hat. Man ist ganz wirrim Kopf, ganz durcheinander. Briggs ist weder daseine noch das andere. Er scheint völlig glücklich undzufrieden zu sein.«

»Sie werden sich um ihn kümmern, Doc? Ihn imAuge behalten?«

Doc schnaufte, stand auf und ging.Warren rief ihm nach: »Wenn Sie Schlappohr se-

hen, sagen Sie ihm, er soll mal raufkommen.«Doc tapste die Treppe hinunter.Warren saß da und starrte auf die leere Wand.Zuerst hatten Mac und seine Leute vergessen, wie

sie ihre Motoren starten mußten. Das war der erste

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Hinweis auf das, was vor sich ging – der erste er-kennbare Hinweis –, denn es ging schon eine langeZeit so, lange bevor Mac entdeckte, daß er seine Mo-torenkunde vergessen hatte.

Die Wissenschaftler hatten einige ihrer Fertigkeitenund einen Teil ihres Wissens gleich am Anfang ein-gebüßt. Wie sonst konnte man sich die vielen fürch-terlichen Schnitzer erklären, die sie sich bei derSchrottplatzgeschichte geleistet hatten? Unter nor-malen Umständen hätten sie bestimmt die dort her-umliegenden Maschinenteile und die sauber aufge-stapelten Vorräte zum Reden gebracht. Sie hattenzwar ein paar Dinge herausbekommen, aber die be-sagten gar nichts. Unter normalen Umständen hättensie aber außerordentlich viel besagen sollen.

Er hörte Schritte die Treppe heraufkommen, abersie waren zu präzis, um von Schlappohr stammen zukönnen.

Es war Spencer.Spencer ließ sich auf einen der Stühle fallen. Er saß

da und öffnete und schloß seine Hände und starrtesie in hilflosem Zorn an.

»Nun?« fragte Warren. »Etwas Neues?«»Briggs war in diesem ersten Turm«, sagte Spencer.

»Allem Anschein nach kam er mit dem Seil zurück,und wir waren weg. Also kletterte er allein auf denTurm, knüpfte das Seil um die Deckplatte und zog sieherunter. Die Platte liegt unten am Fuß des Turms.Das Seil ist noch dran.«

Warren nickte. »Das hätte er schaffen können. DieDeckplatte ist nicht zu schwer. Ein Mann hätte ge-nügt.«

»In dem Turm ist etwas.«

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»Haben Sie nachgesehen?«»Nach dem, was Briggs passiert ist? Natürlich

nicht. Ich habe eine Wache aufgestellt, um jedermannvon dem Turm fernzuhalten. Wir können es uns nichtleisten, an dem Turm herumzuspielen, bevor wirnicht alles erst gründlich überlegt haben.«

»Was, glauben Sie, ist drin?«»Wie kann ich das sagen?« antwortete Spencer.

»Wir haben nur einen einzigen Anhaltspunkt. Wirwissen, was es zu tun vermag. Es kann Ihnen Ihr Ge-dächtnis nehmen.«

»Vielleicht war panische Furcht der Grund dafür«,sagte Warren.

»Irgend etwas in dem Turm, das so schrecklich ...«Spencer schüttelte den Kopf. »Briggs zeigte kein

Anzeichen von Angst. Er ist völlig ruhig. Er sitzt da,glücklich wie ein kleines Kind, spielt mit seinen Fin-gern und babbelt dummes Zeug – wie ein richtigesBaby.«

»Vielleicht kann das, was er sagt, uns einen Finger-zeig geben. Jemand soll ihm die ganze Zeit zuhören.Selbst wenn die Worte nicht viel Sinn ergeben ...«

»Das wird nicht viel Zweck haben. Er hat nicht nursein Gedächtnis verloren, sondern auch die Erinne-rung an das, was dafür verantwortlich ist.«

»Und was haben Sie jetzt vor?«»Versuchen, in den Turm hineinzukommen«, sagte

Spencer. »Herauszufinden, was drin ist. Es muß eineMöglichkeit geben, hineinzukommen und auch heilwieder heraus.«

»Hören Sie«, sagte Warren, »wir haben ohnehinschon genug Scherereien.«

»Ich habe so eine Vorahnung.«

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»Das ist das erste Mal, daß ich dieses Wort aus Ih-rem Munde höre. Ihr Wissenschaftler arbeitet nichtmit Vorahnungen, sondern mit Tatsachen.«

Spencer fuhr sich mit der flachen Hand über dasGesicht.

»Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist, Warren.Ich weiß, ich habe sonst nie etwas von Ahnungen ge-halten. Vielleicht ist es so, daß ich mir jetzt einfachnicht anders zu helfen weiß. Die Vorahnung kommtund tritt an die Stelle des konkreten Wissens, das ichvergessen habe.«

»Sie geben also zu, daß Sie einen Teil Ihres Wissensverloren haben?«

»Natürlich tue ich das«, sagte Spencer. »Sie hattenvöllig recht mit dieser Schrottplatzgeschichte. Wirhätten bessere Resultate bringen sollen.«

»Und jetzt haben Sie so eine Vorahnung.«»Es ist verrückt«, sagte Spencer. »Zumindest klingt

es verrückt. Die Erinnerungen, dieses verlorene Wis-sen und diese verlorenen Fertigkeiten können nichtso einfach spurlos verschwunden sein. Vielleicht be-findet sich etwas in dem Turm, das sie sich einver-leibt hat. Ich habe das alberne Gefühl, daß wir sie zu-rückbekommen, sie uns von dem Ding zurückholenkönnten, das sie genommen hat.« Er schaute Warrenherausfordernd an. »Sie glauben natürlich, bei mir isteine Schraube locker?«

Warren schüttelte den Kopf. »Nein, das nicht. Ichklammere mich an jeden Strohhalm.«

Spencer stand schwerfällig auf. »Ich werde tun,was mir möglich ist. Ich werde mit den anderen spre-chen, und wir werden alles genau überlegen, bevorwir einen neuen Versuch unternehmen.«

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Als er gegangen war, rief Warren zum Maschinen-raum hinunter.

Macs piepsende Stimme kam aus dem Lautspre-cher.

»Wie steht's, Mac. Irgendwelche Ergebnisse?«»Aber auch kein einziges«, antwortete Mac. »Wir

sitzen da und starren die Motoren an. Uns brummtder Schädel, so intensiv versuchen wir, uns zu erin-nern.«

»Na ja, mehr werdet ihr wohl auch nicht tun kön-nen.«

»Wir könnten natürlich herumprobieren, aber ichfürchte, daß wir damit nur Schaden anrichten.«

»Nein, faßt ja nichts an«, befahl Warren voll plötz-licher Unruhe. »Nicht das kleinste Ding anrühren.Wer weiß, was ihr alles anrichten könntet.«

»Wir sitzen einfach nur«, sagte Mac, »und starrendie Motoren an und versuchen, uns zu erinnern.«

Wahnsinn, dachte Warren.Natürlich war es Wahnsinn.Dort unten saßen Männer, die dafür ausgebildet

worden waren, mit Raumschiffmotoren umzugehen,die Jahre um Jahre zwischen ihnen gelebt und zwi-schen ihnen geschlafen hatten. Und jetzt saßen sie daund starrten sie an und wußten nicht, wie sie zu be-dienen waren.

Warren stand vom Schreibtisch auf und ging lang-sam die Treppe hinunter.

In der Kombüse fand er Schlappohr.Schlappohr war von dem Stuhl gefallen, auf dem er

gesessen hatte, lag auf dem Fußboden und schnarch-te. Der ganze Raum stank nach Alkohol. Eine fast lee-re Flasche stand auf dem Tisch.

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Warren streckte einen Fuß aus und stieß Schlap-pohr sanft an. Schlappohr stöhnte ein wenig in sei-nem Schlaf.

Warren hob die Flasche auf und hielt sie gegen dasLicht. Es war gerade noch genug darin für einen an-ständigen Schluck.

Er setzte die Flasche an und trank sie leer. Dannwarf er die Flasche gegen die Wand. Die Plastikglas-scherben regneten auf Schlappohrs Gesicht.

Schlappohr hob eine Hand und wischte sie weg, alsverscheuche er eine Fliege. Dann schlief er weiter. Einleichtes Lächeln spielte um seinen Mund, und seinVerstand war im Moment gegen alle Erinnerungen,die ihm kommen konnten – gute oder schlechte –, ge-feit.

12

Sie verschlossen den Turm wieder mit der Deckplatteund errichteten dann darüber ein Dreigestell mit ei-nem Flaschenzug. Dann nahmen sie die Deckplattenoch einmal ab und ließen an dem Flaschenzug eineautomatische Kamera in das Turminnere hinab.

Es war tatsächlich etwas in dem Turm.Sie breiteten die Bilder auf dem Messetisch aus und

versuchten herauszufinden, was sie sich da geangelthatten.

Das Ding sah aus wie eine Wassermelone oder wieein riesiges Ei, das man an dem einen Ende leichtaufgeschlagen hatte, damit es aufrecht stehen kann.Winzige Haare sprossen überall aus seinem Körper,und einige der Härchen waren unscharf, als hätten sie

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sich während der Aufnahme schnell hin und her be-wegt. Unten führten Zuleitungen und verschiedeneDrähte in das Ei – jedenfalls schienen sie das zu sein,auch wenn sie nicht ganz so aussahen, wie man sichZuleitungen und Drähte vorstellte.

Sie machten weitere Tests, wobei sie die Instru-mente wieder mit Hilfe des Flaschenzugs hinunter-ließen, und stellten fest, daß das Ei lebte und dasÄquivalent eines warmblütigen Tieres zu sein schien,obwohl sie sich ziemlich sicher waren, daß die Flüs-sigkeit in seinen Adern wohl kaum richtiges Blut war.

Es war weich und durch keinerlei feste Umhüllun-gen geschützt, und es pulsierte und sandte Vibratio-nen aus. Die kleinen Härchen mit denen es bedecktwar, bewegten sich unaufhörlich.

Endlich legten sie die Deckplatte wieder auf, ließenjedoch Dreibein und Flaschenzug noch stehen.

Howard, der Biologe, sagte: »Es lebt, und es ist einOrganismus irgendeiner Art, aber ich bin nicht ganzdavon überzeugt, daß es ausschließlich Tier ist. DieseDrähte und Röhren führen direkt in es hinein, undman ist fast versucht, zu schwören, daß sie ein Teilvon ihm sind. Und schauen Sie sich diese – wie sollich sie nennen? – diese Erhebungen an. Sie sehen ge-nauso aus, als wären es Anschlüsse für weitereDrähte.«

»Es ist nicht ganz ausgeschlossen«, sagte Spencer,»daß ein Tier und eine Maschine miteinander ver-bunden werden können. Nehmen wir, zum Beispiel,den Menschen und seine Maschinen. Mensch undMaschine arbeiten zusammen, aber der Mensch be-hält seine unabhängige Identität, und die Maschinegenauso. In vielen Fällen wäre es jedoch viel sinn-

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voller und wirtschaftlicher, wenn Mensch und Ma-schine eins wären, daß die zwei miteinander verbun-den werden und ein einziger Organismus würden.«

Dyer sagte: »Ich glaube, genau das haben wir hier.«»Und die anderen Türme?« fragte Ellis.»Sie könnten mit dem einen hier verbunden sein«,

meinte Spencer. »Alle acht könnten vielleicht eineneinzigen, wenn auch komplexen Organismus bilden.«

»Wir wissen aber nicht, was sich in den anderenTürmen befindet«, sagte Ellis.

»Wir könnten nachsehen«, antwortete Howard.»Nein, das können wir nicht«, widersprach Spen-

cer. »Es ist zu gefährlich. Wir haben uns so schon ein-gehender mit den Türmen befaßt, als uns guttut. Macund seine Leute gingen spazieren und fanden dieTürme und untersuchten sie. Nur ganz flüchtig,wohlverstanden, und sie kamen zurück und wußtennicht mehr, wie sie ihre Motoren starten konnten. Wirkönnen es einfach nicht riskieren, uns länger als un-bedingt nötig in ihrer Nähe aufzuhalten. Wir habenbestimmt schon mehr vergessen, als wir im Augen-blick denken.«

»Sie meinen«, sagte Clyne, »daß das, was wir ver-gessen haben, sich erst spät zeigen wird? Daß wirjetzt noch gar nicht wissen, was wir alles vergessenhaben, und es später erst herausfinden werden?«

Spencer nickte. »Auf dieselbe Art und Weise ist esja mit Mac passiert. Er und alle seine Leute hätten biszu der Minute, in der sie versuchten, ihre Maschinenzu starten, ihren Kopf gewettet, daß sie sie startenkönnten. Sie nahmen es als selbstverständlich an, ge-nauso, wie wir unser Wissen und unsere Kenntnisseals selbstverständlich hinnehmen: Bis zu dem Zeit-

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punkt, wo wir bestimmte Kenntnisse anwenden müs-sen, werden wir nicht merken, daß wir sie verlorenhaben.«

»Der bloße Gedanke schon macht mich schau-dern«, sagte Howard.

»Es ist eine Art System zum Austausch von Infor-mationen«, sagte Lang.

»Verständlich, daß Sie das annehmen. Sie sindNachrichtenmann.«

»Diese Drähte.«»Und was ist mit den Zuleitungen?« fragte Ho-

ward.»Ich habe da eine Theorie«, meinte Spencer. »Durch

Rohrzuleitungen wird die Nahrung zugeführt.«»Von einem Vorratstank aus«, ergänzte Clyne. »Ei-

nem im Erdreich eingelassenen Tank mit flüssigerNahrung.«

»Wahrscheinlicher sind Wurzeln«, sagte Howard.»Ein Tank würde bedeuten, daß jemand das Dinghierher verpflanzt hat. Er könnte aber auch genausogut hier heimisch sein.«

»Das Ding hat unmöglich so einen Turm bauenkönnen. Wenn es hier heimisch wäre, dann hätte esden Turm selber bauen müssen. Jemand anderes hatden Turm errichtet, so wie ein Bauer einen Stall baut,um sein Vieh darin unterzubringen. Ich bin für dieNahrungstanks«, sagte Ellis.

Warren mischte sich jetzt ein. »Weshalb glaubenSie, daß wir es hier mit einem Nachrichtensystem zutun haben?«

Lang zuckte die Achseln. »Nichts Bestimmtes. Die-se Drähte vielleicht, und diese Anschlüsse. Es siehtjedenfalls so aus, als könnte es eine Art Nachrichten-

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gerät sein.«»Nachrichtengerät könnte zutreffen«, sagte Spen-

cer. »Aber ein Gerät, das mehr Empfänger als Senderist.«

»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte Lang. »Das wä-re doch eine sehr einseitige Sache.«

»Ich meine«, sagte Spencer, »daß etwas unsere Er-innerungen gestohlen hat. Er stahl uns das Wissen,wie wir unsere Motoren anzulassen haben, und dar-über hinaus noch genug, um die Schrottplatz-Angelegenheit zu einem Fehlschlag werden zu las-sen.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Dyer.»Und warum nicht?« fragte Clyne.»Es ist einfach zu phantastisch.«»Nicht phantastischer«, sagte Spencer, »als eine

Menge anderer Sachen, die uns begegnet sind. Sagenwir also, das Ei ist eine Vorrichtung, um Wissen zusammeln ...«

»Aber es gibt hier kein Wissen zu sammeln«, prote-stierte Dyer. »Vor ein paar tausend Jahren konnte esWissen sammeln von jenem verrosteten Schiff dadraußen. Und dann vor einer Weile von dem Schrott-platz-Schiff. Und jetzt wir. Aber die nächste Schiffsla-dung voll Wissen wird vielleicht weitere tausend Jah-re auf sich warten lassen. Das ist viel zu lange, einviel zu großes Risiko. Wir wissen von drei Schiffen,die hier gelandet sind. Man könnte mit genausovielRecht annehmen, daß niemals ein Schiff hier landet.Das Ganze klingt so völlig sinnlos.«

»Wer sagt, daß das Wissen nur hier gesammeltwerden muß? Selbst auf der Erde vergessen wir, odernicht?«

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»Mein Gott!« keuchte Clyne, doch Spencer fuhrschon fort.

»Wenn Sie zu einer Rasse gehören würden, dieüberall Gedankenfallen errichtet und sich Zeit lassenkann, wo würden Sie die Fallen aufstellen? Auf einemPlaneten, der von intelligenten Bewohnern nur sowimmelt, wo also die Fallen entdeckt und zerstörtoder ihres Geheimnisses beraubt werden könnten?Oder würden Sie sie auf einem unbewohnten, abge-legenen und zweitklassigen Planeten installieren, derfür die nächste Milliarde Jahre noch nichts wert ist?«

Warren sagte: »Ich würde sie auf genau so einemPlaneten aufstellen.«

»Lassen Sie mich Ihnen die Situation skizzieren«,fuhr Spencer fort. »Eine bestimmte Rasse geht daraufaus, mit Hilfe von Fallen jener Art in der ganzen Ga-laxis Wissen zu sammeln. Sie suchen sich also diekleinen, unbedeutenden Planeten, die sonst für nichtsnütze sind, und stellen dort ihre Fallen auf. Auf dieseWeise – mit Fallen an allen strategischen Punkten –sind sie in der Lage, den ganzen Weltraum zu be-streichen, ohne daß die Gefahr besteht, daß ihre Fal-len entdeckt werden.«

»Und Sie meinen, eine solche Falle haben wir hiergefunden?« fragte Clyne.

»Das soll nur eine Anregung sein, um zu sehen,was Sie davon halten. Was also meinen Sie dazu?«sagte Spencer.

»Nun, die Entfernung, zum Beispiel ...«»Womit wir es hier zu tun haben«, sagte Spencer,

»ist Telepathie, gekoppelt mit einem Aufnahmegerät.Wir wissen, daß Entfernung auf die Geschwindigkeitvon Gedankenwellen nur sehr wenig Einfluß hat.«

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»Ist Ihre Annahme mehr als nur eine bloße Ver-mutung?« fragte Warren.

»Natürlich nicht. Wie könnte sie auch. Beweisekönnen Sie ja wohl nicht gut erwarten. Wir können esnicht riskieren, nahe genug an das Ei heranzugehen,um herauszufinden, was es nun wirklich ist. Undselbst wenn wir das könnten, wüßten wir vielleichtnicht mehr genug um korrekte Schlußfolgerungen zuziehen.«

»Also bleibt uns nichts anderes übrig, als erneutherumzuraten«, sagte Warren.

»Wissen Sie eine bessere Methode?«Warren schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube

nicht.«

Dyer zog sich den Raumanzug über. Ein Seil verbandihn mit dem Flaschenzug an dem Dreibein. Er zog ei-ne Anzahl Drähte hinter sich her, die er mit den An-schlüssen an dem Ei verbinden sollte. Ihre anderenEnden waren an rund ein Dutzend verschiedener In-strumente angeschlossen.

Dyer stieg auf den Turm und wurde dann in dasInnere hinuntergelassen. Fast im gleichen Augenblickhörte er zu sprechen auf. Deshalb zogen sie ihn wie-der herauf.

Als sie den Raumhelm aufgeschraubt und zurück-geschlagen hatten, gluckste er sie an, und kleine Bläs-chen formten sich auf seinem Mund.

Doc Spears führte ihn behutsam zurück ins Laza-rett.

Clyne und Pollard arbeiteten ein paar Stunden langan einem mit Blei gefütterten Helm, der außerdemstatt der Sichtscheiben für Fernsehen eingerichtet

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war. Howard, der Biologe, war jetzt an der Reihe undwurde in den Turm hinuntergelassen.

Als sie ihn eine Minute später wieder herauszogen,weinte er wie ein Kind. Ellis eilte mit ihm hinter Docund Dyer her.

Nachdem Pollard die Fernsehkamera wieder ausdem Helm herausgenommen hatte und Anstaltenmachte, sich selbst den Bleihelm aufzusetzen, gebotWarren ihm Einhalt.

»Nur immer so weiter«, sagte er, »und wir werdenam Ende keinen mehr übrig behalten.«

»Damit haben wir eine Chance«, erklärte Clyne.»Vielleicht waren die Fernsehanschlüsse dran schuld,daß es an Howard herankam.«

»Aber ist nur eine Chance.«»Wir müssen es trotzdem versuchen.«»Nicht, bis ich es nicht sage.«Pollard wollte sich den Helm über den Kopf stül-

pen.»Machen Sie sich nicht die Mühe«, sagte Warren.

»Sie gehen nirgends hin, wo Sie ihn brauchen kön-nen.«

»Ich gehe in den Turm«, sagte Pollard störrisch.Warren machte einen Schritt auf ihn zu und schlug

ihm ohne Warnung die Faust ins Gesicht. Er er-wischte Pollard am Kinn, und Pollard stürzte zu Bo-den.

Warren wandte sich um und starrte die anderen an.»Ist hier vielleicht noch jemand, der Lust verspürt,mit mir herumzustreiten? Ich bin bereit, mit der Dis-kussion zu beginnen auf die gleiche Art und Weise.«

Keiner von ihnen verspürte Lust.Spencer sagte: »Sie sind etwas außer Fassung, War-

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ren. Sie wissen nicht mehr ganz genau, was Sie tun.«»Ich weiß verdammt genau, was ich tue«, entgeg-

nete Warren. »Ich weiß, daß es eine Möglichkeit ge-ben muß, in den Turm und wieder herauszukommenund trotzdem das Gedächtnis nicht zu verlieren. Aberso, wie Sie es anfangen, kommen wir nie zum Ziel.«

»Wissen Sie eine andere Methode«, fragte Ellis bit-ter.

»Nein, die weiß ich nicht«, sagte Warren. »Nochnicht.«

»Was verlangen Sie dann von uns?« sagte Ellis.»Herumsitzen und Daumen zu drehen?«

»Ich verlange, daß Sie sich wie erwachsene Männerbenehmen«, sagte Warren, »und nicht wie dummeLausejungen, die Äpfel stehlen wollen.«

Er stand hoch aufgerichtet vor ihnen und schautesie herausfordernd an. Keiner sagte ein Wort der Ent-gegnung.

»Um drei quäkende Babies habe ich mich jetztschon zu kümmern«, fügte er hinzu. »Ich bin nichtscharf auf noch weitere.«

13

Ihr Gedächtnis, ihre Erinnerungen waren gestohlenworden, vermutlich von dem Ei, das im Innern desTurmes hockte. Und obgleich keiner gewagt hatte,den Gedanken laut Ausdruck zu geben, dachte dochjeder daran, daß es vielleicht eine Möglichkeit gab,dieses Wissen wieder zurückzuholen und dazu nochdas übrige, das in dem Ei gespeichert war.

Warren saß an seinem Tisch, hatte den Kopf in die

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Hände gestützt und versuchte, seine Gedanken zuordnen.

Vielleicht hätte er sie weitermachen lassen sollen.Aber wenn er das hätte, dann hätten sie in der glei-chen Richtung weitergearbeitet – und wenn sie schondabei zweimal einen Fehlschlag erlitten hatten, dannsollten sie sich doch denken können, daß sie es falschanpackten und es ratsamer wäre, das Problem voneiner anderen Seite aus anzugehen.

Spencer hatte gesagt, daß sie Wissen verloren hätten,ohne den Verlust zu bemerken, und das war das Heim-tückische an der ganzen Angelegenheit. Sie betrach-teten sich immer noch als Wissenschaftler, und das wa-ren sie natürlich auch noch. Aber nicht mehr mit dengleichen Fertigkeiten und Kenntnissen wie früher.

Aber das war das Schlimme – sie dachten immernoch, sie wären es.

Sie verachteten und haßten ihn jetzt, aber das gingin Ordnung. Alles würde in Ordnung gehen, wenn esihm nur dazu verhalf, einen Fluchtweg zu entdecken.

Vergessen, dachte er. Überall in der Galaxis kannteman Vergeßlichkeit. Es gab Erklärungen für dieseVergeßlichkeit – sehr gelehrte und tiefsinnige Theori-en, warum jemand das, was er einmal gelernt hatte,allmählich wieder vergaß. Aber konnten nicht allediese Erklärungen falsch sein? Konnte es nicht sein,daß die Ursache der Vergeßlichkeit nicht in einer Ge-hirnwindung oder einer Falte der Seele zu suchenwar, sondern bei Tausenden und Tausenden von Ge-dankenfallen, die allüberall in der Galaxis aufgestelltworden waren, Gedankenfallen, die das Gedächtnisaller denkenden Wesen zwischen den Sternen an-zapften, es langsam leerten und in sich aufsaugten?

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Auf der Erde vergaß man nur langsam – über eineSpanne von vielen Jahren hin, und das geschah viel-leicht aus dem Grund, weil die Fallen, die die Erdebestrichen, sehr weit entfernt waren. Aber hier vergaßman sehr schnell und vollkommen. Konnte derGrund nicht darin liegen, daß man sich hier in näch-ster Nähe der Fallen befand?

Er versuchte sich das Unternehmen Gedankenfallevorzustellen. Es war ein erschreckender Gedanke – zugroß, um ihn wirklich in allen seinen Konsequenzenerfassen zu können. Jemand kam zu den abgelegenenPlaneten, den gottverlassenen Planeten, die für nichtsnutze waren und um die sich keiner kümmerte, undstellte dort seine Gedächtnisfallen auf.

Sie schlossen mehrere untereinander zusammenund bauten Türme, um sie vor den Unbilden desWetters und anderen Beschädigungen zu schützen,und schalteten sie ein und verbanden sie mit Tanksvoller Nährflüssigkeit, die tief im Boden vergrabenlagen. Und dann gingen sie wieder.

Und Jahre später – wie viele Jahre später, eintau-send, zehntausend? – kamen sie zurück und leertendie Fallen und ernteten das Wissen, das sich in derZwischenzeit darin angesammelt hatte. Ein Fallen-steller stellte Fallen auf, um Pelze zu bekommen, einFischer wirft seine Netze aus, um Fische zu fangen.

Eine Ernte, dachte Warren – eine ununterbrochene,niemals endende Ernte des Wissens der ganzen Gala-xis.

Falls das zutraf – was für eine Rasse war das, diediese Fallen aufstellte? Wie sah der Fallensteller aus,der die Sternenwelt durchzog auf der Suche nachBeute?

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Warren schüttelte sich in Gedanken, als er sich dasauszumalen versuchte.

Doch unzweifelhaft kamen die Wesen einmal zu-rück, um die Fallen zu leeren. Sie würden das tun,denn warum sonst würden sie die Fallen aufstellen?Und wenn sie die Fallen von dem aufgespeichertenWissen zu leeren vermochten, dann bedeutete das,daß es eine Möglichkeit geben mußte, sie zu leeren.Und wenn die Fallensteller selbst das tun konnten,dann konnte das auch jemand anders.

Wenn man nur ein einziges Mal in das Innere desTurms gelangen und sich umsehen könnte, dannwürde man es vielleicht schaffen können, denn allerWahrscheinlichkeit nach war es nicht allzu schwer,wenn man wußte, wie. Aber man konnte nicht hinein.Wenn man es doch tat, wurde man seines Gedächt-nisses beraubt und kam als plärrendes Baby zurück.Im selben Augenblick, in dem man in den Turm ein-drang, griff das Ei nach dem Hirn des Eindringlingsund saugte es leer, und man wußte nicht einmalmehr, warum man dort war, oder wie man hineingelangt oder wer man war.

Es kam darauf an, hineinzukommen und sein Ge-dächtnis zu behalten, hineinzukommen und trotzdemnoch zu wissen, was man zu tun hatte.

Spencer und die anderen hatten versucht, das Ge-hirn abzuschirmen, aber das hatte nichts genützt.Vielleicht gab es eine Möglichkeit, aber um die zufinden, mußte man lange herumprobieren, und dasbedeutete, daß zu viele Männer den Turm mit einemverlorenen Gedächtnis verlassen würden. Es bedeu-tete, daß am Ende möglicherweise überhaupt keinermehr übrig blieb.

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Es mußte noch eine andere Möglichkeit geben.Wenn man etwas nicht abschirmen konnte, was tat

man dann?Ein Nachrichtensystem, hatte Lang gesagt. Viel-

leicht hatte Lang recht, und das Ei war eine Art Nach-richtengerät. Und was tat man, um Nachrichtensen-dungen zu schützen. Wenn man eine Sendung nichtabschirmen konnte, was tat man dann?

Die Antwort zu finden, war nicht schwer – manverzerrte sie.

Aber das brachte ihn der Lösung nicht näher, kei-nen einzigen Schritt. Er saß da und lauschte. Er hörtenicht den geringsten Laut. Keiner hatte mal kurz vor-beigeschaut wie früher, keiner war gekommen, umsich mit ihm zu unterhalten.

Sie sind böse, dachte er. Sie stehen schmollend inder Ecke und strafen mich mit Nichtachtung.

Zur Hölle mit ihnen, sagte er.Er saß allein und versuchte nachzudenken, aber es

kamen keine Gedanken, nur eine Menge nicht zu be-antwortender Fragen, die wie auf einem Karusselldurch seinen Schädel wirbelten.

Endlich hörte er Schritte auf der Treppe, und an ih-rer Unsicherheit erkannte er, wem sie gehörten.

Es war Schlappohr, der heraufgekommen war, umihm Mut zuzusprechen, aber Schlappohr war wie üb-lich betrunken.

Er wartete, horchte auf die stolpernden Füße, diedie Treppe heraufgestapft kamen, und endlichtauchte Schlappohr auf. Er stand in der Türöffnung,hatte beide Hände nach den Pfosten ausgestreckt undhielt sie fest, um das Zimmer am Schwanken zu hin-dern.

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Schlappohr faßte Mut und stürzte sich in den lee-ren Raum zwischen Tür und Stuhl, packte den Stuhl,hielt sich daran fest, kam irgendwie hinein und blin-zelte Warren triumphierend an.

»Geschafft«, sagte er.»Du bist besoffen«, sagte Warren voller Verach-

tung.»Sicher, ich bin besoffen. Und es macht keinen

Spaß, allein besoffen zu sein. Hier ...«Er fand seine Tasche, zog eine Flasche hervor und

stellte sie behutsam auf den Tisch.»Hier, mein Lieber«, sagte er. »Na, wie wär's mit

einem Schlückchen?«Warren starrte die Flasche an und hörte gespannt

dem kleinen Gedankenteufelchen zu, das in seinemGehirn saß und ihm etwas zuflüsterte.

»Nein, das würde nicht gehen.«»Höre auf mit dem Schwatzen und nimm die Fla-

sche. Wenn du damit fertig bist, hab ich noch eineandere in Reserve.«

»Schlappohr«, sagte Warren.»Was ist denn?« fragte Schlappohr. »Ich hab noch

nie einen Mann gesehen, der wie du ...«»Wieviel hast du noch?«»Wieviel von was, Ira?«»Schnaps. Wieviel hast du noch auf Lager?«»Noch eine ganze Menge. Ich bringe mir immer

genügend mit. Ich rechne mir aus, was ich brauche,und nehme dann noch eine Reserve mit für den Fall,daß wir mal bruchlanden oder so was.«

Warren streckte die Hand aus und griff nach derFlasche. Er zog den Korken heraus und warf ihn weg.

Schlappohr blinzelte ihn erstaunt an. »Jetzt gleich,

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Ira? Du meinst, jetzt gleich?«»Jetzt gleich«, sagte Warren. »Und wenn du schon

dabei bist, könntest du bei Spencer vorbeischauenund ihm sagen, daß ich ihn so schnell wie möglichsprechen möchte?«

Schlappohr stellte sich auf schwankende Füße.Er betrachtete Warren mit ausgesprochener Be-

wunderung.»Was hast du vor, Ira?« wollte er wissen.»Ich werd mich besaufen«, sagte Warren. »Ich wer-

de mir einen Rausch holen, der in der ganzen FlotteGeschichte machen wird.«

14

»Das können Sie nicht machen, Mann«, sagte Spencer.»Sie haben keine Chance.«

Warren streckte eine Hand nach dem Turm aus,um sich einen Halt zu geben, denn der ganze Planetdrehte sich um ihn mit furchterregender Geschwin-digkeit.

»Schlappohr!« rief Warren.»Ja, Ira.«»Wer mich aufhalten will – hick! – den schieß

über'n Haufen!«»Mach ich, Ira«, beruhigte ihn Schlappohr.»Aber Sie wollen da ohne jeden Schutz hinein«,

sagte Spencer ängstlich. »Nicht einmal in einemRaumanzug.«

Lang sagte: »Er hat eine Chance. Wir haben ver-sucht, uns abzuschirmen. Ohne Erfolg. Er versucht esauf eine andere Weise. Er hat seine Gedanken mit

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Hilfe von Schnaps betäubt. Ich glaube, er hat eineChance.«

»In seiner jetzigen Verfassung«, sagte Spencer,»wird er niemals die Drähte anschließen können.«

Warren wankte ein bißchen. »Was Sie nicht sagen.«Er stand und starrte sie mit schwimmenden Augen

an. Wo vorher drei Leute gestanden hatten, standenjetzt ab und zu nur noch zwei.

»Schlappohr.«»Ja, Ira.«»Ich brauch noch 'nen Schluck. Werd wieder

nüche'rn.«Schlappohr holte die Flasche aus der Tasche und

gab sie ihm. Sie war nicht mehr ganz halbvoll. War-ren setzte sie an und trank. Sein Adamsapfel bewegtesich auf und ab. Er setzte sie erst wieder ab, als auchder letzte Tropfen in seiner Kehle verschwunden war.Dann ließ er sie fallen und betrachtete sich die vor imstehenden Männer. Dieses Mal waren es wieder dreivon jedem. Das war gut.

Er drehte sich nach dem Turm um.»Jetsch«, sagte er, »wenn Sie mich jetsch ...«Ellis und Clyne zogen an dem Seil, und Warren

schwebte in die Höhe.»He, ihr da!« schrie er. »Was macht 'en ihr da?«Er hatte den Flaschenzug ganz vergessen.Er baumelte in der Luft, zappelte mit den Beinen

und kämpfte um sein Gleichgewicht. Unter ihm lau-erte die Schwärze der Turmöffnung, und mittendrinein seltsamer glühender Schein.

Über ihm knarrte der Flaschenzug, und dannschwebte er nach unten und war im Turm.

Er konnte das Ding am Boden jetzt deutlich sehen.

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Er rülpste höflich und bat es, beiseite zu rücken, denner käme jetzt herunter. Es rührte sich nicht. Irgendetwas versuchte, ihm den Kopf von den Schultern zureißen, aber der Kopf hielt.

Die Kopfhörer sagten: »Warren, alles in Ordnung?Sagen Sie etwas.«

»Sicher«, sagte er, »sicher, alles in Ordnung. Wasissen mit euch los?«

Sie ließen ihn ganz herunter, und jetzt stand er ne-ben dem komischen Ding, das da in dem Loch pul-sierte. Er spürte, wie etwas in seinem Hirn zerrte, under lachte laut auf, ein gurgelndes trunkenes Lachen.

»Nimm deine Hänne aus meinem Haar«, sagte er.»Das kitzelt.«

»Warren«, sagten die Kopfhörer. »Die Drähte. DieDrähte. Erinnern Sie sich, wir sprachen über dieDrähte.«

»Klar«, sagte er, »die Drähte.«Er sah kleine Erhebungen auf dem pulsierenden

Ding, und die würden prima Anschlüsse für dieDrähte abgeben.

Drähte? Was zum Teufel, waren Drähte?»An Ihrem Gürtel«, sagten die Kopfhörer. »Die

Drähte hängen an Ihrem Gürtel.«Seine Hand faßte nach dem Gürtel, und er fand die

Drähte. Er zog sie täppisch heraus, sie schlüpften ausseinen Fingern, und er ließ sich auf Hände und Knienieder und rutschte herum und bekam sie wieder zufassen. Sie waren ganz durcheinander geraten, und erkonnte daraus nicht klug werden. Was sollte er über-haupt mit diesen Drähten?

Wonach ihm verlangte, das war ein Schluck aus derFlasche – nur ein ganz kleiner Schluck.

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Er probierte die erste Strophe eines alten Liedes,dann sagte er zu dem Ei: »Freund, ich würd michsehr freu'n, wenn ich Ihnen auch einen kleinen Drinkanbiet'n dürfte.«

Die Kopfhörer sagten: »Ihr Freund kann nicht trin-ken, bevor Sie nicht die Leitungsdrähte angeschlossenhaben. Er kann Sie nicht hören, bevor die Drähtenicht angeschlossen sind. Er versteht nichts, bevornicht die Drähte angeschlossen sind.«

»Verstehen Sie, Warren? Schließen Sie die Drähtean. Vorher kann er nichts hören.«

»Na, das is' aber dumm«, sagte Warren. »Das is'aber wirklich dumm.«

Er tat sein Bestes, um die Drähte anzuschließen,und er tröstete seinen neuen Freund, er solle nurstillhalten, und er würde sein Bestes tun. Er riefSchlappohr zu, er solle sich mit der Flasche beeilen,und er sang ein Lied, das sich hören lassen konnte.Und endlich hatte er die Drähte angeschlossen, aberdie Stimme in den Kopfhörern sagte, es wäre nichtrichtig und er solle es noch mal versuchen. Er pro-bierte herum, und es klappte immer noch nicht, unddann probierte er wieder und dann wieder, bis dieStimme sagte:

»Sehr gut! Wir empfangen jetzt etwas!«Und dann zog ihn jemand in die Höhe, bevor er

noch mit seinem Freund anstoßen konnte.

15

Er torkelte die Treppe hinauf und bahnte sich ir-gendwie seinen Weg um den Schreibtisch und

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plumpste in den Sessel. Jemand hatte ihm eine eiser-ne Schüssel über den Kopf gestülpt, und zwei odermöglicherweise drei Männer schlugen mit Hämmerndarauf ein und in seinem Mund befand sich ein wol-lener Lappen, und er hätte schwören können, daß erjeden Augenblick verdurstet zu Boden sinken würde.

Er hörte Schritte draußen auf der Treppe, und erhoffte, daß es Schlappohr war, denn Schlappohrwürde wissen, was er zu tun hatte.

»Wie fühlen Sie sich?« fragte er.Aber es war Spencer.»Entsetzlich«, stöhnte Warren.»Sie haben es geschafft.«»Mit dem Turm?«»Sie haben die Drähte angeschlossen«, sagte Spen-

cer, »und das Zeug quillt nur so heraus. Lang hat einAufnahmegerät angeschlossen, und wir wechselneinander beim Zuhören ab, und das, was wir hören,reicht völlig aus, um einem das Gruseln zu lehren.«

»Zeug?«»Na ja, sicher. Das Wissen, das die Gedankenfalle

angesammelt hat. Wir werden Jahre brauchen, um alldie Angaben auszusortieren und zu koordinieren. Ei-niges davon ist unverständlich und kommt in Frag-menten, aber eine Menge davon erhalten wir in zu-sammenhängenden Stücken.«

»Darunter auch unser eigenes Wissen?«»Ein bißchen. Aber das meiste ist fremd.«»Und über die Motoren?«Spencer zögerte. »Nein, nichts über unsere Moto-

ren. Das heißt ...«»Nun?«»Wir haben die komplette Gebrauchsanweisung

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für die Schrottplatzmotoren. Pollard ist schon an derArbeit. Mac und seine Leute helfen ihm, sie zusam-menzubauen.«

»Und werden sie funktionieren?«»Besser als unsere eigenen. Wir werden unsere Dü-

sen ein bißchen abändern und noch ein paar andereUmbauten machen müssen, aber ...«

»Und dann werden Sie ...?«Spencer nickte. »Wir bauen unsere eigenen Moto-

ren aus.«Warren konnte sich nicht helfen. Nicht für eine

Million Dollar. Er legte seine Arme auf den Tisch,bettete seinen Kopf darauf und schüttelte sich vorbrüllendem Lachen.

Nach einer Weile hob er den Kopf und wischte sichseine tränenden Augen.

»Ich verstehe nicht ...« begann Spencer steif.»Ein neuer Schrottplatz«, sagte Warren. »O Gott,

ein neuer Schrottplatz.«»Es ist gar nicht so komisch, Warren. Uns schwirrt

der Kopf – eine Unmenge von Wissen, das wir unsnicht einmal in unseren wildesten Träumen habenvorstellen können. Wissen, das sich seit Jahrhunder-ten angesammelt hat, vielleicht seit Jahrtausenden.Seit dem Augenblick, wo diese andere Rasse kam, dieFalle leerte und den Planeten wieder verließ.«

»Hören Sie«, sagte Warren. »Könnten wir nichtwarten, bis wir auf das Wissen über unsere eigenenMaschinen stoßen? Einmal muß es ja herauskommen.Schließlich wurde es später aufgenommen als derRest des Zeugs, das Sie jetzt empfangen. Darum dau-ert es sicher noch etwas. Aber wir brauchen bloß zuwarten und bekommen das wieder, was wir verloren

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haben. Dann brauchten wir uns nicht all die Mühe zumachen, unsere Motoren herauszureißen und die an-deren einzubauen.«

Spencer schüttelte den Kopf. »Lang hat sich die Sa-che durch den Kopf gehen lassen. Es scheint keine be-stimmte Reihenfolge vorzuherrschen in der Art, wiewir die Informationen bekommen. Es ist mit großerWahrscheinlichkeit möglich, daß wir eine lange, lan-ge Zeit darauf warten müßten. Und wir haben keineMöglichkeit, zu wissen, wie lange es noch dauernwird, bis das Ei leer ist. Lang meint, vielleicht Jahre.Aber da ist etwas anderes. Wir müssen so schnell wiemöglich von hier fort.«

»Wie meinen Sie das, Spencer? Sie sagen das sokomisch. Was ist mit Ihnen los?«

»Ich weiß es nicht.«»Sie fürchten sich vor etwas. Irgend etwas hat Ih-

nen einen Schrecken eingejagt.«Spencer beugte sich vor und klammerte sich an die

Schreibtischkante.»Warren, es ist nicht nur Wissen, das in diesem

Ding ist. Wir überwachen es, und wir wissen Be-scheid. Es enthält auch ...«

»Lassen Sie mich raten«, sagte Warren. »Es enthältauch Persönlichkeit.«

Er sah den betroffenen Ausdruck auf Spencers Ge-sicht.

»Hören Sie auf damit«, sagte Warren scharf. »Las-sen Sie das Ding in Ruhe, und wir werden machen,daß wir fortkommen.«

»Das geht auch wieder nicht. Verstehen Sie nicht.Es geht einfach nicht. Es sind da gewisse Punkte ...Wir sind ...«

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»Ja, ich weiß«, unterbrach Warren Spencers Stam-meln. »Sie sind Wissenschaftler. Außerdem ausge-sprochene Narren.«

»Aber wir erhalten Informationen aus diesemTurm, die ...«

»Schalten Sie das Ding ab!«»Nein«, sagte Spencer widerspenstig. »Ich kann

nicht, und ich werde nicht.«»Ich warne Sie«, sagte Warren voller Ingrimm.

»Wenn einer von Ihnen Anzeichen von Fremdheitzeigt, werde ich ihn erbarmungslos niederschießen.«

»Jetzt sind Sie der Narr.« Spencer wandte sich ab-rupt um und verließ die Kabine.

Warren saß da. Er war jetzt auf einmal wieder völ-lig nüchtern.

Jetzt wußte er, warum das andere Schiff so eiligaufgebrochen war, warum sie einen Teil der Vorrätezurückgelassen hatten und die Werkzeuge noch ander gleichen Stelle lagen, wo ihre Besitzer sie hattenfallen lassen.

Nach einer Weile kam Schlappohr die Treppe her-auf. Er schleppte eine riesige Kanne mit Kaffee undzwei Tassen.

Er stellte die Tassen ab, goß ein und setzte dann dieKaffeekanne mit einem harten Knall nieder.

»Ira«, sagte er, »es war ein schwarzer Tag, als dudas Trinken aufgabst.«

»Wie meinst du das?« fragte Warren.»Weil es keinen anderen Menschen gibt, der so zu

trinken versteht wie du.«Sie saßen schweigend da und nippten ihren heißen

schwarzen Kaffee. Dann sagte Schlappohr: »Ich habimmer noch so ein dummes Gefühl.«

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»Genau wie ich«, gestand Warren.»Und die Reise ist nur halb vorbei«, sagte Schlap-

pohr.»Die Reise ist ganz vorbei«, sagte Warren. »Wenn

wir diesen Planeten verlassen, nehmen wir direktenKurs auf die Erde.«

Sie tranken noch eine Tasse.Warren fragte: »Wieviel sind auf unserer Seite,

Schlappohr?«»Du und ich«, sagte Schlappohr, »und Mac und die

vier Maschinisten. Das sind sieben.«»Acht«, verbesserte Warren. »Du hast Doc verges-

sen. Er hat sich nicht mit dem Ei abgegeben.«»Doc zählt nicht, weder so noch so.«»Wenn es darauf ankommt, kann er immer noch

mit einer Pistole umgehen.«Nachdem Schlappohr gegangen war, saß Warren

noch eine Weile still hinter seinem Schreibtisch,lauschte den Geräuschen aus dem Maschinenraumund dachte an die lange Reise nach Hause. Dannstand er auf, schnallte sich eine Pistole um und ginglos, um nachzusehen, wie die Dinge standen.

Originaltitel: JUNKYARDAus GALAXY SCIENCE FICTION Mai 1953Übersetzt von Lothar Heinecke