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v. Graefes Archiv ffir Ophthalmologie, ]~d. 153, S. 1--35 (1952). Tierexperimentelle Untersuchungen zur 0phthahnia phakogenetica*. Von HORST M@LLER **. Mit 9 Text~bbildungen. Es ist seit langem bekannt, dab ein Freiwerden yon Linsenmaterial, sei es dureh Operationen, sei es durch Unfall, in einigen F~llen yon einem starken Reizzustand gefolgt ist, w~hrend andere Augen eine solche l~eizung nicht zeigen. Schon immer wurde yon einer Gruppe yon Augen- i~rzten ein solcher Reizzustand ffir infektiSs erkl~rt, w~hrend andere Autoren glaubten, dab es sieh um eine ]~berempfind]ichkeit erworbener oder angeborener Natur gegen das in Zirkulation kommende Linsen- material handele. SCHmMER (1899) berichtete erstmals fiber klinische Beobachtungen, die er auf direkte l~eizung durch toxisches Linsen- material zurfickffihrte. LAGlCANGE und LACOSTE (1911) beriehteten fiber 8 einsehl~gige F~lle aus einer Serie yon 100 Kataraktextraktionen. COVRT~Eu (1942) berichtete fiber 7 F~lle yon sparer Endophthalmitis im zweiten Auge wahrscheinlic~h durch Sensibilisierung infolge Resorption yon Linsenmaterial naeh KapselerSffnung bei Katarakt auf dem ersten Auge. Dabei war die unmittelbar ausl6sende Ursache eine Kapsel- ruptur im zweiten Auge. Kliniseh lag heftige ciliare Injektion vor, Sekund~rglaukom, fette Precipitate, oft so dicht, daft sie einen Einblick in die tieferen Augente!le verhinderten. COUrTeSY entfernte die Linse der betroffenen Augen, wonach Sekund~rglaukom und Endophthalmitis rasch abklangen. In den 7 Fi~llen war der weitere Heilver]auf ohne besondere Ereignisse. ADAMANTIADIS (1944) teilte einen Fall yon phako- genetischer Iritis durch l~esorption yon kataraktSser Linse mit. Er weist auf die Mitteilung dreier analoger F~lle durch VOGT hin (Atlas der Spaltlampenmikroskopie, S. 506, Abb. ]120a--f). In allen Fi~llen handelt es sich um Patienten, deren fortschreitende Linsentrfibung schon seit Jahren bestand und bei denen bei rasch zunehmender Linsen- schrumpfung eine glaukomatSse Iritis auftrat. Dabei sank der harte Kern auf den Boden des Linsensackes, w~hrend der obere Linsenpo] mehr durchscheinend wurde (Cataracta Morgagni). UHLE~HUT~ (1903) zeigte, dab man Kaninchen durch wiederholte intravenSse Injektion yon Ochsenlinse gegen diese sensibilisieren konnte. Das Serum dieser Kaninchen reagierte jedoch nieht nur mit Ochsen- * Die Untersuchungen wurden durchgeftihrt an der Stanford University, San Francisco, mit tier finanziellen Unterstfitzung des US. Public Hea]th Service. ** Assistent der Universitats-Augenklinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. ERNST ENGELKING). v. Graefes Archiv ffir Ophthalmologie. Bd. 153. l

Tierexperimentelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetica

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v. Graefes Archiv ffir Ophthalmologie, ]~d. 153, S. 1--35 (1952).

T i e r e x p e r i m e n t e l l e U n t e r s u c h u n g e n zu r 0 p h t h a h n i a p h a k o g e n e t i c a * .

Von

HORST M@LLER **.

Mit 9 Text~bbildungen.

Es ist seit langem bekannt, dab ein Freiwerden yon Linsenmaterial, sei es dureh Operationen, sei es durch Unfall, in einigen F~llen yon einem starken Reizzustand gefolgt ist, w~hrend andere Augen eine solche l~eizung nicht zeigen. Schon immer wurde yon einer Gruppe yon Augen- i~rzten ein solcher Reizzustand ffir infektiSs erkl~rt, w~hrend andere Autoren glaubten, dab es sieh um eine ]~berempfind]ichkeit erworbener oder angeborener Natur gegen das in Zirkulation kommende Linsen- material handele. SCHmMER (1899) berichtete erstmals fiber klinische Beobachtungen, die er auf direkte l~eizung durch toxisches Linsen- material zurfickffihrte. LAGlCANGE und LACOSTE (1911) beriehteten fiber 8 einsehl~gige F~lle aus einer Serie yon 100 Kataraktextraktionen. COVRT~Eu (1942) berichtete fiber 7 F~lle yon sparer Endophthalmitis im zweiten Auge wahrscheinlic~h durch Sensibilisierung infolge Resorption yon Linsenmaterial naeh KapselerSffnung bei Katarakt auf dem ersten Auge. Dabei war die unmittelbar ausl6sende Ursache eine Kapsel- ruptur im zweiten Auge. Kliniseh lag heftige ciliare Injektion vor, Sekund~rglaukom, fette Precipitate, oft so dicht, daft sie einen Einblick in die tieferen Augente!le verhinderten. COUrTeSY entfernte die Linse der betroffenen Augen, wonach Sekund~rglaukom und Endophthalmitis rasch abklangen. In den 7 Fi~llen war der weitere Heilver]auf ohne besondere Ereignisse. ADAMANTIADIS (1944) teilte einen Fall yon phako- genetischer Iritis durch l~esorption yon kataraktSser Linse mit. Er weist auf die Mitteilung dreier analoger F~lle durch VOGT hin (Atlas der Spaltlampenmikroskopie, S. 506, Abb. ]120a--f). In allen Fi~llen handelt es sich um Patienten, deren fortschreitende Linsentrfibung schon seit Jahren bestand und bei denen bei rasch zunehmender Linsen- schrumpfung eine glaukomatSse Iritis auftrat. Dabei sank der harte Kern auf den Boden des Linsensackes, w~hrend der obere Linsenpo] mehr durchscheinend wurde (Cataracta Morgagni).

UHLE~HUT~ (1903) zeigte, dab man Kaninchen durch wiederholte intravenSse Injektion yon Ochsenlinse gegen diese sensibilisieren konnte. Das Serum dieser Kaninchen reagierte jedoch nieht nur mit Ochsen-

* Die Untersuchungen wurden durchgeftihrt an der Stanford University, San Francisco, mit tier finanziellen Unterstfitzung des US. Public Hea]th Service.

** Assistent der Universitats-Augenklinik Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. ERNST ENGELKING).

v. Graefes Archiv ffir Ophthalmologie. Bd. 153. l

HORST MI)LLER :

linsenprotein, sondern aueh mit LinseneiweiB yon anderen Tieren. Diese sensibilisierten Kaninehen zeigten keine positive Reaktion gegen Oehsen- serum. Die gegen Oehsenlinse erzeugte Uberempfindliehkeit sehien organspezifiseh gegen LinseneiweiB geriehtet zu sein, eine Artspezifitgt sehien zu fehlen. Diese aussehlieBliehe Organspezifit~t wurde dutch sp~tere Untersuehungen bis zu einem gewissen Grade in Frage gestellt und korrigiert. Zur Zeit UHLENI~U~S jedoeh erweekte seine Mitteilung hSehstes Interesse und braehte eine Diskussion in Gang, deren Kontro- versen bis auf den heutigen Tag noch nieht gekl~trt sind.

Die Frage blieb umstri t ten, ob bei augenseheinlieher Organspezifits dem Linseneiweig jede Artspezifiti~t tats~ehlieh fehle. Unter best immten Bedingungen l~gt sieh eine Artspezifit~t nun tatss naehweisen, jedoeh ist diese innerhalb der Saugetierreihe im allgemeinen nieht auf- f~llig. WIT~BSXY (1928) wies darauf bin, dal~ die vorhandene Art- spezifiti~t wahrseheinlieh dureh ein Lipoid maskiert sei. Die Sehwierig. keit, Tiere gegen arteigene, d .h . homologe Linse zu sensibilisieren, ist naeh LAXDSTEI~ER ein weiterer Hinweis auf das Vorhandensein einer, wenn aueh maskierten Artspezifit/~t neben einer Organspezifit~t. LANDSTEIXE~ weist in seinem Buch (Spezifit~t der serologisehen I%eak- tion, Harva rd University Press 1947) an versehiedenen Stellen darauf hin, dag Organspezifiti~t einem gleiehzeitigen Vorliegen yon Artspezifit~t nicht widersprieht. Dag einige Autoren auBer der Organspezifit~tt ein Vorliegen yon Artspezifits fanden, andere dagegen nieht, liegt wohl zum Tell an den Vorbereitungsmethoden und der Anordnung der Experi- mente, zum Teil abet aueh daran, dag weitreiehende Schlfisse aus nur wenigen Versuehen gezogen wurden. Es sei in d iesem Zusammenhang daran erinnert, dag mit der Proteinfraktion yon homologem H i m beim Kaninehen beispielsweise keine Sensibilisierung zu erreiehen war (WI- TEBSKY und STEINI~ELD 1928). Dagegen ]ieg sieh eine solehe Sensibili- sierung mit homologem Hirnmateria] durehfiihren, wenn entweder eine Kombinat ionsmethode oder ein alkoholischer Extrakt , der die Lipoid- fraktion einsehloB, zur Sensibilisierung benutzt wurde. Was den Ein- flug der Vorbereitung des Antigens auf das Endresultat an]angt, so sei z. B. die immunbiologische Differenz zwisehen der oxydierten und reduzierten Form des Linsenproteins wie sie yon ECKE~ (1940) mit- geteilt wurde, erinnert.

Das Studium der individuellen, immunbiologisehen Eigenschaften der einzelnen Eiwei!3e der Linse wurde vor Mlem dureh die Unter- suchungen von HEKTOEN und Sc~vL~o~ (I924) in Gang gebracht und yon BURKY und WooDs (1928) auf breiter Basis fortgeffihrt. HEKTOEN und SCHULHOF isolierten ~- und fl-KristMlin und untersehieden sie mit ttilfe der PrS~eipitinreaktion. Jede dieser spezifisehen Fraktionen sehien jedoch in den Linsen versehiedener Si~ugetiere identiseh zu sein. Aueh

Tierexperimcntelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetic~. 3

in den Linsen yon Fischen fand sich g- und/~-Kristallin jedoch in einem noch grSSeren Anteil andere antigene Komponenten, welche die Spezifi- t~t des ~- und fi-Kristallins in seiner Bedeutung zurfickdri~ngten. 1927/28 gelang es dann WOODS und BU:RKY, &US der bis dahin ffir rein gehaltenen fi-Fraktion noch das y-Kristallin, ein Albumin, zu isolieren. Nach WOODS und Bumpy und WOOD~AnL (1931) ist es die ~-Kristallin- fraktion allein, welche imstande ist bei parenteraler Zufuhr AntikSrper- bildung in derselben Species hervorzurufen. Nach diesen Autoren ist es die ~-Kristallinfraktion, an welche die wahre Organspezifit/it des Linsen- eiweil~es gebunden ist, wiihrend homologes fl- und y-Kristallin nicht geniigend Antigenitiit besitzen, um in der homologen Species Anti- kSrperbildung hervorzurufen. Die gleichen Autoren waren nicht in der Lage, mit der gesamten Linse in der gleichen Species AntikSrper- bildung zu provozieren. Sie schlossen daraus, da$ bei der Verwendung homologer Linse die Gegenwart yon nnveriindertem fi- und y-Kristallin die immunbiologische Aktivitat und Antigenitgt der ~-Kristallinfraktion hemmt oder neutralisiert. Sie glaubten, auf dieser Basis die wider- sprechenden Angaben fiber die MSglichkeit oder UnmSglichkeit der Sensibilisierung gegen homologes Linsenmaterial erkl~rt zu haben. Diese Frage hat seit der Jahrhnndertwende Xrzte und Immunologen in gleicher Weise interessiert. U~L~gVTg und HXC~DEL (1909/10) berichteten zuerst, da$ es mSglich sei, Meerschweinchen gegen ihr eigenes Linseneiwei$ zu sensibilisieren. KRusIus und spi~ter ~V[ARKI:bT und KYEs besti~tigten die M5glichkeit der Sensibilisiernng yon Meer- schweinchen gegen ihre eigene Linse. Die gleichen Autoren waren nieht in der Lage, an Tauben denselben Versuch dnrchzufiihren, t~5~ER und G~BB (1913), v. SzInY (1913) u. a. bestritten lebhaft, da6 es mSglich sei, Tiere gegen ihre eigene Linsensubstanz zu sensibilisieren. SI-IIBATA versuchte erfolglos AntikSrper gegen die eigene Linse im Kaninchen nachzuweisen. Auc.h RI~gM land sich nicht in der Lage, eine ]3ber- empfindlichkeit gegen homologes Linseneiweil~ experimentell zu erzeugen. l~I~gM (,,Allergie", 1940, S. 688ff.) lehnte daher eine fragliche End- ophthalmitis phakoanaphylactica scharf ab. Er schrieb: ,,Zu den experimentellen Untersuchungen, die die Probleme der Allergie speziell am Tierauge zu studieren strebten, gehSren schlief~lich auch jene Ver- suche, im Auge ,organspezifisches Gewebe' nachzuweisen. Man darf hente sagen, daf3 die Folgerungen, die man aus diesen mehr oder weniger geglfickten Versuchen ziehen zu mfissen glanbte, der Krit ik nieht stand- gehalten haben, ja dab die Lehre yon der ,Aut0anaphylaxie' (Allergie gegen normales KSrpergewebe) in sich widerspruchsvoll und damit unhaltbar geworden ist."

,,Der Kliniker wfirde sich yon der MSglichkeit, da6 bestimmte, normale KCirpergewebe im eigenen Organismus anaphylaktogen wirksam

v. Oraefes Archly ftir Ophthalmologie. Bd. 1.58. 18~

4 HoBs:c M~LL~:

werden k6nnen, nur fiberzeugen lassen, wenn nachgewiesen werden k6nnte, dab z. B. native Linsensubstanz im anaphylaktisehen Versuch bei einer ersten, lokalen Injektion keinerlei prim~re Reaktion, bei einer naeh entspreehendem Intervall vorgenommenen zweiten, lokalea Injek- tion aber ein Arthusph~nomen erzeugen wfirde. Diese entzfindet ge- wesene Stelle mii~te aul~erdem auf intravenSse Neuzufiihrung desselben Linsenan~igens eine Wiederaufflammungsreaktion zeigen. Nichts der- gleichen l~l~t sich nachweisen! Ich selbst babe derartige Versuche unternommen, habe Kaninchen fiber einen l~ngeren Zeitraum mit 6, 10, 22, 41, ja 60 Linsen teils subcutan, tells subconjunetival vorbehandelt. Niemals ffihrte eine sp~ttere subconjunctivale Reinjektion yon Linsen- substanz bei diesen Tieren auch nur zu der geringsten Injektion am Auge. Dabei ist gerade die Bindehaut ein zum Testen ~ul~erordentlich geeignetes Organ, well man hier auch den leisesten Grad eines Arthus- ph~nomens sofort klinisch feststel]en k6nnte. Die Annahme, dal~ auf Grund einer 0rganspezifit~t des Linseneiwei~s allergisehe Entzfin- dungen im Organismus zustande kommen kSnnten, mug ieh auf Grund dieser Versuehe also ablehnen." RIE~I weist auf die Arbeiten yon B~AuN hin und ist der Ansicht, da[~ entzfindliche Erscheinungen am Auge in unserem Zusammenhang durch bei dem ZerfaH yon Linsen: gewebe aus den Zellen ffeiwerdende Histamin ~hnliehe StoKe ~er- ursacht werden. Er h~lt es fiir weniger wahrschein]ich, dab Linsen- eiweil~ durch Degeneration k6rperfremd und d~mit antigen wird. Die scharfe Ablehnung der M6glichkeit einer Sensibilisierung durch auto- loges Linsenmaterial grfindet I~IEHM auf den Begriff des ,normalen" kSrpereigenen Gewebes im Gegensatz zu k6rperfremdem oder durch Ver~nderung fremd und damit antigen gewordenem, urspriinglich k6rpereigenem Gewebe. RIEHM hierin zu folgen bereitet gewisse Schwie- rigkeiten, da mit Hinsicht auf die Linse nieht bekannt ist~ we die Grenz- linie zwischen noch normalem, d. h. biologisch ges.ehen k6rpereigenem und entartetem~ d .h . nunmehr seiner M6glichkeit n~ch aatigenem Gewebe liege.

R I ] ~ (1940) sehreibt : ,,Bei Organspezifit~t yon Augengeweben, die, wie gesagt, besonders fiir die Linse behauptet worden ist, soll es sich nun abet um v6llig normales, natfirliehes und unver~ndertes Gewebe handeln." Es liegt uns fern die Ausffihrungen von R I E ~ zu kritisieren. Es sei jedoch ~usdrficklich darauf hingewiesen, dal~ der in dieser Arbeit verwandte Begriff der Ophthalmia phakogenetiea in keiner Weise die stillschweigende Behauptung einschlie~t, es handele sich um ,,vSllig normales, natfirliches und unver~ndertes Gewebe". Wit will, ten auch nicht, wie m~n ein Erhalten des zur Sensibilisierung verwendeten Linsenmaterials im natfirlichen, normalen und unver~nderten Zustand garantieren k6nnte, z .B. wenn man versuehen wfirde, den Anforde-

Tierexi0erimentelle Untersuchungen zur OphthMmia ph~kogenetic~. 5

rungen yon I%IER~ zu entsprechen, um eine m6gliehe Sensibilisierung gegen autologe Linse dureh wiederholte lokMe Injektionen von Linsen- eiweiB naehzuweisen. Zum Zwecke soleher Injektionen m/igte man die Linse zumindestens soweit ver~ndern, dab man eine Injektion technisch durehfiihren kSnnte. Es erseheint uns fraglieh, ob man sie dann noch Ms normal, natiirlich und unver~ndert bezeichnen darf.

VEB~OEFF und LEMOINE (1922) fiihrten den Begriff der Endophthal- mitis phakoanaphylaetiea ein, um damit eine erworbene oder angeborene iJberempfindliehkeit gewisser Individuen gegen ihr eigenes Linseneiweig naeh dessen Befreiung aus der Linsenkapsel zn besehreiben. Mit Rtiek- sieht anf die oben ausfiihrlich zitierten Ausfiihrungen yon I%IEgN sei ausdriieklieh darauf hingewiesen, dab es sieh bei keinem der yon VER- HOEFF und LEMOINE publizierten F~lle um ,,natiirliehes, normales und unvergndertes" Linseneiweig gehandelt hat, sondern stets um kataraktSs ver~nderte Linsen. Der yon VERI~OEFF und LEMOINE eingefiihrte Begriff der EndophthMmitis phakoanaphylactica darf keinesfMts mit jenen Theorien verwechselt oder gleiehgesetzt werden, welehe die Entstehung des Altersstars auf eine Antigen-Antik6rperreaktion zuriiekzufiihren versuehten. VEXROEFF und LEMOIXE (1922) unternahmen es, die Theorie der anaphylaktisehen Genese von t%eizzust~nden naeh Katarak t - extraktionen tierexperimentell zu unterbauen, indem sie Meersehwein- ehen gegen Linsenmaterial sensibilisierten und dann die gesteigerte (hyperergisehe) Reaktion dureh Diszission der Linse in den sensibili- sierten Tieren naehzuweisen versuehten. GIFFORD und STEIZCBE~G (1925) erhielten zwar in sensibilisierten Tieren ebenfalls gesteigerte, oculare t~eaktionen, nahmen jedoeh an, dag die meisten, wenn nieht alle, dutch prim~re Toxieit~t des Linsenmaterials zu erkl/iren seien. BUBKu und WooDs (1931) glaubten, dag dieser von STEINBERG beriehteten prim~ren Toxieit~t eine bakterielle Dekomposition des Linsenmaterials zugrunde gelegen habe. Es gelang ihnen Linsenextrakte zu bereiten, welehen keine primgren Toxieit~ten innewohnten. ROTTg bestri t t kategoriseh jedweden anaphylaktisehen Chgrakter der obenerw~hnten Reaktionen. Er konnte weder am operierten noeh am gegentiberliegenden Auge naeh breiter ErSffnung der Linsenkapsel bei sensibilisierten Tieren eine gesteigerte i%eaktion feststellen. B~AUN (1931--1934) gl~ubte aus der Linse eine prim/~r toxisehe Substanz isoliert zu haben, welehe fiir die intraoeularen lgeizerseheinungen verantwortlich zu maehen sei. Es war eine blutdruekerniedrigende Substanz, versehieden voa Aeetylcholin und Histamin.

BUBKY (1935) sensibilisierte Kaninehen mit Linse in Kombinat ion mit Staphylokokkentoxin. Er nahm an, dag es zu einer Verbindung zwisehen beiden und damit zu einer Steigerung der Antigenit~t der Linse k~me. Die Diszission der Linsen der auf solehe Weise sensibili-

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6 HORSTM~LLER:

sierten Kaninchen ffihrten fiberzeugend zu gesteigerten (hyperergischen) Reaktionen. Auch die serologischen Reaktionen sowie die Haut tes te sprachen ffir eine Sensibilisierung. Zugleich wurden die in solcher Weise behandelten Tiere gegen das verwandte Staphylokokkentoxin sensibilisiert. SWIFT und SCHULz (1936) zeigten, da~ Linse und stimu- lierendes oder die Antigenit~t erhShendes Staphylokokkentoxin zu ver- schiedenen Zeitpunkten nnd an verschiedenen Orten in das Versuchstier eingeffihrt werden konnten und es t rotzdem zu einer Sensibilisierung gegen Linse kam. Aus ihren Versuchen folgerten die Autoren, da~ es sich bei der Anwendung yon Staphylokokkentoxin im Zusammen- hang mit der Sensibilisierung gegen Linse um eine unspezifische Stimu- lierung der Antigenit~t des verwandten Linsenmaterials handele. Sowohl BURKY als auch SWIFT und Sc~uLz arbeiteten mit heterologem Linsen- material, d. h. sie sensibilisierten Kaninchen gegen Ochsenlinsen. SCOBE~ und SLAVGHTER (1944) bestgtigten die Beobachtungen yon BULKY bezfiglich der Sensibilisierung yon Kaninchen gegen Linse in Kombina- tion mit Staphylokokkentoxin. Allerdings sind die Beobuchtungen yon SCOBEE und SLAUGgTF~ an 11 Kaninchen, yon denen 2 wegen Infektion auszuschliel3en sind, weniger fiberzeugend als die ausffihrlichen Unter- suchungen yon BuRKu

BURKY (1944) berichtete zum Thema der Ophthalmia phakogenetica fiber interessante Versuche mit Brucellakulturen. Er injizierte eine minimale Menge einer 48 Std alten Brucellakultur in die Linse eines Versuchstieres und wirbelte zugleich die Linsenmassen auf. Es folgte eine erhebliche, entzfindliche Reaktion, welche erst nach 3 Wochen abklang. Alle Versuchskaninchen zeigten einen positiven Haut tes t gegen Brucellin, jedoch zeigten die Kaninchen keine Hautsensibilisierung gegen Linsensubstanz. Eine sp~ttere Diszission der zweiten, bis dahin unberfihrten Linse in den so vorbeh~ndelten Kaninchen nach 4 oder 8 Wochen ffihrte zu heftigen (hyperergischen) Reaktionen. Diese zeigten an, dal~ es offenbar zu einer (Jberempfindlichkeit der Augen gegen Linsensubstanz gekommen war. Wiederholte Blutkulturen zu ver- schiedenen Zeitpunkten mit t t insicht auf eine eventuelle Brucell~mie blieben stets negativ. Durch diese wiederholten Blutkulturen sollte eine eventuelle, metastatische Infektion des zweiten Auges mit Brucella ausgeschlossen werden. B(c~KYs Experimente wurden in der Absicht mitgeteitt, die MSglichkeit einer Sensibilisierung gegen autologe Linsen- substanz dutch gleichzeitige t~esorption yon befreitem Linsenmateria] zusammen mit bakteriellen Produkten zu demonstrieren.

Zur Fragestellung und Zielsetzung vorliegender Arbeit. VEI~ttOEFF und LFMOIN]~ (1922) stellten das Krankheitsbild der

Endophthalmit is phakoanaphylact ica auf und versuchten, durch Sensi-

TierexperimenteHe Untersuchungen zur OphthMmia ph~kogenetica. 7

bilisierung von Meerschweinchen hierfiir eine experimente]le Grundlage zu liefern. Seitdem ist die Frage heil~ umstritten, ob bei postoperativen Reizzusti~nden nach Kataraktextrakt ion autoanaphylaktische Vorgiinge mit im Spiel sein k5nnten. Die tierexperimente]len Untersuchungen yon :BURKu (1933) schienen ffir diese MSgliehkeit zu sprechen. Die Gesamtheit des yon zahlreichen Autoren zu dieser Frage beigetragenen Materials war jedoeh nieht iiberzeugend. Daher stie• der Gedanke der Phakoanaphylaxie bei zahlreiehen Autorit~ten auf dem Gebiete der Allergiefrage in der Augenheilkunde auf zuriickhaltende Skepsis oder Ablehnung. So sehrieb v. Sz~LY (1937): ,Daraus folgt, dal~ Ka- ninchen jedenfalls nieht imstande sind, AntikSrper gegen ihre eigene Linse zu bilden; aber auch Versuehe mit kinder- und Meersehweinchen- linsen verliefen negativ, so dal~ anzunehmen ist, dal~ das Linseneiwei~ ganz allgemein ein schlechtes Antigen darstellt. Die yon V~HO~FF und LEMOI~ u. a. angenommene Endophthalmitis phakoanaphylaetica nach Staroperationen bei ]inseniiberempfindlichen Individuen entbehrt vorli~ufig jeder experimentellen Stiitze ''1. Bei I%I~M (1940) fand der Gedanke der phakoanaphylaktischen t%eaktion scharfe Ablehnung. Andererseits h~lt DuKE-EL1)~ (1951) die MSglichkeit und das Vor- kommen der phakoanaphylaktischen Reaktion flit iiberzeugend wahr- scheinlich. Bei so]ehem Widerstreit der Meinungen schien eine erneute Untersuchung der Frage wiinschenswer~.

Aus den Widerspriichen der berichteten Beobachtungen ergab sich fiir unsere Untersuchung folgende Zielsetzung:

1. Frage: Welches ist das Bild der ,,normergischen" Realction ? Weg: ErSffnung der Linsenkapsel und ausgiebige Befreiung des

Linsenmateria]s im normalen, erwaehsenen, jungen Albinokaninchen.

2. Frage: Gelingt es durch allgemeine, unspezi/ische Mafinahmen ohne parenterale Zufuhr yon Linse, ein Tier derart umzustimmen, dab einer sp~teren Diszission eine gesteigerte, d. h. hyperergische l%eaktion folgt ?

Weg: Zur Vorbereitung wurde Adjuvant. (eine Mischung aus 0,5 cm 3 ~[ineralS1, 0,5 cm 8 Aqu~phor und 1 mg hitzeget5teter Tuberkelbacillen je Kubikzentimeter) intramuskuli~r injiziert. Diszission der Linse naeh gehSriger Vorbereitungszeit.

3. Frage: Kann es dureh im KSrper bekannter- oder unbekannter- weise anwesende Toxine zu einer wesentlich gesteigerten Friih- oder Sp~treaktion gegen die kSrpereigene Linse kommen ?

Weg: IntravenSse Injektion einer geringen Menge Toxin entweder am Tage vor oder am Tage naeh der ersten Diszission. Sp~itere Dis- zission ohne weitere Toxingaben in der Zwisehenzeit.

Zit. nach v. SzIL:Z in tIE~K~-LvBA~SC~S Handbuch der speziellen patho- ]ogischen Anatomie und ttistologie, Bd. 11, Tell 3, S. 30.

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HORSTMfiLLE~:

4. ~'rage: Li~i~t sich eine primgre Toxicitgt der Linse als wesentlicher Faktor demonstrieren ?

Weg: Injektion yon kataraktSsem Linsenmaterial in die zuvor ent- leerte Augenvorderkammer. Autologes, heterologes und homologes Lin- senmateria] yon jeweils verschiedenem Verdauungsgrad, mit und ohne Kammerwasser, wurden verwandt.

5. Frage: L~l~t sich nach vorangegangener, spezi/ischer Sensibilisie- rung eine hyperergische Reaktion am Auge fiberzeugend demonstrieren ?

Weg: Sensibilisierung gegen heterologe, homologe und autologe Linse durch parenterale Zufuhr in Verbindung mit intramuskul~ren Adjuvant- injektionen, dig geeignet sind, die bekanntlich schwache Antigenit~Lt der Linse zu steigern. Friiher haben andere Untersucher versueht, ohne zus~tz]iche Allgemeinmal3nahmen, gegen Linse zu sensibilisieren. Wie oben berichtet, blieben die Ergebnisse insgesamt zweifelhaft. In Anlehnung an die Erfahrungen der experimentellen Medizin haben wir uns daher yon vornherein nnd ausschlieBlieh einer Kombinationsmethode bedient. Allerdings sei betont, dal3 das Antigen (Linse) yon dem Adju- vant 6rtlieh vSllig getrennt zugeffihrt wurde. Nach geh6riger Inkuba- tionszeit ErSffnen tier Linsenkapsel und Befreiung der Linsenmassen.

6. Erage: Lg6t sich die ursiichliche Mitbeteiligung bakterieller In/ektion wahrscheinlich machen oder naehweisen ?

Weg: a) Vergleiehende Verwendung yon Antibiotica. b) Geringgradige, intraocn]are Infektion mit apathogenen Keimen,

Saprophyten und Fungi. e) Wiederholte Priifung intraoeularen sowie des zur Injektion ver-

wandten Materials auf Bakteriennghrb6den (meist Blutagar). Es wurde darauf geachtet, auch sehr friihzeitig Material zur bakteriel]en Kontrolle zu entnehmen, z .B. 12, 24 und 48 Std nach Diszission.

DiG Reaktion des Auges im Zusammenhang mit Linse zu unter- suchen war das Ziel der Arbeit. Dies nicht unter einfachen, sondern unter vielf~tltigen, jedoch miteinander verkntipften, Bedingungen durch- zufiihren wurde versucht, denn wir neigen der Auffassung zu, dab auch die wesentlich durch Linse bedingte Erkrankung des mensehlichen Auges unter vielf~ltigen Bedingnngen zustande kommen mag. Ehe wir die Versuehsergebnisse berichten, wollen wir versuchen, die Benennung unserer Untersuchungen zu begrfinden:

Nur zSgernd haben wir uns entschlossen, die herkSmm]iche Be- zeichnung ,,Endophthalmitis phakoanaphylactica" aufzugeben nnd start dessen von Ophthalmia phalcogenetica zu sprechen. Es geschah aus folgenden Griinden: Die Bezeiehnung ,,Endophthalmitis" scheint night g]iicklich, da sigh mit ihr die Vorstellung eines fest umrissenen Krank- heitsbildes g/~nzlich anderer Natur verbindet. Zudem betreffen die in Frage stehenden Reaktionen ganz tiberwiegend den vorderen Bulbus-

Tierexperimentelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetic~. 9

absehnitt. Perilimbales Gefi~Bsystem, Cornea und vordere Urea re- agieren so, als ob es sieh um eine funktionelle Einheit handele. Dem- gegenfiber bleibt die Mitreaktion des hinteren Bulbusabsehnittes stets geringffigig. Das wurde am deutliehsten bei jenen Angen, bei denen es im vorderen Bulbusabsehnitt zu sehweren, anaphylaktisehen Nekrosen kam. Eine vergleiehbar sehwere Erkrankung des Kaninehenauges dutch Infektion mit virulenten Keimen, Saprophyten oder Fungi, zeigte stets ein ganz anderes Bild, n/~mlieh das einer Endophthalmitis oder einer Panophthalmie; davon haben wit uns in anderen Versuehen iiberzeugt. Die Einwendungen gegen die Bezeiehnung ,,Endophthalmitis" hi~tten uns jedoch nieht veranlal~t eine Namens/~nderung vorzuschlagen. Diese ersehien uns in Hinsieht auf die Bezeiehnung ,,phakoanaphylaetiea" ratsam. Wir h0ffen dureh das in dieser Arbeit vorgelegte Material zeigen zu k6nnen, dag es sieh zwar um ,,Linsenanaphylaxie" handeln kann, aber keinesfalls handeln muB. Selbst dort, wo eine Sensibilisierung mitspielt, muB es sieh nieht notwendigerweise um ,,anaphylaktisehe" Antigen-AntikSrperreaktionen handeln. Beispielsweise liegt es unter bestimmten Bedingungen viel n/~her, an Reaktionen yore Charakter des Shwartzman-Phi~nomens zu denken. Insgesamt ist die Kenntnis der in Frage stehenden Reaktionen noeh so ungenfigend, dM3 es uns ratsam erschien, die Bezeiehnung ,,Ophthalmia phakogenetica ''1 zum Titel unserer tierexperimentellen Untersuehungen zu wghlen. Dieser Name ist rein deskriptiv und bezeiehnet eine Erlcranlcung des Auges, die in wesentlichem und urspriinglichem Zusammenhang mit der Linse steht.

Tierexperimentelle Untersuchungen. Alle Untersuchungen wurden an Albinokaninchen durchgeffihrt.

Eine detMllierte Mitteilung der Befunde wiirde die Arbeit vim zu um- fangreich werden lassen. Wir werden daher fiber die einzelnen Versuchs- gruppen summarisch berichten und jeweils das eine oder andere Beispiel einffigen. Bei der grol~en Variabilit~t Mler biologischen Reaktionen ist dies ein miglicher Kompromig, denn es k6nnte der irrtfimliehe Eindruek einer durehgehenden Uniformit/~t der Reaktionen entstehen.

Methoden. Operative Maflnahmen. Alle Operationen wurden in allgemeiner Narkose durch-

gefiihr~ (intraven6se Injektion yon 0,5 cm3/kg yon Nembutal). Einen Tag vor und w~hrend 7 Tagen nach der Operation wurden r 30000 E Depotpenicillin gespritzt. Anf~nglich wurden hiervon Ausnahmen gemacht, da wir uns iiberzeugen wollten, ob die Anwendung yon Penicillin irgendeinen Einflug auf die Sti~rke

~. STRAV~ (Amsterdam 1921) berichtete fiber Entziindungen durch Linsen- material. Er spraeh yon Endophthalmia phakogenetica und ~fihrte sie auf eine mit dem Alter zunehmende Toxicit~t der Linse zurfick.

10 gO~ST Mi~LLER :

der Reaktion hat. Es wurden daher in einze]nen, sonst v611ig gleieh behandelten Gruppen, die eine H~lfte der Tiere mit Penicillin behandelt, w~hrend die andere Ha]fte kein Penicillin bekam. Naehdem sich zeigte, dab die Verabreiehung vor~ Penicillin keinen EinfluB auf die Sti~rke der Augenreaktion aus/ibte, wurde sie sieherheitshalber beibehalten und nun grundsi~tzlich Mle Operationen unter Peni- eitlinallgemeinbehandlung durchgefiihrt. ~iir alle Versuche wurden ausschlieglieh Albinokaninchen verwandt. Sie stammten aus einer Zuehtquelle und wurden in gleicher Weise ern~hr~ und gehalten. Wenn nieht anders angegeben, so wurden junge, gesunde, erwachsene Tiere verwandt.

Sobald das Xaninehen in Narkose war, wurde das Auge luxiert und nun eine Diszission der Linse durchgeftihrt mit ausgiebiger ZerstSrung tier vorderen Linsen- kapsel und griindlieher Befreinng des Linsenmaterials. Dies ist notwendig, da das Kaninchen eine grote fibroplastisehe Aktiviti~ entwickdt und kleinere Kapsel- defekte innerhalb weniger Tage heilten. An Stelle einer Diszission limBO sich auch eine halbges~ttigte KoehsalzlSsung in die Linse injizieren. Auch hierbei ist eine ausgiebige Zerst6rung der Linsenkapsel no~wendig.

Bakteriologische Kontrollen. Wenn nieht anders angegeben, so wurde das Material zur bakteriologischen Kontrolle mittels einer Spritze und feinen Nadel aus der Augenvorderkammer abgenommen und dann in iiblicher Weise auf 2 halbe Platten Blutagar ausgestrichen.

Serologie. Von 38 Tieren wurde ein- oder mehrmals Blur abgenommen und das frisehe Serum auf An tik6rper gepriift, indem verschiedene Verdfinnungen vort Ochsenlinsenprotein als Antigen verwandt wurden. Als Test bedienten wir uns der iibliehen Pr~cipitinringprobe. In einigen ~g]len wurde auch homologe

�9 oder autologe Linse Ms Antigen verwandt. Bei einigen Tieren wurden Hautteste und Komplementbindungsreaktionen durchgefiihrt. Naeh wiederholter intra- abdominaler odor subcutaner Zufuhr yon Ochsenlinsen ls sieh ein eindeutiges Ansteigen des Prgcipitintiters im Serum nachweisen. Auf Einzelheiten soll hier jedoch nieht eingegangen werden, denn wit maehten insgesamt die gleiche Er- fahrung wie andere Untersucher, ngmlich, dag die hyperergisehe 0rganreaktion in keiner Weise in einem bekannten Verhi~ltnis zum Pri~cipitintiter im Serum steht.

Zur Sensibilisierung wurden frisehe Ochsenlinsen in toto parenteral zugefiihrt. Sie wurden anf sterile Weise aus ffisch enucleierten Oehsenaugen gewonnen. Es wurde absiehtlich davon Abstand genommen, weitere Ver~nderungen an dem zur Sensibilisierung benutzten Linsenma~erial vorzunehmen, wie etwa Gefrieren, Gewinnung yon Proteinffaktionen usw. Andere experimentelle Untersuehungen vorziiglieh mit Material des ZentrMnervensystems haben gezeigt, da]~ die Organ- spezifitgg nicht Mlein an die Proteinfraktion gebunden ist, sondern wie es sehein~, an die Lipoid- and MyelirLfraktion. Es ist noch nieht bekannt, an welche ehemischen X/3rper die Organspezifitgt der Linse gekoppel~ ist.

Die Ad]uvantmethode. Um die Antigenitgt sehwacher Antigene zu steigern, bedient sieh die experimentelle Medizin verschiedener Methoden. Eine isg die Adjuvantmethode, welehe in den letzten 15 Jahren in groBem Umfange bei den Untersuchungen zur experimentellen Encephalomyelitis angewandt wurde. Der genaue Wirkungsmeehanismns der Adjuvantmethode ist nichg bekannt. Wir ver- wendeten als , ,Adjuvant" eine Mischung yon MineralS1, Aquaphor (einer lanolin- ~hnliehen Substanz) und hitzegetSteten Tuberkelbacfllen. Von dieser Misehung wurde zumeist 1 cm s, manehmal auch 2 em a intramuskuli~r injiziert. Es ist zu betonen, dag die Injektionen des Adjuvants an vSllig unabh/~ngigem 0rte yon der Einverleibung des Antigens erfolgten.

Beurteilung der .Realstionen. Wir bezeiehnen Ms normergisch alle diejenigen ~eaktionen, die nieh~ starker als jene sind, die auch in unvorbehandelten,

Tierexperimentelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetiea. 11

normMen, jungen erwaehsenen Kaninchen naeh anMogen oeularen Eingriffen beob- achtet wurden.

Wir bezeiehnen als hyperergisch alle diejenigen Reaktionen, die deutlieh darfiber hinausgehen.

Eine Feinabstufung der Beurteilung, wie bei Versuehen in vitro, fiihrt bei Tierversuchen vorliegender At~ leicht in die Irre. Mit Riieksieht auf die grol3e Variabiliti~t der biologisehen Reaktion und um uns nieht selbst zu t~usehen, haben wir die Variationsbreite der ,,normergisehen" Reaktion reeht grog angenommen und als ,,hyperergiseh" nut iiberzeugend gesteigerte Re~ktionen bezeiehnet. Die regelmi~gige, postoperative Beobachtung mit Lupe oder SpMtlampe und Horn- hautmikroskop achtete systematiseh auf folgendes: Lider und Bindehaut (Ab- sonderung ?, Chemosis ?), Cornea (Epithe]Sdem ?, Stroma Mar, diffus oder fleekig- getrtibt ?), Beginn, Fortsehritt nnd Rfiekgang der Hornhautvascularisation, Bulbus (vergrSBert ?), perilimbMe Gefi~l]e (hyper~tmiseh ?, peteehiale Blutungen ?), Linse (kat~raktSs ?, in der Vorderkammer ?, in Beriihrung mit der Hornhautr/ickfl~che ?), Iris (Grad der Hypergmie?, hgmorrhagisehe Tendenz ?, Pupille?, ischi~misehe Sektoren ?). Wesentlieh ffir die Beurteilung ist der zeitliehe Verlauf des Anstieges, vor Mlem aber aueh die Dauer einer l~eaktion, der Grad und die Gesehwindigkeit der Eintriibung und AufI6sung (l~esorption) der Linse. Art und Urnst/;nde des jeweiligen operativen Eingriffes wurden beriieksiehtigt.

Die subjektive klinisehe Beurteilung wurde ]iir ]edes einzelne Auge lau/end dureh Farbaufnahmen mit der Leica kontrolliert und dureh die histologisehe Untersuehung der versehiedenen Stadien erg/tnzt.

Untersuchungsergebnisse.

Die normergische Reaktion des Kaninchens gegen die kSrpereigene Linse.

Da die Tiere dieser Gruppe keine andere Operation am Auge zu einem friiheren Zei tpunkt durchgemacht und keinerlei spczifische oder unspezifische Mlgemeine Vorberei tung erfahren bat ten , repr~sentieren sie die ,,normMen Kontrol len" . 13el einigen Tieren dieser Gruppe wurde an Stelle einer Oiszission der Linse eine halbges/~ttigte KochsMzlSsung in die Linse injiziert. Die Diszission der Linse im Auge eines normMen, nicht vorbehandelten, jungen, erwachsenen A]binokaninchens ist ein harmloser Eingriff. Die befreiten Linsenmassen werden abgebaut und resorbiert. Je nach Ausgiebigkeit der Diszission ist das Auge 3 - - 6 Tage nach der Diszission im wesentlichen reizlos. Von den 23 ,,normalen Kontrollen" reagierten 22 milde, 1 Auge reagierte mit einer m/~Bigen Reakt ion. Dem milden klinischen Verlauf entspricht das morpho~ogische Bild. Nur w/~hrend der ersten 2 4 - 4 8 Std l inden sich grSl3ere Mengen weiBer Blutzellen. Sp/~ter beherrschen die mononucle~ren FreBzellen, die Malcrophagen, das Bild (s. Abb. 1 und 2). Sie finden sich an der Oberfl~che der freiliegenden, kataraktbsen Linsenmassem Schon am 2. und 3. Tag nach der ausgiebigen Er6ffnung der Linsenkapsel versuchen tV~ibroplasten, die fiberwiegend aus der Regenbogenhaut kommen, die yon Linsenkapsel entb15Bten Linsenmassen abzukapseln. Auch die Zellen des subc~psul~ren Linsenepithels nehmen daran tell. Je i~lter

]2 HORST MULLER :

A b b . 1. M a k r o p h a g e n l i n d e n s i ch a n t ier O b e r f l ~ e h e d e r k a t a r a k t S s e n L i n s e n m a s s e n , g l e i c h g i i l t i g ob es s i ch u m e ine n o r m e r g i s e h e o d e r u r n e ine h y p e r e r g i s c h e l ~ e a k t i o n h a n d e l t . D i e l e t z t e r e i s t n i c h t d u r c h e inze lne s p e z i f i s e h e m o r p h o l o g i s e h e E l e m e n t e g e k e n n z e i c h n e t , s o n d e r n d n r e h i h r e In tens i t~ t t . V o r l i e g e n d e A u f n a h m e s t a m r n t y e n e i n e m K a n i n c h e n , d a s m i t t e l s i n t r a m u s k u l g r e r A d j u v a n t i n j e k t i o n e n v o r b e r e i t e t w u r d e . D e r s p g t e r e n D i s - z i s s i o n d e r L i n s e f o l g t e e ine ] a n g s a m a n s t e i g e n d e R e a k t i o n , d ie a m 7. T a g e n a e h tier Ope-

ratio~ als hyperergisch zn bezeichne~ war. Enueleation I0 Tage nach Diszission.

Alob. 2. L i n s e n a b s c e f t m i t e i n e m R e s t L i n s e n k a p s e ] , 17 T g g e n ~ e h i n t r a o c u l a r e r I n j e k t i o n y o n S t a p h y l o c o c c u s a u r e u s ( X u l t u r s t a m m t e y o n cler mensch l i ehe rL C o n j u n c t i v g ) . D a s c e l l u l i t e B i l d des L i n s e n a b s e e s s e s i s t ~-611ig v e r s c h i e d e n y o n d e r monoeytD, r e n R e a k t i o n g e g e n die k a t a r a k t S s e n L i n s e n m a s s e n , w i e w i t s ie be i t ier O p h t h a l m i ~ p h a k o g e n e t i e a

b e o b a c h t e n (s. A b b . 1).

die Reaktion, desto mehr beherrschen die histocytgren Elemente das Bild. Abrgumen und Abkapseln (also Reparation) der kataraktOsen Linsenmassen behglt wghrend des Ablaufes tier Reaktion die Oberhand

Tierexperimente]le Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetica. 13

und verhindert wesentlichen Schaden. So findet sich niemals eine wesentliche Sch~digung der Endothelzellen der t tornhaut , wenn das Auge 1, 2, 3 oder 4 Tage nach der Diszission histologisch untersucht wird. Auch die mikroskopische Untersuchung des lebenden Auges mit Hflfe der Spaltlampe und des Hornhautmikroskopes stimmt mit dem histologischen Bild fiberein: eine eveatuelle Schi~digung der Endothel- zellen durch ausgiebigen Kontakt mit den kataraktSsen Linsenmassen bleibt gering und iibersteigt nit die Fi~higkeit des Endothels den Schaden zu reparieren. Phagocytose des Linsenmaterials dureh die Endothe] - zellen mag vorkommen, wurde aber kaum je bei einer normergischen Reaktion beobaehtet. Es findet sieh keine wesentliche Sch~digung der Hornhautstromazellen. Dementsprechend beobaehtet man keine Vas- cularisation der I-Iornhaut. Die allgemeine Kongestion des vorderen Bulbusabsehnittes (Gef~l~e der vorderen Uvea und perilimbale Gefiil3e) bleibt mi~l~ig, daher kommt es fast nie zum Buphthalmus. Gerade die erhebliche Steigerung der kongestiven, vaseul/~ren Reaktion fehlt hie bei dem hyperergischen Ver]auf. Damit kommt es dann h/iufig zur akuten Ma]acie im isch~misehen Stauungsgebiet des intramuralen GefiiBsystems unweit dos Limbus, was klinisch als Buphthalmus in Erscheinung tritt . Es sei erw/~hnt, dal~ es bei alten Tieren mit Infekten an verschiedenen Stellen des KSrpers am Auge naeh der Diszission der Linse zu einer ,,seheinbar gesteigerten" Reaktion kommen kann. Diese ist gekennzeichnet dureh eine gesteigerte Gef~l~reaktion mit Hyper/~mie, Kongestion und erhShter Permeabilit/~t der Gef/~i~e. Klinisch maehen solche Augen einen starker gereizten Eindruek als die ,,normalen Kontrollaugen". Wir verfo]gten solehe ,,scheinbar gesteigerten" Reak- tionen an 8 alten Tieren mit multiplen Infektionen an verschiedenen Stellen des KSrpers. Die Augen je zweier Tiere wurden in systematisehen Absti~nden naeh der Diszission der Linse histologisch untersucht. Von don histologischen Befunden sei hervorgehoben, dal3 die Sehiidigung des Endothels, auch dort wo es in ausgiebiger Bertihrung mit den kataraktSsen Linsenmassen stand, gering blieb.

Vorbereitende intramuskuldre Ad]uvantin]ektionen, spiiter Diszission der Linse

Um die Antigenit~t schwacher Antigene zu steigern haben sich zahl- reiche Autoren in den vergangenen Jahrzehnten sog. Adjuvantinjek- tionen bedient. Die Tiere der vor]iegenden Gruppe erhielten wSchentlich eine intramuskul//re Injektion yon ] - -2 cIn s , ,Adjuvant", je i cm 3 ent- haltend 0,5 cm 3 MineralS1, 0,5 cm ~ Aquaphor und 1 mg hitzegetSteter, gewaschener Tuberkelbaeillen. Die erste Operation der Linse wurde meist nach 3 4 Adjuvantinjektionen, etwa 3 Wochen nach der ersten

14 I-Io~sT MiJLLEI% :

vorgenommen. D u t c h diese Versuche sollte gekl~r t werden ob es gelingt , ohne pa ren te rMe Zufuhr yon Linse, durch a l lgemein vorbere i t ende Ma~- nahmen , ein Tier de r a r t umzustimmen, seine l%eaktivit~t de r a r t zu ~indern, dab einer sp~teren Diszission eine gesteigerte , hypererg ische g e a k t i o n folgt. U n t e r solchen Bedingungen s tehen in dieser Gruppe 26 ges te iger te hypererg ische t%eaktionen 8 normerg ischen gegenfiber. Al lerdings fiel oft das verzSgerte Anste igen der Re a k t i one n auf, verzSger t im Vergleich mi t den spezifisch gegen Linse sensibi l is ier ten Tieren. Es soll a m Schlul~ der Arbe i t d i sku t i e r t werden, ob es bei den mi t in t ra- musku la r en A d j u v a n t i n j e k t i o n e n vo rbehande l t en Tieren, nach Befrei- ung der eigenen Linsenmassen , zur Bi ldung eines komplexen Ant igens k o m m t und d a m i t innerha lb weniger Tage zu einer lokMen, hyper - ergischen R e a k t i o n als Zeiehen einer Kombina t ionsMlerg ie . Die genaue W i r k u n g der A d j u v a n t i n j e k t i o n e n ist n ich t bekann t . Einerse i t s wird die Ste igerung der Antigenit~it schwacher Ant igene angenommen, auf der ande ren Seite mul~ m a n an eine Ste igerung der g e a k t i v i t a t des Organismus denken , im Sinne einer , ,S t re s s -Wirkung" . Als typ i sche Beispiele dieser Gruppe seien folgende Fiil le mi tge te i l t :

N~-. 66. Nach 4 vorbereitenden intramuskuli~ren Adjuvantinjektionen, 31/2 Wochen naeh der ersten, wnrde die rechte Linse diszidiert. Die Befreiung der Linsenmassen fiihrte zu einer schweren geaktion des reehten Anges. Erst nach 12 Tagen begann die geaktion abzuklingen, das Auge war noeh m~llig gereizt, als es 17 Tage nach der Operation enucleiert wurde. Kennzeichnend war das lang- same Ansteigen der Reaktion, die erst 7 Tage nach der I)iszission als ausgesprochen gesteigert, Ms hyperergisch zu bezeichnen war. Jetzt land sieh eine schwerste IKyperiimie der Iris und der perilimbalen Gef~lle. Beginnende Hornhautvasculari- sation. Die Resorption der dichtweillen Kataraktmassen, welche die Vorder- kammer ffillten, hatte bereits begonnan. Aus dem histologischen Befund des nach 17 Tagen enucleierten rechten Auges ist yon Interesse, dull sich eine schwere Schiidigung des Endothels land, dort wo es in ]~erfihrung mit den katarakt6sen' Linsenmassen stand (s. Abb. 3).

Nr. 62--73. Die 12 Tiere dieser Gruppe wurden alle gleichzeitig und gleich- ar~ig vorbereitet. Sie erhielten wSchentlich eine intramuskuliire Injektion yon 2 cm 3 Adjuvant (enthMtend 1 cm 2 MinerM6l, 1 cm 3 Aquaphor und 2 mg hitze- gettiteter Tuberkelbacillen). 1Kach 4 vorbereitenden Injektionen, 31/2 Woehen nach der ersten, wurden alle rechten Augen operiert und 2 Woehen spiiter alle linken Augen. I)rei nichtvorbereitete Kontrolltiere (C 1, C 2, C 3) wurden gleichzeitig mit den rechten Augen der Tiere Nr. 62--73 und 2 Wochen spi~ter mit den linken Angen der vorbereiteten Tiergruppe operiert. Bei den Kontrolltieren wurde die Linse jeweils durch I)iszission ausgiebig aufgewirbelt und in die Vorderkammer gebracl~t,. Wit schenkten folgenden beiden Yragen besondere Aufmerksamkeit:

1. Welchen Einflull haben vorbereitende intramuskul~ire Adjuvantinjektionen auf eine spi~tere Diszission der Linse des ersten Auges und auf die 2 Wochen spitter vorgenommene l)iszission der Linse des zweiten Anges ?

2. Zeigen die Versuchsergebnisse wesentliche Un~erschiede, wenn an Stelle einer Diszissio~ der Linse die Injektion einer halbgesiittigten Kochsalzliisung in die Linse durchgefiihrt wird ?

Tierexperimentelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogene~ica. 15

Die Ergebnisse fiir die Tiere Nr. 62--73 ]assen sieh folgendermagen zusammen- fassen: Keines der Kontrolltiere zeigte eine starke l~eaktion. Rechte Augen: 2 unbedeutende, 1 milde Reaktion; ]inke Augen 2 Wochen sparer operier~: I unbedeutende, 2 milde Reaktionen. Der Effekt der vorbereitenden Adjuvant- injektionen war unzweifelhaft. Bei diesen Tieren waren 19 I~eaktionen starker Ms normal, d. h. hyperergisch. Bei den 5 normergischen Reaktionen sind die I~eak- tionen der reehten Augen yon Nr. 7i, 72 und 69 mitgerechne~; bei diesen Augen wurde Kochsalz in die Linse injizier~, jedoeh unterblieb eine zus~tzliche Zerst6rung

Abb. 3. Nr. 66. Nach 4 vorbereitenden Adjuvantinjektiormn intramuskul/~r, Diszission der Linse. Nach 7 Tagen hatte sich eine gesteigerte, hyperergische l=~eaktion entwickelt. Enucleation nach 17 Tagen. Katarakt6se Linsenmassen ftillen die Vorderkammer. Die Abr~umzellen (Makrophagen, Monocyten) bleiben an der Oberfl~che der Katarakt; reichlich Kerntrihnmer. Dort wo die kataraktSsen Linsenmassen im Koutakt mit dem Endotbel stehen kommt es bei hyperergischer t~eaktionsluge zur schweren Sch~digung" tier Endothel- zellen. Die Aufnahme zeigt die Randzone eines solehen Bezirkes. Links noch gesunde Endothelzellen. Rechts nut einzelne spindelfSrmige Zellen, Endothelzellen versuchen die

Descemet zu ttberkleiden. :Mhl~ige Sch~odigung der anliegenden ttornhautzellen.

der Linsenkapsel. Wie oben bereits erw/~hnt ist eine ZerstSrung der Linsenkapsel notwendig, da sonst binnen weniger Tage nach der Operation die Wunde in der Linsenvorderkapsel durch fiberwachsende Fibropl~sten weitgehend geschlossen wird, wovon wit uns an zahlreichen histologischen Schnitten iiberzeugt h~ben. Wird diese Situation yon Nr. 71, 72 und 69 ber/icksichtigg, dann stehen 2 norm- ergisehe Reaktionen 19 hyperergisehen l~eaktionen bei den mit intramuskul/~ren Adjuvantinjektionen vorbereiteten Tieren Nr. 62--73 gegentiber.

Die folgende Tabelle 1 gibt an, wieviel Augen unter den versehiedenen Be- dingungen normergisch oder hyperergiseh reagierten. Es sei wiederholt, dab die Vorbereitung mit intramuskul/~ren Adjuwnt injekt ionen fiir alle Tiere (Nr. 62--73) gleich war.

N a e h v o r b e r e i t e n d e n i n t r a m u s k u l g r e n A d j u v a n t i n j e k t i o n e n s t a n d e n

in d iese r G r u p p e 26 h y p e r e r g i s e h e n l ~ e a k t i o n e n 8 n o r m e r g i s e h e gegen-

t iber . W i r s i n d d a b e i gene ig t fo lgende t h e o r e t i s e h e V o r s t e l l u n g fi ir

16 HORST I~ULLER :

Tabelle 1.

l~eaktion

Unbedeutend . . . . . . . . Normergisch . . . . . . . . . Hyperergisch:

mittelstark . . . . . . . . ausgepr~gt . . . . . . . . stark . . . . . . . . . . .

Art des EingTiffes

Erste Linsenoperation Zweite Linsenoperation

NaCI - NaCI- Diszission Injektion Injekt ion Diszission

Zahl der Augen

0~

il 0

O}l 0}l

mSglieh zu halten: Durch die vorbereitenden Adjuvantinjektionen, welehe jeweils 1--2 mg hitzegetSteter Tuberkelbaeillen enthalten, wird das Tier unger einen geringen, abet kontinuierlichen Toxinspiegel gesetzt. Wird nun dureh die Diszission Linsenmaterial befreit, so ist dieses augenseheinlieh yon gesteigerter Antigenitgt. Gleichzeitig seheint die Reakt ivi t~t des vorbehandelten Tieres gesteigert zu sein. Ob infolge einer erhShten Antigenit~t der sonst harmlos vertragenen autologen Linse, ob infolge einer gesteigerten Reaktivi t~t des Organismus oder ob infolge einer Kombinat ion beider Verhi~ltnisse, jedenfalls ist es auf- fi~llig, dag gegen Ende der ersten postoperativen Woehe die anfgnglieh mit telstarken Reaktionen dieser Gruppe zumeist als ausgesproehen gesteigert, als hyperergisch zu bezeiehnen sind.

Diszission der Linse und intraven6se In]ektion von Tox in .

Neun junge, normale, erwachsene Albinokaninehen erhielten am Tage vor oder am Tage naeh der Diszission der Linse eine intraven5se Toxininjektion. Uber die Toxicit~t des dabei verwandten Colitoxins waren wir unterrichtet durch gleiehzeitigen, ausgiebigen Gebrauch des gleichen Toxins in Untersuchungen zum oeularen Shwartzman-Phi~no- men. Shwartzmanaktives Toxin wurde yon 2 Stiimmen des Bacterium coli in fiblicher Weise gewonnen. Es wurde in fiber 200 Haut tes ten verwandt nnd in 90 Augen injiziert, meist intr~corneM aber aueh intralimbM, sowie in die Iris und in die Vorderkammer. Zur Kontrolle wurden Augen yon solehen Tieren histologiseh untersueht, die aus- sehlieBlieh 4 em 8 Toxin intraven6s erhalten hat ten (also kehle intra- oeulare Toxininjektion). Es zeigte sieh dabei, dab die intravenSse Toxininjektion keine lolsalisierte Sehgdigung am Auge hervorruft. Da- gegen kann man eine herabgesetzte Farbqualit~tt aller Zellen des Auges beobaehten, einen mgBigen Grad diffuser Basophilie. Wghrend zur

Tierexperimentelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetica. ] 7

AuslSsung des Shwar t zman-Ph~nomens i iblieherweise 4 cm a des in F r a g e s tehenden Toxins in j iz ier t v~lrden (24 S td naeh der lokalen vorbere i - t enden In jek t ion ) erhie l ten die Tiere der vor l iegenden Gruppe nur 1 - - 2 cm a T o x i n in t ravenSs und zwar entweder a m Tage vor oder am Tage nach der Augenopera t ion . Es sei erw~hnt , dab die in t raeornea le I n j e k t i o n einer geringen Menge unverd i inn ten Toxins nur eine m/~gige Sehiidigung tier I t o rnhau t s t romaze l l en bewi rk t und t ibe rhaup t ke ine

Sehi~digung des Endothe ls . I n ke inem der yon nns beobaeh te t en und im Z u s a m m e n h a n g mi t Shwar t zman-Tox in ve rwand ten Augen wurden Ver~nderungen gesehen, welehe verg le ichbar mi t denen gewesen w~ren, welehe n u n m e h r ffir die T ie re dieser Gruppe zu beschre iben sind.

Es sei angemerk t , dal3 sieh gelegentl ieh naeh einer oder naeh wieder- hol ten in t raven6sen In j ek t ionen yon Coti toxin !okal is ier te Shwar tzman- Reak t ionen beobaeh ten lassen; ohne dab z u v o r ein e p rapara to r i sehe , lokale I n j e k t i o n gegeben worden w~re. Eine solehe , ,zuf~llige" Shwar tz- m a n - t / e a k t i o n kann e rkann t werden an ihrer lokal is ier ten N a t u r und ihrem hi~morrhagiseh-nekrot ischen Charak te r mi t der eharak te r i s t i sehen Bloekierung einzelner Venolen durch Verk lumpung nekrot i seher Blut - zellen bei Anwesenhei t anseheinend in t ak te r , unveri~nderter Gefs zumeis t kleiner Ar te r ien in der unmi t t e l ba r e n Naehbarsehaf t .

Die Augen jener 9 Tiere, welehe am Tage vor oder am Tage naeh der Diszission der Linse eine in t ravenSse Toxin in jek t ion e rha l t en ha t t en , reag ier ten besonders sehwer. Wir br ingen 2 eharak te r i s t i sehe Beispiele:

Nr. 45. Die rechte Linse wurde diszidiert und einen Tag spS~ter 1 cm 3 Toxin intraven6s injiziert. Es folgte eine starke Reaktion. Das rechte Auge wurde naeh 5 Tagen enueleiert. ]~ereits 2 Tage naeh der Diszission waren die Linsen- reassert stark eingetrfibt. In einem umsehriebenen Bezirk, wo die katarakt6sen Linsenmassen der I-Iornhauthinterfl&che anlagen, kam es zwischen dem 3. und 5. postoperativen Tag zu einer Erweiehung der ttornhaut. Das histologische Bild war bemerkenswert. Wo die kataraktSsen Linsenmassen in Berfihrung mit der Hornhauthinterfl&ehe standen, zeigte sieh eine lokalisierte Zerst6rung des Endothels und der DEsc~s.wsehen Membran, sowie eine akute Malaeie des Hornhautstromas, welches in diesem lokalisierten Gebiet vSllig nekrotiseh war. Es sei besonders darauf hingewiesen, daft sieh die akute Malaeie anscheinend unabhiingig yon Ge/ii[3en entwickelte und nu t dort, wo die Katarakt in Beriihru~qg mit der Hornhauthinter- /I~che stand (s. Abb. 4 und 5).

Nr. 46. Diszission der rechten Linse. Einen Tag spgter wurde ] cm 3 Toxin intravenSs injiziert. Nach 2 Tagen zeigte die ttornhaut eine milde, 5demat6se Trfibung. Parazentral stand ein groBer Klumpen kataraktSsen LinsenmateriMs in Bertihrung mit der Hornhauthinterflgche, welehe in diesem Gebiet eine gering- wellige Oberfli~cbe zeigte. Am folgenden Tage nahmen die Zeiehen der lokalisierten Erweichung in diesem umschriebenen Bezirk zu, wghrend die fibrige Hornhaut klarer wurde und das geringe Hornhautepithei~Jdem versehwand. Ffinf Tage naeh der Diszission nahm die t~eaktion des rechten Auges zu und wurde stark. Bis zum 10. postoperativen Tag nahm die Reaktion welter zu und war sehlieBlich auBerordentlich schwer, mit aku*~er Xeratomalacie im obe~ erwi~hnten Bezirk,

v. Graefes Archly ffir Ophthalmologie. Bd, 153. 2

] 8 HOI~ST Mi~LLER :

Abb. 4. Ik'r. 45. Diszission der Linse eines normalen I~aninehens, ein Tag sp~ter Toxin- injektion intraven6s. Enueleation naeh 5 Tagen. Dort wo die katarakt6sen Linsenmassen in I~ontakt ]]]it der Hornhautriiekfl~ehe standen, kam es zu einer lokalisierten Hornhaut-

nekrose. I)iese Reaktion war unabh~tngig yon Gef~Ben.

A b b . 5. N r . ~5. S i e h e A b b . 4. D o r t wo die k a t a r a k t S s e n L i n s e n m a s s e n i n ~ o n t a k t mit der Hornhautriiekfl~ehe standen, kam es zn einer lokalisierten IIornhautnekrose. ZerstSrung der Deseemet. Endothelzellen fiberkleiden bereits wieder beide Seiten des freien Deseemetendes. Die innersten Hornhautlamellen lehlen, bier linden sieh einige rote und weil~e Blutzellen und Zelldetritus. Hornhautoberfl~ehenw~irts sind noch sehatten- haft die nekrotischen Strolnalamellen zu erkennen, alle IIornhautzellen sind dort tot.

%Veiter naeh der Oberfl~tche: Fibroplastisehe Reparation.

Tierexperime ntelle Untersuchungen zur Ophthalmia ph~kogene~ica. 19

wo die kataraktSsen Linsenmassen in Berfihrung mit der ttornhauthinterfli~che standen. In der 3. postoperativen Woche begann sich das rechte Auge zu beruhigen. In diesem Zeitpunkt, 19 Tage nach der Operation der rechten Linse, wurde eine Diszission der ]inken Linse durchgeftihrt, die zu einer schweren Reaktion links fiihrte. Gleichzeitig kam es aber ~uch zu einem spontanen Aufflammen der Reiz- erscheinungen am rechten Auge mit einer H&morrhagie in der Vorderkammer und gesLeigerter Hypergmie der Irisgefi~e.

Wir hatten den Eindruck, dab es dnreh die intravenSse Toxin- injektion am Tage vor oder am Tage nach der Diszission zu einer erheb- lichen Toxicit~t des Linsenmaterials kam. Dort wo die kat~raktSsen Linsenmassen in Beriihrung mit der Hornhautriickfl~che standen, kam es an umschriebener Ste]le zur sehwersten Sehs ja zur Nekrose der Hornhaut. Die Reaktionen schienen nnabh~ngig yore Gefs zu sein. Diese schweren t~eaktionen waren aul~erordentlich verschieden yon den gesteigerten, hyperergischen Reaktionen, wie wir sie nach spezifischer Sensibilisierung gegen Linse beobachteten. Uber sie soll sparer berichtet werden. Hier sei nut erw~hnt, dal~ die spgtere Dis- zission der zweiten Linse bei den Tieren dieser Gruppe immer zu besonders schweren Reaktionen ffihrte, was fiir eine inzwischen stattgefundene Sensihilisierung gegen autologes Linsenmaterial und zwar in Verbindnng mit dem in dieser Gruppe angewandt.en Toxin sprach. Um eine direkte Toxinwirkung kann es sich bei diesen spiiteren Reaktionen nicht gehan- del~ h~ben, da in den dazwischenliegenden 3 oder mehr Wochen keine weiteren Toxingaben erfolgten.

Wiederhol~ wurde eine ,,primiire Toxicitiit des Linsenmaterials an sich" behauptet. 24 intraoculare Injektionen kataraktSsen Linsen- materials verschiedener Verdauungsgrade gaben uns fiir diese Auffassung keinen fiberzeugenden Anhalt. Fiinfmal wnrde autologe Linse, 9mal homologe, 10real heterologe Linse injiziert, zumeist in die zuvor ent- leerte Vorderkammer. Die injizierten Linsenmassen fiillten ffir einige Tage die Vorderkammer, wurden dann im zunehmenden Mal~e resorbiert und zwar meist vollstiindig. Zu irgendwelchen dramatischen Re~ktionen kam es dabei nicht.

Sensibilisierung gegen heterologe und homologe Linse in Verbindung mit intramuslculi~ren Ad]uvantin]elctionen.

Die Tiere der Gruppe I a und b wurden sensibilisiert, indem 5 frische heterologe (Ochsen-)Linsen ein oder mehrere Male in die BauehhShle hzw. in eine subcutane Tasche eingebr~cht wurden. Wurde Ochsen- linse mehrma]s verabreicht, so geschah dies im Abstand yon 1 oder 2 Wochen. Alle Tiere dieser Gruppe erhielten aul~erdem intramuskuli~re Adjuvantinjektionen, jede Injektion enthiel~ 0,5 cm 3 Aquaphor, 0,5 cm a MineralSl und 1 mg hitzeget5teter, gewaschener Tuberkelbacillen. Eine

2*

20 HORST Mi~LLER :

Anzah l Tiere, welehe 3-, 4- u n d mehrma l s Oehsenlinse in die Baueh- hShle e inver le ib t bekamen , l eb ten n ieh t bis zur e rs ten Augenopera t ion . Es verb l ieben 29 Tiere. Naeh gehSriger I n k u b a t i o n s z e i t wurden 48 Augen in vor l iegender Gruppe oper ier t . 42mal wurde eine hyperergisehe, 6mal

Tabelle 2.

~ Diszission t typer - ] Norm- [ Nr. des [ der Linne [ ergisehe [ ergische

Gruppe I :Kanin- ] ] Reak t ion ] Reak t ion

Is HO-130 + ] + + + ] HO-131 + + + + I HO-174 + ~ + 1-10-175 + + H0-176 + H0-177 + + H0-178 + + H0-179 + + H0-129 + + + H0-197 + -c H0-200 + + + + H0-201 + + + + H0-202 + + HO-205 + + HO-206 + + Nr. 1 ~- + Nr. 2 + + Nr. 4 + + + +

Ib Nr. 5 + + Nr. 32 + + + + H0-227 + + + + H0-231 + + + + It0-228 + + ~- + H0-232 + + + + H0-230 4- + HO-229 + + + + HO-233 + +

Ie HO-80 + + + + Nr. 87 + + + +

1 R = reehtes Auge, L ~ linkes Auge.

nu r eine normergische l~eakt ion beobach te t . Das reeh te Auge wurde s te ts zuerst , das l inke zu e inem sp~tteren Zeit- p u n k t oper ier t . Die Tabel le 2 zeigt die ein- zelnen VerhMtnisse. I n die gleiehe Tabel le s ind als , , I t " 2 Tiere auf- genommen, welche mi t homologer Linse sensi- bi l is ier t wurden. Wegen der Kos tsp ie l igke i t wur- de diese Sensibi l is ierung gegen homologe (Ka- n inchen-)Linse nur 2real durchgeff ihr t .

Das folgende Bei- spiel schi lder t eine schwers te oeulare l~eak- t ion nach vorangegan- gener Sensibi l is ierung gegen Linse. Die mei- s ten Tiere dieser Gruppe erhie l ten jedoeh n ich t 3- oder 4mal Linse zu- gefi ihrt , d a dies oft n ieh t ve r t r agen wurde. Dem- en t sp reehend waren die

meis ten ocularen R e a k t i o n e n nach Er6ffnung der L insenkapse l n ich t so e x t r e m schwer wie bei dem folgenden Beispiel :

H0-129. Fiinf frische Ochsenlinsen wurden 4m~l in die Bauchh6hle eingebracht und zwar in wSchentlichen Abst~nden. Vier intr~muskuliire Adjuvantinjektionen, 1 Injektion je Woche. Nach 40 Tagen positiver Pr/~cipitinringtest (das erstemal getestet), nach 63 Tagen positive Komplementbindungsreaktion. Nach 3 Wochen Diszission der rechten Linse. Es folgte eine schwere, nekrotisierende Reaktion. Am Tage nach der Diszission rechts fand sioh eine m~gige Iri~is fibrinosa, klare ttornhaut, flache Vorderkammer, Pupille welt ohne Lichtreaktion. Irishyper~mie, ein Schleier yon Fibrin~ussehwitzungen bedeekte die Iris. Die Linse war gequollen,

Tierexperimentelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetica. 21

sie dr~ngt das Irisdiaphragma naeh vorne. Die Linsenkapsel war weir erSffnet, es land sieh nut eine geringe Trfibung des Linsenparenehyms. Bis zum 5. Tage naeh der Diszission hatte sich eine sehwerste h/imorrhagische Reaktion des ge- samten vorderen Bulbusabsehnittes ausgebildet. Die Conjunctivitis hatte zuge- nommen. Kleine H/tmorrhagien an den perilimbalen Gef/~Ben. Beginnende Horn- hautvaseularisation. Die Hornhaut selbst war gering 6demat5s und insgesamt leieht trfibe. Die fibliehe Beobachtung an der Spaltlampe zeigte, dab die katarak- tSsen Linsenmassen in Berfihrung mit der Hornhauthinteffl/~ehe standen. Ver- st~rkte Eintrfibung der befreiten Linsenmassen. Sehw/~rzliehe Veff~rbung der Iris info]ge der massiven, hamorrhagisehen Reaktion. M/~giger Buphthalmus. Sieben Tage nach der Diszission land sieh eine frisehe Nachblutung in die Vorder- kammer. Die Vaseularisation der Hornhaut hatte keine wesentliehen Fortschritte gemaeht, jedoeh hatte die diffuse Triibung des I-Iornhautparenehyms zugenommen. Dies ist yon Bedeutung, da in analogen F/~llen, die in diesem Stadium enueleiert wurden, sieh gezeigt hat, dab die Kerne des Hornhautparenchyms sehwere Seh/~di- gungen im Sinne einer Nekrobiose aufweisen. Diese Kernseh/~digungen einer grSBe- ren Anzahl yon Hornhautzellen geht der Vaseularisation der Hornhaut voraus. In den folgenden Tagen zeigte sieh eine Art Demarkations]inie in den tieferen Sehiehten der Hornhaut. Bis zum 16. Tage naeh der Diszission bildete sieh eine sehwerste nekrotisierende Hornhantreaktion aus. Eine zentrale, seheibenfSrm~ge Partie der ttornhaut war dieht weiB opak. Tiefe-Xascularisation -con allen Seiten. Histologiseh fand sich nach dsr Enucleation am 17: Tage auBer der schon klinisch eindrucksvollen ttornhautnekrose eine entsprechend sehwere Reaktion des gesamten vorderen Bulbusabschnittes mit nekrotisierender Vasculitis der Iris und ausge- dehnter Nekrobiose des Irisgewebes. Es war typiseh, dab der hintere Bulbus- absehnitt relativ ruhig war (s. Abb. 6--8). Eine Woche nach der Diszission der reehten Linse wurde die linke Linse diszidiert. Am Tage naeh der Diszission war die Hornhaut fast Mar. Es Iand sieh eine m/iBige Iritis Iibrinosa. Die Vorder- kammer war gering abgeflaeht dutch die quellende Linse, die das Irisdiaphragma naeh vorne dr/ingte. Zwei Tage naeh der Diszission stellte sieh eine zunehmende h/imorrhagisehe Reaktion ein. In den folgenden Tagen kam es zur fortsehreitenden Hornhautvaseularisation. Erst naeh dem i0. Tage nahm die h/tmorrhagisehe Irisreaktion langsam ab. Die weiBen, katarakt6sen Linsenmassen wurden resorbiert. Die histologisehe Untersuehung, 26 Tage naeh der Diszission, zeigte eine sehwerste monoeyt/tre Reaktion, vorwiegefid jedoeh wiederum nur des vorderen Bulbus- absehnittes.

F i in fmal wurden die ka ta rak t6sen Linsenmassen des einen Auges in versehiedenen Zeitabst~inden naeh der Diszission aspiriert u n d in die vorher ent leerte Vorderkammer des bis dahin unber i ih r ten zweiten Auges injiziert . Zu einer wirklieh s tarken g e a k t i o n in den zweiten Augen kam es dabei niemals, meist sogar war diese Prozedur sehr harmlos. Eine zureiehende Erkl / i rung kSnnen wir flit diese Beobaehtung nieht geben, es sei jedoeh da ran erinnert , dab ant igenes EiweiB, welches dureh eine Ant igen-Ant ikSrper reakt ion pr/teipitiert wurde, n ieht mehr an t igen ist, d. h. n ieh t ein zweites Mal dutch neue AntikSrper pr/teipi- t ier t wird.

Es war auffMlend, dab es naeh Operat ion der ersten Augen niemals zu einem spon tanen Entz i indungsprozeg an dem unber i ih r ten zweiten Auge kam. Auffiilliger war, dab aueh bei der Diszission der zweiten

22 Hois t Mi)LL~:

Linse in sensibil isierten Tieren mi t naehfolgender starker Reakt ion ein Auf f lammen des Prozesses im zuvor operier ten ersten Auge nu r aus- nahmsweise beobaehte t wurde. E in Beispiel sei naehfolgend erw~hnt :

H0-179. FiinI frisehe Ochsenlinsen wurden einmal in die BauehhShle ein- gebraeht. Eine intramuskulare Adjuvantinjektion. Nach 3 Wochen wurde die reehte Linse diszidiert, die Reaktion des rechten Auges war nur normergisch. Naeh 31 Tagen wurde die ]inke Linse diszidiert. Es folgte eine ausgepr~gte Reaktion.

Abb. 6. t i 0 - 1 2 9 , I%. N a e h spezif iseher Se~sibilJsierung gegen Oehsenlinse in V e r b i n d t m g m i t A d j u v a n t i n j e k t i o n e n intramt~skulfir wurde die Linse des his d a m n unbe r t ih r t en Auges diszidier t . Es folgte eine sehwers te a l le rg isch-hypererg isehe l~eakt ion des g e s a m t e n vo rde ren Bu lbusabschn i t t e s . Enuc lea t ion n a c h 17 Tagen . V o m L i m b u s aus k a m es zu einer d ich ten Vaseu l a r i s a t i on aller H o r n h a n t s e h i e h t e n (a), die einen sche ibenf6rmigen , nekro t i sehen I - Iornhautbez i rk umsehlol] (b). I n d iesem s ind die m e i s t e n t t o rnhau tze l l en geschf idigt

oder abges to rben ; reichlich e inkern ige Wanderze l len . K a t a r a k t 6 s e L i n s e n m a s s e n ffillen die V o r d e r k a m m e r .

Nach 12 Tagen flammte der Engzfindungsprozeg an beiden Augen, links mehr als an dem zuvor schon v611ig beruhigten rechten Auge, wieder auf. Das spontane Rezidiv fiihrte am linken Auge zu einer starken (hyperergisehen) Reaktion.

Sensibilisierung gegen autologe Linse in Verbindung mit intramuskul4ren Ad]uvantin]ektionen.

I n der ~ e h r z a h l der Tiere dieser Gruppe wurde eine Diszission der Linse des ersten Auges als vorbereitende Maflnahme durchgeffihrt u n d so ~utologes Linsenmater ia l in ' Z i rkula t ion gebrach~. Die meis ten dieser Tiere erhielten aufierdem intramuskuli~re Ad]uvantin]dctionen. Einige Tiere jedoch erhiel ten intraven6se In]el~tionen yon Toxin, aber n u t an- l~tBlich der vorbere i tenden Linsendiszission im ersten Augc. W~hrcnd

T i e r e x p e r i m e n t e ] l e U n t e r s u c h u n g e n z u r 0 p h t h a l m i ~ p h a k o g e n e t i c ~ . 23

Abb. 7. ] :I0-129, R (s. Abb . 6). Anssohn i t t aus der zent rg len , scheibenfOrmigen I=Iornhaut- nekrose . Es l i nden sich keine l ebenden t t o r n h a u t z e l l e n . Die K o n t u r e n der Lame l l en

s ind verquol len . E inkern ige ~Vanderzellen.

Abb . 8. HO-129 , R . Bei dem gegen Linse sensibi l is ier ten X g n i n c h e n k a m es n a o h Dis- zission der eigenen Linse zu ein.er schwersten, hyperergischen ]~eaktion des gesamten vorderen Bulbusabschnittes. Die Aufnahme zeigt einen nekrotischen Irisabschnitt. Links

unten ist noah norluales Irisgewebe mit guter Kernf~trbm~" erkennbar.

24 HoisT M~Lr ~R:

der, Inkubationszeit (meist 3 Woehen, in 2 F~llen 10 Wochen) wurde kein weiteres Toxin zugeffihrt. Es wurde Shwartzmanaktives Toxin des Bacterium eoli benutzt, welches wir in anderem Zusammenhang ausgiebig {iir Untersuchungen des Shwartzman-Ph/~nomens am Auge benutzt haben. Die Toxicit~t sowohl lokM am Auge als auch naeh intravenSser Injektion wurde ausgiebig getestet. Die intraven6se In- jektion von 1--2 em ~ hinterliiBt am Auge des Kaninehens keine lokMi- sierten Schi~den.

Abb. 9. t iO-184, L. Gegen ~utologe (kSrpereigene) Linse sensibilisiertes Kan inehen . Du tch Diszission der Linso des ers ten Auges wurde kSrpereigene Linse in Zirkulat ion gebraeht . I n t r amuskn l~ re Adjuvant in jek t ionen . Die Diszission der Linse des zweiten Auges, 3 Ve'oehen sp/~ter, ffihrte zu e~ner hyPerergisehen Reakt ion. Enucleat ion nach

12 Tagen. Nekros Perivaseul i t is eines Irisgef~Bes m i t Verquellung des Gef/ tgmesenchyms.

Die vorliegende Gruppe umfal~t 29 Augen, yon denen 26 stark (hyperergiseh) reagierten, w~thrend die Reaktion yon 3 Augen nieht fiber das MM3 der normergisehen Reaktion hinausging.

Zusammen/assend l~tl3t sich sagen, dab Kaninehen gegen heterologe, homologe oder autologe Linse sensibilisiert wurden, in Verbindung mit intramuskul~Lren Adjuvantinjektionen. Naeh geh5riger Inkubationszeit wurde dureh Diszission autologes Linsenmaterial freigemaeht. Unter diesen Bedingungen folgte bei 77 Augen naeh Diszission der Linse 68real eine gesteigerte hypererg,:sehe Reaktion. Dabei handelte es sieh 29real um Sensibilisierung gegen autologe Linse. 26 dieser Reaktionen verliefen hyperergiseh.

Tierexperimentelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetica. 25

Zur Morphologie der hyperergischen Reaktion ist zu sagen, dab sie nicht dem Wesen, sondern nur dem Grad nach yon der normergischen Reaktion untersehieden ist. Die ,,Zellen" der normergischen und hyper- ergischen l%eaktion sind also die gleichen. Letztere unterseheidet sich yon der ersten nicht durch einzelne morphologische Elemente, sondern durch die durchgreifende tIeftigkeit der Reaktion, mit welcher die reparatorischen Vorg~nge nicht Schritt halten kSnnen. Daher beherr- schen die begleitenden Schgden bald v61tig das Bild der hyperergischen lgeaktion. Es kommt zur Sch~digung oder ZerstSrnng des Hornhaut- endothels und der Hornhautstromazellen, am Limbus oft zur hypoxgmi- schen Gewebserweichung infolge der kongestiven, vascul~tren Reaktion des gesamten vorderen Bulbusabschni~tes. Die gegen die Linse ge- richtete cellul~tre Reaktion ist ausgesprochen monocy%ar. Leukocyten finden sich nur im allerfriihesten Stadium und unter speziellen Be- dingungen. Dies ist ein markanter Gegensatz zu allen bakteriellen Infektionen, welche im Kaninchenauge eine ausgesprochen leukocyts l~eaktion (segmentkernige Leukocyten) hervorrufen. Die Oberfl~tche der kataraktSsen Linsenmassen ist meist mit Makrophagen dicht besetzt. Makrophagen mit phagoeytiertem Linsenmaterial sind im Kammer- winkel auffindbar. In der N~the des Pupillarsaumes linden sich spindel~ fSrmige Zellen fiber der Oberfls der yon Kapsel entblSBten katarak- tSsen Linsenmassen. Fibrocyten versuchen stets die kataraktSsen Lin- senmassen abzukapseln, ein Versuch des bei der normergischen Reaktion oft vollkommen gelingt, bei der gesteigerten, hyperergisehen Reaktion aber meist ungeniigend bleibt. Dort, wo die kataraktSsen Linsenmassen in Kontakt mit dem Endothel stehen, werden bei der hyperergischen l%eaktionslage die Endothelzellen stark geschs ; oft auf weite Strecken bin zerst6rt. Ist dies der Fall, se kommt es meist zu einer Schs oder Zerst6rung der anliegenden Hornhautstromazellen, oft zu einer generalisierten Seh~digung einer grogen Anzahl yon Hornhautzellen. Letzteres zieht meis t eine Vascularisation der t tornhaut nach sieh. Die perilimbalen Gef~ge werden stark hyper~miseh und beginnen sehlieglieh yon allen Seiten in die I tornhaut vorzudringen. Morpho- logiseh lassen sieh deutlieh versehiedene Zonen der ItornhautvaseularL sation erkennen. Am progressiven t~and kommt es zu freien Blutungen zwisehen die Hornhautlamellen. Ansehliegend findet sieh eine Zone wirr durcheinandergehender Capillaren. Von ihnen waehsen Endothel- zellen in das Gebiet der Blutungen ein und bilden dor~ neue Capillar- rShren. Ansehliegend, naeh dem Limbus zu, findet sieh ein Gebiet etwa radi~r geordneter Capillaren, von weiterem Lumen, aber immer noeh einzeilig yon Endothe! ausgekleidet. Bei der Bespreehung der norm- ergisehen l~eaktion wurde erw~hnt, dab der Kontakt der kataraktSsen Linsenmassen mit dem Hornhautendothel keine Seh/~digung hervorruft,

26 Ho~s~ MTJLLEI~ :

mit denen die reparativen Vorg~nge, d. h. vor allem das l~egenera- tionsverm6gen des Endothels nieht Sehritt halten k6nnte. ]~ei der hyperergisehen geakt ion finder sieh jedoeh nieht nut eine erheblieh gesteigerte Seh~digung des Endothels, sondern aueh eine gesteigerte Reaktiviti~t der Endothelzellen. Im histologisehen Sehnitt lggt sieh beobaehten, dab Endothelzellen katarakt6se Linsenpartikel phagoey- tieren. Im Versueh katarakt6ses Linsenmaterial, das der t tornhaut- rfiekfl~ehe anliegt, abzukapseln, kann es zu starker Proliferation der Endothelzellen kommen. Die hieraus stammenden Spindelzellen sind von Fibroplasten anderer Herkunft nieht zu unterseheiden. Phago- eytierende Endothelzellen sterben. Dutch erw~hnte Proliferation ist die funktionelle Integrit~t des Endothels aufgehoben, abet beides seheinen nur Teilfaktoren beim Zustandekommen der Endothelseh~digung zu sein.

Liiflt ~ich die ursi~chliche Mitbeteiligung ei~er In/elction wahrscheinlich machen oder nachweisen ?

Dag dureh den operativen Eingriff Mikroorganismen in das Auge eingeschleppt werden, welche urs~chlich die besehriebenen hyperergi- schen Reaktionen bedingen, kann dureh unsere Untersuchungen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Beispielsweise schtieBen negative Ziiehtungsversuche auf N~hrbSden Virus oder l~ickettsien nicht aus. Trotzdem neigen wir aus folgenden Grfinden der Auffassung zu, dab keine ein/ache ursgchliche Bedingtheit der beschriebenen Reaktionen dureh bakterielle Infektionen bestand. Die Chancen ffir eine bakterielle Infektion waren ffir alle beteiligten Augen grundsi~tzlich gleich. Von den 23 ,,normalen Kontrollen" reagierten 22 normergisch. Von 77 Augen sensibilisierter Tiere reagierten 68 hyperergiseh. Dies sprach gegen eine einfaehe Infektion als Ursaehe der gesteigerten Reaktionen. Die ver- gleiehende Anwendung yon Antibiotica hatte lceinen Einflufl auf Art und Stiirlce der Realction. Diese Erfahrung spraeh nicht fiir die Mit- beteiligung bakterieller Infektionen. Wiederholte Prfifung intraoeularen sowie des zur intraoeularen Injektion verwendeten Materials auf Balc- terienni~hrbgden verliefen in der iiberwiegenden Mehrzahl der F_glle negativ. Vereinzelte F~lle yon Infektionen im Znsammenhang mit den operativen )/[aBnahmen, wurden aus dem Material ausgesehieden. Es wurde versehiedentlieh Material aus der Augenvorderkammer sehon zn sehr friihem Zeitpunkte abgenommen, n~mlieh 12, 24 und 48 Std naeh Diszission. Dies gesehah nm den Einwand auszusehlieBen, dag selbst bei dem sieheren Vorliegen einer geringgradigen, intraocularen, bakteriellen Infektion eine Priifnng auf Bakterienn~hrbSden naeh 10, 12 oder mehr Tagen negativ bleiben kann. Demnaeh ist zusammen- fassend zu sagen, dab aueh die bakteriologisehe Xontrolle nicht ffir die wesentliche Mitbeteiligung bakterieller Infektion spraeh. In beson-

TierexperimenteHe Untersuchungen zur Ophthglmia phakogenetica. 27

deren Versuehen infizierten wir Kaninehenaugen dureh Injektion apatho- gener Keime, Saprophyten und Fungi. ~lberschritt die Infektion einen gewissen Schwellenwert, so kam es zu iqeizerscheinungen, die mit zu- nehmender Schwere der Infektion bis zur Endophthalmitis und Pan- ophthalmie mit sp/~ter folgender Phthisis bulbi anstiegen. Die resultie- renden Bilder waren vSllig verschieden yon den unter dem Bride der Ophthalmia phakogenetica beobachteten tleaktionen und mit diesen nicht verwechselbar. Auch diese Untersuchungen sprachen nicht ffir die Mitbeteiligung bakterieller Infektionen bei den in dieser Arbeit be- riehteten Beobachtungen (s. Abb. 2).

Diskussion der Ophthalmia phakogenetica. Ans dem kurzen Bericht fiber das Schrifttum zur Ophthalmia

phakogenetica gingen die scharfen Widersprfiche bezfiglich ihres Vor- kommens und ihres Wesens hervor. Zu manchen Widersprfichen schieu es jedoch auf Grund zahlenm~l~ig kleiner Untersuchungen unter sehr vereinfachten ]%dingungen gekommen zu sein. Es scheint uns gewagt auf Grund der Untersuchung v0n 11 Tieren (ScoBEE 1944), die Frage der Linsenanaphylaxie bejahen zu wollen. Eingeschr~tnkte, zu sehr vereinfachte Versuchsbedingungen bringen Ergebnisse, die in ihrer Verallgemeinerung zum Irr tum ffihren. Ein ]~eispiel ist vielleicht die eingangs zitierte Ablehnung, ,,weft nach subconjunctivalen oder sub- cutanen Einspritzungen yon 6--60 Linsen kein Arthusph~nomen, j~ fiberhaupt keine gesteigerte l%aktion folgte". H~lt man eine solche Ablehnung fiir gesichert, so bleibt zu bedenken, dab die Linse unter zahlreichen Bedingungen ein anerkannt schwaches Antigen ist, wie auch andere Substanzen mit nur geringer Artspezifitiit, die ja bei der Linse gegenfiber ihrer Organspezifits so gering ist, dal~ man sie zeitweilig fibersah. Hier sind manche experimentellen Untersuchungen der letzten Jahre ffir uns aufsehluBreich. Bedient man sich eines wi~Brigen Extraktes yon Gehirnsubstanz, so gelingt es kaum oder nur nach vielen Dutzenden yon Injektionen, eine ,,organspezifische", hyperergische Erkrankung (bier eine Encephalitis) zu erzeugen. I~egelm/il~ig und sehon naeh weni- gen Injektionen tr i t t diese auf, wenn man einen alkoholischen Extrakt , der die Lipoidfraktion einschliel3t und eine Kombinationsmethode (z. B. Adjuvantinjektionen) benutzt. KABAT (1948) vermutete, dal~ die Lipoid- fraktion eine wesentliche l~olle ffir die Organspezifit~tt, d .h . fiir die organspezifische Lokalisation der hyperergischen Reaktion spiele. Xhn- liche Zusammenh~nge scheinen zwischen Keratinen der Haut, Lipoiden und Organspezifit~t vorzuliegen (ItAxTHAUSEN 1949). Auch ffir die Linse wurde ein Zusammenhang zwischen Lipoiden und Organspezifits angenommen (VV-ITEBSKY 1928). Xgaeh allem scheint es jedenfalls ratsam, sich bei dem Versuch einer Sensibilisierung gegen Linse nicht nur an

2 8 HOBST M~LLEI~ :

die Proteine zu halten. Wir haben daher stets die frische, gesamte Linse parenteral zugefiihrt. Wenn nun trotz vorbereitender Injektionen von Linsenmaterial Zeichen eines Arthusphi~nomens ausbleiben, so sehlielBt dies hyperergische Reaktionen anderer Art nieht ohne weiteres aus. Meist ist das Arthusphi~nomen der Ausdruck einer hochgetriebenen Sensibilisierung gegen ein Eiwei~; die Sofortreaktion wird dureh dieses EiweiB ausgelSst, humorale AntikSrper lasseu sich durch den Pr~tcipitin- test oder durch passive Ubertragung nachweisen, die Anwesenheit yon Gef~lBen scheint wesentlieh, da man die Reaktion durch Injektion des antigenen Eiweiitss in die Mitre der gefi~l~losen Hornhaut kaum aus- 15sen kann, wahrend es nach Diffusion des Antigens zum gef~re ichen Limbus hin dort zur l~eaktion kommt.

Andere hyperergische Reaktionen sind recht verschieden. Sie ent- wickeln sich oft nur zSgernd, humorale AntikSrper lassen sich weder durch Pr~tcipitierung noch durch passive 13bertragung nachweisen, die lJberempfindlichkeit scheint omnicellul~r zu sein und damit kann die Reaktion aueh in gefaBlosen Bezirken (z. B. Hornhautmit te) ausgelSst werden. Eine solche Sensibilisierung findet z. B. dutch die parenterale Zufuhr lebender oder toter Mikroorganigmen start. Man spricht daher von einer Infektallergie, um sie yon der Eiwei~anaphylaxie zu unter- scheiden. Zur AuslSsung der Reaktion geniigt eine EiweiBfraktion des urspriinglichen Gesamtantigens. Was den Tuberkelbacillus angeht, so hat man gefunden, dal~ seine Waehsfraktion die besehriebene, ver- zSgerte, omnicellul~re Reaktion bedingt (RAFFA~L 1948). Koppel t man z. B. die Wachsfraktion des Tuberkelbacillus mit gewShnlichem Hfihnerei- protein und sensibilisiert damit ein Meerschweinchen, so entsteht eine Uberempfindlichkeit v o m Typ der Infektallergie. Einmal etabliert, genfigt das Hfihnereiweil~ allein, um die Reaktion auszulSsen, z .B. dureh Injektion in die gefi~lBlose Hornhautmit te . Eine gleiche Injektion 15st keinerlei erkennbare Reaktion aus, wenn das Meerschweinchen n u t

gegen Hfihnereiprotein sensibilisiert wurde. hTehmen wit an, dab bei einer tierexperimentellen Untersuehung zur

Ophthalmia phakogenetica alle geschilderten Umstgnde beachtet werden und sich t rotzdem in einem vorbehandelten Tier durch Diszission der Linse keine hyperergische Reaktion erzeugen l~fit. Vielleieht weft es sieh in allen Phasen des Versuches um ,,vSllig normale, natiirliche und unvergnderte" Linse gehandelt hat ? Dieser Zustand wird yon einigen znr Bedingung gemaeht. Wird Linsenmaterial durch Diszission aus der Kapsel befreit, mit Kammerwasser vermischt, kataraktSs umgewandelt, abgebaut und resorbiert; wieweit ist es unter solchen Umsti~nden sinnvoll, die Verursachung einer fraglichen Ophthalmia phakogenetiea auf vSllig normale, natiirliehe und unvergnderte Linse einzusehri~nken ? Lockert man die Bedingung, etwa: ,,biologisch ebenso indifferent wie

Tierexperimentelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetica. 29

die vSllig normMe, unveri~nderte Linse", unter Hinweis auf die durch- g~ngige Harmlosigkeit der Diszission einer Kaninchenlinse (22 yon 23 Augen der normalen Kontrollen reagierten milde), so bleibt noch immer die Voraussetzung, dab es sieh bei dem Versuchstier um einen ,,gesunden, jungen, erwaehsenen Organismus" handelt. Ffir den Men- sehen dfirfte dies nieht oft zutreffen. Dutch vielf~ltige Infektionen kann seine Reaktivit~t vSllig ver~ndert sein, oder er beherbergt lebende, abgesehw~ehte oder tote Mikroorganismen. Es seheint uns daher durehaus zul~ssig, ja wfinsehenswert, unter i~hnliehen Bedingungen die M6gliehkeit einer Ophthalmia phakogenetiea tierexperimentell zu unter- suehen. Dies gesehah mittels der intramuskul/~ren Adjuvantinjektionen, entweder-als alleinige Vorbereitung der Tiere oder im Zusammenhang mit gMehzeitiger, spezifiseher Sensibilisierung dutch wiederholte, parenterale Einbringung ganzer friseher Linsen. Im letzteren FMle enthielt jede Adjuvantinjektion (1 em 3) 1 mg hitzeget5teter Tuberkelbaeillen. Solange diese Dosis Mlein (ohne Linse) zur Vorbereitung verwandt wurde, war die Wirkung nieht fiberzeugend. Naeh Diszission der Linse standen 7 hyperergisehe Reakt[onen 6 normergisehen gegenfiber. In einer anderen Gruppe wurden alle 12 Tiere gleiehm~gig vorbereitet und erhielten mit jeder Adjuvantinjektion (2em a) 2mg hitzegetSteter Tuberkel- baeillen. Naeh der ersten Diszission standen hier 9 hyperergisehe l~eaktionen 3 normergisehen gegenfiber.

Es sei nieht versehwiegen, dag wit fiber den Wirkungsmeehanismus der prgparatorisehen Adjuvantinjektionen sehr wenig wissen. Von der vorliegenden Untersuehung konnten hierzu keine Aufkl~rungen erwartet werden. Versuehen wir trotzdem die beriehteten Beobaehtungen zu verstehen, so bleibt es bei einem Erw~gen yon MSglichkeiten. Wqeder- holt fiel die langsame Entwicklung der l~eaktion auf, die manehmal erst nach mehreren Tagen ihren HShepunkt erreichte. Es IieBe sich denken, dages zwisehenzeitlieh zur Bildung yon AntikSrpern kam und demzufolge zu einer gesteigerten 5rtliehen I~eaktion. Da Gleiehartiges bei jungen, gesunden, nieht mit Adjuvant vorbehandelten Kaninehen kaum einmal beobaehtet wird, liegt es nahe an eine Veriinderung, ein Antigenwerden der befreiten Linsenmassen zu denken, das ursgehlieh mit dem zur Vorbereitung intramuskul~tr injizierten Mal~erial zusammen- h~ngt. Es kSnnte zur Bildung eines ,,komplexen Antigens" kommen. Im Gebiet der KombinationsMlergie gibt es hierf/ir zahlreiehe Beispiele. Die Vermutung, dab die befreiten Linsenmassen unter Adjuvantwirkung antigen werden, wird dureh die I~eaktionen naeh zweiten Diszissionen gestfitzt. Neunmal wurde die ]Anse unter der gemeinsamen Voraus- setzung diszidiert, dab einige Woehen zuvor, gelegentlieh einer ersten Diszission der Linse, aueh die erste intramuskul~re Adjuvantinjektion gegeben wurde. Die MSgliehkeit war also gegeben, dag es zwisehen-

30 I-IoRsT ~/[D'LLER :

zeitlich im Zusammenhang mit der Adjnvantwirkung zu einer Sensibili- sierung gegen die k6rpereigene Linse gekommen war. Die Diszission fiihrte in allen 9 Augen zn einer gesteigerten, hyperergischen Reaktion.

Unter Ausschlul3 einer einfachen Infektion dnrch den operativen Eingriff bezeichneten wir aIs Ophthalmia phakogenetica eine Erkran- kung des Anges, die in wesentlichem und urspriinglichem Zusammen- hang mit der Linse steh~. Werden die physiologischerweise abgekapselten und mit Gef~Ben nicht in Beriihrung stehenden Linsenmassen befreit, so ftihrt dies bei normergiseher Reaktionslage nicht zu einer Erkrankung des Auges. Makrophagen r~Lumen das kataraktSse Linsenmaterial ab. Dieses zeigt keine prim~Lre Toxicit~t, d.h. dort w o e s mit anderen Zellen in Ber~ihrung kommt, bleibt deren Schgdigung unerheblich. Von 23 Kontrollaugen zeig~en 22 eine solche ,,normergische Reaktion". Unter ver~tnderten Bedingungen kann es dagegen zur gesteigerten Reaktion kommen. Eine Befreiung der Linsenmassen kann zu einer Erkrankung des Auges ffihren. Dem kann eine spezifische Sensibili- sierung gegen Linse zugrunde liegen. Dies zeigen die Versnche, in denen mittels heterologer und homologer Linse und gegen die kSrpereigene Linse sensibilisiert wurde. Hier fiihrte eine Er6ffnung der Kapsel und die Befreiung der Linsenmassen in den meisten F~llen zu einer ge- steigerten hyperergisehen lgeaktion, an der der gesamte vordere Bulbus- abschnitt teilnimmt. Die Morphologie der gegen das kataraktSse Linsen- material als solches geriehteten Reaktion ist gcgeniiber der normergischen Reaktion gesteigert, abet nieht grunds~ttzlich versehieden. Makro- phagen beherrschen das Bild, die histoes/c~re I~eaktion steht im Vorder- grund. Heist ist der Abbau der befreiten Linsenmassen durehgreifender, intensiver. Die reparatorischen Vorg~nge geraten ins ttintertreffen. Den Fibroplasten gelingt es nicht mehr, die bloBliegenden Lhasenmassen abzukapseln. Aber auch die Schi~digung des Hornhautendothels dureh Xontakt mit dem Linsenmaterial iiberwiegt h~nfig dessen l~egenerations- f~higkeit. Es kann zu einer manehmal ganz erheblichen Sch~digung der Hornhautstromazellen kommen und demzufolge zu einer I-Iorn- hautvasenlarisation. Die kongestive Reaktion der GefgBe der vorderen Urea und der perilimbalen Gef~ge ist erheblich gesteigert. Da das Kaninchen unweit des Limbus ein reich ausgebildetes, intramurales Gef~t[3system zeigt, kommt es hier h~ufig zur akuten, vielleicht hyp- ox~misehen Gewebserweiehung, die kliniseh als Buphthalmus erscheint. ~rir halten uns nieht fiir bereehtigg, das Wesen dieser gesteigerten Reaktion in allen Fgllen und aussehliel31ich als eine einfaehe, gegen das Linsenprotein gerichtete EiweiBanaphylaxie zu deuten. Eine solehe kann, besonders unter tierexperimentellen Bedingungen, wohl einmal zus~ande kommen und die gesteigerte Reaktion des Auges tiberwiegend bedingen. Bei den mit heterologer Linse sensibilisierten Tieren kann

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man dementsprechend aueh regelmagig zirkulierende Antik6rper durch Pracipitierung gegen w/ifirigen Linsenextrakt als Antigen nachweisen. Wir neigen jedoch clef Anffassung zu, dab eine solche gegen das Linsen- protein geriehtete EiweiBanaphylaxie nut ein Teilfaktor bei der Ent- stehung der Ophthalmia phakogenetiea ist und erinnern in diesem Zusammenhang an die oben gebraehten I-Iinweise auI die verwiekelten Fragen der Kombinationsallergie, Adjuvantwirkung, Eiweiganaphylaxie und InfektMlergie und dem Zusammenhang yon Lipoiden mit der OrganspezifitSt. Dag es zu einer heftigen, ja foudroyanten l%eaktion aueh einmal unter ganz anderen Umsti~nden kommen kann, zeigen die Versuche, bei denen am Tage vor oder am Tage naeh der Diszission Toxin intraven6s injiziert wurde. Hier gewinnt man den Ein&'uck, dag eine Toxieitat der Linse die lokalisierte Sehadigung des Auges bedingt. Zugleieh seheint es dabei abet zu einem starken Antigen- werden der autologen Linse zu kommen, wie die starken t~eaktionen zeigen, wenn zu einem spSteren Zeitpunkt die Linse des zweiten Auges diszidiert wird, ohne daG zwisehenzeitlieh dem Tier Linse oder weiteres Toxin gegeben wurde.

Zusammen~assung der Ergebnisse. Zu Anfang haben wir die Fragen der vorliegenden Arbei$ formuliert

und hierbei die Wege angegeben, die wit einschlugen, nm eine Antwort zu linden. Nach der Mitteilung und Diskussion der Befunde soll nun versucht werden, die einzelnen Fragen zu beantworten und so einen zusammenfassenden Uberblick fiber das Ergebnis der vorliegenden Untersuchungen zu geben.

1. Frage: Welches ist das Bild der normergischen Reaktion ?

Antwort: Die Diszission der Linse am Ange eines normalen, nicht vorbehandelten jungen, erwachsenen Albinokaninchens ist ein ha~'mloser Eingriff. Die befreiten Linsenmassen werden abgebaut und resorbiert. Je nach Ausgiebigkeit der Diszission ist das Auge 3--6 Tage nach der Diszission im wesentlichen reizlos. Von den 23 ,,normalen Kon- trollen:' reagierten 22 milde, 1 Auge reagierte mit einer mgBigen l%aktion.

2. Frage." Gelingt es durch allgemeine, unspezi/i.sche MaBnahmen, ohne parenterale Zufuhr yon Linse, ein Tier derart umzustimmen, dab einer sp~teren Diszission der Linse, eine gesteigerte, d. h. hyperergische l%eaktion folgt ?

Antwort: Wiederholte intramnskulgre Adjuvantinjektionen (eine Ver- bindung yon MinerM61, Aqnaphor nnd 1--2 mg hitzeget6teter Tuberkel- baeillen je Injektion) k6nnen Kaninchen derart umstimmen, dab eine sp~itere Diszission der Linse zu einer gegenfiber der normergischen

32 HORST MULLER :

gesteigerten Antwort zu einer hyperergischen Reaktion fiihrt. 26 hyper- ergische Real~tionen stehen 8 normergischen in dieser Gruppe gegeniiber. Zahlreiche Autoren haben in den vergangenen Jahrzehnten sich bei experimentellen Arbeiten solcher intramuskul~rer Adjuvantinjektionen bedient. Dabei gilt im allgemeinen die Annahme, dab die Wirkung der Adjuvantinjektionen in einer Steigerung der Antigenit~t schwacher Antigene bestehe, vielleicht zugleieh in einer Steigerung der Reaktivi t~t des Organismus. Der genaue Wirkungsmeehanismus der Adjuvant- injektionen ist nicht bekannt. Auffallend war bei unseren Untersuchun- gen das im Vergleieh mit den Augen der spezifiseh gegen Linse sensi- bilisierten Tiere verzSgerte ~]nsteigen der Reaktionen. Es wird daher die MSglichkeit diskutiert, dab es bei den so vorbehandelten Tieren nach Befreiung der eigenen Linsenmassen durch Diszission zur Bi]dung eines komplexen Antigens kommt, damit zur AntikSrperbildung und, bei der gesteigerten Reaktivit~t, schon nach wenigen Tagen zu einer hyperergisehen I~eaktion am Auge.

3. Frage: Kann es dureh im KSrper bekannter- odor unbekannter- weise anwesende Toxine zu einer wesentlich gesteigerten Frfih- oder Spatreaktion gegen die kSrpereigene Linse kommen ?

Antwort: Die Erfahr~ungen mit den intramnskularen Adjuvantinjek- tionen, entweder als alleinige vorbereitende Mai~nahme oder in Kombi- nation mit spezifischer Sensibilisierung gegen heterologe und autologe Linse, wiesen auf eine bejahende Antwort zu dieser Frage bin. Diese Vermutung wurde best~tigt durch die Verwendung yon intravenSsen Toxininjelctionen am Tage vor oder am Tage naeh der ersten Diszission der Linse bei bis dahin vSllig unvorbehande]s Tieren. Die Reaktionen der erstoperierten Augen waren schwer. Dort, wo die kataraktSsen Linsenmassen in Kon tak t mit der Hornhautrfickseite standen, kam es an umschriebener Stelle zur schwersten Seh~digung, ja zur Nekrose der Hornhaut . Es seheint also unter solchen Umst~nden zu einer erheb- lichen Toxicitiit des Linsenmaterials zu kommen. Die spi~tere Diszission der zweiten Linse ffihrte immer zu besonders schweren Realctionen, welche wiederum fiir eine inzwischen stattgefundene Sensibilisierung gegen autologes Linsenmaterial, und zwar in Verbindung mit erw~hntem Toxin, sprachen.

4. Frage: LgBt sieh eine ,,primate Toxicit~t des Linse an sieh" als wesentlieher Faktor demonstrieren ~.

Antwort: 23 intraoculare Injektionen kataraktSsen Linsenmateria]s verschiedener Verdauungsgrade gaben keinen iiberzeugenden Anhalt ffir eine prim~re Toxieit~t der Linse an sich. Auf Grund unserer Erfahrungen sind wir geneigt, die Frage naeh einer primdren Toxicit~t yon ,,t~ataralc- tgsem Linsenmaterial an sich" zu verneinen. Unter gewissen Umst~nden jedoch kann es ~ugenseheinlieh zu einer Toxicit~t des befreiten Linsen-

Tierexl3erimentelle Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetica. 33

materials kommen, z. B. wenn in dem betroffenen Organismus best immte Toxine zirkulieren.

5. Frage: L/iBt sich nach vorangegangener Sensibilisierung gegen Linse eine hyperergische l~eaktion am Auge iiberzeugend demonstrieren ?

Antwort: Kaninchen wurden gegen heterologe, homologe und auto- loge Linse sensibilisiert in Verbindung mit intramuskularen Adjuvant- injektionen. Unter diesen Bedingungen folgte bei 77 Augen nach Dis- zission der Linse 68real eine gesteigerte hyperergische Reaktion.

6. t"rage: Lagt sich die ursachliche Mitbeteiligung einer In]ektion wahrseheinlich machen oder nachweisen ?

Antwort: Gegen eine einfache ursachliche Bedingtheit der beschrie- benen hyperergischen Reaktionen dureh eine gew6hnliche bakterielle Infektion sprachen :

a) Der Vergleich der ocularen t~eaktionen der unvorbehandelten und der spezifiseh sensibilisierten Tiere.

b) Die verg]eichende Anwendung yon Antibiotica hat~e keinen Ein- fluB auf Art und Starke der Reaktionen.

c) Priifung des intraocularen Materials auf BakteriennahrbSden. d) Die Reaktionen nach intraocu]~rer Injektion yon kleinen Mengen

apathogener Keime. Nach diesen tierexperimentellen Untersuchungen laBt sieh zusammen-

[assend sagen, dab es durchaus zu einer Erkrankung des Auges kommen kann, die in wesentlichem und urspri~nglichem Zusammenha~g mit der Linse steht. Wir bezeichnen sie als Ophthalmia phakogenetica. Diese ist gekennzeichnet durch eine gesteigerte, eine hyperergische Reaktion des gesamten vorderen Augenabschnittes, ausgelSst durch das aus der Kapsel befreite Linsenmaterial. Die Reaktion des hinteren Augenabschnittes t r i t t auch in den schwersten Fallen ganzlich zurfick. Es kommt also nicht zur Panophthalmie wie nach bakterieller Infcktion. Leukocyten beherrschen das Bild der postinfekti6sen Reaktion. Die histocyt~re Reaktion ist bei der Ophthalmia phakogenetica besonders ausgepragt, wahrend die weigen Blutzellen nur ganz im Anfang oder unter speziellen Umstanden dominieren. Die gesteigerte Reaktion der Ophthalmia phakogenetica l~6t sieh tierexperimentell durch Sensibilisierung gegen heterologe, homologe und autologe Linse erzeugen. Da wir dabei zugleich Adjuvant intramuskular injizierten, handelte es sich wahrscheinlieh um eine t~ombinationsallerg~e. Es liegen keine geniigenden Grfinde vor, die gesteigerten t~eaktionen als einfache Eiweiganaphylaxie zu deuten. Eine solche lagt sieh zwar erzeugen and dureh Pr/s der zirku- lierenden AntikSrper naehweisen, scheint aber nur zuweilen die aus- sehliegliehe Ursaehe der Ophthalmia phakogenetica zu sein. Es mug offenbleiben, wieweit es sieh um Reaktionen yore Typ der Infekt- allergie oder des Shwartzman-Phanomens handelt.

v. Oraefes Archly ffir Ophthalmologie. Bd. 153. 3

34 Ho~s~ Mi:-LLER :

E s l i eg t u n s f e r n , d ie a m K a n i n c h e n ~ u g e g e m ~ c h t e n B e o b a e h { u n g e n

o h n e w e i t e r e s a u f d e n M e n s c h e n z u i i be r~ ragen . E s g i b t a m m e n s c h -

l i c h e n A u g e g e s t e i g e r t e R e i z z u s t g n d e , d ie i h r e r M S g l i c h k e i t n a c h m i t

d e r L i n s e i n w e s e n t l i c h e m u n d u r s g c h l i c h e m Z u s a m m e n h a n g s t e h e n .

E s l i e g e n B e r i c h t e vo r , n a c h d e n e n die H e i l u n g d u r c h E n t f e r n u n g

d e r L i n s e g e l ang . E x p e r i m e n t e l l e r z e u g t e n w i r g e s t e i g e r t e l g e a k t i o n e n

g e g e n d ie k g r p e r e i g e n e L i n s e i n d e m w i t d e m O r g a n i s m u s be i sp i e l swe i se

k l e i n e M e n g e n h i t z e g e t S t e t e r T u b e r k e l b a c i l l e n z u f i i h r t e n . A u c h d e r

m e n s c h l i c h e O r g a n i s m u s , d e s s e n A u g e g e g e n se ine L i n s e g e s t e i g e r t

~-eagier~, sggnd m e i s t in v i e l f g l t i g e m K o n t a k t mir l e b e n d e n u n d t o t e n

M i k r o o r g a n i s m e n . D a b e i m a g es, g h n l i c h wie i m T i e r e x p e r i m e n ~ , z u

e i n e m A n t i g e n w e r d e n d e r L i n s e u n d z u r g e s t e i g e r t e n h y p e r e r g i s c h e n

Re~kt , i on k o m m e n .

Es sei mir erlaubt, Her rn Prof. Dr. A. E. iVIaU~a~ZV~E meinen Dank far die grol~z/igige F/Jrderung der Untersuchungen auszusprechen.

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Tierexperimentel]e Untersuchungen zur Ophthalmia phakogenetica. 35

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Dozent Dr. HORST Mi2L~EI~, Heidelberg, Universit~ts-Augenklinik.

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