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Die Dauer der Nutzungsphase, ebenfalls Teil der Lebenszyklusbetrachtung eines Gebäudes, beträgt in der Regel das 20- bis 30-fache gegenüber der Planungs- und Ausführungsphase. Da sie einen wesentli- chen Einfluss sowohl auf den Ressourcen- und Energieverbrauch als auch auf die Betriebskosten hat, ist ihr besondere Auf- merksamkeit zu widmen. Alle drei Lebens- zyklusphasen bilden zugleich auch das Fundament für die Einhaltung der Vor- gaben aus der TrinkwV. Wird eine dieser Phasen mangelhaft ausgeführt (nicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik), besteht die Gefahr einer negati- ven Beeinflussung der Trinkwasserqualität. Die dadurch entstehenden Kosten können immens sein. Somit hat die Auf- rechterhaltung der einwandfreien Trink- wasserqualität ebenfalls Einfluss auf die Lebenszykluskosten. Hier kommt der be- stimmungsgemäße Betrieb ins Spiel. Der Begriff „bestimmungsgemäßer Betrieb“ umschreibt keinen statischen Zustand. Vergleichbar mit einem Chamä- leon, muss er sich wechselnden Parame- tern anpassen. Die Fachwelt verwendet den „bestimmungsgemäßen Betrieb“ im Zusammenhang mit einer hygienischen Betriebsweise der Trinkwasser-Installa- Timo Kirchhoff Bestimmungsgemäßer Betrieb – ein „Chamäleon“ mit hoher Kostenrelevanz Bedeutet eine nachhaltige Bauweise in Bezug auf die Trinkwasserhygiene auch gleichzeitig einen erhöhten Kostenaufwand? Zur Beantwortung dieser Frage dürfen auf keinen Fall allein die Investitions- kosten für die Erstellung eines Gebäudes betrachtet werden. Timo Kirchhoff M. Eng. Stellv. Leiter Produktmanagement der Gebr. Kemper GmbH + Co. KG D-57462 Olpe Fax (0 27 61) 8 91-1 75 [email protected] tion. Er umfasst neben regelmäßigen Wartungs-, Instandhaltungs- und Reini- gungsarbeiten insbesondere auch die Einhaltung der ursprünglich geplanten Nutzerfrequenz beziehungsweise Häu- figkeit der Wasserentnahme. Anders als Wartungs-, Instandhaltungs- und Reini- gungsarbeiten ist die Nutzerfrequenz nicht kontrollierbar. Trotzdem muss sie wie geplant über den gesamten Lebens- zyklus des Gebäudes aufrechterhalten werden. Die frühzeitige Definition der Nutzerfrequenz in der Planungsphase birgt jedoch erhebliche Risiken. Risikofaktor „Gleichzeitigkeiten“ Um die einwandfreie Funktion der Gebäudeinstallation sicherzustellen, ver- wendet der Fachplaner bei der Dimen- sionierung des Trinkwassernetzes in der Regel die DIN 1988-300. Die dort ent- haltenen Gleichzeitigkeiten der Wasser- entnahme werden für verschiedene Nutzungsarten angegeben. Das Nutzer- verhalten kann jedoch innerhalb dieser Nutzungsarten erheblich variieren. So unterliegt beispielsweise ein Wellnessho- tel einer anderen realen Gleichzeitigkeit, als ein Hotel, welches vorwiegend von Messebesuchern genutzt wird. für BAD-Design und SHK-Systemtechniken OKTOBER 2015 SONDERHEFT INSTALLATIONS TECHNIK

Timo Kirchhoff Bestimmungsgemäßer Betrieb – ein „Chamäleon ... · Timo Kirchhoff Bestimmungsgemäßer Betrieb – ein „Chamäleon“ mit hoher Kostenrelevanz Bedeutet eine

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Die Dauer der Nutzungsphase, ebenfalls Teil der Lebenszyklusbetrachtung eines Gebäudes, beträgt in der Regel das 20- bis 30-fache gegenüber der Planungs- und Ausführungsphase. Da sie einen wesentli-chen Einfl uss sowohl auf den Ressourcen- und Energieverbrauch als auch auf die Betriebskosten hat, ist ihr besondere Auf-merksamkeit zu widmen. Alle drei Lebens-zyklusphasen bilden zugleich auch das Fundament für die Einhaltung der Vor-gaben aus der TrinkwV. Wird eine dieser Phasen mangelhaft ausgeführt (nicht nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik), besteht die Gefahr einer negati-ven Beeinfl ussung der Trinkwasserqualität.

Die dadurch entstehenden Kosten können immens sein. Somit hat die Auf-rechterhaltung der einwandfreien Trink-wasserqualität ebenfalls Einfl uss auf die Lebenszykluskosten. Hier kommt der be-stimmungsgemäße Betrieb ins Spiel.

Der Begriff „bestimmungsgemäßer Betrieb“ umschreibt keinen statischen Zustand. Vergleichbar mit einem Chamä-leon, muss er sich wechselnden Parame-tern anpassen. Die Fachwelt verwendet den „bestimmungsgemäßen Betrieb“ im Zusammenhang mit einer hygienischen Betriebsweise der Trinkwasser-Installa-

Timo Kirchhoff

Bestimmungsgemäßer Betrieb – ein „Chamäleon“ mit hoher Kostenrelevanz

Bedeutet eine nachhaltige Bauweise in Bezug auf die Trinkwasserhygiene auch gleichzeitig einen erhöhten Kostenaufwand? Zur Beantwortung dieser Frage dürfen auf keinen Fall allein die Investitions-kosten für die Erstellung eines Gebäudes betrachtet werden.

Timo Kirchhoff M. Eng. Stellv. Leiter Produktmanagement der Gebr. Kemper GmbH + Co. KGD-57462 OlpeFax (0 27 61) 8 91-1 [email protected]

tion. Er umfasst neben regelmäßigen Wartungs-, Instandhaltungs- und Reini-gungsarbeiten insbesondere auch die Einhaltung der ursprünglich geplanten Nutzerfrequenz beziehungsweise Häu-fi gkeit der Wasserentnahme. Anders als Wartungs-, Instandhaltungs- und Reini-gungsarbeiten ist die Nutzerfrequenz nicht kontrollierbar. Trotzdem muss sie wie geplant über den gesamten Lebens-zyklus des Gebäudes aufrechterhalten werden. Die frühzeitige Defi nition der Nutzerfrequenz in der Planungsphase birgt jedoch erhebliche Risiken.

Risikofaktor „Gleichzeitigkeiten“

Um die einwandfreie Funktion der Gebäudeinstallation sicherzustellen, ver-wendet der Fachplaner bei der Dimen-sionierung des Trinkwassernetzes in der Regel die DIN 1988-300. Die dort ent-haltenen Gleichzeitigkeiten der Wasser-entnahme werden für verschiedene Nutzungsarten angegeben. Das Nutzer-verhalten kann jedoch innerhalb dieser Nutzungsarten erheblich variieren. So unterliegt beispielsweise ein Wellnessho-tel einer anderen realen Gleichzeitigkeit, als ein Hotel, welches vorwiegend von Messebesuchern genutzt wird.

f ü r B A D - D e s i g n u n d S H K - S y s t e m t e c h n i k e n

OKTOBER 2015

SONDERHEFT

INSTALLATIONSTECHNIK

Literatur:

• DIN 1988-200:2012-05 Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe; Technische Regel des DVGW

• DIN 1988-300:2012-05 Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen Teil 300: Ermittlung der Rohrdurchmesser

• VDI/DVGW 6023:2013-04 Hygiene in Trinkwasser-Installationen – Anfor-derungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung

• ÖNORM B 1801-4:2014-04 Bau - projekt- und Objektmanagement – Teil 4: Berechnung von Lebenszykluskosten

• Kirchhoff, Timo: Einfluss unterschied- licher Dämmweisen auf die Kaltwasser-temperatur in stagnierenden Trinkwasser-leitungen, Projektarbeit (Mai 2011)

• Hoffmann, Gerhard: Life Cycle Costs (LCC) Nachhaltigkeit als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor, in: Facility Management | Integration, Planung Gebäudemanage-ment (Januar 2015)

In dem einen Hotel verteilt sich die Wasserentnahme über den gesamten Tag, in dem anderen ist in einer kurzen Zeit eine hohe Verbrauchsspitze festzustellen.

Beide Trinkwasser-Installationen wer-den jedoch über dieselbe Gleichzeitig-keitskurve „Hotel“ dimensioniert. Dem-zufolge gilt zu beachten, dass eine hundertprozentige Belegung nicht mit ei-ner hundertprozentigen Nutzung gleich-zusetzen ist.

Werden daraufhin aufgrund falsch an-genommener Gleichzeitigkeiten die Rohr-leitungen zu groß dimensioniert, verzö-gert sich der Austausch des Wasserkörpers und das Trinkwasser beginnt zu stagnie-ren. Hier helfen sogenannte Raumbücher, in denen zu Planungsbeginn gemeinsam mit dem Betreiber eine Nutzungsbeschrei-bung der einzelnen Räume erfolgt. Die hierin enthaltenen Angaben zum bestim-mungsgemäßen Betrieb sollten bei der Dimensionierung der Trinkwasserleitung ebenfalls berücksichtigt werden.

Risikofaktor „Umnutzung“

Jede Änderung des ursprünglich vorge-sehenen Nutzungszwecks (auch eines einzelnen Raumes) kann Auswirkungen auf die Entnahmen aus dem Trinkwas-sersystem haben. Die Umnutzung kann sowohl das gesamte Gebäude als auch nur Teilbereiche betreffen und auf unter-schiedliche Ursachen zurückgeführt wer-den. Aufgrund langer Gebäude-Nut-zungsphasen ist sie grundsätzlich sehr wahrscheinlich. Häufig ist die Umnutzung dem Betreiber weder bewusst noch kann er die Auswirkungen auf die Trinkwas-serhygiene einschätzen.

Bedeutet sie eine geringere Nutzer-häufigkeit, ergeben sich als Resultat län-gere Verweilzeiten des Trinkwassers in der Anlage.

Führt einer der beschriebenen Faktoren zu Stagnation, ergibt sich in der Folge die Gefahr einer Verkeimung. Die Wiederher-stellung des bestimmungsgemäßen Be-triebs zur Vermeidung der Verkeimung ist häufig nur noch durch Spülmaßnahmen möglich. Wenn diese durch manuelles Öffnen und Schließen aller betroffenen Zapfstellen durchgeführt wird, bedeutet das für den Betreiber einen erhöhten Aufwand in dem Betrieb des Gebäudes.

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1 Kemper „KHS-HS2“- Hygienespülung. (Fotos/Grafiken: Kemper)

Die hierdurch entstehenden hohen Be-triebs- und Personalkosten werden zu dem Zeitpunkt der Planung selten er-kannt und berücksichtigt. Die konse-quente Einhaltung dieser Spülmaßnah-men ist ebenso fragwürdig wie das anzustrebende Ziel, einen Austausch des kompletten Wasserkörpers zu erreichen. Verursachen die reinen Maßnahmen laut Spülplan bereits unverhältnismäßig hohe Kosten, kann es richtig teuer werden, wenn die manuelle Umsetzung nicht auf Dauer sorgfältig erfolgt und bei der Be-probung des Trinkwassers hygienische Mängel festgestellt werden.

Ein wichtiger und nicht zu vernachläs-

sigender Bestandteil des bestimmungs-gemäßen Betriebes ist die Temperatur des Trinkwassers, denn sie steht in Kor-relation mit der Stagnation. Mit dem Eintreten der Stagnation gleichen sich die Trinkwassertemperaturen automa-tisch den Temperaturen der Umgebungs-luft an. Häufig werden im Zuge der Planung Wärmelasten von Heizungslei-tungen, Warmwasser- und Zirkulations-leitungen, Lampen und Trafos falsch eingeschätzt. Die Auswirkungen können gravierend sein. Erhöhte Umgebungs-lufttemperaturen in Technikschächten und Zwischendecken von bis zu 30 °C sind in diesen Fällen keine Seltenheit. Verstärkt wird dieser Effekt durch die ho-hen Anforderungen an den Brandschutz oder aus der Energieeinsparverordnung EnEV an die Gebäudedämmung. Hier-durch wird ein Entweichen der Wärme verhindert. Beginnt das Trinkwasser zu stagnieren, überschreiten die Trinkwas-sertemperaturen häufig in weniger als drei Stunden die normativ geforderte Grenze von 25 °C (siehe Abbildung 2).

Die hohen Umgebungslufttemperatu-ren setzen die in der VDI/DVGW 6023 genannten 72 h für einen Wasseraus-tausch außer Kraft, da zur Temperatur-haltung ein deutlich häufigerer Aus-tausch des Wasserkörpers erforderlich ist. Auch die Dämmung der Rohrleitungen kann diesen Wärmeübergang nicht voll-ständig verhindern, sondern nur verzö-gern. Als einzige Abhilfe ist tatsächlich nur die Verlegung von warmgehenden Leitungen und Kaltwasserleitungen in getrennten Schächten zu nennen.

Durch eine frühzeitige Integration des

Themas Trinkwasserhygiene in die Bau-

endständige Spülstation

Strömungsteiler

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2

2 Berechneter Temperatur verlauf einer stagnierenden, zu 100 Prozent gedämmten Trinkwasserleitung aus Kupfer (22 x 1,0) bei verschiedenen Umgebungslufttemperaturen.

3 Aufbau einer Trinkwasser-Installation mit dem Kemper-Hygienesystem „KHS“.

© Heizungs-Journal Verlags-GmbH • Postfach 370 • D-71351 Winnenden • Tel. (0 71 95)  92 84-01 • www.sanitärjournal.de

planung werden die Voraussetzungen für einen ressourcen- und kostenscho-nenden Betrieb geschaffen. Gerade in der Planungsphase eines Bauprojektes ist die Beeinflussbarkeit der Lebenszyklus-kosten am größten, da die Maßnahmen vollumfänglich in das Bauwerk einfließen können.

Die Lösung für eine sichere Trink- wasserhygiene bei geringen Betriebs-kosten bieten Systeme zur Stagnations-vermeidung, wie das Kemper-Hygiene-system „KHS“. Die hohe Effizienz die- ser Systeme ergibt sich aus der Kombi-nation von Spülstationen mit Venturi-Strömungsteilern, die die Nasszellen in Ringinstallationen erschließen (Abbil-dung 3). Am Ende von Steig- oder Stock-werksleitungen befinden sich Spülstatio-nen wie die „KHS-HS2“-Hygienespülung (Abbildung 1).

Durch Wasserentnahme an den Spül-punkten kann der gesamte Wasserinhalt der Installation ohne jegliche Nutzung der Entnahmestellen ausgetauscht wer-den. Systeme wie das KHS reagieren auf die Dynamik des Nutzerverhaltens und sorgen durch automatisierte Spülvorgän-ge für die Einhaltung der ursprünglich geplanten Nutzerfrequenz. Die Spülmaß-nahmen lassen sich neben den Parame-tern Zeit und Volumen auch temperatur-gesteuert durchführen. Die Auswertung der gespeicherten Daten ermöglicht zu-dem eine Dokumentation der Betriebs-zustände der Installation.

Fazit

Die Frage nach erhöhtem Kostenaufwand für eine nachhaltige Bauweise in Bezug auf die Trinkwasserhygiene kann ganz klar mit NEIN beantwortet werden. Intel-ligente Systeme können heute den be-stimmungsgemäßen Betrieb automatisiert gewährleisten.

Die so mögliche Reduzierung der Be-triebskosten wirkt sich auf die Bilanz der gesamten Lebenszykluskosten deutlich positiv aus. Dass der Betreiber damit auch seiner Verpflichtung der Abgabe von hy-gienisch einwandfreiem Trinkwasser ge-recht wird, sollte nicht nur „nebenbei“ betrachtet werden. n