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K önnen die Vereinigten Staaten von Amerika ohne Deutschland über- leben? Was ist hierzulande so wichtig, dass „eine Zerstörung oder Er- schöpfung“ dieser Ressourcen einen „un- mittelbaren und schädlichen“ Effekt für die USA hervorrufen würde? Im Klartext: Was darf auf keinen Fall zerstört werden – auch nicht im Fall eines Krieges? Die Antworten finden sich im amerika- nischen Außenministerium in Washington. Dort existiert eine weltumfassende Liste „kritischer Infrastruktur und Schlüssel- ressourcen“. Sie wurde von den diplo- matischen Missionen der USA zusammen- getragen, und selbstverständlich ist sie geheim. Für Deutschland sind unter anderem ver- zeichnet: Einrichtungen für transatlantische Kommuni- kation, Firmen, die spezi- fische Hightech-Produkte zur Energiesicherung her- stellen, oder Unternehmen aus dem Rüstungsbereich, die sich etwa auf Mörser spezialisiert haben. Dazu Biotech-Betriebe, die Impf- stoffe produzieren, oder Fa- briken, in denen Medika- mente gegen Strahlungs- schäden gemischt werden. Kulturdenkmäler haben es weder hier noch anders- wo auf diese Liste geschafft, wohl aber einige strategisch wichtige Orte wie beispielsweise der gesamte Hambur- ger Hafen. Der war im letzten Krieg noch vorrangiges Ziel amerikanischer und bri- tischer Bomber gewesen. Überhaupt ist das amerikanische Au- ßenministerium, Zentrale und Haupt- adressat für 260 Botschaften und Konsu- late in 180 Ländern, eine Sammelstelle für politisch relevante oder heikle Infor- mationen aus allen Erdteilen. Hier laufen Berichte und Einschätzungen von 12000 amerikanischen Diplomaten zusammen und bilden eine Datenbank, in der sich Amerikas Blick auf die Welt manifestiert, säuberlich geordnet nach der Frage: Wer ist Feind, wer ist Freund? Was nützt uns, was schadet uns? Es ist das geheime Roh- material, aus dem Washington seine Au- ßenpolitik destilliert – und seinen Zugriff auf die Welt, das „Logbuch diplomati- scher Aktivität“, wie das US-Außenmi- nisterium selbst diese einzigartige Samm- lung von Berichten bezeichnet. Da gibt es wenig, was nur nebensäch- lich wäre. Die Botschafter zeichnen die großen Linien der politischen Entwick- lung in ihren Ländern nach, aber geben auch die menschlichen Extravaganzen des örtlichen Führungspersonals weiter. Sie schicken Cable um Cable, um die Zentrale beispielsweise davon zu benachrichtigen, ‣ dass der König von Saudi-Arabien sei- nen Nachbarn Iran nicht ausstehen kön- ne und das Mullah-Regime „ohne Zwei- fel für irgendwie labil“ halte oder ‣ dass der russisch-georgische Krieg im Sommer 2008 gezeigt habe, wer im Moskauer Führungs-Duo von Präsident Dmitrij Medwedew („blass, zögerlich“) und Premierminister Wladimir Putin („Alpha-Rüde“) der Koch und wer der Kellner sei, oder dass Amerikas wichtigster Verbündeter im Afghanistan-Krieg, Präsident Ha- mid Karzai, eine „schwache Persönlich- keit“ sei, die von „Paranoia“ und „Ver- schwörungsvorstellungen“ getrieben werde, oder ‣ dass bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats in Teheran der Stabs- chef der Revolutionswächter, Moham- med Ali Dschaafari, angeblich zornent- brannt auf Präsident Mahmud Ahma- dinedschad losgegangen sei und ihm ins Gesicht geschlagen habe oder ‣ dass der ägyptische Präsident Husni Mubarak Amerikas Irak-Krieg für ge- fährlichen Unsinn – und US-Präsident George W. Bush für unbelehrbar – hal- te, weil die „brutalen und blutigen“ Iraker demokratieresistent seien, oder ‣ dass um die Unterbringung der Guan- tanamo-Häftlinge wie auf einem Basar gefeilscht wurde, also Aufnahme eines Freigelassenen nur gegen mehr Ent- wicklungshilfe beziehungsweise gegen einen Staatsbesuch von Präsident Ba- rack Obama persönlich, oder dass inzwischen sogar Teile der chinesischen Führung die Unbere- chenbarkeit ihres nord- koreanischen Verbünde- ten Kim Jong Il satt- hätten und sich eine Wiedervereinigung un- ter Südkoreas Kontrolle vorstellen könnten. So geht das weiter, rund um die Welt, tausendfach, hunderttausendfach; es gibt wenig, was den geschulten, stets skeptischen Blicken der US-Botschaften ent- geht. Das State Department, nach seinem ur- sprünglich sumpfigen Standort unweit des Potomac-Flusses „Foggy Bottom“, Nebel- loch, genannt, ist alles andere als dies. Es beherbergt das politische Gedächtnis einer Weltmacht, die noch vor kurzem glaubte, sie könne als einzig verbliebene Supermacht die Welt regieren. Für Formulierung und Exekution der amerikanischen Außenpolitik macht die gewaltige Datenflut – das Protokoll einer „Diplomatie in Aktion“, so das Außenmi- nisterium – allerdings nur Sinn, wenn die Berichte auch geheim bleiben. Was nützt es US-Außenpolitikern, wenn Freund und Feind wissen, wie Amerika wirklich über Partner oder Gegner denkt? Natürlich sind Geheiminformationen etwa über Titel DER SPIEGEL 48/2010 96 PETE SOUZA / THE WHITE HOUSE Im Visier der Supermacht 251287 Dokumente aus dem Washingtoner Außenministerium, meist vertrauliche und geheime Botschaftsberichte aus aller Welt, enthüllen, wie die USA versuchen, ihren Einfluss rund um den Erdball zu wahren. Die Veröffentlichung erschüttert die US-Diplomatie bis in ihre Grundfesten. Depesche von Außenministerin Clinton an die US-Botschaften in Moskau und Rom vom 28. Januar 2010: „Übermitteln Sie bitte alle Informationen über die persönliche Beziehung zwischen dem russischen Premier Wladimir Putin und dem italienischen Premier Silvio Berlusconi. Welche per- sönlichen Investitionen haben sie, wenn über-haupt, getätigt, die ihre Außen- oder Wirtschaftspolitik beeinflussen könnten?“

Titel Im Visier der Supermacht · Können die Vereinigten Staaten von Amerika ohne Deutschland über-leben? Was ist hierzulande so wichtig, dass „eine Zerstörung oder Er-schöpfung“

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Page 1: Titel Im Visier der Supermacht · Können die Vereinigten Staaten von Amerika ohne Deutschland über-leben? Was ist hierzulande so wichtig, dass „eine Zerstörung oder Er-schöpfung“

Können die Vereinigten Staaten vonAmerika ohne Deutschland über-leben? Was ist hierzulande so

wichtig, dass „eine Zerstörung oder Er-schöpfung“ dieser Ressourcen einen „un-mittelbaren und schädlichen“ Effekt fürdie USA hervorrufen würde? Im Klartext:Was darf auf keinen Fall zerstört werden –auch nicht im Fall eines Krieges?

Die Antworten finden sich im amerika-nischen Außenministerium in Washington.Dort existiert eine weltumfassende Liste„kritischer Infrastruktur und Schlüssel -ressourcen“. Sie wurde von den diplo -matischen Missionen der USA zusammen-getragen, und selbstverständlich ist sie geheim. Für Deutschlandsind unter anderem ver-zeichnet: Einrichtungen fürtransatlantische Kommuni-kation, Firmen, die spezi -fische Hightech-Produktezur Energiesicherung her-stellen, oder Unternehmenaus dem Rüstungs bereich,die sich etwa auf Mörserspezialisiert haben. DazuBiotech-Betriebe, die Impf-stoffe produzieren, oder Fa-briken, in denen Medika-mente gegen Strahlungs-schäden gemischt werden.

Kulturdenkmäler habenes weder hier noch anders-wo auf diese Liste geschafft,wohl aber einige strategisch wichtige Ortewie beispielsweise der gesamte Hambur-ger Hafen. Der war im letzten Krieg nochvorrangiges Ziel amerikanischer und bri-tischer Bomber gewesen.

Überhaupt ist das amerikanische Au-ßenministerium, Zentrale und Haupt-adressat für 260 Botschaften und Konsu-late in 180 Ländern, eine Sammelstellefür politisch relevante oder heikle Infor-mationen aus allen Erdteilen. Hier laufenBerichte und Einschätzungen von 12000amerikanischen Diplomaten zusammenund bilden eine Datenbank, in der sichAmerikas Blick auf die Welt manifestiert,säuberlich geordnet nach der Frage: Werist Feind, wer ist Freund? Was nützt uns,was schadet uns? Es ist das geheime Roh-

material, aus dem Washington seine Au-ßenpolitik destilliert – und seinen Zugriffauf die Welt, das „Logbuch diplomati-scher Aktivität“, wie das US-Außenmi-nisterium selbst diese einzigartige Samm-lung von Berichten bezeichnet.

Da gibt es wenig, was nur nebensäch-lich wäre. Die Botschafter zeichnen diegroßen Linien der politischen Entwick-lung in ihren Ländern nach, aber gebenauch die menschlichen Extrava ganzen desörtlichen Führungspersonals weiter. Sieschicken Cable um Cable, um die Zentralebeispielsweise davon zu benachrichtigen, ‣ dass der König von Saudi-Arabien sei-

nen Nachbarn Iran nicht ausstehen kön-

ne und das Mullah-Regime „ohne Zwei-fel für irgendwie labil“ halte oder

‣ dass der russisch-georgische Krieg imSommer 2008 gezeigt habe, wer imMoskauer Führungs-Duo von PräsidentDmitrij Medwedew („blass, zögerlich“)und Premierminister Wladimir Putin(„Alpha-Rüde“) der Koch und wer derKellner sei, oder

‣ dass Amerikas wichtigster Verbündeterim Afghanistan-Krieg, Präsident Ha-mid Karzai, eine „schwache Persönlich-keit“ sei, die von „Paranoia“ und „Ver-schwörungsvorstellungen“ getriebenwerde, oder

‣ dass bei einer Sitzung des NationalenSicherheitsrats in Teheran der Stabs-chef der Revolutionswächter, Moham-

med Ali Dschaafari, angeblich zornent-brannt auf Präsident Mahmud Ahma-dinedschad losgegangen sei und ihmins Gesicht geschlagen habe oder

‣ dass der ägyptische Präsident HusniMubarak Amerikas Irak-Krieg für ge-fährlichen Unsinn – und US-PräsidentGeorge W. Bush für unbelehrbar – hal-te, weil die „brutalen und blutigen“Iraker demokratieresistent seien, oder

‣ dass um die Unterbringung der Guan-tanamo-Häftlinge wie auf einem Basargefeilscht wurde, also Aufnahme einesFreigelassenen nur gegen mehr Ent-wicklungshilfe beziehungsweise gegeneinen Staatsbesuch von Präsident Ba-

rack Obama persönlich,oder

‣ dass inzwischen sogarTeile der chinesischenFüh rung die Unbere-chenbarkeit ihres nord-koreanischen Verbünde-ten Kim Jong Il satt -hätten und sich eineWiedervereinigung un-ter Südko reas Kontrollevorstellen könnten.

So geht das weiter, rundum die Welt, tausendfach,hunderttausendfach; es gibtwenig, was den geschulten,stets skeptischen Blickender US-Botschaften ent-geht.

Das State Department, nach seinem ur-sprünglich sumpfigen Standort unweit desPotomac-Flusses „Foggy Bottom“, Nebel-loch, genannt, ist alles andere als dies. Esbeherbergt das politische Gedächtnis einer Weltmacht, die noch vor kurzemglaubte, sie könne als einzig verbliebeneSupermacht die Welt regieren.

Für Formulierung und Exekution deramerikanischen Außenpolitik macht diegewaltige Datenflut – das Protokoll einer„Diplomatie in Aktion“, so das Außenmi-nisterium – allerdings nur Sinn, wenn dieBerichte auch geheim bleiben. Was nütztes US-Außenpolitikern, wenn Freund undFeind wissen, wie Amerika wirklich überPartner oder Gegner denkt? Natürlichsind Geheiminformationen etwa über

Titel

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Im Visier der Supermacht251287 Dokumente aus dem Washingtoner Außenministerium,

meist vertrauliche und geheime Botschaftsberichte aus aller Welt, enthüllen, wie die USA versuchen, ihren Einfluss rund um den Erdball zu wahren.

Die Veröffentlichung erschüttert die US-Diplomatie bis in ihre Grundfesten.

Depesche von Außenministerin Clinton an die US-Botschaftenin Moskau und Rom vom 28. Januar 2010:

„Übermitteln Sie bitte alle Informationen über die persön liche

Beziehung zwischen dem russischen Premier Wladimir Putin

und dem italienischen Premier Silvio Berlusconi. Welche per-

sönlichen Investitionen haben sie, wenn über -haupt, getätigt,

die ihre Außen- oder Wirtschaftspolitik beeinflussen könnten?“

Page 2: Titel Im Visier der Supermacht · Können die Vereinigten Staaten von Amerika ohne Deutschland über-leben? Was ist hierzulande so wichtig, dass „eine Zerstörung oder Er-schöpfung“

Außenministerin Clinton, Präsident Obama im Weißen Haus

Page 3: Titel Im Visier der Supermacht · Können die Vereinigten Staaten von Amerika ohne Deutschland über-leben? Was ist hierzulande so wichtig, dass „eine Zerstörung oder Er-schöpfung“

Waffenlieferungen wirkungsvoller, wennUS-Akteure Druck auf störrische Verbün-dete machen wollen. Wie die USA derWelt gegenübertreten, warum sie Freundoder Feind in eine bestimmte Richtunglenken wollen, durch welche SanktionenUS-Diplomaten den Griff Irans nach derBombe verhindern oder wie sie al-Qaidain der Sahara ausschalten wollten, all dasgeht die Öffentlichkeit, so die Überzeu-gung der US-Diplomaten, nichts an.

Doch das alles gilt auf einmal nicht mehr.Die „New York Times“, der Londoner

„Guardian“, „Le Monde“ aus Paris, „ElPaís“ aus Madrid und der SPIEGEL be-ginnen in dieser Woche damit, den gewal-tigen verborgenen Datenschatz des Au-ßenministeriums ans Licht zu holen. Auseinem Fundus von 243270 diplomatischenDepeschen, die Amerikas Botschaften andie Zentrale sendeten, und von 8017 Di-rektiven, welche das State Department anseine Botschaften in aller Welt verschickte,versuchen die beteiligten Medien in einerSerie von Enthüllungsgeschichten nach-zuzeichnen, wie Amerika die Welt sieht,wo Washington Einfluss nimmt, aber auch,wo es Niederlagen einstecken muss.

Es ist eine überreich sprudelnde Quelle:Wer liefert auf dem grauen oder schwarzenMarkt für militärische Zwecke nutzbare

Güter oder Waffen in kritische Weltgegen-den, etwa nach Syrien oder Burma? DasUS-Außenministerium kennt die Herstel-lerfirmen und nennt Absender-Länder wieChina, Malaysia, Ukraine, aber auch deut-sche Firmen werden genau beobachtet.

Welchen Erfolg haben die amerikani-schen Drohnen-Schläge gegen Taliban-Führer auf pakistanischem Boden? Offen-bar durchschlagenden. Während sich diePolitiker regelmäßig über die Verletzungpakistanischer Souveränität beschweren,bewerten Militärs den Einsatz der präzisenFernlenkwaffen als positiv.

Wer finanziert die Gegenseite im Af-ghanistan-Krieg, wer unterstützt die Isla-misten in Gaza, wie besorgt sich al-QaidaGeld? Das State Department hat viele, si-cher nicht alle Antworten auf solche Fra-gen. So schreibt etwa die Botschaft imsaudi-arabischen Riad, dass trotz aller Ko-operationsbereitschaft der königlichenBehörden „saudi-arabische Spender nochimmer die bedeutendste Finanzierungs-quelle für sunnitische Terrorgruppen ausaller Welt“ sind.

Die Sammelwut der Washingtoner Di-plomaten ist nicht weniger ausgeprägt undnicht weniger weltumspannend ehrgeizigals etwa die der Kollegen von der CIA.Und sie überschreitet auch die Grenzen

des diplomatisch Zulässigen: Weil „die Ge-heimdienste für einen Großteil der in allerWelt gesammelten biografischen Informa-tionen auf die Berichte von Bedienstetendes Außenministeriums angewiesen sind“,fordert Außenministerin Hillary Clintonvon ihren Botschaften auch persönlicheInformationen über Kontakte und Infor-manten, unter anderem deren Kreditkar-tennummern und Vielfliegerkonten (sieheSeite 108). Längst sind sich die feinen Di-plomaten nicht mehr zu schade, Hilfs-dienste als Spione zu übernehmen.

Solche Enthüllungen sind ein GAU fürdie amerikanische Außenpolitik. Nie zu-vor ist das Vertrauen von Amerikas Ge-sprächspartnern und Informanten in allerWelt so erschüttert worden: Nun könnensie ihre persönlichen Ansichten und Emp-fehlungen, aber auch ihre Intrigen und ih-ren Verrat an örtlichen Rivalen öffentlichnachlesen – und dabei auch erfahren, wiedie Weltmacht wirklich über sie denkt.

Denn Amerikas Botschafter könnengnadenlos in der Beurteilung der Ländersein, in denen sie akkreditiert sind. Kenia?Ein landesweiter Sumpf blühender Kor-ruption. Fast aus jeder Zeile der Bot-schaftsberichte spricht Verachtung für dieRegierung von Präsident Mwai Kibakiund Premier Raila Odinga.

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Zahl der Dokumente

251287 Berichte von Mitarbeitern des

US-Außenministeriums

90 % aus der Zeit ab 2005

9% aus der Zeit von 2000 bis 2004

Das älteste Dokument stammt aus

dem Jahr 1966, das jüngste

vom 28. Februar 2010.

Absender* mit

mehr als 4000 Berichten

3000 bis 4000 Berichten

2000 bis 3000 Berichten

1000 bis 2000 Berichten

Geheimhaltungsstufen

6% Secret (geheim)

40 % Confidential (vertraulich)

Die übrigen Dokumente sind „nur für den

Dienstgebrauch“ oder nicht klassifiziert.

Top-Secret-Material findet sich in den

Dokumenten nicht.

Hillary Clintonab Januar 2009

Condoleezza Riceab Januar 2005

Colin Powellab Januar 2001

Madeleine Albrightab Januar 1997

US-Außenminister seit 1997

Mitarbeiter

12000 US-Amerikaner im Ausland

31000 Nichtamerikaner in ausländischen Einrichtungen

7400 Mitarbeiter in den USA und in Konsulaten in Mexiko

Etat 2010

16,1 Mrd. Dollar

. . . und das Ausmaß der Enthüllungen

Regionale Verteilung

*Berücksichtigt wurden die US-Botschaften

sowie das Außenministerium in

Washington und die Uno-Mission in

New York, jedoch nicht die Konsulate.

Das State Department . . .

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Türkei? Kommt nicht vielbesser weg: Der Botschafterschreibt nach Hause, PremierRecep Tay yip Erdogan habesich bei der Privatisierung ei-nes Staatsunternehmens be-reichert und führe das Landzudem in eine islamistischeZukunft.

Italien? Clinton will wis-sen, ob Premier Silvio Berlus-coni wirklich Privatgeschäftemit Russlands Putin abgewi-ckelt hat. Entsprechende Ge-rüchte hatte, nach Botschafts-berichten, ein georgischer Di-plomat weitergegeben. DieRegierungen von Italien,Georgien und Russland ha-ben diese Behauptung gegen-über dem SPIEGEL promptempört zurückgewiesen.

Nun wird die Demokratin in der nächs-ten Zeit viel Arbeit darauf verwendenmüssen, das verlorengegangene Vertrau-en ihrer Partner wieder aufzubauen unddie Empörung all jener Politiker und Staa-ten zu besänftigen, die in den Botschafts-papieren schlecht wegkommen. Was wirk-lich erschüttert ist, sind die Grundlagenamerikanischer Diplomatie.

Welche Explosivkraft das Bekanntwer-den vertraulicher Botschaftsdepeschenhaben kann, hat sich immer dann gezeigt,wenn, selten genug, Gespräche zwischenführenden Politikern zur Unzeit öffent-lich wurden.

Bis auf die Knochen blamiert war etwadie deutsche Bundesregierung, als derSPIEGEL im Sommer 2001 das Protokoll

eines Gesprächs zwischen US-Präsident George W. Bushund seinem Staatsgast Bun-deskanzler Gerhard Schrö-der druckte. Der deutscheBotschafter Jürgen Chroboghatte das Gespräch auftrags-gemäß mitgeschrieben. Dieganze Welt erfuhr, wie diebeiden einander nicht be -sonders wohlgesinnten Füh-rer des Westens die Weltlageeinschätzten. Und diesmalist tausendfacher Ärger pro-grammiert.

Wie die Ende Juli bekannt-gewordenen knapp 92000 Do-kumente zum Afghanistan-Krieg oder die jüngst aufge-deckten fast 400000 Doku-mente zum Irak-Krieg sindauch die Berichte aus dem

State Department an die Enthüllungsplatt-form WikiLeaks weitergeleitet worden.

Vieles spricht dafür, dass ein junger Sol-dat namens Bradley Manning das Materialentwendet und WikiLeaks zugespielt hat,ein 23-jähriger „Intelligence-Analyst“ derUS-Armee, der viele Monate im Irak sta-tioniert war. In der „Forward OperationBase Hammer“, einem Außenposten in

WASHINGTON

ANKARARom

Kairo

AMMANTel Aviv

Madrid

Paris

Brüssel

London

Den HaagMoskau

Wien

PragBratislava

Zagreb

Athen

Berlin Minsk

Kuwait

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Abu DhabiManama

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Bridgetown

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Kingston

Brasília

Rangun

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Taschkent

Nairobi

Addis Abeba

DamaskusBeirut

Tegucigalpa

San Salvador

Managua

Guatemala

Mexiko-Stadt

AUSSCHNITT

Depesche der Moskauer Botschaft vom 26. August 2008:

„Für andere hat der Krieg bewiesen, dass Medwedew der

Herausforderung an der Führungsspitze nicht gewachsen

ist. Russische Kaukasus-Experten sagten dem stellver -

tretenden Botschafter, dass Russland keine Schwäche ge-

genüber der Provokation aus Georgien zeigen dürfe … Pu-

tin verstand das, Medwedew nicht …“

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der Nähe von Bagdad, schob ManningDienst und durchforstete geheime Unter-lagen, auf die er Zugriff hatte.

„Wenn du mehr als acht Monate an sie-ben Tagen die Woche jeweils 14 Stundeneinen noch nie dagewesenen Zugang zugeheimen Netzwerken hättest, was wür-dest du tun?“, schrieb Manning später einem bekannten Ex-Hacker namensAdrian Lamo, den er online kennenge-lernt hatte. Lamo protokollierte die Un-terhaltungen, und glaubt man den Tran-skripten, dann war es Manning, der dieDepeschen aus dem State Departmentkopierte. Sein Motiv: „Ich möchte, dassdie Menschen die Wahrheit kennen.“

Die Auswirkungen der Veröffentlichun-gen sind schon jetzt, bevor die Berichtepublik werden, immens. Das Pentagonhat eine Arbeitsgruppe mit 120 Mitarbei-tern eingerichtet, die prüfen soll, ob diebisherigen Publikationen Schaden ange-richtet haben. CIA-Chef Leon Panettadroht für diesen Fall, dass „unsere Regie-rung mit harter Hand reagieren wird“.

Julian Assange, der Chef von WikiLeaks,ist in den USA zu einer der meistgehass-ten Personen geworden, die schwedischeJustiz sucht ihn zurzeit per Haftbefehlwegen des Verdachts auf Vergewaltigung.Aber bislang hat sich das Material, daser über das Internet verbreitet, als unan-greifbar erwiesen. Obwohl er von einigenGefolgsleuten verlassen wurde, scheintseine Organisa tion ungebrochen.

Den mutmaßlichen Beschaffer des Ma-terials, Bradley Manning, traf dagegendie Schärfe des Gesetzes. Adrian Lamo,der Ex-Hacker, dem sich Manning im Maioffenbarte, informierte das FBI, Ende Maiwurde Manning festgenommen. Er sitztderzeit in Einzelhaft im Gefängnis vonQuantico, im US-Bundesstaat Virginia.

Der Analyst wusste offenbar, was ertat, als er die Depeschen weiterreichte.„Hillary Clinton und ein paar tausend Di-plomaten rund um die Welt werden einenHerzinfarkt bekommen, wenn sie einesMorgens aufwachen und ein ganzes Ar-chiv ihrer geheimen Außenpolitik öffent-lich zugänglich ist“, schrieb er.

Wie zuvor hat WikiLeaks das Materialden Medienpartnern zur Prüfung und zurAnalyse überlassen. Wieder einmal hatder SPIEGEL das Material gesichtet, ana-lysiert und geprüft. Er hat mit den Ergeb-nissen seiner Recherchen amerikanischeRegierungsstellen konfrontiert, die sich„sehr, sehr entsetzt“ darüber zeigten, dassdas Material an die Öffentlichkeit gelangt.„Wir verurteilen, was geschehen ist“, sag-te Außenamtssprecher Philip Crowley.„Die Enthüllungen sind schädlich für dieVereinigten Staaten und ihre Interessen.“Fast immer hat der SPIEGEL darauf ver-zichtet, die Informanten der Amerikanerkenntlich zu machen, es sei denn, dassallein die Person des Zuträgers schon einepolitische Nachricht an sich darstellt. Ineinigen Fällen trug die US-Regierung Si-

cherheitsbedenken vor, manche Einwän-de hat der SPIEGEL akzeptiert, anderenicht. In jedem Fall galt es, das Interesseder Öffentlichkeit abzuwägen gegenüberberechtigten Geheimhaltungs- und Sicher-heitsinteressen der Staaten. Das hat derSPIEGEL getan. Die Serie der Berichtewird von Dienstag an auf SPIEGEL ON-LINE fortgesetzt.

Wie die anderen Dokumente wurdenauch die Botschaftsberichte über ein ge-heimes Nachrichtennetz, das Secret Inter-net Protocol Router Network (SIPRNet),an US-Dienststellen verschickt. DasSIPRNet wurde von 2001 erheblich aus-gebaut, um den Kommunikationsfluss

zwischen US-Außen- und -Vertei-digungsministerium zu verbes-sern. Die Anschläge vom 11. Sep-tember hatten gezeigt, dass dieTerroristen auch deshalb nichtrechtzeitig entdeckt worden wa-ren, weil einzelne Behörden ihrWissen weiter für sich behaltenhatten.

2,5 Millionen Amerikaner, An-gestellte aus vielen Ministerienund Behörden, vor allem aberaus dem Verteidigungsministe -rium, haben Zugriff auf diese Daten. Erfahrungsgemäß wirdSIPRNet-Material besonders in-tensiv von Angehörigen des Pentagon genutzt. Es ist von bestimmten Computern aus zu-gänglich, die unter anderem inden Operationszentralen derStreitkräfte zu finden sind, An-meldungsprozeduren und dasPasswort wechseln etwa alle 150Tage. Selbst Material, das als„top secret“, streng geheim, ein-gestuft wird und über einen ei-genen Zugang verbreitet wird,steht immerhin noch etwa850000 Amerikanern zur Verfü-gung. Die Veröffentlichung derBotschaftsberichte war ein Un-fall, der früher oder später ein-treten musste.

Gut die Hälfte der jetzt bekanntgewor-denen Botschafts-Memos unterliegt keinerGeheimhaltungsstufe, etwas weniger, gut40 Prozent, sind als „vertraulich“ einge-ordnet. Nur sechs Prozent der Dokumen-te, 15652 Dokumente, tragen den Ver-merk „geheim“, 4330 davon sind so bri-sant, dass sie als „Noforn“ ausgewiesensind, also Ausländern nicht zugänglich ge-macht werden dürfen. Aneinandergereihtergeben diese Dokumente Stoff genug für66 SPIEGEL-Jahrgänge. Zwar geht eineinziger Bericht zurück bis ins Jahr 1966,die weitaus meisten aber sind aus der Zeitnach Einrichtung des Verteilersystems.

Die Botschaft, aus der das meiste Ma-terial stammt, ist Ankara mit knapp 8000Dokumenten, gefolgt von der größ ten US-Botschaft überhaupt, der Vertretung in

Titel

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Afghanischer Präsident KarzaiChinesischer Parteichef Hu Jintao (M.)

Nordkoreanische Staatsführung

Objekte amerikanischer Botschaftsdepeschen: Unerwartete Wahrheiten

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Titel

Bagdad mit etwa 6700 Berichten. Dochdie Anzahl der Kabel sagt wenig über dieBedeutung des Postens. Kabul ist mitknapp 3000 vertreten und erscheint damitgenauso häufig wie die US-Vertretung inSimbabwe. Mit 1700 Berichten hat sichWien genauso oft gemeldet wie Berlin.Zu den Botschaften, die nur wenig nachWashington melden, gehört merkwürdi-gerweise der engste westliche US-Verbün-dete, Großbritannien.

Vieles in diesem Material wird notiertund verschickt, weil die Berichterstatteroder deren Gesprächspartner sicher zusein glaubten, dass ihre Protokolle wäh-rend der nächsten 25 Jahre nicht an dieÖffentlichkeit gelangen würden.Das erklärt wohl, warum die Bot-schafter und Gesandten Washing-tons auch so viel Klatsch und Be-richte vom Hörensagen an dieZentrale melden.

So heißt es in einem MoskauerBericht über Medwedews Ehe-frau Swetlana, sie habe schonschwarze Listen von Amtsträgernangelegt, denen sie ein vorzeiti-ges Karriereende wünsche, weilsie sich dem Präsidenten gegen-über als unzureichend loyal er-wiesen hätten. Oder auch dasssich die Gattin des Staatschefsvon Aserbaidschan, MehribanAlijewa, so oft habe liften lassen,dass sie von weitem zwar mit ihrer Tochter zu verwechseln sei,dafür aber ihr Gesicht kaum nochbewegen könne. Über den liby-schen Exzentriker Muammar al-Gaddafi berichten die US-Diplo-maten, dass er nirgendwo mehrohne die Begleitung seiner voll-busigen ukrainischen Kranken-schwester hinreise.

Das alles liest sich zwar süffig;andererseits macht es den wahrenReiz dieser Dokumente aus, dassungewöhnlich viele Politiker imVertrauen auf die Geheimhaltungihrer Aussagen die Wahrheit – sowie sie sie sehen oder wie sie sie gern hät-ten – auch einmal unverblümt ausspre-chen. Dass es jetzt möglich ist, viele poli-tische Entwicklungen rund um die Weltin den Worten der beteiligten Akteure zudokumentieren und dadurch die Welt bes-ser zu verstehen, ist Grund genug für denSPIEGEL, staatliche Geheimhaltungsvor-schriften zugunsten größerer Transparenzhintanzusetzen.

Was beweisen die Tausende Dokumen-te, lässt sich aus ihnen wirklich rekonstru-ieren, wie Amerika die Welt am Zügelführt? Sind Washingtons Botschafter ei-genständige Machtzentralen in ihren Gast-ländern?

Die Masse des Materials setzt erst ein,als Amerika den Gipfel seiner Machtüberschritten hat. Die Zeiten des Trium-

phalismus, als sich die USA nach demEnde des Kalten Krieges in der letztenDekade des vorigen Jahrhunderts als „un-verzichtbare Nation“ (so die ehemaligeAußenministerin Madeleine Albright)selbst feierten, sind offenbar vorbei. Undselbst diese Ausnahmeperiode war keinegute Zeit für Amerikas Diplomaten.

In der Verfolgung außenpolitischer Zie-le haben die Vereinigten Staaten nachdem Zusammenbruch der Konkurrenzaus dem Osten deutlicher auf militärischeStärke und geheimdienstliche Kapazitä-ten gesetzt als auf Diplomatie: UnterGeorge W. Bush schrumpfte der diploma-tische Dienst wie nie zuvor. Es gab mehr

Musiker in US-Militärkapellen als Diplo-maten, der Pentagon-Haushalt war mehrals 24-mal so hoch wie die Ausgaben fürdas State Department und für Entwick-lungshilfe zusammen.

Erst Obamas Verteidigungsminister Ro-bert Gates, der diesen Posten allerdingsauch schon unter Bush bekleidete, hat zu-gegeben, für ihn sei es „eine der wichtigs-ten Lehren aus den Kriegen im Irak undin Afghanistan, dass militä rischer Erfolgnicht ausreicht, um zu gewinnen“. Erstunter Obama setzte sich deshalb eine Neu-orientierung der Außenpolitik durch. Ausdem Weißen Haus erging die Order, dasssich die amerikanische Diplomatie nacheinem Jahrzehnt des Kampfes gegen denTerrorismus einer breiter gefächerten Po-litik zuwenden müsse.

Außenministerin Clinton sekundierte.In einer Rede verkündete sie ihren Vor-satz, „von einer weitgehend direkt ausge-übten Umsetzung amerikanischer Macht“zu einer mehr indirekten Außenpolitik zugelangen, für die sie mehr Geduld, aberauch mehr Partner brauche.

Zwischen diesen Polen diplomatischerAktivität sind auch die jetzt bekanntge-wordenen Dokumente angesiedelt.

Sie zeigen einerseits, wie überall aufdem Erdball noch immer die führendenörtlichen Politiker um das Wohlwollen derAmerikaner rangeln. Die Frage, wer sichwann mit Obama ablichten lassen darf,ruft auch unter den großen europäischen

Staaten Rivalitäten hervor. Amerikas Di-plomaten in Madrid kabeln nach Hause:„Aus innenpolitischen Gründen wollen(die Spanier –Red.) unbedingt einen US-EU-Gipfel ausrichten. Kommt kein Be-such des Präsidenten zustande, würde dasals großes Versagen von (PremierministerJosé Luis Rodríguez –Red.) Zapatero an-gesehen.“

Dennoch ist die Zeit, in welcher derörtliche US-Botschafter als Vertreter desamerikanischen Präsidenten Anweisun-gen erteilen kann, eigentlich überall vorbei. Schon unter Bush ist es den US-Diplomaten in den ersten Monaten desJahres 2003 nicht gelungen, von den 14anderen Mitgliedern im Sicherheitsrat derVereinten Nationen mehr als drei Staatenfür eine Resolution zu gewinnen, die den

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Terroristentraining in Afghanistan

Libyscher Staatschef Gaddafi Iranischer Präsident Ahmadinedschad

Italiens Premier Berlusconi, russischer Präsident Putin

Themen amerikanischer Botschaftsdepeschen: „Diplomatie in Aktion“

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Einmarsch in den Irak absegnen sollte.Und auch nach dem Sturz des DiktatorsSaddam Hussein war es für die Sieger-macht nicht leicht, ihren Willen durchzu-setzen. In Bagdad muss inzwischen deramerikanische Vizepräsident Joe Bidenimmer wieder vorbeischauen und die ver-bündeten irakischen Politiker anhalten,endlich eine respektable Demokratie ein-zurichten. Doch weder Obamas Stellver-treter noch Druck, noch gute Worte, daszeigen die Botschafts-Memos überdeut-lich, haben bislang geholfen.

Überhaupt enthüllten vor allem die Mel-dungen aus dem Nahen Osten die Schwä-che der Supermacht. Schon immer hat Wa-shington es als überlebensnotwendiges In-teresse angesehen, sich seinen Teil an denEnergievorräten zu sichern. Doch vor Ortwird die Weltmacht leicht zum Spielballunterschiedlichster Interessen, wird hinein-

gezogen in die Feindschaften zwischenArabern und Israelis, Schiiten und Sunni-ten, zwischen Islamisten und Säkularen.

Vor allem aber im Verhältnis zur auf-strebenden Weltmacht China zeigt sich,dass das „amerikanische Jahrhundert“wohl zu Ende geht. Die Dokumente of-fenbaren, wie selbstbewusst die Chinesenmit den Amerikanern umspringen. DieUS-Diplomaten beschreiben „Muskelspie-le, Triumphalismus und Anmaßung“ inChinas Darstellung nach außen.

Nachdem US-Botschafter Jon Hunts-man Ende 2009 in einem Brief an Außen-minister Yang Jiechi seine Sorge über dieHaft des Dissidenten Liu Xiaobo, des dies-jährigen Friedensnobelpreisträgers, be-kundet hatte, wurde ein hoher US-Diplo-mat ins chinesische Außenministerium zi-tiert. Die Amerikaner hätten kein Recht,sich in die inneren Angelegenheiten Chi-

nas einzumischen. Und sogar Hillary Clin-ton, die Adressatin aller Botschaftsberich-te seit Ende Januar 2009, musste einräu-men, dass Gespräche auf Augenhöheschwieriger geworden sind. Schließlichhaben Pekings Herrscher einen riesigenBerg amerikanischer Staatsanleihen ge-kauft und sind seit langem der größteGläubiger der USA.

„Wie redet man Klartext mit seinemBanker?“, fragte leicht resigniert die ame-rikanische Außenministerin den ehema-ligen australischen Regierungschef KevinRudd – so jedenfalls steht es in einem Be-richt der US-Botschaft von Canberra.

Es ist eine Frage, die ein neues Jahr-hundert eingeläutet hat.

RÜDIGER FALKSOHN, HANS HOYNG, UWEKLUSSMANN, HORAND KNAUP, SUSANNE KOELBL,ANDREAS LORENZ, JULIANE VON MITTELSTAEDT,

MATHIEU VON ROHR, GREGOR PETER SCHMITZ

Titel

D E R S P I E G E L 4 8 / 2 0 1 0106

Hinter den Kulissen Bedeutung der kryptischen Codes der US-Depeschen anhand eines Beispiels

Die Übertragungskennung (Transmission Identifier). Department-of-State-Meldungen fangen mit V und ZCZC an.

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„Not Releasable to Foreign Nationals“. Solche Dokumente dürfen Ausländer nicht sehen.

Die Geheimhaltungsfrist nach Executive Order 12958.

Bezug (Reference).

Adressaten. Die ersten beiden Buchstaben bestimmen, wie schnell die Dokumente im Netz weitergeleitet werden sollen. Z steht für Blitzmeldung, O für unverzüglich, P für Priorität und R für Routine.

RUEHBC, RUEHKUK und RUEHTRO sind „Routing Indicators“, Empfänger im Netzwerk, und stehen für das Botschafts-Office in Basrah, das regionale Wieder-aufbauteam in Erbil und die Botschaft in Tripolis.

Der Urheber. DE bedeutet „von“, RUEHKU ist die Botschaft in Kuwait. 0142 ist eine Seriennummer. 01 folgt, wenn die Meldung mehrere Abschnitte hat.

Die letzte Eintragung ist der Übermittlungs-zeitpunkt. 048 meint den 48. Tag im Jahr, das ist der 17. 2. Danach folgt die Uhrzeit in Greenwich Mean Time (GMT).

„Classification“. ZNY heißt, die Nachricht muss über eine sichere Leitung ge-hen. Zusammen mit SSSSS bedeutet diese Buchstabengruppe „secret“. ZZH meint, dass die Meldung von einer Stelle des Department of State erstellt wurde.

4

Die Datumszeile. P steht für „Priority“, gefolgt von Datum und Zeit. Z steht für „Zulu time zone“ und ist gleichbedeutend mit GMT.

5

Zu informierende Stationen (RHEHNSC etwa ist der Nationale Sicherheitsrat), gefolgt von der Priorität.

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Geheimhaltungsstufe, Abschnitt 1 von 3 der Meldung (ein Abschnitt ist 110 Zeilen lang), Absender und Seriennummer.

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SIPRNet Distribution. Das „Secret Internet Protocol Router Network“ wird von Ver-teidigungs- und Außenministe-rium zur Übertragung gehei-mer Informationen genutzt.

10

Diese Person hat die Geheimhaltung veranlasst (DCM = Stellvertretender Chef der Botschaft). Die Gründe: 1.4 b = Informationen von fremden Regierungen, 1.4 d = auswärtige Beziehungen oder auswärtige US-Aktivitäten inkl. vertraulicher Quellen.

17

NEA ist die Abteilung für Nahost-Angelegenheiten im Außenministerium. NEA/ARP und NEA/RA sind die Unter-abteilungsleiter für die arabische Halbinsel bzw. regionale Angelegenheiten.

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Der Hauptempfänger im Klartext. RUEHC ist das Außenministerium. Mit der Nummer kann der Meldungsverkehr im Netz verfolgt werden.

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Der Absender im Klartext. FM bedeutet „from“.6

Traffic Analysis by Geography and Subject (TAGS). Alle Telegramme müssen mindestens einen Begriff enthalten. Das vorangestellte „P“ steht dabei für den Bereich „Politische Angelegenheiten“.

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PTER = TerrorismusIR = Iran

YM = Yemen KU = Kuwait

PGOV = Interne Regierungsangelegenheiten PREL = Auswärtige politische Beziehungen

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Der Betreff des Dokuments klingtharmlos: „Berichts- und Sammel -anforderungen: Die Vereinten Na-

tionen“. Doch die geheime Depeschevom 31. Juli 2009, einer der brisantestender jetzt veröffentlichten Botschaftsbe-richte, hat es in sich: Auf 29 Seiten for-dert das Außenministerium der Vereinig-ten Staaten darin seine Diplomaten auf,die Uno und ihre führenden Köpfe aus-zuspähen.

Das Papier mit den Spionage-Anwei-sungen ging an die amerikanische Uno-Vertretung in New York sowie an 30 US-Botschaften weltweit, von Amman überBerlin, Paris und London bis nach Zagreb.Außenministerin Hillary Clinton hat esabgezeichnet. Es ist der bislang streng un-ter Verschluss gehaltene „Nationale Be-schaffungsplan unter Einsatz mensch -licher Quellen“ („National Humint Col-lection Directive“).

Der Grat zwischen der Arbeit der Di-plomaten und der Arbeit der Geheim-dienste ist von jeher schmal. Das diplo-matische Corps sammelt auf legalem WegInformationen, bewertet sie und bereitetdamit die Grundlage für die eigene Au-

ßenpolitik. Die Nachrichtendienste infil-trieren und führen Quellen, alles mög-lichst unsichtbar. Aber oft am Rande oderauch jenseits der Legalität.

Folgt man dieser Unterteilung, dannbetreibt das State Department neben demdiplomatischen auch ein nachrichten-dienstliches Geschäft, dessen Leitlinienin Clintons Beschaffungsplan festgeschrie-ben sind. Selbst über Uno-Generalsekre-tär Ban Ki Moon wollen die Amerikaneralles wissen. Die Ergebnisse fließen of-fenkundig weiter an die CIA oder andereUS-Nachrichtendienste.

Als Begründung für den Spionageauf-trag legt Clinton offen, dass ein Großteilder Informationen, mit denen die Ge-heimdienste arbeiten, aus den weltweitzusammengetragenen Berichten von Au-ßenamtsmitarbeitern stamme.

Die Diplomaten sollten über ihre Kon-takte so viel wie möglich in Erfahrungbringen, darunter:‣ Büro- und Organisationsbezeichnun-

gen, Namen, genaue Bezeichnung derStellung;

‣ Nummern von Telefonen, Handys, Pa-gern und Faxen; Zusammenfassungen

von Kontaktinformationen wie etwaTelefon- und E-Mail-Verzeichnisse;

‣ Kreditkarten- und Vielflieger-Kunden-nummern, Dienstpläne und andere ver-trauliche Informationen;In vielen Fällen geht der Informations-

hunger noch weiter, gesammelt werden:‣ biometrische Daten;‣ Passwörter für Verschlüsselungen.

Ähnliche Aufforderungen zur Bespit-zelung gibt es für viele Staaten, etwa Pa-raguay und Palästina, acht westafrikani-sche Staaten, wie Burkina Faso, Maure-tanien und Senegal, sowie diverse StaatenOsteuropas.

Die Themen, die das State Departmentbei der Uno interessieren, sind breitgefä-chert. Auf der „Prioritäten“-Liste vomJuli 2009 steht „Darfur/Sudan“ an ersterStelle, noch vor „Afghanistan/Pakistan“,Somalia, Iran und Nordkorea. Dazu kom-men acht „andauernde Schlüsselthemen“wie die Reform des Uno-Sicherheitsrates,der Irak, der Friedensprozess im NahenOsten, Menschenrechte und Kriegsver-brechen.

Derartige Methoden verstoßen gegenalle Regeln, die sich die Vereinten Natio-nen gegeben haben. In der „Konventionüber die Privilegien und die Immunitätder Vereinten Nationen“ sowie im „Wie-ner Übereinkommen über diplomatischeBeziehungen“ ist festgeschrieben, dasskeine Spionagemethoden angewandt wer-den sollen. Zudem haben die USA mitden Vereinten Nationen 1947 ein direktesAbkommen geschlossen, das verdeckte

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Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon in New York

Die Spione vom East RiverUS-Diplomaten sollen die Uno ausspähen – auch

Generalsekretär Ban Ki Moon und seine Mitarbeiter.

Depesche des State Department vom 31. Juli 2009:

„Bericht erstattende Beamte sollten so viele Informatio-

nen wie möglich beifügen, die sich auf ihr Wissen der ge-

nannten Personengruppe beziehen: Bezeichnungen des

Amts und der Organisation; Namen, Positionen und andere

Informationen, die auf Visitenkarten enthalten sind; Tele-

fon-, Handy- und Fax-Nummern; Verzeichnisse von Kontak-

ten wie Telefonlisten (auf CD oder elektronisch, wenn mög-

lich) und E-Mail-Adressen sowie Internet-Zugangscodes;

Nummern von Kreditkarten und Vielflieger-Konten; Dienst-

pläne und andere relevante biografische Informationen.“

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Aktivitäten ausschließt. Aber diese Ab-machungen sind schon Jahrzehnte alt,und an den fragwürdigen Nebenjobs derDiplomaten scheint sich noch kaum je-mand gestört zu haben. Abhören inner-halb der Uno sei „eine Art Tradition“,sagte der frühere Uno-GeneralsekretärBoutros Boutros-Ghali.

Erstmals liegt mit dem Nationalen Be-schaffungsplan nun ein offizielles Re -gierungsdokument vor, das den Einsatzdunkler Methoden durch die US-Admi-nistration formal belegt. Angesichts desnun enthüllten Dokuments wird es denamerikanischen Diplomaten schwerfal-len, ihre Aktivitäten zu dementieren. Zudetailliert, zu umfassend ist dargelegt,was die amerikanische Außenpolitik in-teressiert.

Beim Thema Iran etwa stehen „die Plä-ne und Absichten des Uno-Generalsekre-tärs und seiner direkten Mitarbeiter“ganz oben auf der Wunschliste, dicht ge-folgt von den „spezifischen Absichtenvon Großbritannien, Frankreich, Deutsch-land und Russland“.

Wie Ban Ki Moon und seine Mitar -beiter im Generalsekretariat der Verein-ten Nationen zum Libanon, dem irani-schen Atomprogramm und zu Haiti ste-hen, sollen die amerikanischen Hilfs -spione ebenso in Erfahrung bringen wieihre Haltung zu Einzelfragen, etwa zumUmgang mit terroristischen Gruppie -rungen.

Die Anforderungen gehen weit überdas normale Maß diplomatischen Interes-ses hinaus.

So wünscht sich Clinton etwa „biogra-fische und biometrische Informationenzu den permanenten Re-präsentanten des Uno-Si-cherheitsrates und Infor-mationen über derenVerhältnis zu ihren Re-gierungen“, inklusivemöglicher „Differenzenzwischen den Uno-Mis-sionen und ihren Haupt-städten“. Fingerabdrückefranzösischer Diploma-ten, Körpermaße bei Chi-nesen und Iris-Scans beiden Russen?

Ähnliche Wünschegibt es dem Dokumentzufolge für die ständigenVertreter der „Gruppeder 77“, also der Ent-wicklungs- und Schwel-lenländer, und der blockfreien Mitglied-staaten, „speziell China, Kuba, Ägypten,Indien, Indonesien, Malaysia, Pakistan,Südafrika, Sudan, Uganda, Senegal undSyrien“.

Besonders interessiert ist das Außen-ministerium auch an internen Kommuni-kationseinrichtungen der Uno. Clintonfordert in ihrer Wunschliste nicht nur al-

les über die Telekommunikationssystemeder Organisation, sondern auch eine Fülledigitaler Details über „geplante Upgrades,Sicherheitsmaßnahmen, Passwörter, per-sönliche Codes für die Verschlüsselung“.Die Intention scheint klar: Mit diesen Informationen kann der Abhörgeheim-dienst NSA anschließend leichter Tele -fone, Computer und E-Mail-Konten atta-ckieren.

Angriffe mit Hilfe moderner Techniksind in der Geschichte der Uno immerwieder vorgekommen. 2004 entfachte dieehemalige britische Ministerin ClareShort einen Skandal, als sie in einem In-terview zugab, Spione würden regelmä-ßig die Kommunikation hochrangigerUno-Vertreter mitschneiden, auch die desGeneralsekretärs. Sie habe selbst Tran-skripte von überwachten GesprächenKofi Annans gesehen.

Legendär ist auch der Lauschangriffder Briten im Vorfeld des Irak-Kriegs. Aufdringende Bitten der NSA hin klinktensie sich wohl bei mehreren Mitgliederndes Uno-Sicherheitsrates ein, um derenAbstimmungsverhalten bei der Resolu -tion gegen das Regime von Saddam Hus-sein herauszufinden. Der Skandal wurdeöffentlich, weil eine junge Übersetzerindes britischen Geheimdienstes die Anwei-sung ausdruckte und einer Zeitung zu-spielte.

Gleich mehrmals fanden TechnikerWanzen in der Uno. Im April 2006 stie-ßen Arbeiter bei einer Wartung auf elek-tronische Bauteile, die im Genfer Palaisdes Nations, Salon C 108 versteckt waren.Wert der Anlage: um die 65 000 Euro.Ähnliche Geräte hatten Spezialisten be-

reits 2004 ausgemacht. Eines eint allerdings dasdiplomatische wie das ge-heimdienstliche Gewer-be: Man lässt sich nichterwischen. Weder beidem Lauschangriff aufKofi Annan noch bei denversteckten Wanzen inGenf ließ sich ein Nach-weis für die Herkunft derGeräte führen. Das istdiesmal anders.

Und doch: ErnsthafteKonsequenzen muss Au-ßenministerin Clintonwohl nicht fürchten, zusehr sind alle Beteiligtendarauf bedacht, das Ge-sicht zu wahren. Selbst

der Uno-Generalsekretär blieb bislangimmer diplomatisch.

2004 telefonierte Annan nach Bekannt-werden der Spionageaffäre mit dem bri-tischen Uno-Botschafter Emyr Jones Par-ry. Wenn die Vorwürfe zuträfen, ließ An-nan in der schwächsten aller denkbarenEmpörungsformen mitteilen, sei er „ent-täuscht“. MARCEL ROSENBACH, HOLGER STARK

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Uno-Zentrale in New York Fragwürdige Nebenjobs

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„Die Iraner sind große, dreiste Lügner.“„Ahmadinedschad ist Hitler.“„Iran ist wie ein Oktopus.“„Verzögert ihr Nuklearprogramm – mit allen möglichen Mitteln.“ „Bombardiert Iran, oder lebt mit der iranischen Bombe.“

Die Zitate stammen nicht von Israe-lis oder Amerikanern, sondernvon Politikern und Herrschern

aus Ägypten, Jordanien und Abu Dhabi. Niemand hat so große Angst vor eineriranischen Bombe, niemand hasst denMullah-Staat so sehr wie die arabischenFührer – das Bild zumindest zeichnenjetzt die geheimen amerikanischen De -peschen.

Danach fürchten die Araber, ein Iranmit Atomraketen werde sie politisch undmilitärisch dominieren und ihre Halb- demokratien, Königreiche und Scheich-tümer unterwandern.

„Wir haben alle Angst“, sagte der ägyp-tische Präsident Husni Mubarak denAmerikanern. Die sunnitischen Herrscherim Nahen Osten sprechen sich für Sank-tionen aus, manche sogar für einen An-griff auf die Nuklearanlagen, für alles jedenfalls, was dazu dient, den EinflussIrans einzudämmen. Aber natürlich sagensie das niemals öffentlich, sondern nurhinter verschlossenen Türen, wenn ame-rikanische Diplomaten oder Minister zuBesuch sind. Kein Thema beherrscht die

amerikanische Nahost-Politik so sehr wiedie Furcht vor einer iranischen Atombom-be. Die Dokumente aus dem State De-partment in Washington zeigen jetzt, wieAmerikaner, Israelis und ihre heimlichenAlliierten versuchen, das Regime in Te-heran einzukreisen.

DER AUFTAKTKurz nachdem Barack Obama im Januar2009 als Präsident antritt, verspricht ereinen neuen Umgang mit Iran. Er bietet

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Die heimliche AllianzDie amerikanischen Dokumente enthüllen, dass die Front gegen einen nuklear

bewaffneten Iran breiter ist als weithin bekannt: Arabische Machthaber fordern bei vertraulichen Gesprächen Maßnahmen gegen die Mullahs in Teheran.

AY-COLLECTION/SIPA PRESS

Religionsführer Chamenei (M.), Präsident Ahmadinedschad: „Iran führt sich bereits auf wie eine Nuklearmacht“

Depesche vom 23. Juli 2009 aus der US-Botschaft in Abu Dhabi:

„MbZ verglich die aktuelle Situation mit der vor dem Zweiten Weltkrieg in

Europa und sagte: ,Ahmadinedschad ist Hitler.‘“

Titel

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Teheran Verhandlungen und Anreize an,die umstrittenen Teile seines Nuklear -programms aufzugeben. Ein wichtiger Be-standteil von Obamas Angebot ist es,1200 Kilogramm schwach angereichertesUran aus der iranischen Atomanlage Na-tans nach Russland und Frankreich brin-gen und es außerhalb Irans zu Brennstä-ben für den Teheraner Forschungsreaktorverarbeiten zu lassen. Dort sollen Isotopefür medizinische Zwecke produziert wer-den. Ein Angebot, wie der Vize-Energie-minister Daniel Poneman erklärt, „nichtaus Naivität, sondern aus der Sichtweiseheraus, dass, wenn Iran zustimmt, damitein signifikanter Teil seines niedrig an -gereicherten Urans aus Natans entferntwürde, und wenn Iran ablehnt, das zurinternationalen Unterstützung beitragenwürde – vor allem von Russland und Chi-na – für schärfere Sanktionen“.

Von Beginn an verfolgt die US-Regie-rung eine Doppelstrategie. Sie bekundetden Willen zu Verhandlungen, bereitetaber gleichzeitig den Boden für Sanktio-nen. Und anscheinend, auch das deutendie Dokumente an, trifft sie Vorbereitun-gen für den Fall eines Militärschlags.

Mitte Februar 2009, noch bevor Benja-min Netanjahu zum neuen Premier ge-wählt ist, besucht eine Delegation desUS-Kongresses den Israeli. Netanjahudrängt auf scharfe Wirtschaftssanktionen,unterstützt von einer „glaubhaften Mili-

täroption“. Sanktionen, sagt er, würdennur dann wirken, wenn Amerika ernst-haft mit einem Angriff drohe. Das wirdseine Position bleiben. Und es scheint,dass die Amerikaner diese Strategie über-nehmen.

Wenige Wochen später findet das ersteoffizielle Treffen mit dem neuen PremierNetanjahu statt. Beide Seiten diskutierenjetzt Sanktionen und Möglichkeiten, deniranischen Import von Benzin einzu-schränken. Netanjahu drängt darauf, dieUSA sollten schnell handeln. Er schlägteinen zeitlich knapp bemessenen Dialogmit konkreten Zielen vor, etwa Gesprä-che mit den Iranern für vier bis zwölf Wochen, bei denen Amerika klarmache,dass es das Ziel sei, Teherans Nuklear-programm zu beenden.

Im Bericht heißt es: „Sich vorlehnendwiederholte Netanjahu seine frühere Fra-ge: ,Was werdet ihr machen, wenn esnicht funktioniert?‘“ Er stellt die Fragedreimal während des Gesprächs. Die Ant-wort bleibt offen.

DIE VORBEREITUNGEN AM GOLFAnfang 2009 beginnen auch intensive Ge-spräche mit den Golfstaaten, die sich überdas Jahr hinziehen. In ihrem Verlauf wirddeutlich, dass die meisten Golfstaatenzwar keinen militärischen Angriff auf ira-nische Nuklearanlagen wollen – sich abergleichzeitig mit Hochdruck auf iranische

Vergeltungsschläge vorbereiten, weil siemit einer israelischen Operation rechnen.

Die Vereinigten Arabischen Emiratedrängen darauf, die gemeinsame Militär-planung mit den USA zu verbessern. Siefordern die schnellere Lieferung von ame-rikanischen Waffensystemen, „um auf einWorst-Case-Szenario in Iran reagieren zukönnen“.

Mohammed bin Zayed, mächtigerKronprinz von Abu Dhabi, sagt, dass dieVorbereitungen jetzt anfangen müssten,bevor die Kämpfe begännen. Bin Zayed,den die Amerikaner oft nur MbZ nennen,befürchtet einen israelischen Angriff undiranische Racheaktionen noch vor Ablaufdes Jahres, die Amerikaner gehen davonaus, dass es zu einer „militärischen Kon-frontation mit Iran“ frühestens 2010 kom-men könne.

„Er (bin Zayed) ist noch immer besorgt,dass er nicht genug Ausrüstung vor Orthat, um seine Leute zu verteidigen, wennein Krieg mit Iran ausbricht (und für MbZist das nur eine Frage des Wann, nichtdes Ob).“

Der Luftwaffenkommandeur des fürden Nahen Osten zuständigen US-Zen-tralkommandos (Centcom), Mike Hos -tage, erklärt laut Botschaftsprotokoll demKronprinzen von Bahrain, Salman binHamad al-Khalifa, bei einem Besuch, dassdie Bedrohung durch Iran die USA dazubewege, mit den Golfstaaten eine regio-nal integrierte Strategie für Luft- und Ra-ketenabwehr voranzutreiben. „ScheichSalman begrüßte das und betonte, dassBahrain Teil einer Lösung bei den Her -ausforderungen sein wolle, die Golfstaa-ten zu verteidigen.“

Kommandeur Hostage erklärt demScheich die Details: „Zunächst sollten dieLuft- und Raketenabwehrkräfte der USA,unter anderem das ,Aegis‘-System derMarine und die ,Patriot‘-Raketen des Heeres, vernetzt werden.“ Danach werdejeder der Golfstaaten in ein gemeinsa -mes Frühwarnsystem eingebunden. „DerKronprinz antwortete, das würde dieLage grundlegend verändern, weil es sichum eine dauerhafte Einrichtung handeltund Irans Möglichkeiten zu militärischerMachtentfaltung begrenzt.“

Bereits seit längerem rüsten die Emirateauf, wie auch Saudi-Arabien und andereStaaten der Region, um sich gegen Iranzu wappnen. Schon 2007 hatte Scheichbin Zayed auf eine Lieferung von Droh-nen des Typs „Predator B“ gedrängt. Nunfordert er, schnellstmöglich Waffen vonden Amerikanern geliefert zu bekommen,am besten sofort, aus US-Beständen inder Region. Außerdem wollen die Emirateund Saudi-Arabien „Patriot“-Abwehr -raketen – sie werden in Bahrain, Abu Dha-bi und Dubai installiert. Auch das hoch-moderne Abwehrsystem THAAD, so dasVersprechen, soll innerhalb eines Jahreseingerichtet werden, erstmals außerhalb

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Urananreicherungsanlage bei Ghom: „Wir haben alle Angst“

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der USA. Es dient dazu, Kurz- und Mit-telstreckenraketen abzufangen.

Sogar mit den Herrschern in Katar tref-fen sich die Amerikaner im Juni 2009 zu„strategischen Konsultationen“, dabei istKatar bedacht, Iran nicht zu verprellen.„Katars Führer, obwohl vorsichtig, dasnicht öffentlich zu sagen, trauen Irannicht, und Katar will nicht, dass Iran nu-kleare Waffen bekommt“, meldet die US-Botschaft in Doha nach Washington.

Auch die Nutzung amerikanischer Ba-sen für einen möglichen Angriff ist einThema: „Obwohl kaum jemand, Katar si-cher zuletzt, eine militärische Konfronta-tion mit Iran will, würde die US-Regie-rung ohne Zweifel die US-Militärbasenin Katar bei einem Luftangriff gegen Irannutzen wollen. Derzeit rechnen wir da-mit, dass Katar uns nicht erlauben würde,katarischen Boden für einen Angriff ge-gen Iran zu nutzen, mangels irgendeinerArt von Sicherheitsgarantie der US-Re-gierung für Katar, inklusive seiner Off-shore-Gasfelder, die es mit Iran teilt.“

Der Schutz kritischer Infrastruktur wieÖlförderanlagen, Raffinerien und Häfenwird ebenfalls erörtert. Außerdem über-arbeiten die Vereinigten Arabischen Emi-rate zusammen mit den Amerikanern Plä-ne, wie sie im Falle einer „Krise oder

Konfrontation“ die Straße von Hormuzsichern können, durch die täglich 14 Mil-lionen Barrel Erdöl transportiert werden.

Und natürlich geht es auch um die Fol-gen eines Angriffs auf die Ölförderanla-gen. Der US-Botschafter in Doha sendetauf Anforderung einen ausführlichen Re-port nach Washington. Darin analysierter den Schutz von Infrastruktur in Katar,„die, falls zerstört, unterbrochen oder aus-gebeutet einen sofortigen und schädli-chen Effekt auf die Vereinigten Staatenhaben würde“. Katar ist der größte Flüs-siggasexporteur und einer der wichtigstenErdgaslieferanten Amerikas.

Die Angst vor einem iranischen Ge-genschlag nutzt auch den Amerikanern.Sie bauen ihren Einfluss im Golf aus, in-dem sie die Staaten der Region von ihrerMilitärunterstützung abhängig machen –und sichern damit eine der wichtigstenSäulen amerikanischer Weltmacht. DieUmsetzung der Vereinbarung zwischenSaudi-Arabien und den USA zum Schutzvon wichtiger Infrastruktur habe „ein riesiges wirtschaftliches Potential, dasman in großen Aufträgen für viele Mil -liarden Dollar messen kann. Noch wich-tiger, dies würde den größten Einflussge-winn der US-Regierung in Saudi-Arabienseit einer Generation bedeuten“. Das

schreibt die US-Botschaft in Riad bereitsim August 2008.

Ein Jahr später sagt General David Petraeus bei einem Besuch in Beirut, esgebe ein „Phänomen in den Golfstaaten,dass die Herrscher besorgt sind, dass je-mand das iranische Nuklearwaffenpro-gramm angreifen könnte, während siesich gleichzeitig sorgen, dass es niemandtut. Iran … ist für Centcom das beste Re-krutierungsinstrument, und die Zahl derPartnerschaften und Abkommen zur mi-litärischen Unterstützung zwischen denUSA und ihren arabischen Partnern imGolf hat deutlich zugenommen.“

DIE ANGST DER ARABERDer größte Iran-Feind unter den Arabernist Mohammed bin Zayed, der Kronprinzvon Abu Dhabi und eine Schlüsselfigurder Emirate. Er vergleicht in seinen Ge-sprächen mit Obamas Emissären die der-zeitige Situation mit der in Europa kurzvor dem Zweiten Weltkrieg und das Te-heraner Machtgehabe mit Saddam Hus-sein 1990, kurz vor seiner Invasion in Ku-wait. Er glaubt wie die meisten anderenHerrscher der Region, dass der Dialog-versuch mit den Iranern scheitern werde.

„Iran führt sich bereits auf wie eine Nu-klearmacht“, sagt er gegenüber dem ame-

Titel

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Minen und Anlagen zur

Gewinnung von Uranoxid

SAUDI-ARABIEN

ÄGYPTENJORDANIEN

SYRIEN

ISRAEL

LIBANON

fertiggestellt/in Betrieb

Reaktoren

fertiggestellt/in Betrieb in Bau

in Bau

Forschungslabors/Produktionsstätten Lagerstättefür radioaktive Abfälle

1. URANABBAU

Iranische Uranerzvorkommen befinden sichin Saghand und Gaschin. Hier und in Ardakan

wird aus dem Uranerz auch konzentriertes Uranoxidgewonnen, sogenanntes Yellow Cake.

2. AUFBEREITUNG

Unter Zusatz von Fluor entsteht das gasförmige Uran-hexafluorid. Anlagen dazu befinden sich in Isfahan.

4. PRODUKTION VON BRENNSTÄBENIn Isfahan wird das angereicherte Uran zu Brennstäbenweiterverarbeitet, die in Atomreaktoren zum Einsatzkommen.

5. ATOMREAKTORENDas Kernkraftwerk in Buschehr steht vor der Inbetriebnahmeund soll im Lauf des Jahres 2011 mit der Stromerzeugung begin- nen. Forschungsreaktoren befinden sich in Teheran und Isfahan. In Arak wird ein Reaktor gebaut, der mit nichtangereichertem Uranbetrieben werden kann. Bei diesem Reaktortyp entstehen während der Verbrennung größere Mengen Plutonium.

Bei einer Plutonium-Bombe dient hochreines Plutonium

als Spaltmaterial. Es ließe sich in Arak gewinnen, wenn die

Brennelemente jeweils nur kurzzeitig im Reaktor eingesetzt

würden.

Der Weg zur Bombe Die Atom-Infrastruktur Irans

KATAR

BAHRAIN

Teheran

Arak

GhomSaghand

ArdakanIsfahan

Buschehr

Natans

Anarak

TURKMENISTAN

IRAN

AFGHANISTAN

PAKI-STAN

IRAK

KUWAIT

VEREINIGTEARABISCHEEMIRATE OMAN

Persischer

Golf

Golf von

Oman

Straße von Hormuz

Gaschin

TÜRKEI

3. ANREICHERUNG

Anschließend muss das Uranhexafluorid inaufwendigen Zentrifugenverfahren angereichertwerden. Für die Nutzung in Atomreaktorengenügt eine geringe Anreicherung. Anlagen zurAnreicherung befinden sich in Natans und Ghom.

Experten befürchten, dass Iran versucht,

Uran heimlich so hoch anzureichern,

dass es für den Bau einer Atombombe

geeignet ist.

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rikanischen Vize-Energieminister. „Iranetabliert überall in der muslimischen WeltEmirate, inklusive des Südlibanons undGazas, Schläfer-Emirate in Kuwait, Bah-rain und der Ostprovinz Saudi-Arabiens,außerdem die Mutter aller Emirate imSüdirak und jetzt Saada im Jemen.“

Der Kronprinz glaube, „ein Sturm wer-de losbrechen, wenn Iran die Bombehabe, mit Ägypten, Saudi-Arabien, Sy-rien und der Türkei, die ihre eigenen Nu-klearwaffen entwickeln werden, und miteinem Iran, der den sunnitisch-schiiti-schen Konflikt in der ganzen Welt an-heizt“, schreiben die Amerikaner nachdem Gespräch mit dem Scheich. „MbZbeschrieb einen baldigen konventionellenKrieg mit Iran als klar besser gegenüberden langfristigen Konsequenzen eines nu-klear bewaffneten Iran.“

Der Scheich ist überzeugt, ein Angriffder Israelis stehe bevor, worauf Iran mitRaketen reagieren werde, die sich auchauf die Vereinigten Emirate richten wür-den – die Landkarte des Nahen Ostenswürde sich ändern. Daher fordert er vonden Amerikanern im Juli 2009 endlichTaten und einen „Plan B“ für den Fall,dass Iran nicht verhandlungsbereit sei.Iran müsse unter Druck gesetzt werden,mit sofortigen Strafen bei Übertretungvon „roten Linien“.

Als Lösung sieht er, wie andere arabi-sche Führer, die Zersetzung Irans von innen: „Der einzige Weg, Iran davon abzuhalten, nukleare Waffen zu ent -wickeln, ist, das Land von innen zu spal-ten“, sagt er laut einer der Botschaftsmel- dungen.

Auch andere Araber artikulieren ihreSorge, so etwa König Abdullah von Sau-di-Arabien. Bei einem Besuch von JohnBrennan, Obamas oberstem Terror -bekämpfer, sagt er: „Vor einem Momentsaß Manutschehr Mottaki noch auf IhremStuhl.“ Er berichtet, er habe dem irani-schen Außenminister gesagt: „Ihr Perser,haltet euch raus aus arabischen Angele-genheiten.“ Dann habe er ihm ein ein-jähriges Ultimatum für einen Dialog ge-stellt: „Danach ist Schluss.“

Der König ist kein Freund der Iraner.„Ein Nachbar, den man gern vermeidenwürde“, sagt er nach einem der US-Do-kumente: Die Iraner „feuern Raketen abin der Hoffnung, den Menschen und derWelt Angst einzuflößen … Irans Ziel istes, Probleme zu verursachen. Ohne Zwei-fel sind sie irgendwie labil“. Er schließtmit einem Seufzer: „Möge Gott verhüten,dass wir Opfer ihrer Bosheit werden.“

In internen Gesprächen mögen KönigAbdullah und Scheich Mohammed binZayed Hardliner sein, was Iran angeht –öffentlich äußern sie sich allerdings nicht.Genauso wenig wie die anderen arabi-schen Herrscher. Die Jordanier etwa sindzwar von Beginn an skeptisch gegenüberdem amerikanischen Dialog und für

scharfe Maßnahmen, aber auch sie wür-den das nie laut sagen. „Während die jor-danische Regierung die US-Regierungohne Zweifel dabei unterstützt, denDruck auf Iran zu vergrößern, werden siewahrscheinlich eine öffentliche Rolle beidiesem Thema vermeiden“, heißt es ineinem Bericht vom 3. Februar 2010.

Amerika versucht, seine heimlichen Al-liierten immer wieder zu überreden, auchöffentlich Position zu beziehen. „Saudi-Arabien sollte seine Führerschaft gegen-über seinen Nachbarn in der Region aus-üben und öffentlich Bedenken über Iransfortgesetzte Nuklearwaffenentwicklungund seine destabilisierenden Aktivitätenin der Region äußern.“

Worüber die Araber auch lieber schwei-gen: Aus den US-Dokumenten geht her-vor, dass die Beziehungen zwischen denarabischen Staaten und Israel deutlich in-tensiver sind, als diese gewöhnlich zu -geben – die gemeinsame Angst vor Iranverbindet.

Der Vizedirektor des israelischen Au-ßenministeriums, Jakob Hadas, etwa be-richtet, dass die Golf-Araber ihre Bot-schaften an die Amerikaner gern von Is-rael überbringen lassen, weil sie das füreffektiver halten. „Sie glauben, dass Israelzaubern kann“, sagt Hadas.

DIE ISRAELISCHE OPTIONIrans Nuklearprogramm sei die größte Be-drohung atomarer Proliferation seit derKuba-Krise, sagt Benjamin Netanjahuden Amerikanern. Sollte Iran tatsächlich

eine Atombombe erlangen, das wieder-holen er und andere israelische Politikerimmer wieder, dann wäre es mit dem Frie-densprozess im Nahen Osten vorbei.

Die israelische Führung lehnt einenDialog mit Teheran von Anfang an abund setzt sich stattdessen für „lähmendeSanktionen“ ein, am besten durch eineerneute Resolution im Uno-Sicherheitsrat,notfalls aber auch ohne. Man müsse deniranischen Import von Benzin stoppenund gleichzeitig die Opposition in Tehe-ran etwa durch Öffnung von Internet -zugängen stärken – das ist die Linie, dieNetanjahu bei einem Gespräch vorgibt.

Er setze auf Regimewechsel, auf eine Re-volution von innen, um erst Präsident Mah-

mud Ahmadinedschad und dann vielleichtdas gesamte Regime zu Fall zu bringen,sagte Netanjahu schon 2007 den Amerika-nern, da war er noch Oppositionsführer.

Die Israelis zählen die Monate, die ih-rer Meinung nach noch bleiben, um dieBombe zu verhindern. Mal zwei Jahre,mal ein Jahr, mal sechs Monate, im De-zember 2009 ist es so weit – Netanjahusagt: Iran sei nun in der Lage, eine Bombezu bauen. Allerdings sind sich die Ameri-kaner nicht sicher, ob sie den Israelis datrauen können. „Es ist unklar, ob die Israelis das wirklich ernsthaft glaubenoder ob sie Worst-Case-Annahmen nut-zen, um in den USA die Dringlichkeit zu erhöhen“, heißt es in einer Botschafts-depesche.

Ob reales Szenario oder Drohkulisse –Israel macht kein Hehl daraus, dass seine

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Jordanisches Königspaar Rania und Abdullah II.

Saudi-König Abdullah, Syriens Präsident Assad

Führer der arabischen Welt: „Möge Gott verhüten, dass wir Opfer ihrer Bosheit werden“

Abu-Dhabi-Kronprinz bin Zayed

Page 14: Titel Im Visier der Supermacht · Können die Vereinigten Staaten von Amerika ohne Deutschland über-leben? Was ist hierzulande so wichtig, dass „eine Zerstörung oder Er-schöpfung“

Militärs einen Angriff auf iranische Nu-klearanlagen vorbereiten. „Alle Optio-nen auf dem Tisch“ ist die oft wiederholteFormel von Israelis und Amerikanern, dieeinen Angriff auf Iran einschließt. Ame-rika verleiht den Drohungen der Israelisjedenfalls Glaubwürdigkeit. Die Doku-mente bestätigen, dass Amerika erneutim November 2009 bunkerbrechendeBomben vom Typ GBU-28 nach Israel lie-fert. Der Zweck ist klar: Sie könnten füreinen Angriff auf unterirdische Nuklear-anlagen genutzt werden. Deshalb wickelnAmerikaner und Israelis die Lieferungauch diskret ab, um Beschuldigungen zuvermeiden, die US-Regierung rüste Israelfür einen Angriff aus.

Eine der wichtigsten Hilfestellungenfür eine Attacke Israels: Amerika und seine Alliierten verhindern in einer ge-meinsamen Kraftanstrengung, dass Iranrussische Abwehrraketen vom Typ S-300bekommt, die dessen Nuklearanlagenschützen und damit einen israelischenLuft angriff sehr erschweren könnten.

Wie wichtig die S-300 sind, zeigt eineMeldung des US-Botschafters in den Ver-

einigten Emiraten im Februar 2009: DerStabschef der Emirate hatte ihn einberufenund fordert, dringend, fünf amerikanische„Patriot“-Raketenbatterien an. „Nach ei-nem sehr kurzen Austausch von Höflich-keiten sagte der Stabschef: ,Ich bin offenund ehrlich mit Ihnen, es gibt Veränderun-gen in der Region, die uns Sorgen berei-ten.‘ Gedrängt, welche Art von Ereigniseinen israelischen Angriff auslösen könnte,sagte der Stabschef, die Auslieferung derrussischen S-300-Systeme könne der Ka-talysator sein. Der Stabschef sagte sehr di-rekt: ,Ich traue den Russen nicht, ich habenoch nie Russen oder Iranern getraut.‘“

Präsident Obama setzt sich im Laufedes Jahres 2009 bei den Russen persönlichdafür ein, die bestellten Raketen nicht zuliefern. Die S-300 zu verhindern, das hatfür die neue Regierung Priorität, wie auseinem Bericht aus der Moskauer Bot-schaft vom Februar 2009 ersichtlich wird:„Mit allen Vor- und Nachteilen ist die Lie-ferung der S-300 ein Barometer unsererbilateralen Beziehungen geworden.“

Das Außenministerium fordert im Fe -bruar 2010 auch Bahrain, die VereinigtenEmirate und Jordanien auf, ihre Botschaf-ter in Moskau auf die Russen einwirkenzu lassen. Saudi-Arabien soll versuchen,den S-300-Verkauf zu verhindern, indemes Russland ein besseres Geschäft anbie-tet – das Land will für zwei MilliardenDollar selbst Abwehrraketen kaufen.

Und natürlich setzt sich auch Netanja-hu ein: Er übergibt den Russen eine Listemit Namen russischer Wissenschaftler, diezum iranischen Nuklearprogramm beige-tragen haben sollen – eine Form der di-plomatischen Erpressung.

Im Februar 2010 – bis dahin reichen dieUS-Dokumente, die dem SPIEGEL vor-liegen – scheint der S-300-Deal vom Tischzu sein. Tatsächlich unterzeichnet der russische Präsident Dmitri Medwedewschließlich im September 2010 ein Dekret,das die Auslieferung untersagt.

DAS ENDE DER GEDULDDie Bemühungen der Amerikaner um einen Dialog mit dem Mullah-Regimebleiben unterdessen fruchtlos. Nach den

US-Unterlagen berichten Diplomaten,dass Iran weiterhin versuche, Ausrüstungfür sein Raketen- und Nuklearprogrammim ehemaligen Ostblock zu kaufen: Messgeräte, Hochpräzisionsverstärker,Druckanzeigen, Verbundmaterial undTech nologie für neue Raketen antriebe.Viele dieser Versuche seien vereitelt wor-den. Auch in China, Deutschland undder Schweiz versuchen iranische Tarn -firmen, Messgeräte und Ausrüstung zukaufen.

Die Frist für Verhandlungen läuft ab.Und Präsident Ahmadinedschad soll,nach Angaben des katarischen Premier-ministers Hamad bin Dschassim al-Thani,bereits gedroht haben: „Wir schlagen dieAmerikaner im Irak, und die Endschlachtwird in Iran stattfinden.“

Ein Gespräch zwischen dem US-Sena-tor John Kerry und dem Emir von Katarzeigt auch die Schwierigkeiten, mit denIranern überhaupt ins Gespräch zu kom-men: „Er (Kerry) klagte, dass jeder Kom-munikationsversuch der US-Regierung

mit der Regierung von Iran nur durch in-direkte Kanäle erfolgt und ohne Antwortgeblieben sei. Wieder kein Erfolg.“ Manmüsse mit Irans geistlichem Führer Aja-tollah Chamenei selbst reden, sagt Kerry.Worauf der Emir entgegnet: „Und wasist, wenn ich mit dem iranischen Präsi-denten rede? Was soll ich ihm ausrich-ten?“ Kerry: „Die USA streben eine ernst-hafte Diskussion an und wollen eine neueBasis für eine Beziehung schaffen, die aufeiner nichtkonfrontativen Einhaltung derIAEA-Bedingungen und anderer gemein-samer Interessen beruht.“

Die Supermacht Amerika scheitert dar -an, die iranischen Herrscher ans Telefonzu bekommen. Das Ende der Geduldzeichnet sich ab – auch in den vorliegen-den Dokumenten.

Immer wieder wird dabei die Formelgebraucht: „Amerika wird es nicht tole-rieren, dass Iran Nuklearwaffen erlangt.“An einigen Stellen klingt das wie eine di-rekte Drohung. Etwa bei einem protokol-lierten Dialog zwischen der US-Botschaf-terin in Kuwait und dem Sohn des dorti-gen Premierministers.

„Sie (die Botschafterin) betonte, dassdie Hand des Präsidenten noch immerRichtung Iran ausgestreckt sei, aber voneinem bestimmten Punkt an wird Iranden Konsequenzen seiner Widerspenstig-keit ins Auge sehen müssen; mehr als das,der Präsident bewegt sich auf einer mitBedacht gezogenen feinen Linie, indemer auch mit anderen kommuniziert, dieAktionen fordern, welche wir zu vermei-den hoffen.“

„Dr. Ahmad (der Sohn des Premiers)verstand die Botschafterin und bemerkte,dass vor ein oder zwei Jahren viele Ku-waiter gehofft hatten, ein stiller, gezielterSchlag würde den problematischen Reak-tor ausschalten und die Region entspann-ter zurücklassen. Er erwähnte, dass Iranunterdessen allerdings mehrere Reakto-ren haben dürfte und sein nukleares Zielerreichen wolle, ganz egal, was der Wes-ten unternehme.“

Und wie ist die Äußerung von US-Ver-teidigungsminister Robert Gates gegen-über dem türkischen Premier Recep

Titel

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Depesche vom 22. März 2009 aus der US-Botschaft in Riad:

„Der König sagte, die Iraner wollten die Beziehungen verbessern, und er

habe Mottaki mit einem Ultimatum geantwortet: ,Ich gebe euch ein Jahr‘

(um die Verbindungen zu verbessern), ‚danach ist Schluss.‘“Irans Präsident Ahmadinedschad

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Tayyip Erdogan zu verstehen? „WennIran Nuklearwaffen entwickelt, dann gibtes zwei Szenarien: atomare Weiterver-breitung im Nahen Osten oder einen re-gionalen Krieg oder vielleicht beides.“

Oder jene des amerikanischen Vize-Verteidigungsministers Alexander Versh -bow, der in Moskau sagt, „wenn es nichtgelingt, Irans Griff nach Nuklearwaffenzu stoppen, dann haben wir es mit einer,unberechenbaren, eventuell explosiven‘Situation im Nahen Osten zu tun“.

Wann immer es neue Informationenüber das iranische Atomprogramm gibtoder wichtige Beratungen der Interna -tionalen Atomenergiebehörde anstehen,schickt das US-Außenministerium De -peschen an seine Botschaften, genannt„Action Request“, Handlungsaufforderun-gen. Die Botschafter sollen ihre Gast- länder drängen, Statements gegen Iranzu veröffentlichen, um den Druck zu er-höhen.

Am 21. November 2009 ist es wiedermal so weit. „Die Botschafter sollten be-ginnen, ein Fundament für mögliche künf-tige Aktionen zu legen als Antwort auf

die Verweigerung der Zusammenarbeitdurch Iran.“ Und am 29. Januar 2010: DieBotschafter sollen erklären, warum es nö-tig wird, härter gegen Iran vorzugehen.

Auch Irans arabische Nachbarn behar-ren jetzt fast unisono auf scharfen Sank-tionen. Scheich Abdullah bin Zayed, derAußenminister der Emirate, fordert, dieUSA und ihre Alliierten „müssen ent-scheiden, wie sie Iran stoppen“. Und dieeher zurückhaltenden Saudis sagen, sieseien überzeugt, dass Iran vorhabe, eineNuklearwaffe zu entwickeln, und sich da-von nicht abbringen lassen werde.

„Der König hat General Jones mitge-teilt, dass der interne Aufruhr in Iran eineGelegenheit sei, das Regime zu schwä-chen – was er befürwortete –, drängteaber darauf, dass das geheim zu erfolgenhabe und dass öffentliche Stellungnah-men für die Reformer kontraproduktivseien.“ So steht es in einem Bericht zurVorbereitung einer Reise von US-Außen-ministerin Hillary Clinton nach Saudi-Arabien. „Der König urteilt, dass Sank-

tionen helfen könnten, das Regime zuschwächen, aber nur, wenn sie scharf undnachhaltig seien.“ Amerika drängt jetztalle Staaten der Region, Sanktionen mit-zutragen, was sie schließlich auch tun.„Wir sind zwar Nachbarn, aber keineFreunde“, heißt es etwa aus Katar überIran.

Europas Staaten werden ebenfalls be-arbeitet, immer wieder treffen Forderun-gen ein, gegen bestimmte Firmen vorzu-gehen. Die Amerikaner ermahnen auchdie deutsche Regierung, keine Hermes-Bürgschaften für Geschäfte mit Iran mehr auszugeben. Der italienische Ölkon-zern ENI, der in Iran tätig ist, wird aufge-fordert, sich zurückzuziehen – woraufsich jedoch die Italiener nicht einlassen.

Der Ton der geheimen Kabel wird jetztrauer. Da heißt es etwa, nachdem der türkische Premier Erdogan westliche Be-denken wegen des iranischen Atompro-gramms abgetan hat: „Sein Wunsch nacheinem ,guten‘ Besuch in Washington istder Treibstock, den wir benutzen werden,um ihn wieder auf die Linie der interna-tionalen Gemeinschaft zurückzubringen.“

Es hilft nicht, die Türken stimmen spätergegen neue Sanktionen.

Besonders zwei Länder rücken in denFokus amerikanischer Aufmerksamkeit:Russland und China. Die WashingtonerRegierung braucht die beiden, um Sank-tionen im Sicherheitsrat zu beschließen.

Die Rolle der Vereinigten ArabischenEmirate und Saudi-Arabiens ist dabei besonders bedeutsam. Die beiden Staa-ten, die sich öffentlich stets zurückhalten,helfen hinter den Kulissen dabei, die chi-nesischen Handelsbeziehungen zu Iranzu hintertreiben. Diese haben 2009 einVolumen von über 20 Milliarden Dollar.China ist der wichtigste Abnehmer irani-schen Öls.

Der Kronprinz von Abu Dhabi reist imJuli vergangenen Jahres nach Peking unddrängt die Chinesen, Iran zu drohen, dasssie ihre Ölimporte reduzieren würden.Und Saudi-Arabien bietet eigenes Erdölan, wenn die Chinesen dafür den Importvon iranischem Öl drosseln. Die Chinesenzeigen sich interessiert, der Außenminister

führt Gespräche mit Saudi Aramco undlotet mit anderen saudischen Regierungs-vertretern neue Handelsbeziehungen aus.„Saudi-Arabien ermuntert andere Golf-staaten, sich mit China zu treffen, um ähn-liche Kooperationen zu sondieren“, heißtes in einem Protokoll vom Januar 2010.

In Moskau geht es um Geld – und Psy-chologie. „Um Russland dazu zu bringen,schärfere Aktionen gegen Iran zu unter-stützen, bedarf es einer koordiniertenStrategie unserer Freunde und Alliierten,inklusive Israel und Saudi-Arabien.“ Eskomme darauf an, glauben die amerika-nischen Diplomaten, der RohstoffmachtRussland die Sanktionen schmackhaft zumachen. Denn für die Russen wäre es fi-nanziell am besten, wenn der Konfliktbis in alle Ewigkeit anhalten würde. Ineiner internen Analyse aus der US-Bot-schaft in Moskau heißt es: „Als weltgröß-ter Exporteur von Öl und Gas profitiertRussland erheblich von einer ,Unsicher-heitsprämie‘ bei den Ölpreisen aufgrundder Spannungen mit Iran.“ Bei einer „Prä-mie“ von fünf Dollar pro Barrel bedeutedas allein beim Ölexport neun MilliardenDollar mehr pro Jahr für Moskau.

WIE GROSS IST DIE GEFAHR WIRKLICH?Bleibt am Ende die Frage: Wie groß istdie Gefahr tatsächlich, die Iran für dieWelt darstellt? Die Aussagen in den Bot-schaftsdokumenten zeigen, dass alle ent-scheidenden Beteiligten – Amerika, dieEuropäer, Israel, die Araber, später auchRussland – davon überzeugt sind, dassIran das Nuklearprogramm vorantreibt,um die Technologie militärisch nutzen zukönnen. Inwieweit Iran allerdings eineAtombombe bauen kann und will, dar -über herrscht durchaus keine Einigkeit.

Die US-Diplomaten zitieren ausführ-lich neue Analysen, die belegen sollen,dass Iran technisch nicht in der Lage sei,weitreichende Trägerraketen zu bauen –und dass das vermutlich auch noch einigeJahre so bleiben werde. Ein nuklearer Ra-ketenangriff auf Europa, Russland oderAmerika wäre in dem Fall unrealistisch.

Nicht einmal in Israel sind alle davonüberzeugt, dass Iran unmittelbar vor demBau einer Atombombe steht. Bei einemTreffen zwischen Amerikanern und Israe-lis im Mai 2009 sagt Amos Jadlin, Chefdes israelischen Militärgeheimdienstes,dass Iran nicht anstrebe, „Nordkorea oderso wie der Irak vor 2003“ zu werden. DieIraner würden Resolutionen und Sank- tionen auf einem „erträglichen Level“ hal-ten wollen und daher so lange fortfahren,niedrig angereichertes Uran zu produzie-ren, bis es reiche, um schnell mehrereBomben bauen zu können. Dann sagt erden Amerikanern: „Iran könnte sich ent-scheiden, 2010 eine Bombe zu bauen,aber Iran wartet auf den richtigen Zeit-punkt in der Zukunft.“

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Depesche vom 24. Februar 2010 aus der US-Botschaft in Doha:

„Damit die Sanktionen Wirkung zeigen, ist es außerordentlich wichtig,

dass Russland und an Iran angrenzende Staaten sie uneingeschränkt

anwenden.“

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Der türkische Premierminister Re-cep Tayyip Erdogan ist der wich-tigste muslimische Verbündete

der USA. Als er antrat, versprach er einendemokratischen Islam – eine Vision, dieVorbild hätte sein können für andere Staa-ten der Region.

Doch wenn man den Depeschen derAmerikaner glauben kann, ist die Türkeidavon weit entfernt. Die US-Diplomatenschätzen das Land ganz anders ein. Er-dogan? Ein machtgieriger Islamist. SeineMinister? Unfähig, ungebildet, manchekorrupt. Die Regierung? Zerstritten. DieOpposition? Lächerlich.

Tausende Berichte schickten die US-Diplomaten in den vergangenen 31 Jah-ren aus Ankara. Die jüngeren Dokumen-te sind eine gnadenlose Abrechnung – siestehen im Widerspruch zu fast allem, wasdie Regierung der USA bislang offiziellzur Türkei zu sagen hatte.

Vor allem Premier Erdogan misstrauendie Amerikaner: Er habe noch nie einrealistisches Weltbild gehabt, heißt es ineinem Schreiben vom Mai 2005. Erdoganglaube, Gott habe ihn auserkoren, dieTürkei zu führen, und inszeniere sich gernals „Volkstribun von Anatolien“.

Der Regierungschef des Nato-Partnersmit der zweitgrößten Bündnisarmee in-formiere sich fast ausschließlich aus isla-mistennahen Zeitungen, behaupten dieAmerikaner, Analysen aus seinen Minis-terien interessierten ihn angeblich nicht.Das Militär und der Geheimdienst wür-den gewisse Berichte nicht mehr an ihnweiterleiten. Er traue niemandem wirk-lich und umgebe sich mit einem „eisernenRing von unterwürfigen (aber hochnäsi-gen) Beratern“. Trotz seiner „Prahlerei“sei er von Angst erfüllt, seine Macht zuverlieren. Ein Erdogan-Kenner sagt denAmerikanern: „Tayyip glaubt an Gott –aber er traut ihm nicht.“

Erdogan übernahm 2003 das Amt desMinisterpräsidenten, zwei Jahre zuvor hat-te er seine Partei, die islamisch-konserva-tive AKP, gegründet. Im Wahlkampf kün-digte er an, die Korruption zu bekämpfen.

Doch schon 2004 berichten Informan-ten den Amerikanern von Korruption aufallen Ebenen, sogar innerhalb der FamilieErdogans. Die Beschuldigungen sindnicht bewiesen, vielleicht wollen dieQuellen den Premier nur anschwärzen.

Aber sie prägen das Bild der Amerikanervon der Türkei – und das ist verheerend.

Die Gerüchte klingen ungeheuerlich.So soll einer der wichtigsten Berater derRegierung einer Journalistin anvertrauthaben, dass sich Erdogan bei der Privati-sierung einer staatlichen Ölraffinerie be-reichert habe. Einer Quelle im Energie-ministerium zufolge soll er im vergange-nen Jahr die Iraner unter Druck gesetzthaben, einen Gas-Pipeline-Deal mit einertürkischen Firma einzugehen, die einemseiner Schulfreunde gehört. Das Geschäfthat Beobachter verwundert: Denn das Unternehmen baut Häfen aus, hat aberkaum Erfahrung im Energiebereich. Er-dogan selbst soll, so behaupten zwei In-formanten der Amerikaner, über achtKonten in der Schweiz verfügen.

Die Erdogan-Partei AKP dementiert ve-hement alle Vorwürfe. Und der Premiersagt, seinen Reichtum habe er durch Ge-schenke erlangt, die Gäste seinem Sohnbei der Hochzeit überreichten. Außerdemfinanziere ein türkischer Geschäftsmannseinen vier Kindern das Studium in denUSA. Die US-Botschaft hält diese Erklä-rungen für „eine faule Ausrede“.

Aber Erdogan weiß offenbar, wie mandie Basis für sich gewinnt: Als seine AKPeine empfindliche Niederlage bei der Bürgermeisterwahl 2004 in Trabzon ein-stecken musste, soll er, so die Botschafts -dokumente, seinen engen Vertrauten Faruk Nafiz Özak als Präsidenten des Fuß-ballclubs Trabzonspor installiert haben.Die Depeschen geben unbewiesene Be-hauptungen von Informanten wieder,demnach soll der Premier Özak einigeMillionen Dollar aus einer geheimenStaatskasse überwiesen haben. Er mögemit dem Geld, so ein Schreiben vom Juni2005, bessere Spieler kaufen, um dem neu-

en Bürgermeister den Rang abzulaufen.Bis zum Redaktionsschluss war von Erdo-gan keine Stellungnahme zu erhalten.

Der Premier habe die AKP zu einer„Erdogan-Maschine“ umgebaut, konsta-tiert die US-Botschaft. Viele AKP-Spit-zenkräfte seien Mitglied in einer musli-mischen Bruderschaft: auch Erdogan undStaatspräsident Abdullah Gül.

Es gebe allgemein „zu wenig Sachver-stand“ in der Regierung, kritisiert US-Botschafter Eric Edelman schon im Ja -nuar 2004: „Einige AKP-Leute wachsenzwar an ihrem Amt, andere sind inkom-petent, gehen Privatinteressen nach oder

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„Volkstribun von Anatolien“Der Nato-Partner Türkei ist den Amerikanern besonders

unheimlich: Die Botschaftsdepeschen schildern Premier Erdoganals ignoranten Islamisten mit korrupter Regierung.

Premierminister Erdogan: „Er hat noch nie ein

Urteil des US-Botschafters über Erdogan vom 30. Dezember 2004:

„Erdogan hat sich dem Fluss verlässlicher Informationen entzogen, was

teilweise seine Probleme erklärt, den Kontext zu verstehen.“

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den Wünschen ihrer religiösen Gemein-schaft. Politiker in den Provinzen sindengstirnige Islamisten.“

Viele hochrangige Staatsdiener sagenden Amerikanern, sie seien entsetzt überErdogans Personal. So habe Erdogan ei-nen „ignoranten, islamistischen Akade-miker“ zu seinem Unterstaatssekretär ge-macht. Frauenministerin Nimet Çubukçu,so lästern US-Informanten, habe ihrenJob bekommen, weil sie mit ErdogansEhefrau Emine befreundet sei. Çubukçusetzt sich für die Kriminalisierung vonEhebruch ein. Einem Minister sagen sieVetternwirtschaft nach, Verbindungenzum Heroinschmuggel und eine Vorliebefür viel zu junge Mädchen.

Vom Wahlvolk werden Erdogan unddie AKP verehrt, schreiben US-Diplo -maten 2004: „Erdogan ist der geborenePolitiker“, „volkstümlich“ und „charisma-tisch“, er habe „die Instinkte eines Stra-ßenkämpfers“. Der Premier, aufgewach-sen in einem rauen Hafenbezirk Istanbuls,engagierte sich schon als junger Mann ineiner radikal-islamistischen Organisationund trat dem konservativen Orden derNakşibendye bei. Noch vor Regierungs -

antritt bekannte er: „Demokratie ist wieein Zug: Wenn wir an der Station sind,wo wir hin wollen, steigen wir aus.“

Damals lernte er Abdullah Gül kennen,mit dem er später den Aufstieg der AKPorganisierte. Beide verbindet inzwischeneine tiefsitzende Rivalität. Immer wiederstänkere Gül gegen Erdogan, vor allemdann, wenn der Premier auf Reisen imAusland sei. Gül, damals Außenminister,versuche, so werten das die Amerikanerim März 2005, Erdogans Politik zu unter-graben, um mehr Macht über die Parteizu gewinnen. Er spreche, anders als Er-dogan, Englisch und stelle sich, sagen dieDiplomaten, als moderat und modern dar.

In Wahrheit aber, so beurteilt die US-Botschaft Aussagen aus Güls Umfeld, seier ideologischer als Erdogan und antiwest-lich. Gül nutze fast jede Gelegenheit, Er-dogan schlecht aussehen zu lassen – er läs-tere über ihn sogar vor Staatsgästen. Langearbeitete Gül darauf hin, Präsident zu wer-den und damit Erdogan ebenbürtig zu sein;der Konkurrent versuchte, das zu verhin-dern – ohne Erfolg, Gül wurde Präsident.

Erdogans Berater und AußenministerAhmet Davutoglu verstünden wenig von

der Politik außerhalb Ankaras, meinendie Amerikaner. Das halten sie für miss-lich, denn sie wollen die Türkei in derEU sehen. Sie glauben nur nicht, dass esdazu kommt. Um ernsthaft verhandlungs-fähig zu sein, „müsste die Regierung einpaar tausend Mitarbeiter einstellen, diegut Englisch sprechen und von den EU-Bürokraten ernst genommen werden“,schrieb der Botschafter. Bisher habe dieAKP vor allem Vertraute aus islamisti-schen Bruderschaften eingestellt.

Einige AKP-Politiker unterstützennach Einschätzung der Amerikaner denEU-Beitritt aus „finsteren und verwirren-den“ Gründen, auch weil sie glauben, dieTürkei müsse den Islam in Europa ver-breiten. Das Mitglied eines führendenAKP-Think-Tanks überspitzte es nachAussagen von US-Diplomaten Ende 2004so: „Wir wollen Andalusien zurück unduns für die Niederlage bei der BelagerungWiens 1683 revanchieren.“

Außenminister Ahmet Davut oglu gehtzwar nicht so weit, aber die Amerikanersind alarmiert über seinen imperialisti-schen Ton. Im Januar 2010 resümiert derUS-Botschafter eine Davutoglu-Rede inSarajevo. „Davutoglus These: Dem Bal-kan, dem Kaukasus und dem Nahen Osten sei es unter Kontrolle und Einflussder Osmanen bessergegangen. Seitdemhaben Teilung und Krieg verheerendeAuswirkungen gehabt. Jetzt jedoch seidie Türkei zurück und bereit zu führen.Davutoglu: ‚Wir werden den osmanischenBalkan wiederherstellen.‘“

Davutoglus Selbstüberschätzung undseine neoosmanische Vision bereiten denAmerikanern Sorgen – die Türkei habe„Ambitionen wie Rolls-Royce, jedoch nurdie Mittel von Rover“, heißt es lapidar.Ein hochrangiger Regierungsbeamter hatnach den Botschaftsdepeschen schon2004 vor den islamistischen EinflüssenDavutoglus auf Erdogan gewarnt:„Er istbesonders gefährlich.“

Unter Erdogans Truppe haben sich dieBeziehungen zu Israel dramatisch ver-schlechtert. Die Regierungen stritten sichüber den Krieg gegen die Hamas und denAngriff auf die Gaza-Hilfsflotte. Der is-raelische Botschafter in Ankara, GabbyLevy, behauptet im Oktober 2009, dassErdogan die Verstimmung provoziere. „Erist ein Fundamentalist. Er hasst uns ausreligiösen Gründen“, wird Levy in einemvertraulichen Schreiben zitiert.

Die Amerikaner beobachten besorgt,wie sich Erdogan immer weiter vom Wes-ten entfernt. Ob das System Erdogan imNato-Land Türkei wirklich stabil bleibt,wissen sie aber auch nicht: „Jeder Taghier ist anders. Keiner kann sicher sein,nach welcher Seite die gesamte Choreo-grafie aus dem Gleichgewicht gerät“,schreibt Botschafter James Jeffrey EndeFebruar 2010 nach Washington. „Gebtacht.“ MAXIMILIAN POPP

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Es geht 240 Stufen hinauf, danndurch ein traditionelles chinesischesTor, vorbei an einem Pavillon. Zwi-

schen Pinien und Zypressen liegen hier,auf einem Hügel im Bezirk Hoechang inNordkorea, 134 chinesische Soldaten be-graben.

Sie gehörten zu den 2,3 Millionen„Freiwilligen“, die Anfang der fünfzigerJahre an der Seite nordkoreanischer Trup-pen gegen die „amerikanischen Aggres-soren und ihre südkoreanischen Lakaien“kämpften, wie es in nordkoreanischenGeschichtsbüchern heißt.

Auch der Soldat Mao Anying ist hierbestattet, ein Sohn Mao Zedongs. Er starbmit 28 Jahren bei einem US-Luftangriff,sein Grab ist mit einer weißen Büste ver-ziert. 60 Jahre nach seinem Tod stieg vo-rige Woche Nordkoreas Verteidigungsmi-nister Kim Yong Chun die Treppe hoch,um der Gefallenen zu gedenken. Sie hät-ten „einen großen Beitrag für den FriedenAsiens und der Welt“ geleistet.

Fast zeitgleich unterzeichnete ChinasGesundheitsminister Chen Zhu in Pjöng-jang ein Abkommen über medizinischeZusammenarbeit. Und Nordkoreas Herr-scher Kim Jong Il besuchte ein Symbol

der Freundschaft beider Staaten: das Glas-werk Taean – eine Fabrik, ausgerüstetmit Maschinen aus Hongkong, die Pekingden Nordkoreanern vor einigen Jahrenschenkte. Das Werk zeige die „Vitalitätder Verbindung zwischen beiden Län-dern“, befand der Diktator.

Daran mochten auch die dramatischenEreignisse an der Grenze zwischen Nord-und Südkorea nichts ändern. Kims Artil-lerie hatte am Dienstag die Insel Yeon-pyeong beschossen, vier Zivilisten undSoldaten getötet, mehrere Häuser inBrand gesetzt – und einmal mehr die gan-ze Welt erschreckt.

Während viele Regierungen Nordkoreaverurteilten und Washington für ein langegeplantes Manöver mit seinen südkorea-nischen Verbündeten den Flugzeugträger„George Washington“ vor der nordkorea-nischen Küste aufkreuzen ließ, reagiertePeking milde: Die „beteiligten Seiten“sollten „jede Form militärischer Provoka-tion“ unterlassen, mahnte Premier WenJiabao. Mehr war aus dem großen Nach-barland nicht zu hören. AußenministerYang Jiechi sagte „wegen Terminschwie-

rigkeiten“ sogar eine Reise nach Südko-rea ab – weil die Nordkoreaner den Be-such in dieser Situation als Affront ver-stehen könnten.

Die Lage in der Region ist prekär: ImFall eines Angriffs auf Nordkorea müss-ten die Chinesen ihren Genossen zu Hilfeeilen, dazu zwingt sie ein „Freundschafts-und Beistandspakt“, der 1961 geschlossenwurde. Auch die Amerikaner wären un-ter bestimmten Umständen verpflichtet,den befreundeten Südkoreanern beizu-stehen – laut einem „Gemeinsamen Ver-teidigungsvertrag“.

Deshalb versuchten sie vorige Woche,die Nordkoreaner mit Hilfe Pekings zurRäson zu bringen. „China hat Einflussauf Nordkorea, und wir würden erwarten,dass es diesen Einfluss nutzt“, forderteAußenamtssprecher Philip Crowley.

Da hofft er wohl vergebens. China wirdalles vermeiden, was die Ruhe an seinenGrenzen gefährden könnte. Aus Angstvor unberechenbaren Reaktionen inPjöngjang wagen die KP-Führer keinenKurswechsel gegenüber ihren Brüdern.

Sie stehen dem Kim-Clan näher, als esdie Welt vermutet. Wie „Lippen und Zäh-ne“, so die Propaganda beider Länder,sei das Verhältnis, eine „in Blut getauch-te“ Verbindung. Schließlich waren wäh-rend des Korea-Krieges zwischen 1950und 1953 rund 400000 chinesische Sol -daten gefallen. Nordkorea sei ein „engerGenosse und ernsthafter Freund“, sagteStaats- und Parteichef Hu Jintao jüngst –und meinte dies durchaus ernst.

Gleich zweimal dieses Jahr empfing erHerrscher Kim. Und Zhou Yongkang, derim Ständigen Ausschuss des Politbürosfür Sicherheit zuständig ist, stand inPjöngjang mit den Kims zum 65. Jahres-tag der Parteigründung auf der Tribüne,als feierlich das Militär vorbeimarschierte.

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Führer Kim Jong Il (r.), Aufsteiger Kim Jong Un in Pjöngjang am 10. Oktober: Einmal mehr die ganze Welt erschreckt

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Rivalen Barack Obama, Hu Zum Beistand verpflichtet

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Wie Lippen und Zähne

Die Amerikaner verlangen von Peking, den schießwütigen DiktatorKim Jong Il zur Räson zu bringen.Noch immer gilt China als treueSchutzmacht des Kim-Regimes.

Page 19: Titel Im Visier der Supermacht · Können die Vereinigten Staaten von Amerika ohne Deutschland über-leben? Was ist hierzulande so wichtig, dass „eine Zerstörung oder Er-schöpfung“

Damit segnete die chinesische Führungden Aufstieg des jungen ThronfolgersKim Jong Un ab.

Und doch kommt die jüngste nordko-reanische Attacke der Pekinger Führungäußerst ungelegen – ähnlich wie die letzten Nuklear- und Raketentests unddie mutmaßliche Versenkung des süd -koreanischen Kriegsschiffs „Cheonan“ imMärz, bei der 46 Seeleute starben. Siefürchtet, Washington könnte die Krisenutzen, um seine militärische Präsenz inOstasien zu verstärken. Aber auch, dassRivale Japan weiter aufrüsten wird undwomöglich eine eigene Atombombe baut.

Ansonsten setzt die chinesische KP aufGeduld. Nur so sei der schwierige Nach-bar zu wirtschaftlichen Reformen zu über-reden, beteuern Funktionäre. Natürlichwill die Regierung auch eigene Interessenwahren. Rund die Hälfte aller nordkorea-nischen Importe stammen aus China, daswiederum ein Drittel der gesamten nord-koreanischen Exporte übernimmt.

Peking sicherte sich auf 50 Jahre dasRecht, die Eisenerz-Mine in Musan aus-zubeuten, und chinesische Firmen bauendie Sonderwirtschaftszone Rajin im Nor-den mit aus. Als Gegenleistung erhält Chi-na Zugang zu einem eisfreien Hafen amJapanischen Meer.

Aber nicht alles in den Beziehungenzu Pjöngjang ist nur strategisches Kalkül,die Chinesen empfinden auch tiefe poli-tische Sympathie für die Nordkoreaner.Chinesische Wissenschaftler und Diplo-maten, die dafür plädieren, den errati-schen Nachbarn nicht mehr mit Samt-handschuhen anzufassen, konnten sichgegen die sogenannten Traditionalistenin der KP bislang nicht durchsetzen. DieKonservativen meinen, dass sich Nordko-rea zwar nicht immer klug verhält, aberwegen der gemeinsamen Vergangenheitgestützt werden muss.

„Tragisch“ sei die Lage der Nachbarn,befand das englischsprachige KP-Organ„Global Times“ vorige Woche. Und dieamtliche Nachrichtenagentur Xinhua gabausführlich den Standpunkt des Kim- Regimes wieder, wonach der Angriff aufYeonpyeong nur eine Abwehrreaktionauf südkoreanische Übergriffe gewesensei. Das war ein deutlicher Hinweis, dassPeking den Nordkoreanern mehr glaubtals der Führung in Seoul.

Auch Chinas Vizepräsident Xi Jinping– er wird 2012 voraussichtlich Parteichefwerden – pries jüngst bei einer Feier mitKriegsveteranen die Freundschaft mit denNachbarn. Dabei rechtfertigte der neuestarke Mann Chinas Militäreinsatz vor 60Jahren. Die USA hätten Peking einen„imperialistischen Krieg“ aufgezwungen,als ihre Truppen den 38. Breitengrad Rich-tung Norden überquerten.

Dass Nordkorea den Krieg angezettelthatte, vergaß Xi zu erwähnen.

ANDREAS LORENZ, WIELAND WAGNER

Eigentlich sah es ganz gut aus für Ni-colas Sarkozy: Die Streiks und De-monstrationen gegen die Renten -

reform waren ins Leere gelaufen, die Um-besetzungen im Kabinett vollzogen, dersperrige Arbeitsminister, der wegen Par-teienfinanzierung unter Druck geriet, warentsorgt. Selbst der Absturz des Präsiden-ten in den Meinungsumfragen schien ge-stoppt. „Der neue Sarkozy ist angekom-men“, schrieb die Zeitung „Libération“.

Wirklich? Nur wenige Tage nachdemder Staatschef mit Blick auf die Präsiden-tenwahl 2012 sein neues „Kampfkabinett“ernannt hat, holt ihn eine alte Affäre ein:Er muss sich gegen Anschuldigungen weh-ren, die ihn mit einem Skandal aus denneunziger Jahren in Verbindung bringen.Mit einer Geschichte, die in die Ära sei-nes Amtsvorgängers zurückreicht.

Es geht um millionenschwere Waffen-geschäfte, Bestechung von Militärs undPolitikern, Schiebereien zwischen Finanz -oasen wie Luxemburg, Liechtenstein oderder Isle of Man, und es geht um Mord –14 Menschen starben im Mai 2002 bei ei-nem Anschlag in Pakistans HafenstadtKaratschi. „Karatschigate“ heißt die Af-färe seitdem.

Die Opposition, aber auch innerpartei-liche Rivalen wie Ex-Premier Dominiquede Villepin nutzen die Enthüllungen be-reits zu Attacken gegen Sarkozy, auchwenn bislang nicht klar ist, ob und wietief er im Sumpf der Staatsaffäre steckt.Der Elysée beteuert, dass der Präsident„in keiner Weise“ von dem Dossier be-troffen sei. Unstrittig aber ist, dass Sar-kozy, zur betreffenden Zeit Haushalts -minister, den Deal abgenickt hat.

Die laufenden Ermittlungen, so der In-ternetdienst Mediapart, „schließen denfranzösischen Staatschef direkt ein. DiePräsidentschaft ist bis in die Grundfestenerschüttert“.

Die Geschichte beginnt 1994, als Edou-ard Balladur in Paris als Regierungschefamtiert. Am 21. September unterzeichnetsein Verteidigungsminister einen Vertragüber den Verkauf von drei U-Booten derAgosta-Klasse an Pakistan, zum Preis vonumgerechnet 825 Millionen Euro. Voraus-gegangen waren langwierige Verhandlun-gen – offenbar setzte sich die Traditions-werft DCN nur dank üppiger Provisions-zahlungen an pakistanische Militärs undPolitiker gegen Konkurrenten aus Schwe-den und Deutschland durch.

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Ehepaar Sarkozy: „In keiner Weise betroffen“

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Im Reich der FabelnWaffengeschäfte mit Pakistan und ein Anschlag mit 14 Toten:

Paris wird von einer dubiosen Affäre eingeholt. Und wieder drehtsich alles nur um eine Frage: Was wusste Nicolas Sarkozy?

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Die Schmiergelder, 85 Millionen Euro,wurden von der Staatsfirma als „kommer-zielle Sonderausgaben“ verbucht. Das ge-hörte seinerzeit zu den Usancen militäri-scher Exporte und war sogar legal. Ganzund gar illegal jedoch war, dass ein Teildieser Zahlungen wohl auf Umwegennach Frankreich zurückfloss. Zu denEmpfängern gehörte laut Ermittlern auchPremier Balladur, der mit den Geldernseinen Präsidentschaftswahlkampf finan-zieren wollte. Enger Mitarbeiter undSprecher der Kampagne war der damali-ge Haushaltsminister: Nicolas Sarkozy.

Aber Balladur hat Pech, sein Parteige-nosse Jacques Chirac gewinnt die Wahlen.Als der Staatschef erfährt, Balladur habedurch den Agosta-Deal womöglich überheimlich sprudelnde Geldquellen verfügt,lässt er die noch ausstehenden Kommis -sionszahlungen nach Pakistan stoppen.Ruchbar wird das alles erst sechs Jahrespäter.

Denn am 8. Mai 2002 werden bei einemSprengstoffanschlag auf einen Bus in Ka-ratschi drei Pakistaner und elf Franzosengetötet, die dort den Bau der U-Booteüberwachen. Die Bluttat wird al Qaidazugeschrieben – eine Hypothese, die achtMonate nach den Terroranschlägen vom11. September überzeugend scheint. Beider Trauerfeier verspricht Präsident Chi-rac den Hinterbliebenen: „Die Republikweiß, was sie Ihnen schuldet, und wirdes nicht vergessen.“

Magali Drouet und Sandrine Leclerc,die damals an den mit der Trikolore ge-schmückten Särgen standen, vertretenheute sechs der betroffenen Familien. Siesind Mitte zwanzig, als die Leichen ihrerVäter aus Karatschi zurückgebracht wer-den. Beide haben nun gemeinsam einBuch verfasst, in dem sie die mangelndeAufklärung und die Untätigkeit der fran-zösischen Regierung anprangern**.

Drouet ist selbst Angestellte der WerftDCN. Zusammen mit Sandrine Leclerc,die als Lehrerin für Biotechnologie beiPerpignan arbeitet, beschreibt sie in demBuch ihre Enttäuschungen und seelischenVerletzungen. Von der Leitung der Werftgedemütigt und isoliert, von den Behör-den zeitweise überwacht, beginnt sie, un-bequeme Fragen nach den Umständendes Anschlags zu stellen und nach denHintergründen – „erst voller Trauer, dannvoller Zorn“.

Denn die Pariser Regierung hat sichauf die „islamistische Fährte“ festgelegt,gemäß dem in Karatschi verkündetenKurs. Dort werden prompt drei Männerals Handlanger Osama Bin Ladens ver-haftet, vor Gericht gestellt und zum Todedurch den Strang verurteilt. Erst sechsJahre später wird das Urteil „mangels Be-

* Oben: nach dem Anschlag 2002; unten: Magali Drouet,Sandrine Leclerc.** „On nous appelle ‚les Karachi‘“. Fleuve noir, Paris;262 Seiten; 17,50 Euro.

weisen“ kassiert; der Richter rügt die of-fensichtlich einseitigen Nachforschungen.

Dabei gibt es schon Tage nach dem An-schlag Zweifel an der offiziellen Darstel-lung: US-Experten sind überzeugt, dassExtremisten nicht ohne weiteres Franzo-sen in die Luft sprengen würden. Undder damalige DCN-Chef protokolliert,dass nur wegen des U-Boot-Deals sein„Werftpersonal zur Zielscheibe wurde“.Diese These wird auch von internen Be-richten, Codewort „Nautilus“, gestützt.Dennoch beharren die Behörden weiterauf einem Terrorkomplott.

„Die Qaida-Spur war eine Leimrute“,sagt Olivier Morice, der Anwalt der Hin-terbliebenen. Er glaubt, dass die Franzo-sen Opfer eines Racheakts wurden, weilihre Regierung sich nicht mehr an die Ab-sprachen hielt. „Alles spricht dafür, dassder Anschlag stattfand, weil Frankreichnicht die im U-Boot-Vertrag vereinbartenZahlungen geleistet hat“, so Morice.

Sechs Jahre bleibt diese These tabu, mitRücksicht auf die Staatsräson. Einsamkämpfen Magali Drouet und Sandrine Lec-lerc gegen die Mühlen der Justiz. „Wir wur-den von den Ermittlungen ferngehalten“,sagt Drouet, „wir ruderten im Sand.“ Erstals die Medien 2008 neue Dokumente überdas Attentat zutage fördern, wird die Dar-stellung der Regierung erschüttert. In diesenUnterlagen, auf die die neuberufenen Un-tersuchungsrichter Marc Trévidic (Terroris-

mus) und Renaud Van Ruymbeke (Finanz-delikte) heute ihre Ermittlungen stützen,taucht mehrfach der Name Sarkozy auf.

Zentrales Beweisstück ist ein Papier,das französische Polizisten bei einer Haus-durchsuchung am Hauptsitz der DCN-Werft beschlagnahmen. Es schildert, be-stätigt durch einen Bericht der Luxem-burger Kriminalpolizei, den Aufstieg undFall einer Tarnfirma mit dem poetischenNamen Heine. Gegründet wurde das Fi-nanzunternehmen von der DCN im ver-schwiegenen Großherzogtum, offenbarmit dem Segen der „zwei Nicolas“. Sohießen in Paris damals die engsten Ver-trauten von Premier Balladur: BürochefBazire und Haushaltsminister Sarkozy.

Demnach dienten Heine und die Nach-folgefirma Eurolux zwischen 1994 und2004 als Drehscheiben für die Zahlungvon Schmiergeldern; insgesamt 76 Millio-nen Euro flossen über ihre Konten. 52Millionen dienten dazu, die pakistani-schen Entscheidungsträger für den Agos-ta-Deal zu erwärmen. Der Rest der Sum-me floss über Strohmänner zurück nachFrankreich – ein Teil zur Unterstützungdes Wahlkampfes von Edouard Balladur.

Der Ex-Premier bezeichnet die Vorgän-ge heute als „alte Geschichten“. Sarkozyjedoch reagiert aggressiv, als er im Juni2009 auf die Rücküberweisungen ange-sprochen wird: „Das ist lächerlich, ja gro-tesk“, poltert er los und bezeichnet dieVorgänge als „unglaubwürdige Fabel“.

Im Herbst 2006 hatte Sarkozy das allesnoch ziemlich ernst genommen. Kurz vordem Endspurt in seinem eigenen Präsi-dentenwahlkampf wird er durch einSchreiben von Jean-Marie Boivin aufge-schreckt, der bei der Firma Heine die Be-stechungsgelder über diverse Auslands-konten lenkt. Der Manager, den derSchiffsbauer DCN bei der Schließung derTochterfirma vor die Tür setzte, will sichmit seiner Abfindung von 610200 Euronicht zufriedengeben. Er fordert rundacht Millionen. Andernfalls will er kom-promittierende Dokumente offenlegen.

Auf Anweisung, wohl von Sarkozy,werden zwei frühere Geheimdienstlernach Luxemburg geschickt, um den Er-pressungsversuch zu stoppen. Das Manö-ver misslingt, denn Boivin hat seine Be-weise in einem Schweizer Banksafe hin-terlegt. Aus Angst vor dem Skandalknickt die Regierung ein. Bei einem dis-kreten Treffen auf der Isle of Man unter-schreibt ein „hoher Beamter der franzö-sischen Regierung“ die Zahlung der Mil-lionen. Das erkaufte Schweigen geht aufKosten des Steuerzahlers.

Magali Drouet und Sandrine Leclercaber warten noch immer auf die ganzeWahrheit. „Wir haben keine Rechnungzu begleichen, wir verfolgen keine Spur“,beteuert Drouet. „Wir wollen nur wissen,warum unsere Väter gestorben sind.“

STEFAN SIMONS

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Zerstörter Bus in Karatschi, Angehörige* „Erst voller Trauer, dann voller Zorn“

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lierten Wachleute. Bis zu jener Dezem-bernacht schien es absurd, dass jemandhier einbrechen würde – in diese Anlagemit dem allgegenwärtigen Stacheldraht,den Wachtürmen, der Erschießungswandbei Block 11, dem Galgen gleich am Ein-gang rechts und der Gaskammer nebendem Hauptgebäude. 

Als Papis den Tatort erreichte, war dieSpurensicherung schon da: „Das ist keinDiebstahl, das ist eine Entweihung“, sagteein Museumssprecher.

Papis ist eine schlanke Frau von 32 Jah-ren, sie hat in Krakau Restaurierung studiert. „Auschwitz ist eine besondereHerausforderung“, sagt sie: „Wir habengelernt, Kunstwerke zu erhalten. Hiermüssen wir alte Schuhe, Koffer oderZahnbürsten konservieren.“

Ein großer Teil des Stammlagers warenzunächst Kasernen, später wurden vieleGebäude von halbverhungerten Zwangs-arbeitern und Häftlingen errichtet. Die

Ziegel und Dachpfannen sind Billigpro-dukte aus jener Zeit.

Den Torbogen mit dem Schriftzug „Ar-beit macht frei“ hatten die Diebe überden Boden geschleift, rund 50 Kilogrammist er schwer und gut fünf Meter breit. Sieknickten ihn, bis er brach, und bugsiertenihn dann durch eine Lücke in der Beton-mauer, hinter der heute die Schnellstraßenach Krakau verläuft.

Papis hat sich an verschiedene Techni-sche Universitäten gewandt, um Hilfe beider Restaurierung zu bekommen. DasMetall zu schweißen und wieder in diealte Form zurückzubiegen ist nicht ein-fach, es ist im Lauf der Zeit bröcklig ge-worden. Die Krakauer Bergbau-Akade-

Zehntausende sind unter diesem zy-nischen Schriftzug hindurch in denTod gegangen – und jetzt streift

sich Aleksandra Papis, die Chefkonser-vatorin im Museum Auschwitz, OP-Hand-schuhe über, bevor sie die Lettern ausBlech berührt. Behutsamkeit ist bei ihrdas oberste Gebot.

Papis und ein Kollege heben das ersteFragment aus einer Holzkiste: „ARBEIT“.Es ist angekratzt. Das zweite Bruchstück –

„MACHT“ – ist schwer verbogen, beim„FREI“ ist das I abgebrochen. 

Papis überwacht die Reparatur desSchriftzugs. Ausgerechnet zwei Gasrohrehatte der polnische Häftling Jan Liwacz1940 zurechtgebogen und dazwischen die15 aus Blech gestanzten Buchstaben ge-schweißt. Das B brachte er falsch heruman, ein winziger Akt des Widerstands. 

70 Jahre später haben Diebe sein Werkzerstört: Vier Kleinkriminelle brachen vorfast einem Jahr nachts in die KZ-Gedenk-stätte Auschwitz ein, rissen den Torbogenaus der Fassung über dem Haupteingang,zersägten ihn und schafften ihn da -von. Eine bizarre Aktion. Drei der Tätersitzen bereits verurteilt im Gefängnis.

Nun geht es um die Drahtzieher. EinBauunternehmer aus der Nähe von Toruńund ein Schwede haben gestanden, dieOrganisatoren des Diebstahls zu sein. DieStaatsanwaltschaft in Krakau teilte ver-gangenen Donnerstag mit, sie habe An-klage erhoben.

Was treibt Menschen an, solch eine Tatzu begehen? Sind es Neonazis, Sammlervon NS-Devotionalien oder Geschäfte-macher? Und steckt tatsächlich ein Mil-

lionär aus der rechtsradikalen SzeneSchwedens hinter allem?

Aleksandra Papis erinnert sich nochgenau an den Morgen des 19. Dezembervor einem Jahr. Es war kalt, Schnee lagim Eingang zum Stammlager AuschwitzI, eine Trittleiter stand herum. Die Bande,es waren vier Männer aus der Umgebungvon Czernikowo bei Toruń, hatte leich-tes Spiel gehabt. Nachts ist es stockdun-kel zwischen den ehemaligen Lager -gebäuden. 

Zwei Schrauben mit Sechskant-Mut-tern hielten den Torbogen in der Fassung,er ist leicht abzumontieren: Das Eingangs-tor ist bis heute die einzige Zufahrt fürdie Feuerwehr. Nur gelegentlich patrouil-

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Eine bizarre TatVor einem Jahr raubten Kriminelle den Schriftzug „Arbeit macht frei“ aus dem KZ Auschwitz. In Krakau kommen nun ein schwe -

discher Ex-Nazi und ein polnischer Bauunternehmer vor Gericht.

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Losung über dem Eingang des ehemaligen Todeslagers Auschwitz, Angeklagter Högström: „Für wie viel kann man das wohl verkaufen?“